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FAZ 09.01.13

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  • ZEITUNG FR DEUTSCH LAND

    Mittwoch, 9. Januar 2013 Nr. 7 / 2 R 1 HERAUSGEGEBEN VON WERNER DINKA, BERTHOLD KOHLER, GNTHER NONNENMACHER, FRANK SCHIRRMACHER, HOLGER STELTZNER 2,10 D 2955 A F. A.Z. im Internet: faz.net

    Was verndert werden kann, wirdauch verndert. Dieser Variante vonMurphys Gesetz huldigen die Schn-heitschirurgie und ihre Freunde.Handelt es sich dabei um einesoziale Sucht? Feuilleton, Seite 25

    Mittels Volksabstimmung mchteein Schweizer Abgeordneter Aktion-re strken und die finanzielle Selbst-bedienung in Unternehmensfhrun-gen beenden. Wirtschaft, Seite 10

    Argentiniens Prsidentin will die Li-bertad selbst empfangen, wenn dasauf Betreiben von Hedgefonds in Gha-na beschlagnahmte Schiff heimkehrt.Nach Asien fliegt sie lieber in einemCharterflugzeug. Politik, Seite 6

    Tennis als Extremsport: Whrendum Sydney herum die Brndebekmpft werden, mhen sichProfis wie Angelique Kerber beiTemperaturen jenseits der vierzigGrad Celsius. Sport, Seite 23

    Kate Middletons Geburtstag lsst diebritische Flagge ber dem histori-schen Rathaus von Belfast wehen.Das ist selten geworden, was frustrier-ten, sozial schwachen ProtestantenGrund zu Gewalt gibt. Politik, Seite 3

    Tausende gehen wegen psychischerErkrankungen vorzeitig in den Ruhe-stand. Arbeitsministerin von derLeyen ist davon berzeugt, dass guteArbeitsbedingungen seelisch weni-ger belasten. Wirtschaft, Seite 11

    Wohl wegen der Unachtsamkeit ei-nes Dachdeckers sind eine Mutterund zwei ihrer Kinder 2009 erstickt.Ein Gericht hat ihn nun zu sechsMonaten Bewhrungsstrafe verur-teilt. Rhein-Main-Zeitung, Seite 33

    Luft, Luft, Luft

    Doppelt genht

    Briefe an die Herausgeber ............ 30Natur und Wissenschaft ................. N1Geisteswissenschaften .................... N3Impressum ................................................... 4Deutschland und die Welt .............. 7

    Zeitgeschehen ......................................... 8Wirtschaft .................................................... 9Unternehmen ........................................ 12Menschen und Wirtschaft ............ 14Markt und Strategie .......................... 15

    Wetter .......................................................... 16Finanzmarkt ........................................... 17Recht und Steuern ............................. 19Kurse ............................................................ 20Sport ............................................................ 23

    Feuilleton .................................................. 25Medien ........................................................ 31Fernsehen und Hrfunk ................ 32Forschung und Lehre ...................... N5Jugend schreibt ................................... N6

    D as kann man eine russische Ro-chade nennen: Wowereit tritt vonseiner Funktion als Aufsichtsratsvorsit-zender des Berliner Fluchhafens zu-rck, um diese seinem StellvertreterPlatzeck zu berlassen, der dem Desas-ter schon ebenso lange zugesehen hatwie er selbst. berzeugender habenauch Putin und Medwedjew den Restder Menschheit nicht verppelt. Der lu-penreine Aufsichtsrat Platzeck lsstsich jetzt noch von seiner Koalition alsMinisterprsident und als neuer Be-sen im Kontrollgremium der ewigenBaustelle besttigen, fr die, man lerntaus den Fehlern, sicherheitshalber ersteinmal kein Fertigstellungsterminmehr genannt wird. Diese Nummerschreit nun endgltig danach, den Flug-hafen in Platzeck-Wowereit-Airportumzubenennen. Willy Brandt jeden-falls hat es nicht verdient, dass seinName mit dieser Endlosblamage ver-bunden bleibt.

    Mit Ruhm bekleckerte sich bei die-sem sogenannten Prestigeprojekt nochkeiner der sachlich und politisch Ver-antwortlichen. Wowereits und Platz-ecks genossenschaftliche Chuzpe(Ich koppele mein Schicksal eng andiesen Flughafen) aber ragt aus dem

    Massenversagen einsam heraus. Sieknnen sie sich leisten, weil ihre Par-tei, die SPD, und ihre jeweiligen Koali-tionspartner hinter ihnen stehen,wenngleich auch in Teilen mit knir-schenden Zhnen. Die Konstellation,dass die CDU in Potsdam den neuenFlughafen-Powerbroker Platzeck str-zen will, die CDU in Berlin aber anihm und am abgehalfterten Wowereitfesthlt, zeigt, dass es auch im Streitum BER nicht zuerst um die Sachegeht, sondern um Personen, Positio-nen, Koalitionen. Sogar die CSU weigenau, warum sie nicht Wowereits undPlatzecks Kpfe fordert: Dann seauch der von Ramsauer locker.

    Die politische Landschaft in Berlinist derart fragmentiert, die CDU dortnoch immer so schwach, dass sichDiepgens Nachfolger nichts von einemBruch der Koalition mit der SPD ver-sprechen. Lieber folgen sie fassungs-los und stinksauer dem sinkendenStern Wowereits, als womglich schonjetzt wieder dort zu landen, wo die Par-teifreunde aus Potsdam mit ihremSchicksal hadern, seit Platzeck dem al-ten Partner die Linkspartei vorzog: inder Klte der Opposition. Denn dieBerliner CDU hat es gerne warm. Undfliegt dann mit den Kollegen von derSPD eben noch ein paar Jahre vonTegel aus in den Sden, das frhlicheLied auf den Lippen: Wir knnen allesauer Flughafen!

    Berlin! Hr ich den Namen blo, da muss vergngt ich la-chen! Im Lied ber die Berliner Luft ist das eine Huldigung,doch der Brgermeister mag die Hauptstadthymne eigen-sinnig interpretiert haben: Wie kann man da fr wenigMoos den dicken Wilhelm machen! Warum lsst man auf

    mrkschem Sand gern alle Puppen tanzen? Dass Aufsichtkeinen berblick garantiert, hat Wowereit jetzt gelernt. DenFlugpassagieren, denen eine Schnefelder Schautafel vorzehn Jahren eine leuchtende Zukunft verhie, bleibt nachden Seiten 3, 9 und 25 nur eines: trotzdem lachen. Foto dpa

    ppl. FRANKFURT, 8. Januar. Die Kon-junktur der deutschen Wirtschaft hat sichzum Jahresende weiter abgeschwcht.Der Export sank im November im Ver-gleich zum Vormonat um 3,4 Prozent. Ur-sache dafr war die schlechte wirtschaftli-che Lage innerhalb der Eurozone. Zudemsank die Zahl der Industrieauftrge imVergleich zum Vormonat um 1,8 Prozent.Das Wirtschaftsministerium sprach voneiner Stabilisierung der Nachfrage. (SieheWirtschaft, Seite 9.)

    Schlacht um Union Jack

    Vorsichtige Freiheit

    Schwere Brde Arbeit

    Unerhrte Notrufe

    Schlechte Konjunkturzum Jahresende

    D ie CSU ist ein tapferer Indianer-stamm. Jedes Jahr werden im Ge-birgsreservat Kreuth die alten Bru-che inszeniert, als stnde die Zeit still.Unverdrossen wird der KriegsgesangMir san die Mehrern, mir san dieSchwerern intoniert, mag man auchin Mnchen schon lange mit einembleichgesichtigen Koalitionspartnernamens FDP regieren. Der Feder-schmuck aus der Zeit, in der die CSUfr die Atomkraft, die Wehrpflichtund Studiengebhren stritt, wird nocheinmal angelegt; dass es sich um einImitat aus dem Kostmverleih han-delt, gleicht Horst Seehofer, ganz inder Rolle des Crazy Horst aufgegan-gen, durch wilde Tnze um Marter-pfhle aus Pappmach aus. Wenn esdem Publikum schwarz-grn vor Au-gen wird, ist der Erfolg ohnehin garan-tiert.

    Richtig schn wird das Spektakeldurch das mediale Geplapper vomGeist von Kreuth, der ber Seehoferund den Seinen schwebe. Dieser Geistwar schon immer wenig mehr alsDampf, der aus berhitzten Phanta-sien entwich. 1976 zerstoben separa-tistische Trume am Machtwillen desPflzers Helmut Kohl, der nur zu ge-nau wusste, dass die Schlachtenrufeaus dem Sden die Flchtigkeit alpi-ner Fallwinde hatten; aus der Aufl-sung der Fraktionsgemeinschaft mitder CDU im Bundestag wurde nichtsauer Schlagzeilen in Archiven. Unddas Knigsdrama um Edmund Stoi-ber, das 2007 in Kreuth seinem Hhe-punkt entgegenstrebte, entpuppte sichals buerliche Posse mit GntherBeckstein und Erwin Huber, welchedie Partei die absolute Mehrheit koste-te und in Seehofers Vorsitz mndete.

    So gesehen, ist es heroisch, dass dieCSU ihr Jahresanfangsritual nichtlngst in eine gut geheizte, mit EU-Frdergeldern erbaute Mehrzweckhal-le in Hinterpfuideifi verlegt hat, mitgeliehenen Requisiten aus dem Musi-kantenstadl. Heroisch ist es auch, imnassen Kreuther Schnee herumzuste-hen und in die Mikrofone zu buchsta-bieren, wie wunderbar die Lage derCSU sei wissend, dass die Umfra-gen, die der CSU gegenwrtig eine ei-gene Mehrheit im Landtag prophezei-en, morgen schon Schall und Rauchsein knnen. 2008 lieen die Demo-skopen die CSU blindlings ins Verder-ben laufen; es gab nicht den zartestenHinweis, noch einmal die goldeneZeit der Alleinregierung auszukosten,bevor sie Geschichte sei. Nur beson-ders treue Anhnger dieser Glaubens-richtung knnen jetzt, neun Monatevor der Landtagswahl, schon in Jubel-rufe ausbrechen und glauben, imCSU-Katechismus das ungeliebteWort Koalition zumindest aus denbayerischen Kapiteln streichen zu kn-nen.

    Heroisch ist es schlielich, dass inKreuth alljhrlich umfangreiche Posi-tionspapiere verabschiedet werden,die dann ruhen drfen, bis sie nach

    zwlf Monaten wieder recycelt wer-den. Die Forderung nach Volksabstim-mungen bei wichtigen europischenEntscheidungen ist ein Kreuther Ever-green, den Crazy Horst und seineGlhwrmchen, wie er Mitstreiterliebevoll nennt, auch im Schlaf spie-len knnen.

    In diesem Jahr schlgt das He-roische sogar in eine hhere Qualittum, ins Humoristische; eine Halbie-rung der Zahl der EU-Kommissare zuverlangen, mit der Folge, dass nichtmehr alle Mitgliedstaaten dort vertre-ten wren, drfte nicht nur in bayeri-schen Bierzelten, sondern auch inBrssel fr Schenkelklopfen sorgen.Martin Schulz, der Sozialdemokratauf dem Prsidentenstuhl des Europi-schen Parlaments, hat schon freudig

    der CSU empfohlen, sie mge doch inBerlin eine entsprechende Initiativeergreifen. Nicht ungeahndet drftebleiben, dass das Zweite DeutscheFernsehen die Forderung der CSUnach europischer Sparsamkeit mit ei-nem Bild der prchtigen bayerischenVertretung in Brssel konterkarierte ein Stein gewordener Brgertraumvon einem Adelsschloss; hier knntees noch die eine oder andere Wat-schen setzen, in der pdagogisch kor-rekten Form eines frsorglichen Tele-fonanrufs.

    Der CSU vorzuhalten, ihr Kreuthsei nur ein Kreuthlein, ist spaverder-berisch. Sie ist eine ganz normale Par-tei, auch wenn Seehofer sich nachKrften mht, diesen Eindruck zu wi-derlegen. Mal sieht er sich von Charak-terschwchlingen umzingelt, die ihmmit Schmutzeleien das Leben ver-gllten; mal whnt er sich von politi-schen Kraftnaturen gesttzt, denen ernur gratulieren knne, was fr einTitanenwerk sie vollbrchten. SeineLeichtfigkeit gibt den mehr der poli-tischen Schwerkraft Unterworfenenin seiner Partei den Freiraum, auf al-les, was gerade als fortschrittlich gilt,ein CSU-Etikett zu kleben, von einerFamilienzeit bis zu einer Lohnunter-grenze in Branchen, in denen es keineTarifabschlsse gibt.

