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Von der Chemie zur Show Feuerwerk F RITZ K ELLER Fast jeder Chemiker kommt früher oder später in Kontakt mit dieser alten und immer noch faszinierenden Wissenschaft im Grenzbereich von Chemie, Technik und Kunst: der Pyrotechnik. Der Begriff hat seinen Ursprung im Griechischen: πυρος /pyros = Feuer und τε ′ χνη/téchne = Kunst(-fertigkeit)/Handwerk; für so manchen war sie auch der Zündfunke für die Beschäftigung mit der Chemie. 248 © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2012, 46, 248 – 265 DOI: 10.1002/ciuz.201200596 Italienische Zylinderbombe mit gelben und blauen Kometen. Bild: F. Keller

Feuerwerk : Von der Chemie zur Show

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Von der Chemie zur Show

Feuerwerk FRITZ KELLER

Fast jeder Chemiker kommt früher oder später in Kontakt mit dieser alten und immer noch faszinierenden Wissenschaft im Grenzbereich von Chemie, Technik und Kunst: der Pyrotechnik. Der Begriff hat seinen Ursprung im Griechischen: πυρος /pyros = Feuer und τε′ χνη/téchne = Kunst(-fertigkeit)/Handwerk; für so manchen war sie auch der Zündfunke für die Beschäftigung mit der Chemie.

248 © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2012, 46, 248 – 265

DOI: 10.1002/ciuz.201200596

Italienische Zylinderbombemit gelben und blauen Kometen. Bild: F. Keller

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Welches große oder wichtige Fest ist wirklich voll-ständig ohne Feuerwerk? Seit Jahrhunderten gehört

diese massenwirksame Kunst zum festen Bestandteil vonRepräsentationsveranstaltungen, Volksfesten, Hochzeitenund wichtigen Feiern im gesellschaftlichen und religiösenBereich. Im Kleinen als Belustigung, Silvesterbrauch, festerBestandteil von Nationalfeiertagen (wie etwa dem 4. Juli inden USA, dem 14. Juli in Frankreich und dem 1. August inder Schweiz) oder als Geschenk zu Hochzeitsfesten und Ju-biläen – im Großen als grandioser Schlussakkord oder Pu-blikumsmagnet bei besonderen Veranstaltungen.

Die Entwicklung des Feuerwerks lässt sich etwa 1000Jahre zurückverfolgen. Sie ist eng mit der Fertigkeit ver-bunden, Oxidationsmittel wie Nitrate herzustellen [1], dadiese der entscheidende Bestandteil von pyrotechnischenMischungen sind. Ob sich die Entwicklung zunächst in Fern-ost und dann in Europa oder vielleicht auch fast gleichzei-tig an beiden Orten vollzogen hat, lässt sich nicht mehr mitSicherheit sagen, da zunächst diese Entwicklung im Gehei-men stattgefunden hat. Die Nutzung der explosiven Eigen-schaften schwarzpulverartiger Mischungen stand zunächstim Vordergrund. Kanonen, Raketen und Sprengkörper wur-den entwickelt und in steigendem Umfang genutzt, um sichim Gefecht einen psychologischen oder physischen Vorteilzu verschaffen. In den sich allfällig anschließenden Sieges-feiern konnten die Feuerwerker dann auch das eigene Volkund den Herrscher mit ähnlichen Artikeln beindrucken. Sobesaß die Pyrotechnik schon früh ein janusköpfiges Gesichtder militärischen und zivilen Nutzung. Auch der Klerusnutzte diese neue Kunst, um die Gläubigen von der göttli-chen Gesandtheit zu überzeugen indem sie Mysterienspie-le und andere kirchliche Veranstaltungen mit pyrotechni-schen Effekten bereicherte. Das höchste Ansehen genos-sen die Feuerwerker zu Zeiten des Absolutismus mit seinenprotzigen und ausschweifenden Festen. Der Adel versuch-te, sich gegenseitig mit pyrotechnischen Darbietungen zuübertreffen und hielt sich gut bezahlte Hoffeuerwerker, die

daraus sogar einen Lehrberuf machten. Man könnte sogarso weit gehen und die Pyrotechnik als eine der darstellen-den Kunstformen des Barocks bezeichnen. In den dunklenJahren des 3. Reiches erhellten große Feuerwerke die Auf-märsche der Herrschenden und beeindruckten die folgsa-men Massen.

Während im Barock die Feuerwerke noch eher leucht-schwach und selten farbig waren, änderte sich das etwa zuBeginn des 19. Jahrhunderts mit dem Einzug der Chlorateund Perchlorate als Oxidationsmittel und den Erdalkalisal-zen als Farbgeber in den pyrotechnischen Rezepturen. Nachdieser Zeit waren klare Farben möglich. Brillanz brachtenschließlich ab Beginn des 20. Jahrhunderts die Verfügbar-keit von Metallpulvern aus Magnesium, Aluminium und spä-ter Titan.

In den westlichen Staaten fanden auch die Pyrotechni-ker in den Wirtschaftswunderjahren zunächst noch einkomfortables Auskommen. Mit den steigenden Lohnkosten– Pyrotechnik ist sehr arbeitsaufwändig – verlagerte sich dieHerstellung mehr und mehr nach Fernost, wo die pyro-technische Industrie von jeher sehr intensiv betrieben wur-de. So ist es auch zu erklären, dass die Anzahl der Betriebe,die in Deutschland pyrotechnische Gegenstände produzie-ren, inzwischen auf eine Handvoll geschrumpft ist. Im Ge-gensatz dazu importieren wesentlich mehr Betriebe ausFernost. Und inzwischen arbeiten in China so viele Men-schen in der pyrotechnischen Industrie wie bei uns in denwestlichen Ländern in der Automobilindustrie.

Pyrotechnik – eine Wissenschaft für sich…Die Feuerwerkerei ist eine Wissenschaft, die fast vollstän-dig auf Empirie beruht. Praktisch alles Wissen ist durch „tri-al and error“ erworben worden und der Zufall hat bei somancher Erfindung auf diesem Gebiet eine neue Türe auf-gestoßen. Dieser Umstand erklärt auch die z.T. bis heute ver-breitete Geheimniskrämerei in der Branche. Die Rezeptu-ren für einzelne Effekte werden sorgsam gehütet, verbrei-

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Abb. 7 Dragieren von Ster-nen: in einem runden Kessel,wie er auch in der Pharmain-dustrie Verwendung findet,werden auf Kerne pyrotech-nische Mischungen aufdra-giert. Zum Schluss kommtnoch eine Anfeuerung ausSchwarzpulver um die Ster-ne, damit diese sicher zün-den. Bild: F. KellerAbb. 8 Trocknen von dra-gierten Leuchtsternen imFreien. Bild: M. LünigAbb. 9 Mehrfachpresse zumPressen von vielen Leucht -sternen, Feuerwerkspfeifenund Raketenmotoren. Bild: F. Keller

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ten sich aber früher oder später erfahrungsgemäß danndoch. Lediglich auf dem Gebiet der technischen und mili-tärischen Pyrotechnik wurde viel systematisch geforschtund entwickelt – im zivilen Bereich sind oft nicht immerausreichende Ressourcen vorhanden. Nicht selten mangeltes auch einfach an Fachwissen im Bereich Technik und Che-mie, um pyrotechnische Fragestellungen im zivilen Bereichwissenschaftlich anzugehen und zu klären. So gibt es inDeutschland nur eine Handvoll Chemiker, die sich dieserAufgabe hauptberuflich verschrieben haben. Das ist in an-deren Ländern nicht anders; ein Chemiker verdient in derklassischen Chemischen Industrie einfach mehr und mussschon eine Menge Enthusiasmus mitbringen, um in einerBranche zu arbeiten, die reich an sehr komplexen Frage-stellungen im Grenzbereich Chemie, Physik und Technikund ebenso reich an Risiken ist. Es gibt weltweit auch nurwenige Universitäten und Professoren, die sich die Pyro-technik als Tätigkeitsfeld ausgesucht haben; die einzuge-

henden Risiken zur Erzielung von Ergebnissen, die wenigbreite Aufmerksamkeit erzeugen, wirken offenbar nicht sehrverlockend.

Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Anzahl wirk-lich wissenschaftlicher Arbeiten nicht besonders groß ist.Eine Ausnahme bildet vielleicht das Lebenswerk des 2011gestorbenen Japaners Takeo Shimizu [2]. Er hat als einer derersten systematisch und sehr wissenschaftlich an der Er-forschung pyrotechnischer Phänomene in der zivilen Py-rotechnik geforscht und seine Ergebnisse umfangreich pu-bliziert.

GrundlagenSätze

Die Mischungen, die in der Pyrotechnik verwendet werden– man nennt sie Sätze – sind definiert als energiereiche Ein-oder Mehrstoffsysteme, die dazu bestimmt sind, unter Aus-nutzung der in ihnen enthaltenen Energie Licht-, Schall-,

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Oxidationsmittel Brennstoffe Farbgebernicht metallisch metallisch Farb- Binder

intensivierend

Kaliumnitrat Holzkohle Aluminium- Polyvinylchlorid Dextrin StrontiumcarbonatKaliumperchlorat Schwefel Magnesium- (PVC) Stärke Kupfer-II-oxidBariumnitrat Harze (Phenolharze, Legierung Chlorkautschuk Gummi Arabicum StrontiumoxalatStrontiumnitrat Naturharze, wie Accroides-, Aluminium Polyvinylalkohol Natriumaluminium-Kaliumchlorat Schellack, Kolophonium harz) Eisen Polyvinylbutyral fluorid (Kryolith)Ammonium perchlorat Salze aromatischer Titan NatriumoxalatEisen(II,III)-oxid schwarz Carbonsäuren für Pfeifsätze: Magnesium CalciumcarbonatEisen(III)oxid rot Kaliumbenzoat, Silizium Kupfer-I-oxidWismutoxid Kaliumhydrogen phtalat BariumsulfatCalciumsulfat Graphit KupfercarbonatGuanidinnitrat Laktose Strontiumsulfat

Hexamethylentetramin Ultramarin

Je weiter oben in der Tabelle, desto größer die verwendeten Mengen

Abb. 10 Einfüllender Zerlegerla-dung in Seidenpa-piersäckchen.Bild: F. KellerAbb. 11 Konfek-tionieren derBombenverzöge-rungen bzw. -zündern. Bild: F. KellerAbb. 12 Einfüllender Sterne undder Zerlegungs -ladung in Papp-halbschalen fürKugelbomben.Bild: F. Keller

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Rauch-, Nebel-, Heiz-, Druck- oder Bewegungswirkungenzu erzeugen. Diese Sätze sind nach einem einfachen Grund-muster aufgebaut: Oxidationsmittel und Brennstoffe (Re-duktionsmittel) liefern bei Ihrer Reaktion die Energie (Ta-belle 1). Manchmal sind auch beide Eigenschaften in einerSubstanz vereint, wie etwa bei der Nitrocellulose. Zusatz-stoffe geben dann dem Satz weitere Eigenschaften wie Ab-brandfarbe, Abbrandgeschwindigkeit, Rauch, Festigkeit,usw.

