42
Abt. Bildungssoziologie Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen Wie sich Geschlechterbilder u. a. Faktoren auf den Schulerfolg von Schülern und Schülerinnen auswirken Elisabeth Grünewald-Huber, Pädagogische Hochschule Bern www.faulejungs.ch Zürich Unterstrass, 2. September 2011

Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und TatsachenWie sich Geschlechterbilder u. a. Faktoren auf den Schulerfolg von Schülern und Schülerinnen auswirken! Elisabeth Grünewald-Huber, Pädagogische Hochschule Bern www.faulejungs.ch

Zürich Unterstrass, 2. September 2011!

Page 2: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Inhalt!

•  Aktuelle Diskussion – Erklärungsansätze

•  Ergebnisse der Berner Studie: Quantitative Ergebnisse: Fragebogen Qualitative Ergebnisse: Gruppengespräche, Unterrichtsvideos

•  Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

2 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 3: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Vorbemerkungen!

1. Es gibt nicht die Jungen und Mädchen; beide Gruppen sind

sehr vielfältig! 2. Die soziale Herkunft (Familie, Milieu) wirkt sich stärker auf

Schulerfolg aus als das Geschlecht.

Elisabeth Grünewald-Huber 3 24. 3. 2011

Page 4: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Aktuelle Diskussion - Schlagzeilen!

•  «Buben in der Defensive – 30 Jahre Mädchenförderung in der Schule zeigen Resultate»

•  «Problem Bub – der männliche Nachwuchs schwächelt»

•  «Angeknackste Helden – Pädagogen sorgen sich um die Männer von morgen»

•  «Forscher rufen bereits die Jungenkatastrophe aus»

•  «Schlaue Mädchen – dumme Jungen»

•  «Buben kämpfen, Mädchen denken» u.s.w.

Arme-Jungen-Debatte

4 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 5: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Erklärungsansätze für tiefere Schülerleistungen !

•  Diskriminierung der Schüler bei der Notengebung

•  zu wenig Lehrer auf der Unter- und Mittelstufe „Feminisierung“

•  Schule als «weibliches Biotop» (zu wenig «Wettbewerb und Kampfgeist»)

•  Entwicklungsvorsprung der Schülerinnen

•  Mädchenförderung und «Mädchen-Power» als Folge der Frauenemanzipation

•  Leistungsmindernder Medienkonsum der Knaben

5 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 6: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Erklärungsansätze für tiefere Schülerleistungen !

•  eine die Knaben verunsichernde «vaterlose Gesellschaft»/ abwesende Väter

•  männliche Selbstüberschätzung in Bezug auf die eigenen Begabungen (und Leistungen)

•  und als Folge ein geringerer Einsatz für Schulisches

•  undiszipliniertes Verhalten hält vom Arbeiten ab

•  Wahrnehmung der Schule als unmännlich und uncool

•  momentan stärker motivierte Mädchen aufgrund von historischer Situation (müssen / dürfen aufholen!)

6 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 7: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Tatsachen!

Die Geschlechter wurden noch nie so gleich(wertig) ausgebildet wie heute! Geschlechterunterschiede bei den Ausbildungswegen und Berufsfeldern.

7 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 8: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Empirische Befunde Deutsche Jugendstudie Shell (Klaus Hurrelmann et al. 2007) !

•  „Junge Frauen engagieren sich immer stärker für eine erfolgreiche Schullaufbahn und verbessern ihre Bilanz bei den Schulabschlüssen in geradezu atemberaubendem Tempo.“

•  „Den Grundstein zu diesem Erfolg legen (sie) in ihrer Einstellung zu Familie und Beruf. Hier plädieren sie weit entschiedener als die männlichen Jugendlichen für eine Verbindung dieser beiden Lebenssphären und setzen sich damit für eine aktive Gestaltung ihres Lebensalltags ein.“

8 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 9: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Ausgangslage Ergebnisse aus der Shell Jugendstudie (Hurrelmann et al. 2007)!

•  „Wir haben es hier nicht etwa mit einem oberflächlichen ‚Ehrgeizfaktor‘ von Mädchen und jungen Frauen zu tun, sondern mit einer tief verankerte Motivation, die strukturelle Benachteiligung in Bildung, Beruf und Gesellschaft zu überwinden, die noch für die Mütter und Grossmütter der heutigen jungen Frauen charakteristisch war.“

•  „Mit Fug und Recht kann von einer echten emanzipatorischen Entwicklung gesprochen werden, die ganz offensichtlich noch keinen Endpunkt gefunden hat.“

9 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 10: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Ausgangslage Daraus folgende nötige Massnahmen (Hurrelmann 2007)!