    Das Verdikt von Franz Josef StrauEverybodys Darling is EverybodysDepp ist seiner Partei lngst zur dia-lektisch gewendeten Verheiung ge-worden. Die CSU hatte in ihren bes-ten Zeiten immer mehrere Pfeile in ih-rem Kcher konservative, liberaleund soziale. Seehofer, vielleicht derletzte der groen CSU-Huptlinge,glaubt, es brauchte gar keine Pfeilemehr es reiche schon, den Bogen zuspannen und die Sehne surren zulassen.

    Fehler mit Todesfolge

    mk. BERLIN, 8. Januar. Der fr Technikzustndige Geschftsfhrer des BerlinerGroflughafenprojekts, Horst Amann,hat die Lage an der Baustelle am Diens-tag als fast grauenhaft bezeichnet. ImHessischen Rundfunk sagte Amann, dieProbleme seien heftig, sehr heftig. Tagenach der jngsten Verschiebung des Erff-nungstermins wollte er keine Angabedazu machen, wann der Flughafen in Be-trieb gehen knnte. Das Jahr 2014 be-zeichnete er als eine gute Nummer.

    Die Fluggesellschaften Lufthansa undAir Berlin forderten am Dienstag Investi-tionen in den alten Flughafen Berlin-Te-gel, der auf unbestimmte Zeit weit ber sei-ne Kapazittsgrenzen hinaus genutzt wer-den muss. Tegel trage den Lwenanteildes Flugverkehrs in der Hauptstadt, sagte

    ein Lufthansa-Sprecher. Air Berlin hatteschon im vorigen Jahr eine Schadenser-satzklage gegen die FlughafengesellschaftBerlin-Brandenburg eingereicht, nach-dem die Erffnung des neuen Flughafenskurzfristig verschoben worden war. DemUnternehmen sei Schaden in Millionenh-he entstanden.

    Das Berliner Abgeordnetenhaus wirdsich am Donnerstag in einer Sondersit-zung mit dem Thema befassen. Am Sams-tag wird dort dann ber ein Misstrauens-votum der Oppositionsfraktionen Grne,Linkspartei und Piraten gegen den Regie-renden Brgermeister Klaus Wowereit(SPD) abgestimmt. Dieser geniet jedochdas Vertrauen der Regierungsfraktionenvon SPD und CDU. Wowereit hatte nachdem Bekanntwerden der abermaligen Ver-

    schiebung am Montag angekndigt, erwerde in der nchsten Sitzung des Auf-sichtsrats der Flughafengesellschaft denVorsitz an Brandenburgs Ministerprsi-denten Matthias Platzeck (SPD) abgeben.

    Platzeck wird in einer Sondersitzungdes Brandenburger Landtags am Montagdie Vertrauensfrage stellen. SPD undLinkspartei, mit denen er seit 2009 re-giert, signalisierten volle Rckende-ckung. Die Brandenburger Grnen for-dern seinen Rcktritt auch als Minister-prsident. Der CDU-Fraktionsvorsitzen-de Dieter Dombrowski sagte in Potsdam,Platzeck sei ungeeignet, den Aufsichtsratzu fhren, und ebenso ungeeignet, Minis-terprsident zu sein. Im nchsten Jahrwrden die Brandenburger Whler berihn entscheiden.

    Heute

    tos. JOHANNESBURG, 8. Januar. Diemalische Armee hat offenbar unter Ein-satz von Artillerie am Montag und amDienstag einen Vormarsch radikaler Isla-misten auf die Stadt Mopti verhindert. DieZwischenflle ereigneten sich nur zweiTage vor der fr Donnerstag geplantennchsten Gesprchsrunde zwischen derRegierung in Bamako und zwei der Rebel-lengruppen, den Islamisten von Ansar alDine und den Tuareg-Rebellen der Natio-nalen Bewegung zur Befreiung von Aza-wad (MNLA).

    Ein Sprecher der Armee bezeichnetedas Sperrfeuer am Dienstag als Warn-schsse in Richtung neuer Stellungen derIslamisten nahe der Ortschaft Kona. Die-se liegt unweit der Regionalstadt Mopti,der letzten von Regierungstruppen gehal-

    tenen greren Stadt im Norden Malis.Ob es Opfer gab, war zunchst nicht be-kannt. Nach Darstellung der Armee ha-ben die Islamisten seither ihre Stellungenrund um Kona aufgegeben.

    Es war das erste Mal seit der Eroberungdes Nordens Malis durch Tuareg-Rebellenund Islamisten im April vorigen Jahres,dass die malische Armee offensiv gegendiese vorgeht. Der versuchte Vorsto derIslamisten in Richtung Sden hngt wo-mglich mit der geplanten auslndischenMilitrintervention in Mali zusammen; of-fenbar wollen die Islamisten die strate-gisch wichtige Stadt Mopti einnehmen, be-vor die 3300 Soldaten der afrikanischenEingreiftruppe in Mali eintreffen. DerUN-Sondergesandte fr die Region, Roma-no Prodi, sagte am Montag, mit einem mi-

    litrischen Vorgehen gegen die Rebellensei nicht vor September zu rechnen.

    Am Donnerstag wollen Ansar al Dineund Vertreter der von den Islamisten fak-tisch entmachteten MNLA abermals mitdem burkinischen Prsidenten BlaiseCompaor und Vertretern der malischenRegierung zusammenkommen, um berein Ende der Besetzung des Nordens zuverhandeln. Ansar al Dine hatte am Wo-chenende neue Bedingungen fr Verhand-lungen gestellt, die nahezu alle bislangvon der Gruppe gemachten Zugestndnis-se kassieren. Iyad Ag Ghaly, der Anfhrerder Gruppe, fordert inzwischen neben ei-ner weitgehenden Autonomie fr den Nor-den die Umbenennung der Republik Maliin Islamische Republik Mali. (Fortset-zung auf Seite 2; Kommentar Seite 8.)

    ura. FRANKFURT, 8. Januar. Der Direk-tor des Bundesinstituts fr Bevlkerungs-forschung in Wiesbaden, Norbert Schnei-der, sieht das hohe Ma an Perfektionis-mus, das Eltern bei der Erziehung ihrerKinder an den Tag legen, als einen Grundfr die niedrige Geburtenrate in Deutsch-land. Kulturelle Ursachen fr das Gebur-tendefizit seien bisher unterschtzt wor-den, sagte Schneider dieser Zeitung. DasLeitbild der guten Mutter, die Hausfraubleibt, gehre auch dazu. (Siehe Seite 4.)

    Lage an der BerlinerFlughafen-Baustelle fast grauenhaftHarsche Kritik des Technik-Geschftsfhrers / Fluggesellschaften: In Tegel investieren

    GegenAbzocker

    KreuthleinVon Albert Schffer

    Malische Armee stoppt Vormarsch der IslamistenWarnschsse / Rebellen geben Stellungen nahe Kona auf / Verhandlungen am Donnerstag

    Nirgendwo sonst stehenEltern so unter Druck

    F.P. KIEL, 8. Januar. Der Vorsitzende derCDU Schleswig-Holsteins, Jost de Jager,zieht sich aus der Politik zurck. Er werdeam Donnerstag den Parteivorsitz niederle-gen, gab er am Dienstag bekannt. Auchkandidiere er nicht mehr fr den Bundes-tag. Die von de Jagers Entscheidung vl-lig berraschte Partei will am 16. Mrz ei-nen Nachfolger whlen. Wer das seinknnte, ist noch unklar. De Jager war seitHerbst 2011 Parteivorsitzender. (SieheSeite 4, Kommentar Seite 8.)

    sat./St. BERLIN/DSSELDORF, 8.Januar. SPD-Kanzlerkandidat PeerSteinbrck soll whrend seiner Zeit alsAufsichtsrat des Thyssen-Krupp-Kon-zerns angeboten haben, diesen im Stre-ben nach gnstigeren Strompreisen po-litisch zu untersttzen. Wie das Han-delsblatt berichtet, habe Steinbrcksich am 31. Januar 2012 zu der Kritik ei-nes Arbeitnehmervertreters an hohenStrompreisen fr Industrieunterneh-men zustimmend geuert. Im Proto-koll einer Aufsichtsratssitzung heiees: Wenn aus dem Kreis des Aufsichts-rats eine Initiative . . . ergriffen werde,sei er gerne zur politischen Unterstt-zung bereit. Der Vorsitzende des Auf-sichtsrats, Gerhard Cromme, habeSteinbrcks Anregung gern aufgenom-men. Eine Woche nach der Sitzungsprach sich Steinbrck ffentlich dafraus, dass die Politik Weichenstellun-gen vornehmen msse mit Blick aufdie notwendige einigermaen preis-gnstige Energieversorgung. Der Par-lamentarische Geschftsfhrer der Uni-onsfraktion, Michael Grosse-Brmer,kommentierte den Bericht auf Twittermit den Worten: Gut zu wissen. Derstellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Hubertus Heil sag-te daraufhin: Wenn CDU und FDP ver-suchen, daraus eine Schmutzkampagnezu machen, belegen sie mangelndenkonomischen Sachverstand. (Fortset-zung Seite 2, siehe auch Seite 3.)

    Jost de Jager gibt seinepolitischen mter auf

    Steinbrck botThyssen-KruppUntersttzung an

    Die CSU ist eine normalePartei, auch wennSeehofer einen anderenEindruck erwecken will.

    Lupenreiner AufsichtsratVon Berthold Kohler

    4:o;l;V;V;nFrankfurter Allgemeine Zeitung GmbH; Abonnenten-Service: 0180 - 2 34 46 77 (6 Cent pro Anruf aus dem dt. Festnetz, aus Mobilfunknetzen max. 42 Cent pro Minute). Briefe an die Herausgeber: [email protected] 2,80 / Dnemark 21dkr / Finnland 2,90 / Frankreich, Griechenland 2,80 / Grobritannien 2,80 / Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande 2,80 / Norwegen 29nkr / sterreich 2,80 / Portugal (Cont.) 2,80 / Schweden 28 skr / Schweiz 4,80 sfrs / Slowenien 2,80 / Spanien, Kanaren 2,80 / Ungarn 720Ft

  • SEITE 2 MIT T WOC H, 9. JANUAR 2013 NR. 7 F P M FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNGPolitik

    Ein Gericht in der kalabrischenStadt Crotone sieht die Demo-lierung eines Aufnahmelagersdurch seine Insassen angesichtsder Lebensbedingungen dort alsgerechtfertigt an. Politik, Seite 5

    Der ungarische Publizist Zsolt Bayerhat sich nach einer Schlgerei der-artig abfllig ber Roma geuert,dass auch aus der RegierungsparteiFidesz Kritik an ihrem Grndungs-mitglied laut wurde. Politik, Seite 5

    Die Londoner U-Bahn feiert ihren150. Geburtstag. Die Bewohner derbritischen Hauptstadt lieben undhassen das allgegenwrtige Fort-bewegungsmittel wie am ersten Tag.Deutschland und die Welt, Seite 7

    In Koblenz hat am Dienstagmorgender Prozess gegen ein deutschesPaar begonnen. Der Vorwurf:Entfhrung eines tschechischenKindes im vergangenen Sommer.Deutschland und die Welt, Seite 7

    Das Schulministerium ist fr jedeLandesregierung eigentlich daswichtigste Ressort. In Gestalt derMinisterinnen und Minister spiegeltsich diese Bedeutung hufig nichtwider. Zeitgeschehen, Seite 8

    Brgern des Kosovos wird nachVorlage des Personalausweises vonSerbien die Ein- oder Durchreiseerlaubt. Der Konflikt tautzumindest an den Rndern etwasauf. Zeitgeschehen, Seite 8

    D ass alle Wege nach Kln fhren,lsst sich kaum behaupten. Vor al-lem Lastwagenfahrer haben es in undum Kln derzeit schwer. Anfang De-zember musste die Brcke der Auto-bahn 1 in Leverkusen fr Fahrzeugemit einem Gesamtgewicht von mehrals 3,5 Tonnen gesperrt werden. An derbald 50 Jahre alten Schrgseilbrcke,die ein wichtiges Glied im Klner Ringist, waren so gravierende Schden fest-gestellt worden, dass man sofort habehandeln mssen, sagte der nordrhein-westflische Verkehrsminister MichaelGroschek (SPD) damals.

