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Chirurg 2010 · 81:31–37 DOI 10.1007/s00104-009-1756-2 Online publiziert: 2. Dezember 2009 © Springer-Verlag 2009 W. Schröder 1  · K. Welcker 2 1  Klinik für Allgemein-, Visceral- und Tumorchirurgie der Universität zu Köln 2  Klinik für Thoraxchirurgie, Klinikum Bremen-Ost gGmbH, Bremen Finanzierung der chirurgischen Weiterbildung Leitthema Es gibt gar keinen Zweifel: Eine qua- lifizierte Weiterbildung ist zwingend notwendig, denn sie ist die unabding- bare Grundlage eines qualitativ hoch- wertigen und ökonomisch effizienten Gesundheitssystems. In diesem Punkt sind sich alle Beteiligten, die um eine Verbesserung der gegenwärtigen chirurgischen Weiterbildungssysteme ringen, einig. Die aktuelle Diskussion um Weiterbil- dung in der Chirurgie folgt aber nicht einem echten Gesinnungswandel mit ge- steigertem Interesse an den jungen Assis- tenten, sondern wurde vielmehr ausgelöst durch einen mittlerweile spürbaren Nach- wuchsmangel in allen operativen Fächern. Glaubt man den aktuellen Umfragen, den ausgeschriebenen Stellenanzeigen und den Zahlen der Ärztekammern, wird sich dieser Trend durch die anstehenden Pen- sionierungen und die Zahl der Hoch- schulabsolventen, die nicht in die Patien- tenversorgung gehen, noch verschärfen [1, 2]. Hiervon sind insbesondere die opera- tiven Fächer betroffen. Die Gründe sind bekannt und werden seit mehreren Jahren immer wieder vorgetragen [3]: F Die gegenwärtigen Arbeitsbedin- gungen in der Chirurgie sind mit an- deren Berufen nicht konkurrenzfähig. F Veränderungen im sozialen Umfeld und im Sozialprestige lassen den chir- urgischen Beruf nur wenig attraktiv erscheinen. F Trotz einer neuen Weiterbildungs- ordnung gibt es weiterhin unüberseh- bare Defizite in der Umsetzung einer strukturierten Weiterbildung. Aktuelle Umfragen unter den chirur- gischen Berufsanfängern zeigen immer noch gravierende Mängel in der chirur- gischen Weiterbildung, auch in den Punk- ten, die in der neuen Weiterbildungsord- nung bereits verankert und damit für die leitenden Chirurgen verpflichtend sind [4]. Anstatt aber diese Probleme anzuge- hen, wird schon jetzt eine Diskussion über die Finanzierung dieser Weiterbildungs- systeme initiiert. Diese vielleicht verfrühte Debatte verdeutlicht den ökonomischen Druck, welchem die Krankenhausträger gegenwärtig ausgesetzt sind, gilt es doch in Zeiten knapper Ressourcen einen zu- sätzlichen Topf finanzieller Einnahmen aufzutun. Die Diskussion zeigt aber auch, dass das Angebot einer qualifizierten Wei- terbildung zunehmend zu einem Wett- bewerbsvorteil um den Nachwuchs er- kannt und als Marketinginstrument ge- nutzt wird. > Das Angebot einer qualifizierten Weiterbildung wird zum Wettbewerbsvorteil In der Recherche für diesen Beitrag wurde deutlich, dass es für das Weiterbildungs- system in Deutschland keine validen Un- tersuchungen gibt, welche die Kosten der chirurgischen Weiterbildung analysieren. Auch in den Jahresbilanzen der Kranken- hausträger werden die Kosten für ärzt- liche Weiterbildung nicht explizit ausge- wiesen. Dementsprechend können diese weder kalkuliert noch gesondert vergütet werden. Die Frage nach der Finanzierung der deutschen Weiterbildung muss des- halb zum jetzigen Zeitpunkt einen über- wiegend theoretischen Charakter behal- ten und kann sich nur an Beispielen an- derer Ausbildungssysteme im Ausland orientieren. Um fundierte Aussagen zum Thema „Finanzierung der chirurgischen Wei- terbildung“ machen zu können, sind aus Sicht der Autoren in diesem Beitrag zwei wesentliche Fragen zu beantworten: F Verursacht chirurgische Weiterbil- dung Mehrkosten und wie sind diese zu kalkulieren? F Wer soll die Kosten der chirurgischen Weiterbildung tragen? Was kostet Weiterbildung? Kostengruppen Die Kosten, die durch Weiterbildung ent- stehen, lassen sich nur schwer durch her- kömmliche Kostenarten- und Kostenstel- lengruppen transparent aufschlüsseln. Das methodische Problem hierbei besteht in der Tatsache, dass chirurgische Weiter- bildung überwiegend als „training on the job“ stattfindet. Dies impliziert, dass chir- urgische Weiterbildung in die ärztliche Hauptaufgabe der Patientenversorgung integriert ist. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bedeutet dies, dass mit derselben Tä- tigkeit zwei Produkte hergestellt werden (sog. Kuppelproduktion), die in der Kos- tenanalyse aber nur schwer voneinander zu trennen sind. Unter betriebswirtschaftlicher Be- trachtung sind die Kosten dieser ge- mischten Tätigkeiten, die bei der Weiter- bildung entstehen, als Produktivitätsein- bußen zu definieren. Aus Sicht der Kran- kenhausträger ist Weiterbildung somit ein relevanter Kostenfaktor, da die Effizienz 31 Der Chirurg 1 · 2010 |  

Finanzierung der chirurgischen Weiterbildung

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Chirurg 2010 · 81:31–37DOI 10.1007/s00104-009-1756-2Online publiziert: 2. Dezember 2009© Springer-Verlag 2009

W. Schröder1 · K. Welcker2

1 Klinik für Allgemein-, Visceral- und Tumorchirurgie der Universität zu Köln2 Klinik für Thoraxchirurgie, Klinikum Bremen-Ost gGmbH, Bremen

Finanzierung der chirurgischen Weiterbildung

Leitthema

Es gibt gar keinen Zweifel: Eine qua­lifizierte Weiterbildung ist zwingend notwendig, denn sie ist die unabding­bare Grundlage eines qualitativ hoch­wertigen und ökonomisch effizienten Gesundheitssystems. In diesem Punkt sind sich alle Beteiligten, die um eine Verbesserung der gegenwärtigen chirurgischen Weiterbildungssysteme ringen, einig.

