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Börsen-Zeitung, 16.3.2011 Die Welt des „New Normal“ nach der Finanzmarktkrise wird Banken dauerhaft vor große Herausforderun- gen stellen. Schließlich ist kein Wirt- schaftszweig infolge der Krise und ihrer Nachwirkungen mehr dem Wandel unterworfen als die Banken- branche. Die wesentlichen Treiber der Veränderung sind bekannt: (i) neue und schärfere Regulierung, (ii) Rückgewinnung von Vertrauen, (iii) auf Kundenanforderungen zuge- schnittene Geschäftsmodelle mit in der Folge veränderten Ertrags- und Kostenstrukturen. Im vierten Jahr der Krise Nüchtern betrachtet, befinden wir uns im vierten Jahr der Bankenkrise. Dieser Zustand spiegelt auch der Kapitalmarkt wider: Der Euro Stoxx Banken verlor im Jahr 2010 rund 18 % an Wert, während der Euro Stoxx 50 sein Niveau halten konnte und der Dax 30 sogar rund 20 % an Wert gewann. Die Geld- beschaffung im Interbankenmarkt läuft weiterhin nicht störungsfrei, und einige Marktteilnehmer sind unverändert von den Vollzuteilun- gen der Europäischen Zentralbank (EZB) abhängig. Unterdessen ver- weilen die Liquiditätsbeschaffungs- kosten der Banken auf einem atem- beraubend hohen Niveau. Wenn sich aber Unternehmen am Kapital- markt ähnlich günstig wie Banken refinanzieren, wird beispielsweise ein im Wesentlichen auf Kreditver- gabe ausgerichtetes Geschäftsmo- dell kaum überleben können. Erschwerend kommt hinzu, dass (nicht hypothekenunterlegte) Kre- dite mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr künftig fristenkongruent zu refinanzieren sind und somit wichtige Erträge aus Fristentransfor- mation fehlen werden. In der Folge werden die Margen für langfristige Bankkredite merklich anziehen. Zwar wird der Markt für alternative, kapitalmarktorientierte Finanzie- rungsinstrumente hiervon profitie- ren und sich dynamisch entwickeln, jedoch werden Banken in diesem Veränderungsprozess nur dann noch eine Rolle spielen, wenn sie als Arrangeur Nutzen stiften durch Schaffung von Qualität im Prozess, Exekutionssicherheit und Zugang zu den passenden Investoren. Ohnehin müssen Banken in Zukunft ungleich mehr investieren, um den Mehrwert ihrer Leistungen zu vermit- teln. Das in der Finanz- marktkrise verloren gegangene Vertrauen wird sich erst über Jahre intensiver und glaubwürdiger Partner- schaft mit Kunden und Marktteilnehmern zu- rückgewinnen lassen. Die gute Nachricht ist, dass die Voraussetzun- gen dafür geradezu ideal erscheinen. Das „New Normal“ im Wirt- schaftsgeschehen dieser Dekade wird geprägt sein von hoher Unsi- cherheit und Schwankungsanfällig- keit bei für Investoren und Unter- nehmen gleichermaßen wichtigen Risikoparametern wie Liquidität, Zinsen, Währungen, Rohstoffe, Energiepreise, Immobilienmärkte oder Kreditwürdigkeit von Staaten. Dadurch werden die Akteure ihre Entscheidungen nur mit Hilfe kom- petenter und transparenter Bera- tung vornehmen können. Das wird der entscheidende Fak- tor in der Kunde-Bank-Beziehung sein: Vertrauen schaffen durch ehrli- che Aufklärung. Und hierfür werden Kunden auch weiterhin bereit sein, einen angemessenen Preis zu bezah- len. Es mutet in diesem Zusammen- hang geradezu grotesk an, dass Regierungen sich aufgerufen fühlen, zum Wohle der Anleger den Um- gang zwischen Kunde und Bank im Detail regeln zu müssen – bis hin zur Einführung eines Registers für ca. 300 000 Bankberater in Deutsch- land. Der Kunde wünscht nicht seine eigene Entmündigung. Stattdessen erwartet er ein Mehr an individuel- ler Beratungszeit und keine zeitfres- senden administrativen Formalitä- ten wie Beratungsprotokolle. Regula- torischer „Overkill“ am Kunden wird zwangläufig nicht zu einer besseren Qualität in der Beratung führen. Weniger wäre mehr Im Konsens der Expertenmeinun- gen gibt es zwei große Säulen, die als regulatorische Initiativen geeig- net erscheinen, das Finanzsystem auf Stabilität auszurichten. Erstens Maßnahmen, die die Wahrschein- lichkeit von Schocks reduzieren. Hie- runter fallen Kapitalanforderungen, Liquiditätsstandards, antizyklische Kapitalpuffer, Transparenz, aber auch eine makroprudenzielle Auf- sicht. Zweitens Maßnahmen, die Spill-over-Effekte begrenzen. Hierzu gehören Stärkung der Marktinfra- struktur, Finanzsektorabgaben, In- solvenzregime, Sanierungs- und Re- strukturierungsregime, Reform der Einlagensicherung. Darüber hinaus gehende Initiativen wie Größenbe- grenzungen von Banken, Leverage Ratio, Trennbankensystem („Volcker Rule“) oder Vergütungsbeschränkun- gen entstammen einem kurzsichti- gen politischen Reflex und werden nicht zum Ziel führen, sind aber in Teilen bereits beschlossen. „Weniger ist mehr“ ist man versucht zu sagen. Kluge, qualitativ hochwertige und in- ternational abgestimmte Regulie- rung ist vonnöten, um das Ziel der Systemstabilisierung zu erreichen. Neuer Stakeholder am Tisch Wie immer die finale Ausprägung aller Regulierungsmaßnahmen letzt- lich aussehen wird, die organisatori- schen Herausforderungen zur Adap- tion, Umsetzung und Steuerung der hochkomplexen Maßnahmenpakete sind gewaltig. Und die deutlich stei- gende Frequenz der Überprüfungen durch die Aufsicht wird die Banken zwingen, hierfür dauerhaft hochqua- lifizierte, teure Mitarbeiterkapazitä- ten vorzuhalten. Es ist in diesem Zusammenhang zu konstatieren, dass mit den Regierungen ein neuer, wichtiger Stakeholder am Tisch der Banken sitzt. Aufbau und Pflege des Dialogs zu Regierungsvertretern kön- nen nicht mehr nur am Rande erfol- gen. Umso wichtiger wird auch in Zukunft eine konsistente, leistungs- starke und Vertrauen schaffende Bankenverbandsarbeit sein. Die Auswirkungen der neuen Kapi- talunterlegungsvorschriften indes wirken unmittelbar auf die Fähigkeit der Banken, profitabel zu wirtschaf- ten. Wenn die Mindestanforderung für die Kernkapitalquote von 2 % auf 7 % (inklusive Capital Conservation Buffer) erhöht wird, gleichzeitig bestehende Kapitalelemente nicht mehr auf das Kernkapital anrechen- bar sind und zusätzlich das Risikoge- wicht der meisten Aktiva deutlich steigen wird, sind Szenarien, in de- nen das neue regulatorische Kernka- pital im einzelnen Fall bis zum Fak- tor zehn erhöht werden muss, nicht auszuschließen. Nun ist hartes Eigen- kapital für Banken eine knappe Res- source und weder am Kapitalmarkt noch durch Beiträge bestehender Eigentümer beliebig abrufbar. Inso- fern werden massive Anstrengungen bei der Optimierung der risikoge- wichteten Aktiva einerseits und der Steigerung der Profitabilität anderer- seits unternommen werden. Es ist zu erwarten, dass Banken Positionen im Trading Book, bei De- rivaten, Verbriefungen und Proprie- tary Investments konsequent zuguns- ten von renditearmen, aber liquiden Positionen wie Cash und Staatsanlei- hen reduzieren. Daneben wird die Umschichtung von langfristiger zu kurzfristiger Kreditvergabe erfolgen. Als bewusst in Kauf genommene Nebenwirkung wird die neue, deut- lich risikoärmere Bankbilanz ceteris paribus weniger Erträge erwirtschaf- ten und somit auf die zweite Stoß- richtung der Anstrengungen – die Steigerung der Profitabilität – kon- trär wirken. Zudem wird die Bereini- gung der Bilanzen in vielen Fällen noch zu einmaligen Verlusten füh- ren, mit entsprechender Belastung für das Eigenkapital. Umso heftiger wird die vor uns liegende Dekade von Kostensenkungsmaßnahmen begleitet werden, nicht zuletzt auch, um die Attraktivität des Eigenkapi- tals von Banken wieder zu erhöhen. Unbegründete Sorge Es braucht daher nicht viel Fanta- sie, um sich vorzustellen, dass der Prozess des Umbruchs eine weitere Konsolidierungswelle im Banken- markt auslösen wird, an dessen Ende zwar weniger, dafür aber sta- bile Institute mit leistungs- und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen stehen werden. Die Sorge, dass durch das Entstehen größerer Ban- ken wiederum Instabilitäten ausge- löst werden, ist in diesem Zusam- menhang unbegründet. Nicht die Größe einer Bank schafft Gefahren, sondern schlechtes Management. Corporate Governance, Transpa- renz, Risiko- und Liquiditätsmanage- ment, Konzentration auf Kernkompe- tenzen, kompetente und motivierte Mitarbeiter und ein Vergütungssys- tem, das nachhaltigen Unterneh- menserfolg fördert, sind für Banken auch in Zukunft die entscheidenden Erfolgsfaktoren. Und eine der erfreulichsten Er- kenntnisse aus der Finanzmarktkrise ist, dass sich Geschäftsmodelle insbe- sondere dann als tragfähig erwei- sen, wenn sie das Kundengeschäft in den Mittelpunkt stellen und auf lang- fristige, partnerschaftliche Geschäfts- beziehungen ausgerichtet sind. Inso- fern überwiegt trotz der Herausfor- derungen die Zuversicht, dass der Umbruchprozess am Ende erfolg- reich gestaltet werden wird. Und als Orientierungspunkt auf dem Weg zum Ziel wird es für Marktteilneh- mer wichtig sein zu sehen, dass Vor- reiter in der Branche in der Lage sind, alle wesentlichen Regulierungs- schritte bereits bis zum Jahr 2013 umgesetzt und etabliert zu haben. Aus dem Inhalt Umbruch wird weitere Konsolidie- rungen bei Banken auslösen Von Tilman Wittershagen B1 Frankfurt bleibt für die Auslands- banken attraktiv Von Stefan Winter und Joachim von Schorlemer B8 Regulierungen sollten Interessen der Emittenten reflektieren Von Prof. Dr. Rüdiger von Rosen B2 In der Unternehmensfinanzierung sind klare Trends erkennbar Von Dr. Tom Oliver Schorling und Clemens Niedner B8 Die neuen Aufgaben der Finanz- marktstabilisierungsanstalt Von Dr. Hannes Rehm B2 Mit Mittelstandsanleihen erste Schritte am Kapitalmarkt wagen Von Nico Baader B9 Sonderregeln für systemrelevante Kreditinstitute kommen voran Von Prof. Dr. Franz-Christoph Zeitler B4 Anlageklasse Aktien gewinnt an Popularität Von Klaus Schinkel B9 Banken-IT der Zukunft braucht Offenheit und mehr Transparenz Von Thomas Ullrich B5 Ausländische Anleger bevorzugen Büroimmobilien Von Marcus Lemli B 10 Asset Management „Made in Germany“ wächst weiter Interview mit Stefan Seip B5 Börse Frankfurt als Impulsgeber nicht zu ersetzen Von René Parmantier B 11 Gefragter Berater und Partner im Ausland Von Dr. Lutz Raettig B6 Starkes Finanzzentrum bedarf kompetenter Berichterstattung Von Dr. Markus Gerhard B 11 Frankfurt – Mittelpunkt eines der dynamischsten Gebiete Europas Von Dr. Mathias Müller B6 Charterholder finden besser durch das Dickicht der Finanzmärkte Von Harald Bareit B 12 Globales Netzwerk der Finanzplätze wird unabdingbar Von Prof. Dr. Michael Heise und Dr. Ulrich Kater B7 Von Tilman Wittershagen Vorstandsvorsitzender des Bankenverbandes Hessen e.V. Finanzplatz Frankfurt Umbruch wird weitere Konsolidierungen bei Banken auslösen Nicht Größe schafft Gefahren, sondern schlechtes Management – Geschäftsmodelle sind besonders tragfähig, wenn das Kundengeschäft im Mittelpunkt steht Mittwoch, 16. März 2011 Sonderbeilage Börsen-Zeitung Nr. 52 B1

Finanzplatz Frankfurt

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Page 1: Finanzplatz Frankfurt

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Die Welt des „New Normal“ nachder Finanzmarktkrise wird Bankendauerhaft vor große Herausforderun-gen stellen. Schließlich ist kein Wirt-schaftszweig infolge der Krise undihrer Nachwirkungen mehr demWandel unterworfen als die Banken-

branche. Die wesentlichen Treiberder Veränderung sind bekannt: (i)neue und schärfere Regulierung, (ii)Rückgewinnung von Vertrauen, (iii)auf Kundenanforderungen zuge-schnittene Geschäftsmodelle mit inder Folge veränderten Ertrags- undKostenstrukturen.

Im vierten Jahr der Krise

Nüchtern betrachtet, befinden wiruns im vierten Jahr der Bankenkrise.Dieser Zustand spiegelt auch derKapitalmarkt wider: Der Euro StoxxBanken verlor im Jahr 2010 rund18 % an Wert, während derEuro Stoxx 50 sein Niveau haltenkonnte und der Dax 30 sogar rund20 % an Wert gewann. Die Geld-beschaffung im Interbankenmarktläuft weiterhin nicht störungsfrei,und einige Marktteilnehmer sindunverändert von den Vollzuteilun-gen der Europäischen Zentralbank(EZB) abhängig. Unterdessen ver-weilen die Liquiditätsbeschaffungs-kosten der Banken auf einem atem-beraubend hohen Niveau. Wennsich aber Unternehmen am Kapital-markt ähnlich günstig wie Bankenrefinanzieren, wird beispielsweiseein im Wesentlichen auf Kreditver-gabe ausgerichtetes Geschäftsmo-dell kaum überleben können.

Erschwerend kommt hinzu, dass(nicht hypothekenunterlegte) Kre-dite mit einer Laufzeit von mehr alseinem Jahr künftig fristenkongruentzu refinanzieren sind und somitwichtige Erträge aus Fristentransfor-mation fehlen werden. In der Folgewerden die Margen für langfristigeBankkredite merklich anziehen.Zwar wird der Markt für alternative,kapitalmarktorientierte Finanzie-rungsinstrumente hiervon profitie-ren und sich dynamisch entwickeln,jedoch werden Banken in diesem

Veränderungsprozess nur dann nocheine Rolle spielen, wenn sie alsArrangeur Nutzen stiften durchSchaffung von Qualität im Prozess,Exekutionssicherheit und Zugang zuden passenden Investoren.

Ohnehin müssen Banken inZukunft ungleich mehr investieren,

um den Mehrwert ihrerLeistungen zu vermit-teln. Das in der Finanz-marktkrise verlorengegangene Vertrauenwird sich erst überJahre intensiver undglaubwürdiger Partner-schaft mit Kunden undMarktteilnehmern zu-rückgewinnen lassen.Die gute Nachricht ist,dass die Voraussetzun-gen dafür geradezuideal erscheinen. Das„New Normal“ im Wirt-

schaftsgeschehen dieser Dekadewird geprägt sein von hoher Unsi-cherheit und Schwankungsanfällig-keit bei für Investoren und Unter-nehmen gleichermaßen wichtigenRisikoparametern wie Liquidität,Zinsen, Währungen, Rohstoffe,Energiepreise, Immobilienmärkteoder Kreditwürdigkeit von Staaten.Dadurch werden die Akteure ihreEntscheidungen nur mit Hilfe kom-petenter und transparenter Bera-tung vornehmen können.

Das wird der entscheidende Fak-tor in der Kunde-Bank-Beziehungsein: Vertrauen schaffen durch ehrli-che Aufklärung. Und hierfür werdenKunden auch weiterhin bereit sein,einen angemessenen Preis zu bezah-len. Es mutet in diesem Zusammen-hang geradezu grotesk an, dassRegierungen sich aufgerufen fühlen,zum Wohle der Anleger den Um-gang zwischen Kunde und Bank imDetail regeln zu müssen – bis hin zurEinführung eines Registers für ca.300 000 Bankberater in Deutsch-land. Der Kunde wünscht nicht seineeigene Entmündigung. Stattdessenerwartet er ein Mehr an individuel-ler Beratungszeit und keine zeitfres-senden administrativen Formalitä-ten wie Beratungsprotokolle. Regula-torischer „Overkill“ am Kunden wirdzwangläufig nicht zu einer besserenQualität in der Beratung führen.

Weniger wäre mehr

Im Konsens der Expertenmeinun-gen gibt es zwei große Säulen, dieals regulatorische Initiativen geeig-net erscheinen, das Finanzsystemauf Stabilität auszurichten. ErstensMaßnahmen, die die Wahrschein-lichkeit von Schocks reduzieren. Hie-runter fallen Kapitalanforderungen,Liquiditätsstandards, antizyklischeKapitalpuffer, Transparenz, aber

auch eine makroprudenzielle Auf-sicht. Zweitens Maßnahmen, dieSpill-over-Effekte begrenzen. Hierzugehören Stärkung der Marktinfra-struktur, Finanzsektorabgaben, In-solvenzregime, Sanierungs- und Re-strukturierungsregime, Reform derEinlagensicherung. Darüber hinausgehende Initiativen wie Größenbe-grenzungen von Banken, LeverageRatio, Trennbankensystem („VolckerRule“) oder Vergütungsbeschränkun-gen entstammen einem kurzsichti-gen politischen Reflex und werdennicht zum Ziel führen, sind aber inTeilen bereits beschlossen. „Wenigerist mehr“ ist man versucht zu sagen.Kluge, qualitativ hochwertige und in-ternational abgestimmte Regulie-rung ist vonnöten, um das Ziel derSystemstabilisierung zu erreichen.

Neuer Stakeholder am Tisch

Wie immer die finale Ausprägungaller Regulierungsmaßnahmen letzt-lich aussehen wird, die organisatori-schen Herausforderungen zur Adap-tion, Umsetzung und Steuerung derhochkomplexen Maßnahmenpaketesind gewaltig. Und die deutlich stei-gende Frequenz der Überprüfungendurch die Aufsicht wird die Bankenzwingen, hierfür dauerhaft hochqua-lifizierte, teure Mitarbeiterkapazitä-ten vorzuhalten. Es ist in diesem

Zusammenhang zu konstatieren,dass mit den Regierungen ein neuer,wichtiger Stakeholder am Tisch derBanken sitzt. Aufbau und Pflege desDialogs zu Regierungsvertretern kön-nen nicht mehr nur am Rande erfol-gen. Umso wichtiger wird auch inZukunft eine konsistente, leistungs-starke und Vertrauen schaffendeBankenverbandsarbeit sein.

Die Auswirkungen der neuen Kapi-talunterlegungsvorschriften indeswirken unmittelbar auf die Fähigkeitder Banken, profitabel zu wirtschaf-ten. Wenn die Mindestanforderungfür die Kernkapitalquote von 2 % auf7 % (inklusive Capital ConservationBuffer) erhöht wird, gleichzeitigbestehende Kapitalelemente nichtmehr auf das Kernkapital anrechen-bar sind und zusätzlich das Risikoge-wicht der meisten Aktiva deutlichsteigen wird, sind Szenarien, in de-nen das neue regulatorische Kernka-pital im einzelnen Fall bis zum Fak-tor zehn erhöht werden muss, nichtauszuschließen. Nun ist hartes Eigen-kapital für Banken eine knappe Res-source und weder am Kapitalmarktnoch durch Beiträge bestehenderEigentümer beliebig abrufbar. Inso-fern werden massive Anstrengungenbei der Optimierung der risikoge-wichteten Aktiva einerseits und derSteigerung der Profitabilität anderer-seits unternommen werden.

Es ist zu erwarten, dass BankenPositionen im Trading Book, bei De-rivaten, Verbriefungen und Proprie-tary Investments konsequent zuguns-ten von renditearmen, aber liquidenPositionen wie Cash und Staatsanlei-hen reduzieren. Daneben wird dieUmschichtung von langfristiger zukurzfristiger Kreditvergabe erfolgen.Als bewusst in Kauf genommeneNebenwirkung wird die neue, deut-lich risikoärmere Bankbilanz ceterisparibus weniger Erträge erwirtschaf-ten und somit auf die zweite Stoß-richtung der Anstrengungen – dieSteigerung der Profitabilität – kon-trär wirken. Zudem wird die Bereini-gung der Bilanzen in vielen Fällennoch zu einmaligen Verlusten füh-ren, mit entsprechender Belastungfür das Eigenkapital. Umso heftigerwird die vor uns liegende Dekadevon Kostensenkungsmaßnahmenbegleitet werden, nicht zuletzt auch,um die Attraktivität des Eigenkapi-tals von Banken wieder zu erhöhen.

Unbegründete Sorge

Es braucht daher nicht viel Fanta-sie, um sich vorzustellen, dass derProzess des Umbruchs eine weitereKonsolidierungswelle im Banken-markt auslösen wird, an dessenEnde zwar weniger, dafür aber sta-bile Institute mit leistungs- und

zukunftsfähigen Geschäftsmodellenstehen werden. Die Sorge, dassdurch das Entstehen größerer Ban-ken wiederum Instabilitäten ausge-löst werden, ist in diesem Zusam-menhang unbegründet. Nicht dieGröße einer Bank schafft Gefahren,sondern schlechtes Management.Corporate Governance, Transpa-renz, Risiko- und Liquiditätsmanage-ment, Konzentration auf Kernkompe-tenzen, kompetente und motivierteMitarbeiter und ein Vergütungssys-tem, das nachhaltigen Unterneh-menserfolg fördert, sind für Bankenauch in Zukunft die entscheidendenErfolgsfaktoren.