•  „Vor diesem Hintergrund erscheint es in bildungs- und

berufspolitischer Hinsicht bedenkenswert, verstärkt auch Programme für eine Jungenförderung insbesondere in der Schule in den Blick zu nehmen, um Jungen aus dem Misserfolgsloch herauszuholen, in das sie meist durch ein hilfloses Festhalten an der traditionellen Männerrolle hineingeraten sind.“

10 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 11: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Faule Jungen, strebsame Mädchen? Forschungsfragen !

! 1. Welche Faktoren bestimmen bzw. beeinflussen den

Schulerfolg von Schülerinnen und Schülern?

2. Welchen Einfluss haben die Geschlechterbilder der Schülerinnen und Schüler auf ihre Schulleistungen?

11 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 12: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

!

Geschlechterbilder

= kulturelle Leitbilder über Männer, Frauen und Geschlechterverhältnisse => Orientierungsmuster darüber, welches Verhalten für Frauen und Männer als angemessen gilt.

Sie beeinflussen unser Denken, Handeln, Selbstwahrnehmung etc.

12 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 13: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

!

Geschlechterbilder

Sie beeinflussen unsere Erwartungen an die Begabungen, das Verhalten, die Berufswünsche ... der Schülerinnen und Schüler

=> „heimlicher Lehrplan“ ! Pygmalion-Effekt !

Literatur Peter u. Heidrun Ludwig (2007): Erwartungen in himmelblau und rosarot.

13 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 14: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Faule Jungen, strebsame Mädchen?Hypothese !

Traditionelle Geschlechtervorstellungen wirken leistungsmindernd.

Begründung: Stereotype Erwartungen durch Eltern, Werbung etc. => stereotype Selbstkonzepte er S + S (Begabung, Motivation, Verhalten...) Schüler: Selbstüberschätzung, unangepasstes

Verhalten, tiefe Motivation Schülerinnen: Selbstunterschätzung, angepasstes

Verhalten, hohe Motivation

beide: wenig Interesse an ‚gegengeschlechtlichen‘ Fächern

14 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 15: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Projekteckdaten!

!!Stichprobe / Teilnehmende:!!20 Schulen bzw. 49 Klassen im Kanton Bern !N = 872 !8. Klassen (Real-, Sekundar- und Spezialsekundarklassen)!!!Projektdauer: Mai 2008 – Februar 2011!

15 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 16: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Ergebnisse Fragebogen - Schulnoten!

Differenz zwischen den Schulnoten von Jungen und von Mädchen !

-0.2

0

0.2

0.4

0.6

Deutsc

h

Franzö

sisch

Math

Englisc

hNatu

rKult

urMus

iksp

ort

Index

Hau

ptfäc

her

Real Sekundar Spezialsekundar

Datenquelle: Kanton Bern, Schülerinnen- und Schüler-Stichprobe 2009, Projekt “Faule Jungs, strebsame Mädchen?” (N = 872)

16 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 17: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Ergebnisse Fragebogen - Schulnoten!

!

•  Mädchen sind im Schnitt um 0,2 P. besser!

•  Fachspezifische Unterschiede (ʻMädchenfächerʼ, ʻJungenfächern)!

•  Keine Unterschiede in der Notengebung durch Lehrerinnen und Lehrer

!

Datenquelle: Kanton Bern, Schülerinnen- und Schüler-Stichprobe 2009, Projekt “Faule Jungs, strebsame Mädchen?” (N = 872)

17 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 18: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Ergebnisse Fragebogen - Werden Lehrerinnen oder Lehrer bevorzugt?!

Wirst du lieber von einem Lehrer oder einer Lehrerin unterrichtet?

1322.5

64.5

20.611.2

68.2

0

10

2030

40

50

60

7080

90

100

von einer Lehrerin von einem Lehrer Spielt keine Rolle

Jungen Mädchen

Datenquelle: Kanton Bern, Schülerinnen- und Schüler-Stichprobe 2009,! Projekt “Faule Jungs, strebsame Mädchen?” (N = 872)!18 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 19: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

 

Schülerinnen Schüler

Autoritative Unterstützung Eltern (1-5) Positive Schuleinstellung Peers (1-5) Autoritative Unterstützung Lehrperson (1-5)

3.79

3.33 !

3.86

3.82

3.04

3.85

Traditionelles Geschlechter- rollenverständnis (1-5)

2.18

2.92 !

Schulentfremdung (1-5)

2.43

2.57

Schuldelinquenz (1-5)

1.58

2.01 !