Die aktuelle Diskussion um Weiterbil-dung in der Chirurgie folgt aber nicht einem echten Gesinnungswandel mit ge-steigertem Interesse an den jungen Assis-tenten, sondern wurde vielmehr ausgelöst durch einen mittlerweile spürbaren Nach-wuchsmangel in allen operativen Fächern. Glaubt man den aktuellen Umfragen, den ausgeschriebenen Stellenanzeigen und den Zahlen der Ärztekammern, wird sich dieser Trend durch die anstehenden Pen-sionierungen und die Zahl der Hoch-schulabsolventen, die nicht in die Patien-tenversorgung gehen, noch verschärfen [1, 2]. Hiervon sind insbesondere die opera-tiven Fächer betroffen. Die Gründe sind bekannt und werden seit mehreren Jahren immer wieder vorgetragen [3]:FDie gegenwärtigen Arbeitsbedin-

gungen in der Chirurgie sind mit an-deren Berufen nicht konkurrenzfähig.

FVeränderungen im sozialen Umfeld und im Sozialprestige lassen den chir-urgischen Beruf nur wenig attraktiv erscheinen.

FTrotz einer neuen Weiterbildungs-ordnung gibt es weiterhin unüberseh-bare Defizite in der Umsetzung einer strukturierten Weiterbildung.

Aktuelle Umfragen unter den chirur-gischen Berufsanfängern zeigen immer noch gravierende Mängel in der chirur-gischen Weiterbildung, auch in den Punk-ten, die in der neuen Weiterbildungsord-nung bereits verankert und damit für die leitenden Chirurgen verpflichtend sind [4]. Anstatt aber diese Probleme anzuge-hen, wird schon jetzt eine Diskussion über die Finanzierung dieser Weiterbildungs-systeme initiiert. Diese vielleicht verfrühte Debatte verdeutlicht den ökonomischen Druck, welchem die Krankenhausträger gegenwärtig ausgesetzt sind, gilt es doch in Zeiten knapper Ressourcen einen zu-sätzlichen Topf finanzieller Einnahmen aufzutun. Die Diskussion zeigt aber auch, dass das Angebot einer qualifizierten Wei-terbildung zunehmend zu einem Wett-bewerbsvorteil um den Nachwuchs er-kannt und als Marketinginstrument ge-nutzt wird.

> Das Angebot einer qualifizierten Weiterbildung wird zum Wettbewerbsvorteil

In der Recherche für diesen Beitrag wurde deutlich, dass es für das Weiterbildungs-system in Deutschland keine validen Un-tersuchungen gibt, welche die Kosten der chirurgischen Weiterbildung analysieren. Auch in den Jahresbilanzen der Kranken-hausträger werden die Kosten für ärzt-liche Weiterbildung nicht explizit ausge-wiesen. Dementsprechend können diese weder kalkuliert noch gesondert vergütet werden. Die Frage nach der Finanzierung der deutschen Weiterbildung muss des-halb zum jetzigen Zeitpunkt einen über-wiegend theoretischen Charakter behal-

ten und kann sich nur an Beispielen an-derer Ausbildungssysteme im Ausland orientieren.

Um fundierte Aussagen zum Thema „Finanzierung der chirurgischen Wei-terbildung“ machen zu können, sind aus Sicht der Autoren in diesem Beitrag zwei wesentliche Fragen zu beantworten:FVerursacht chirurgische Weiterbil-

dung Mehrkosten und wie sind diese zu kalkulieren?

FWer soll die Kosten der chirurgischen Weiterbildung tragen?

Was kostet Weiterbildung?

Kostengruppen

Die Kosten, die durch Weiterbildung ent-stehen, lassen sich nur schwer durch her-kömmliche Kostenarten- und Kostenstel-lengruppen transparent aufschlüsseln. Das methodische Problem hierbei besteht in der Tatsache, dass chirurgische Weiter-bildung überwiegend als „training on the job“ stattfindet. Dies impliziert, dass chir-urgische Weiterbildung in die ärztliche Hauptaufgabe der Patientenversorgung integriert ist. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bedeutet dies, dass mit derselben Tä-tigkeit zwei Produkte hergestellt werden (sog. Kuppelproduktion), die in der Kos-tenanalyse aber nur schwer voneinander zu trennen sind.

Unter betriebswirtschaftlicher Be-trachtung sind die Kosten dieser ge-mischten Tätigkeiten, die bei der Weiter-bildung entstehen, als Produktivitätsein-bußen zu definieren. Aus Sicht der Kran-kenhausträger ist Weiterbildung somit ein relevanter Kostenfaktor, da die Effizienz

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und Produktivität von ärztlichen Berufs-anfängern im Vergleich zu qualifiziertem Facharztpersonal geringer ist. Eine Stu-die aus einem radiologischen Institut ver-glich die Produktivität bei der Befunder-hebung von konventionellen Röntgenbil-dern zwischen einer Facharztgruppe und einer Gruppe von Fachärzten, die gleich-zeitig einen jungen Kollegen unterrichte-ten [5]. Es überrascht nicht, dass die Pro-duktivität in der Weiterbildungssituation um die Hälfte sank. Auch bestand eine ne-gative Korrelation zwischen der Qualität des Unterrichts und der Produktivität:

EJe besser die Lehre, desto geringer der klinische Output.