Die Stöchiometrie spielt bei der Entwicklung von Sät-zen meist eine untergeordnete Rolle. Allerdings sollten Sät-ze, die unter komplettem Luftabschluss vollständig ab-brennen müssen (z.B. Knallsätze in einer geschlossenenHülse) möglichst allen Sauerstoff für eine vollständige Ver-brennung des Brennstoffes mitbringen. In allen andern Fäl-len kalkuliert man den Luftsauerstoff für die Verbrennungmit ein. Leucht- und Funkensätze mit Metallpulvern (Al,Mg, Fe, Ti) sind meist unterbilanziert; die Metalle verbren-nen auch außerhalb der Flamme mit Luftsauerstoff sicherab und sorgen mit dem Metallüberschuss für eine höherespezifische Lichtausbeute.

Bei der Komposition und Auswahl von Sätzen in der Py-rotechnik ist auf ausreichende chemische Stabilität und Un-empfindlichkeit hinsichtlich Schlag und Reibung zu achten,um eine sichere Verarbeitbarkeit und Lagerstabilität zu ge-währleisten. So sind von Seiten des Sprengstoffgesetzes undder europäischen Normung gewisse besonders empfindli-che Kombinationen verboten, z.B. Chlorate mit Metallen,Schwefel und Sulfiden. Auch eine Kombination von ver-schiedenen Metallen wie Magnesium und Kupfer ist auf-grund der Lokalelementbildung und Korrosion unter star-ker Wärmeentwicklung unbedingt zu vermeiden. In vielenalten Rezeptbüchern und halbseidenen Anleitungen wer-den diese Mischungen aufgeführt und dürften für so man-che unliebsame Überraschung gesorgt haben. Allerdingsgibt es eine in der Feuerwerkerei weit verbreitete und nichtleicht zu ersetzende Satzgruppe, die nur bedingt sicher und

lagerstabil ist: die Aluminium-Nitrat Mischungen für silber-ne Leuchtsätze. Tritt zu der Mischung Wasser und ist dasAluminium nicht ausreichend korrosionsgeschützt (durchEinsatz von Fettsäuren oder Puffersystemen) so können dieNitrate mit dem Aluminium zu Aluminiumoxiden und Am-moniak reagieren. Im besten Fall ist dann der Satz verdor-ben und verliert seine Wirkung. Unter ungünstigen Um-ständen jedoch können sich die Sätze durch die große Re-aktionswärme so weit erhitzen, dass eine Selbstentzündungstattfindet. Somit müssen diese Sätze sorgsam von Feuch-

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Abb. 13 Überkle-ben der gefülltenPapphalbschalenmit mehreren Pa-pierstreifen, „Pas-ting“ genannt – eswird viel Kleisterverwendet. Die Zün-der sind zur Sicher-heit abgeklebt. Bild: F. KellerAbb. 14 Trocknender fertigen Feuer-werksbomben. Bild: F. KellerAbb. 15 Italieni-sche Zylinderbombenach dem Schnüren.Bild: T. Perthen

WA S I S T D E R U N T E R S C H I E D Z W I S C H E N E X PLOS I O N , V E R P U F F U N GU N D D E TO N AT I O N ?

Diese Begrifflichkeiten werden oft willkürlich verwendet, obwohl es klare Definitionengibt. Eine Explosion ist prinzipiell eine schnelle Entwicklung großer Gasmengen. Es gibtphysikalische Explosionen (z.B. eine Kesselexplosion) und chemische Explosionen, etwadie von Sprengstoffen. Erfolgt bei chemischen Explosionen die Umsetzung langsamerals die Schallgeschwindigkeit im Explosivstoff, strömen die Reaktionsgase von der Ab-brandfront weg und die maximalen Drücke liegen unter etwa 1MPa, man spricht dannvon einer Deflagration. Schwarzpulver ist ein solcher deflagrierender Explosivstoff. Er-folgt die Deflagration ohne großen Druckaufbau, spricht man von einer Verpuffung.

Bei einem detonierenden Sprengstoff ist die Umsetzungsgeschwindigkeit größer alsdie Geschwindigkeit des Schalls im Sprengstoff. Charakteristisch ist, dass von der Reak-tionsfront eine Druckwelle durch den Sprengstoff läuft und diesen initiiert und die Re-aktionsgase auch gegen die Reaktionsrichtung strömen. Die maximalen Geschwindig-keiten liegen bei mehr als 10 km/s. Da die Umsetzung schneller durch den Sprengstoffläuft als der von ihr ausgelöste mechanische Impuls, ist keine Verdämmung desSprengstoffes, etwa durch eine Hülse, erforderlich. Bei Gas-Luft-Gemischen sind nurdie Acetylen-Luft-Gemische detonationsfähig; alle anderen deflagrieren oder verpuf-fen. Durch die Druckwelle und die Überschallgeschwindigkeit der Gase bei der Umset-zung bewirken detonierende Sprengstoffe eine Zertrümmerung der näheren Umge-bung. Ein deflagrierender Stoff in einem Löffel über einer Flamme gibt eine kleineStichflamme und vielleicht etwas Asche, ein schnell detonierender Stoff stanzt ein Lochin den Löffel. In der Pyrotechnik werden praktisch nur verpuffende Systeme verwendet.Lediglich die Umsatzgeschwindigkeit des Satzes Kaliumperchlorat/Aluminium liegt imÜbergangsbereich.

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tigkeit ferngehalten und das Aluminium in den Sätzen gutstabilisiert werden.

Schwarzpulver Schwarzpulver war und ist der wichtigste pyrotechnischeSatz. Es hat viele Versuche gegeben, dieses nicht einfach,d.h. in guter, reproduzierbarer Qualität herstellbare Produktzu ersetzen. Keine dieser Ersatzstoffe hat sich je auf breiterFront durchsetzen können. Die Gründe sind vielseitig:Schwarzpulver ist relativ unempfindlich gegen Reibung,Schlag und statische Elektrizität und dabei trotzdem sehrleicht durch einen Funken zu entzünden. Es brennt rechtberechenbar ab und hat im Gegensatz zu anderen Sätzen ei-nen relativ sanften Anstieg der Abbrandgeschwindigkeit mitsteigendem Druck, so dass sich auch Raketenmotoren mitihm herstellen lassen. Es lässt sich recht gut pressen, mitBinder feucht verarbeiten, als Anzündsatz auf Sterne auf-dragieren.

Die Abbrandchemie des Schwarzpulvers ist sehr kom-plex und bis heute nicht vollständig entschlüsselt, da in denAbbrandprodukten auch kurz nach der Umsetzung weitereFolgereaktionen stattfinden. Bei der Umsetzung vonSchwarzpulver entstehen weniger als 50 % gasförmige Ver-brennungsprodukte. Doch es kann sehr schnell abrennen(300–600m/s) und damit zum Ausstoß von Projektilen oderzur Zerlegung von Feuerwerkskörpern oder Knallkörperndienen. Es kann nicht detonieren; daher fehlt ihm die zer-

trümmernde Wirkung brisanter Sprengstoffe (Infokasten 1).Und dabei ist es relativ preisgünstig, denn es besteht aus 75 % Kaliumnitrat, 10 % Schwefel und 15 % Holzkohle.Diese Zusammensetzung ist schon seit vielen Jahrhunder-ten annähernd konstant und stellt in Etwa das Optimumfür einen schnellen Abbrand und eine gute Gasausbeutedar. Das früher wegen des geringeren Preises häufig ver-wendete Natriumnitrat findet auf Grund der Hygroskopi-zität in der Pyrotechnik praktisch keine Verwendung mehr.Durch Variation des Holzkohleanteils im Schwarzpulverund des Ursprungs der Holzkohle, d.h. auch der Holzsor-te, erschließen sich weitere Verwendungen des Schwarz-pulvers: bei einem Gehalt von ca. 45–50 % Kaliumnitrat er-hält man langsam, mit schönem Goldschweif abbrennen-de Schwarzpulversorten, bei einem Gehalt von 65–70 %und höherem Schwefelanteil werden Verzögerungssätzefür Anzündschnüre erhalten. Früher hatte jeder größereOrt in Europa eine Herstellungsstätte für Schwarzpulver.Heute ist das eine extrem spezialisierte Branche und inDeutschland gibt es inzwischen nur noch eine größereHerstellungsstätte, die WANO Schwarzpulver GmbH in Lie-benburg.

Leuchtsätze Woher die Abbrandfarbe der pyrotechnischen Sätze her-rührt, ist seit Kirchhoff und Bunsen kein Geheimnis mehr.Metalle und deren Kationen nehmen thermische Energie

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Abb. 16 Italieni-sche Zylinder-bomben vor und nach demSchnüren. Bild: T. PerthenAbb. 17 Einfüllenvon Leuchtster-nen in Feuer-werksbatterien.Bild: M. Lünig

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Farbeindruck Emittierendes Kation Emittierende Spezies Verwendete Verbindungen

Rot Strontium SrCl, SrOH SrCO3, SrC2O4, Sr(NO3)2

Orangerot Calcium CaCl CaCO3

Gelb Natrium Na° Na3[AlF6], NaNO3, Na2C2O4

Grün Barium BaCl, BaOH, BaO Ba(NO3)2

Blau Kupfer CuCl CuO, CuCO3 Cu(OH)2

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auf und promovieren damit Ihre Elektronen in höhere Ener-gieniveaus. Diese geben dann ihrerseits bei der Rückkehrauf niedrige Energieniveaus Energie in Form von Licht-quanten ab, die spezifisch für die Energieniveaudifferenzender Elektronen sind. Vor allem die Erdalkalien werden alsNitrate (mit Zusatzfunktion Oxidationsmittel), Carbonateund Oxalate eingesetzt, um rote (Strontium), grüne (Bari-um) und gelegentlich auch orangerote (Calcium) Flammenzu erzeugen (Tabelle 2).