    Seither mssen sich Lastwagenfah-rer Ausweichrouten ber den Rhein su-chen. Ihre Wege fhren ber Dssel-dorf, Bonn, Neuss oder mitten durchKln, wo allerdings die Deutzer Br-cke dauerhaft fr schwere Laster ge-sperrt ist und andere Rheinquerungennur eingeschrnkt nutzbar sind. Es istdeshalb kein Wunder, dass sich derLkw-Verkehr auf der auch schon ziem-lich betagten Mlheimer Brcke, die2015 generalsaniert werden soll, seit-her mehr als verdoppelt hat. Statt vonrund 1560 wird sie nun von mehr als3360 Lastwagen am Tag benutzt. DasAmt fr Brcken und Straenbau Klnhat nun festgestellt, dass der Druck derStrae auf der Rheinquerung so grogeworden sei, dass sie gefhrlichen Las-ten ausgesetzt sei. Das verkraftet dieBrcke auf Dauer nicht, warnt derKlner Oberbrgermeister Jrgen Ro-ters (SPD). Man werde auch dieseRoute deshalb nun unattraktiv ma-

    chen. Vom 14.Januar an dr-fen Lastwagen,die schwerer als30 Tonnen sind,den Rhein auchin Kln-Ml-heim nichtmehr queren.Die Fahrer alleranderen Lkwknnen dieSicht von der

    Brcke aus knftig bei einer zulssigenHchstgeschwindigkeit von 30 Kilome-tern pro Stunde genieen.

    Vorsorglich kndigt die Stadt Ge-wichts- und Tempokontrollen an. DieErfahrungen an der Leverkusener Auto-bahnbrcke lehren, dass ein striktesberwachungsregime ntig ist. Ob-wohl die Sperrung weitrumig ange-kndigt ist, befahren diese Rheinque-rung jeden Tag mehrere hundert schwe-re Lkw. Die dabei entstehenden Schwin-gungen behindern die Sanierungsar-beiten. Trotzdem soll die Brcke wiegeplant im Mrz wieder freigegebenwerden. REINER BURGER

    In Berlin politische Konsequenzen ziehenDie Frankfurter Rundschau kommentiert die neuenPannen beim Bau des Berliner Hauptstadtflughafens:

    Zum vierten Mal muss die Erffnung des FlughafensBerlin Brandenburg verschoben werden, und niemandzieht Konsequenzen. Die verantwortlichen Ministerpr-sidenten von Berlin und Brandenburg, Wowereit undPlatzeck, lassen die Brger darber rtseln, woran esliegt. Ob Schlamperei, Unfhigkeit oder Missmanage-ment die Ursache fr diesen Skandal ist. Es ist bitter,dass man Politiker immer wieder daran erinnern muss,was es heit, politische Verantwortung zu bernehmen.Politische Verantwortung heit, fr Fehler, die im eige-nen Verantwortungsbereich passieren, die Konsequen-zen zu bernehmen. Klaus Wowereit und Matthias Plat-zeck sind nicht die Ersten, die das vergessen.

    Wowereits politisches GrabDie Zeitung Die Welt schreibt:

    Langsam drfte Klaus Wowereit klar sein, dass erkeinen Flughafen gebaut, sondern sein politisches Grabgegraben hat. Dem Berliner Regierenden ist es gelun-gen, aus dem Prestigeprojekt BER eine Groblamage zumachen national wie international. Man kann schongar nicht mehr glauben, dass dieser Mann einmal davontrumte, in der Bundes-SPD eine groe Rolle zu spielen,und viele das in seiner Partei fr gut befanden. Wie tiefer gestrzt ist, wird ihm wohl erst jetzt klar.

    Keine Angst vor GroprojektenDer Bonner General-Anzeiger gewinnt der Blamageetwas Gutes ab:

    Politiker sind schlechte Baumanager und Kontrolleu-re vielleicht ist das aber auch nicht ihre Aufgabe. Son-dern Projekte nach vorne zu bringen, die bei rein kauf-mnnischer Betrachtung keine Chance htten. Der Euro-tunnel wre wohl nie realisiert worden. Die Oper in Syd-ney kostete am Ende 15-mal so viel wie geplant, dasMnchner Olympia-Dach das 17-Fache. Schon LudwigII. ruinierte mit Neuschwanstein die bayerischen Staats-finanzen. Ein vielleicht schwacher Trost, aber immer-hin: Wer wollte diese Bauten heute missen?

    Scheintote FDPDie Zeitung NRC Handelsblad (Amsterdam) be-schftigt sich mit dem Zustand der FDP:

    In neun Monaten ist Bundestagswahl, und die FDPist scheintot: Seit 20 Monaten schafft sie bei bundeswei-ten Umfragen die Fnf-Prozent-Hrde kaum noch, undseit sie in Koalition mit der CDU/CSU regiert, hat sie beiacht der zehn Wahlen in den Lndern verloren. . . . Derbeklagenswerte Zustand des kleinen Koalitionspartnershat inzwischen dazu gefhrt, dass die CDU mehr undmehr auf Abstand geht. Wenn die Liberalen im Herbstnicht wieder in den Bundestag gewhlt werden, kanndie CDU nichts mehr mit ihnen anfangen. So sucht sieinzwischen nach einem anderen Koalitionspartner. Eswird krftig geflirtet mit den Grnen, die sich ihrerseitsprofilieren als eine moderne brgerliche Partei auf libe-raler Basis.

    Die Zeit arbeitet fr Christian LindnerDie Rheinische Post (Dsseldorf) spekuliert berNachfolger fr den FDP-Vorsitzenden Rsler:

    Christian Lindner kann warten, und er will es auch.Der Vorsitzende der FDP in NRW, der gerade mal 34 ist,hat noch nicht das Ende der Karriereleiter erreicht. Beider Suche nach einem Nachfolger fr den Chef der Bun-despartei, Philipp Rsler, fllt immer wieder auch seinName. Doch derzeit drfte alles auf den Fraktionsvorsit-zenden im Bundestag, Rainer Brderle, zulaufen, wennRsler geht oder gegangen wird. Warum also sollte Lind-ner jetzt vorpreschen? Die Zeit arbeitet ohnehin fr ihn.Wenn er seinen Job in NRW ordentlich macht, ist erschon aus Altersgrnden der ,geborene Anwrter aufsFDP-Spitzenamt.

    Fr Seehofer das Recht des StrkerenDie Sddeutsche Zeitung (Mnchen) kommentiertdas Treffen der CSU in Wildbad Kreuth:

    Die CSU unter Horst Seehofer ist ein Ein-Mann-Be-trieb geworden. Die Partei hat sich ihm regelrecht unter-worfen. Seine potentiellen Nachfolger, Bundeslandwirt-schaftsministerin Ilse Aigner, Bayerns FinanzministerMarkus Sder und Sozialministerin Christine Hader-thauer, halten sich gegenseitig in Schach. Wird mal ei-ner zu stark, greift Seehofer ein und macht sein Spitzen-personal wie auf der CSU-Weihnachtsfeier geschehen in einem Rundumschlag nieder. Es gilt das Recht desStrkeren in der CSU und der Strkste ist: Seehofer.

    Kein sanierter Haushalt in GrobritannienDie Neue Zrcher Zeitung analysiert die Halbzeit-bilanz der britischen Regierungskoalition:

    Die groe Hoffnung, 2015 mit einem sanierten Haus-halt und einer blhenden Konjunktur in die Wahlen zu

    ziehen, hat sich zerschlagen. Das Amt fr Wirtschafts-prognosen sagt auch fr die nchsten zwei Jahre schwa-ches Wachstum voraus. Erst Anfang Dezember mussteSchatzkanzler Osborne berdies eingestehen, dass dieAusteritt sich noch bis 2018 hinziehen werde. Im Zugeder Sparprogramme drften sich die Armutsproblemeverschrfen. In diesem zermrbenden Umfeld erwartenbeide Parteien einen schweren Wahlkampf und Zerrei-proben. Kostproben wurden just am Montag bekannt.Der langjhrige konservative Fhrer im Oberhaus, LordStrathclyde, trat berraschend zurck; ihm wird Frustra-tion ber Blockaden im Oberhaus nachgesagt Bei den Li-beraldemokraten erklrte die frhere Ministerin SarahTeather, sie werde gegen geplante Sozialkrzungen stim-men.

    Sozialdumping der InternetunternehmenDie Zeitung Libration (Paris) zur Pleite der franz-sischen Medienkaufhauskette Virgin Megastore:

    Die Spirale, die Virgin und seinen berhmten ,Me-gastore mit sich gerissen hat, sollte der Welt der Kulturund des Grohandels als Warnung dienen. Das eine t-tet das andere: Die groen Unternehmen im Internet,die nur Lager, Roboter und einige Angestellte zu verwal-ten haben, werden unsere traditionellen Kaufhuser hin-wegfegen. Es gibt bereits kaum noch Schallplattenhnd-ler, und die Buchhndler sind wieder in Lebensgefahr.Auch den Chefs einiger Grohandelsketten stt der un-lautere Wettbewerb der auf dem Sozialdumping der In-ternetriesen basiert allmhlich sauer auf. Die phno-menale Macht des Internets darf eine Regulierung nichtausschlieen sie erfordert sie geradezu.

    Foto

    dpa

    ban./ff. BERLIN/WILDBAD KREUTH, 8.Januar. Bei Besuchen in Deutschland ha-ben die Ministerprsidenten der Euro-Kri-senlnder Griechenland und Irland umUntersttzung fr die Reformen in ihrenLndern geworben. Der griechische Minis-terprsident Antonis Samaras sagte bei ei-nem Besuch bei Bundeskanzlerin AngelaMerkel (CDU) in Berlin, sein Land unter-nehme enorme Anstrengungen, um aufden richtigen Pfad zurckzukommen.Wir versuchen, die Glaubwrdigkeit zu-rckzuerlangen Glaubwrdigkeit auf Sei-ten der Vlker Europas und Glaubwrdig-keit auf Seiten der Mrkte. Der irische Mi-nisterprsident Enda Kenny sagte im ober-bayerischen Wildbad Kreuth: Irland hatFortschritte gemacht, aber unsere wirt-schaftliche Lage bleibt fragil.

    Aus den Mitteilungen der Bundesregie-rung und auch aus den ffentlichen Erkl-rungen von Samaras und Frau Merkel ginghervor, dass bei der Unterredung amDienstag im Bundeskanzleramt keine neu-en festen Vereinbarungen getroffen wur-den. In dem Gesprch sei ber Fortschrit-te bei der Umsetzung des griechischen Re-formprogramms wie etwa die anstehendeSteuerreform gesprochen worden. Sama-ras habe die Bemhungen seiner Regie-rung im Kampf gegen Steuerhinterzie-hung erlutert, teilte ein deutscher Regie-rungssprecher mit. Es seien weitere Mg-lichkeiten einer intensiven deutsch-grie-chischen Zusammenarbeit errtert wor-den. Frau Merkel sagte vor Beginn desetwa eine Stunde langen Treffens: Auchwir mssen alles daransetzen, Wirtschafts-

    wachstum und damit Sicherheit fr Ar-beitspltze zu garantieren. Bis Juni ms-se innerhalb der Europischen Unioneine strkere wirtschaftspolitische Koor-dinierung verabredet werden. Dabeiliegt noch etliche Arbeit vor uns.

    Kenny warb in Wildbad Kreuth um wei-tere Untersttzung fr den Reformprozessin seinem Land. Kenny, der als Gast an derKlausurtagung der CSU-Bundestagsabge-ordneten teilnahm, uerte, trotz der Fort-schritte in seinem Land bedrfe es noch

    der europischen Solidaritt. Im Gesprchmit den Abgeordneten, das nicht ffentlichwar, nannte Kenny nach Teilnehmeranga-ben als wichtigen Punkt die Rekapitalisie-rung der irischen Banken; auch Erleichte-rungen bei den Rckzahlungen der Ret-tungskredite seien notwendig. Irland hattesich 2010 als erster Staat unter den Euro-Rettungsschirm begeben. Die Vorsitzendeder CSU-Landesgruppe im Bundestag, Ger-da Hasselfeldt, wrdigte die Erfolge Irlandsunter dem Euro-Rettungsschirm. Die iri-

    schen Exporte nhmen zu, und die Wirt-schaft des Landes wachse. Das Beispiel Ir-lands sei Anlass fr Zuversicht auch fr an-dere Krisenstaaten in Europa. Die Linieder CSU, dass bei der Stabilisierung desEuro Solidaritt und Soliditt Hand inHand gehen mssten, sei der richtige Weg.Irland stehe fr eine gute Krisenbewlti-gung. Der Fraktionsvorsitzende der Gr-nen Jrgen Trittin hatte zuvor Irland undauch Zypern kritisiert. Beide drften nur Fi-nanzhilfen erhalten, wenn sie zu grundle-genden Reformen ihrer Steuer- und Ban-kensysteme bereit seien. In den Beratun-gen um Hilfspakete gehrt die ruinseStandortpolitik Zyperns ebenso auf denVerhandlungstisch wie die Steuerpraxis Ir-lands, sagte Trittin der Zeitung DieWelt. Er fgte an: Dumping-Steuerstzeund ein lockerer Umgang mit Geldwschesind Kern des Geschftsmodells Zyperns.Die Steuerpraxis in Irland kritisierte er we-gen zu niedriger Stze. Das sei mit weiterenFinanzhilfen nicht zu vereinbaren. Steuer-dumping und europische Rettungsmilliar-den passen nicht zusammen, sagte Trittin.