Und eine der erfreulichsten Er-kenntnisse aus der Finanzmarktkriseist, dass sich Geschäftsmodelle insbe-sondere dann als tragfähig erwei-sen, wenn sie das Kundengeschäft inden Mittelpunkt stellen und auf lang-fristige, partnerschaftliche Geschäfts-beziehungen ausgerichtet sind. Inso-fern überwiegt trotz der Herausfor-derungen die Zuversicht, dass derUmbruchprozess am Ende erfolg-reich gestaltet werden wird. Und alsOrientierungspunkt auf dem Wegzum Ziel wird es für Marktteilneh-mer wichtig sein zu sehen, dass Vor-reiter in der Branche in der Lagesind, alle wesentlichen Regulierungs-schritte bereits bis zum Jahr 2013umgesetzt und etabliert zu haben.

Aus dem InhaltUmbruch wird weitere Konsolidie-rungen bei Banken auslösenVon Tilman Wittershagen B 1

Frankfurt bleibt für die Auslands-banken attraktivVon Stefan Winter undJoachim von Schorlemer B 8

Regulierungen sollten Interessender Emittenten reflektierenVon Prof. Dr. Rüdiger von Rosen B 2

In der Unternehmensfinanzierungsind klare Trends erkennbarVon Dr. Tom Oliver Schorling undClemens Niedner B 8

Die neuen Aufgaben der Finanz-marktstabilisierungsanstaltVon Dr. Hannes Rehm B 2

Mit Mittelstandsanleihen ersteSchritte am Kapitalmarkt wagenVon Nico Baader B 9

Sonderregeln für systemrelevanteKreditinstitute kommen voranVon Prof. Dr. Franz-Christoph Zeitler B 4

Anlageklasse Aktien gewinntan PopularitätVon Klaus Schinkel B 9

Banken-IT der Zukunft brauchtOffenheit und mehr TransparenzVon Thomas Ullrich B 5

Ausländische Anleger bevorzugenBüroimmobilienVon Marcus Lemli B 10

Asset Management „Made inGermany“ wächst weiterInterview mit Stefan Seip B 5

Börse Frankfurt als Impulsgebernicht zu ersetzenVon René Parmantier B 11

Gefragter Berater und Partnerim AuslandVon Dr. Lutz Raettig B 6

Starkes Finanzzentrum bedarfkompetenter BerichterstattungVon Dr. Markus Gerhard B 11

Frankfurt – Mittelpunkt eines derdynamischsten Gebiete EuropasVon Dr. Mathias Müller B 6

Charterholder finden besser durchdas Dickicht der FinanzmärkteVon Harald Bareit B 12

Globales Netzwerk der Finanzplätzewird unabdingbarVon Prof. Dr. Michael Heise undDr. Ulrich Kater B 7

VonTilman Wittershagen

Vorstandsvorsitzenderdes BankenverbandesHessen e.V.

Finanzplatz FrankfurtUmbruch wird weitere Konsolidierungen bei Banken auslösen

Nicht Größe schafft Gefahren, sondern schlechtes Management – Geschäftsmodelle sind besonders tragfähig, wenn das Kundengeschäft im Mittelpunkt steht

Mittwoch, 16. März 2011 Sonderbeilage Börsen-Zeitung Nr. 52 B 1

Page 2: Finanzplatz Frankfurt

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Ein attraktiver Finanzplatz, an demreibungslos Kapital zwischen Anbie-tern und Nachfragern vermitteltwird, ist für eine Volkswirtschaft einabsolutes Muss. Das belegen unzäh-lige ökonomische Studien zu denAuswirkungen der Funktionsfähig-

keit der Kapitalmärkte auf die volks-wirtschaftliche Entwicklung.

Aus Sicht der kapitalmarktorien-tierten Unternehmen manifestiertsich die Attraktivität eines Finanz-platzes vor allem in den Bedingun-gen, unter denen externe Finanzie-rungsmittel für die Investition inWachstum und Beschäftigung einge-worben werden können. Je kosten-günstiger der Zugang zu Eigen- undFremdkapital und je höher die Quali-tät der im Zusammenhang mit demKapitalmarktzugang erbrachtenDienstleistungen und der Kapital-marktinfrastruktur sind, desto attrak-tiver zeigt sich grundsätzlich auchder Finanzplatz.

Qualität muss stimmen

Hinzu kommt eine entscheidendeDimension: Die Qualität der regu-latorischen Rahmenbedingungenmuss stimmen, damit Finanzierun-gen über den Kapitalmarkt im Allge-meinen und den Aktienmarkt im Be-sonderen attraktiv erscheinen. Gene-rell bedeutet dies, die Investoren

durch geeignete Kapitalmarktregelnin ausreichendem Maße zu schüt-zen, ohne die börsennotierten Unter-nehmen in ihren Freiheiten über Ge-bühr einzuschränken oder mit unnö-tiger Bürokratie zu belasten. Sonstfehlt es entweder an dem einen oderdem anderen: dem Angebot an Kapi-

tal oder der Nachfragedanach.

Die Emissionsstatistikdes vergangenen Jahresdeutet eher darauf hin,dass auf der Nachfrage-seite durchaus Optimie-rungspotenzial besteht.Zwar wagten im Jahr2010 wieder fünf Unter-nehmen im reguliertenMarkt und weitere 33 inden Segmenten des Frei-verkehrs den Gang aufdas Parkett. Mit einemPlatzierungsvolumen

von lediglich 2,3 Mrd. Euro blieb daserhoffte und viel beschworene Jahrder Börsengänge allerdings aus.

Natürlich gibt es hierfür auch an-dere Gründe, so zum Beispiel dasschwindende Fundament deutscherAktionäre oder die mentalitätsbe-dingte Zurückhaltung gegenüber Ka-pitalmarktfinanzierungen unter vie-len mittelständischen Unternehmen.Zurückhaltung herrscht aber auchaufgrund der Angst, dass die regula-torischen Anforderungen insbeson-dere an Transparenz und Unterneh-mensführung, die mit dem Börsen-gang zu erfüllen sind, eine zu hoheKostenbelastung und einen signifi-kanten Verlust an Flexibilität darstel-len könnten.

Diese Angst ist alles andere als un-begründet. Unbestritten hat das Re-gulierungsrad mit der jüngsten Wirt-schafts- und Finanzkrise auf interna-tionaler, europäischer und nationa-ler Ebene neuen Schwung erhalten.Die Initiativen, die grundsätzlich dieStabilität des gesamten Finanzsys-tems erhöhen sollen, betreffen zwarzum größten Teil den Bankensektor.

Unter dem Schlagwort „Krisenbewäl-tigung“ werden aber zurzeit auchRegelungen diskutiert oder geän-dert, die in unterschiedlicher Artund Weise den Aktienmarkt, alsoetablierte sowie potenzielle Emitten-ten, betreffen. Und dies leider oft ineiner Weise, die nicht dazu angetanist, den Sprung in den Kapitalmarktmit Freude zu vollziehen.

Kritik an Bewährtem

Am deutlichsten ist dies im Hin-blick auf die Corporate-Governance-Debatte. Sowohl auf nationaler alsauch europäischer Ebene wird dieKritik an bewährten Instrumentender Selbstregulierung immer lauter,

so auch am Deutschen CorporateGovernance Kodex. Von verschiede-nen Seiten wird insbesonderebemängelt, dass die Unternehmenden Empfehlungen zu wenig Rech-nung tragen würden. Diese Aussagelässt sich aber empirisch nicht bestä-tigen. Ganz im Gegenteil befolgtendie Dax-Konzerne, die oftmals Ziel-scheibe der öffentlichen Kritik sind,im Jahr 2010 96,3 % aller Empfeh-lungen und begründen bei den ver-bleibenden 3,7 %, warum genaudiese Empfehlungen bei den betref-fenden Unternehmen nicht angemes-sen oder sinnvoll anwendbar sind.

Das Grundprinzip „Comply or Ex-plain“ ist damit zu 100 % erfüllt. Ent-sprechend geht die Unterstellung,dass alle Kodexempfehlungen von al-len Unternehmen vollständig umge-setzt werden müssten, an der Inten-tion dieser Selbstregulierung vorbei.Ganz im Gegenteil soll der Kodexden börsennotierten Gesellschaftenden notwendigen Spielraum lassen,selbst zu entscheiden, welcheEmpfehlung im Einzelfall sinnvollerWeise umgesetzt wird und welchenicht.

Auf der Basis dieser Informatio-nen kann sich jeder Anleger einUrteil bilden, ob er mit der Qualitätder Corporate Governance des Un-ternehmens zufrieden ist. DiesesUrteil kann dann bei der Entschei-dung, eine Aktie zu kaufen, zu hal-ten oder zu verkaufen, berücksich-tigt werden.

Der wesentliche Vorteil von Kodex-empfehlungen gegenüber starrengesetzlichen Regelungen ist also dieflexible Anwendung grundsätzlichrichtiger, aber nicht in jedem Einzel-fall sinnvoller Empfehlungen. Maß-stab hierfür sind die unternehmens-spezifischen Anforderungen und dieBedürfnisse der Investoren. Ein weit-gehender Ersatz der Kodexempfeh-lungen durch den Gesetzgeber wider-spricht dem Geist dieses Selbstregu-lierungsmechanismus und beein-trächtigt die Attraktivität der Börsen-notiz sowohl für an der Börse etab-lierte Unternehmen als auch für Bör-senaspiranten.

Überreaktionen festzustellen

Die Diskussion um den Kodexoder vergleichbare Regelungen in an-deren europäischen Ländern offen-bart den übertriebenen Regulie-rungseifer des Gesetzgebers, wennes darum geht, Verhaltensregeln fürbörsennotierte Unternehmen neu zudefinieren. Der Attraktivität derBörse als Finanzierungsquelle dientdas gerade nicht, auch wenn viel-

leicht das Gegenteil beabsichtigt ist.Weitere Beispiele für regulatorischeÜberreaktionen lassen sich im Be-reich der Fremdfinanzierungen iden-tifizieren. So bestehen auf Seiten derEU-Kommission Überlegungen, dieVergütungsprinzipien der Rating-agenturen grundsätzlich in Frage zustellen. Diskutiert wird, ob Ratingskünftig nicht mehr von den Emitten-ten, sondern von den Investoren in

Auftrag gegeben und bezahlt wer-den sollen. Damit soll Interessenkon-flikten im bestehenden System vor-gebeugt werden.

Hintergrund der Debatte ist derWunsch, die Funktionsfähigkeit desRatingmarktes zu verbessern. Eswird jedoch übersehen, dass eine ge-setzlich verordnete Umstellung desVergütungsmodells das praktisch un-lösbare Problem aufwerfen würde,wie das bislang öffentliche Gut „Ra-tingnote“ exklusiv für zahlende In-vestoren angeboten werden kann.Die technologischen Möglichkeitenmachen Versuche, Informationen zu-verlässig lediglich einem Kreis zah-lender Kunden zukommen zu las-sen, heute nahezu unmöglich. Dem-entsprechend dürfte auch die Bereit-schaft gering sein, für ein Rating zuzahlen. Wenn sich aber unter den In-vestoren niemand findet, der für einRating zahlt, wird über kurz oder

lang auch das Angebot ausbleiben.Im Extremfall käme der Ratingmarktzum Erliegen; wichtige Dienstleisterder Investoren würden ausfallen.Weder Emittenten noch Investorenwäre damit geholfen.

Die beiden Beispiele zeigen, dassaus Emittentensicht die Regulierungeine wesentliche Dimension derQualität des Finanzplatzes ist. Regu-lierungen müssen den komplexenWirkungszusammenhängen an denKapitalmärkten Rechnung tragen,damit Finanzplätze ihre Funktionerfüllen können. Sonst nützen alleArgumente für die Kapitalmarkt-finanzierung, ein breites Angebot anDienstleistungen sowie eine techno-logisch hochwertige Infrastrukturwenig.

Beim AnsFuG gut gelungen

Man kann nicht oft genug daraufhinweisen, dass die Rahmenbedin-gungen die Interessen von börsenno-tierten Unternehmen reflektierensollten, ohne dabei den Investoren-schutz aus den Augen zu verlieren.Beim Gesetz zur Verbesserung desAnlegerschutzes und der Funktions-fähigkeit des Kapitalmarkts (Ans-FuG), das im Februar 2011 verab-schiedet wurde, ist das gut gelun-gen. Mit dem AnsFuG werden dieMöglichkeiten des verdeckten Auf-baus von Beteiligungen in börsenno-tierten Unternehmen erheblich ein-geschränkt, da künftig neben Aktienund Optionen mit einem Lieferan-spruch in Aktien auch derivativeInstrumente mit Barausgleich vonMeldepflichten erfasst sind. Durchdie Verhinderung eines „Anschlei-chens“ an Unternehmen wird esUnternehmen wie Investoren glei-chermaßen ermöglicht, sich aufÄnderungen in den Beteiligungsver-hältnissen frühzeitig einzustellen.

Die Regelung trägt zudem dazubei, den Finanzplatz weiter zu stär-ken, denn andernorts gibt es ver-gleichbare Regelungen schon lange.

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Der Jahresbeginn 2011 ist eineZäsur für die Aufgaben der Bundes-anstalt für Finanzmarktstabilisie-rung (FMSA). Mit Inkrafttreten desRestrukturierungsgesetzes hat derGesetzgeber der FMSA mit der Ver-waltung des Restrukturierungsfonds

und der Erhebung und Verwaltungder Bankenabgabe neue Aufgabenübertragen.

Vor über zwei Jahren wurden am17. Oktober 2008 der SonderfondsFinanzmarktstabilisierung (SoFFin)und die FMSA gegründet, um mögli-chen systemischen Rückwirkungender internationalen Finanzmarkt-krise auf die deutsche Bankwirt-schaft vorzubeugen. Nach dem Zu-sammenbruch der US-Investment-bank Lehman Brothers im Septem-ber 2008 erreichte der Vertrauens-schwund auf dem Interbankenmarktseinen Höhepunkt und die Liquidi-täts- und Kapitalprobleme der Ban-ken spitzten sich zu.

Zur Wiederherstellung der Stabili-tät des Finanzsektors gab der Gesetz-geber dem SoFFin eine Palette vonzeitlich befristeten Stabilisierungs-maßnahmen an die Hand. Diese hal-fen den Banken, ihren Liquiditätszu-gang zu verbessern, die Eigenkapital-basis zu stärken und ihre Bilanzenzu bereinigen. Mittels Garantien desSoFFin konnten die Institute ihreRefinanzierungsgeschäfte absichern.Für diese Maßnahme wurde ein Rah-men von maximal 400 Mrd. Euro be-reitgestellt. Der Fonds konntezudem Finanzinstitute rekapitalisie-ren, indem er sich über neu bege-bene Aktien oder stille Einlagen an

den Instituten beteiligte. Dazu warein Rahmen von maximal 80 Mrd.Euro vorhanden.

Die Leistungen dienten als tem-poräre Soforthilfen. Sie folgten demPrinzip „keine Leistung ohne Gegen-leistung“ und waren daher immermit marktüblichen Gebühren und

zusätzlich mit Auflagenverbunden. Darüberhinaus verfügte derSoFFin durch das soge-nannte Bad-Bank-Ge-setz seit Mitte 2009über die Möglichkeit,Institute durch einen ge-ordneten, wertschonen-den Abbau von Risiko-positionen zu stabilisie-ren. Die Banken konn-ten mit hohen Risikenbehaftete sowie nichtlänger zu ihrem Kernge-schäft zählende Portfo-

lien auf Abwicklungsanstalten unterdem Dach der FMSA auslagern unddamit in ihren Bilanzen gebundenesEigenkapital freisetzen. Am Randebleibt anzumerken, dass diese soge-nannten „bad banks“ weder „bad“noch „banks“ sind: Sie sind vielmehrnützliche Vehikel ohne Banklizenz.

Zehn Institute unterstützt

Mit den Maßnahmen des SoFFinwar kein dauerhaftes Engagementdes Staates beabsichtigt. Daher sindseit Jahresende 2010 keine neuenStabilisierungsmaßnahmen desSoFFin mehr zulässig. Gewisse Aus-nahmen gibt es für bereits beste-hende Abwicklungsanstalten undBeteiligungen. Selbstverständlichnimmt der SoFFin weiter die ausden bestehenden Maßnahmen re-sultierenden Verantwortlichkeitenwahr. Bis zum Jahresende 2010 er-hielten insgesamt zehn Institute Un-terstützung. Einige der Institute ha-ben dabei nur Garantien zur Liquidi-tätsbeschaffung in Anspruch genom-men. Die vertraglich vereinbartenGarantien beliefen sich Ende 2010noch auf 63 Mrd. Euro. Auf demHöchststand Anfang Oktober 2010hatten sie noch über 170 Mrd. Euroausgemacht. Bisher sind keine Aus-fälle bei den gewährten Garantien

zu verzeichnen. Vier Institute erhiel-ten Eigenkapital in Höhe von insge-samt 29 Mrd. Euro. Von der Mög-lichkeit, eine Abwicklungsanstaltzu gründen, haben zwei Institute –die WestLB mit der Ersten Abwick-lungsanstalt und die Hypo RealEstate mit der FMS Wertmanage-ment – Gebrauch gemacht. Insge-samt haben beide Institute mehr als250 Mrd. Euro an Risikopositionenauf die Abwicklungsanstalten über-tragen.

Nicht akzeptable Situation

Die Krisenbewältigung war eineSeite der Herausforderung. DieFinanzkrise hat aber auch verdeut-licht, dass der Staat mit dem Argu-ment „too big to fail“ zum Lender ofLast Resort wird. Diese Situationwar auf Dauer nicht akzeptabel.Eine Antwort auf diese Herausforde-rung gibt das Restrukturierungs-gesetz. Welche Veränderungenbringt dieser Ansatz für die Tätigkeitder FMSA?

Das im Restrukturierungsgesetzvorgesehene mehrstufige Verfahrenhilft, Kreditinstitute mit wirtschaftli-chen Schwierigkeiten zu sanierenund zu reorganisieren. Dabei kanndie Geschäftsführung des Institutszunächst freiwillig Sanierungsmaß-nahmen ergreifen, um die Krise ei-genverantwortlich zu bewältigen.Sofern die Sanierungsbemühungennicht ausreichen, um die Gefahrenfür die Stabilität des Finanzsystemsabzuwenden, verfügt die Bankenauf-sicht nunmehr über stärkere staatli-che Eingriffsmöglichkeiten.

Die BaFin ist berechtigt, bei be-standsgefährdeten Instituten, vondenen eine Gefahr für die Stabilitätdes gesamten Finanzsystems aus-geht, Restrukturierungsmaßnahmenanzuordnen, sofern zuvor mildereMittel ausgeschöpft wurden. DasInstrument ist eine Übertragungsan-ordnung, mit der der systemrele-vante Teil des Kreditinstituts aufeinen neuen Rechtsträger übertra-gen wird. Dann kommt die FMSA insSpiel, da dieser Rechtsträger ein be-stehendes Institut oder eine von derFMSA für diesen Anlass errichtete Fortsetzung Seite B 4

VonHannes Rehm

Sprecher desLeitungsausschussesder Bundesanstaltfür Finanzmarktstabili-sierung

VonRüdiger von Rosen

GeschäftsführendesVorstandsmitglieddes DeutschenAktieninstituts e. V.in Frankfurt a. M.

Die neuen Aufgaben derFinanzmarktstabilisierungsanstalt

Vom Sanierer und Stabilisierer zum Träger von Restrukturierungsmaßnahmen

„Ein attraktiverFinanzplatz, an demreibungslos Kapitalzwischen Anbieternund Nachfragernvermittelt wird, istfür eine Volkswirt-schaft ein absolutesMuss.“

„Mit dem AnsFuGwerden die Möglich-keiten des verdecktenAufbaus vonBeteiligungen inbörsennotiertenUnternehmen erheb-lich eingeschränkt.“

Regulierungen sollten Interessen der Emittenten reflektierenGesetzliche Anforderungen an börsennotierte Unternehmen nicht übertreiben – Selbstregulierungen akzeptieren

B 2 Börsen-Zeitung Nr. 52 Sonderbeilage Mittwoch, 16. März 2011

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Fortsetzung von Seite B 2

Brückenbank sein kann. Mit dieserMaßnahme soll der systemrelevanteTeil der Bank zukunftsfähig ausge-richtet werden. Der übrige, nicht sys-temrelevante Teil wird dagegen ge-ordnet abgewickelt.

Um die Brückenbank mit den not-wendigen finanziellen Mitteln auszu-statten, ist zum Jahresbeginn dervon der FMSA verwaltete Restruktu-rierungsfonds errichtet worden. Erkann neben Garantien für Schuldver-schreibungen auch Eigenkapital-hilfen vergeben. Im Gegensatz zuden Leistungen des SoFFin ist derEmpfängerkreis der Stützungsmaß-nahmen des Restrukturierungsfondsjedoch eng begrenzt. Lediglich derden systemrelevanten Teil überneh-mende Rechtsträger kann Mittel desFonds erhalten.

Zur Finanzierung des Restrukturie-rungsfonds müssen ab 1. Januar2011 die Banken in Deutschlandeine Bankenabgabe entrichten. Dieseorientiert sich an der Größe der Bankund dem Grad ihrer Vernetzung imKapitalmarkt. Damit werden vor al-

lem die Geschäfte belastet, welchedie systemische Relevanz des Institu-tes erhöhen. Die Ausrichtung derBankenabgabe an der Struktur derPassivseite der Bankbilanzen führtzu einer differenzierenden Belastungder einzelnen Institutsgruppen. Spar-kassen und Genossenschaftsbankenwerden relativ schwächer belastet.Das Motiv der Bankenabgabe ist we-niger eine nachholende Belastungder Institute mit den Kosten der Kri-senbewältigung. Diese ist vielmehrin die Zukunft gerichtet und spiegeltdas Interesse jeder deutschen Bankan der Stabilität des Systems wider.

Finanzsektor trägt Kosten

Zudem stellt die Bankenabgabesicher, dass die Kosten der Stüt-zungsmaßnahmen künftig durchden Finanzsektor selbst und nichtmehr ausschließlich vom Steuerzah-ler getragen werden. War die FMSAmit den Möglichkeiten des Finanz-marktstabilisierungsgesetzes ein In-strument der Sanierung und Stabili-sierung, wird sie nun zum Trägervon Restrukturierungsmaßnahmen.

Die neuen Aufgaben

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Die schwere Finanzkrise der Jahre2007 ff. hat das Bewusstsein derFinanzmarktakteure tiefgreifend ver-ändert. Was der 11. September 2001für die Einschätzung der politischenSicherheitslage bedeutete, war der15. September 2008 (der – wie wirheute wissen: vermeidbare – Zusam-

menbruch der InvestmentbankLehman) für die Einschätzung derFinanzstabilität.