Wichtig ist, dass die verwendeten Verbindungen nichthygroskopisch sind und auch mit anderen Satzbestandtei-len über eine doppelte Umsetzung keine solchen Verbin-dungen entstehen können. Das ist bei den Alkalien schonschwieriger. Denn diese bilden nur wenige nicht hygro-skopische Verbindungen. So ist Natriumnitrat nur schwerin Sätzen zu verwenden, da diese schnell feucht werden. Na-

triumnitrat bildet sich auch, wenn in dem Satz lösliche Na-triumsalze und Nitrate enthalten sind. So werden nur sehrschwerlösliche Natriumverbindungen eingesetzt, wie etwaNatriumaluminiumfluorid (Kryolith), Natriumoxalat oderUltramarinblau (ein schwefelhaltiges Natriumaluminiumsi-likatpigment). Zum Glück benötigt man nur sehr wenig Na-trium, um eine intensiv gelborange Flamme zu erzeugen.Für blaue Flammen ist nur Kupfer wirklich einsetzbar, alleanderen Metalle scheiden aus Preisgründen aus (Indium,Cäsium). Lithium wäre für purpurrote Flammen interessant;doch sind seine Salze extrem hygroskopisch und die Er-zeugung einer überzeugenden Färbung mit Lithium ist inpyrotechnischen Systemen recht schwierig. Kalium erzeugtnur ein blasses Violett und wird sehr selten zur Farberzeu-gung verwendet, kommt aber als Nitrat, Perchlorat oderChlorat sehr häufig in den pyrotechnischen Sätzen als Oxi-

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Angaben in Prozent. Heute werden im zivilen Bereich fast ausschließlich Aluminium-Magnesium-Legierungen als metallischerBrennstoff eingesetzt, da die Korrosionsneigung verglichen mit Magnesium oder Aluminium deutlich geringer ist.

viole� pink blau rot grün lemon gelb türkis orange weißKaliumperchlorat 35 40 60 42 12 23 45 40 42 10Bariummitrat 50 30 14 42Strontiumnitrat 11Strontiumcarbonat 02221101Kupfer(II)oxid 61517191Kryolith 10Natriumoxalat 12 2Aluminium-Magnesium-Legierung (50/50) 10 12 3 22 21 20 25 10 22 23Phenolformaldehydharz 014365Schwefel 85Polyvinylchlorid 12 10 16 8 10 9 8 7 8 8Accaroidesharz (Binder mit Ethanol) 66566Schellack (Binder mit Ethanol) 444Dextrin (Binder mit Wasser) 4

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Abb. 18 Typischer Großfeuerwerks-aufbau (hier Festival von Monaco):die Feuerwerksbatterien sind in blaueKunststoffbeutel eingepackt und dieFeuerwerksbomben sind in den oran-gen Rohren aus GlasfaserverstärktemKunststoff verladen. Gezündet wirdelektrisch aus sicherer Entfernungund mit einem Zündcomputer oderZündmaschine. Bild: F. KellerAbb. 19 Beispiel einer oszillierendenpyrotech nischen Reaktion: auf ihrerFlugbahn blitzen die Sterne auf, bren-nen in einer Art Dunkelreaktion wei-ter um dann wieder aufzublitzen. Soentsteht ein Flimmern und Blinken.Man nennt diese Sterne deshalb auchBlinksterne. Bild: F. Keller

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dationsmittel vor, da die Verbindungen preiswert, recht sta-bil und nicht hygroskopisch sind.

Damit hat man die „Grundfarben“. Was man nicht un-bedingt in einem Kurs über Spektroskopie lernt, ist die Mög-lichkeit, diese Grundfarben additiv miteinander zu „mi-schen“. Und das macht man auch in der Pyrotechnik sehrhäufig. So lassen sich weitere Farben des Regenbogens er-zeugen (s. auch Tabelle 3):

Gelb (Na) + Rot (Sr) = OrangeGelb (Na) + Grün (Ba) = Zitronengelb/LemonRot (Sr) + Blau (Cu) = Purpur, Violett oder Lila (je nachVerhältnis)Grün (Ba) + Rot (Sr) = ReinweißGrün (Ba) + Blau (Cu) = Türkis

Die oben genannten Farben lassen sich nur erzielen, wennman eine bestimmte Metallspezies in der Flamme erzeugt,die die gewünschten Emissionen ermöglicht. Je nach Tem-peratur und Zusammensetzung der Flamme bekommt manunterschiedliche Farben. So z.B. erzeugen nur die SrCl-,SrOH-, BaCl-, BaOH-, BaO- und CuCl-Spezies die gewünsch-ten Flammenfarben. Besonders delikat ist das CuCl. Wäh-rend die anderen Spezies zur Erzielung roter bzw. grünerFlammen SrCl, SrOH bzw. BaCl, BaOH, BaO auch noch bei

höheren Temperaturen existieren und man über eine Frei-setzung von Chlorwasserstoff in der Flamme und Erhöhungder Abbrandtemperatur die Farbemission der Monochlorideauf die Spitze treiben kann, ist CuCl als schön blau leuch-tende Verbindung leider nur in einem schmalen Tempera-turband aktiv. Ist die Temperatur zu niedrig, erhält man zwarein tieferes Blau aber wenig Leuchtstärke. Bei Erhöhung derTemperatur ist die Flamme zwar leuchtstärker, doch kom-men zunehmend die grünen Cu-Spektrallinien zum Tragen.Diese erzeugen als Gesamteindruck dann ein eher blassesGrün. Die Bildung der leuchtenden Monochloride kanndurch die Freisetzung von Chlorwasserstoff in der Flammeverstärkt werden. Das geschieht meist durch die Beimi-schung von Polyvinylchlorid oder Chlorkautschuk. Diese die-nen dann als Brennstoffe, Chlorspender und Bindemittel inEinem. Beim Natrium hat man es einfacher: auch kleinsteMengen erzeugen eine schöne intensive Emission nur einerWellenlänge (Na-D-Linie). Hier ist es allerdings das elemen-tare Natrium, das für diese Emission verantwortlich ist.

Eine weitere Möglichkeit, Strahlung zu erzeugen, ist derEinsatz „Schwarzer Strahler“. Das sind in pyrotechnischenSätzen in der Regel Abbrandprodukte der Sätze, die sehr ho-he Temperaturen und damit Emissionen als Schwarze Strah-ler aufweisen oder Partikel aus Metallen oder Kohlenstoff,die außerhalb der Flamme glühend und damit leuchtendoxidieren. Die Frequenz des emittierten Lichtes steigt mitder Temperatur an (Planck). So sind goldfarbene Funken(Kohlenstoff, Eisen) relativ kalt (<1000°C, s. auch Abbil-dung 32), weiße und silberne Funken (Aluminium, Titan)brennen mit bis zu 3000°C ab (s. auch Abbildung 24). Die-se Strahlung der „Schwarzen Strahler“ tritt bei steigenderTemperatur in Konkurrenz mit dem optischen Gesamtein-druck „spektral“-gefärbter Flammen. Der Grund ist der An-stieg der ausgestrahlten Energie mit der vierten Potenz derTemperatur nach Bolzmann (E ≈ T4). So überstrahlt das Ver-brennungsprodukt Magnesiumoxid bei sehr hohen Ab-brandtemperaturen teilweise die durch Barium und Stron-

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Abb. A F-15Ebeim Ausstoß von Flares überAfghanistanBild: SSgt. AaronAllmon, U.S. AirForce

Abb. 20 Japanische Kugelbombedes Typs Warimono: Peony with 2 Petals, Pfingstrose mit 2 LagenBlütenblättern (innere Blütenblät-ter kleinere Leuchtkugeln, die äuße-ren größer, dazwischen in weißesSeidenpapier eingeklebt die Zerle-gungsladung). Bild: M. LünigAbb. 21 Japanische Kugelbombedes Typs Warimono Durchmesser300 mm: Peony with 2 Petals,Pfingstrose mit 2 Lagen Blütenblät-tern (innere Blütenblätter grün dieäußeren rot, beide mit einem Farb-wechsel auf Silber am Ende). Bild: M. Gurka

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tium induzierten Farben, so dass diese in der Flamme ver-blassen und nur noch im abgekühlten Flammensaum er-kennbar sind.

In der militärischen Pyrotechnik werden Nitrat/Magne-siumsätze für Leuchtsignale und Vorfeldbeleuchtungen verwendet. Eine exotischere Anwendung sind die Täusch-körper oder „Flares“: sie dienen zur Ablenkung infrarotge-steuerter Flugabwehrraketen. Die Emissionen der Leucht-körper liegen bei diesen Flares weniger im sichtbaren alsvielmehr im infraroten Bereich, um möglichst genau die IR-Abstrahlung der heißen Flugzeugtriebwerke zu imitieren.Verwendet werden dazu z.B. Mischungen aus Magnesiumund Fluorkunststoffen (Polytetrafluorethen PTFE). Dabeiwird das Magnesium oxidiert und der Kunststoff in Koh-

lenstoff und Fluorid gespalten. Der aus dem Kunststoff frei-gesetzte Ruß wird durch die freiwerdende Bildungsenergiedes Magnesiumfluorids erhitzt und emittiert dabei Strah-lung im IR-Bereich und lenkt den Suchkopf der anfliegen-den Rakete vom heißen Triebwerk ab (Abbildung A).

Korngrößeneffekte Oft wesentlich wichtiger als die Stöchiometrie der Satzzu-sammensetzungen sind die Partikelgrößenverteilungen derBestandteile. Viele der Abbrandreaktionen spielen sich anden Grenzflächen der Komponenten ab; d.h. je feiner dieKomponenten sind, umso schneller läuft die Reaktion ab.Ein schönes Beispiel ist die Mischung aus Kaliumperchlo-rat und Aluminium: sind die Partikel relativ grob (Verwen-dung von Aluminiumgrieß ca. mit 1mm), so brennt die Masse recht langsam ab (wenige mm/s) und wird für Sil-berwasserfälle verwendet; werden die Partikel feiner(40–200 µm), so lassen sich weiße oder silberne Leucht-sätze herstellen, die schon etwas schneller sind (cm/s). Wer-den die Komponenten noch feiner (<<40 µm), so verpufftdie Mischung offen blitzartig (m/s) und bei leichtester Ver-dämmung (Einschluss einer dünnen Papierhülse) kommt

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TA B . 4 B L I N K SAT Z W E I ß

65% Bariumnitrat

20% Magnesium-Aluminium-Legierung (50/50)

7% Cellulosenitrat

5% Ammoniumperchlorat

3% Natriumoxalat

TA B . 5 B L I N K SAT Z G R Ü N

57,1% Ammoniumperchlorat

23,8% Magnesium-Aluminium-Legierung (50/50)

14,3% Bariumsulfat

4,8% Kaliumdichromat

Mit verschiedenen Übergangsmetallkatalysatoren (z.B. Kupferchromit) lässt sich die Blinkfrequenz steuern.

In der Dunkelreaktion schwelt das Ammoiumperchlorat miteinem Teil der Magnesium-Aluminium-Legierung. Das Dichro-mat dient primär als Korrosionsschutz und auch als Abbrand-moderator. In der Hellreaktion reagiert das reaktionsträgeSulfat mit dem verbliebenen Metall in einer Blitzreaktion [4].

A B B . 1 A B B R A N D M EC H A N I S M U S B L I N K SAT Z

Abb. 22 Japanische Ku-gelbombe des Typs Wari-mono Durchmesser 600mm: 600mm Chrysanthe-mum gold with shell ofshells (Goldchrysanthememit kleinen roten undgrünen Blüten) Bild: M. LünigAbb. 23 Japanische Ku-gelbombe des Typs Wari-mono: Goldbrokatchry-santheme mit violettenSpitzen. Bild: F. KellerAbb. 24 Japanische Kugelbombe des TypsWarimono: Silberchry-santheme. Bild: F. Keller

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man einer Detonation sehr nahe (km/s, s. Abbildung 34).Und das alles nur durch Veränderung der Partikelgröße. DasMischungsverhältnis ist zwar auch nicht unwichtig – dieVeränderung des Mischungsverhältnisses um 10–20 % hataber nicht den gleichen Effekt. Daher werden in größerenpyrotechnischen Firmen die Korngrößenverteilungen derSatzbestandteile mittels Siebanalyse oder Laserbeugungs-messgeräten als Teil der Materialeingangskontrolle bestimmt.