    Die CSU-Bundestagsabgeordneten be-rieten nach Kennys Besuch ber ein euro-papolitisches Positionspapier, in dem ge-fordert wurde, die EU-Institutionen aufihre wesentlichen Aufgaben zu beschrn-ken. Die EU-Kommission mit ihren der-zeit 27 Mitgliedern soll nach den Vorstel-lungen der CSU nur noch aus zwlf Mit-gliedern zuzglich ihres Prsidenten unddes EU-Auenbeauftragten bestehen. DieEU-Ausgaben will die CSU maximal aufein Prozent des Bruttonationaleinkom-mens der EU begrenzen.

    Legitime Verteidigung

    Zigeuner wie Tiere

    Mind the gap, please

    Liebe und Lgen

    Nicht nur Spitzenpersonal

    Kleine Fortschritte

    rso. STUTTGART, 8. Januar. Die grn-rote Landesregierung in Baden-Wrttem-berg und der am Montag ins Amt einge-fhrte Stuttgarter OberbrgermeisterFritz Kuhn (Grne) haben im Streit berdie Kostensteigerungen beim Verkehrspro-jekt Stuttgart 21 den Ton verschrft. Wirhaben die Elbphilharmonie und den Berli-ner Flughafen, das geht so nicht weiter inDeutschland. Wir brauchen von der Bahnendlich belastbare Aussagen ber die Kos-ten, sagte Ministerprsident Kretsch-mann (Grne).

    Anders knne das Vertrauen zwischender Bahn und der Landesregierung nichtwiederhergestellt werden. Oberbrger-meister Kuhn hatte am Montagabend inseiner Antrittsrede verlangt, Alternativenfr das seit zwei Jahren im Bau befindli-che Projekt zu prfen. Kuhn sprach von ei-ner Vertrauenskrise; er habe Zweifel, obdie Bahn in der Lage sei, das Projekt zurealisieren. Kretschmann sagte, Vertrge,die das Fllen von Bumen ermglichten,

    seien nicht unterschriftsreif. Auerdemmsse der Sprecher des Bahnprojekts,Wolfgang Dietrich, endlich den Kampf-modus verlassen. Kuhn hatte von Desin-formationspolitik gesprochen.

    Wolfgang Dietrich, der sich derzeit inSdafrika aufhlt, sagte dieser Zeitung:Ich bin nicht im Kampfmodus, ich kennenur den Softmodus. Der TechnikvorstandVolker Kefer habe der grn-roten Landes-regierung im Dezember brieflich darge-legt, dass die Bahn die Projektpartner erstinformieren knne, wenn der Aufsichtsratim Februar ber die Mehrkosten in Hhevon 1,1 Milliarden Euro entschieden habe.Das erforderten die Satzung der Bahn unddas Aktienrecht. Kretschmann nannte die-se Begrndungen Ausflchte. Aus Bahn-kreisen ist zu hren, Kuhns uerungenbesttigten die Befrchtung, dass der Pro-jektpartner Landeshauptstadt unter gr-ner Fhrung nicht alles daransetze, dasProjekt zu frdern und vermeidbare Folge-kosten zu verhindern.

    STIMMEN DER ANDEREN

    Heute Lt. BERLIN, 8. Januar. Die Grnen wol-len nach einem Beschluss ihres Vorstandsdie Energiewende in den Mittelpunkt ih-rer politischen Arbeit stellen und sich imWahljahr als die treibende Kraft gesell-schaftlicher Modernisierung prsentieren.Der Grnen-Parteivorstand warf in einemPositionspapier der regierenden Koalitionaus Union und FDP vor, sie habe denStaat zum Selbstbedienungsladen ge-macht. Die Bundesregierung sei nichtdas kleinere bel, sondern das grte Hin-dernis auf dem Weg zu einer besseren, ge-meinwohlorientierten Gesellschaft.

    Das Papier des Vorstands ist Ergebnis ei-ner zwei Tage whrenden Klausurtagung,zu der sich die Fhrung der Grnen in L-neburg traf. Die Grnen beteuern darin,sie wollten die Energiewende ins Zen-trum unserer Arbeit stellen, da deren Ge-lingen ber die Zukunft und den weiterenWohlstand in Deutschland entscheide.Deutschland msse weltweiter Vorreiterfr eine kologische Wirtschaftsweise

    werden. Zu diesem Zweck schlagen dieGrnen einen Masterplan Energiewen-de vor, der smtliche Aspekte von Einspa-rung und Energieerzeugung bercksichti-gen solle. Die Grnen versprechen, siewollten den Netzaus- und -umbau mitden Brgerinnen und Brgern gemeinsamvoranbringen und nicht wie Schwarz-Gelb gegen sie. Die Grnen nehmenberdies fr sich in Anspruch, sie verspr-chen nicht das Blaue vom Himmel, son-dern rechneten ihre Vorhaben in der ge-genwrtigen angespannten Finanzlage ge-nau durch. Die beiden Grnen-Vorsitzen-den Cem zdemir und Claudia Roth de-monstrierten nach der Lneburger Ta-gung Zuversicht, dass ein Regierungswech-sel im Bund im Herbst gelingen knne. z-demir verwies auf die Erfolgsserie seinerPartei bei den jngsten Landtagswahlen.Frau Roth uerte im Blick auf den vonden Grnen gewnschten knftigen Koa-litionspartner, die SPD knne ihre An-fangsschwierigkeiten berwinden.

    reb. DSSELDORF, 8. Januar. Fr eineGeneralrevision des Erneuerbare-Ener-gien-Gesetzes (EEG) noch vor der Bundes-tagswahl hat sich EU-EnergiekommissarGnther Oettinger (CDU) ausgesprochen.Nach einem Besuch der CDU-Landtags-fraktion im nordrhein-westflischen Land-tag sagte Oettinger am Dienstag in Dssel-dorf, anfangs sei das Gesetz fr die Frde-rung erneuerbarer Energien glnzend ge-wesen. Allerdings fhre es nun zu Fehlan-reizen, die es so schnell wie mglich zu kor-rigieren gelte. Oettinger forderte zudem,Steuern und Abgaben zu senken, um diesteigenden Kosten der Netzfinanzierungauszugleichen. Der EU-Kommissar wiesdarauf hin, dass der Strompreis im interna-tionalen Vergleich nur in Japan und Dne-mark hher sei als in Deutschland. Wie inkeinem anderen Land der Erde sei er inDeutschland politikgeprgt durch Staats-abgaben. Inzwischen sei die Hhe derEnergiekosten fr viele Unternehmerbeim Standortvergleich wichtiger als die

    Hhe der Lohnkosten. Gerade weil es kei-ne andere Region Europas gebe, die derartstark durch Industrie geprgt sei, sei es frNordrhein-Westfalen wichtig, Energie-, In-dustrie- und Arbeitsmarktpolitik strate-gisch eng zu verknpfen.

    Oettinger sagte, es sei vllig klar, dassin Deutschland Kernkraft abgeschaltetwird. Da kann die nchsten drei Bundes-tagswahlen 2013, 2017, 2021 gewin-nen, wer auch immer. Das wird der Fallsein. Deshalb brauche Deutschland nochauf lngere Zeit Kohlekraftwerke. Nord-rhein-Westfalen habe dafr die besten Vor-aussetzungen. Der EU-Kommissar rief Mi-nisterprsidentin Hannelore Kraft (SPD)auf, in ihrer rot-grnen Koalition zu ge-whrleisten, dass Kohlekraftwerke ihrenAnteil fr die Bewltigung einer bezahlba-ren Energiewende leisten knnten. Ichglaube, dass die Regierungschefin sichdurchsetzen und fr Klarheit sorgen muss,wie es Nordrhein-Westfalen mit der Kohlehlt.

    STREIFZGE

    ff. WILDBAD KREUTH, 8. Januar. Bay-ern beharrt darauf, beim Bundesverfas-sungsgericht gegen den Lnderfinanzaus-gleich zu klagen. Der bayerische Minister-prsident und CSU-Vorsitzende HorstSeehofer sagte am Dienstag bei der Klau-surtagung seiner Partei im oberbayeri-schen Wildbad Kreuth, der Schriftsatzwerde vorbereitet. Er kndigte an, dassam 5. Februar auf einer gemeinsamen Ka-binettssitzung der Lnder Bayern undHessen ber die Klage beraten werde; errechne damit, dass Hessen die Klage mit-tragen werde. Bayern und Hessen, die bei-de eine schwarz-gelbe Regierungskoaliti-on haben, gehren zu den groen Geber-lndern im Finanzausgleich. Das grn-rot regierte Baden-Wrttemberg zahltauch in den Finanzausgleich ein, willsich aber nicht einer Klage anschlieen.Der Stuttgarter Finanzminister NilsSchmid (SPD) sagte, sein Land lasse sichvon der CSU nicht vor einen Wahlkampf-karren spannen.

    Seehofer stellte klar, dass sich Bayernnicht grundstzlich gegen den Lnderfi-nanzausgleich stelle, sondern gegen diederzeitige Ausgestaltung, die bis zumJahr 2019 vereinbart ist. Die bayerischenGrnen warfen Seehofer Populismus imWahljahr vor. Die Klage werde erst zu ei-nem Zeitpunkt eingereicht, in dem klarsei, dass das Bundesverfassungsgerichtvor den Wahlen zum Bundestag und zumLandtag nicht mehr entscheiden werde.Die SPD verwies darauf, dass die gelten-den Regelungen des Lnderfinanzaus-gleichs federfhrend von der CSU ausge-handelt worden seien.

    Bayern brachte 2011 von den 7,3 Milli-arden Euro, die im Lnderfinanzaus-gleich umverteilt wurden, 3,7 MilliardenEuro auf. Die weiteren Geberlnder Hes-sen und Baden-Wrttemberg mussten je-weils 1,8 Milliarden Euro abfhren; Ham-burg zahlte 62 Millionen Euro ein. Gr-tes Nehmerland war 2011 Berlin mit dreiMilliarden Euro.

    Streit um Kosten fr Stuttgart 21Vertrauenskrise zwischen Bahn und Landesregierung

    Steinbrcks Sprecher sagte dieser Zei-tung, Steinbrck berichte nicht ber In-halte von Aufsichtsratssitzungen, sonstmache er sich strafbar. Auch die Weiter-gabe von Protokollen vertraulicher Auf-sichtsratssitzungen erflle einen Straf-tatbestand. Steinbrck war, nachdemer nach der Wahlniederlage der SPD2009 seinen Posten als Bundesfinanzmi-nister verloren hatte, von Januar 2010an Mitglied des Aufsichtsrats des Stahl-konzerns. Nachdem der SPD-Parteivor-stand Steinbrck Anfang Oktober vori-gen Jahres als Kanzlerkandidaten vor-geschlagen hatte, kndigte dieser an,sein Mandat im Aufsichtsrat zum Jah-resende niederzulegen. Er begrndetedas damit, dass es nicht zu Interessen-konflikten kommen solle und ich auchselber nicht ins Zwielicht gerate. DerSprecher Steinbrcks wies am Diens-tag berdies darauf hin, es entsprecheder Position der SPD, bei den Kostender Energiewende darauf zu achten,dass in der energieintensiven Industriekeine Arbeitspltze gefhrdet wrden.Thyssen-Krupp zeigte sich in einer Stel-lungnahme verrgert. Die Sitzungendes Aufsichtsrats seien vertraulich.Eine Verletzung dieser Vertraulich-keitspflichten stellt einen Straftatbe-stand dar. Vor diesem Hintergrund ha-ben wir kein Verstndnis dafr, dassaus Protokollen des Aufsichtsrats f-fentlich zitiert und ber einzelne Mit-glieder des Aufsichtsrats berichtetwird. Steinbrck hat im vergangenenGeschftsjahr nach Informationen die-ser Zeitung nur an zwei der vier turnus-migen Aufsichtsratssitzungen teilge-nommen und ist auch der auerordent-lichen Strategiesitzung ferngeblieben.Dafr erhielt er eine Gesamtvergtungvon 55 750 Euro. Der Sprecher Stein-brcks begrndete das mehrmalige Feh-len mit Terminkollisionen aufgrunddes Bundestagsmandats von Stein-brck.