Diese spezifische radiologische Konstella-tion lässt sich aber nur schwer auf andere Fachrichtungen, insbesondere die opera-tiven Fächer übertragen.

Auch wenn in der Chirurgie metho-dische Schwierigkeiten bestehen, solche Produktivitätseinbußen direkt zu mes-sen, können verlängerte Operationszeiten bei Weiterbildungsassistenten als Indika-tor geringerer Produktivität herangezogen werden. Diese sind für spezifische Ein-griffe hinreichend nachgewiesen worden [6, 7, 8, 9, 10, 11].

In einer deutschen Untersuchung war die Operationszeit bei der laparosko-pischen Leistenhernienoperation (TAPP) bei gleicher Morbidität als Ausbildungs-eingriff mit 55 min signifikant länger als beim Experteneingriff mit 43 min [7]. Vergleichbare Verlängerungen der Ope-rationszeit in der Ausbildungssituation wurden für die Kreuzbandrekonstrukti-on [8], die Resektion der Parotis bei be-nignen Erkrankungen [9] sowie die lapa-roskopische Cholezystektomie, die Kolon-resektion und die Karotisdesobliteration nachgewiesen [10].

In einer weiteren Analyse von über 14.000 Eingriffen wurden die Operati-onszeiten (Hautschnitt bis Ausschleu-sungszeit) bei 62 verschiedenen Proze-duren mit und ohne Weiterbildungsas-sistent verglichen [6]. Bemerkenswert ist, dass bei 16 Prozeduren die weiterzubil-denden „Residents“ kürzere Operations-zeiten aufwiesen, dass aber bei der über-wiegenden Anzahl der Ausbildungsein-griffe längere Operationszeiten der „Re-

sidents“ dokumentiert wurden. Bei einer 4-jährigen Weiterbildungszeit lag die zu-sätzliche Operationszeit für jeden „Resi-dent“ bei 180 h, welche mit zusätzlichen Kosten von 48.000 US-Dollar kalkuliert wurden.

In einer aktuellen Studie aus Deutsch-land wurde die operative Falldauer (Ein-leitung bis Ausleitung) für die laparosko-pische Cholezystektomie zwischen Uni-versitätskliniken mit hohem Anteil von Weiterbildungsassistenten und Kranken-häusern der Grund- und Regelversorgung mit hohem Facharztanteil verglichen [11]. Bei gleicher Prozess- und Ergebnisquali-tät war in den Universitätskliniken sowohl die anästhesiologische Einleitungszeit als auch die Operationszeit (Hautschnitt bis Hautnaht) signifikant länger, welches auf-grund der unterschiedlichen Personal-zusammensetzung auf die stattfindende Weiterbildung zurückgeführt wurde. Die Autoren dieser Studie sehen deshalb Kli-niken mit hohem Weiterbildungsanteil durch das gegenwärtige pauschalierte DRG-Vergütungssystem benachteiligt.

Die vorliegenden Daten zeigen ein-deutig, dass die operative Ausbildung der chirurgischen Weiterbildungsassistenten im OP ein direkter Kostenfaktor ist, da Weiterbildungseingriffe einen relevanten zeitlichen Mehraufwand darstellen und somit die zur Verfügung stehende ope-rative Kapazität einer chirurgischen Ab-teilung reduziert wird. Gleichzeitig wird durch diesen zeitlichen Mehraufwand zusätzliches ärztliches und auch nicht-ärztliches OP-Personal gebunden, sodass hier auch indirekt Personalkosten zu Bu-che schlagen.

Ein weiteres ungeklärtes Kostenpro-blem betrifft die Frage, ob durch man-gelnde Erfahrung junger Weiterbildungs-assistenten, insbesondere in den opera-tiven Fächern, die postoperative Morbidi-tät und Mortalität erhöht wird und damit relevante Folgekosten für den Kranken-hausträger anfallen. Die Untersuchungen, die hierzu vorliegen, wurden in Weiter-bildungssystemen erhoben, die durch ein strukturiertes akademisches Jahr mit fest-gelegten Rotationen der Weiterbildungs-assistenten charakterisiert sind.

In einer ersten großen multizent-rischen, amerikanischen Kohortenstudie aus 2007 konnte an über 2000 Patienten

gezeigt werden, dass mit Einstellung der neuen Weiterbildungsassistenten im Ju-li das 30-Tage-Morbiditätsrisiko chirur-gischer Patienten im Vergleich zum Vor-monat Juni um 18% und das Mortalitätsri-siko um 41% saisonal bedingt ansteigt [12]. Diese als „July-effect“ gemachte Beobach-tung führte zu heftigen Diskussionen um das Weiterbildungssystem. Eine Folgepu-blikation aus England 2008, die über einen Untersuchungszeitraum von 10 Jahren über 16.000 Patienten einschloss, konnte für kardiochirurgische Patienten eben-falls einen saisonal bedingten Anstieg der Mortalität nachweisen. Dieser Anstieg ließ sich mit den 3-monatigen Rotationen der chirurgischen „Residents“ im Rahmen ihres Weiterbildungsprogramms korre-lieren [13]. In beiden zitierten Studien wurden mit dem Personalwechsel auch längere Operationszeiten dokumentiert. Diesen beiden Untersuchungen steht eine aktuelle retrospektive Erhebung aus Ame-rika gegenüber, die bei 7 Standardopera-tionen an über 320.000 Patienten keinen saisonal bedingten Anstieg der Mortalität mehr nachweisen konnte [14].