Oszillierende Sätze Eine Sonderform der pyrotechnischen Sätze sind die oszil-lierenden Sätze. Hierbei gibt es wie bei den klassischen oszillierenden Reaktionen in der Chemie Reaktionen, dieperiodische Effekte aufweisen. Beispiele sind Blink- undFlimmersternsätze, die periodisch Lichtblitze aussenden(Abbildung 1, s. auch Abbildung 19) oder Pfeifsätze (Ab-bildung 2), die so schnelle Einzelexplosionen verursachen,dass der entstehende Ton als schriller Pfeifton wahrge-nommen wird.

Krone [3] fand in den 1970er Jahren Sätze (Tabellen 4und 5), die in 2 unterschiedlich schnellen Reaktionen ab-laufen: eine langsame und dunkle „Schwelreaktion“ und ei-ne schnelle blitzartige helle Reaktion. In der Schwelreakti-

on reagiert der Magnesiumanteil aus einer Magnesium-Alu-minium-Legierung langsam mit einem Oxidationsmittel. Da-bei entsteht hochfein verteiltes Aluminium in Form einernoch reaktionsfähigen „Halbschlacke“, welches dann beiErreichen einer Zündtemperatur mit weiterem Oxidations-mittel in einem Blitz verpufft.

Davon ungestört läuft die Dunkelreaktion weiter in dieSatzmasse herein und baut neue Schlacke auf, bis es wie-der blitzt. Und so fort.

Weitere oszillierende Sätze sind die Pfeifsätze (Abbil-dung 2 und Tabelle 6). Diese oszillieren nicht im offenenAbbrand; nur in eine Hülse gepresst mit ausreichend leererHülse findet diese noch nicht im Detail entschlüsselte Re-aktion in oszillierender Weise statt. Man nimmt an, dass derSatz mit einer schnellen Folge (3000–4000 Hz) von Einzel-explosionen abbrennt. Nach einer Explosion strömen dieAbbrandgase mit hoher Geschwindigkeit aus der Hülse undhinter den Gasen bildet sich in der Hülse ein kurzfristigerUnterdruck. Der lässt wieder Luft in die Hülse einströmenund löst die nächste Explosion aus. Dieses Reaktionsmo-dell erklärt auch, warum die Frequenz der Reaktion mit derVeränderung der (leeren) Hülsenlänge und des Umge-bungsdrucks beeinflussbar ist. Das geht so weit, dass manregelrechte Tonleitern erzeugen kann. Diese Reaktionenzeigen im Übrigen nur Salze aromatischer Carbonsäurenmit Chloraten oder Perchloraten.

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TA B . 6 P F E I F S Ä T Z E , A N G A B E N I N PRO Z E N T

P1 P2 P3

Kaliumperchlorat 66 70 67

Kaliumbenzoat 30 28

Natriumbenzoat 34

Titanpulver 5

P3 hat zusätzlich einen Silberschweif aus Titanfunken

A B B . 2 A B B R A N D E I N E S P F E I F SAT Z E S I N E I N E R H Ü L S E

Abb. 25 Japanische Kugelbombe des TypsWarimono: Peony with 2 Petals and Pistil,Pfingstrose mit 2 Lagen Blütenblättern (innere Blütenblätter goldgelb, die äußerenviolett, beide mit einem Farbwechsel auf Silber am Ende und Blütengriffeln in roterFarbe). Bild: M. GurkaAbb. 26 Japanische Kugelbombe des TypsWarimono: Peony with Petals and 2 Pistil,Pfingstrose mit blauen Blütenblättern (inne-re Blütenblätter goldgelb, die äußeren vio-lett, beide mit einem Farbwechsel auf Silberam Ende und Blütengriffeln in roter Farbe).Bild: M. GurkaAbb. 27 s. S. 262.

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F E U E R W E R K A N O RG A N I S C H E C H E M I E

Vom Satz zum Feuerwerkskörper In den wenigsten Feuerwerkskörpern können die pyro-technischen Sätze direkt, d.h. als Pulver und lose verwen-det werden. Selbst im einfachsten Fall wie dem Streichholzoder der Wunderkerze, bei denen der Satz auf einen Träger(Holzstäbchen oder Stahldraht) mittels Tauchen aufgezogenwird, muss der lose Satz verdichtet und in eine feste Formüberführt werden. In praktisch allen Feuerwerksartikeln istder verdichtete pyrotechnische Satz ein untrennbarer, in-tegraler Bestandteil des Gesamtgegenstandes.

Auch die Feuerwerkssterne, die in die Feuerwerkskör-per als Effektladung verladen werden, müssen vom Pulverin kleine Kugeln oder Zylinder umgeformt werden (Abbil-dung 3). Dazu werden die Sätze entweder lose oder in klei-ne Hülsen gepresst oder kunstvoll dragiert. Beim Dragie-ren werden in einer runden Trommel ähnlich der Herstel-lung von Pillen kleine Senf- oder Rapskörner befeuchtetund dann im Wechsel mit Leuchtsatz und Bindemittellö-sung zu einer Kugel aus Satz granuliert. Dabei können auchverschiedene Sätze nacheinander aufdragiert werden. Da-mit erhält man Sterne, die dann in umgekehrter Reihen-folge mit einem Farbwechsel abbrennen. Auch dunkel bren-nende Sätze werden verwendet, um die Sterne erst in ei-niger Entfernung zum Zerlegungspunkt aufleuchten zulassen. Zum Schluss wird immer ein besonderer Anzünd-satz aufgebracht, der die Sterne nach der Zerlegung sicherzündet. Wenn das nicht perfekt gemacht wird, hat man dieunbeliebten „schwarzen Sterne“, bei denen der Haupt-leuchtsatz nicht zündet und damit der Himmel dunkelbleibt.

Auch Leuchtsätze werden in Hülsen aus Pappe oder Alu-minium gepresst; besonders wenn die hergestelltenLeuchtsterne mit hoher Geschwindigkeit verschossen wer-den und mit sehr hoher Lichtleistung abbrennen sollen.Auch hier ist eine zuverlässige Anfeuerung der Leuchtsätzenotwendig, die durch das Pressen weniger anzündwilligwerden. Das Verfahren wird vor allem für Signal- undLeuchtmunition verwendet.

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A B B . 3 S C H E M AT I S C H E R AU F BAU VO N L E U C H T -

S T E R N E N

links ein dragierter, kugelförmiger rechts ein gepresster zy-lindrischer Leuchtstern mit Farbwechsel von grün auf lila. Beider Verbrennung der Zerleger- oder Ausstoßladung wird zu-nächst das sehr anzündwillige, oberflächlich aufgebrachteSchwarzpulver entzündet. Dieses gibt das Feuer weiter an dieAnfeuerung, meist ein langsamer – aber heißer brennenderSatz. Dieser zündet den eigentlichen ersten, grünen Leucht-satz an. Wenn der grüne Leuchtsatz aufgebraucht ist, entzün-det dieser den Zwischensatz und schließlich den violettenLeuchtsatz. Der Zwischensatz ist nicht immer vorhanden, ertrennt die beiden Leuchtsätze voneinander. Auf diese Weiseist der Farbwechsel deutlicher. Bei kugelförmigen Sternennimmt die Leuchtkraft während des Verbrennens stark ab, dadie Abbrandoberfläche mit dem Quadrat des Durchmessersdes kleiner wird, bei dem zylindrischen Stern bleibt dieLeuchtleistung gleich. Daher werden die zylinderförmigen für Signalmunition oder Einzelsterne verwendet.

Abb. 28 3 römi-sche Lichter -fächer mit Weiß-flimmersternenund einer Gold-trauerweide imHintergrund. Bild: M. LünigAbb. 29 2 römi-sche Lichter -fächer rot undsenkrechten vio-lett römischenLichtern. Bild: M. Lünig

Abb. 4 Aufbau einer Feuerwerksrakete. Nach Abziehen derSchutzkappe und Entzünden der Anzündung wird nach einerVerzögerungszeit die Treibladung entzündet. Dabei werdenschnell große Mengen Gase frei, die mit hoher Geschwindig-keit nach unten abströmen und damit nach dem Rückstoß-prinzip die Rakete nach oben treiben. Wenn der Treibsatzdurchgebrannt ist, entzündet sich die Ausstoßladung. Diesestößt die Sterne aus und zündet sie gleichzeitig an.

Page 11: Feuerwerk : Von der Chemie zur Show

Sätze können aber auch in Hülsen verdichtet werden:so enthalten Raketen fast ausschließlich Schwarzpulvermi-schungen. Diese erzeugen dann beim Abbrand große Men-gen Gase, die durch die Düse mit hoher Geschwindigkeitabströmen und so die Rakete durch den Rückstoß in die Hö-he treiben (Abbildung 4). In Fontänen, Vulkanen und Son-nen werden Sätze eingepresst, bei denen noch funkenbil-dende Stoffe und kleine Leuchtsterne enthalten sind. Dieentzündeten Funken werden durch die Abbrandgase aus-geworfen und entwickeln damit einen silbernen (Titan)oder goldenen (Kohle) Schweif. Kohlenstoffhaltiges Eisen(Gusseisen, Stahl) wird verwendet, wenn die Funken zukleinen Sternen zerplatzen sollen. Auch kleine Leucht- oderKnistersterne werden den Sätzen zugegeben. Meist sind dieHülsen aus Pappe und werden in Mehrfachwerkzeugen ge-presst (Abbildung 16).

Für Anzündzwecke wird ein Brei aus Schwarzpulver inWasser mit Bindemitteln auf Baumwollfäden aufgezogenund anschließend getrocknet. Das ergibt langsam abbren-nende Stoppinen. Schließt man diese in eine dünne Papp-hülse ein, so erhält man eine fast schlagartig abbrennende„gedeckte“ Stoppine, die das gleichzeitige Anzünden vonmehreren verbundenen Feuerwerkskörpern möglich macht.

Die Feuerwerkskörper Oft hört man von Zuschauern eines Großfeuerwerks, dassRaketen geschossen wurden. Das kann in seltenen Fällen

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TA B . 7 T Y PI S C H E G R Ö ß E N J A PA N I S C H E R U N D C H I N E S I S C H E R KU G E L B O M B E N ( U N G E F Ä H R E W E R T E )

Kaliberbezeichnung [Inch] 4’’ 5’’ 6’’ 8’’ 12’’ 24’’

Durchmesser [mm] 93 115 140 190 285 575

Steighöhe [m] 100–125 150–175 175–200 250 300 500

Durchmesser Effekt [m] 75 125 150 225 300 500

Gewicht Kugelbombe[kg] 0,25 0,5 1,25 3,0 8,0 60

Gewicht pyrotechnische Sätze [kg] 0,15 0,4 0,7 1,6 5 30

A B B . 5 AU F BAU E I N E R KU G E L B O M B E

Die Verzögerung wird durch die Ausstoßlandung angezündet,brennt beim Flug in die Bombe und zündet den Zerlegersatz.Dieser explodiert, zündet die Sterne und treibt diese kugel-förmig am Himmel auseinander. Die Papphülle ist für die Sta-bilität und Verdämmung zuständig.