Datenquelle: Kanton Bern, Schülerinnen- und Schüler-Stichprobe 2009 (N = 872)!

Ergebnisse Fragebogen – wichtigste Faktoren!

19 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 20: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Ergebnisse Fragebogen – Fächerassoziationen „männlich / weiblich“!

1

2

3

4

5

Deutsch Franz Math Englisch Natur Kultur Musik Sport

Alle Jungen Mädchen

Datenquelle: Kanton Bern, Schülerinnen- und Schüler-Stichprobe 2009,! Projekt “Faule Jungs, strebsame Mädchen?” (N = 872)!

20 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 21: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Ergebnisse Fragebogen – Fachinteressen!

=> Entsprechende Unterschiede bei den Fachinteressen !

Datenquelle: Kanton Bern, Schülerinnen- und Schüler-Stichprobe 2009,! Projekt “Faule Jungs, strebsame Mädchen?” (N = 872)!!

21 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 22: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Ergebnisse Fragebogen – Anstrengungsvermeidung !

3.69 3.66 3.71 3.713.55 3.56 3.55 3.53

1

2

3

4

5

Alle Real Sekundar Spezialsekundar

Jungen Mädchen

Datenquelle: Kanton Bern, Schülerinnen- und Schüler-Stichprobe 2009,! Projekt “Faule Jungs, strebsame Mädchen?” (N = 872)!

22 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 23: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Ergebnisse Fragebogen – Freizeitverhalten (1) !

Computerspielen (auch Playstation u.ä.)

27.3

27.3

19.6

12.2

6.2

2.8

3.2

0 10 20 30 40 50 60

0 h

1-2 h

3-5 h

6-10 h

11-15 h

16-20 h

> 20 h

Alle

Mädchen

Knaben

Datenquelle: Kanton Bern, Schülerinnen- und Schüler-Stichprobe 2009,! Projekt “Faule Jungs, strebsame Mädchen?” (N = 872)!23 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 24: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Ergebnisse Fragebogen – Freizeitverhalten (2)!

Datenquelle: Kanton Bern, Schülerinnen- und Schüler-Stichprobe 2009,! Projekt “Faule Jungs, strebsame Mädchen?” (N = 872)!

Lesen

17.1

41.7

20.2

9.2

6.0

2.6

1.3

0 10 20 30 40 50 60

0 h

1-2 h

3-5 h

6-10 h

11-15 h

16-20 h

> 20 h

Alle

Mädchen

Knaben

24 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 25: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Qualitative Ergebnisse (Gruppendiskussionen) -Geschlechterbilder !

Realklassen: Schüler => Familienernährer und Rund-um-die-Uhr-Mutter „Mit kleinen Kindern oder Teenagern haben Frauen sicher mehr Geduld,

Männer haben, sag ich jetzt mal, weniger Geduld und sind halt einfach durch den Tag am Arbeiten und kommen am Abend heim.“

„Und die Frauen sind nachher einfach durch den Tag zuhause und machen den Haushalt, so... Was sich eigentlich fast ergibt.“

25 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 26: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Qualitative Ergebnisse (Gruppendiskussionen) -Geschlechterbilder!

Realklassen: Schüler

„Vor allem wenn man in einem Block wohnt, wo viele kleine Kinder herum sind, die einem die ganze Zeit nachlaufen, merkt man, dass man die Nerven schnell verliert.“

„Frauen verlieren die Nerven weniger schnell.“ „Mit kleinen Kindern zusammen sein geht ja noch, aber nachher wenn sie

einen Tobsuchtsanfall oder so haben.“ „Lieber so etwas, das ganz normal ist. Im Metallbau, da kann jetzt kein Metall

irgend so etwa machen, das geht einfach so wie es geht.“

26 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 27: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Qualitative Ergebnisse (Gruppendiskussionen) -Geschlechterbilder !

Realklassen: Schülerinnen =>unterschiedliche, mehrheitlich traditionelle Lebensentwürfe (und Toleranz für Unterschiede) „Mein Mann arbeitet vielleicht 80%, ich nur einen Tag. Wenn er Zeit hat,

kümmert er sich um die Kinder, damit sie ihn auch mal sehen.“ „Den Haushalt macht dann vor allem die Frau.“ „Also, ich möchte keine Kinder und auch nicht unbedingt heiraten, aber einen

Freund. Wichtig ist mir vor allem der Beruf.“ „Männer würden sicher nicht gern staubsaugen und so.“ „Ja, die würden das

gern ganz ‚alte Schule‘ haben.“

27 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 28: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Qualitative Ergebnisse (Gruppendiskussionen) -Geschlechterbilder !