> Vom „weekend effect“ sind insbesondere große Lehrkrankenhäuser betroffen

Aber nicht nur der jahreszeitliche Wech-sel von ärztlichem Personal, sondern auch die Schichtbesetzung mit unerfahrenen Ärzten am Wochenende scheint das Out-come der Patienten zu beeinflussen. Ei-ne erste Untersuchung aus 2001 kommt zu dem Schluss, dass Patienten mit aku-ten Notfällen (rupturiertes Bauchaorten-aneurysma, akute Epiglotitis und Lungen-embolie) ein erhöhtes Risiko tragen, zu versterben, wenn sie am Wochenende und nicht an einem der Wochentage aufge-nommen werden [15]. Zu gleichen Ergeb-nissen kommt auch eine amerikanische Studie, welche die 50 häufigsten statio-nären Notfalldiagnosen der Notaufnahme analysierte. Den Autoren gab Anlass zur Sorge, dass von diesem sog. „weekend-ef-fect“ insbesondere die großen Lehrkran-kenhäuser betroffen waren [16].

Diese zum Teil widersprüchlichen Da-ten sind immer noch in der Diskussion, da als Ursache dieser Ergebnisse nicht nur die mangelnde Ausbildung der Wei-

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Leitthema

terbildungsassistenten, sondern auch die ungenügende und schlechte Supervision durch die Weiterbilder als möglicher Sys-temfehler erkannt wurde. Da dieses The-ma auch direkt die Patientensicherheit be-trifft, wird das Problem mittlerweile auch in der Öffentlichkeit und der Tagespres-se wahrgenommen [17] – ein Trend, den wir auch zunehmend in Deutschland be-obachten.

Im deutschen Weiterbildungssystem wird ein saisonaler Einfluss auf das Pati-enten-Outcome nicht direkt messbar sein, da die Weiterbildung nicht in strukturier-ten akademischen Jahren aufgebaut ist. Hinsichtlich der mangelnden Weiterbil-dung junger Assistenten und den daraus resultierende Effekten sind die Daten aus den USA und England jedoch übertrag-bar. Auch Krankenhausträger in Deutsch-land müssen hier zusätzliche Ausgaben einkalkulieren, die der Weiterbildung an-zulasten sind, die aber in ihrer Höhe kaum zu beziffern sein werden.

Neben den dargestellten Variablen, welche die Kosten der Weiterbildung be-einflussen, gibt es weitere Faktoren, die in Studien bisher nicht untersucht wurden, von denen man aber einen unmittelbaren Einfluss auf den zusätzlichen finanziellen Bedarf erwarten kann.

Unberücksichtigt bleibt in allen vorlie-genden Analysen, dass natürlich mit zu-nehmenden Arbeitsjahren auch die Er-fahrung wächst und in diesem Sinne ein Facharztanwärter in seinem 6. Weiterbil-dungsjahr nicht mit einem Berufsanfänger gleichgesetzt werden kann, sondern hin-sichtlich seiner Effizienz und Produktivi-tät eher den Fachärzten zugeordnet wer-den muss. Dieser über die Zeit der Weiter-bildung dauernde kontinuierliche Prozess der Produktivitätssteigerung, der auch an die individuelle Lernkurve gebunden ist, wird in allen Kostenanalysen ebenfalls nur schwer zu ermitteln sein.

Weiterhin besteht ein grundsätzlicher Kostenunterschied zwischen den opera-tiven und den traditionell konservativen Fachdisziplinen, da die Lehre einer ma-nuellen Fertigkeit immer an das kosten-intensive Verhältnis eines Weiterbilders und eines Weiterzubildenden gebunden ist. Auch dieses ist bei der möglichen Ver-teilung finanzieller Mittel mit zu berück-sichtigen.

Zusammenfassung · Abstract

Chirurg 2010 · 81:31–37   DOI 10.1007/s00104-009-1756-2© Springer-Verlag 2009

W. Schröder · K. Welcker

Finanzierung der chirurgischen Weiterbildung

ZusammenfassungDie vorliegenden Untersuchungen aus ver-schiedenen Weiterbildungssystemen zeigen, dass die chirurgische Weiterbildung ein rele-vanter Kostenfaktor für den Krankenhausträ-ger ist. Kosten entstehen insbesondere durch verlängerte Operationszeiten mit Bindung des im OP beschäftigten Personals, aber auch eine im Vergleich zum Facharzt geringere Ef-fizienz des Berufsanfängers auf Station. Dem-gegenüber stehen Einsparungen des Kran-kenhausträgers durch die tariflich festgelegte geringere Vergütung des chirurgischen Assis-tenten während seiner Weiterbildungszeit.

Der Umfang einer möglichen Finanzie-rung ist schwer zu ermitteln, da Weiterbil-dung als „training on the job“ stattfindet und deshalb aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Produkte Patientenversorgung und Wei-terbildung (sog. Kuppelproduktion) nur be-dingt voneinander zu trennen sind. Für das deutsche Weiterbildungssystem gibt es kei-ne validen Analysen zu den tatsächlichen Kosten.

Gegenwärtig wird die Weiterbildung indi-rekt durch die Krankenkassen über das DRG-System finanziert. Mögliche Modelle einer Fi-nanzierung sind die Bereitstellung von zu-sätzlichen Mitteln aus dem Gesundheitsfond oder eine Umverteilung durch Zu- oder Ab-schläge der DRG-Pauschalen entsprechend dem prozentualen Anteil an Weiterbildungs-assistenten. Stellungnahmen der beteiligten Spitzenverbände zur Problematik der Finan-zierung zeigen, wie schwierig eine Kompro-misslösung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu erzielen ist. Bei dieser kontroversen Debatte sollte aber berücksichtigt werden, dass eine  hochwertige Weiterbildung junger Kollegen  die entscheidende Grundlage für ein effizi-entes Gesundheitssystem und daher eine  entsprechende Finanzierung unumgäng-lich ist.

SchlüsselwörterWeiterbildungskosten ·  Finanzierung der Weiterbildung

Financing and control of surgical training

AbstractThe present analyses of different surgical training systems show that training of surgi-cal residents significantly contributes to hos-pital costs. These are predominantly caused by prolonged operation times of residents with increased work load for other staff mem-bers in the operating room. In addition, the productivity of surgical residents is less com-pared to experienced surgeons. On the oth-er hand, hospital managements save mon-ey by the lower standard wages paid to the residents.