    Kln

    Auch besteht er darauf, in seinem Ein-flussgebiet die Scharia strikt anzuwen-den. Bei den ersten Gesprchen mit dermalischen Regierung hatte Ansar alDine lediglich darauf bestanden, dieScharia in ihrer Heimatregion Kidal an-zuwenden. Fr die malische Regierungaber ist der laizistische Charakter derRepublik nicht verhandelbar. Ag Ghalyhatte Bamako am Wochenende zudemfehlende Gesprchsbereitschaft un-terstellt und die im Dezember verein-barte Waffenruhe wiederaufgekndigt.Bislang unbesttigten Informationenaus Sicherheitskreisen in Bamako zufol-ge hatten sich Ansar al Dine und die alsterroristisch geltenden VereinigungenAl Qaida im islamischen Maghrebund Bewegung fr Einheit und Dschi-had in Westafrika Anfang Januar naheTimbuktu getroffen und sich dabeioffenbar neu organisiert.

    Samaras und Kenny werben um UntersttzungGriechischer Ministerprsident: Enorme Anstrengung / Irischer Regierungschef: Lage bleibt fragil

    Grne attackieren Schwarz-GelbStaat zum Selbstbedienungsladen gemacht / Klausur

    Oettinger fordert EEG-RevisionGesetz fhrt zu Fehlanreizen / Bekenntnis zur Kohle

    Fortsetzung von Seite 1

    Brckebrckelt

    Fortsetzung von Seite 1

    Bald Klage gegen FinanzausgleichBayern will sich mit Hessen im Februar beraten

    Steinbrck botUntersttzung an

    Malische Armeestoppt Islamisten

    Alles nicht so einfach: Samaras und Merkel in Berlin Foto dpa

    Fatales in Kln

    KanarischeKanarischeInselnInseln(Spanien)(Spanien)

    KanarischeInseln(Spanien) ALGERIENALGERIEN

    MAROKKOMAROKKO

    MAURETANIENMAURETANIEN

    SENEGALSENEGAL

    SIERRASIERRALEONELEONE ELFENBEIN-ELFENBEIN-KSTEKSTE

    GHANAGHANASIERRALEONE ELFENBEIN-KSTE

    GHANA

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    NIGERNIGER

    GUINEAGUINEA

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  • FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG MIT T WOCH, 9. JANUAR 2013 NR. 7 SEITE 3Politik

    BERLIN, 8. Januar. Vorstnde und Ge-schftsfhrer deutscher Unternehmenmssen sich gefallen lassen, dass Auf-sichtsrte ihre Entscheidungen berwa-chen. Getreu dem russischen Sprichwort,dass Vertrauen zwar gut, Kontrolle aberbesser sei. Dabei nehmen die Aufseherihre Kontrollaufgabe nicht selten erstdann richtig ernst, wenn sich herausstellt,dass ihr Vertrauen in die Manager ber-trieben gro war. Gab sich der Aufsichts-rat der Berliner Flughafengesellschaft zuvertrauensselig, lie er sich von der Ge-schftsfhrung zu lange ber das Gesche-hen auf der mrkischen Baustelle einlul-len? Oder machte das von Politikern do-minierte Gremium doch nie einen Ver-such, den Problemen am BER wirklichauf den Grund zu gehen?

    Bse Zungen werfen Berlins Regieren-dem Brgermeister Klaus Wowereit, derdas Groprojekt vor den Toren Berlins zurChefsache und sich zum Chefaufsehermachte, immer wieder vor, er habe sichnie ernsthaft um den Bau gekmmert. An-dere (und nicht nur Parteifreunde) hinge-gen berichten, der SPD-Politiker habe sichimmer akribisch auf die Sitzungen vorbe-reitet und deshalb grme ihn der blama-ble Verlauf des Projekts weit mehr, als esnach auen den Anschein habe. Den 14brigen Aufsichtsratsmitgliedern dar-unter Brandenburgs MinisterprsidentMatthias Platzeck (SPD), der jetzt Wowe-reit als Oberaufseher ersetzt, die Staatsse-kretre der Bundesministerien fr Ver-kehr und Finanzen, Rainer Bomba undWerner Gatzer, Landesminister sowie

    zwei Manager und fnf Arbeitnehmerver-treter gelang es seit der Zuspitzung desGeschehens durch die Erffnungsabsageim vorigen Mai, sich hinter Wowereit zuverstecken. Dabei lagen ihnen dieselben,in ihrer Brisanz verkannten Statusberich-te vor wie dem Aufsichtsratsvorsitzenden.

    Turnusgem tagte der BER-Aufsichts-rat in der Vergangenheit viermal im Jahr,aus gegebenem Anlass im zurckliegen-den Jahr allerdings sieben Mal. blicher-weise versandte die Geschftsfhrungdann einige Wochen vor dem Sitzungster-min die Unterlagen an die Aufsichtsrte Tagesordnung, Berichte, Beschlussvorla-gen. Wichtig waren vor allem die Control-lingberichte, die Auskunft geben solltenber den Baufortschritt am BER, derschon frh in Zeitrckstand geriet, nach-dem 2007 die Vergabe an einen General-unternehmer misslang. Die Controlling-berichte waren nicht selten mehrere Zen-timeter dick, sehr ausfhrlich, sehr tech-nisch und mit sehr vielen Anlagen verse-hen, wie es heit. In der Berliner Senats-kanzlei, der Potsdamer Staatskanzlei so-wie in den beiden Bundesministerien nah-men sich ganze Arbeitsstbe dieser Be-richte an. Die Politiker-Aufseher wurdendann von den Beamten unterrichtet, kriti-sche Punkte wurden errtert und in Frage-form fr die Geschftsfhrung verpackt.Vor den groen Aufsichtsratssitzungentagten auch noch der Projekt-, Finanz-und der Prsidialausschuss in unterschied-licher Besetzung.

    In der Sitzung am 20. April vorigenJahres, dem letzten Treffen vor der ber-

    raschenden Absage des Erffnungster-mins drei Wochen spter, diskutiertendie Aufseher mit den GeschftsfhrernRainer Schwarz und Manfred Krtgenber das Ampelsystem in den Control-ling-Berichten. Hinter dem KapitelBrandschutz war damals eine gelbe, kei-ne rote Ampel vermerkt. Die Frage derAufsichtsratsmitglieder, ob die Problememit der Entrauchungsanlage die Erff-nung am 3. Juni gefhrdeten, verneintendie Geschftsfhrer. Drei Wochen sptersagten sie alles ab.

    Mit Platzeck rckt nun wieder ein Politi-ker an die Spitze des Aufsichtsrates. DieGesellschafter Berlin, Brandenburg undBund verzichten damit auf ein Modell,wie es der Bund seit vielen Jahren bei derzu 100 Prozent staatseigenen DeutschenBahn AG praktiziert. Dort haben dieStaatssekretre aus den Bundesministe-rien fr Verkehr, Wirtschaft und Finan-zen zwar groen Einfluss auf Entschei-dungen, an der Spitze des Gremiumssteht aber derzeit der ehemalige Chemie-Manager Utz-Hellmuth Felcht.

    ffentliche Unternehmen sind vlligfrei, sich kompetente Leute in den Auf-sichtsrat zu holen, sagt der MnchenerWirtschaftswissenschaftler Manuel Thei-sen, Experte fr gute Unternehmensfh-rung. Er hlt wenig davon, wenn Politikerin einem derartigen Gremium dominie-ren. Sie htten erfahrungsgem oft we-der die ntige Kompetenz noch die ntigeZeit. Unter Personalberatern wird alsFaustregel fr groe Unternehmen im-mer wieder genannt, dass ein Mandat als

    einfaches Aufsichtsratsmitglied ernst-haft betrieben mit einem Arbeitsauf-wand von rund einem Tag in der Wocheverbunden ist. Fr einen Aufsichtsratsvor-sitzenden wird das Doppelte bis das Drei-fache an Zeit veranschlagt.

    Sptestens seit dem Ausbruch der Fi-nanzkrise mehren sich daher die Stim-men jener, die Berufsaufsichtsrte for-dern, versierte Fachleute also, die nichtsanderes tun, als zwei oder drei Unterneh-men zu kontrollieren, auf keinen Fall aberselbst noch ein Unternehmen fhren oder eben eine Regierung. Die Ttigkeitder Kontrolleure hat sich lngst von ei-nem Neben- zu einem Hauptberuf entwi-ckelt. Die gestiegenen Gehlter der Auf-sichtsrte spiegeln diesen Wandel wider.Nach einer Prognose der Vergtungsbera-tung Towers Watson kamen die Aufsichts-ratsvorsitzenden der Dax-Konzerne imvergangenen Jahr im Schnitt auf Bezgevon 312 000 Euro. Der Flughafen BERstellt in dieser Hinsicht aber einen Sonder-fall dar: Bis auf sogenannte Sitzungsgel-der erhalten die Aufsichtsratsmitgliederkeine Vergtung.

    Geht es nach den Fachleuten fr guteUnternehmensfhrung, sollte die Anteils-eignerseite von Aufsichtsrten mglichstvielfltig besetzt sein. Empfohlen wirdeine breite Mischung von Kompetenzenund Werdegngen, auch von Nationalit-ten. Es gelte, Einseitigkeit zu vermeiden,heit es immer wieder. Unter diesemAspekt ist die Zusammensetzung des vonPolitikern beherrschten Aufsichtsratesder Berliner Flughafengesellschaft mehr

    als fragwrdig. Die privaten Unterneh-men sind auf einem guten Weg, sagt Wirt-schaftswissenschaftler Theisen. In den f-fentlichen ist dagegen noch nicht mal dasBewusstsein eingezogen, dass eine Auf-sichtsratsttigkeit keine Ordensverlei-hung ist, sondern ein knallharter Job.

    Stattdessen dominiert vielerorts dasmter-Sammeln, ffentliche und halbf-fentliche Unternehmen von Stadtwerkenbis hin zu Landesbanken bieten (ehemali-gen) Politikern viele Gelegenheiten dazu.Interessant in diesem Zusammenhang istauch die Rolle von Peer Steinbrck (SPD)im Aufsichtsrat des angeschlagenen Stahl-konzerns Thyssen-Krupp. Wie das Han-delsblatt berichtete, hat Steinbrck an et-lichen Sitzungen des Gremiums nicht teil-genommen. Und wenn er anwesend war,habe er zu brisanten Themen vielfach ge-schwiegen, wie die Protokolle der Sitzun-gen zeigten.

    Platzeck hat unterdessen eine Erweite-rung des BER-Kontrollgremiums ange-kndigt. Darin sollten knftig auch Perso-nen sitzen, die gewisse Vorerfahrungmit Groprojekten htten, sagte er. MehrFachkompetenz in Aufsichtsrten fordernnicht nur die politischen Gegner von Wo-wereit (und Platzeck). Vielen Kritikerngeht es dabei nicht darum, die Tatsacheschlechtzureden, dass berhaupt Politikerin Aufsichtsrten sitzen. Vielmehr giltdies zumindest in ffentlichen Unterneh-men als angebracht, in denen Geld desSteuerzahlers ausgegeben wird. Vielmehrgeht es um die Frage, ob der Vollzeit-Jobeines Politikers berhaupt Zeit zum Kon-trollieren lsst.

    LONDON, 8. Januar. Wenn KateMiddleton, die Herzogin von Cam-bridge, an diesem Mittwoch ihren Ge-burtstag feiert, wird wieder die briti-sche Flagge ber dem historischen Rat-haus von Belfast wehen das ersteMal, seit die Stadtoberen Anfang De-zember mehrheitlich entschieden ha-ben, den Union Jack einzurollen undnur noch an 17 ausgesuchten Feierta-gen zu hissen. Mit Freudentnzen dernordirischen Protestanten rechnet je-doch niemand. Seit mehr als vier Wo-chen demonstrieren die protestanti-schen, probritischen Unionisten nungegen die Fahnenentscheidung. SeitBeginn des neuen Jahres ist kaum eineNacht ohne Straenschlachten mit derPolizei vergangen. In der Nacht zuDienstag versuchte diese, mehrerehundert Protestanten von einer Grup-pe von Katholiken fernzuhalten. Fahr-zeuge wurden umgestrzt und inBrand gesetzt, Brandbomben und Stei-ne geworfen, vereinzelt war sogar vonscharfen Schssen die Rede. Die Ord-nungshter gingen mit Trnengas ge-gen die Demonstranten vor und feuer-ten Gummigeschosse ab. Mehr als 60Beamte wurden in den vergangenenfnf Tagen verletzt, mehr als hundertDemonstranten festgenommen. Ver-

    treter aller Parteien verlangen Mi-gung, aber die Rufe verhallen.

    Dass nicht einmal mehr die politi-sche Fhrung der Unionisten Gehrbei den Demonstranten findet, erkl-ren Beobachter mit einer wachsendenEntfremdung. Junge Protestanten ausder Arbeiterklasse sehen ihre Interes-sen von den unionistischen Main-stream-Parteien ob von der UUP(Ulster Unionist Party) oder der DUP(Democratic Unionist Party) nichtmehr angemessen reprsentiert,schrieb nun der Publizist Roy Green-slate in der Zeitung Guardian. Siefhlten sich marginalisiert und als Ver-lierer des Friedensprozesses.