Gymnasium (Spezsek-Klassen): Schüler => geben sich gleichgestellt / politisch korrekt, pragmatisch Kinderhüten => uneinig „Frauen werden immer mehr arbeiten wollen. ... Wenn wir erwachsen sind,

wird der grösste Teil der Frauen selber arbeiten wollen und sagen „Monsieur, du machst das Essen“ und so.“

Ein Mitschüler, der eher traditionell denkt, wird gehänselt: „Er ist ein bisschen ein Mittelalterlicher“ „Er ist halt in der Küche nicht sehr begabt.“

Zum Kinderbetreuen: Uneinigkeit! („klar“ oder „nicht, solange sie klein sind“)

28 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 29: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Qualitative Ergebnisse (Gruppendiskussionen) - Geschlechterbilder !

Gymnasium (Spezsek-Klassen): Schülerinnen => berufsorientiert oder Doppelorientierung (mit Partner oder Familie) „Also ich möchte gern Neurochirurgin oder Infektiologin werden. ... Ich bin

jetzt eher jemand, der lieber Karriere hat als Familie. Kann mir aber vorstellen, mit einem Lebenspartner zusammen zu sein.“

“Zuerst mal die Karriere, dann die Familie.“ „Ich finde es noch wichtig, dass man nie abhängig wird vom Mann. .. Dass

du mal eine gute Ausbildung hast und auf den eigenen Beinen stehen könntest.“

29 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 30: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Qualitative Ergebnisse – GruppendiskussionenGeschlechterrollenvorstellungen (Zus.fassung)!

Schülerinnen Spezsek-Stufe!!!

- hohe Varianz an Sichtweisen – moderat traditionell bis Karriereorientierung!!

- tolerant gegenüber abweichenden Sichtweisen!!

- vielschichtig und flexibel!

Schülerinnen Realstufe!!!

- hohe Varianz an Sichtweisen – moderat traditionell bis Karriereorientierung!!

- tolerant gegenüber abweichenden Sichtweisen!!

- vielschichtig und flexibel!

Schüler Spezsek-Stufe!!!

-  hauptsächlich egalitäre Sichtweisen!-  pragmatische Doktrin ! (Orientierung an sozialem Wandel)!!

- Ideologische Doktrin (political correctness)!

Schüler Realstufe!!!

- praktisch ungebrochene traditionelle Sichtweisen !!

- naiver Pragmatismus (Rollenteilung ergibt sich quasi von selbst)!- Ausblenden des sozialen Wandels!

30 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 31: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Qualitative Ergebnisse (Gruppendiskussionen) Hauptanliegen der S + S!

Schülerinnen und Schüler wünschen ⇒ gesprächsbereite Lehrpersonen u. ein gutes Lehrperson-

Klasse-Verhältnis (Schüler äussern sich kritischer über „autoritäre“ Lehrpersonen!)

⇒ guten Unterricht mit starken Anteilen an selbstgesteuertem

und –verantwortetem Lernen (von Schülern stärker eingefordert)

31 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 32: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Qualitative Ergebnisse - Diskriminierungsfrage!

Schüler fühlen sich öfter aufgrund ihres Geschlechts von Lehrpersonen diskriminiert (Fragebogen, Gruppengespräche)

⇒ Vergleich mit Unterrichtsvideos: •  Die Videos zeigen keine Diskriminierung der Schüler •  Vereinzelt werden beide Geschlechter diskriminiert. Dabei

gibt es auch positive Diskriminierung von Jungen (z.B. falsche Antwort in Math als richtig gedeutet)

32 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 33: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Zusammenfassung (1)(-) = Nachteil für Schüler!

Faktoren für geringeren Schulerfolg sind gemäss unserer Studie:

-  bildungsferne Milieus

-  traditionelle Geschlechterrollenvorstellungen (-)

-  negative Schuleinstellung der Peergruppe (-)

-  schwache Schulintegration (Schulentfremdung) (-)

-  unangepasstes Verhalten, Devianz (-)

-  Geschlechterkonnotation von Unterrichtsfächern (Math, Sprachen etc.)

-  geschlechtsspezifische Fachinteressen

-  Anstrengungsvermeidung (bei extrinsischer Motivation) (-)

-  einseitige Freizeitgestaltung (Computer-Spiele) (-)

!

33 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 34: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Zusammenfassung (2)(+) = insbesondere gut für Schüler!