The amount of educational costs is dif-ficult to determine because surgical train-ing takes place as on the job training. There-fore, from an economic point of view, the two products patient care and surgical training are difficult to separate. There are no reliable cost analyses available for the German train-ing system.

At present surgical training is indirectly  financed by the DRG (diagnosis-related groups) flat rates of the health insurance. Pos-sible options of financing the surgical train-ing are additional funding from the health department or redistribution with supple-mental payment for those surgical depart-ments which contribute significantly more to the residents’ training. Statements of me-dical associations, health departments and health insurances demonstrate the difficul-ty to come to an agreement concerning the finances of the training system. Despite this controversial discussion it should be taken in-to consideration that there is no alternative to a high quality surgical training as this is the basis for an effective health system.

KeywordsTraining costs · Financing of training

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In einer Kostenkalkulation muss eben-falls aufgeführt werden, dass auch der Zeitaufwand für das Lernen der Weiterzu-bildenden ein Kostenfaktor ist, sofern die-se Zeit Teil der Weiterbildung ist und wäh-rend der Arbeitszeit veranschlagt wird.

Methodik der Kostenanalyse

Insgesamt machen diese Ausführungen deutlich, wie schwierig eine Kostenanaly-se der Weiterbildung mit einzelnen Kos-tengruppen im Deutschland sein wird. Die möglichen methodischen Ansätze zur systematischen Erhebung von Weiterbil-dungskosten lassen sich in zwei Gruppen einteilen.

Bei den Tätigkeitsanalysen werden die Arbeitsprozesse von Ärzten so aufgeglie-dert, dass der zeitliche Aufwand für Lehr- und Lernprozesse von anderen Tätig-keiten differenziert werden kann [18, 19]. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht da-rin, dass es Aufschluss über die Beschaf-fenheit von Produktionsprozessen gibt. Nachteile allerdings sind, dass Tätigkeits-analysen überwiegend auf Personalkos-ten fokussiert sind und Sach- und Infra-strukturkosten in weiteren separaten Er-hebungen ermittelt werden müssen. Auch hier bleibt das Problem der „gemischten Tätigkeit“ mit mehreren Produkten, die keine empirische Trennung von Tätig-keitsanteilen erlaubt.

> Belastbare Daten zu den tatsächlichen Kosten der Weiterbildung sind nicht vorhanden

Eine zweite Möglichkeit zur Erhebung der Weiterbildungskosten ist der Klinikver-gleich mit multivariater Analyse. Hierbei werden Kostendifferenzen von Kliniken mit und ohne Weiterbildungsauftrag mit-tels multivariater statistischer Analyse-verfahren ermittelt [20, 21]. Als mögliche Zielvariablen können die jährlichen Be-triebskosten eines Krankenhauses oder die Kosten pro Fall oder pro Kranken-bett herangezogen werden. Der wesent-liche Nachteil dieses Verfahrens besteht aber darin, dass keine differenzierten Rückschlüsse auf einzelne Produktions-prozesse der Weiterbildung möglich sind,

sondern die Weiterbildungskosten nur als Gesamtes erfasst werden.

In der Diskussion um die Weiterbil-dungskosten ist jetzt zu befürchten, dass sich die Ökonomen der Krankenhäuser diesem Arbeitsfeld mit nur schwer über-schaubaren Kostenanalysen bemächti-gen und ein weiteres Instrument zur Re-glementierung ärztlicher Tätigkeit entwi-ckeln. Dieses wird nur zu verhindern sein, wenn von den an der Weiterbildung betei-ligten Spitzenverbänden belastbare Daten erhoben werden, die Grundlage der wei-teren Diskussion sind.

Wer soll die Weiterbildungs­kosten tragen?

Gegenwärtige Finanzierung

Die aktuelle Finanzierung der Weiterbil-dung in Deutschland basiert wie bereits beschrieben nicht auf separat ermittelten und aufgeführten Kostengruppen der ein-zelnen Krankenhausträger, sondern wird über verschiedene Mittel indirekt mitfi-nanziert.

Da die wesentliche Einnahmequel-le der nichtuniversitären Krankenhäuser die DRG-basierten Fallpauschalen sind, wird zurzeit der größte Anteil der Weiter-bildung von den Krankenkassen indirekt finanziert. Bei der gesundheitspolitisch geplanten Umstellung von der dualen auf eine monistische Finanzierung der Kran-kenhäuser ist nicht davon auszugehen, dass hier ein zusätzliches Entgelt für Wei-terbildung von Seiten der Krankenkassen zur Verfügung gestellt wird.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts aus 2001/2004 werden in Deutschland 50.000 Weiterbildungsas-sistenten in 2240 nichtuniversitären Kli-niken ausgebildet. Hierbei liegt der An-teil der Weiterbildungsassistenten bezo-gen auf das gesamte ärztliche Personal durchschnittlich bei 44%. Über 11.000 Weiterbildungsassistenten arbeiten in den 34 Universitätskliniken, die mit 50% einen höheren Anteil an der Weiterbil-dung aller Assistenten tragen. Die Daten zeigen aber auch, dass sich viele Kran-kenhäuser nicht oder nur geringfügig an der Weiterbildung junger Kollegen be-teiligen. Im Gegensatz zu kommunalen Einrichtungen und Krankenhäusern an-

derer Trägerschaft erhalten Universitäts-kliniken von Bund und Ländern zusätz-liche Mittel für Forschung und Lehre, die aber bei der angespannten Haushaltssitu-ation zum Teil für die Querfinanzierung der klinischen Einrichtungen und damit indirekt für die Weiterbildung eingesetzt werden. Hier wird also ungewollt ein ge-wisser Ausgleich für die erhöhte Weiter-bildungslast hergestellt.