    Von einer klaren Klassengrenzelsst sich nicht sprechen. Noch immerist etwa die Arbeitslosigkeit im protes-tantischen Osten Belfasts deutlichniedriger als im katholischen Westender Stadt. Aber die gesellschaftlichenKoordinaten verschieben sich zuguns-ten der Katholiken. Whrend die nord-irischen Protestanten langsam ihre fr-here Vormachtstellung einben, ho-len die Katholiken auf: Immer mehr ab-solvieren eine gute Ausbildung, undmittelfristig werden sie die Protestan-ten auch als strkste Bevlkerungs-gruppe berflgeln.

    Viele der Demonstranten betrach-ten die Fhrer der unionistischen Par-teien inzwischen als Teil der neuennordirischen Elite. Whrend die pro-britischen Politiker die Vorteile genie-en, die sich aus der Machtteilung mitden katholischen Republikanern erge-ben, sehen sich vor allem die sozialschwachen Protestanten gesellschaft-lich zurckgelassen. Ihre Frustrationfindet ein Ventil in gestrigen Parolen(No surrender!) und in Gewalt gegendie Staatsmacht.

    Die uerungen unionistischer Poli-tiker klingen zunehmend hilflos. Wirmssen einen Weg finden, um da raus-zukommen, aber wie das gelingen soll,wei ich nicht, sagte etwa RobinNewton von der DUP. Die Versuchevon Politikern und Kirchenvertretern,die Gewalt zu stoppen zuletzt trafensie sich am Wochenende , blieben bis-lang erfolglos. Laut Newton liegt dasauch daran, dass die Demonstrantenkeine klaren Forderungen erheben. Mi-chael Copeland von der UUP beklagtwiederum, dass es unter den Demons-tranten keine Ansprechpartner gebe.

    Polizisten mutmaen seit lngerem,dass die Proteste von der paramilitri-schen Ulster Volunteer Force gesteuertwerden. Offiziell ist die Gruppe ent-waffnet, doch scheint es Belege dafrzu geben, dass sich Mitglieder unter dieRandalierer mischen und den Konfliktanheizen. Opfer sind nicht nur Polizis-ten, sondern auch Politiker. Einige sa-hen sich Brandangriffen auf ihr Hausausgesetzt, andere erhielten Morddro-hungen oft in Form von Patronen, diein Briefumschlgen verschickt werden.Besonders betroffen sind die Reprsen-tanten der Alliance Party, die als neu-traler Knigsmacher im Belfaster Stadt-parlament fr den umstrittenen Kom-promiss in der Flaggenfrage gestimmthatten. Wre es bei der Abstimmung al-lein nach den katholischen Republika-nern gegangen, htten sie den UnionJack fr immer im Keller des Rathausesverschwinden lassen.

    Das Schweigen der KontrolleureWarum Politiker ohne Zeit und Fachwissen oft die schlechteren Aufsichtsrte sind / Von Julia Lhr und Kerstin Schwenn

    BERLIN, 8. Januar

    Das wichtigste Infrastrukturpro-jekt Nordostdeutschlands er-weist sich als Murks. Auch imOktober 2013, zwei Jahre spter

    als ursprnglich geplant, wird der Gro-flughafen Berlin Brandenburg WillyBrandt (BER) nicht erffnet werden kn-nen. Zwei der drei Bauherren des Flugha-fens tauschen deswegen in der nchstenWoche die Pltze. Der Regierende Brger-meister von Berlin, Klaus Wowereit, ber-lsst den Aufsichtsratsvorsitz der Flugha-fengesellschaft dem Brandenburger Minis-terprsidenten Matthias Platzeck (beideSPD).

    In der nchsten Woche wird es wohlRainer Schwarz treffen, der seit 2006 alsGeschftsfhrer den Bau begleitet undden Flugbetrieb an den Flughfen Tegelund Schnefeld aufrechterhlt. Nach ei-nem Wutausbruch von InnensenatorFrank Henkel (CDU) ber die Informati-onspolitik zum Flughafen beschloss derBerliner Koalitionsausschuss von SPDund CDU am Montagabend, man werdein Berlin weiter gemeinsam regieren. DerAusschuss gab allerdings, wie die Frakti-onsvorsitzenden nach der Sitzung mitteil-ten, ausdrcklich Schwarz preis, dessenEntlassung der Dritte im Bunde der Bau-herren, Verkehrsminister Peter Ramsauer(CSU), ohnehin seit Wochen fordert.Ramsauer wird diese Forderung wohl inder nchsten Woche offiziell als Antragin die Aufsichtsratssitzung einbringen.Wowereit und Platzeck hatten bislang anSchwarz festgehalten. Der BER magMurks sein, aber den Flugboom mitmehr als 25 Millionen Fluggsten im ver-gangenen Jahr hat Schwarz auf den bei-den alten Flughfen gut gemeistert.

    Man werde zusammenstehen, sagteWowereit, der nach den Krisentreffendes Montags vor die Presse trat, berPlatzeck und sich, ber Berlin und Bran-denburg. Das war ein programmatischerSatz. Denn 2012 waren die Interessenvon Berlin und Brandenburg beim teurenThema Schallschutz fr Anwohner starkauseinandergegangen. Nach Ermahnun-gen durch die Gerichte will Branden-burgs Regierung den BER um jeden Preismit seinen Anwohnern vershnen. Ber-lin dagegen will den Flughafen um jedenPreis fertigstellen, damit von dort jederleicht und billig in die Stadt kommenkann. Der stndig zunehmende Flugver-kehr sorgt in Tegel dafr, dass selbst Berli-ner, die Fluglrm jahrzehntelang klagloshingenommen haben, die Geduld verlie-ren.

    Platzeck, der Ingenieur, den es in diePolitik verschlagen hat, wird am 29. De-zember 60 Jahre alt. Er fing als Grner inder Politik an und wurde als Deichgraf,als Minister unter Manfred Stolpe inBrandenburg bekannt. Seit Juni 2002 ister Ministerprsident. Bis 2009 fhrte ereine groe Koalition, dann entschied ersich wegen der Schwche der CDU frdie Linkspartei. Wowereit, der Jurist, derberuflich nie etwas anderes als die Berli-ner Verwaltung und politisch nie etwasanderes als die SPD kennengelernt hat,feiert etwas frher 60. Geburtstag, am 1.Oktober. Er wurde im Juni 2001 zum ers-ten Mal zum Regierenden Brgermeistergewhlt. Wowereit fhrte zunchst einekurzlebige rot-grne Stadtregierung,dann zwei Wahlperioden lang eine rot-rote Koalition. Seit 2011 wird Berlin aufsein Betreiben von einer SPD/CDU-Koali-tion regiert. An der Planung und am Baudes neuen Flughafens waren oder sind inBerlin-Brandenburg somit aktiv betei-ligt: SPD, CDU und Linkspartei.

    Platzeck wie Wowereit stehen derartiglange gemeinsam und doch je einzeln impolitischen Geschirr, dass die Rochadeim Aufsichtsrat eine Zeitlang funktionie-ren knnte. Beide gehren zum ausge-sprochen pragmatischen Typ Politiker,Wowereit kann polarisieren, Platzeckkann ausgleichen. Sie sind nicht befreun-

    det, knnen und werden aber miteinan-der auskommen, wenn es sein muss. Undbeim Flughafen muss es sein, es istschlielich, wie beide seit Jahren erkl-ren, das wichtigste Infrastrukturprojektder Region.

    Wowereit wird seit seinem Wahlsieg2011 (mit 28,3 Prozent der Stimmen) al-lerdings zwischen den eigenen Leutenund der Problembaustelle BER aufgerie-

    ben. Die SPD hat ihm einen neuen Par-teivorsitzenden vor die Nase gesetzt,der sich zusammen mit dem Fraktions-vorsitzenden fr die linke Profilpflegedes 4. Senats unter Wowereit verant-wortlich fhlt. Wenige Stunden nach-dem der sichtlich angespannte Wowe-reit kurz zu seinem kecken Ton zurck-gefunden und kundgetan hatte, er wer-de die Entlassung von Schwarz nicht be-

    antragen, beschloss seine Partei genaudies.

    So unernst und flapsig, wie er biswei-len auftritt, ist Wowereit gar nicht. Abersein Stil holt ihn jetzt ein, da eines derHauptprojekte der Hauptstadt unter sei-ner Obhut zu scheitern droht. Das BER-Debakel ist damit zu Wowereits persnli-chem geworden. Seine Umfragewertesind schlecht und scheinen sich seit Mona-

    ten nicht erholen zu wollen. Selbst die no-torisch schwache Berliner CDU hat dieSPD bei der Popularitt inzwischen ber-holt.

    Umso seriser und patriotischer trittsein Nachfolger im Aufsichtsrat derFlughafengesellschaft nun auf. Er wer-de im Brandenburger Landtag die Ver-trauensfrage stellen, kndigte Platzecknoch am Montagabend an. Ich koppelemein Schicksal eng an diesen Flugha-fen, setzte er hinzu, und seine Regie-rungskoalition aus SPD und Linksparteibeeilte sich, ihm die volle Rckende-ckung zuzusagen.

    Schon lange muss Platzeck sich von Wo-wereit nicht mehr ber die Pflichten poli-tischer Fhrung belehren lassen. Vor Jah-ren unternahmen die beiden gelegentli-che gegenseitige Besuche mit Pressebe-gleitung und nutzten diese zur Profilie-rung auf Kosten des jeweils anderen. Somusste sich Platzeck einmal ausgerechnetvon dem Leichtfu Wowereit anhren,dass ein Kerl eine Meinung haben unddafr kmpfen msse.

    Platzeck hat seine Karriere in der Bun-despolitik hinter sich, weil seine Konstitu-tion ihm diese Art von Job nicht erlaubt.Im November 2005 wurde er SPD-Vorsit-zender, im April 2006 trat er zurck. Seit-her geht er ganz im landesvterlichenFach auf, nach Stolpes Vorbild. ber Wo-wereits Chancen im Bund ist die Zeit hin-weggegangen, er muss darum kmpfen,in der Berliner SPD und in der Landespoli-tik die Nummer eins zu bleiben.

    Glck haben beide mit ihrer Oppositi-on. In Berlin arbeiten Grne, Linkspar-tei und Piraten noch an der Kunst, Fra-gen und Kommentare derart zuzuspit-zen, dass sie weh tun. Die Berliner Links-partei geniet still, dass sie nicht mehrim Aufsichtsrat der Flughafengesell-schaft sitzen muss, wie die Brandenbur-ger Parteifreunde, die das Flughafenpro-jekt ursprnglich ablehnten und jetzt,wo es nichts als rger und Kosten ein-bringt, dafr politische Verantwortungbernehmen mssen. Die Brandenbur-ger CDU schiet als Oppositionspartei,die keinerlei Erinnerung an ihre zehnjh-rige Regierungsbeteiligung in Branden-burg zu besitzen scheint, aus allen Roh-ren gegen die Flughafenbauer, whrenddie Berliner Union als Koalitionspartnerbisher ausgesprochen dezent auftrat.Nach dem Ende der groen Koalition inBerlin 2001 kam sie nur schwer auf dieFe. Sie geniet nun jeden Regierungs-monat, der ohne Streit oder Senatoren-rcktritte vergeht, und hofft, sich alsfhige Partei zu empfehlen. Doch derFlughafen kann gefhrlich werden. Des-wegen hat Innensenator Henkel sich be-sonders laut fr stinksauer und fas-sungslos erklrt, ehe die CDU den Flug-hafen abermals nicht zur Koalitionskrisenutzte.

    Am Donnerstag tritt das Berliner Abge-ordnetenhaus zu einer Sondersitzungzum Thema BER zusammen, am Samstagwird es ber das von der Opposition ein-gebrachte Misstrauensvotum gegen Wo-wereit abstimmen. In der nchsten Wo-che geht das Flughafendrama dann wei-ter. Platzeck wird bei einer Sondersitzungdes Landtags am Montag die Vertrauens-frage stellen und sie mit einem schmet-ternden Ja von Rot-Rot beantwortet be-kommen. Am Mittwoch tagt der Auf-sichtsrat, muss einen neuen Vorsitzendenwhlen und wird ber die Antrge gegenSchwarz abstimmen.

    Die Blamage als Flughafenbauer wirdWowereit und Platzeck mglicherweisevon den Ermdungserscheinungen befrei-en, die sie in ihren langen Amtszeitendurchaus gezeigt haben. Regulr wird inBrandenburg 2014 und in Berlin 2016 ge-whlt. Bis dahin den neuen Flughafen ein-zuweihen, ist unverhofft ein beraus ehr-geiziges Ziel geworden.