Im Bereich der Bankenaufsichthat die internationale Staatenge-meinschaft schnell reagiert undKonsequenzen gezogen. Von denvier großen „Baustellen“ bankauf-sichtlicher Regelungen wurden zu-nächst die unmittelbar „krisenrele-vanten“ Bereiche von der EU ange-gangen: die Beseitigung der Arbitra-gemöglichkeiten zwischen Han-dels- und Bankbuch und die Kapital-unterlegung komplexer Verbriefun-gen mit den Beschlüssen im Juli2009 zum Handelsbuch und Markt-risiko. Auf EU-Ebene wurden dieseRegeln ergänzt um Vorschriften fürdie Kapitalunterlegung von Liquidi-tätslinien an SPVs (Special PurposeVehicles), die Berücksichtigung die-

ser Finanzierungsvehikel bei denGroßkreditregeln und einen Selbst-behalt bei marktbasierter Verbrie-fung.

Im Dezember 2010 wurde nachnur einjähriger Bearbeitungszeit die„zweite und dritte“ Baustelle weit-gehend geschlossen: die neuen Re-geln für höheres und härteres Kapi-

tal als Herzstück derNeuordnung und dieLiquiditätsregeln, mitdenen international Neu-land betreten wird.

Das Jahr 2011 wirdgeprägt sein von der Um-setzung der getroffenenBeschlüsse in europäi-sches und nationalesRecht; vor allem wirdein wachsames Auge aufdie Beachtung des vonden G 20 in Seoul zugesi-cherten Level PlayingField, der Umsetzung

der betroffenen Beschlüsse in allengroßen Finanzzentren, zu lenkensein. Die Umsetzung der Handels-buchbeschlüsse wird ein erster „Test“für den Willen zur gemeinsamen Um-setzung der getroffenen Beschlüsse.

Offene „vierte Baustelle“

Daneben geht es um die Konkreti-sierung der in Basel noch offen ge-bliebenen Punkte, etwa im Bereichder Liquidität, wo es um die prakti-schen Details der nicht zuletzt vondeutscher Seite erreichten Anerken-nung privater Wertpapiere als Liqui-ditätspuffer bei der sogenanntenLiquidity Coverage Ratio (monatli-che Liquiditätskennziffer) geht.Eines der wichtigsten Themen aufder noch offenen „vierten Baustelle“,dem sich das FSB (Financial Stabi-

lity Board) und das Baseler Komiteewidmen, betrifft die Arbeit an zusätz-lichen Regeln für große internatio-nal vernetzte und systemrelevanteInstitute, die sogenannten Sifis (Sys-temically Important Financial Institu-tions).

Ziele der Sifi-Regeln

Einigkeit herrscht über das Ziel er-gänzender Regelungen für die Sifis.Die von international systemrelevan-ten Instituten in einer Krise ausge-henden externen Effekte (Too-big-to-fail-Problematik) sollen durcheine erhöhte Verlustabsorptionsfä-higkeit und damit größere Krisenre-sistenz dieser Institute ausgeglichenwerden. Die öffentliche Diskussiondreht sich meist nur um das Thema„Kapitalzuschlag“ (surcharge); es istaber daran zu erinnern, dass dasZiel, zusätzliche „Schockabsorber“bei Sifis zu installieren, breiter ange-legt ist und auch andere „tools“ um-fasst: So geht es unter anderem auchum die Begrenzung von Großkredi-ten zwischen Finanzinstitutionenund damit eines potenziellen Infekti-onskanals in Zeiten der Krise. An-ders als auf der europäischen Ebenefehlen bisher weltweit umsetzbareGroßkreditregeln, die über allge-meine Postulate hinausgingen. Nachden im FSB getroffenen Beschlüssengeht es darüber hinaus auch um dieSchaffung robuster Marktinfrastruk-turen (zum Beispiel mandatorischeInanspruchnahme von zentralen Ge-genparteien für bestimmte deriva-tive Geschäfte). Es geht um eine In-tensivierung der Aufsicht, die einerPeer Review (Überwachung aufBasis international einheitlicherGrundsätze) unterliegen soll, und esgeht nicht zuletzt um das Thema

„marktschonender Marktaustritt“,also Restrukturierung (internationalresolution regimes).

Bei alldem sollte nicht übersehenwerden, dass auch die jüngsten Base-ler Regeln bereits zu „side effects“für die Sifis führen. In der Summewerden die neuen Regeln zu einer Er-höhung der Kapitalunterlegung imHandelsbuch um das Drei- bis Vier-fache führen; hiervon sind fast aus-schließlich die großen, internationa-len Investmentbanken betroffen.Auch die Beschlüsse zum Gegenpar-teirisiko (counterparty credit risk)gehen in die gleiche Richtung. Sieenthalten unter anderem verschärfte

Kapitalanforderungen bei Geschäfts-beziehungen mit größeren Institu-ten, durch die die höhere Wahr-scheinlichkeit einer gleichzeitigenSchieflage (asset value correlation)abgedeckt werden soll.

Da die künftigen Regeln für globalagierende systemrelevante Institutejedenfalls auch „surcharges“, alsoKapitalzuschläge vorsehen werden,setzt dies bei rechtsstaatlich korrek-

ter Umsetzung entweder eine klareDefinition des Begriffs internationalsystemrelevanter Institute voraus,oder die Maßnahmen müssen aufder Basis einer internationalen PeerReview von den nationalen Aufse-hern im Wege der „Säule II“ erlassenwerden (sogenannter Guided-Discre-tion-Ansatz).

Krise verdeutlichte es

Die Krise hat gezeigt, dass einepräzise und für alle Fälle gültigeEx-ante-Definition eines systemrele-vanten Instituts kaum möglich ist,da die Vertrauenseffekte im Vorfeldvon Krisen kaum zu taxieren sind.Für die internationale Ebene reichendeshalb die Vorschläge von einer„Listenlösung“ für eindeutig system-relevante Institute über BalanceScore Cards mit zahlreichen Indika-toren bis hin zu komplexen Funktio-nen. Dass wichtige Kriterien wie„Vernetztheit“ oder „Ersetzbarkeit“(substitutability) nicht einfach zupräzisieren sind, leuchtet unmittel-bar ein. Aber auch das scheinbaroperable Kriterium der Größe einesInstituts setzt zunächst eine Bereini-gung der unterschiedlichen Bilanzie-rungssysteme (weitergehendes Net-ting nach US-GAAP im Vergleich zuIFRS) und Klarheit über die Berück-sichtigung außerbilanzieller Positio-nen voraus.

Höhe des ZuschlagsBeim Instrument des Kapitalzu-

schlags spricht viel für eine einheitli-che „Messlatte“ im Sinne einer „Ge-samtmehrbelastung“ in einer Grö-ßenordnung von 1 bis 2 %. Genausowichtig ist aber die Frage, aus wel-chen Kapitalbestandteilen ein sol-cher Puffer bestehen soll und wie erim Verhältnis zu den anderen Kapi-talelementen (hartes Kernkapital,Kapitalerhaltungspuffer) zu positio-nieren ist.

Für die erste Frage erscheint essinnvoll, auch an „contingent capi-tal“ zu denken, also Fremdkapital,das in „guten Zeiten“ nicht Bestand-teil der Eigenkapitalunterlegung ist– und somit in Boomphasen nichtzum prozyklischen Aufbau von Posi-tionen dient –, das aber in schlech-ten Jahren, bei Unterschreiten be-stimmter Kapitalschwellen, in har-tes Kernkapital umgewandelt wird.Der deutsche Gesetzgeber ist der-zeit – nicht zuletzt auch auf Anre-gung der Bundesbank – dabei, diegesellschaftsrechtlichen Vorausset-zungen für solche Wandelanleihenzu schaffen, die auf eine Entschei-dung des ausgebenden Unterneh-mens und/oder der Aufsicht hin um-zuwandeln sind. Für die sicherlicherst schrittweise herzustellendeMarktakzeptanz solcher Instru-mente ist es sinnvoll, das Trigger-Niveau, die Kapitalschwelle für einesolche Umwandlung, nicht zu hochfestzulegen.

Sonderabgaben beachten

Eine einheitliche Messlatte für dieErhebung eines Kapitalzuschlagsdarf nicht verwechselt werden miteinem fixen Kapitalzuschlag. Dennaus Gründen der Wettbewerbsgleich-heit sind – wie der Baseler Ausschuss

festgestellt hat – etwaige nationaleSonderabgaben bei der Gesamtkal-kulation eines Aufschlags zu berück-sichtigen. Auch diese Problematikspricht im Übrigen dafür, einen Zu-schlag nicht als Bestandteil der bank-aufsichtlichen „Säule I“, sondern imWege der Guided Discretion vorzuse-hen, allerdings – zur Vermeidungvon Misstrauen und Intransparenz –begleitet von einer weitgehendenPeer Review auf internationalerEbene.

Nur schrittweise wird man sichdem schwierigsten, aber gleichwohlnotwendigen Bereich, der Schaf-fung eines internationalen Resolu-tion Regime, nähern können. Einwichtiger Bestandteil internationa-ler Abmachungen wäre die Koordi-nation nationaler Restrukturie-rungssysteme, wie sie in Deutsch-land seit Beginn dieses Jahres vomGesetzgeber geschaffen wordensind. Dies könnte durch grenzüber-schreitende Koordination (über dieaufsichtlichen Colleges) begleitetwerden.

Event of default-Problematik

Ein zentraler Punkt für eineinternationale Regelung und zu-gleich auch Voraussetzung für dasvolle Funktionieren nationalerRestrukturierungsgesetze ist eineLösung der „Event of default“-Proble-matik. Gegenwärtig sehen die Klau-seln internationaler Kreditverträgeweitgehend vor, dass Gläubiger beieinem „default“, wozu auch das Hin-zutreten eines Treuhänders oderReorganisationsbeauftragten zählt,ihre Positionen fällig stellen können.Dies kann wiederum bei den Ge-schäftspartnern Liquiditäts- und Ab-schreibungsbedarf in einer Größen-ordnung auslösen, die eine Krise be-schleunigen könnte und damit demZiel der Restrukturierungsbemühun-gen direkt widerspräche.

Ein Thema für internationale Koor-dinierung und Absprachen sind auchVorgaben für „living wills“, also Vor-kehrungen eines Instituts für den„Fall X“. Trotz vieler Schwierigkei-ten im Detail sollte der ordnungspoli-tische Wert solcher Vorkehrungennicht übersehen werden, der in demAnreiz liegt, zu hohe Komplexität in-ternationaler Finanzinstitute zu ver-meiden und damit ihre Krisenresis-tenz zu erhöhen.

Zeitplan und Fortschritt

Das FSB und der Baseler Aus-schuss planen, bis zur Mitte des Jah-res konkrete Vorschläge zur Identifi-kation und für zusätzliche Anforde-rungen an Sifis vorzulegen, die an-schließend auf Ebene der Finanzmi-nister und Staats- und Regierungs-chefs zu behandeln sind. Bei der Um-setzung eines Kapitalzuschlags aufder Zeitachse wird auch auf eine In-tegration in die sorgfältig austarier-ten Übergangsfristen der neuen Base-ler Kapitalanforderungen zu achtensein, insbesondere auf eine Abstim-mung mit den Vorschriften zurschrittweisen Einführung des füralle Kreditinstitute unabhängig vonihrer Größe geltenden Kapitalerhal-tungspuffers.

Abgeschlossen am 24. Februar 2011

VonFranz-Christoph Zeitler

Vizepräsidentder DeutschenBundesbank

„Ein Thema fürinternationaleKoordinierung undAbsprachen sind auchVorgaben für,living wills‘, alsoVorkehrungen einesInstituts für den,Fall X‘.“

Sonderregeln für systemrelevante Kreditinstitute kommen voranKonkrete Vorschläge des FSB und des Baseler Ausschusses für zusätzliche Anforderungen an Sifis sind bis Mitte 2011 zu erwarten

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Page 5: Finanzplatz Frankfurt

Börsen-Zeitung, 16.3.2011

Herr Seip, wo steht der Finanz-platz Frankfurt im Asset Manage-ment?

Die Konzentration auf den RaumFrankfurt ist im Asset Managementvergleichsweise stark, deutlich stär-ker als bei Versicherungsunterneh-men und Kreditinstituten. Im Rhein-Main-Gebiet sind 50 der 83 Mitglie-der des BVI ansässig. Das von diesengemanagte Vermögen beträgt etwadrei Viertel des gesamten Branchen-volumens in Deutschland. Rund10 000 der insgesamt etwa 12 000

Mitarbeiter der deutschen Invest-mentfondsbranche arbeiten inFrankfurt, wo seit 1970 auch derBVI sitzt. Aber auch an anderenStandorten in Deutschland, wieMünchen, Hamburg, Köln oder Stutt-gart, wird in unserer Branche erfolg-reich gearbeitet.

Und wie beurteilen Sie die inter-nationale Bedeutung des Finanz-platzes für Ihre Branche?

Im Spektrum der unterschiedlichenDisziplinen der Finanzdienstleis-tungsindustrie hat der StandortFrankfurt im Asset Management inden vergangenen Jahren internatio-nal an relativer Bedeutung gewon-nen. Das lässt sich bekanntermaßennicht von allen Sektoren behaupten.Im Vergleich zu anderen europäi-schen Ländern hat sich die Branchein Deutschland zudem deutlichschneller von den Wirkungen der Fi-nanzkrise erholt. Das verwalteteVermögen hat das Vorkrisenniveauvon 2007 bereits deutlich übertrof-fen und ist auf einem neuen Rekord-stand. Zunehmend werden von hieraus auch Vermögen für Kunden au-ßerhalb Deutschlands verwaltet.Die Performance-Ergebnisse wieauch die Produktinnovationen deut-scher Asset Manager können sich in-ternational mit der Spitze messen.Zudem haben wir mit dem Spezial-

fonds ein echtes Produkt-Asset, umdas uns andere Plätze beneiden.Das Jahr 2010 war für Spezialfondsmit über 70 Mrd. Euro Nettomittel-zufluss das beste Jahr der Ge-schichte überhaupt, und wir habenschon viele gute Spezialfonds-Jahregesehen. Spezialfonds sind inzwi-schen das stärkste Standbein unse-rer Branche.

Was sind Ihrer Meinung nach diewichtigsten Argumente, die fürFrankfurt sprechen?

Frankfurt bietet hervorragendeVoraussetzungen dafür, dass Asset

Management „Made inGermany“ weiter wach-sen wird: Ideal ist dieverkehrsgünstige Lagemitten in Deutschlandmit einem der größtenFlughäfen Europas, dernoch dazu in einer Vier-telstunde vom Stadtzen-trum aus mit öffentli-chen Verkehrsmitteln er-reicht werden kann.Kurze Wege in derStadt, der Sitz vonBundesbank, EZB unddes Bereichs Wertpa-pieraufsicht der BaFinsind weitere Vorteile

von Gewicht. Zudem profitiertFrankfurt von einer weltweit führen-den Wertpapiertechnik und -infra-struktur, die gerade von auslän-dischen Marktteilnehmern hochgeschätzt wird. Hinzu kommen diein den vergangenen Jahren erheb-lich ausgebauten, hervorragendenAusbildungsangebote öffentlicherund privater Hochschulen, die fürgut qualifizierten Berufsnachwuchssorgen.

Dennoch weisen internationaleStatistiken Deutschland nicht ge-rade als Exportstandort für Publi-kumsfonds aus. Warum?

Die Zahlen, die zum Beispiel vonder Efama veröffentlicht werden,ordnen die Vermögen dem Fondsdo-mizil, also dem rechtlichen Sitz, zu.Viele in Frankfurt und Deutschlandverwaltete Fonds erscheinen daherin den Statistiken anderer Stand-orte, vor allem Luxemburg ist hierzu nennen. Bei den Publikumsfondsbetrifft das mehr als die Hälfte desVolumens. Allerdings findet dergrößte Teil der Wertschöpfung auchdieser Produkte, vor allem das Port-foliomanagement und meist auchder Vertrieb, in Frankfurt bezie-hungsweise aus Frankfurt herausstatt. Was das Fondsdomizil angeht,hat sich die Meinung durchgesetzt,dass international luxemburgische

Publikumsfonds besser vermarktbarseien. Dafür hat Luxemburg aller-dings auch viel an internationalenMarketingaktivitäten investiert undeinen internationalen „Brand“ auf-gebaut, der weltweit Anerkennunggenießt. Davon profitieren auchdeutsche Asset Manager mit ihrenluxemburgischen Fonds, und umge-kehrt profitiert natürlich auch derStandort Luxemburg von uns.

Was könnte die Politik tun, umden Finanzplatz für das AssetManagement noch attraktiver zumachen?

Die Politik sollte Rahmenbedingun-gen dafür setzen, dass unsere Stär-ken erhalten bleiben und weiter aus-gebaut werden können. Ein Beispieldafür sind die schon erwähnten Spe-zialfonds. Die AIFM-Richtlinie stellteanfangs eine ernste Bedrohung fürSpezialfonds dar. Diese Bedrohungist jetzt zum Glück gebannt. Bei derUmsetzung der Richtlinie in deut-sches Recht sollten Spezialfondsmöglichst genauso reguliert werdenwie bisher. Das liegt nicht zuletzt imInteresse der institutionellen Investo-ren, wie Versicherungen, Pensions-kassen und Versorgungswerke. DiePolitik sollte außerdem schnell rea-gieren, wenn es neue Bedürfnissegibt, die durch geänderte Rahmenbe-dingungen befriedigt werden kön-nen. Das gilt besonders dann, wennes nichts kostet, also keine Haus-haltsmittel eingesetzt werden müs-sen und auch keine Steuerausfälledrohen.

Gibt es dafür ein aktuelles Bei-spiel?

Ja, ein Beispiel dafür ist die Bereit-stellung eines Pooling-Vehikels zurBündelung der Altersvorsorgevermö-gen von Pensionseinrichtungen inter-national tätiger Konzerne. Auf die-ses Bedürfnis der Konzerne habenschon mehrere Länder reagiert. Esist ein für den Finanzplatz lohnen-des Ziel, auch hierzulande die not-wendigen Regeln zu schaffen, umvon der Zusammenlegung hoherPensionsvermögen zu profitieren.Die Alternative wäre, dass Pensions-gelder in Milliardenhöhe ins Aus-land abwandern. Es kann nicht im In-teresse der Politik sein, wenn Vermö-genswerte zur Abdeckung der Pensi-onsansprüche deutscher Arbeitneh-mer ins Ausland transferiert und derdeutschen Investmentaufsicht entzo-gen würden. Vor allem aber bringtdas Pooling hierzulande Arbeits-plätze und Steueraufkommen, unddas sollte das Ziel jeder Finanzplatz-politik sein.

Das Interview führteClaudia Weippert-Stemmer.

Stefan Seip

Hauptgeschäftsführerdes BVI Bundesver-band Investment undAsset Management

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Die Zukunft der Banken-IT wirdimmer stärker bestimmt durch dieabsehbaren Auswirkungen von politi-schen und regulatorischen, aberauch gesellschaftlichen Anforderun-gen der Gegenwart. Dabei gibt esdrei wichtige Themenfelder, die dieBanken-IT in den nächsten fünf biszehn Jahren maßgeblich beeinflus-sen werden. An erster Stelle stehendie Regulierungsanforderungen, diesich schon jetzt vor dem Hintergrundvon Basel III zu einem wichtigen Trei-ber der Ausgestaltung der IT-Infra-struktur in den Banken entwickeln.Und es ist davon auszugehen, dassdieser Einfluss auch in den kommen-den Jahren eher noch steigen dürfte.

An zweiter Stelle folgt die fort-schreitende Industrialisierung derIT: Ein Angebot für die Bankkundenüber die Kontoinformationen hi-naus, wie das Abrufen von Kreditkar-tenumsätzen, Depotauszügen oderauch von Steuerbescheinigungen,wird in Zukunft nur über eine ein-heitliche Vernetzung der IT möglichund sektorenübergreifend bezahlbarsein. Das dritte Themenfeld stehtnicht nur für die Weiterentwicklungder Schnittstelle zu den Kundendurch den Einfluss von Web 2.0, son-dern umfasst auch den Einfluss derSocial Networks auf ein zukünftiges„Banking 2.0“.

Treibende Kraft für die Finanz-institute und damit auch deren ITsind schon jetzt die fortgesetztenÄnderungen in der Gesetzgebung.Mit Basel III erwarten den Finanzsek-tor weitere, noch nicht fixierte ge-

setzliche Regelungen, die zu zusätzli-chen Kosten und Belastungen für dieBanken führen werden. Es ist dieAufgabe der IT in den Banken, hiergegenzusteuern und eine führendeRolle in der Frage der Kosteneffi-zienz zu übernehmen. Kernelementeder Kostensenkung sind Kooperatio-nen zur Aufteilung der Kosten. Dazu

müssen insbesondere Standardisie-rungen erheblich weiter vorangetrie-ben werden. Im Blickfeld sind dabeidie außerhalb des Wettbewerbs ste-henden Funktionen: vom Melde-recht bis zum Verbraucherschutzund der Geldwäscheverhinderung.

Die IT der Zukunft wird sich mitder Standardisierung von Schnittstel-len und Formaten auseinanderset-zen und allgemein verfügbare Funk-tionen in die jeweiligen Prozesse derverschiedenen Institute einbinden.Nebenbei bewirkt die Standardi-sierung, dass gesetzliche Änderun-gen häufig deutlich zügiger um-gesetzt werden können und somit

sehr rasch für den Kunden spürbarwerden. Erste sektorenübergrei-fende Lösungen sind schon heute imEinsatz, wie etwa die einheitlicheWertpapierabwicklung WP2 derdwpbank für die privaten Banken,den Sparkassensektor und die genos-senschaftliche FinanzGruppe.