Abb. 30 Zylin-derbombe mittiefziehendenGoldsternen. Die Funken sindkleine glühendeHolzkohleparti-kel. Bild: F. KellerAbb. 31 Kugel-bombe, PatternShell Chrysan -theme Ring. Bild: F. Keller

Page 12: Feuerwerk : Von der Chemie zur Show

F E U E R W E R K A N O RG A N I S C H E C H E M I E

tatsächlich so sein – meist sind es aber Feuerwerksbomben.Raketen sind im Großfeuerwerk recht teuer und gefährlich.Sie benötigen große Schutzabstände, da sie während desFluges durch den Raketenmotor weiter angetrieben wer-den und daher lange Holzstäbe als Stabilisierung beim Flie-gen benötigen, die dann wieder herunterfallen. Im Klein-feuerwerk ist das kein Problem, da die Satzmasse auf 20 gbegrenzt ist und die Stäbe sehr leicht sind. Aus diesemGrund werden Bomben im Großfeuerwerk bevorzugt. Sie

können wie eine Kanonenkugel aus Papp-, Kunststoff- oderStahlrohren verschossen werden und gehorchen den Re-geln der Ballistik. Da man sie auch relativ einfach groß undschwer machen kann, haben sie zudem ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.

Feuerwerksbomben sind ein gutes Beispiel, um den Auf-bau von Feuerwerkskörpern exemplarisch zu erklären. Siewerden in Kugel- und Zylinderbomben unterteilt. Kugel-bomben (Abbildung 5) sind so aufgebaut, dass Sterne inzwei Papphalbschalen entlang der Innenwand angeordnetwerden und dann zwischen die Sterne in einem kleinen Pa-piersack eine Zerlegungsladung eingebracht wird (Abbil-dungen 7–9). Diese Art Kugelbomben japanischer Bauartwerden als „Warimono“ bezeichnet. Die Sternlagen könnenauch in mehreren konzentrischen Kugellagen angeordnetsein (s. Abbildung 20). Mittels eines eingeklebten Verzöge-rungsröhrchens, im einfachsten Fall eine Sicherheitszünd-schnur, wird die Zündung der Bombe im Kulminations-punkt der Flugbahn eingeleitet (Tabelle 7). Die Papphalb-schalen werden mit Papierbändern zusammengeklebt undso verstärkt, dass die Umsetzung der Zerlegungsladung ge-nug Druck aufbauen kann, bevor die Hülle zerreißt. (Ab-bildungen 10, 11). Unter der Bombe wird dann noch eineAusstoßladung aus Schwarzpulver angebracht, die mittelsgedeckter Stoppine oder elektrischem Anzünder gezündetwird. Meist wird die Verzögerung der Bombe in die Aus-stoßladung eingebettet, damit die Zündung der Verzöge-rung bei Abschuss sichergestellt ist (Abbildung 8). Die Ku-gelbomben kommen fast ausschließlich aus Fernost, da dieHerstellungsweise sehr viel aufwändige Handarbeit erfor-dert und somit die Lohnkosten entscheidend sind.

Besonders die Japaner haben die Herstellungsweise derKugelbomben des Typs „Warimono“ zur Kunstform erhoben;oft verwenden die japanischen Feuerwerksmeister Monateauf die Herstellung einzelner besonders großer und perfektabgestimmter Bomben. Diese werden dann auch meist ein-zeln geschossen und bewundert (Abbildungen 20–26).

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Abb. 6 Aufbaueiner Zylinder-bombe mit 3 Ster-nenbuketts undeinem Abschluss-knall. Die Zylin-derbombe wirdoben an der Stop-pine entzündet,die zündet danndie Verzögerungund die Treibla-dung. Diese stößtdie Zylinderbom-be aus dem Mör-ser aus. Im Auf-stieg explodiertein Teil der Zylin-derbombe nachder anderen im-mer im Abstandder Verzöge-rungsbrenndau-er. Zum Schlussexplodiert derBlitzknallsatzund erzeugt soden Abschluss-knall.

Abb. 32 Kugel-bombe, PatternShell: Schmetter-ling. Bild: F. KellerAbb. 33 Kugel-bombe, PatternShells: Malteser-kreuz. Bild: M. Lünig

Page 13: Feuerwerk : Von der Chemie zur Show

In neuerer Zeit erfreuen sich „Pattern-Shells“ (von Pat-tern = Form und Shell = Bombe) wachsender Beliebtheit.Hier werden über eine aufwändige Anordnung der Sterne in-nerhalb der Kugelbombe beim Zerlegen Figuren an den Him-mel „gemalt“. Ringe, Saturn, Smiley, Herzen, Schmetterlingeund Sterne werden so möglich (Abbildungen 31–33).

Die andere Art der Bomben sind die Zylinderbomben (Ab-bildung 6). Diese werden vor allem in Italien, Malta und Spa-nien hergestellt. Hier werden dünne Papphülsen mit Sternenund Zerlegungssatz gefüllt, mit einer gepressten Verzögerungversehen und dann mit weiterem Papier und viel Schnur um-wickelt (Abbildung 12, 13). Gerne werden auch kleine Feu-erwerkskörper wie Wirbel, Knallkörper oder Schwärmer miteingebaut (Abbildung S. 248 und 34).

Oft werden mehrere Zylinderbomben übereinander an-geordnet und beim Abbrand entzündet die erste explodie-rende die nächste und diese wieder die nächste. Man nenntdiese Zylinderbomben Mehrschlagbomben. Sie erscheinenoft als eigenes, kleines Feuerwerk. Es erfordert eine großeKunstfertigkeit, diese Mehrschlagbomben – wegen ihrerForm und Herkunft auch als „Salamis“ bezeichnet – so auf-zubauen, dass die einzelnen Explosionen im Aufstieg be-ginnen und vor der Landung am Boden beendet sind. Meistschießt ein Abschlussknall oder Bukett die Folge der Effek-te ab. Die Bomben haben z.T. beindruckende Maße von200 mm Durchmesser und mehr als 1 Meter Länge. Auchsie sind nicht selten Einzelanfertigungen.

Die kleine Form der Bomben sind die Bombetten; siesind meinst kleine Zylinderbomben, die bereits fertig ver-laden in Einwegabschussrohren mit einer Ausstoßladungstecken (Abbildung 17). Einzeln würden sie keinen großenEindruck machen, doch die Abschussrohre werden mittelseiner Verbindungsleitung so miteinander kombiniert – manspricht dann von einer Feuerwerksbatterie –, dass die Ef-fekte in schneller Folge die Rohre verlassen und in den Him-mel steigen. Diese Batterien haben in den letzten Jahren vorallem beim Silvesterfeuerwerk einen wahren Siegeszug an-

getreten. Man zündet einmal an und hat ein automatischesablaufendes Feuerwerk. Durch die Erhöhung der Satzmen-gen je Batterie durch die neue Pyrotechnikrichtlinie kannman heute so fast professionell anmutende Feuerwerke zuSilvester bekommen. Diese Batterien machen heute einensteigenden Anteil im Bereich Klein- und Großfeuerwerk aus.

Herstellung Es gibt heute nur noch recht wenige Firmen, die in EuropaFeuerwerk produzieren. In Deutschland lassen sie sich anzwei Händen abzählen. Wie erwähnt ist die Herstellungvon Feuerwerk zu einem sehr großen Prozentsatz nachFernost abgewandert. Grund hierfür sind die hohen lohn-getriebenen Fertigungskosten und der sehr hohe adminis-trative und sicherheitstechnische Aufwand, der für Pro-duktion, Lagerung und Vertrieb notwendig ist. Auch ha-ben viele Firmen nicht selten Platzprobleme; großeSchutzabstände zum öffentlichen Raum und große Sicher-heitsabstände innerhalb des Betriebsgeländes machen sehrgroße Firmenareale notwendig. Dazu kommt, dass die Ak-zeptanz für Abbrandlärm für die vorgeschriebene Quali-tätsprüfung selten lange hält. Ein paar Mal im Jahr ein klei-nes Feuerwerk, das ist noch in Ordnung, aber jeden Tag einumfangreiches Prüfprogramm, das überfordert oft die To-leranz der Anwohner und die Auflagen nach Bundesimmi-sionsschutzgesetz und Störfallverordnung. Neue Produkti-onsbetriebe aufzumachen ist daher außerordentlichschwierig und geschieht nur sehr selten.

Bei der Herstellung müssen in Deutschland die Vorga-ben des Sprengstoffgesetztes und des Regelwerkes der Be-rufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie ein-gehalten werden. Die Vorgaben beginnen schon bei denbaulichen Voraussetzungen zu greifen. So müssen alle Pro-duktions- und Lagergebäude je nach Größe und Verwen-dungszweck untereinander festgelegte Sicherheitsabständeeinhalten und baulich so gestaltet sein, dass sie sich ge-genseitig nicht gefahrerhöhend beeinflussen. Ziel ist es, imFalle einer Explosion in einem Gebäude oder Gebäudeteildie Wirkung auf eben jenes betroffene zu begrenzen. EinÜberspringen auf andere Bereiche muss sicher verhindertwerden. Dazu werden die massiven Gebäude in eine Rich-tung mit Ausblasewänden versehen, die eine schnelleDruckentlastung möglich machen. In der Ausblaserichtungdürfen im Schutzabstand keine Gebäude oder Wege sein.Hohe Wälle bremsen Druckwellen und Wurfstücke. Auchwenn diese Regeln dem Mitarbeiter in dem betroffenenRaum vielleicht nicht mehr helfen, sollen so die anderenMitarbeiter verschont bleiben. Durch Begrenzen der in deneinzelnen Räumen verwendeten Satzmengen verbessertman die Überlebenschancen des betroffenen Mitarbeiters.Bei gefährlichen Arbeitsgängen wie dem Pressen von Sätzenwird zudem „unter Sicherheit“ gearbeitet, d.h. während desPressvorganges darf kein Mitarbeiter im Pressraum sein unddas Pressen erfolgt ferngesteuert.

Diese Grundprinzipien sicherer Produktion haben sichlangsam aus Schadensfällen entwickelt. Mitunter standen

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Abb. 34 Italienische Zylinderbomben mit Blitzknalleffekte im Tagesfeuerwerk(links) und in der Nacht. Bilder: M. Lünig / F. Keller

Page 14: Feuerwerk : Von der Chemie zur Show

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früher einzelne Betriebsteile so eng und die Gebäude wa-ren von der Bauart derart ungeeignet, dass ein Explosions-ereignis nicht selten den gesamten Betrieb mit einem Schlagabräumte. Ein Entkommen war dann nicht mehr möglich.Ebenso verhält es sich mit mehrstöckigen Firmengebäudenmit nicht oder schlecht getrennten Brandabschnitten undder sehr problematischen Produktion von kleinen Artikelnin Heimarbeit in Wohngebäuden. In den letzten Jahrzehn-ten hat sich diesbezüglich auch in China viel zum Positivenentwickelt. Nach einigen größeren Schadensereignissen ha-ben dort die lokalen Behörden hart durchgegriffen und vie-le nicht sicher produzierende Firmen schließen lassen, sodass die Sicherheitsstandards den westlichen angeglichenwerden.