> Assistenzärzte zahlen die Gebühren für externe Fortbildungen überwiegend selbst

Wenn es um die Frage der gegenwärtigen Finanzierung geht, darf nicht vergessen werden, dass der in Weiterbildung befind-liche Assistenzarzt bereits einen Teil der finanziellen Last für Weiterbildung mit trägt. Nach aktuellen Umfragen des Be-rufsverbandes der Chirurgen (BDC) be-zahlen die chirurgischen Assistenzärzte die Gebühren für externe Fortbildungs-veranstaltungen überwiegend aus eigener Tasche – ein nicht unerheblicher Kosten-faktor, dem sich viele Krankenhausträger bis heute hartnäckig verweigern [4].

Weiterhin ist die tariflich vereinbarte Vergütung von Nichtfachärzten geringer als bei Fachärzten. Basierend auf den Ge-haltstabellen der aktuellen Tarifverträge spart der Krankenhausträger bei Einstel-lung eines Berufsanfängers bei einer 6-jährigen Weiterbildungszeit 65.000 EUR im Vergleich zur Beschäftigung eines Facharztes (Tarifverträge für Ärzte – TVÄ, Tarifgebiet West, gültig ab Mai 2009). Bei Krankenhäusern mit hohem Anteil von Weiterbildungsassistenten liegt hier ein erhebliches Potenzial zur Einsparung von Personalkosten.

Bei der Diskussion um die Finanzie-rung der Weiterbildung wird angeführt, dass der chirurgische Assistent mit Hin-weis auf andere Berufsgruppen seine Weiterbildung, die überwiegend seinem persönlichen Fortkommen dient, selbst tragen sollte. Aus Sicht der Fachgesell-schaften und des Berufsverbandes ist die-ser Vergleich nur eingeschränkt möglich, da nach der gegenwärtigen Rechtsspre-chung die Weiterbildung und damit der Erwerb eines Facharzttitels notwendige Voraussetzung für die Berufsausübung

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Leitthema

ist. In diesem Punkt unterscheidet sich die chirurgische Weiterbildung grundsätzlich von anderen nichtmedizinischen akade-mischen Berufen.

In diesem Zusammenhang muss die ökonomisch relevante Menge unbezahl-ter Überstunden der chirurgischen As-sistenten erwähnt werden, die von den Krankenhausträgern über viele Jahre still-schweigend einkalkuliert wurde und er-heblich zur Reduktion der Personalkosten beigetragen hat. Diese Einsparungen wer-den mit der strikten Umsetzung des Ar-beitszeitgesetzes geringer ausfallen, sind aber immer noch erheblich. Nach aktu-ellen Umfragen leisten die chirurgischen Berufsanfänger trotz der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes im Durchschnitt im-mer noch 4,6 unbezahlte Überstunden in der Woche [4]. Bei vorsichtiger Hoch-rechnung über 6 Jahre bis zum Facharzt werden hier für jeden chirurgischen Wei-terbildungsassistenten bei einem Brutto-stundenlohn von 30 EUR insgesamt 36.000 EUR eingespart. Insofern trägt der chirurgische Assistent bereits einen Teil seiner Weiterbildungskosten.

Finanzierung der Weiterbildung im Ausland

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern wird die Finanzierung der Weiterbildung diskutiert. Exempla-risch werden kurz die grundsätzlich un-terschiedlichen Finanzierungsmodelle der Schweiz und Amerika vorgestellt.

> Im eidgenössischen System wird die Weiterbildung nicht von den Krankenkassen finanziert

In der Schweiz werden die Kosten der Weiterbildung bis zum Erwerb des Fach-arzttitels über die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die „Verordnungen über die Kostenerfas-sung und Leistungsermittlung“ (VKL) ge-regelt [22]. Verantwortliche Träger dieses Budget „Lehre“ sind die einzelnen Kan-tone, die aber die Weiterbildungskosten in unterschiedlichem Maße bewerten. In einem Leitfaden der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheits-direktoren (GDK) zur leistungsorien-

tierten Spitalplanung aus 2005 wird da-von ausgegangen, dass 20% der Arbeits-zeit der Assistenten für Weiterbildung ein-gerechnet werden muss. Entscheidend ist aber im eidgenössischen System, dass die Weiterbildung nicht von den Krankenkas-sen finanziert wird.

In den USA wird die ärztliche Weiter-bildung von den staatlichen Krankenver-sicherungen Medicare und Medicaid an-teilmäßig finanziert. Hier wird zwischen indirekten und direkten Weiterbildungs-kosten unterschieden. Die indirekten Weiterbildungskosten sind im amerika-nischen Sozialgesetzbuch als Zusatzentgelt für jeden entlassenen Fall festgeschrieben, welche die Krankenhäuser in Abhängig-keit von der Anzahl der Weiterbildungs-assistenten/100 Betten erhalten. Als di-rekte Weiterbildungskosten werden von den Krankenkassen anteilmäßig Gehälter und Sozialleistungen der Assistenzärzte in Weiterbildung übernommen. Die Ar-beitszeitbegrenzung liegt hier bei 80 Wo-chenstunden.

Die Analyse dieser beiden Staaten zei-gen jedoch, dass auch hier keine belastba-ren Zahlen zu den Weiterbildungskosten mit einer validen Kostengruppenanalyse vorliegen [23].

Mögliche Modelle einer Finanzierung in Deutschland

Im Krankenhausfinanzierungsreformge-setz (KHRG) ist mit der Änderung vom März 2009 folgende Passage eingefügt worden:„Bis zum 30. Juni 2009 ist zu prüfen, ob zur sachgerechten Finanzierung der mit der ärztlichen Finanzierung verbundenen Mehrkosten bei der Leistungserbringung Zu- oder Abschläge für bestimmte Leis-tungen oder Leistungsbereiche erforderlich sind; erforderliche Zu- oder Abschläge sol-len möglichst in Abhängigkeit von Quali-tätsindikatoren für die Weiterbildung abge-rechnet werden.“

Mit diesem Gesetzestext wird ledig-lich zur Kenntnis genommen und doku-mentiert, dass ärztliche Weiterbildung Mehrkosten verursacht. Hiermit sind kei-ne konkreten Vorschläge impliziert, son-dern alle möglichen Modelle einer Finan-zierung offen.