Effizienzüberlegungen und dieSuche nach Skaleneffek-ten sind die treibendenEinflussfaktoren für dieWeiterentwicklung derheutigen großen Bank-systeme. Diese werdenfunktional so weit ausge-baut, dass sie umfang-reich parametrisiert undin nahezu allen Bankeneingesetzt werden kön-nen. Diese Systeme wer-den zunehmend durchIT-Dienstleister entwi-ckelt und betrieben, diesich auch um optimierte

Prozesse kümmern. Die Banken sindKunden, geben die Schwerpunkteder Weiterentwicklung vor und zah-len für die individuelle Nutzung derSysteme und Infrastrukturen. Bereitsseit mehreren Jahren ist eine Konzen-tration der Banksysteme und Dienst-leister in Deutschland zu beobachten.Die große Kundenanzahl pro Systemist eine der Voraussetzungen, umkostengünstig auch branchenüber-greifend zwischen Industrie undBanken Prozesse zu koppeln und elek-tronisch durchgängig zu machen.

Wie ein Prozess mit über mehrereUnternehmen hinweg verteilten Pro-zessbausteinen funktionieren kann,

zeigt beispielsweise das 2010 abge-schlossene Projekt GenoSysWP. Ineinem der größten IT-Projekte inDeutschland wurde der Wertpa-pierprozess in der genossenschaftli-chen FinanzGruppe über die beteilig-ten Zentralbanken DZ Bank undWGZBank sowie die IT-Dienstleisterder Genossenschaftsbanken opti-miert und auf das Wertpapier-Ab-wicklungssystem WP2 der dwpbankumgestellt. Mit GenoSysWP gibt esnun in allen 14 000 Zweigstellen derVolksbanken und Raiffeisenbankeneinen standardisierten Prozess trotzdes weiterhin unterschiedlichen Pro-duktangebots, das sich aber weiter inder Verantwortung jeder einzelnenGenossenschaftsbank befindet.

Schnelle Umsetzung

Kunden wie Banken könnendamit gleichermaßen sicher sein,dass etwa Gesetzesvorgaben schnellund umfassend umgesetzt werden,gleich ob im IT-System des Bankbera-ters oder im Online-Brokerage-Sys-tem zu Hause. Die sektorenübergrei-fende Größe und Bedeutung desWP2-Systems wird es zudem erlau-ben, in Zukunft bei der Weiterent-wicklung ein deutlich höheres Inno-vationstempo an den Tag zu legen.

Die größte Unbekannte in der Wei-terentwicklung der Banken-IT ist dieUmgestaltung der Schnittstelle zumKunden. Welche Veränderungen for-dern Kunden, die mit Web 2.0 undumfassend verfügbaren Social Net-works groß geworden sind? Fürdiese zukünftig immer stärker alsKunden auftretende Generation istKommunikation nicht an bestimmteOrte oder eine bestimmte Zeit gebun-den. Und sie sind es gewohnt, ihre Er-lebnisse und ihre Meinungen zu tei-len sowie Dienstleistungen und Pro-dukte zunächst umfassend zu verglei-chen. Doch wie wird sich das heutigeSchlagwort „Banking 2.0“ mit Inhaltfüllen? Wie stark werden sich Kun-

den in Zukunft bei Bankgeschäfteneinbringen wollen? Wie sehr möch-ten sie bei der Ausgestaltung der Pro-dukte mitreden? Zunächst wird Ban-king 2.0 nicht primär eine technischePlattform oder eine neue Anwen-dung im Internet sein. Es wirddarum gehen, zunächst dem Kundenüber eine deutlich intensiveredirekte Kommunikation umfassendzur Verfügung zu stehen: über dienahtlose Integration von Internet,Filiale, Handy und weiterer Kanälesowie eine ständige Servicebereit-schaft – dann, wenn der Kunde siebraucht. Die rasante Verbreitung vonSmartphones der neuesten Genera-tion und des iPad verstärkt den Hand-lungsdruck für die Banken. Banking2.0 setzt aber gleichermaßen dieGeschwindigkeit in der Produktent-wicklung und den Prozessabläufenvoraus, die heute bei den Handels-prozessen des Internets üblich ist.

Während Banken aktuell viel überdas Lebensumfeld des Kunden wis-sen, werden die Kunden des Banking2.0 zunehmend auch mehr Informa-tionen über die Bank einfordern. Derjederzeitige Status von laufendenAbwicklungsprozessen, die aktuellenKonditionen, die Kriterien, die zuden Konditionen geführt haben, Pro-visionsmodelle und Provisionsemp-fänger, Anlagestrategien und Anlage-ziele der Bank, alles das gehört zuInformationen, die die Kunden mor-gen noch stärker interessieren wer-den als heute. Die Umsetzung derIdeen des Banking 2.0 in den tägli-chen Bankbetrieb dürfte allerdingsnur langsam vorangehen. Das liegterstens an den vorhandenen Kunden-strukturen der Banken. Diese wer-den vor dem demografischen Hinter-grund größtenteils von einer Genera-tion bestimmt, die mit Facebook undTwitter nicht aufgewachsen ist.Diese finanzkräftige Kundenschichterwartet von ihrer Bank die Ver-traulichkeit eines persönlichenGesprächs.

Zum Zweiten setzt die im Banking2.0 so entscheidende Transparenzund Dialogfähigkeit zum Kundenauch interne Vernetzung und Kom-munikation voraus. Die Finanzindus-trie sollte gut vorbereitet sein, wennim Kundendialog Fragen zu Produkt-bausteinen ebenso wie Einschätzun-gen des Marktes aus dem Researchoder die Anlagestrategie aus demTreasury zur Sprache kommen.

Die Banken-IT der Zukunft dürfteeinerseits bestimmt werden durchdie weiter fortschreitenden Regulie-rungsanforderungen und die damitverbundenen hohen Umsetzungskos-ten. Die IT ist gefordert, hier in weit-aus stärkerem Maße auf die Verände-rungen und den Anforderungsdruckzu reagieren. Investitionen in Verbes-serungen müssen verstärkt durch zu-erst vorangehende Sparanstrengun-gen selber „verdient“ werden. Einegute Möglichkeit ist die bessere Ver-teilung der Lasten durch engereKooperation – sektorenübergreifend.

An Erwartungen anpassen

Andererseits investieren die Ban-ken heute bereits stark in dieBeschleunigung und die Durchgän-gigkeit ihrer IT-Prozesse. Es gilt zu-nächst, mit Hilfe der IT und der über-all verfügbaren Infrastruktur des In-ternets die heute möglichen Schritteder Beschleunigung durchzuführen.Fortschritte sind bereits deutlich zusehen, insbesondere in den nachgela-gerten Abwicklungsprozessen.

Darüber darf aber nicht vergessenwerden, die entscheidende Dreh-scheibe, den Umgang mit dem Kun-den, zu verbessern und an die sichverändernden Erwartungen des Kun-den anzupassen. Offenheit, stärkereTransparenz, Dialogfähigkeit, kun-denindividuelle Produkte und Bear-beitung in Echtzeit, daran hat auchdie IT ihren wichtigen Anteil undgenau daran wird die Banken-IT derZukunft gemessen werden.

VonThomas Ullrich

Vorstandsmitgliedder DZ Bank AG

Interview mit Stefan Seip

Asset Management„Made in Germany“ wächst weiter

Stärken müssen erhalten und noch ausgebaut werden

Banken-IT der Zukunft braucht Offenheit und mehr TransparenzIndividuelle Produkte, Dialogfähigkeit und Bearbeitung in Echtzeit nicht zu vergessen – Erste sektorenübergreifende Lösungen bereits im Einsatz

Mittwoch, 16. März 2011 Sonderbeilage Börsen-Zeitung Nr. 52 B 5

Page 6: Finanzplatz Frankfurt

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Der Finanzplatz Frankfurt hat dieKrisenzeiten genutzt, um seine Posi-tion zu festigen. Das Ansehen deswichtigsten deutschen Finanzplat-zes bei Wettbewerbern und Dialog-partnern ist noch einmal gestiegen.Die meisten schätzen vor allem die

traditionell gewachsenen Stärken.Gefragt ist zudem die ExpertiseFrankfurts in Risikomanagement-und Regulierungsfragen. FrankfurtMain Finance treibt den Ausbau derStärken gezielt voran und nutzt siefür die internationale Vermarktung.

Stabil und verlässlich

Unter den Finanzzentren dieserWelt ist es ähnlich wie in der Auto-mobilindustrie: Deutschland über-zeugt durch ausgereifte, stabile undverlässliche Wertarbeit. So zählendie Autoren des Global FinancialCentres Index (GFCI) Frankfurt zuder Gruppe der „stabilen“ Finanz-plätze. Nur sieben weitere Finanz-zentren rund um den Globus gehö-ren dieser Gruppe an. Überdiesschwankte Frankfurts Punktzahl imGFCI über die Krise hinweg maximalum 11 Punkte. Zum Vergleich: Bei ei-nigen Wettbewerbern aus Asien lagdie Volatilität mehr als zehnmal sohoch. Auch die europäischen Kolle-gen aus London und Paris musstenteils weitaus stärkere Rückschläge

verkraften. Das Fundament für Stabi-lität und Stärke bildet die Verknüp-fung zwischen Finanzwirtschaft undRealwirtschaft.

Dass diese Verbindung gerade inDeutschland stark ausgeprägt ist,kristallisiert sich am FinanzplatzFrankfurt besonders heraus. Dies

zeigt sich beispielsweisedaran, dass die Finanz-branche hier schon im-mer den Aspekt der Kapi-talbereitstellung in denVordergrund gestellthat – etwa anhand desAnleihegeschäfts. So giltFrankfurt bereits seitMitte des 18. Jahrhun-derts als das europäi-sche Zentrum für dieEmission von und denHandel mit Staatsanlei-hen. Zunächst erfülltendie absolutistischen

Staaten des europäischen Konti-nents ihren großen Kreditbedarfüber den Frankfurter Anleihemarkt,und gegen Mitte des 19. Jahrhun-derts nahmen dann auch Emissio-nen amerikanischer Anleihen zu, fürdie Frankfurt zu dieser Zeit führendwar.

Einen weiteren Beitrag zur star-ken Position Frankfurts im interna-tionalen Anleihegeschäft leistetenach dem Zweiten Weltkrieg die An-siedlung der Bundesbank. Diesesorgte mit einer besonders stabilitäts-orientierten Ausrichtung – und inKombination mit der aufstrebendenWirtschaftskraft Deutschlands – da-für, dass die D-Mark zu einer der ge-fragtesten Währungen aufstieg. EineFolge der Attraktivität der D-Markwar die zunehmende internationaleNachfrage nach deutschen Staatsan-leihen, die dem Standort Frankfurteinen weiteren Bedeutungsschubverlieh.

Der Verweis auf solche aus Tradi-tion gewachsenen Stärken bedeutetmitnichten, dass der FinanzplatzFrankfurt sich mit dem Erreichten zu-

friedengibt. Im Gegenteil: Die jahr-hundertelange Tradition des hiesi-gen Finanzplatzes können wir heutewirksam zur Vermarktung gegen-über ausländischen Dialogpartnerneinsetzen. Gerade die Asiaten wis-sen den über so lange Zeit erbrach-ten „Track Record“ als Garanten fürLeistungskraft und Verlässlichkeit inder Gegenwart zu schätzen.

Finanzplatz-Portal gefragt

Zudem lässt sich auch gegenüberder breiten Öffentlichkeit anhandder Historie illustrieren, dass derFinanzplatz sich schon seit langemals Motor einer starken Volkswirt-schaft erweist. Aus diesen Gründenwidmet Frankfurt Main Finance derGeschichte des Finanzplatzes einenvollständigen eigenen Bereich desFinanzplatz-Portals (www.frank-furt-main-finance.de). Dieser ist ent-standen aus der intensiven Zusam-menarbeit zwischen Frankfurt MainFinance und dem Institut für bank-historische Forschung (IBF), das mitdem Aufriss der Finanzplatz-Histo-rie einen überaus wertvollen Beitragzur Vermarktung im Inland und imAusland leistet.

Das Finanzplatz-Portal ist zu-gleich ein herausragendes Beispieldafür, wie wir mit einem überaus ef-fizienten Einsatz der vorhandenenMittel das optimale Ergebnis errei-chen können. Denn: Mit dem Portalist dem Finanzplatz Frankfurt nichtweniger gelungen, als auf einenSchlag ein absolutes Alleinstellungs-merkmal unter den führendenFinanzplätzen der Welt aufzubauen.So bietet die Homepage den Stake-holdern des Finanzplatzes nicht nureinen übersichtlichen Zugang zu vie-len nützlichen Informationen – son-dern auf den Seiten laufen zugleichalle relevanten Nachrichten, Ter-mine und wissenschaftlichen Bei-träge zum Finanzplatz zusammen.

Damit bietet das Portal im direk-ten Vergleich mit den Internetauftrit-

ten etwa der europäischen Wettbe-werber Paris Europlace und City ofLondon Corporation ein deutlichesPlus an Nutzwert. Dass dieser Mehr-wert wertgeschätzt wird, belegendie Nutzerzahlen eindeutig. Sowohleine steigende Zahl von Stammnut-zern als auch Gelegenheitsbesucherhaben dafür gesorgt, dass die Zahlder Seitenzugriffe im vierten Quar-tal 2010 gegenüber dem ersten Quar-tal um knapp 200 % gesteigert wer-den konnte. Im gesamten Jahr 2010verzeichnete www.frankfurt-main-fi-nance.de mehr als 3,3 Millionen Sei-tenzugriffe.

Das Konzept der Homepage stehtdabei zugleich als Sinnbild für dieArbeitsweise von Frankfurt MainFinance: durch den intelligenten Ein-satz begrenzter Mittel und durchBündelung vorhandener Kräfte ge-zielte Wirkung entfalten. Dieser An-satz scheint am Finanzplatz zu über-zeugen. Nicht umsonst konnte Frank-furt Main Finance die Zahl seinerMitglieder mehr als verdoppeln. ImAugust 2008 mit 12 Mitgliedern ge-startet, engagieren sich nunmehr 30Mitglieder in der Initiative. Nochwichtiger als diese bloßen Zahlen istaber die Tatsache, dass damit einedeutliche Verbreiterung der Mitglie-derbasis einhergeht. Neben Banken,Börse, Land Hessen und Stadt Frank-furt zählen nunmehr auch verschie-dene andere Dienstleister des Finanz-platzes sowie wissenschaftliche Insti-tutionen zu den Mitgliedern.

Namhafte Adressen für FIRM

Diese breite Rückendeckung istvon großem Wert beim Anstoß, derFinanzierung und der konsequentenUmsetzung von Projekten. Auch einGroßteil der anderen Standortver-markter – etwa die Frankfurt Rhein-

main GmbH oder die Wirtschaftsför-derung Frankfurt – bündelt mittler-weile die finanzplatzrelevanten Akti-vitäten bei Frankfurt Main Finance.Die breite Unterstützung relevanterPlayer hat sich ganz besonders beider von Frankfurt Main Finance initi-ierten Gründung des FrankfurterInstituts für Risikomanagement undRegulierung (FIRM) manifestiert. Sosind sechs der zwölf Gründungsmit-glieder von Frankfurt Main Finance– sowie auch die Initiative selbst –unter den Mitgliedern des Trägerver-eins von FIRM vertreten.

Darüber hinaus konnten so nam-hafte Institutionen wie die KfW,McKinsey, der Bundesverband deut-scher Banken oder Boston Consul-ting für FIRM gewonnen werden.Die Gründung von FIRM ist dabeiauch zu verstehen als ein wichtigerBaustein der Entwicklung Frankfurtszu einem internationalen Center ofExcellence für Risikomanagementund Regulierung.

Die Grundlagen dafür sind amStandort so bedeutender Institutio-nen der Finanzarchitektur – wie Bun-desbank, Europäischer Zentralbank(EZB), European Systemic RiskBoard (ESRB) oder European Insu-rance and Occupational PensionsAuthority (EIOPA) – jedenfalls opti-mal. Dass Frankfurt in den Berei-chen Risikomanagement und Regu-lierung schon heute auf beachtlicheErfolge verweisen kann, gilt in In-land und Ausland als unzweifelhaft.Auch die Führungsrolle bei derMarkt- und Börseninfrastruktur, denIT- und Backoffice-Dienstleistungenoder den Zahlungsverkehrstechnolo-gien wird weltweit geschätzt.

Doch zugleich verfügt der wich-tigste deutsche Finanzplatz über wei-tere Stärken, die rund um den Glo-bus noch nicht angemessen Anerken-

nung erfahren. Auch in den Berei-chen der klassischen Stärken sindviele zentrale Kompetenzträger – ge-rade mittelständische Unternehmen– noch weitgehend unbekannt. Undnicht zuletzt beinhaltet ein Finanz-platz wie Frankfurt eine ganze Reihevon Infrastruktur-Dienstleistungenund „Zulieferern“, die ebenfalls ent-scheidend zur Leistungsfähigkeit desFinanzzentrums beitragen – auchdiese werden oft noch kaum in dieBetrachtung mit einbezogen. Dies zuändern, ist aktuell eines der wichtigs-ten Vorhaben des Finanzplatzes.

An der Dynamik partizipieren

So hat Frankfurt Main Financegemeinsam mit der Beratungsgesell-schaft Roland Berger ein Modell desFinanzplatzes Frankfurt entwickelt,anhand dessen solche Kooperations-potenziale erschlossen werden kön-nen. In vier Schritten wird voneinem allgemeinen Modell über dieeinzelnen Marktsektoren sowiederen Wertschöpfungsketten bis hinzu einzelnen Marktteilnehmern undderen Interaktionen eine detaillierteÜbersicht über die Leistungsfähig-keit des Finanzplatzes erarbeitet.Das Ergebnis ist eine Art Übersichts-karte, die es erlaubt, übersichtlichdurch das Leistungsangebot desFinanzplatzes zu navigieren und soden Partnern anderer FinanzzentrenAnknüpfungspunkte für die Zusam-menarbeit aufzuzeigen. Das Ziel istes, den Finanzplatz Frankfurt alsBerater und Partner für aufstre-bende Finanzplätze aus Asien, Süd-amerika oder Osteuropa zu positio-nieren. Dies ermöglicht es uns, un-sere gewachsene Stabilitätskultur zubewahren und zugleich an der massi-ven Dynamik der aufstrebenden Fi-nanzzentren zu partizipieren.

VonLutz Raettig

Sprecher desPräsidiums vonFrankfurt Main Finance

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Der Finanzplatz Frankfurt genießtnational und international einen erst-klassigen Ruf. Diese Wertschätzunggründet sich auf stabile Wirtschafts-und Sozialstrukturen mit verlässli-chem Rechtsrahmen unserer Volks-wirtschaft, eine erstklassige Infra-struktur sowie auf ein großes Kun-den- und Geschäftspotenzial mit aus-gezeichneten Entwicklungsmöglich-keiten. Frankfurt gehört zu den wich-tigsten Finanzplätzen der Welt undhat in Europa eine Schlüsselrolle.Das Zusammengehen von DeutscheBörse und Nyse Euronext schafft denführenden Börsenkonzern der Welt.Die Transaktion wird Frankfurt undNew York als bedeutende Finanzzen-tren stärken. In Frankfurt ist auchder Sitz der Europäischen Zentral-bank, der Bundesbank, der EurexDeutschland und des Sekretariatsvon EIOPA (European Insurance andOccupational Pensions Authority).

Finanzwirtschaftlich versiert

Mit dem House of Finance und vie-len benachbarten Universitäten undFachhochschulen entwickelt sichFrankfurt zum Wissenschaftsstand-ort mit insbesondere hoher finanz-wirtschaftlicher Kompetenz und istso attraktiv wie selten zuvor. Des-halb siedeln sich immer mehr pri-vate Vermögensverwalter, Rating-agenturen, Unternehmensberaterund internationale Anwaltskanz-leien an. Auch sie prägen einenFinanzplatz, und der Finanzplatzprägt den Wohlstand der ganzen Re-gion FrankfurtRheinMain. Für aus-ländische Investoren gilt die Stadtals Tor zur größten Volkswirtschaftin Europa. Insbesondere wegen ih-rer zentralen Lage in Europa spieltdie Stadt eine große Rolle für Aktivi-täten auch über Deutschland hinaus.

Frankfurt ist aber mehr als einFinanzplatz. Die Stadt ist das Zen-trum einer der produktivsten unddynamischsten Regionen im HerzenEuropas. Der Standort bezieht seineKraft nicht nur aus den internationa-len Geld- und Kapitalströmen, Frank-furt ist auch das Herz einer pulsieren-den Wirtschaftsregion.

Produktives Umfeld

Hier ist in beeindruckender Dichtealles versammelt, was in der Wirt-schaft Rang und Namen hat. In die-

sem produktiven Umfeld mit seineminternationalen Branchenmix florie-ren Unternehmen jeder Größe, vommultinationalen Industriekonzernbis zum kleinen Softwareentwickler.Menschen aus mehr als 180 Ländernsind in Frankfurt zu Hause.

Dabei ist die Stadt bei aller Vielsei-tigkeit eine überschaubare Metro-

pole geblieben, in der sich „New-comer“ gut orientieren können undschnell heimisch fühlen.

Trotz turbulenter Veränderungenin den letzten Jahren, trotz oderauch wegen betriebsinterner Um-strukturierung und Produktionsver-lagerung ist Frankfurt noch immer ei-ner der führenden Industriestand-orte Deutschlands und Europas.

Kreativ und innovativ

Von den 100 größten Industrieun-ternehmen Deutschlands haben 14ihre Zentralen im Großraum Frank-furt. Die konzentrierte Industrie-struktur sorgt für Beschäftigung – be-sonders in der verarbeitenden Indus-trie. Namhafte Institute, ein dichtesNetzwerk an renommierten Hoch-schulen und forschungsintensive Un-ternehmen sichern eine enge Verzah-nung von Forschung und Wirtschaft.

Das Ergebnis: kreative und innova-tive Impulse, die die Wirtschaft nachvorn bringen. In den Sektoren „NewEconomy“, insbesondere Nachrich-tentechnik, Kommunikation, Infor-matikdienste sowie „Urbane Dienst-leistungen“, vor allem Handel, Im-mobilien, Finanzen, Gastgewerbe,liegt die Produktivität der Regiondeutlich über dem EU-Durchschnitt;in den Bereichen Verkehr und Infor-mation belegt sie den deutschenSpit-zenplatz.