Aufbau und Abbrennen eines GroßfeuerwerksWie wird nun aus den Feuerwerkskörpern eine kompletteFeuerwerksshow? Hier sollen ja die Feuerwerkskörper nach-einander und oft auch synchron zu einer Musik den Him-mel verzaubern.

Das Ganze beginnt mit dem Auftrag, z.B. für eine Fest-veranstaltung ein Feuerwerk mit Musik zu machen. Wich-tige Fragen dabei sind die Vorlieben, das Budget und diemöglichen Schutzabstände zu Publikum und gefährdetenObjekten. Daraus ergeben sich für den verantwortlichenFeuerwerker die Art und Anzahl der Feuerwerkskörper. Esschließt sich die kreative Arbeit an; wie kann man mit die-ser Auswahl das Musikstück besonders gut zur Geltung brin-gen? Wann kommen die leisen, aufbauenden Passagen, dieman mit Batterien oder kleineren Effekten untermalt, wannkommen die kräftigen Passagen mit Paukenschlägen, beidenen man auch große Effekte regelrecht in den Himmel„sprengen“ kann? Welche Farben passen gut zueinanderund welche kontrastieren in besonderer Weise? Soll das Bildsymmetrisch aussehen oder sollen gezielte Un-symmetrienfür besondere Spannung sorgen? Will man den ganzen Him-mel und den Boden oder nur Teile als Leinwand nutzen? Ausdiesen vielen Einzelaspekten ergibt sich ein Gesamtablauf,der heute oft schon mit Computerunterstützung erfasstoder sogar simuliert werden kann. Aus Brenndauer, Verzö-

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FO R M A L E E I N T E I LU N G E N

Die Feuerwerkskörper werden laut Sprengstoffgesetz [5] in mehrere Katego-rien unterteilt. Die Kategorien 1, 2, 3 und 4 benötigen eine Bauartzulassungbzw. Konformitätsbewertung einer europäischen Prüfbehörde. In Deutsch-land ist die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung für diese Kon-formitätsprüfung zuständig. Die Gegenstände müssen ein CE und das Zulas-sungszeichen tragen (z.B. BAM-P2-1234 Behörde-Kategorie-Zulassungsnum-mer). Nur dann dürfen sie in den Handel kommen. Gegenstände, die dieseKennzeichnung nicht tragen, sind entweder aus der Kategorie 4 oder illegalund dürfen somit nicht von Laien verwendet werden.

Kategorie 1 (früher Klasse PI): Feuerwerksspielwaren. Das sind Artikel, vondenen eine geringe Gefahr ausgeht und die in Deutschland rund ums Jahrauch schon von Kindern gekauft und abgebrannt werden dürfen. Man hatsich inzwischen auf ein Mindestalter von 12 Jahren geeinigt – bis vor kurzemkonnten im Prinzip noch jüngere „Feuerwerker“ damit umgehen. Zu dieserGruppe gehören Wunderkerzen, Knallerbsen, Tischbomben, Platzpatronenfür Spielzeugwaffen (sog. Amorces) und kleine Wirbel, Fontänen und Knister-artikel, die unter 3g Satzmasse enthalten. Knaller und Raketen – und seien sienoch so klein – gehören nie in diese Klasse.

Kategorie 2 (früher Klasse PII): Kleinfeuerwerk. Umfasst alle pyrotechni-schen Gegenstände, die von Personen ab 18 Jahren wenige Tage vor Silvestererworben und nur am 31.12. oder 1.1. verwendet werden dürfen. Ausnah-men von diesem Beschaffungs- und Verwendungszeitraum (z.B. für Hochzei-ten oder Geburtstage) gibt es nur, wenn man sich eine Ausnahmegenehmi-gung der Gemeinde besorgt. Je nach Gemeinde kann diese eine Genehmigungverweigern oder bei Erteilung Auflagen und Gebühren festsetzen. In dieserGruppe finden sich Knaller, Raketen (bis 20g pyrotechnischer Satzmasse),Batterien, Fontänen und Vulkane, Sonnen und vieles mehr.

Kategorie 3 (früher Klasse III): Mittel- oder Gartenfeuerwerk, in Deutsch-land heute praktisch bedeutungslos.

Kategorie 4 (früher Klasse IV): Großfeuerwerk. Nur ausgebildete Fachleute(Feuerwerker) mit Befähigungsschein dürfen mit diesen Gegenständen umge-hen. Die Artikel benötigen ab spätestens 2017 einen Konformitätsnachweis;sie unterliegen aber schon heute einer Qualitätssicherung und müssen los-weise mit Prüfstelle und-nummer gekennzeichnet sein.

Kategorie T1: (früher Klasse T1): Pyrotechnische Gegenstände für die Ver-wendung auf Bühnen und in Theatern, die eine geringe Gefahr darstellen.

Kategorie T2: (früher Klasse T2): Pyrotechnische Gegenstände für die Ver-wendung auf Bühnen und in Theatern, die zur Verwendung nur durch Perso-nen mit Fachkenntnissen vorgesehen sind.

Kategorie P1: (früher Klasse T1): Sonstige pyrotechnische Gegenstände, die eine geringe Gefahr darstellen.

Kategorie P2: (früher Klasse T2): Sonstige pyrotechnische Gegenstände, die zur Verwendung Personen mit Fachkenntnissen vorbehalten sind.

Für alle Artikel, natürlich auch importierte, gilt seit einigen Jahren zudemdie Verpflichtung, eine Qualitätssicherung für die Artikel durchzuführen. Da-bei wird eine bestimmte Anzahl Artikel nach festgelegten Kriterien geprüft.Die Anzahl richtet sich nach der zu prüfenden Losgröße. Die Prüfung umfasstauch den Abbrand der Artikel. Nicht konforme Artikel müssen gesperrt unddürfen nicht verwendet werden. Die prüfende Stelle muss von einer „benann-ten Stelle“ wie etwa der BAM regelmäßig auditiert werden.

Wer mit pyrotechnische Gegenstände der Kategorien 4, T2 und P2 umge-hen möchte, muss in Deutschland einen Befähigungsschein nach §20 Spreng-stoffgesetz besitzen und eine Erlaubnis nach §7 oder 27 vorweisen können.Den Befähigungsschein erhält nur, wer die Fachkunde in einer staatlich aner-kannte Prüfung nachgewiesen hat, seine Unbedenklichkeit bescheinigt be-kommen hat und körperlich geeignet ist. Voraussetzung für die Prüfung sindnicht nur akkurate Kenntnisse der Gesetze und technischen Hintergründe; esmuss auch die praktische Erfahrung durch Mitarbeit in 26 Großfeuerwerkenbelegt werden.

Der Inhaber des Befähigungsscheins nach §20 Sprengstoffgesetz zum Abbrennen von Feuerwerkskörpern ist streng genommen kein Feuerwerker;Feuerwerker besitzen zwar auch einen Befähigungsschein, sind aber im Bereich der Laborierung und Entschärfung von Munition tätig. Umgangs-sprachlich wird dieser Unterschied nicht gemacht.

Anmerkung: Auch wenn es interessant sein mag, sich größere, professio-nelle oder nicht zugelassene Feuerwerkskörper zu beschaffen, Feuerwerkssät-ze und Feuerwerkskörper herzustellen oder zu verwenden; illegal ist es in je-dem Fall, wenn man nicht die nötigen Befähigungen und Erlaubnisse besitzt.Das Sprengstoffgesetz geht hierbei immer von Straftaten und nicht von Ord-nungswidrigkeiten aus.

Page 15: Feuerwerk : Von der Chemie zur Show

gerungen und Schusshöhen ergeben sich die Zeitpunkte, andenen die einzelnen Feuerwerkskörper gezündet werdenmüssen, um pünktlich zur Musik am rechten Ort die Ef-fekte farbig und lautstark zu präsentieren. Je nach Größe desFeuerwerks und den technischen Möglichkeiten ist das End-produkt dieser Arbeit ein Zündplan mit Feuerwerkskör-perstückliste; entweder im Computer oder auch traditio-nell auf Papier.

Als nächstes werden die Artikel aus den oft verschie-denen Lagern an einem Ort zusammengeführt und dort indie definierte Reihenfolge gebracht. Diese werden entwe-der über Verzögerungselemente miteinander verbundenoder mit einzelnen elektrischen Anzündern versehen, wennman mittels Computer alle Effekte einzeln zündet. Da beieinem Feuerwerk gerne mehrere hundert bis tausend ein-zelne Artikel kombiniert werden, kann das einige Tage inAnspruch nehmen. Eine besondere Eigenheit des Feuer-werks: Fehler sieht man aber hier noch nicht; alles zeigt sichin der Aufführung vorm Publikum, eine Generalprobe schei-det leider völlig aus.

Die Artikel müssen als nächstes gemäß denRegeln des ADR verpackt, bezettelt, mit Pa-pieren versehen und mit Gefahrgutfahrzeugen,die für den ADR-konformen Transport von Ex-plosivstoffen zugelassen sind, an den Einsatz-ort transportiert werden. Wenn Bomben ge-schossen werden sollen, müssen auch großeMengen oft recht schwerer Abschussgestellemitgenommen werden, denn jeder Schuss be-nötigt ein Abschussrohr und diese sind meistin Gestelle zu sogenannten Batterien kombi-niert. Am Einsatzort werden die Gestelle so auf-gestellt, dass sie in sicherer Entfernung – dazugibt es in der SprengVwV genaue Regeln – feststehen (Abbildung 18). Meist werden sie fürdiesen Zweck zusammengenagelt und mit denFeuerwerksbomben befüllt. Die Zündkabelwerden verlegt und alle Gegenstände ange-schlossen. Auch hierzu ist höchste Konzentra-tion gefragt, denn was nützt der schönste Plan,wenn man nachher die Kabel verwechselt? Als letztes wer-den die Gestelle oder Batterien mit Folie abgedeckt, wenndas Wetter nicht sicher trocken ist oder es gar regnet. Unddann heißt es warten. Auf die Dunkelheit und den Startbe-fehl.

Der Feuerwerker kennt natürlich auch das Lampenfie-ber bevor es losgeht. Viele Male werden die Kabel undZündkreise geprüft und wird der Platz abgegangen. Zur Be-ruhigung darf er sich nicht einmal ein hopfen- und alko-holhaltiges Getränk gönnen. Er trägt die volle straf- und zi-vilrechtliche Verantwortung für sein Feuerwerk und musseinen absolut klaren Kopf bewahren. Diese Empfehlungmöchte man manchem Silvesterfeuerwerker gerne auch mit-geben.

Beim Feuerwerk selber ist volle Konzentration angesagt:besondere bei Handzündung oder Zünden ohne Zünd-

computer ist synchrone Zündung zur Musik qualitätsbe-stimmend. Mit dem Zündcomputer ist das weniger auf-wändig. Aber in jedem Fall muss der Durchführende paral-lel noch den Zündplan verfolgen, um zu prüfen, ob allesnach Plan läuft und alle Bomben gezündet haben. Klapptalles, dann ist ihm ein Applaus gewiss, der entschädigt fürall die Arbeit, die für das Feuerwerk schon hinter ihm liegt.Aber nur kurz darf er sich freuen, dann geht der Teil los,der noch vor ihm liegt. Absuchen des Platzes nach Blind-gängern, Freigabe zum Abbau und Abbauen der Gestelle.Letzteres verläuft meist in mit H2S geschwängerter Luft.Grund dafür ist die Reaktion des bei der Verbrennung desSchwarzpulvers entstandenen Kaliumdisulfid mit Luft-feuchtigkeit und CO2:

K2S + CO2 + H2O → K2CO3 + H2S

Zum Glück überschreitet die H2S-Konzentration nicht dieSchwelle zur Giftigkeit – aber sicher zur Geruchsschwelle.