Wenn in Deutschland eine separate Fi-nanzierung der Weiterbildung eingeführt werden soll, gibt es nur zwei grundsätz-liche Modelle:Feine Zusatzfinanzierung oderFeine Umverteilung der bestehenden

Finanzierung.

Das Einfordern von zusätzlichen Mitteln für die Weiterbildung aus dem Bundes- und Landeshaushalt oder aus dem Etat der Krankenkassen ist sicherlich schwie-rig. Die verantwortlichen Gesundheitspo-litiker werden auf die klamme Haushalt-situation und den bereits vorliegenden In-vestitionsstau in den Krankenhäuser ver-weisen. Die Krankenkassen werden sich mit dem Argument zurückziehen, dass sie bereits indirekt über die DRG-Vergütung den Löwenanteil an der Finanzierung der Weiterbildung tragen.

Umverteilung zur Finanzierung der Weiterbildung kann nur bedeuten, dass die Krankenhäuser, die weniger weiter-bilden, prozentual auch weniger für er-brachte Patientenbehandlungen vergü-tet bekommen. Man kann den Protest in der Krankenhauslandschaft schon hö-ren, denn schaut man sich die Verteilung der Weiterbildungsassistenten an, wird es mehr Krankenhäuser mit Abschlägen als mit Zuschlägen geben. Wie hier ein Kom-promiss aussehen und mit allen Beteilig-ten erzielt werden kann, insbesondere bei der ungeklärten Frage der tatsäch-lichen Weiterbildungskosten, scheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein unlösbares Problem. Neben einer möglichen Umver-teilung über Zu- und Abschläge der DRG-Pauschalen ist auch eine einmalige Zah-lung an den Krankenhausträger für jede abgeschlossene Weiterbildung mit Fach-arzttitel denkbar.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass diejenige Institution, die für die Weiter-bildung zahlen soll, auch ein Mitsprache-recht bei der Konzeption und Durchfüh-rung der Weiterbildung einfordern wird. Man darf daher gespannt sein, ob bei der anstehenden Diskussion um die Finanzie-rung auch die Befugnisse der Landesärzte-kammern bei der Erstellung der Weiter-bildungsordnungen zur Sprache kom-men.

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Stellungnahmen zur Finanzierung der Weiterbildung

Der gegenwärtige Stand der Diskussion um die Finanzierung wird in den Stel-lungnahmen verschiedener Spitzenver-bände deutlich und soll ergänzend darge-stellt werden.

Auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit (27.–29. Mai 2009, Berlin) vertrat Professor Dr. J.R. Siewert in sei-ner Funktion als 1. Vorsitzender des Ver-bandes der Universitätsklinika Deutsch-lands (VUD) die Meinung, dass eine se-parate On-Top-Finanzierung der Wei-terbildung aufgrund der angespannten Haushaltssituation nur schwer zu reali-sieren sei und deshalb auf eine Umvertei-lung der Mittel gedrängt werden müsse. Hierbei sei grundsätzlich zu klären, was die Förderung der Weiterbildung der Po-litik wert ist und ob es nicht notwendig sei, positive Anreize für das Engagement in der Weiterbildung zu schaffen.

Auf der 115. Hauptversammlung des Marburger Bundes (MB) erteilte dieser dem Versuch die Weiterbildung in zuneh-mendem Maße oder sogar ausschließlich an den Universitätskliniken zu konzent-rieren eine ausdrückliche Absage. Dies würde laut Marburger Bund zu unan-nehmbaren „Flaschenhälsen“ für die ärzt-liche Weiterbildung führen, ohne dass eine Qualitätsverbesserung erzielt würde. Eine zusätzliche Finanzierung in Form von Zu- und Abschlägen im Rahmen des DRG-Sys-tems lehnt der MB als nicht sachgerecht ab. Stattdessen sollte die Unterfinanzie-rung der Krankenhäuser und damit im-plizit der Weiterbildung durch den öko-nomischen Druck des DRG-Systems schnellstmöglich beendet werden. Nach Meinung des MB muss ebenso der Miss-brauch der ärztlichen Arbeitskraft durch ständig wachsende nichtärztliche, organi-satorische und administrative Tätigkeiten beendet werden, da diese Zeit den Wei-terbildern und den Weiterzubildenden nicht zur Verfügung steht. (Beschluss Nr. 9 MB-Hauptversammlung 2009). Sollte es trotz der schwierigen ökonomischen Rah-menbedingungen gelingen, zusätzliche Fi-nanzmittel für die ärztliche Weiterbildung zu erschließen, so dürfte dies nach Auffas-sung von Dr. Andreas Botzlar, 2. Bundes-vorsitzender des MB, ausschließlich durch

die ärztliche Selbstverwaltung adminis-triert und verteilt werden. Denn sobald eine separate Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung zur Rede steht, werden alle, die zu dieser Finanzierung beitragen sol-len, ein Mitspracherecht beim Zugang zur Weiterbildung sowie bei deren Gestaltung reklamieren. Die Zuständigkeit der ärzt-lichen Selbstverwaltung könnte unter die-sen Umständen empfindlich ausgehöhlt werden und in einer planwirtschaftlichen Steuerung der Weiterbildung resultieren, deren Funktionieren und Nützlichkeit im Gegensatz zu ihren Nachteilen laut MB nicht nachgewiesen ist.

Der Beschluss der MB-Hauptver-sammlung Nr. 9 ist weitgehend identisch mit dem Beschluss des 112. Deutschen Ärztetages zur Finanzierung der ärzt-lichen Weiterbildung (Beschlussprotokoll 112. DÄT, Seite 39–47).