Wer Außenstehende nach denStärken der Wirtschaftsregion Frank-

furtRheinMain fragt, wird mit hoherWahrscheinlichkeit einen Hinweisauf die hervorragende Infrastrukturerhalten. FrankfurtRheinMain hatmit seinem Flughafen, dem dichtenStraßen- und Schienenverkehrsnetzein Pfund, mit dem es im internatio-nalen Standortwettbewerb um dieAnsiedlung von Unternehmen wu-

chern kann. Auf Straße,auf Schiene, zu Wasserund zu Luft – hier be-wegt sich was. Überallund in alle Richtungen.Die Verkehrsknoten-punkte der Region set-zen Maßstäbe. So ist derinternationale Flugha-fen Frankfurt am Maindas Drehkreuz auf demeuropäischen Festland.Der Frankfurter Haupt-bahnhof ist der verkehrs-reichste Bahnhof inDeutschland. Der öffent-

liche Nahverkehr in FrankfurtRhein-Main zählt zu den größten deut-schen Verkehrsverbünden. AmFrankfurter Kreuz kommen die bei-den am stärksten befahrenen Auto-bahnen zusammen. Und die beidenFlüsse Rhein und Main bilden diewichtigsten BinnenwasserstraßenEuropas.

In FrankfurtRheinMain fließennicht nur Verkehrs-, Güter- und Geld-ströme in alle Himmelsrichtungen.Auch Daten rasen von hier aus überinnovative Datenautobahnen in alleWelt. Frankfurt am Main ist dieHauptstadt der Telekommunikation.Hier gibt es einzigartige Datennetzeund telekommunikative Infrastruktu-ren. Das liegt zum einen daran, dasssich nahezu alle führenden interna-tionalen Telefongesellschaften inFrankfurt am Main repräsentieren.Zum anderen laufen hier täglichBörsen- und Finanztransaktionen,die ein immenses Potenzial an siche-ren Highspeed-Datenleitungen benö-tigen.

Gesunde Mischung

Frankfurt am Main ist die deut-sche Stadt, in der sich gesellschaft-lich-wirtschaftliche Veränderungenam frühesten abzeichnen, und manhat stets von einer gesundenMischung aus Industrie und Hand-werk, Handel und Dienstleistungprofitiert. Bei alldem ist der Sog und

Fortsetzung Seite B 7

VonMathias Müller

Präsident derIHK Frankfurt am Main

Frankfurt – Mittelpunkt eines derdynamischsten Gebiete EuropasIn der Metropolregion versammelt sich alles von Rang und Namen

Gefragter Berater und Partner im AuslandFrankfurt Main Finance forciert Ausbau traditionell gewachsener Stärken – Übersichtskarte navigiert durch das Leistungsangebot

B 6 Börsen-Zeitung Nr. 52 Sonderbeilage Mittwoch, 16. März 2011

Page 7: Finanzplatz Frankfurt

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Die Finanzkrise hat den Wettbewerbzwischen den Finanzstandortengrundlegend verändert, gerade auchin Europa. Bis zum Fall von Nor-thern Rock galt auch hier das olympi-sche Motto: schneller, höher, weiter.Je größer die Umsätze, desto besser.„Moderne“ Finanzmarktregulierung

rühmte sich ihres „light touch“; ihreAufgabe lag vornehmlich darin, Ge-schäfte und Innovationen nicht zubehindern – denn im Zweifelsfall ver-stünden die Experten der Finanzhäu-ser die Produkte, mit denen sie täg-lich handelten, ja doch besser alsjede Aufsichtsbehörde, so die dama-lige Überzeugung. Diese Bedingun-gen des Standortwettbewerbs erlaub-ten es zum Beispiel Dublin, als Hoch-burg der „Schattenbanken“ zu ei-nem europäischen Finanzzentrumzu werden.

Nach zwei Jahren Finanzkrise,Rezession und Staatsschuldenkriseist von diesem Vertrauen ins unge-bremste Wachstum der Finanz-märkte wenig geblieben. Heutedreht sich die finanzpolitische Dis-kussion nicht mehr darum, neueChancen zu nutzen und Wachstums-kräfte zu entfesseln, sondern um dieBändigung der Risiken an denFinanzmärkten. Eine umfassendeReform der europäischen Finanz-marktarchitektur ist erforderlich,um auf einen nachhaltigeren Wachs-tumspfad zurückzufinden.

Im selben europäischen Boot

Damit erscheint auch das Verhält-nis der Finanzplätze untereinanderin einem anderen Licht. Der Wettbe-werb um Umsätze weicht der Ein-sicht, dass alle im selben europäi-schen Boot sitzen. Was in Dublinoder Athen geschieht, ist auch fürFrankfurt von großer Relevanz; undnicht allein unter dem Aspekt mögli-cher Geschäftsverlagerungen, son-dern vor allem deshalb, weil die Art,wie Geschäfte dort strukturiert und

beaufsichtigt werden, letztlich überdie Zukunftsfähigkeit des gesamtenEuroraums und seiner Finanzplätzemitentscheidet. Wenn die Finanz-krise etwas gezeigt hat, dann die Ver-netzung und damit Verletzbarkeitder einzelnen Spieler im Gewebedes internationalen Finanzsystems.

Dieser Paradigmenwechsel bleibtnatürlich nicht ohneKonsequenzen für dieFinanzplatzförderung.Deren Ausrichtung wirdzwangsläufig politischerund europäischer. Risi-ken stehen im Vorder-grund, während die Ent-wicklung neuer Ge-schäfts- und Produkt-ideen (vorläufig) in denHintergrund tritt.

Überflüssig wird Fi-nanzplatzförderung des-halb jedoch nicht. Denntrotz aller schmerzvol-

len Erfahrungen der letzten Jahrebleibt der Finanzstandort ein unver-zichtbarer Motor für Wachstum undBeschäftigung in Deutschland. Diesgilt heute vielleicht sogar mehr dennje. Die vor uns liegenden Herausfor-derungen – von der Konsolidierungder Staatsfinanzen über die Anpas-sung an eine alternde Gesellschaftbis zum Umgang mit neuen Techno-logien und Klimawandel – lassensich besser mit der, nicht gegen dieFinanzindustrie lösen. Neben not-wendigen Maßnahmen zur Stabilisie-rung des Finanzsektors dürfen dieBemühungen um eine neue Finanz-architektur dieses Ziel, den positivenWachstumsbeitrag der Finanzindus-trie zu sichern, nicht aus den Augenverlieren.

Kein Themenmangel

Effektive Finanzplatzförderungpost Lehman muss daher zuvordersteinen konstruktiven Dialog zwi-schen den Entscheidungsträgern inPolitik und Finanzwelt in Gang set-zen – jenseits gegenseitiger Schuld-zuweisungen. Dies ist essenziell. Aufdieser Grundlage wird es möglich,die spezifischen Stärken des Finanz-standorts Deutschlands, seine vonLangfristigkeit sowie langjährigenund gewachsenen Geschäftsbezie-hungen geprägte Finanzkultur, über-zeugend in die europäische und in-ternationale Debatte zur Neuord-nung der Finanzmärkte einzubrin-gen. Themenmangel herrscht dabeikaum, von der konkreten Umset-zung der neuen Regulierungsvor-schriften wie Basel III oder Sol-vency II über die Behandlung „sys-

temrelevanter Institute“ bis hin zumModus Operandi der neuen europäi-schen Aufsichtsbehörden gibt es der-zeit noch viele offene Fragen.

Es steht viel auf dem Spiel

Daneben ist die Lösung der euro-päischen Staatsschuldenkrise eineexistenzielle Aufgabe, die Politikund Finanzindustrie nur gemeinsambewältigen können. Der bisher rela-tiv bescheidene Ertrag der Rettungs-bemühungen ist zum Teil auch Folgeder fehlenden Kommunikation, desgegenseitigen Unverständnisses derjeweiligen Handlungslogiken. Fürden Finanzstandort Deutschlandsteht dabei viel auf dem Spiel: SeineZukunft ist heute unlösbar mit derFrage nach der langfristigen Stabili-tät des Euro verknüpft. Verlöre derEuro weltweit an Vertrauen, verdüs-terten sich die Aussichten für den Fi-nanzstandort ebenso. InstitutionelleReformen im Euroraum sind unab-dingbar, wobei die folgendenPunkte entscheidend sind:

– An vorderster Stelle steht dieStärkung der finanz- und wirtschafts-politischen Koordination innerhalbdes Euroraums unter Beachtung vonEffizienzgesichtspunkten. Die vonden Gründungsvätern des Euro er-dachten Korrekturmechanismen fürUngleichgewichte innerhalb des Eu-roraums haben sich als unzurei-chend erwiesen. Der Stabilitäts- undWachstumspakt hat nicht verhin-dern können, dass sich übermäßigeDefizite in Staatshaushalten oderLeistungsbilanzen der Mitgliedstaa-ten aufgebaut haben. Daher mussdie Verbindlichkeit von Korrekturme-chanismen erhöht werden. Die ge-planten Insolvenzklauseln in Verbin-dung mit dem ab 2013 geplanten

Europäischen Stabilitätsmechanis-mus sind ein Schritt in diese Rich-tung, wenn diese Institutionen nichtgleich zu Beginn wieder verwässertwerden.

– Das Schwergewicht neuer An-passungsmaßnahmen muss in denAnstrengungen zur Selbstkorrekturin den betroffenen Regionen liegen,

das bedeutet in der Erhöhung derWettbewerbsfähigkeit. Ein Transfer-system, wie es sich Deutschland mitdem Bundesländerfinanzausgleichleistet, ist da keine Lösung. Es birgterhebliche Ineffizienzen, wie manauch in Deutschland immer wiederfeststellt. Andererseits muss es aberauch Solidaritätselemente zwischenden Mitgliedsländern der Währungs-union geben, wie sie etwa im Falleder Kreditmechanismen gegenübereinigen Peripheriestaaten bereits inKraft sind.

Die Richtung stimmt

Kurz gesagt: Es geht um dieEntwicklung einer fiskalischen föde-ralen Ordnung für Europa. Diese Auf-gabe geschieht vor dem besonderenHintergrund, dass die politische Legi-

timation europäischer Wirtschafts-und Finanzpolitik noch sehrschwach ist. Eine solche Ordnungmuss diesen einzigartigen Umstän-den Rechnung tragen, das bedeutet:so viel Wettbewerb wie möglich, soviel Solidarität wie nötig.

Nachdem die europäische Politikin den vergangenen Monaten trotz

hartnäckiger Bemühun-gen das Misstrauen derKapitalmärkte gegen-über dem Euro nicht zer-streuen konnte, ist nundas Bewusstsein gereift,dass eine neue QualitätwirtschaftspolitischerZusammenarbeit imEuro-Währungsraumnotwendig ist. Die gegen-wärtig verhandeltenMaßnahmen im Rah-men eines Paktes fürWettbewerbsfähigkeitgehen in die richtige

Richtung. Die zu erwartenden Be-schlüsse werden die Euro-Krise bisauf Weiteres beenden.Stärker als infrüheren Jahren wird Finanzplatzför-derung in Zukunft auch über den lo-kalen und nationalen Tellerrand hi-nausschauen und stattdessen denSchulterschluss zu anderen Finanz-plätzen in Europa suchen müssen. Da-bei stehen nicht nur die „big player“London und Paris im Fokus, sondernauch die Standorte „am Rande“.

Europa sollte nicht noch einmalden Fehler begehen, „periphere“ Ent-wicklungen als irrelevant fürs Ge-samtsystem einzuschätzen. Ein Netz-werk aller europäischen Finanz-plätze, das derzeit im Entstehen ist,könnte in Zukunft ein wertvolles Kor-rektiv werden, um einen möglichenRückfall in den ungehemmten Stand-ortwettbewerb der Vor-Krisen-Jahre

zu verhindern. Aus dieser Perspek-tive wird als nächster logischerSchritt ein globales Netzwerk derFinanzplätze unabdingbar werden.Denn die aufstrebenden Finanzplätzesind heute nicht in Europa, sondernin Asien, Nahost oder Lateinamerikazu finden. Getragen vom stürmi-schen Wachstum ihrer Heimatmärkteherrscht dort jetzt die Wachstumseu-phorie, die Europa in den Jahrennach der Euro-Einführung kennzeich-nete. Dieselben Fehler aber, Umsätzeauf Kosten der Stabilität zu erzeugen,können hoffentlich vermieden wer-den. Dazu kann ein enger Austauschder Finanzplätze beitragen.

Heimatmarkt beachten

Bei aller notwendigen Internatio-nalisierung der Finanzplatzförde-rung darf der Heimatmarkt nicht ausdem Blick geraten. Verloren gegan-genes Vertrauen wird die Finanzin-dustrie nicht in internationalenForen und nicht allein mit neuen Vor-schriften zurückgewinnen. Diesgelingt nur im täglichen Kontakt mitden Kunden vor Ort. Dies ist in ers-ter Linie eine Aufgabe, die jedes ein-zelne Institut für sich bewältigenmuss. Aber auch hier kann effektiveFinanzplatzförderung ihren Beitragleisten, indem sie mithilft, die allge-meinen Grundlagen der Kundenbe-ziehungen, die Bedeutung von Ver-braucherschutz nach der Finanz-krise, neu zu bestimmen.

Auch unter den veränderten Gege-benheiten der Finanzwelt post Leh-man bleiben also genug Aufgaben fürdie Finanzplatzförderung. Eine Platt-form, die den Dialog der Finanzindus-trie als Ganzes mit Gesellschaft undPolitik ermöglicht und kanalisiert,erscheint heute wichtiger denn je.

Fortsetzung von Seite B 6

Motor des Banken- und Börsenplat-zes Frankfurt noch gar nicht ange-sprochen, nichts gesagt von Frank-furter Leitmessen wie Ambiente,Buchmesse oder IAA, nichts von denzahllosen Fachtagungen mit interna-tionaler Besetzung, der Informati-onsarbeit der vielen in Frankfurt an-sässigen Industrieverbände. Kommu-nikation, das professionelle Networ-king werden großgeschrieben in derRegion.

„Place to be“

Eine wesentliche Stärke des Stand-orts ist die Vernetzungskompetenzder hier ansässigen Unternehmens-dienstleister. Das Anbahnen, Planenund schließlich Anschieben komple-xer Projekte erfordert räumliche,professionelle und kulturelle Nähe.Darum ist das Projektemachen anreale Orte gebunden. An Orte mit ho-her professioneller Kontaktdichte, indenen zufällige Treffen geradezu un-ausweichlich sind: in Lokalen, aufEmpfängen, in Clubs, bei Kongres-sen, beim Gang durch die City. Ori-entierungskontakte verringern nichtnur geschäftliche Risiken; in denClustern verwandter, interdiszipli-när kooperierender Firmen verbrei-ten sich Nachrichten und Gerüchterascher, finden ständig neue, auchunerwartete Lernprozesse statt, ent-wickeln sich Wertvorstellungen undZiele. Deshalb ist Frankfurt „Place tobe“. Nicht allein wegen der hier ver-sammelten Headquarterfunktionen,mehr noch wegen der hochkonzen-trierten Kompetenzen für komplexeUnternehmensdienstleistungen.Wer hier Geschäfte macht, kommuni-ziert mit der Welt. Heute konkurrie-ren Metropolregionen – nicht mehr

einzelne Städte: Weltweit gewinnenurbane Ballungsregionen rasant anBedeutung. Zwischen diesen Metro-polregionen besteht der eigentlicheWettbewerb. FrankfurtRheinMainist wirtschaftlich stark, wissenschaft-lich exzellent aufgestellt, hat einenhohen Freizeitwert und eine weltof-fene, tolerante Bevölkerung. DieMenschen zieht es in metropolnaheRäume, die wirtschaftliche, technolo-gische und kulturelle Vielfalt sowieeinen hohen Freizeitwert bieten. Ein-zelne Gemeinden und Städte derRhein-Main-Region können für sichgenommen diese Vielfalt nicht vor-halten – nur durch regionale Koope-rationen lassen sich „High Poten-tials“ anziehen, denen dann oft auchdie Unternehmen folgen. Die vorhan-denen Strukturen sind leistungs-fähig, können aber weiter als Netz-werk optimiert werden, wobei dieZukunftsfelder zu definieren und inoptimierter Zusammenarbeit entwi-ckelt werden müssen.

Günstige Ausgangslage

Die Ausgangslage der Metropol-region mit ihren drei ökonomischenStandbeinen ist hervorragend: Inter-nationaler Verkehrsknoten, europäi-scher Finanzplatz und leistungsfähi-ges Industriezentrum – dieses Kon-zept von koordinierten Zentrums-funktionen hat sich als sehr tragfä-hig erwiesen und ist Vorbild für an-dere Regionen geworden. Die Re-gion kann aber nur dann Potenzialentfalten, wenn sie geschlossen auf-tritt und als Einheit wahrgenommenwird. Die Region ist die Stadt der Zu-kunft. Nachhaltiges Wachstum wirdin FrankfurtRheinMain vor allem da-durch entstehen, dass die regionaleKooperation und Integration eineneue Qualität erreicht.

. . . undUlrich Kater

Chefvolkswirtder DekaBank

Dynamisches Gebiet

VonMichael Heise . . .

Chefvolkswirt undLeiter der Unterneh-mensentwicklungbei Allianz SE

Globales Netzwerk der Finanzplätze wird unabdingbarPlattform, die den Dialog der Finanzindustrie als Ganzes mit Gesellschaft und Politik ermöglicht, erscheint wichtiger denn je

Mittwoch, 16. März 2011 Sonderbeilage Börsen-Zeitung Nr. 52 B 7

Page 8: Finanzplatz Frankfurt

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Die kürzlich von der LandesbankHessen-Thüringen in Kooperationmit dem Verband der Auslandsban-ken erstellte Studie „FinanzplatzFrankfurt: Magnet für Auslandsban-ken“ bewertet Frankfurt als nachwie vor attraktiven Standort für die

Neuansiedlung ausländischer Fi-nanzdienstleister. Belegt wird dieseEinschätzung durch die Tatsache,dass trotz der Verwerfungen auf denFinanzmärkten die Anzahl der Aus-landsbanken insgesamt stabil geblie-ben ist, denn die Geschäftsaussich-ten am hiesigen Finanzplatz werdenauch vom Ausland aus weiterhinsehr positiv bewertet.

„Hier sind unsere Kunden“

Woran liegt dies? Einer derGründe ist sicherlich die Antwortzahlreicher an der Studie Beteiligterauf die Frage, warum sie nach Frank-furt gekommen sind: „Weil hier un-sere Kunden sind.“ Und an dieserStelle kann man auch auf die Diffe-renzierung zwischen Frankfurt undLondon verweisen, die der langjäh-rige Verbandsvorsitzende, Dr. Hans-Georg Engel, vor zehn Jahren in dergleichen Sonderbeilage dieser Zei-tung beschrieb: Im Gegensatz zuLondon ist Frankfurt ein „Onshore“-Finanzplatz, weil die Transaktionender hier ansässigen ausländischen

Institute größtenteils mit Deutsch-land in Verbindung stehen. Hinge-gen ist London eher ein Offshore-Finanzplatz, da ein Großteil derfinanziellen Dienstleistungen die bri-tische Wirtschaft nicht betrifft.

Gerade dieses Merkmal ist einerder wesentlichen Gründe, warum

nicht, wie verschiedent-lich prognostiziert, die„Ausländer“ den Finanz-platz verlassen haben.Deutschland als diegrößte VolkswirtschaftEuropas, deren massivewirtschaftliche Erho-lung vor einem Jahrnoch kaum jemandvorauszusagen wagte,bietet den Auslandsban-ken und -fonds nachwie vor ein sehr attrak-tives Umfeld, ihrenKunden und der Wirt-

schaft insgesamt Finanzdienstleis-tungen in Deutschland anzubieten.Auch die Erwartungen im Hinblickauf den aktuell stattfindendenStrukturwandel in der deutschenKreditwirtschaft gehen dahin, dass

der Finanzplatz künftig zahlreicheBetätigungsfelder für ausländischeInstitute bieten wird. Zudem be-steht begründete Aussicht, kurz- bismittelfristig auch in verschiedenenMarktsegmenten neue Kunden zufinden.

Insofern ist und bleibt der Finanz-platz also attraktiv. Gleichwohl ha-ben aber fast alle an der Studie Betei-ligten bei der Beurteilung der euro-päischen Finanzplätze London vorFrankfurt und Paris die größte Be-deutung zugemessen. Bedeutet dies,den Wettlauf der Finanzmärkte fürentschieden zu erklären? Dies wäreder falsche Schluss. In der vergange-nen Dekade haben Zentren wie Sin-gapur, Shanghai, Hongkong und Se-oul enorm an Bedeutung – und Ein-fluss – gewonnen. Einige der nach Bi-lanzsumme und Börsenkapitalisie-rung größten Banken weltweit, diefrüher vollständig an der Wall Streetund in der Londoner City ansässigwaren, lokalisiert man heute inAsien. Und selbst in Kontinentaleu-ropa gab und gibt es beachtenswerteZusammenschlüsse von Banken zuneuen „global players“, wie es sichetwa in Frankreich, Italien und Spa-nien gezeigt hat.

Kein Stillstand

Auch in anderen Bereichen der Fi-nanzwirtschaft hat es erhebliche Ver-änderungen gegeben, hiervon zeu-gen die aktuellen Fusionen von Bör-sen und anderer Handelsplattfor-men. Neben den klassischen Börsenund dem OTC-Handel haben sichheute nicht nur spezialisierte Han-delsplattformen etabliert, sondernes wurden auch zahlreiche neue Fi-nanzprodukte entwickelt. Ein Still-stand ist nicht zu erkennen, undman kann daher im Ergebnis eigent-lich nur festhalten, dass man imWettbewerb der Finanzplätze wedervon Siegern noch von Verlierernsprechen kann und auch der Aussa-gewert von Rankings nur von kurzerDauer ist.

Vielmehr sollte der sicherlich statt-findende und auch notwendige Wett-bewerb Anlass geben, Standortbedin-gungen kontinuierlich zu prüfenund erforderliche Anpassungen zumNutzen aller Marktteilnehmer vorzu-

nehmen. Dies heißt für den hiesigenFinanzplatz vor allem zweierlei: Ers-tens als Onshore-Finanzplatz Kon-zentration auf die eigenen Stärkenwie Kundennähe und Infrastrukturund zweitens stetige Weiterentwick-lung der Rahmenbedingungen, umweiterhin auch neue, nachhaltige

Dienstleistungen und Produkte ent-wickeln zu können, ohne im Konkur-renzkampf mit (vermeintlichen?)Wettbewerbern den Blick für das We-sentliche zu verlieren.