So ist das Abbrennen von Feuerwerken einrechter Knochenjob und oft ohne große Ein-nahmen – doch der Pulverdampf ist für vieleein Suchtmittel, für das Entbehrungen in Kaufgenommen werden. Und wenn die meistenGäste einer Veranstaltung mit Feuerwerk schonwieder im Bett liegen, endet ein langer Ar-beitstag für den Feuerwerker.

Für viele Veranstaltungen ist ein Feuerwerkein fester Programmpunkt und Publikums-magnet, zum Beispiel das Seenachtsfest in Kon-stanz und Kreuzlingen, das Alstervergnügen inHamburg, Rhein in Flammen, das Zürifescht inZürich und viele andere. Viele Stadtfeste ziehenan umsatzschwachen Tagen mit einem Feuer-werk noch einmal richtig Gäste an. In vielenFeuerwerksfestivals ist das Feuerwerk sogar dieHauptsache, wenn verschiedene Feuerwerks-firmen mit Feuerwerken gegeneinander antre-ten, um die beste Feuerwerksshow zu findenund zu prämieren. Einige bekannte Veranstal-

tungen sind Montreal (Kanada), Monte-Carlo (Monaco),Cannes und Paris (Frankreich), Hannover, Hamburg, Ber-lin, Ostfildern (Deutschland), Adelfia-Bari (Italien), Omaga-ri und Tokio (Japan), Tarragona (Spanien), Macao (China)und einige andere. Viele der abgebrannten Feuerwerke sindbei diesen Veranstaltungen trotz Bezahlung nicht kosten-deckend – viele Firmen nehmen das aber in Kauf, um sicheinen Namen zu machen und die Bekanntheit für ihr Kon-sumentenfeuerwerk zu steigern.

Eigentlich sind Feuerwerke entgegen dem ersten Ein-druck ein preiswertes Vergnügen; auch wenn ein großes,halbstündiges sehr großes Musikfeuerwerk gut 100.000 1kosten kann, sind das pro Person bei einem Großereignismit 1 Million Zuschauer (wie beim Zürifescht) gerade ein-mal 10 Cent. Da kostet manche schlechte Vorabendseriedeutlich mehr und bewegt weniger…

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Abb. 27 Kugelbom-ben, Silberpalme mitSilberaufstieg. Bild: F. Keller

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Pyrotechnikrichtlinie und CE-Normung In der Vergangenheit hatte jedes EU-Land eigene Pyrotech-nikgesetze und somit waren die pyrotechnischen Gegen-stände nicht nur nach unterschiedlichen Kriterien zugelas-sen, sondern auch die Nutzung war unterschiedlich gere-gelt. Um Feuerwerk sicherer und EU-weit handelbar zumachen, wurde 2007 die „Pyrotechnik-Richtlinie“ [6] ver-abschiedet. In dieser werden die pyrotechnischen Gegen-stände kategorisiert (Infokasten 2) und Nutzergruppen zu-geordnet. Zudem ist für die Feuerwerkskörper ein CE-Nor-menwerk erstellt worden; bzw. es wird noch erstellt. Darinwird auch festgelegt, welche Qualitätsanforderungen und -prüfungen die Artikel erfüllen müssen, bevor sie frei in-nerhalb der EU gehandelt werden dürfen. So kann man da-von ausgehen, wenn pyrotechnische Artikel sowohl Zulas-sungsnummer als auch CE-Kennzeichnung tragen, dassdiese sicher und legal sind.

Leider ist diese Richtlinie in Europa bisher nur teilwei-se umgesetzt und somit stockt der freie Warenverkehr nochauf absehbare Zeit. Da Deutschland schon seit sehr langerZeit ein funktionierendes und ausgeklügeltes Zulassungs-recht in diesem Bereich hat und deshalb federführend beider Erstellung der Pyrotechnikrichtlinie und der mitgelten-den Normen war, ist hierzulande die Richtlinie schon weit-gehend umgesetzt. Zuständig hierfür ist die Bundesanstaltfür Materialforschung und -prüfung kurz BAM in Berlin.

Um eine Zulassung eines Artikels zu erhalten, werdender BAM dazu Zulassungs- und Prüfunterlagen (mit Zeich-nungen, Stücklisten, Gebrauchsanweisung usw.) mit einerfestgelegten Anzahl Prüfmuster vorgelegt. Die Unterlagenwerden dann in der Hauptstelle in Berlin geprüft und dieGegenstände mittels Rüttelprüfung, Schlagtest, thermischerAlterung und anderen Methoden intensiv belastet. ZumSchluss erfolgen auf dem riesigen Testgelände der BAM inHorstwalde (Brandenburg) noch Abbrandversuche der Ar-tikel, bei denen wiederum viele Kriterien aus den CE-Nor-men eingehalten werden müssen.

Entsprechen die Gegenstände den Normen und denGrenzwerten, wie Brenndauer, Anzündung, Vollständigkeitdes Abbrandes, Standfestigkeit usw. beim Test, so erhaltendie Gegenstände eine Zulassung. Diese Vorgehensweise giltfür alle pyrotechnischen Gegenstände, vom Kleinstfeuer-werk über technische Pyrotechnik wie Bühneneffekte undAirbags bis zu Anzündmitteln.

Pyrotechnik und REACHEin Problem, das die Feuerwerkerei in Europa massiv be-treffen und ggf. unmöglich machen könnte, ist das Herein-ziehen der Pyrotechnik in das Chemikalienrecht. REACHmag vom Grundgedanken her vielleicht einiges in RichtungSicherheit im Bereich Chemikalien durch die Registrierungvon Stoffen bewirken – diese Verordnung ist nur leider nichtsinnvoll auf die Pyrotechnik anzuwenden.

Alle Fachbehörden, die sich gut mit der Materie Pyro-technik auskennen, wie europäische Kommission (Workinggroup Pyrotechnics), BAM, CEN (Comité Européen de Nor-

malisation), Fachverbände EuFiAs (European Fireworks As-sociation), VPI (Infokasten 3), ACEA (European AutomobileManufacturers’ Association) sind sich einig, dass die Pyro-technik bereits sehr gut hinsichtlich dem Schutz der Bevöl-kerung und Natur reguliert ist. So sind die Stoffe, die in py-rotechnischen Gegenständen enthalten sind, so gut einge-schlossen und bleiben es bis zur Verwendung, dass eineGefährdung durch sie nicht zur erwarten ist. Lediglich dieAbbrandprodukte werden freigesetzt, und diese fallen defi-nitionsgemäß nicht unter REACH. So sind die Feuerwerks-körper eindeutig gemäß Definition Artikel nach §7 REACHVO ohne beabsichtigte Freisetzung der Sätze. Leider sehendas die Fachbehörden für die REACH VO nicht so und somitgibt es die kuriose Situation, dass es bisher in dieser Frage-stellung keine rechtssichere Position gibt. Die Gesprächezur Klärung zwischen den Fachbehörden Pyrotechnik undChemikalienrecht sind leider ergebnislos geblieben.

Somit schwebt ein Damoklesschwert über der pyro-technischen Industrie, da sie keine so hohen Gewinne er-zielt, um – parallel zu der Umsetzung der Pyrotechnik-richtlinie – die kompletten Registrierungskosten aller Roh-stoffe für ihre Anwendung stemmen zu können. Diepyrotechnische Industrie in einigen EU-Staaten hat sichschon mit den entsprechenden Behörden auf die – fachlichrichtige – Akzeptanz des Standpunktes pyrotechnischer Ar-tikel = Gegenstand/Artikel und nicht Chemikalie geeinigt,auch wenn die nicht rechtsverbindlichen Leitlinien der REACH VO eine andere Sichtweise widergeben.

Man darf gespannt sein, ob sich die vernunftorientiertetechnisch begründete Sichtweise in allen Staaten durch-setzt. Parallel wird von Seiten der Kommission (DG Indus-trie) an der Erstellung eines Ausnahmetatbestandes Pyro-technik in der REACH VO gearbeitet.

Pyrotechnik und UmweltMit dem in den letzten Dekaden gewachsenen Bewusstseinfür die Umwelt haben sich auch die pyrotechnische Indus-trie und die zuständigen administrativen Stellen mit den

Chem. Unserer Zeit, 2012, 46, 248 – 265 www.chiuz.de © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 263

D E R V E R BA N D D E R P Y ROT EC H N I S C H E N I N D U S T R I E ( V PI )

entstand 1989 aus dem 1963 gegründeten Verband der Hersteller pyrotechnischer Ge-genstände. Die Aufgaben des VPI liegen in der Wahrnehmung der wirtschaftlichen undtechnischen Fachinteressen von Herstellern und Importeuren von Silvester-, Groß- undBühnenfeuerwerk sowie Herstellern von pyrotechnischer Munition. Der VPI ist ein Teildes Fachverbandes Industrie verschiedener Eisen- und Stahlwaren e. V. (IVEST), derwiederum einer der Fachverbände des WSM-Wirtschaftsverbandes ist. Aus seiner Inter-netseite (http://www.feuerwerk-vpi.de) finden sich Informationen zur Geschichte desFeuerwerks und zu einzelnen pyrotechnischen Artikeln und Neuigkeiten. Ebenso Infor-mationen zum Handel mit Feuerwerkskörpern, gesetzliche Bestimmungen und derenÄnderungen, sicheren Umgang mit Feuerwerk und Umweltfragen. Der VPI besitzt ei-nen technischen Ausschuss, der an Normen und Gesetzesvorhaben in Deutschland undEuropa maßgeblich mitwirkt und hohes Ansehen hinsichtlich seiner Fachkompetenzbei den Behörden genießt. Der VPI hat derzeit 14 Vollmitglieder und 6 assoziierte Mit-glieder.

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Umweltaspekten der Pyrotechnik kritisch auseinander ge-setzt. Schließlich werden Reaktionsprodukte in die Umwelteingetragen (Tabelle 8). So sind heute problematische Stof-fe verboten oder freiwillig verbannt, die früher in vielen al-ten Rezeptbüchern noch zu finden waren. Auch hier habendie pyrotechnische Industrie und die Behörden schon lan-ge vor dem Regelwerk REACH Regularien geschaffen, umErsatzstoffe für problematische Stoffe zu finden oder diesezu verbieten.