> Die AWMF befürworten eine externe Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung

Zur sachgerechten Finanzierung der ärzt-lichen Weiterbildung vertritt die Arbeits-gemeinschaft der Wissenschaftlichen Me-dizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und damit auch der Deutschen Gesell-schaft für Chirurgie dagegen die Auffas-sung, dass angesichts der mangelnden At-traktivität ärztlicher Arbeit im Kranken-haus und eines drohenden Nachwuchs-mangels eine qualitative und struktu-relle Verbesserung der ärztlichen Wei-terbildung dringend erforderlich ist. Eine Finanzierung im DRG-System erscheint bislang nicht berücksichtigt. Dem In-stitut für das Entgeltsystem im Kranken-haus (InEK) fehlen Daten der Kalkula-tionshäuser, um dem der Selbstverwal-tung aufgetragenen gesetzlichen Auftrag der Begleitforschung zum DRG-System, und damit auch der Berechnung der Wei-terbildungskosten, nachzukommen. Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften der AWMF befürworten eine externe Finan-zierung der ärztlichen Weiterbildung au-ßerhalb des DRG-Systems, z. B. durch eine Fondlösung. Bei einem solchen Vergü-tungsmodell könnte nach Ansicht der AWMF auch der Sorge begegnet werden, dass die ärztliche Weiterbildung innerhalb des DRG-Systems monetär bewertet und

so Bestandteil von Budgetverhandlungen und von Bedarfsplanungen für Weiterbil-dungskapazitäten werden könnte (Stel-lungnahme der AWMF zum Kranken-hausfinanzierungsreformgesetz – KHRG, 24.11.2008).

Die im Krankenhausfinanzierungsge-setz enthaltene Forderung nach der Ent-wicklung von Qualitätsindikatoren für die Weiterbildung als Voraussetzung für eine Vergütung wird von der AWMF aus-drücklich befürwortet. Hierzu kommt dem laufenden BÄK-Modell zur Evalua-tion der ärztlichen Weiterbildung eine be-sondere Bedeutung zu.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) dagegen sieht keinen Handlungsbedarf, durch eine Regelung von Zu- und Abschlägen im DRG-System die ärztliche Weiterbildung zu finanzieren (Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 19.11.2008). Nach Ansicht der GKV sind die Kosten der Wei-terbildung schon im Budget der Kranken-häuser enthalten. Ein Förderprogramm kommt nicht in Betracht. Gleichzeitig fordern die Krankenkassen ihr Mitspra-cherecht bei einer möglichen Umvertei-lung der Weiterbildungskosten durch Zu- und Abschläge der weiterbildenden Kran-kenhäuser ein, wobei der relevante Mehr-aufwand der Weiterbildung nach Ansicht der GKV fraglich ist. Der gegenwärtige Facharztmangel hat mit der Einführung des DRG-Systems nichts zu tun und muss nach Auffassung der GKV anderweitig beseitigt werden (Johannes Wolff, GKV Spitzenverband auf dem 8. Nationalem DRG-Forum plus, 30.04.2009)

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) vertritt die Position, dass die Mehr-kosten der ärztlichen Weiterbildung nicht durch Umverteilung, also Zu- und Ab-schläge im bestehenden Vergütungsvolu-men, gedeckt werden können und pragma-tische Lösungen im G-DRG-System nur über extrabudgetäre Zuschläge oder zu-sätzliche Förderprogramme möglich und dringend notwendig sind. Als schnell grei-fendes Instrument schlägt die DKG eine ergänzende Prämie für erfolgreich abge-schlossene Facharztweiterbildungen an die Krankenhäuser vor. Unabhängig da-von vertritt die DKG die Auffassung, dass die Begrenzung der Gesamtproblematik auf das G-DRG-System zu kurz greift und

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Leitthema

der eigentlichen Problematik eines mög-lichen Ärzte- und insbesondere Fachärzte-mangels damit nicht begegnet wird.

Fazit für die Praxis

Bezug nehmend auf die beiden eingangs gestellten Fragen ist festzuhalten, dass die chirurgische Weiterbildung Mehrkos-ten verursacht. Die gegenwärtige Diskus-sion um die Finanzierung wird dadurch erschwert, dass belastbare Daten zu den tatsächlichen Kosten für das deutsche Weiterbildungssystem nicht vorhanden und Erhebungen aus dem Ausland nur bedingt übertragbar sind. Hier ist eine systematische Kostenanalyse notwendig, die von den chirurgischen Berufsverbän-den und Fachgesellschaften in enger Ko-operation mit den Spitzenverbänden er-hoben werden muss. Als Methodik einer solchen Erhebung sind Tätigkeitsanaly-sen aus repräsentativen Index-Kranken-häusern sinnvoll.Aus Sicht der Autoren ist es unabding-bar, bei den Krankenhausträgern, aber auch bei den in leitender Position ver-antwortlichen Chirurgen einen finanziel-len Anreiz für chirurgische Weiterbildung zu schaffen. Nur durch diese Maßnahme ist mittelfristig die Qualität der Weiterbil-dung als Grundlage eines effizienten Ge-sundheitssystems zu sichern. Da die Si-cherstellung der gesundheitlichen Ver-sorgung im Wesentlichen eine staatli-che Aufgabe darstellt, erscheint plausi-bel, die notwendige Finanzierung durch zusätzliche Mittel aus dem Bundes- und Landeshaushalt zu gewährleisten. Eine einmalige Pauschale für den Erwerb des Facharzttitels, dessen Höhe basierend auf den Kostenanalysen noch festgelegt werden muss, ist eine praktikable und transparente Lösung.

KorrespondenzadresseProf. Dr. W. SchröderKlinik für Allgemein-, Visceral- und  Tumorchirurgie der Universität zu Köln,Kerpener Straße 62, 50937 Kö[email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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