Die Standortfrage ist eng mit denregulatorischen Rahmenbedingun-gen verknüpft: Um überbordendemWettbewerb der Finanzplätze im Zei-chen der Aufsichtsarbitrage entge-genzuwirken, sollte die Politik daherschnellstmöglich auf den Weg der in-ternationalen Harmonisierung zu-rückkehren. Gerade die europäischeVereinheitlichung der Aufsichtsre-gime ist eine wesentliche Ursachefür die Neuansiedlung von Finanz-instituten. Dass die Politik von die-

ser Vorgehensweise in den zurück-liegenden Krisenmonaten abwich,war zwar angesichts der politischenAllgemeinstimmung nachvollzieh-bar und im Grundsatz vielfach akzep-tabel.

Gleichwohl darf man sich auch inZukunft nicht der Erkenntnis ver-

schließen, dass Insellö-sungen in der global ver-netzten Finanzwelt imErgebnis wenig Positi-ves bewirken. Hiermuss insbesondereEuropa wieder zusam-menfinden, sonst wer-den Wettbewerbsverzer-rungen zunehmend dieunerwünschte Folgesein. Die nationalen Re-gelungen zur Bankenab-gabe sind hierfür eindeutliches Beispiel, daAnwendungsbereich,

Zielrichtung und Bemessungsgrund-lagen zu einer sehr unterschied-lichen Abgabenlast und – was gegen-wärtig nicht auszuschließen ist – zuDoppelbelastungen nicht nur inDeutschland führen können.

Auf der anderen Seite werdenaber auch gelegentlich nationaleSpielräume nur unzureichend ge-nutzt, die sich oft aufgrund des Bud-getrechts der Mitgliedstaaten geradein steuerlicher Sicht ergeben und dieletztlich für die Attraktivität einesFinanzplatzes mitentscheidend sind.Dies ist beispielsweise gerade im Be-reich des Investmentsteuerrechts zubeobachten, das die neuen, mit dersogenannten OGAW-IV-Richtlinie er-

öffneten Möglichkeiten zur Ver-schmelzung von Investmentfondsüber die Grenzen innerhalb der EUsteuerlich nicht begleitet.

Im Ergebnis haben wir es mit ei-nem nicht endenden Wettbewerb zutun, der sich nicht an harten Kenn-zahlen festmachen lässt. Die Heraus-bildung neuer Finanzzentren in denvergangenen Jahren macht dies deut-lich. Dem hiesigen Finanzplatz kannman über die letzten Jahre hinwegein gutes Zeugnis ausstellen, die kon-stante Präsenz der Verbandsmitglie-der, stabile Mitarbeiterzahlen unddie positiven Geschäftsaussichtensind ein deutlicher Beleg.

Asien im Auge behalten

Das heißt aber nicht, die Hände inden Schoß zu legen. Gerade im steu-erlichen Bereich ist noch hinrei-chend Potenzial vorhanden, wobeijedoch – dies sei abschließend ange-merkt – auf die Einführung einerFinanztransaktionssteuer verzichtetwerden sollte, unabhängig davon,ob national, in wenigen oder in al-len Euro- oder EU-Mitgliedstaaten.Denn selbst bei einer Einführung ei-ner solchen Steuer auf EU-Ebenedürfte die nationale Abgabenlastwegen der unterschiedlichen Steuer-systeme stark divergieren. Bei denDiskussionen sollte daher sorgfältigzwischen Nutzen, Wirkung undBelastung abgewogen werden. Zu-dem sind nicht nur Finanzplätze wieLondon und New York, sondernauch solche in Asien im Auge zubehalten.

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Die Deutsche Börse AG und die NewYorker Nyse Euronext werden ihreGeschäftsbereiche zusammenlegen.Seitdem machen Befürchtungen dieRunde, dass der hiesige Finanzplatzan Bedeutung verlieren könnte.

Der Finanzplatz Frankfurt ist fort-währenden Veränderungen ausge-

setzt. Wenige Wirtschaftsbereichesind ähnlich globalisiert und mobil.Wie steht es dabei um Unterneh-mensfinanzierungen im Corporate-und Private-Equity-Bereich? WelcheTrends zeichnen sich ab, und wiekann sich Frankfurt positionieren,um hieran teilzuhaben?

Schwachstellen identifiziert

Betrachtet man die Außenfremd-finanzierung sowie aktuelle Marktent-wicklungen, fallen zwei Trends auf.Der klassische deutsche Kredit wirdvon Banken „bis auf weiteres“ undim bilateralen Verhältnis zu individu-ellen Konditionen zur Verfügung ge-stellt. Der Dokumentationsaufwandist gering und gewährt für die Ver-tragsparteien große Flexibilität. Oftgeht man auch über Schuldscheindar-lehen mit festen Laufzeiten und ab-weichenden Auflagen. Diese viel-gliedrige Unternehmensfinanzierungist zunehmend auf dem Rückzug.

Unternehmen entscheiden sichvermehrt – und sei es auch untersanftem Druck der Banken – für ei-nen Konsortialkredit. Die Gründesind vielfältig. Zum einen ist es wirt-schaftlich sinnvoll, die gegenwärtigimmer noch relativ niedrigen Zins-sätze für eine fixe Laufzeit festzu-schreiben. Wichtiger aber sind Risi-kogesichtspunkte. Die vergangenenJahre der Finanzkrise haben dieSchwachstellen der alten Finanzie-rungsstrategien offenbart. Die Viel-zahl von bilateralen und inhaltlichnicht aufeinander abgestimmten Kre-ditverhältnissen zwischen den betei-ligten Banken hat in vielen Fällendie finanzielle Restrukturierung desin Schieflage geratenen Unterneh-

mens erschwert, wenn nicht sogarunmöglich gemacht. Aus anwaltli-cher Sicht bedeutet das die ver-mehrte Anwendung der im Londo-ner Markt entwickelten Muster-kreditverträge auch auf rein deutscheFinanzierungssachverhalte. Diesewerden in der Regel aber nach deut-schem Recht und in deutscher Spra-

che abgeschlossen. Einerhöhter Dokumenta-tionsaufwand sowie stär-kere Auflagen und Infor-mationspflichten bedin-gen eine intensivere Kre-ditbetreuung. Doch dieStrukturen der ausführ-lichen Konsortialkrediteführen in der Regel nurbei der ersten Anwen-dung im Unternehmenzu Mehraufwand. Sinddiese eingeführt, ist dieÜbertragung auf nach-folgende Finanzierun-

gen relativ problemlos möglich. AufBerater- und Bankenseite bestehtnicht nur am Finanzplatz Frankfurtumfangreiches Know-how.

Derzeit nehmen sowohl Großun-ternehmen als auch Mittelständlervermehrt die Bürde der laufzeitge-bundenen Konsortialfinanzierungauf sich. Denn die Krise der vergan-genen Jahre hat den Unternehmen

gezeigt, wie entscheidend eine be-lastbare Fremdkapitalstruktur seinkann. Auch für die Banken bringt dielaufzeitgebundene Finanzierung (ne-ben attraktiven Arrangement Fees)zusätzliche Sicherheit und Stabilitätim Kreditgeschäft.

Verschärfte Anforderungen an dieBanken (Basel III) führen zu einerdeutlich erhöhten Inanspruchnahmeder Kapitalmärkte für Zwecke derUnternehmensfinanzierungen. Zwarsind am Kapitalmarkt begebene An-leihen kaum zur Finanzierung desfluktuierenden Betriebsmittelbe-darfs der Emittenten geeignet. Einausgeweitetes Angebot von Unter-nehmensanleihen für die Investiti-ons- und Akquisitionsfinanzierung

ist jedoch absehbar und unerläss-lich. Sowohl im Bereich der Akquisi-tionsfinanzierung als auch bei Mittel-stands- und Großunternehmen er-warten wir eine stark wachsende Be-deutung von Anleihen. Der Finanz-platz Frankfurt – Banken und Bera-ter – sollte alles daransetzen, an die-sem Produkt vermehrt teilzuhabenund den Finanzierungsbedarf derdeutschen Unternehmen in Frank-furt zu befriedigen.

Mehr vom Kuchen ergattern

Den deutschen Finanzinstitutenstehen hier drei Bereiche offen:Arrangierung, Listing und Vertrieb.Im Bereich des Listing haben Luxem-burg (Euro NTF) und Dublin dieNase vorn. Für die Arrangierung undden Vertrieb belegt London unange-fochten den Spitzenplatz – beru-hend vor allem auf dem Platzierungs-potenzial im Londoner Markt. Dierechtlichen Rahmenbedingungen inDeutschland genügen den internatio-nalen Anforderungen, und dasKnow-how am Finanzplatz Frank-furt rechtfertigt es, ein größeresStück dieses Kuchens zu ergattern.

Wie ein erfolgreicher Angriff aufetablierte Marktsegmente gelingenkann, hat die Börse Stuttgart geradevorgemacht und mit „Bondm“ eine

eigene Handelsplatt-form für Mittelstandsan-leihen kreiert. Hierübersind Arrangierung, Lis-ting und Vertrieb gesi-chert. Die Börse Stutt-gart kann bereits ersteErfolge feiern. Auchwenn andere deutscheBörsen zwischenzeitlichnachgezogen haben,hat Stuttgart mit denklaren Vorgaben zu Ra-ting und Stückelung derAnleihen und in ersterLinie mit den bankenun-

abhängigen Vertriebs- und Handels-plattformen einen entscheidendenWettbewerbsvorteil vor den übrigendeutschen Börsen.

Die Fusion der Börsen ist alsschlagzeilenträchtiges Ereignis nurein Faktor. Der Erfolg des Finanzplat-zes wird durch viele einzelne Finanz-produkte und eine flexible Anpas-sung an die Finanzierungsbedürf-nisse der deutschen und europäi-schen Unternehmen bestimmt. Fürden Finanzplatz Frankfurt gilt, wasder italienische Schriftsteller Tomasidi Lampedusa schon im vergange-nen Jahrhundert als Maxime vor-gab: „Wenn wir wollen, dass alles sobleibt, müssen wir zulassen, dasssich alles verändert.“

. . . undClemens Niedner

Partner im Bank- undFinanzrecht derSozietät White & Casein Frankfurt am Main

. . . undJoachimvon Schorlemer

StellvertretenderVorstandsvorsitzenderdes Verbands derAuslandsbanken inDeutschland e.V. (VAB)

VonTom OliverSchorling . . .

Partner im Bank- undFinanzrecht derSozietät White & Casein Frankfurt am Main

VonStefan Winter . . .

Vorstandsvorsitzenderdes Verbands derAuslandsbanken inDeutschland e.V. (VAB)

In der Unternehmensfinanzierungsind klare Trends erkennbar

Laufzeitgebundene Betriebsmittelfinanzierung auf dem Vormarsch

„Im Ergebnis habenwir es mit einemnicht endendenWettbewerb zu tun,der sich nicht anharten Kennzahlenfestmachen lässt.“

Frankfurt bleibt für die Auslandsbanken attraktivIm Wettbewerb der Finanzmetropolen kann man weder von Siegern noch von Verlierern sprechen – Aussagewert von Rankings ist nur von kurzer Dauer

B 8 Börsen-Zeitung Nr. 52 Sonderbeilage Mittwoch, 16. März 2011

Page 9: Finanzplatz Frankfurt

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Am deutschen Anleihemarktherrscht derzeit ein regelrechterEmissionsboom von Anleihen mittel-ständischer Unternehmen. Ursachedieser Entwicklung ist nicht nur dasaktuell günstige Marktumfeld mit ei-nem relativ niedrigen Zinsniveau.Vielmehr ziehen auch viele Mittel-ständler ihre Lehren aus der Finanz-

krise und machen sich daran, ihreFinanzierungsstruktur bankenunab-hängiger zu gestalten. Dabei kanndie Platzierung von Unternehmens-anleihen in Verbindung mit der Bör-sennotiz an einem der neuen Han-delssegmente eine Möglichkeit sein,erste, wertvolle Erfahrungen am Ka-pitalmarkt zu sammeln. Schließlichist dies ein Weg, sich mit den bei ei-ner Kapitalmarktfinanzierung einzu-haltenden Publizitäts- und Transpa-renzpflichten auseinanderzusetzen.

Obwohl der Hausbankbeziehungbei der Finanzierung des deutschenMittelstands traditionell eine hoheBedeutung zukommt, ist dennocheine Veränderung in der Finanzie-rungsstruktur mittelständischer Un-ternehmen zu erkennen. Die Haus-bankbeziehung wird nicht mehr vor-wiegend zur Deckung des langfristi-gen Finanzierungsbedarfs und zur Fi-nanzierung von Wachstumsstrate-gien genutzt, sondern immer mehrzur Finanzierung des volatilen Wor-

king Capital und des kurzfristig auf-tretenden Finanzierungsbedarfs.Dies ist während der Finanzkrise be-sonders deutlich geworden, als vieleUnternehmen aufgrund eines restrik-tiveren Kreditvergabeverhaltens derBanken auf den Anleihemarkt ausge-wichen sind, um sich über die Plat-zierung von Unternehmensanleihen(Corporate Bonds) Kapital zu be-

schaffen.Während im Jahr

2009 überwiegendGroßunternehmen miteinem internationalanerkannten Invest-ment-Grade-Rating An-leihen emittierten, nutz-ten von 2010 an immermehr mittelständischeUnternehmen die Gunstder Stunde, die das nied-rige Zinsniveau gebotenhat und immer noch bie-tet. So nahmen seitdemeine ganze Reihe von Fir-

men am Kapitalmarkt über die Aus-gabe von „Mittelstandsanleihen“Fremdkapital auf, um ihre Bankkre-dite zu refinanzieren. Für Unterneh-men, deren Aktien nicht bereits ander Börse gelistet sind, spielt dabeieine wichtige Rolle, dass bei einerAnleiheemission im Gegensatz zu ei-ner Eigenkapitalfinanzierung überden Kapitalmarkt, also einer Aktien-platzierung, kein Kontrollverlustdurch die Abgabe von Stimmrechts-anteilen für die Anteilseigner ent-steht.

Unternehmen können ihre Anlei-hen in dem erst kürzlich für mittel-ständische Anleihen geöffneten En-try Standard der Frankfurter Börse,einem Segment, von dem noch eini-ges zu erwarten ist, notieren lassen,im eigens für Anleihen mittelständi-scher Unternehmen geschaffenenHandelssegment Bondm der BörseStuttgart, im bisher nur Aktien vorbe-haltenen Segment m:access derBörse München oder im neu gegrün-

deten „mittelstandsmarkt“ der BörseDüsseldorf. Für die Einbeziehungeiner Anleihe in eines der Handels-segmente muss der Emittent be-stimmte, in den Geschäftsbedingun-gen der jeweiligen Börse fest-gesetzte Voraussetzungen sowie Fol-gepflichten erfüllen.

Zulassungsvoraussetzungen

Zu den Zulassungsvoraussetzun-gen zählen unter anderem die Vor-lage eines gebilligten Wertpapierpro-spekts, die Veröffentlichung einesEmittentenratings (zum Beispiel Cre-ditreform oder Euler Hermes) sowiedie Mandatierung eines Kapital-markt- beziehungsweise Emissions-experten für die Dauer der Notie-rung der Anleihe. Zudem muss dieAnleihe ein bestimmtes Mindestvolu-men (nicht im Entry Standard) undeine Mindeststückelung von maxi-mal 1 000 Euro aufweisen.

Bei den Folgepflichten der Emit-tenten handelt es sich im Wesentli-chen um die Veröffentlichung vonJahresabschlüssen und unterjähri-gen Zwischenberichten (nicht imm:access), die Vorlage eines Folgera-tings sowie die Veröffentlichung al-ler kursrelevanten Unternehmens-nachrichten und eines Unterneh-menskalenders. Für ein Listing imFrankfurter Entry Standard ist sogardie Erfüllung der gerade veröffent-lichten „Mindeststandards für Bond-kommunikation“ der DVFA Deut-sche Vereinigung für Finanzanalyseund Asset Management verpflich-tend, was hier einen entscheidendenVorteil im Anlegerschutz bedeutet.

Die Mittelstandsanleihen weisenvergleichsweise geringe Emissionsvo-lumina zwischen 10 und 200 Mill.Euro auf. Es fällt auf, dass in der

zweiten Jahreshälfte 2010 immermehr Anleihen auch von kleinerenmittelständischen Unternehmen mitgeringen Emissionsvolumina von un-ter 25 Mill. Euro begeben wurden.Diese Mittelstandsanleihen sindabhängig von der Bonität des Emit-tenten mit Kupons zwischen 6 und9 % ausgestattet und besitzen in denmeisten Fällen eine Laufzeit von fünfJahren. Investoren in Mittelstands-anleihen sind bisher vor allem Pri-vatinvestoren, Vermögensverwalter,kleine Versicherungen und Kapitalan-lagegesellschaften. Das Engagementgrößerer institutioneller Anleger istderzeit noch relativ verhalten, dadiese in der Regel neben einer gutenBonität des Emittenten ein Emissions-volumen von mindestens 150 Mill.Euro und ein Rating einer der gro-ßen Ratingagenturen Moody’s, Stan-dard & Poor’s oder Fitch einfordern.

Breiterer Investorenkreis

Mit der Notierungsaufnahme derAnleihe in einem Handelssegmentsind verschiedene Vorteile verbun-den. Durch die erweiterten Publizi-täts- und Transparenzpflichten erhö-hen sich nicht nur die Visibilität ei-ner Anleihe und der Bekanntheits-grad des Unternehmens am Kapital-markt, sondern potenziellen Investo-ren wird auch ein besserer Zugangzu Unternehmensinformationen er-öffnet, auf deren Basis sie ihre Anla-geentscheidungen treffen können.So wird die Grundlage für den Zu-gang zu einem breiteren Investoren-kreis geschaffen. Zudem ermöglichtdie Notiz an der Börse eine kontinu-ierliche Preisfindung und einen fort-laufenden Handel der Anleihe, wo-durch die Attraktivität der Anleihegegenüber einer nicht gehandelten

Anleihe für Investoren aufgrund desgeringeren Liquiditätsrisikos steigt.

Ein weiterer Vorteil besteht darin,dass die Unternehmen ihre neue An-leihe nicht nur über die Gesellschaftselbst und – sofern es sich nicht umeine Eigenemission handelt – überdie begleitenden Banken platzierenkönnen. Vielmehr steht auch Privat-investoren über die entsprechendenFunktionalitäten der jeweiligenBörse eine einfache Möglichkeit zurZeichnung der Anleihe zur Verfü-gung.

Bei den mittelständischen Emitten-ten handelt es sich immer öfter umnicht börsennotierte Unternehmen,

für die die Ausgabe von CorporateBonds den ersten Schritt in RichtungKapitalmarkt darstellt. Folglich istneben den bereits beschriebenenVorteilen mit der Börsennotiz einerAnleihe auch der positive Effektverbunden, dass Unternehmen eineerste Kapitalmarkthistorie auf-bauen und die Weichen für einenlangfristigen Zugang zum Kapital-markt stellen können. So gesehen istdie Emission einer Unternehmensan-leihe auch so etwas wie ein Test fürmögliche zukünftige Kapitalmarkt-finanzierungen.

Wird die Anleihe in einem derHandelssegmente einbezogen, wer-den die Börsenneulinge erstmals mitden höheren Anforderungen in Be-zug auf Publizität und Transparenzkonfrontiert. Unterstützung erhal-ten die Emittenten nicht nur bei derErfüllung der Folgepflichten. Viel-mehr stehen ihnen insbesondere beider Strukturierung und der Durch-führung einer Anleiheemission erfah-rene Investmentbanken oder spezia-lisierte Beratungsunternehmen mitihrer Expertise zur Verfügung. Emit-tenten sollten in diesem Zusammen-hang die Rolle einer spezialisiertenBank als Mittler zwischen Unterneh-men und Investoren nicht unter-schätzen.

Nicht zu vernachlässigen ist auchder Umstand, dass eine größereUnabhängigkeit von der Kreditfinan-zierung mehr Freiräume für daseigentliche Tagesgeschäft schafft.Der Finanzchef eines Unternehmensmuss dann weniger die Berichts-pflichten gegenüber den finanzieren-den Banken erfüllen, sondern diestandardisierbaren, weniger aufwen-digen Anforderungen der Börse.

Zusammengefasst lässt sich fest-halten, dass sich durch eine erstma-lige Anleiheemission die Vorteile ei-ner günstigen, unbesicherten undweitestgehend mittelverwendungs-zweckfreien Finanzierung mit derNotwendigkeit, sich den Herausfor-derungen der Börse in puncto Trans-parenz und Publizität zu stellen, ver-binden lassen. So können die Unter-nehmen prüfen, ob der öffentlicheKapitalmarkt auch zukünftig alsFremdkapitalgeber oder sogar als Ei-genkapitalgeber via Börsengang inBetracht zu ziehen ist. Denn schließ-lich muss jede Anleihe früher oderspäter zurückbezahlt werden.

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Der Aufwärtstrend am europäischenAktienmarkt hat sich wieder stabili-siert. Trotz der Unsicherheit überdie Situation in Libyen und die Ölver-sorgung wurden die Befürchtungenan den Märkten von positiven Datendes US-Arbeitsmarktes und von gu-ten Unternehmenszahlen verdrängt.Auch die europäische Schuldenpro-

blematik, die im vergangenen Jahrauf dem europäischen Aktienmarktlastete, scheint die Investitionsbereit-schaft der Anleger nicht nachhaltigzu hemmen.

In den ersten zwei Monaten diesesJahres nutzten die Verkäufer dasgünstige Umfeld für Platzierungenvon Aktienpaketen auf dem Markt.Das führte zu einer Reihe von Trans-aktionen, die mit sehr kleinen Ab-schlägen platziert werden konnten.Trotz eines kurzfristigen Rückgangsder Platzierungen aufgrund der poli-tischen Ereignisse im Nahen Ostenund Nordafrika und des damit ein-hergehenden Anstiegs der Volatilitäterwarten wir aber, dass die Aktivitä-ten in einem ruhigeren Marktumfeldwieder zunehmen.

Interesse an Aktienfonds

Seit Ende 2010 ist besonders einTrend zu beobachten: Aktien alsInvestitionsklasse sind attraktivergeworden. Die Gründe liegen vorallem in der Unterbewertung gegen-über Anleihen und dem insgesamtbesser gewordenen makroökonomi-schen Umfeld. Das belegen auch diehohen Zuflüsse in Aktienfonds.