    Frustriert frdie FlaggeNordirlands Unionistenfhlen sich als Verlierer

    Von Jochen Buchsteiner

    Wtend in Belfast Foto Reuters

    Berliner LuftnummerWer wird wohl zuerst den Abflug machen? Passagiere vom BerlinerGroflughafen Willy Brandt oder Klaus Wowereit und Matthias Platzeck,die als Politiker an dem Projekt zu scheitern drohen? Von Mechthild Kpper

    So sahen Flieger aus: Schwarz, Wowereit und Platzeck (von links) auf einer Schnefelder Pressekonferenz 2007 Foto dpa

  • SEITE 4 MIT T WOC H, 9. JANUAR 2013 NR. 7 FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNGPolitik

    Herr Schneider, Deutschland gehrtweltweit zu den Lndern mit der nied-rigsten Geburtenrate. Eine Frau be-kommt bei uns im Durchschnitt 1,39Kinder. In einer Studie Ihres Institutsheit es, dass das kulturelle Leitbild derguten Mutter, die ganz daheim blei-be, dafr mitverantwortlich sei. Warumist dieses Bild in Deutschland strkerausgeprgt als anderswo?

    Wir gehen davon aus, dass die Ent-scheidung fr Kinder von drei Faktorenbeeinflusst wird: von finanziellen, vonstrukturellen gibt es Betreuungsange-bote? und von kulturellen. Die Bedeu-tung der kulturellen Faktoren wurde bis-her unterschtzt. Vorstellungen ber El-ternrollen gehren dazu, aber auch dasBild, das wir von einer guten Kindheithaben. Da gibt es massive Unterschiedezwischen West- und Ostdeutschland. Zu-sammen mit Schweden hat Ostdeutsch-land in dieser Hinsicht die am wenigstentraditionelle Orientierung, whrendWestdeutschland zusammen mit Polenund einigen anderen Lndern beson-ders traditionelle Wertemuster aufweist.

    Aber Ostdeutsche haben deshalb nichtmehr Kinder.

    Ja, denn die konomische Lage vielerPaare ist dort nicht die beste. In Ost-deutschland sieht man darber hinaus,dass allein eine gute Infrastruktur zu kei-ner hohen Geburtenrate fhrt: Dort gibtes quasi eine Vollversorgung mit Betreu-ungsangeboten vom zweiten bis zumzehnten Lebensjahr. Im Westen hinge-gen ist die seit 40 Jahren niedrige Gebur-tenrate keine Frage der konomie, son-dern von Struktur und Kultur. Leider ha-ben wir in der Vergangenheit vor allemmit finanziellen Hilfen fr Familien ver-sucht, die Geburtenrate zu heben. Dashat nicht funktioniert.

    Warum ist gerade in Westdeutschlanddas kulturelle Leitbild so geburten-feindlich?

    Hier herrscht die berzeugung, dassKinder sich nur dann optimal entwi-ckeln, wenn sie im Wesentlichen vonder Mutter betreut werden. Das hat mitden Geschlechterrollen zu tun, die nachwie vor sehr traditionell sind und die indieser Form von zahlreichen gesell-schaftlichen Institutionen gesttzt wer-den. Immer mehr Frauen wollen die al-leinige Verantwortung fr das Kind abernicht mehr annehmen. Das Ganze wirdflankiert von einem hohen Grad an Per-fektionismus: Nur die Eltern sind erfolg-reich, deren Kind auch das Abiturschafft. Dadurch werden die Hrden frgelingende Elternschaft immer hher.Das fhrt zu einer wachsenden Verunsi-cherung von Eltern, die wir empirischmessen knnen. Deutsche Eltern be-frchten viel strker als alle anderen, inder Erziehung Fehler zu machen.

    Warum setzen sich Eltern in Deutsch-land derart unter Erfolgsdruck?

    Natrlich wollen Eltern berall auf derWelt das Beste fr ihre Kinder aber nichtin einem solchen Mae wie bei uns. DieErwartungen an die Erfolge der eigenenKinder sind enorm, und damit steigt auch

    das Risiko desScheiterns. DieGelassenheit unddas Vertrauen,dass unsere Kin-der ihren Weg ge-hen, egal, ob wirsie nun in die Kla-vierstunde fahrenoder tglich mit ih-nen Vokabeln ler-nen, fehlen uns.

    Das hat mit spezifischen deutschen Tugen-den zu tun: Wir sind wirtschaftlich so er-folgreich, weil wir uns mehr anstrengenals andere Nationen. Unser berengage-ment im Beruf erschwert wiederum dieVereinbarkeit: Uns fehlt schlicht Zeit frKinder. Zum anderen bertragen wir denPerfektionismus des Berufslebens ins Pri-vate: sowohl in die Kindererziehung alsauch in die Partnerschaft. Die Erwartun-gen, die Menschen an ihre Partner haben,sind so berzogen, dass sie die Stabilittvieler Ehen bedrohen auch das istschlecht fr die Familiengrndung.

    In Frankreich sind Familien mit dreiKindern normal, in Deutschland dieAusnahme. Welchen Anteil daran hatdas franzsische Steuerrecht, in demKinder mittels des Familiensplittingsdie Steuerlast stark verringern?

    Geld zeugt keine Kinder. Der Unter-schied in der Geburtenrate zwischenFrankreich und Deutschland ist kultu-rell bedingt. In Deutschland gilt eine Fa-milie mit drei Kindern als abweichendvon der Norm, und das ist hier eher nega-tiv konnotiert. Fast muss man sich dafrrechtfertigen.

    In Deutschland stieg selbst nach derEinfhrung des Elterngeldes die Gebur-tenrate nicht sprbar an obwohl die-ser Effekt erhofft wurde.

    Wir geben drei Prozent des Bruttoin-landsprodukts fr Familien aus, einengroen Teil als Geldleistungen. AndereLnder investieren mehr in die Betreu-ungsinfrastruktur. Hier mssten wirmehr tun. Zugleich sollten wir aufh-ren, ber weitere Zahlungen an Famili-en nachzudenken und ber Elternschaftals Armutsrisiko zu debattieren. Fak-tisch geht es um einen Kulturwandel,den die Bundespolitik nur zum Teil be-einflussen kann: Er muss in Betriebenund Kommunen stattfinden. Arbeitge-ber sind gefordert, die private Seite ihrerArbeitnehmer strker zu sehen. Teilzeit-beschftigte gelten bei uns als minder-engagiert und minderinteressiert.Das ist falsch und muss sich ndern.

    Darf die Politik denn berhaupt die Ge-burtenrate aktiv beeinflussen wollen?

    Elternschaft ist keine Brgerpflicht.Doch mit der Geburtenrate von derzeit1,4 Kindern pro Frau ist jede Generati-on um ein Drittel kleiner als ihre Vorgn-gergeneration. Langfristig knnen wirdamit nicht zufrieden sein. Alterungund Schrumpfung der Bevlkerung sindso massiv, dass sie sich nur schwer be-wltigen lassen.Das Gesprch mit dem Direktor des Bundesinsti-tuts fr Bevlkerungsforschung in Wiesbadenfhrte Uta Rasche.

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    Gauck: Welt ersehnt Frieden Bundes-prsident Joachim Gauck hat den Neu-jahrsempfang fr das DiplomatischeKorps zu einem Aufruf zur friedlichenGestaltung Europas genutzt. Gauck,der am Dienstag die in Berlin akkredi-tierten Botschafter empfing, sagte: Eslohnt sich, dass wir unsere Kraft dafreinsetzen, das Projekt Europa zu si-chern und fortzuentwickeln und diejungen Leute dafr zu gewinnen.Gauck nannte es einzigartig, dass wiruns von den Waffen unserer europi-schen Nachbarn nicht bedroht fhlenund dass wir uns nicht vor der Strke,sondern allenfalls vor gelegentlichenSchwchen unserer Nachbarn frch-ten. Gauck sagte, die Welt sehne sichnach Frieden und Lebensperspekti-ven fr alle Menschen. (ban.)V-Leute-Einsatz beim Fuball Dienordrhein-westflische Polizei hat zwi-schen 2008 und 2012 rund zehn soge-nannte Vertrauenspersonen (V-Leute)eingesetzt, um Informationen ber ge-waltbereite Fuballfans zu erlangen.Das geht aus einer Antwort des Innen-ministeriums auf eine kleine Anfrageder Piratenpartei im nordrhein-westfli-schen Landtag hervor. Nach Ansichtder Piraten hat die staatliche Kontrol-le und Bespitzelung von Stadionbesu-chern ein Ausma erreicht, das nichtvereinbar mit einer rechtsstaatlichenDemokratie ist. (reb.)Pau kritisiert Beweise gegen NPD Die Obfrau der Linkspartei im NSU-Un-tersuchungsausschuss des Bundesta-ges, Petra Pau, hat sich skeptisch berden Erfolg eines Verbotsverfahrens ge-gen die NPD geuert. Dem SenderMDR Info sagte Frau Pau, es sei weiterunklar, ob die Beweise der Innenminis-ter nicht doch zum Teil von V-Leutendes Verfassungsschutzes stammten. Andieser Frage war ein frheres Verbots-verfahren gescheitert. Frau Pau forder-te die Innenminister auf, das Beweisma-terial abermals zu prfen, andernfallswerde sie ihrer Bundestagsfraktionempfehlen, einem Verbotsantrag nichtzuzustimmen. (F.A.Z.)Neues Landesrichtergesetz Diegrn-rote Landesregierung in Baden-Wrttemberg hat einen Entwurf zurNovellierung des Landesrichtergeset-zes beschlossen. Danach sollen diePrsidialrte auch an der Erprobungs-abordnung von Richtern beteiligt wer-den. Bei Staatsanwlten soll derHauptstaatsanwaltsrat ber die Erpro-bungsabordnungen mitentscheiden.Bislang traf diese Entscheidungen al-lein das Justizministerium. Die Erpro-bungsabordnung dauert zwlf Monateund ist in der Regel entscheidend frBefrderungen. Die Landesregierung,sagte Justizminister Rainer Stickelber-ger (SPD), wolle mit der Reform dieBefrderung von Richtern und Staats-anwlten weiter entpolitisieren. (rso.)(Kommentar Seite 8.)FDP-Landesvorsitzender tritt zurck Der Rechtsanwalt Veit Wolpert ist alsLandesvorsitzender der FDP in Sach-sen-Anhalt zurckgetreten. Er reagier-te damit auf die Wahl der Staatsministe-rin im Auswrtigen Amt Cornelia Pie-per als Spitzenkandidatin zur Bundes-tagswahl. Durch seine Niederlage habeer die notwendige Autoritt verloren,sagte Wolpert. Er hatte Frau Pieper vorzwei Jahren vom Landesvorsitz ver-drngt. Der Nachfolger Wolperts wirdauf dem Landesparteitag im April be-stimmt. (vL.)Gegen Korruption bei rzten Als ers-te Justizministerin eines Bundeslandeshat Uta-Maria Kuder (CDU) aus Meck-lenburg-Vorpommern gefordert, str-ker gegen Korruption bei rzten vorzu-gehen. Sie will entsprechende Vorstel-lungen dazu auf der nchsten Justizmi-nisterkonferenz im Juni in Saarbrckenvorstellen. Eine strafrechtliche Rege-lung knnte bei Verdachtsfllen etwaHausdurchsuchungen der Staatsanwalt-schaft mglich machen. (F.P.)Wagenknecht soll verhandeln Diestellvertretende Vorsitzende der Links-partei und deren Bundestagsfraktion,Sahra Wagenknecht, soll die Koalitions-verhandlungen fr die niederschsi-sche Linkspartei fhren, sollte diesebei der Landtagswahl in zehn Tagen inden Landtag einziehen. Das wird derLandesvorsitzende der Linkspartei,Manfred Sohn, an diesem Mittwochmitteilen. Sollten SPD und Grne aufdie Stimmen der Linkspartei angewie-sen sein, drfte Frau Wagenknecht denersten Zugriff auf ein Ministeramt ha-ben. Dann wren Plne hinfllig, SahraWagenknecht in die Gruppe um denSpitzenkandidaten fr die Bundestags-wahl einzubinden. (vL.)

    Im Gesprch: Norbert Schneider, Demographieforscher

    KIEL, 8. Januar. Am Ende konnte Jostde Jager die gegenwrtige Kieler Koaliti-on aus SPD, Grnen und Sdschleswig-schem Whlerverband (SSW) wenigs-tens einmal vor sich her treiben. Justizmi-nisterin Anke Spoorendonk (SSW) sahsich gezwungen, am Dienstag eine Presse-konferenz ber das Thema Sicherungs-verwahrung vorzuziehen. Denn um 13Uhr wrden sich alle Augen im politi-schen Kiel sowieso auf die CDU richten auf die Rcktrittserklrung des Landes-vorsitzenden de Jager.