Empfehlungen:

-  autoritative* Unterstützung durch die Lehrpersonen (+)

-  autoritative* Unterstützung durch Eltern und weiteres Umfeld

-  Unterrichtsfächer ‚ent-gendern‘ (Sprachen, MINT-Fächer)

-  Jungen => Motivation u. Einsatz stärken! (+)

-  Mädchen => Begabung betonen!

-  traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+)

-  Pädagog. Hochschulen: Genderkompetenz vermitteln!

* Kombination von sicherer Führung + empathischer Unterstützung

34 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 35: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Erklärungsansätze für tieferen Schulerfolg der Jungen (s. vorn) => ja - nein !

•  Diskriminierung der Schüler bei der Notengebung => nein

•  zu wenig Lehrer auf der Unter- und Mittelstufe „Feminisierung“ => keine Wirkung belegt

•  Schule als «weibliches Biotop» (zu wenig «Wettbewerb und Kampfgeist») => insgesamt nein

•  Entwicklungsvorsprung der Schülerinnen => tendenziell ja

•  a) Mädchenförderung und b) «Mädchen-Power» als Folge der Frauenemanzipation => a) nein, b) ja

•  Leistungsmindernder Medienkonsum der Knaben => ja

35 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 36: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Erklärungsansätze für tieferen Schulerfolg der Jungen (s. vorn) => ja - nein !

•  eine die Knaben verunsichernde «vaterlose Gesellschaft»/ abwesende Väter => heute besser als früher

•  männliche Selbstüberschätzung in Bezug auf die eigenen Begabungen (und Leistungen) => ja

•  und als Folge ein geringerer Einsatz für Schulisches => ja

•  undiszipliniertes Verhalten hält vom Arbeiten ab => ja

•  Wahrnehmung der Schule als unmännlich und uncool => n.

•  momentan stärker motivierte Mädchen aufgrund von historischer Situation (holen auf) => ja

36 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 37: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Fazit!

Entscheidend ist die Reaktion auf den sozialen Wandel (Patriarchat => Geschlechterdemokratie) : Festklammern an traditionellen Rollen oder Fit-werden für neue und künftige Geschlechterverhältnisse?

37 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 38: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Fazit (1)!

Unterstützung der Jungen: ⇒ Ängste u. (Verlust)Gefühle von Jungen ernst nehmen ⇒ sozialen Wandel thematisieren ⇒ positive Einstellung gegenüber Schülern ⇒ an ihren Stärken ansetzen, aber auch Defizite aufarbeiten ⇒ Jungen nicht als Opfer darstellen ! ⇒ Jungen müssen lernen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen ⇒ neue Chancen für Jungen / Männer aufzeigen (z.B. Doppelorientierung) !

38 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 39: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Jungen brauchen reale Herausforderungen, damit sie zeigen können, was in ihnen steckt und an denen sie wachsen können. (Gruppengespräch: „Wenn man uns nicht machen lässt, können wir nicht zeigen, was wir können.“)

24. 3. 2011 Elisabeth Grünewald-Huber 39

Page 40: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Fazit (2)!

„arme-Jungen-Debatte“ => ist kontraproduktiv, denn sie ...

•  vereinfacht komplexe Situation •  greift willkürlich ein Element aus Gesamtzusammenhang •  Ist politische Instrumentalisierung ohne echtes Interesse am

Wohlergehen der Jungen (und Mädchen) •  verhindert Lösungen => Konstruktive Antwort: Jungen sollen fit werden für neue Realitäten und echt stark in Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz => Wir müssen sie gezielt fördern und genug fordern

Elisabeth Grünewald-Huber 40 24. 3. 2011

Page 41: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Herzlichen Dank für

Ihre Aufmerksamkeit !

www.faulejungs.ch

41 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Page 42: Faule Buben, strebsame Mädchen? Mythen und Tatsachen · Einsatz stärken! (+) - Mädchen => Begabung betonen! - traditionelle Geschlechterstereotype abbauen (+) - Pädagog. Hochschulen:

Abt. Bildungssoziologie!

Instabile Männlichkeit (vgl. Studien USA) Männer reagieren ängstlicher auf eine Bedrohung ihrer Geschlechtsidentität als Frauen.

Mann-Sein ist ein labilerer Zustand als Frau-Sein.

Status „Mann“ muss bis heute verdient werden und kann schnell abhanden kommen.

=> „Männer hinken den Frauen einen Entwicklungsschritt hinterher - sie brauchen eine männliche Simone de Beauvoir.“ (Joseph A. Vandello u.a. (2008): Precarious manhood. In: Psychologie Heute, April 2009, 8f)

42 Elisabeth Grünewald-Huber 24. 3. 2011

Anhang