Die Nachfrage von institutionel-len Investoren bei Aktienemissionen

ist dementsprechend groß, insbeson-dere bei Transaktionen, die entspre-chende Liquidität bieten. Folglichsind die Rahmenbedingungen für Ak-tienplatzierungen gut, wir sehen da-her positive Bedingungen für Börsen-gänge.

Ein Ende 2010 von der Royal Bankof Scotland (RBS) in Auftrag gege-bener Investor Survey zur Lage des

Initial-Public-Offering(IPO)-Marktes in Europamacht deutlich: Das Inte-resse von Anlegern aneiner IPO-Beteiligung isterheblich. Entscheiden-de Kriterien für eineInvestition sind dabei so-lides Wachstum, Stabili-tät, Visibilität des opera-tiven Ergebnisses sowieein kompetentes Ma-nagement mit erfolgrei-chem Track Record. DieUmfrage belegt aller-dings auch, dass für In-

vestoren das Thema Bewertung wei-terhin eine sehr wichtige Rolle spielt.

Zweiter Anlauf geplant

Gleichzeitig wagen immer mehrUnternehmen nach einem misslunge-nen IPO in den vergangenen Jahrenerneut den Schritt an die Börse. EinBeispiel ist die GSW Immobilien AG:Im Mai 2010 wurde der Börsengangwegen hoher Volatilität und somitausgeprägter Unsicherheit an denglobalen Aktienmärkten verscho-ben. Für den kommenden April istnun der zweite Versuch geplant.

Die Verkäufer dieser Assets su-chen Strukturen, die eine gewisseAbsicherung bieten. Der Deal mussauch für sie zu einer akzeptablen Be-wertung stattfinden. Daraus resul-tiert unter anderem die unverändertrecht hohe Anzahl an sogenanntenDual Tracks. Dual Tracks sind paral-lele Verkaufsprozesse an Aktienin-vestoren sowie an strategische Anle-ger und Finanzinvestoren. Der ersteHärtetest steht dem IPO-Markt indiesem Jahr allerdings noch bevor:Die ersten Transaktionen sindvoraussichtlich Ende März zu erwar-ten. Auch für die Frankfurter Börseist momentan eine spannende Zeit. Fortsetzung Seite B 10

VonKlaus Schinkel

Head of Equity CapitalMarkets Germany,Austria & Switzerlandbei der Royal Bank ofScotland

VonNico Baader

Vorstandsmitglied derBaader Bank AG

Anlageklasse Aktiengewinnt an Popularität

2011 positive Bedingungen für Börsengänge

„Die Mittelstands-anleihen weisenvergleichsweisegeringe Emissions-volumina zwischen10 und 200 Mill.Euro auf.“

Mit Mittelstandsanleihen erste Schritte am Kapitalmarkt wagenVom Entry Standard der Frankfurter Börse ist noch einiges zu erwarten – Mittelständler machen ihre Finanzierungsstruktur bankenunabhängiger

Mittwoch, 16. März 2011 Sonderbeilage Börsen-Zeitung Nr. 52 B 9

Page 10: Finanzplatz Frankfurt

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Der Büromarkt kommt deutschland-weit in Schwung. Die Nutzer zeigensich umzugsfreudig, aufgrund erfreu-licher Rahmendaten wird Deutsch-land wieder zum attraktiven Invest-mentmarkt auch bei Büroimmo-bilien. Von der guten Laune der Mie-

ter und Anleger profitiert auchHessens Immobilienhochburg: „Aus-länder ante portas“.

Stabilisierung zu verzeichnen

Die deutschen Büromärkte habensich im zurückliegenden Jahr deut-lich stabilisiert. Ein Umsatzvolumenvon rund 2,6 Mill. qm in den sechsImmobilienhochburgen Berlin, Düs-seldorf, Frankfurt, Hamburg, Mün-chen und Stuttgart, dazu aufDeutschland verteilt nahezu 20Mrd. Euro in Immobilien investier-tes Kapital. Allein im vierten Quar-tal 2010 konnten gewerblich ge-nutzte Immobilien im Gesamtwertvon 5,8 Mrd. Euro veräußert wer-den. Oktober bis Dezember 2010waren damit die transaktionsstärks-ten Monate seit dem ersten Quartal2008.

Das Käuferspektrum war 2010 re-lativ breit gefächert. Sehr aktiv zeig-ten sich eigenkapitalstarke Investo-ren, wie zum Beispiel geschlosseneFonds (mit einem Anteil von knapp20% am gesamten Transaktionsvolu-men) und Versicherungen/Pensions-kassen, die zusammen auf einen An-

teil von um die 14 % ka-men. Letztere werdenwahrscheinlich bereitsin diesem Jahr mit denersten Auswirkungender geplanten Risiko-Richtlinien für Versiche-rungen (Solvency II)konfrontiert werden.Dies wird das Anlagever-halten dieser Gruppe inden nächsten beidenJahren beeinflussen.Auch am Main werdendie Auswirkungen zuspüren sein, allerdings

ohne Änderung der Fließrichtung.Derzeit werden zwar direkte Immobi-lienanlagen gegenüber der indirek-ten Beteiligung in Bezug auf die ge-forderte Eigenkapitalhinterlegungbevorzugt, dennoch bleibt zunächstabzuwarten, welche genauen Vor-schriften letztendlich in Kraft tretenwerden und mit welchen Konsequen-zen für Investoren zu rechnen seinwird. Erst dann lässt sich die Attrakti-vität der Asset-Klasse „Immobilien“gegenüber Aktien, Unternehmens-und Staatsanleihen beurteilen.

Zuversicht am Main

Zuversicht nach einem erfreuli-chen Investment- und Vermietungs-jahr begleitete den Büromarkt derhessischen Immobilienhochburg insJahr 2011. Die Marktteilnehmersind durchaus positiv gestimmt.

Auch auf dem Vermietungsmarktder deutschen Finanzmetropole be-stimmen Umzugsbereitschaft undExpansion die Strategie zahlreicherUnternehmen. Der befürchteteCrash am Vermietungsmarkt alsFolge der Finanz- und Wirtschafts-krise ist ausgeblieben. Schneller alsgedacht haben sich beide erholt undFahrt aufgenommen. Das gilt auchfür den Investmentmarkt Frank-furts. Mit einem Transaktionsvo-lumen von 1,8 Mrd. Euro endete dasInvestmentjahr für DeutschlandsFinanzmetropole durchaus erfreu-lich, hinter den Hochzeiten vergan-gener Jahre mit Transaktionsvolu-mina von jenseits der 6 Mrd. Euroallerdings noch Lichtjahre entferntund damit zurück aus fernen Gala-xien, quasi.

Zurück zur Normalität

Der Markt ist auf dem Weg zurückzur Normalität. So wurden fast 83 %aller Transaktionen in der zweitenJahreshälfte 2010 getätigt. Letztlichlag das 2010 erzielte Ergebnis damitum 143 % höher als noch im Vor-jahr. Vor allem drei Transaktionenjenseits der 100 Mill. Euro sorgtenfür Wohlfühleffekte. Darunter diegrößte bundesweit überhaupt: derKauf des Opernturms in der Banken-lage durch einen internationalenAsset Manager mit einem investier-ten Volumen von weit über 500 Mill.Euro.

Neben vier weiteren Investmentszwischen 50 und 100 Mill. Euro gabes vorzugsweise Transaktionen immittleren Größensegment. DerGrund dafür ist höchst einfach: Esfehlt an geeigneten Investment-möglichkeiten am Main. Die Ver-stärkung des traditionell sicherheits-

orientierten Anforderungsprofilsmacht sich als Folge der globalenFinanzmarkt- und Wirtschaftskrisenoch immer bemerkbar. Gesuchtwerden Investitionen in Objekteohne Leerstand und damit ohne Ver-mietungsrisiko. Die aber sind Man-gelware in Frankfurt, sind deswegenauch entlang des Mains überdurch-schnittlich gefragt. Erst langsamtrauen sich Investoren wieder mehrauf der Vermietungsseite zu, undauch das DevelopmentGeschäft er-wacht langsam wieder.

Ausländer ante portas

Im Unterschied zu 2009, als derdeutsche Investmentmarkt fast kom-plett durch einheimische Anleger ge-prägt war, nahm das investive Enga-gement ausländischer Investoren

2010 wieder zu. Für die hessischeImmobilienhochburg konnte mit ei-nem Anteil von 44 % am gesamtenTransaktionsvolumen in Frankfurtnach Berlin das zweitstärkste auslän-dische Engagement notiert werden.Sieben Transaktionen insgesamtliefen über die Bücher internationa-ler Investoren. Frankfurts Domäneauch bei ausländischen Investorenist das Büroimmobilien-Investment.Mit einem Anteil von 89 % am Trans-aktionsvolumen, entsprechend rund1,61 Mrd. Euro, liegt diese Asset-Klasse deutlich im Fokus der Anle-ger. Einzelhandels- und Logistik-Im-mobilien kommen demgegenüberauf einen marginalen Anteil von 5bzw. 3 %.

Frankfurt auf dem Bildschirm

Internationale Anleger habenDeutschland und vor allem Frank-furt grundsätzlich wieder auf demBildschirm. Hinter Berlin hat Frank-furt bereits jetzt das höchste Transak-tionsvolumen ausländischer Investo-ren in Deutschland überhaupt zu ver-zeichnen. Erstmals seit Juli 2007drängen neue internationale Investo-ren in einem größeren Umfang aufden Markt, die Deutschland bislangnoch nicht im Visier hatten. DiesesInvestmentinteresse kommt vonStaatsfonds, Versorgungskassen so-wie einigen Privatinvestoren aus Län-dern wie China, Indien, Malaysia,Singapur, Südkorea, Saudi-Arabien,Abu Dhabi und Norwegen. Frankfurtist für sie aufgrund der internationa-

len Bekanntheit als Finanzplatz, sei-ner bundesweit einmaligen Skylineund der hohen Qualität der Mietereines der Hauptinvestitionsziele.Neben diesen eher auf Core-Immo-bilien fokussierten Investorengrup-pen werfen auch opportunistischorientierte internationale Invest-ment-Manager wieder zunehmendein Auge auf sich ergebende Gelegen-heiten.

Geringeres Risiko

Das verstärkte Interesse internatio-naler Investoren am deutschenMarkt generell und am Frankfurterim Besonderen basiert auf einer iminternationalen Vergleich attrakti-ven Rendite. Nach einem deutlichenRückgang der Renditen in Märktenwie London und Paris sind die Rendi-ten für Prime-Objekte in Frankfurt ri-sikoangepasst interessant. Aufgrundder guten wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen, der sich weiter verbes-sernden immobilen Fundamentalda-ten sowie der in der Krise gezeigtenrelativ geringeren Volatilität weisendie deutschen Märkte ein geringeresRisiko als vergleichbare andereMärkte auf.

„Green“ immer beliebter

Dieser Trend wird sich 2011 fort-setzen. Die Mainmetropole, inDeutschland in puncto „Internatio-nalität“ vor allem des Großflug-hafens wegen nicht zu überbieten,hat dabei sehr gute Karten unterDeutschlands Immobilienhochbur-gen. Und gerade von den bei Auslän-dern beliebtesten Investments, denBüroimmobilien, hat die Metropoleam Main viel zu bieten – nicht zu-letzt bei den von internationalenUnternehmen als „State of the Art“identifizierten „Green Buildings“.Deren Standards gelten in Frankfurtquasi bei allen größeren Neubauvor-haben.

Denn die Farbe „Green“ wirdmehr und mehr zur Grundvorausset-zung für die Bereitschaft vor alleminternationalerer Investoren, sichüberhaupt mit der Frage eines Invest-ments zu beschäftigen. Analysen ausden USA bescheinigen nämlich ent-sprechend zertifizierten Objekteneine um bis zu 60 % höhere Wertent-wicklung gegenüber konventionel-len Investments. Und an diesen be-eindruckenden Statistiken kommtder Markt auch in Frankfurt ganz ein-fach nicht mehr vorbei.

VonMarcus Lemli

Leiter Leasing & CapitalMarkets bei Jones LangLaSalle Deutschland

Fortsetzung von Seite B 9

Die Fusion der Deutschen Börse mitder Nyse Euronext wird von Investo-ren mit Argusaugen beobachtet. Diemöglichen Auswirkungen sind der-zeit schwer abzuschätzen.

In diesem Umfeld ist ein weitererTrend erkennbar: Unternehmenziehen vermehrt Alternativen zu dentraditionellen Listing-Plätzen inEuropa in Betracht. Das Listing sollin einigen Fällen auch dazu dienen,die eigene Marke in neuen Märkten,speziell in Asien, zu stärken. Hierbeistellt sich Hongkong als beliebteAlternative im Luxusgütersektorheraus – siehe das L’Occitane-Listing

im November 2010. Auch Samso-nite hat dort kürzlich ein geplantesListing bekannt gegeben. Ein solcherSchritt ist allerdings tendenzielleher für Unternehmen geeignet, diebereits über eine starke Präsenz inAsien verfügen. Dient das Listing ins-besondere dazu, einen potenziellenBewertungsvorteil zu erzielen, wirdes von Investoren kritisch bewertet.

Die Mehrheit der europäischen Un-ternehmen kann indes abseits desIPO-Marktes starke Bilanzen undhohe Liquidität vorweisen. Es ist da-her damit zu rechnen, dass Kapitaler-höhungen im Corporate-Sektorhauptsächlich von Mergers & Acqui-

sitions (M & A) getrieben werden.Durch moderate Bewertungen undgünstige Finanzierungen lassen sichmit Übernahmen derzeit mehrWerte heben als in starken Jahren.Zusätzlich werden auch vermehrtShare Buybacks in Betracht gezogen.

Deals in Schwellenländern

Laut einem White Paper der RBSin Zusammenarbeit mit der BostonConsulting Group plant dieses Jahreines von sechs Unternehmen einenZukauf im Volumen von mehr als0,5 Mrd. Euro. Fast zwei Drittel derUnternehmen beabsichtigen Dealsin den Schwellenländern. Dies un-terstreicht ebenso eine weitereRBS-Umfrage: Nach der bevorzug-ten Anlageklasse befragt, entschie-den sich insgesamt 45 % der Teil-nehmer für Aktien oder Schwellen-länder-Aktien.

Eine Ausnahme bildet der Ban-kensektor, der von den Vorbereitun-gen auf strengere Core-Tier-1-Defini-tionen und Regeln zu Kapitalerhö-hungen in den nächsten Jahren be-lastet sein wird. Ab 2013 müssenBanken mindestens 3,5 % hartesKernkapital vorhalten, statt bislang2 %. Eigenkapitalinstrumente, diedie Basel-III-Kriterien nicht erfüllen,werden schrittweise aberkannt.2013 werden sie nur noch zu 90 %akzeptiert, endgültig abgeschafftwerden sie 2022.

Rechtzeitig reagieren

Generell sehen wir den Ausblickfür den Aktienmarkt 2011 sehr posi-tiv. Allerdings können sich Emissi-onsfenster in Zeiten wirtschaftlicherund politischer Unsicherheit schnellwieder schließen. Für Emittentenkann es sich also auszahlen, rechtzei-tig gut vorbereitet zu sein, um einvielversprechendes Emissionsum-feld zu nutzen.

Die imposante Frankfurter Skyline

Anlageklasse Aktien

„Für Emittentenkann es sich alsoauszahlen, rechtzei-tig gut vorbereitetzu sein, um einvielversprechendesEmissionsumfeldzu nutzen.“

Ausländische Anleger bevorzugen BüroimmobilienAttraktive Renditen – Mainmetropole hat sehr gute Karten unter den deutschen Immobilienhochburgen – „Green Buildings“ geschätzt

B 10 Börsen-Zeitung Nr. 52 Sonderbeilage Mittwoch, 16. März 2011

Page 11: Finanzplatz Frankfurt

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Börsen-Zeitung, 16.3.2011In den vergangenen Jahrhundertenkonnte die Frankfurter Wertpapier-börse (FWB) immer wieder wichtigeStandards setzen. Dass die FWB ihrelokalen Wettbewerber hinsichtlichder Geschäftsgröße deutlich über-ragt, ist nicht nur in der Finanzwelt

bekannt. Weniger offensichtlich ist:Auch in puncto der vorhandenen Tra-dition stellt der hessische Finanz-platz alle nationalen und wohl auchdie allermeisten internationalen Bör-sen weit in den Schatten.

Als im Jahre 1150 die erste Händ-lermesse für Waren und Rohstoffe inFrankfurt stattfand, ahnte niemand,dass dies der Beginn einer langenBörsen-Tradition sein würde. Daswar nur der indirekte Beginn der Ge-schichte der FWB. Doch da sichEuropa zu dieser Zeit noch im tiefs-ten Mittelalter befand, ist diese Epi-sode in der Tat bemerkenswert.

Die eigentliche Geburtsstunde derBörse war 1585. In den Jahrhunder-ten zuvor erhielt die Stadt erst dasSilber-, dann das Goldmünzrecht.Im Jahr, in dem Sixtus V. zum Papsternannt wurde und der achte Huge-nottenkrieg seinen Anfang fand,kam es in Frankfurt zum entschei-denden Schritt nach vorne. 1585 wa-ren es genau 84 Frankfurter Kauf-leute, die seinerzeit zur Herbstmesseeinheitliche Wechselkurse festgelegthatten und somit den imaginärenGrundstein für die Frankfurter Börsegelegt haben.

Physischer Grundstein

Der physische Grundstein wurde1879 gelegt: Der Börsenhandel fanderstmals in einem heute noch jedemFrankfurter bestens bekannten Ge-bäude der Innenstadt statt: dem sei-nerzeit als „Neue Börse“ umschriebe-nen Bau, der heute ironischerweiseals „Alte Börse“ zahlreichen TV-Zu-schauern rund um den Globus be-kannt ist. Mit dem Gebäude wurdeder Handel nicht nur wetterfest.Auch militärischen Konflikten hieltder Handelsplatz stand.

Während der Weimarer Republikbedeutete die Hyperinflation auch ei-nen Rückschlag für die Bedeutungder Frankfurter Börse. Dieser war je-doch nicht von Dauer, und der Ak-tienhandel gab dem Handelsplatzanschließend seine Bedeutung zu-rück. Das traurige Kapitel der Welt-

geschichte zwischen1939 und 1945 gingauch an der FWB nichtspurlos vorbei. MitKriegsende wurde derHandel eingestellt – je-doch nicht auf Dauer.Bereits im September1945 fand die Wiederer-öffnung der FrankfurterBörse statt. Dies ist ins-besondere vor dem Hin-tergrund, dass die Wäh-rungsreform erst 1948umgesetzt wurde, einweiterer Beleg für die

Dynamik des schon damals an Tradi-tionen reichen Börsenplatzes Frank-furt.

Im Jahr 1969 – geprägt von denProtesten der damaligen Studenten– kam es innerhalb der FWB zu einerOptimierung des Handels. Auchwenn diese für wenig Aufsehensorgte, hatte sie eine immens innova-tive und zukunftsweisende Bedeu-tung: Am 1. Februar dieses Jahresbegann das digitale Zeitalter inFrankfurt durch die elektronischeDatenverarbeitung. Jeder, der weiß,wie wichtig die Verarbeitung der Un-mengen von Daten im Handelsge-schäft ist, dem ist bewusst, wie nach-haltig dieser Schritt für den Finanz-platz war.

Das Beste aus zwei Welten

Ein ebenso wichtiger und rich-tungsweisender Schritt war die Ein-führung des elektronischen Handels-systems Xetra 1997. In puncto Leis-tungsfähigkeit und technologischerKompetenz gelang der FWB hier einabsoluter Meilenstein. Die Einfüh-rung von Xetra für den Parketthan-del erfolgt am 23. Mai 2011. Das istein wichtiger Schritt. Hierbei han-delt es sich nicht um eine vollkom-mene Verlagerung des Handels vonMensch zu Maschine. Vielmehrkönnte es der FWB sogar gelingen,das Beste aus zwei Welten zusam-menzuführen: Der Mensch und diePräsenzpflicht bleiben. Die nun „Spe-zialisten“ genannten Händler, zuvor„Skontroführer“, sorgen ab sofortfür die besten Preise und die besteAusführungsqualität. So lautet derAnspruch. Und es besteht kein Zwei-fel, dass diese Umsetzung gelingenwird. Gemeint sind die Organschaftund die Summe der dort handeln-

den Personen. Die Frankfurter Skon-troführer, die fortan nicht mehr nur(Wertpapier-) Spezialisten sind, son-dern sich auch so nennen dürfen, ha-ben sich zuletzt als echte Einheit ge-zeigt. Während sie über Jahrzehntekonträre Interessen vertraten, spre-chen sie wieder mit einer Stimme.Das war der richtige Ruck zur rech-ten Zeit. Es ist das Auftreten, wasder Frankfurter Börse, auch jetztnoch mit großem Abstand deutscherMarktführer, würdig ist. Das bereitetmir, als gebürtigem Frankfurter,eine tiefe Freude.

Doch so wichtig diese Migrationauch ist, für deren erfolgreicheDurchführung sich viele betroffeneMarktteilnehmer lange Zeit erfolg-reich eingesetzt haben: Mit der vo-raussichtlich 2011 und 2012 stattfin-denden Fusion der Deutschen Börsemit dem US-Handelsplatz Nyse ste-hen wir alle vor einem weiteren Mei-lenstein der aufregenden Geschichtedes Finanzplatzes Frankfurt. Wir wis-sen alle, dass der Weg zur abge-schlossenen Fusion lang und steinigist sowie über Brüssel führt. Dochschon jetzt gilt es über die Konse-quenzen dieser globalen Allianz lautnachzudenken.

Profitables Unternehmen

Ausgesprochen wichtig erscheinteins: Die Frankfurter Wertpapier-börse und der Handel mit Aktienund Renten im Herzen der deut-schen Finanzwelt dürfen durch eineFusion nicht geschwächt werden.Ganz im Gegenteil: Der BörsenplatzFrankfurt muss gestärkt aus diesemSzenario hervorgehen. Schließlichist die Deutsche Börse AG, der Trä-ger der FWB, ein bilanziell gesundesund ertragsseitig hoch profitablesUnternehmen.