    Vorstze fr das neue Jahr soll man so-gleich verwirklichen, oder es wird nichtsdamit. Das mag sich auch de Jager gesagthaben. Das weihnachtliche Innehaltenwird ihm vor Augen gefhrt haben, dasses so mit ihm und der Partei nicht weiter-gehen konnte. Was immer den letztenAusschlag gegeben haben mag de Jagerspricht von politischen und persnlichenGrnden , die tiefere Ursache war eineMischung aus Rcksichtslosigkeit, Be-quemlichkeit und Zerstrittenheit der eige-nen Partei. Fr die CDU die Kohlen ausdem Feuer zu holen, dafr bekam de Ja-ger das Mandat. Ihn aber auch mit ausrei-chend Autoritt zu versehen, um irgend-wann die CDU wieder an die Regierungzu fhren dazu reichte der Zusammen-halt unter den Parteifreunden nicht. Jetzthat de Jager die Konsequenzen gezogen.Schon im Sommer wollte er das, aber da-mals konnte er noch einmal umgestimmtwerden. Auf die Partei wirft dieser dritteFhrungswechsel in nicht einmal zwei-einhalb Jahren ein denkbar schlechtesLicht.

    Seit vielen Jahren gehrte der inzwi-schen 47 Jahre alte Jost de Jager zum Fh-rungszirkel der CDU in Schleswig-Hol-stein. Er war eine Art Allzweckwaffe klug, umgnglich, nicht auf einen Postenschielend, loyal und vor allem unaufge-regt. So diente er unter Ministerprsi-dent Peter Harry Carstensen, nachdemder die CDU 2005 wieder an die Machtim Kieler Landeshaus gefhrt hatte. Erstals Staatssekretr, dann als Wirtschafts-und Wissenschaftsminister. Klaglosnahm er es hin, dass fr die NachfolgeCarstensens sein Name nie fiel. Nachfol-ger Carstensens wurde im September2010 Christian von Boetticher, jnger alsde Jager und erkennbar ehrgeiziger. AberBoetticher musste ein knappes Jahr sp-ter zugeben, ein Verhltnis mit einem da-mals 16 Jahre alten Mdchen gehabt zuhaben. Das kostete ihn alle mter.

    Schon Boettichers Abgang zeigte diefr die schleswig-holsteinische CDU sotypische Melange aus eigenem Versagenund gnadenlosen Parteifreunden. Daswar kurz vor dem Wahlkampfbeginn frdie Landtagswahl am 6. Mai 2012. De Ja-ger bernahm erst den Parteivorsitz,dann die Spitzenkandidatur. Es war nichtmehr die Zeit, um der Partei Bedingun-gen fr seine Kandidatur zu stellen. Sokam es, dass unter de Jager die CDU

    zwar abermals strkste Kraft wurde(wenn auch sehr knapp), in den Landtagfr die CDU aber nur Direktkandidateneinzogen, die Liste also unbercksichtigtblieb. De Jager war zwar der Spitzenkan-didat, hatte aber keinen Wahlkreis. EinParteivorsitzender ohne Landtagsman-dat, das musste de Jager politisch enormschwchen. Dennoch hat er, wie der Frak-tionsvorsitzende Johannes Callsen jetztnoch einmal betonte, als strategischerKopf entschlossen die Modernisierungseiner Partei vorangetrieben. Aber diePartei dankte ihm das alles nicht. Im Ge-genteil: Als de Jager eine Bundestagskan-didatur anstrebte, musste er sich einer de-mtigenden Kampfkandidatur gegeneine Kommunalpolitikerin stellen, die erdann auch nur knapp gewann.

    Ende November whlte die CDU tur-nusgem die neue Parteifhrung. De Ja-ger bekam kaum 80 Prozent der Stim-men. Er selbst sieht das so: Ein wirklichstarkes Signal der Untersttzung fr ihn

    sei ausgeblieben. Und im typischen deJager-Ton: Mir ist es nicht immer leicht-gemacht worden, meine Verantwortungfr die Partei wahrzunehmen. Freilichmuss de Jager das auch nicht persnlichnehmen. So geht es nun einmal zu in derCDU im Norden. Dafr ist sie berchtigtund berhmt seit den Zeiten, die mit demNamen Uwe Barschel umschrieben wer-den.

    Auch Peter Harry Carstensen wareinst so ein Notnagel der Partei. Er wur-de 2002 Parteivorsitzender und damit fr2005 zwangslufig auch Spitzenkandi-dat. Noch im Wahlkampf gab es Bestre-bungen in der Partei, den Spitzenkandida-ten zu ersetzen, weil man ihm einen Er-folg nicht zutraute. Carstensen blieb inden folgenden sechs Jahren nur deshalbunangefochten in der Partei, weil er 2005und noch einmal 2009 die Wahl gewann,weil er Erfolg hatte und zu einem belieb-ten Ministerprsidenten wurde. Das gab

    ihm eine Sicherheit, die ihn auch glau-ben lie, seine Nachfolge so regeln zuknnen, dass die Partei nicht in die altenGrabenkmpfe zurckfiele.

    Die Sache ging schief, weil er sich inBoetticher tuschte. Die CDU in Schles-wig-Holstein steht nun wieder da, wo sievor 2005 war zerstritten und in der Op-position. Seit Mai 2012 regiert die rot-grn-blaue Dreierkoalition unangefoch-ten, obwohl sie nur eine Stimme Mehr-heit im Landtag hat. Das hat mit der klu-gen und unaufgeregten Fhrung von Mi-nisterprsident Torsten Albig (SPD) zutun, aber eben auch mit der Schwcheder CDU. De Jager zieht sich aus allen po-litischen mtern zurck. Auch Bundes-tagsabgeordneter mchte er nicht mehrwerden. Man kann vermuten, dass er eingutes Angebot erhalten hat. Das ermg-licht ihm einen Rcktritt wie eine letzteRache, auch wenn er sagt: Ich scheideohne Groll.

    Niemand aus der CDU-Fhrung ahnteetwas von dem Paukenschlag, den de Ja-ger ber die Weihnachtstage vorbereite-te. Der Kampf um den Parteivorsitz ist da-mit erffnet. Der neue Vorsitzende mussdann auch schon den Kommunalwahl-kampf organisieren. Gewhlt wird am26. Mai. Die Junge Union und auch Cars-tensen regten eine Mitgliederabstim-mung ber den knftigen Vorsitzendenan. Die Partei hingegen hat den Wahl-termin fr den 16. Mrz festgelegt. Werdann gewhlt wird, ist noch unklar.

    Callsen, der Fraktionsvorsitzende, hatseine Karriere ebenfalls dem Boetticher-Rcktritt zu verdanken. Schon damalsaber kam er fr den Vorsitz eigentlichnicht in Frage. In Wartestellung harrtTorsten Geerdts, der frhere Landtags-prsident, dem es bei der Landtagswahlwie de Jager ergangen war: Seine gutePlazierung auf der Liste ntzte ihmnichts ohne Wahlkreis. Geerdts galt alseiner der kommenden Mnner in der Par-tei. In der Fraktion selbst gibt es einigepolitische Talente, vor allem den frhe-ren Landesgeschftsfhrer Daniel Gn-ther, Jahrgang 1973.

    Die Partei wird aber vor allem wohlnach Berlin schauen zu den Bundestags-abgeordneten. Ole Schrder ist Parlamen-tarischer Staatssekretr im Bundesinnen-ministerium: ein Mann, der gern polari-siert. Johann Wadephul war bereits imJahr 2000 Parteivorsitzender, scheiterteaber, als er auch nach dem Fraktionsvor-sitz griff. Unter Carstensen sah er keinenPlatz mehr fr sich und bewarb sich 2009um ein Bundestagsmandat.

    Bleibt noch Ingbert Liebing, Jahrgang1963, der einst den Bundestagswahlkreisvon Carstensen an der Westkste ber-nahm, auf Sylt wohnt und sich nach undnach in der Partei eine starke Stellung er-worben hat als stellvertretender Vorsit-zender, als Kreisvorsitzender in Nord-friesland und als Vorsitzender der Kom-munalpolitischen Vereinigung. Seit vie-len Jahren eine wichtige Rolle in der Lan-despartei spielt schlielich auch der Euro-paabgeordnete Reimer Bge. Unter denReaktionen im Kieler Landeshaus auf deJagers Abschied, der am Donnerstag offi-ziell vollzogen wird, fiel vor allem dievon Heiner Garg auf, dem FDP-Parteivor-sitzenden. Er bedaure, sagte er, dass esoffensichtlich eine zunehmende Tendenzgibt, Fhrungspersonal zu whlen, esdann aber nicht zu untersttzen. Er drf-te dabei an de Jager nur nebenbei ge-dacht haben.

    Nirgendwo sonst stehenEltern so unter Druck

    Will nicht mehr: Jost de Jager Foto dapd

    WIESBADEN, 8. Januar. Ein im Rck-blick sehr teures Zugestndnis an die FDPnach der Landtagswahl 2009 wird RolandKoch in diesem Jahr wohl einen politi-schen Auftritt bescheren. Die Oppositionvon SPD und Grnen will den frheren hes-sischen Ministerprsidenten und heutigenVorstandsvorsitzenden des BaukonzernsBilfinger und Berger mit hoher Wahr-scheinlichkeit als Zeugen vor einen parla-mentarischen Untersuchungsausschuss la-den. Von Koch erhoffen sich beide Partei-en Belege fr ihren Verdacht, dass es derschwarz-gelben Koalition bei der Anschub-finanzierung fr den Aufstieg der privatenEuropean Business School (EBS) zur Uni-versitt nicht nur um hehre hochschulpoli-tische Motive ging. Die entscheidende Fra-ge wird sein: Was war eigentlich wesent-lich fr den Aufbau der EBS? Die Bereiche-rung der hessischen Hochschullandschaftoder die Lsung der finanziellen Probleme

    der Hochschule?, formulierte der parla-mentarische Geschftsfhrer der Grnen-Fraktion, Mathias Wagner, vor Beginn derersten Sitzung des Untersuchungsausschus-ses die zentrale Frage der Opposition.

    CDU und FDP hatten in ihrem Koaliti-onsvertrag im Mrz 2009 beschlossen, derEBS mit 24,7 Millionen Euro Steuergel-dern den akademischen Aufbau einer wirt-schaftsnahen juristischen Fakultt zu fr-dern. Mit der Grndung einer LawSchool sollte die EBS den ersehnten Uni-versittsstatus erhalten. Wiesbaden alsSitzstadt der neuen Universitt ver-sprach, weitere zehn Millionen Euro fr ei-nen Neubau beizusteuern. Und fr weitererund 21 Millionen Euro sollte das Landleerstehende Gerichtsgebude fr die neueJura-Fakultt sanieren. Kurz nach diesemBeschluss gab der Wiesbadener CDU-Frak-tionsvorsitzende Bernhard Lorenz in derStadtverordnetenversammlung zu Proto-

    koll, Koch habe sich mit Hnden und F-en gegen die Law School gewehrt weil er als Jurist seiner Alma Mater kei-ne Konkurrenz habe schaffen wollen. Trei-bende Kraft hinter dem Universittspro-jekt waren demnach der in Wiesbaden le-bende FDP-Fraktionsvorsitzende und heu-tige Wirtschaftsminister Florian Rentschsowie Oberbrgermeister Helmut Mller(CDU) Kochs frherer Broleiter in derStaatskanzlei.

    Doch der schne Plan, Wiesbaden alseinziger Landeshauptstadt ohne Universi-tt endlich zu akademischem Glanz und ei-ner Belebung durch Tausende Studentenzu verhelfen, hat der Koalition ein knappesJahr vor der Landtagswahl eine weitereBaustelle beschert. Zwar trgt die 1971 ge-grndete EBS seit 2011 den wertvollen Ti-tel Universitt. Doch seit der Ablsungdes EBS-Prsidenten Christopher Jahnsim Frhjahr 2011, gegen den die Staatsan-

    waltschaft Wiesbaden Anklage wegen Un-treue erhoben hat, bereitet die Hochschuleden Koalitionsparteien und vor allem Wis-senschaftsministerin Eva Khne-Hr-mann (CDU) viel Kummer.

    Parallel zu den Ermittlungen gegenJahns empfahlen Wirtschaftsprfer nachSichtung der EBS-Bilanzen der Ministerindie Rckforderung von einer Million Fr-dergelder wegen Zweckentfremdung.Auch die Finanzplanung der EBS fr dieersten acht Jahre als Universitt mit fehlen-den Mitteln von 36 Millionen Euro gerietin die Kritik. Der daraufhin vom Landtagmit Prfung beauftragte Landesrechnungs-hof kam Anfang Dezember zu einem Er-gebnis, das vernichtend fr die Ministerinausfiel. Das Wissenschaftsministeriumhabe weder den Bedarf