So sind Schwermetalle wie Arsen, Quecksilber schonlange verboten bzw. durch unproblematische Stoffe ersetztworden. Viele Endprodukte aus den Feuerwerkskörpernsind nach dem Verbrennungsprozess unproblematisch (Tab. 8), da sie entweder sowieso ubiquitär in der Naturvorkommen (z.B. MgO, Al2O3) oder schnell in Mineralise-rungssenken verschwinden. Beispiel für letzteres sind dieErdalkalisalze. Bei diesen bilden auf Grund der Schwerlös-lichkeit die Sulfate und Carbonate Mineralisierungssenken,die auch in natürlichen Lagerstätten vorkommen und – soschließt sich der Kreis – als Rohstoffe für die Pyrotechnikdienen.

Viele fürchten sich vor dem in der Pyrotechnik einge-setzten Strontium. In der Pyrotechnik findet jedoch das ra-dioaktive Strontium – das den bösen Ruf verursacht hat –definitiv keine Verwendung. Strontium wirkt genauso wieCalcium im Körper und ist toxikologisch völlig gleich undsomit unkritisch zu bewerten.

Schwefel wäre potentiell geeignet, zur Versauerungvon Böden beizutragen; da aber in pyrotechnischen Arti-keln überwiegend basische Verbrennungsprodukte (Me-talloxide, Carbonate) auftreten, ist gesamthaft eine basi-sche Reaktion der Reaktionsprodukte gegeben. Es gab indiesem Sinne sogar schon Versuche, durch Abbrennen vonentsprechend gestalteten pyrotechnischen Sätzen die Wir-kung des „Sauren Regens“ in Wäldern zu kompensieren[7].

Studien (z.B. der Fraunhofer Gesellschaft) haben ge-zeigt, dass die freigesetzten Stoffe an Silvester keine ökoto-xischen Wirkungen entfalten, die eine Einschränkungen derderzeitigen Praxis oder weitergehende gesetzliche Rege-lungen notwendig machen würden. Auch die messbarekurzfristige Erhöhung der Schwebstaubkonzentration an Sil-

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TA B . 8 B E I S PI E L E F Ü R D I E A B B R A N D PRO D U K T E W I C H T I G E R P Y ROT EC H N I K RO H S TO F F E U N D D E R E N U M W E LT R E L E VA N Z

Rohstoff Reaktions produkt Reaktionsprodukt Reaktionspartner nach Umweltrelevanzdirekt nach der nach kurzer Expo- der VerbrennungVerbrennung sition an der Luft

Kaliumnitrat K2O K2CO3 CO2 aus der Luft Nährstoffeintrag lösliches Kalium

Kaliumnitrat im K2CO3, K2O, K2S K2CO3 CO2 aus der Luft Nährstoffeintrag lösliches KaliumSchwarzpulver

Kaliumperchlorat KCl, K2O KCl, K2O CO2 aus der Luft Nährstoffeintrag lösliches Kalium

Bariumnitrat BaO, BaCl*, BaOH* BaCO3, BaSO4 CO2 bzw. SO2 und O2 aus der Bariumsalze liegen mineralisiert/Luft, Sulfationen im Boden unlöslich vor (Schwerspat)

Strontiumnitrat SrO, SrCl*, SrOH* SrCO3, SrSO4 CO2 bzw. SO2 und O2 aus der Strontiumsalze liegen mineralisiert/Luft, Sulfationen im Boden unlöslich vor (Coelestin)

Aluminium-Magnesium- MgO, Al2O3 MgO, Al2O3 Beide liegen mineralisiert/unlöslich vorLegierung 50/50

Aluminium Al2O3 Al2O3 Liegt mineralisiert / unlöslich vor

Eisenpulver Fe3O4 Fe3O4 Liegt mineralisiert / unlöslich vor

Titan Pulver TiO2 TiO2 Liegt mineralisiert / unlöslich vor

Magnesium MgO MgO Liegt mineralisiert / unlöslich vor

Polyvinylchlorid (PVC) HCl, CO2, H2O KCl oder andere Metalloxide Bildet Metallsalze, kann zum Nährstoff-Metallchloride, eintrag durch Kalium oder Magnesium CO2, H2O führen

Schwefel SO2, K2S SO42, H2S, HS–, S2– Bildet mit Erdalkalien schwer Trägt zur Mineralisierung der

lösliche Sulfate oder mit Erdalkalien und Übergangsmetallen bei, Übergangsmetallen Säureeintragschwerlösliche Sulfide

Organische Verbindungen CO2, H2O CO2, H2O CO2 Eintrag über die synth. (Binder, Harze, Brenn- Organischen Verbindungen; viele aber stoffe, Kohlenhydrate) natürlich und damit klimaneutral

Kupfersalze CuO, CuCl* CuO, CuCO3 · Cu(OH)2 CO2 aus der Luft, H2S Kupfersalze liegen mineralisiert/(aus K2S + H2O) aus unlöslich vor (Kupferoxid, -sulfid, Verbrennungsprodukten -hydroxycarbonat)Schwarzpulver

Kaliumbenzoat u. K2O K2CO3 CO2 aus der Luft Nährstoffeintrag lösliches Kalium-hydrogenphtalat

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vester ist nach wenigen Stunden in der Neujahrsnacht voll-ständig wieder abgeklungen.

Da nicht alle Bestandteile der Feuerwerkskörper wie-dergefunden und eingesammelt werden können, werdenschon seit jeher verrottbare Stoffe aus Recyclingkartonagenund Holz eingesetzt. Nur wo sicherheitstechnisch für eineZulassung nicht vermeidbar, finden Kunststoffe Verwen-dung.

AusblickLeider hat die Feuerwerkerei in Europa einen zunehmendschwerer werdenden Stand durch die vielen einzuhaltendenRegeln und Auflagen, dem z.T. ablehnenden Umgang seitensBehörden und dem wirtschaftlichen Druck durch die Im-porte aus Fernost. Trotzdem gibt es einige Firmen, die sichwieder mehr der Herstellung in Europa widmen. Damit er-füllen sie den wichtigen Beitrag, das Wissen zum Feuer-werk wach zu halten und weiterzuentwickeln. Die Pyro-technik hat über Jahrhunderte nichts von seinem Reiz ein-gebüßt. Es gibt noch viel zu erforschen und zu entdecken.Und die Faszination Energie – in Feuerwerkskörpern kon-zentriert – auf Knopfdruck in einem atemberaubenden Zusammenspiel von Licht, Bewegung, Geräuschen und Feuereffekten vor einem großen Publikum tanzen zu las-sen, ist für viele Vergnügen und manchen ein besondererBeruf geworden.

ZusammenfassungDie Feuerwerkerei bzw. Pyrotechnik ist eine alte empirischeWissenschaft im Grenzbereich zwischen Chemie, Technik, Ver-fahrenstechnik und Kunst und hat ihren festen Platz bei vie-len Events in Kultur und Brauchtum. Im Artikel wird darge-stellt, welche Schritte ein Feuerwerk von der Chemie bis zurShow durchläuft. Einige chemische Grundlagen, Informatio-nen zu pyrotechnischen Sätzen wie Schwarzpulver, Leucht-sätzen, oszillierenden Blink- und Pfeifsätzen werden erläutertund an Beispielen Aufbau und Herstellung von Feuerwerks-körpern in Text und Bild dargestellt. Aspekte der Sicherheitbei der Herstellung und bei Aufbau und Abbrennen eines Groß-feuerwerks werden ebenso behandelt wie die neusten Ent-wicklungen in der Gesetzgebung, wie Pyrotechnikrichtlinie,CE-Normung und REACH. Wenn auch das kommerzielle Um-feld der Feuerwerkerei schwieriger wird, bleibt die Faszinati-on für die Phänomene des Feuerwerks ungebrochen und lässtfür den Leser vielleicht die Motivation entstehen, sich mit demspannenden Gebiet der Pyrotechnik und den angrenzendenWissenschaften näher zu befassen.

SummaryPyrotechnic is an old empiric science on the borderline bet-ween chemistry, technics, chemical and process engineeringand art and it maintains its position as an integral part ofevents in culture and tradition. This contribution presents thesteps a firework has to pass to develop from mere chemistry

to the final show. Some chemical background, informationabout pyrotechnic mixtures like black powder, firework starmixtures, oscillating mixtures like blinking stars and whistlesare explained as well as the manufacture of selected pyro-technic items. Aspects of production and handling safety ofexhibition fireworks and the recent developments in legisla-tion like the pyrotechnics directive, the CE- standardisationand REACH are touched. Although the commercial environ-ment is getting tougher the fascination for the pyrotechnicphenomena are still alive and may initiate the motivation forthe reader to get involved in the exciting topic of pyrotechnicsand the associated fields of science.

Literatur[1] Emmerich Pászthory, Chem. unserer Zeit, 1995, 29, 8–20.[2] Takeo Shimizu, Fireworks- The Art Science and Technique, Pyrotech-

nica Publications, 2302 Tower Drive, Austin, Texas 78703, USA, 1996.[3] Uwe Krone, Offenlegungsschrift Patent DE000002164437C3, 1973.[4] Takeo Shimizu, Studies on Strobe Light Pyrotechnic Compositions,

Pyrotechnica VIII, 1982, 5–28, Pyrotechnica Publications, 2302 TowerDrive, Austin, Texas 78703, USA.

[5] Sprengstoffgesetz (SprengG) mit 1. und 2. Sprengstoffverordnung(SprengV) und 1. Sprengstoffverwaltungsverordnung (SprengVwV),http://www.gesetze-im-internet.de/sprengg_1976/index.html.

[6] Pyrotechnik Richtlinie: eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:154:0001:0021:DE:PDF.

[7] Uwe Krone, 1984, EP000000125370B1.

Weiterführende LiteraturKlaus Menke, Die Chemie der Feuerwerkskörper, Chem. unserer Zeit 1978,12, 13.Herbert Ellern, Military and Civilian Pyrotechnics, Chemical PublishingCompany, New York 1968.John A. Conkling, The Chemistry of Pyrotechnics, Marcel Dekker, New York1985.Alexander P. Hardt, Pyrotechnics, Pyrotechnica Publications 2001, ISBN 0-929388-06-2.Rev. Ronald Lancaster, Takeo Shimizu: Fireworks, Principles and Practice,Chemical Pub Co Inc (Ny) ISBN 0820604070.Joseph Howard McLain: Pyrotechnics, Franklin Inst Pr, ISBN 0898597323.

Der AutorFritz Keller, geb. 1966 in Zürich, studierte Chemie ander TH Karlsruhe/KIT und promovierte 1997 an derUniversität Tübingen mit einer Arbeit über enantio-selektive Katalyse mit Metallkomplexen. Er war von1998–2002 Produktions- und Werkleiter bei derFeuerwerksfirma Nico-Lünig Event GmbH inStuttgart und besitzt die Befähigung nach §20SprengG zur Verwendung und Herstellung vonpyrotechnischen Gegenständen im professionellenBereich. Seit 2003 ist er hauptberuflich auf demGebiet der Materialwissenschaften und Kühlmittel-chemie in der Automobilindustrie tätig und berätFirmen aus dem Bereich der pyrotechnischen undder Automobilindustrie sowie den Verbandes derpyrotechnischen Industrie, VPI. Er beschäftigt zudemsich mit den Gebieten Duftstoffen und Parfümerie,Dispergiertechnologie, umweltfreundlicherHolzschutz und neue Energieträger.

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