Ich erlaube mir an dieser Stelle,ein ausgezeichnetes Zitat von Dr.Lutz Raettig, langjähriger und vonmir hoch geschätzter Vorsitzenderdes Börsenrates, anlässlich dieser Fu-sion wiederzugeben: „Globale Prä-senz ist die Voraussetzung für Trans-parenz, Effizienz und Attraktivitätdes Angebotes. Doch Globalisierungund lokale Verankerung sind zweiSeiten der gleichen Medaille. DieStärke der Frankfurter Wertpapier-börse basiert auch auf ihrer Einbet-tung in den Finanzplatz Frankfurt,ihrer Verwurzelung und Vernet-zung. Diesen Erfolgsgaranten gilt esauch in der größeren Einheit zu be-wahren und zu sichern.“

Modernste Technologie

Denn mit zukunftsfähigen Konzep-ten und dank modernster Technolo-gie setzt die FWB auch weiterhinweltweit Standards für den Handelmit Wertpapieren. Es erfüllt mich alsFrankfurter und CEO der seit jeherfest in Frankfurt verwurzelten CloseBrothers Seydler Bank AG mit Stolz,wie stark dieser Börsenplatz ande-

ren Finanzplätzen als Impulsgeberdie Richtung gewiesen und dabeieine exponierte Marktstellung er-obert hat. Im Inland und global.

Stagnation ist Rückschritt

Als Mitglied des Börsenrates unter-stützte ich diese technische Weiter-entwicklung und bin fest davon über-zeugt, dass die exponierte Marktstel-lung als Deutschlands Referenzbörseweiter Bestand haben wird. So er-hoffe ich mir vom bereits erwähntenSpezialisten-Modell der FWB ab23. Mai 2011 eine echte Weiterent-wicklung, infolge derer der Handelhöchsten internationalen Standardsgerecht wird. So beinhaltet das neueHandelsmodell dank der niedrigenKostenstruktur höchste Attraktivität.Die (von Spezialisten garantierte)hohe Liquidität wird zu einer ausge-sprochen hohen Order-Ausführungs-wahrscheinlichkeit führen. Die inter-national anerkannte Handelsüberwa-chungsstelle ist der Garant für diewohl beste im Sinne einer effizien-ten Regulierung. Die breite interna-tionale Anbindung und das große

Wertpapierangebot runden das Port-folio ab. Der historische Exkurs zuBeginn verbildlicht, dass die Frank-furter Börse in einer langen Zeit ste-ten Wandels durchgehender Garantfür qualitativ hochwertigen Handelwar. Technisch immer auf der Höheder Zeit und gleichermaßen imSinne der Emittenten sowie der Anle-ger handelnd. So war es immer, sowird es bleiben, unabhängig vomWandel der Zeit. Dafür steht auchdie Institution des Frankfurter Bör-senrats, welcher von dem einen oderanderen Generationswechsel ge-prägt, aber stets von einem einzigar-tigen Commitment der Entschei-dungsträger geprägt war und seinwird.

Vergessen Sie nicht: Es geht nichtnur um die Wichtigkeit des StandortsFrankfurt als Finanzplatz. Vielmehrist dieser Ort die Herzkammer derWachstums- und JobmaschineDeutschland. Gerade der deutscheMittelstand, dank seiner Stärke nachder Krise wieder von der ganzen Weltgeachtet, braucht ein funktionieren-des deutsches Finanzzentrum. Unddieses kann nur in Frankfurt liegen.

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Wie funktioniert die private Alters-vorsorge? Wozu werden Banken ge-braucht, und wie funktioniert ein Ak-tienfonds? Bereits einfache finanz-wirtschaftliche Fragen überfordernoft den durchschnittlichen Bundes-bürger. Dies gilt umso mehr für kom-

plexere Sachverhalte wie etwa Ursa-chen und Folgen der Finanzmarkt-krise. Geht es um die ökonomischeund finanzwirtschaftliche Allgemein-bildung, ist das Wissensniveau derDeutschen nicht ausreichend, sogarmangelhaft, wie Studien leider ge-zeigt haben.

Oftmals überfordert

Dabei ist gerade seit der Finanz-krise die Forderung nach einemverbesserten Finanzwissen der Ver-braucher immer stärker in den Fo-kus der Öffentlichkeit gerückt. VielePrivatanleger mussten in der Finanz-

krise schmerzhafte Vermögensver-luste hinnehmen, nicht zuletzt des-halb, weil sie die komplexen Pro-duktstrukturen, die ihnen seitensder Banken vermittelt wurden, nichtwirklich verstanden hatten. Selbstjunge Erwachsene, die eine gute Aus-bildung haben, sind überfordert,

wenn sie die richtigenProdukte für ihre Vermö-gensanlage oder ihreprivate Altersvorsorgeauswählen müssen.

Einer der Gründe hier-für ist – das ist unbestrit-ten –, dass die ThemenÖkonomie und Finanz-märkte in der Schulbil-dung ein Schattenda-sein führen. Kann esaber – darüber hinaus –auch daran liegen, dassFinanzwissen in denMedien schlecht vermit-

telt wird? Hans-Jürgen Arlt undWolfgang Storz haben in ihrer Stu-die der Otto Brenner Stiftung „Wirt-schaftsjournalismus in der Krise –Zum massenmedialen Umgang mitder Finanzkrise“ eindrucksvollgezeigt, dass auch die Qualität desWirtschafts- und Finanzjournalis-mus in der Zeit vor und während derKrise gesunken ist.

Eines der wichtigsten Ergebnisseder im März 2010 veröffentlichtenStudie ist, dass der tagesaktuelledeutsche Wirtschaftsjournalismusals Beobachter, Berichterstatter undKommentator des Finanzmarktesund der Finanzpolitik bis zum offe-

nen Ausbruch der Krise schlecht gear-beitet hat. Dem Befund der Studie zu-folge sind auch die besten Tageszei-tungen erst mit dem Ausbruch derweltweiten Finanzkrise publizistischund journalistisch „erwacht“. In denregionalen Zeitungen spielt die Aus-einandersetzung mit Finanzthemenohnehin eine untergeordnete Rolle.In ihren Schlussfolgerungen betonendie Autoren, dass in der Aus- undWeiterbildung von Finanzjournalis-ten stärker als bisher darauf geachtetwerden muss, dass neben der reinenVermittlung von Fachkenntnissenauch das Herstellen von Zusammen-hängen trainiert werden muss.

Renommierte Universitäten

Zweifellos konzentriert sich hieram Finanzplatz Frankfurt genügendökonomisches und finanzwirtschaft-liches Fachwissen. Mehr als 75 000Menschen arbeiten für die in Frank-furt ansässigen Kreditinstitute; zu-dem verfügt die Rhein-Main-Regionüber renommierte Universitäten mithoher Forschungs- und Lehrkompe-tenz im Bereich Wirtschaftswissen-schaften. Das am Finanzplatz vor-handene Wissen muss der Bevölke-rung aber auch zugänglich gemachtwerden. Es ist die wichtige Aufgabeder Wirtschafts- und Finanzjournalis-ten als Vermittler und Übersetzerden Verbrauchern das relevanteFinanzwissen verständlich zu vermit-teln. Genau diese Zielsetzung ver-folgt der im Jahr 2007 gemeinsam

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VonMarkus Gerhard

Programm-Direktorder Frankfurt Schoolof Finance & Manage-ment

VonRené Parmantier

Vorstandsvorsitzenderder Close BrothersSeydler Bank AG

Starkes Finanzzentrum bedarfkompetenter Berichterstattung

Steigendes Wissensniveau nötig – Finanzkenntnisse verständlich vermitteln

Sitz der Frankfurter Wertpapierbörse Moderner Handelssaal

Börse Frankfurt als Impulsgeber nicht zu ersetzenHier trifft Tradition auf Zukunftstechnik – Exponierte Marktstellung nicht nur im Inland – Handelsplatz setzt weiterhin weltweit Standards

Mittwoch, 16. März 2011 Sonderbeilage Börsen-Zeitung Nr. 52 B 11

Page 12: Finanzplatz Frankfurt

Börsen-Zeitung, 16.3.2011Im Zuge der Finanzkrise ist deutlichgeworden: Professionelles Handelnbraucht über den regulatorischenRahmen hinaus auch eine ethischeFundierung. Denn viele der bekanntgewordenen Verwerfungen mögendurch legales Handeln entstanden

sein; legitim war es nicht immer.Hier muss die Ausbildung von Invest-mentprofis ansetzen. Zur Ausbil-dung als „Chartered Financial Ana-lyst“ (CFA) gehört zum Beispiel dieintensive Beschäftigung mit Dilem-masituationen, in denen der Rück-griff auf Gesetze und andere Nor-men keine eindeutige Auskunft fürrichtiges oder falsches Verhaltengibt.

In dem Maße, wie immer mehr In-vestmentprofis diese Schulungdurchlaufen, wird sich ein Standardprofessionellen Verhaltens entwi-ckeln, der die Lücken eines rein nor-mativen Ansatzes schließen hilft.

Weil die Finanzwelt so global ist wiewenig andere Industrien, kann sichein solcher ungeschriebener Kodexnatürlich auch nur durch eine globalharmonisierte Ausbildung durchset-zen. Auch dies leistet die Ausbildungzum CFA. Als Charterholder ist manTeil einer weltweiten Community,

kann sich für gemein-same Ziele engagierenund sich weiterbildenüber Fachveranstaltun-gen der lokalen CFA Ver-bände, wie etwa der Ger-man CFA Society. So ent-steht ein globales Netz-werk, das über ähnliche– und damit vergleich-bare – Werte verfügtund nicht zuletzt einemCharterholder Ortswech-sel im Rahmen einer glo-balen Karriere erleich-tert. Zudem erneuert je-

der CFA Charterholder einmal imJahr seine Mitgliedschaft beim CFAInstitute und dokumentiert damitausdrücklich seine Identifikation mitden branchenweit anerkannten ethi-schen Grundregeln.

Drei Prüfungen

Über 100 000 Charterholder welt-weit haben das berufsbegleitende,breit angelegte Wirtschaftsstudiummit Schwerpunkt auf Finanzmarkt-themen absolviert und nach drei Prü-fungen (zusammen mit einem Nach-weis über ein akademisches Stu-dium und einem Minimum von vier

Jahren Berufserfahrung) die Berech-tigung erworben, offiziell den TitelCFA zu tragen und ihn auf Visiten-karten oder Marktkommentarendirekt hinter den Namen zu schrei-ben. Treibende Organisation der Aus-bildung und Prüfung ist das CFAInstitute, das heute durch die loka-len Verbände wie etwa die GermanCFA Society in über 130 Ländernweltweit vertreten ist.

Breiter Themenkatalog

Gleichzeitig arbeitet das CFA Insti-tute mit an der Weiterentwicklungvon Rechnungslegungsstandards,der Schaffung von Handelstrans-parenz und der Offenlegung von Inte-ressenkonflikten – um nur drei The-men aus dem großen Katalog der ge-sellschaftlich relevanten Tätigkeitdes Instituts zu nennen. Gemeinsa-

mer Nenner dieser Aktivitäten ist dasInteresse des Investors. Er soll in dieLage versetzt werden, auf der Basismöglichst vollständiger Informatio-nen seine Entscheidungen zu treffen.

Bei allem Bekenntnis zu globalerStandardisierung wäre es jedochnaiv zu glauben, Finanzplätze stün-den nicht miteinander im Wettbe-werb. Wenn etwa der Global Finan-cial Centres Index (GFCI), der zwei-mal im Jahr ein Ranking der Wettbe-werbsfähigkeit von Finanzplätzenweltweit erstellt, eine zentrale Bot-schaft hat, dann diese: Der Finanz-platz Hongkong hat die traditionellführenden Zentren London und NewYork bereits im Visier! Frankfurtzählt im GFCI zur Gruppe der „stabi-len“ Finanzplätze, der neben Frank-furt nur sechs weitere Finanzzentrenangehören. Zudem wird Frankfurtweiterhin dem exklusiven Kreis der„Global Leaders“ zugerechnet – ins-gesamt nur acht Zentren weltweit ge-nießen diesen Status.

Wenn dies so bleiben soll, ist pro-fessionelle Berufsbildung ein wesent-licher Erfolgsfaktor. Besonders seitder Finanzkrise werden an Spezialis-ten der Finanzindustrie wie Analys-ten oder Portfoliomanager immermehr Anforderungen gestellt – sei esaus der erweiterten Analyse von Risi-ken, der Veränderung der internatio-nalen Standards für die Rechnungs-legung, der Implementierung von eu-ropaweiten Standards wie der Mifidoder auch der Überarbeitung finanz-wirtschaftlicher Modelle.

Da der Gesetzgeber hierzulandebislang keine Mindestanforderun-gen für die Aus- und Weiterbildungder Kapitalmarktprofis formulierthat, bietet sich als Lösung der Rück-griff auf einen existierenden Stan-

dard an, der als Gütesiegel die einzel-nen Marktteilnehmer auszeichnet –unabhängig von ihrem Arbeitgeber.Der Chartered Financial Analyst istein solcher Titel: anspruchsvoll, in-ternational und weltweit hoch aner-kannt.

Damit verbunden sind nicht seltenhöhere Gehälter als bei den Kollegenohne Charter, denn der CFA signali-siert Fachwissen, Motivation undvor allem Belastbarkeit. Allein 2010nahmen weltweit insgesamt 110 000Kandidaten an der Prüfung teil, inDeutschland waren Ende 2010 rund1 600 Charterholder registriert. Da-mit ist die German CFA Society, dieCharterholder und Kandidaten lokalvertritt, heute die größte unabhän-gige Berufsvereinigung der Finanzin-dustrie in Deutschland.

Zeitbedarf große Hürde

Eine große Hürde zum CFA sehenviele Kandidaten im Zeitbedarf von300 Stunden pro Prüfung. VieleArbeitgeber unterstützen jedochihre Mitarbeiter mit Freistellungenund übernehmen die Prüfungsgebüh-ren. Eine weitere Möglichkeit be-steht darin, den CFA in das Studiumzu integrieren. Dank einer Partner-schaft mit dem CFA Institute bekom-men seit Sommer 2010 Studierendeder Universität Mannheim, der Euro-pean Business School (EBS) und der

Goethe Business School bereits imStudium einen Großteil der Inhaltedes CFA vermittelt.

Anspruchsvolle Aus- und Weiter-bildung fördert aber nicht nur dieeinzelnen Teilnehmer. AusgebildeteFachleute finden sich im Dickichtder Finanzmärkte besser zurechtund können so Chancen und Risikenbesser einschätzen. Davon profitie-

ren alle Marktteilnehmer. Ziel allerWeiterbildungsangebote ist es, mitmehr Wissen auch mehr Klarheit zuschaffen. Darüber hinaus sicherteine höhere Bildung die Wettbe-werbsfähigkeit des FinanzplatzesDeutschland und minimiert dasRisiko erneuter Verwerfungen in derFinanzindustrie.

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von der Frankfurt School of Finance& Management und der HessischenLandesregierung initiierte einjäh-rige, berufsbegleitende Weiterbil-dungsstudiengang „Finance Journa-lism“: Studierende sollen sowohlfachlich im Bereich Wirtschaft undFinanzen weitergebildet werden,aber auch kompakte, praxisnaheund finanzjournalistische Kompeten-zen vermittelt bekommen. Darüberhinaus fördert der Studiengang denDialog zwischen Finanzjournalistenund Öffentlichkeitsabteilungen vonUnternehmen. Denn Untersuchun-gen haben gezeigt, dass Finanzjour-nalisten die Meldungen und Präsen-tationen von Unternehmen nur zu66 % als präzise und nachvollzieh-bar bewerten. Hier leistet der Studi-engang einen Beitrag, die beste-hende Diskrepanz zu verringern.

Dem Leser Nutzen stiften

Wer professionell und kompetentüber Finanzthemen berichten unddem Leser einen Nutzen stiften will,muss tiefgehende Kenntnisse überdie Finanzmärkte, die kompliziertenVerbindungen der Finanzwelt mitder realen Ökonomie sowie überkomplexe Finanzprodukte haben. Er-forderlich ist aber nicht nur die intel-lektuelle Durchdringung der kompli-zierten Materie, sondern auch die Fä-higkeit, dies dann transparent und

verständlich zu kommunizieren. Inmehreren Unterrichtseinheiten, wiezum Beispiel der Berichterstattungzu Unternehmen, Banken undFinanzmärkten, lehren Fachleutedes Finanzplatzes – Professoren derFrankfurt School und erfahrene Jour-nalisten –, wie Finanzthemen aufge-arbeitet werden müssen, damitLeser sie verstehen und einen Nut-zen daraus ziehen können.

Zusammenhänge verstehen

Seit jeher besteht am FinanzplatzFrankfurt eine enge Verbindung zwi-schen der Real- und Finanzwirt-schaft. Für dieses komplexe Bezie-hungsgefüge fehlt vielen Menschendas Verständnis. Für eine gute Zu-kunft des Finanzstandorts Frankfurtist es wichtig, dass die Bürger dieseZusammenhänge verstehen. An die-ser Stelle stehen die wesentlichenAkteure des Finanzplatzes in derPflicht, Kompetenz und Wissen zurVerfügung zu stellen sowie für eineoffene und transparente Kommuni-kation zu sorgen.

Für einen starken Finanzplatzsind die Akzeptanz und das Ver-ständnis der Bevölkerung für diekomplexen Vorgänge unerlässlich.Gerade durch die Krise wurde dasVertrauen der Menschen in die Fi-nanzbranche erschüttert. Die Folgendieses Vertrauensverlustes habennicht nur die Finanzbranche, son-dern auch die Politik und die Gesell-

schaft zu tragen. Wir sind auf funk-tionierende Finanzmärkte und einestabile Wirtschaft angewiesen –auch am Finanzplatz muss das Ver-trauen in das Finanzsystem wieder-hergestellt werden. Dies beginnt miteiner offenen und transparenten

Kommunikation. Der FinanzplatzFrankfurt braucht daher sowohl eineglaubwürdige Berichterstattung vonUnternehmen und Banken als aucheinen guten Wirtschafts- und Finanz-journalismus.

Zwölfmonatiges Programm

Als essenzieller Standortfaktor fürden Finanzplatz Frankfurt ist dasStudienprogramm „Finance Journa-lism“ nicht nur ein Investment in dieZukunft der Branche. Das zwölfmo-natige berufsbegleitende Weiterbil-dungsprogramm ist ein weiterer Bau-

stein der „Education Industry“ amFinanzplatz Frankfurt. Es werdendiejenigen Mitarbeiter ausgebildet,die nicht nur in der Lage sein wer-den, die Brücke zwischen Finanz-dienstleistern und der Öffentlichkeitzu schlagen, sondern auch Finanz-und Wirtschaftsthemen so vermit-teln zu können, dass auch Laien sieverstehen. Eine qualifizierte Bericht-erstattung über Akteure und Ereig-nisse in der Finanzwirtschaft sowieüber finanzpolitische Themen trägtmaßgeblich dazu bei, den Finanz-platz Frankfurt insgesamt zu stärkenund im internationalen Wettbewerbzu positionieren.

Leistungsstipendien

Deshalb führte das Land Hessenim Rahmen seines Engagements fürden Finanzplatz gemeinsam mit derFrankfurt School dieses Studienpro-gramm ein und fördert die Teilneh-mer mit Leistungsstipendien. So-wohl auf Seiten der finanzjournalisti-schen Medien wie auf Seiten der Un-ternehmenskommunikation hat dieAus- und Weiterbildung in diesemZusammenhang eine große Bedeu-tung. Mit der Vergabe der Leistungs-stipendien unterstreicht das Hessi-sche Wirtschaftsministerium nichtnur die Bedeutung des Programms,sondern leistet einen wichtigenBeitrag zur journalistischen Nach-wuchsförderung am FinanzstandortFrankfurt.

„Damit verbundensind nicht seltenhöhere Gehälter alsbei den Kollegenohne Charter, dennder CFA signalisiertFachwissen, Motiva-tion und vor allemBelastbarkeit.“

cw – Die German CFA Societywurde im September 2000 alsLokalverband des CFA Institutegegründet. Nach Großbritannienund der Schweiz ist die GermanCFA Society die drittgrößte CFA-Vereinigung in Europa. Mitgliedersind in erster Linie Analysten undAsset Manager mit Chartered-Financial-Analyst-Qualifikation.Der Verband hat seinen Sitz inFrankfurt am Main.

Zu den wichtigen Aufgaben desVereins gehören neben der Förde-rung und Weiterentwicklung derethischen Grundsätze und Standes-richtlinien des CFA Institute inDeutschland unter anderem dieIntensivierung des Bekanntheits-grades des CFA-Titels wie auch dieSchaffung einer Plattform für denErfahrungsaustausch innerhalb derdeutschen Investment-Branche.

(Börsen-Zeitung, 16.3.2011)

Impressum

Börsen-ZeitungSonderbeilage

Finanzplatz FrankfurtAm 16. März 2011

Redaktion: Claudia Weippert-StemmerAnzeigen: Dr. Jens Zinke (verantwortlich)

Andrea KinekeTechnik: Tom Maier

Typografische Umsetzung: Daniela Störkel

Verlag der Börsen-Zeitung in der Herausgebergemeinschaft WERTPAPIER-MITTEILUNGEN Keppler, Lehmann GmbH & Co. KG, Düsseldorfer Straße 16,60329 Frankfurt am Main, Tel.: 069/2732-0, (Anzeigen) Tel.: 069/2732-115,

Fax: 069/233702, (Vertrieb) 069/234173.Geschäftsführer: Ernst Padberg

Druck: Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH;Kurhessenstraße 4–6, 64546 Mörfelden-Walldorf

VonHarald Bareit

Vorstandsmitglied derGerman CFA Society

Finanzzentrum bedarf kompetenter Berichterstattung

„Seit jeher bestehtam FinanzplatzFrankfurt eineenge Verbindungzwischen der Real-und Finanzwirt-schaft.“

„Viele Arbeitgeberunterstützen ihreMitarbeiter mitFreistellungen undübernehmen diePrüfungsgebühren.“

Charterholder finden besser durch das Dickicht der FinanzmärkteInternational hoch anerkannt – Mit mehr Wissen auch mehr Klarheit schaffen – Höhere Bildung sichert Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands

Analysten und Asset Manager

In Frankfurt zuhause

B 12 Börsen-Zeitung Nr. 52 Sonderbeilage Mittwoch, 16. März 2011