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Finanzplatz Schweiz Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch gemeinsame Anstrengungen von Privatsektor und Politik September 2012

Finanzplatz Schweiz - Credit Suisse

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Finanzplatz SchweizStärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch gemeinsame Anstrengungen von Privatsektor und Politik

September 2012

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Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser

Der Finanzdienstleistungssektor durchläuft zurzeit fundamentale Veränderungen. Angesichts des zwingenden Wandels der Branche

und ihres operativen Umfelds werden sich auch die Finanzzentren, darunter die Schweiz, anpassen müssen.

Alle Beteiligten sollten diesen Veränderungen proaktiv begegnen und eng zusammenarbeiten. Es gilt, Massnahmen umzusetzen,

welche die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als Finanzplatz stärken.

Die jüngere Schweizer Geschichte legt nahe, dass dies möglich ist. Seit jeher war es diese proaktive Haltung gegenüber

Veränderungen, welche die Schweiz zu einer der weltweit erfolgreichsten Volkswirtschaften gemacht hat. Andere helvetische

Branchen haben eindrucksvoll demonstriert, wie ein Sektor eine Führungsposition bewahren oder neu erarbeiten kann, selbst wenn

die Perspektiven anfänglich ziemlich düster erscheinen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Schweizer Uhrenindustrie, in der in den

1970er-Jahren zwei Drittel der Arbeitsplätze verloren gingen. Weitere Beispiele sind die Branchen Chemie und Pharma oder die

Hersteller von Medizinaltechnik. Allen diesen Erfolgsgeschichten ist gemeinsam, dass die betreffenden Schweizer Industriellen und

Unternehmer willens waren, sich an die Veränderungen anzupassen und die Geschäftsmodelle sowie die Struktur ihrer Branche neu

auszurichten. Dies ist nun auch von der Finanzdienstleistungsbranche in der Schweiz gefordert.

Mit der vorliegenden Publikation möchten wir einen konstruktiven Beitrag zur wichtigen Diskussion darüber leisten, wie sich die

internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als Finanzzentrum verbessern lässt. Wir wollen damit aber nicht die zurzeit von der

Schweizer Regierung und anderen Beteiligten unternommenen Anstrengungen duplizieren. Statt eine umfassende Liste mit

Empfehlungen für gesetzliche und regulatorische Massnahmen zu erstellen, haben wir deshalb versucht, verschiedene

Strategiebereiche zu identifizieren, in denen unseres Erachtens Handlungsbedarf besteht – vornehmlich bei den Schweizer Banken

selbst.

Ich hoffe, dass die folgenden Seiten Ideen für Diskussionen und Massnahmen bereithalten werden. Ich bin zuversichtlich, dass die

Schweizer Banken, Politiker, Aufsichtsbehörden und Akademiker gemeinsam an der Erhaltung und Stärkung eines dynamischen,

konkurrenzfähigen und innovativen Finanzsektors arbeiten werden – eines Finanzsektors, der unsere Volkswirtschaft mitträgt und

auch in der Zukunft in- und ausländischen Kunden, die sich bei der Abwicklung ihrer Finanzgeschäfte für die Schweiz entscheiden,

dienen wird.

Mit freundlichen Grüssen

Urs Rohner

Präsident des Verwaltungsrats

Credit Suisse Group AG

Impressum

Herausgeber

Credit Suisse

Paradeplatz 8

CH-8070 Zürich

Schweiz

Kontakte

Oliver Adler, +41 44 333 09 61, [email protected]

Giles Keating, +41 44 332 22 33, [email protected]

Manuel Rybach, +41 44 333 32 36, [email protected]

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Zusammenfassung

Der seit der globalen Finanzkrise zu beobachtende Entschuldungsprozess («Deleveraging»),

regulatorische Reformen und die Verschiebung der weltwirtschaftlichen Kräfteverhältnisse

zugunsten der Schwellenländer haben tief greifende Konsequenzen für den globalen Banksektor

und die Schweiz, insbesondere für ihren Finanzsektor. Darüber hinaus kämpft der Finanzplatz

Schweiz zurzeit mit diversen spezifischen Herausforderungen, die mit dem grenzüberschreitenden

Geschäft im Bereich Private Banking zusammenhängen. Als Antwort auf diese Herausforderungen

hat die Schweizer Regierung 2009 eine Finanzplatzstrategie verfasst, und das Eidgenössische

Finanzdepartement (EFD) wird dem Bundesrat in den nächsten Monaten einen neuen Bericht zu

diesem Thema vorlegen. Der Privatsektor hat in der Entwurfsphase substanziellen Input

beigesteuert.

Wir möchten diese wichtigen Anstrengungen mit der vorliegenden Publikation nicht einfach

duplizieren, sondern eher ergänzen. Wir identifizieren hierfür gewisse strategische Bereiche, auf die

sich alle betroffenen Parteien und insbesondere die Schweizer Banken konzentrieren sollten, um

die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als Finanzzentrum zu verbessern.

In den folgenden Kapiteln erstellen wir in einem ersten Schritt eine Analyse des globalen

Bankumfelds, die unseren Empfehlungen zugrunde liegt. Wir werfen einen kurzen Blick auf die

aktuelle Verfassung der globalen Finanzdienstleistungsbranche (wobei wir uns wie im gesamten

Bericht auf die Banken konzentrieren) und erläutern, wie sich die Branche an regulatorische

Veränderungen und geschäftliche Anforderungen anpasst bzw. welche geschäftlichen Chancen

sich daraus ergeben könnten.

Wir analysieren sodann die Stärken und Schwächen der bedeutendsten internationalen

Finanzplätze, insbesondere im Vergleich zur Schweiz. Wir porträtieren Singapur eingehender, weil

dieser Stadtstaat eine wichtige Drehscheibe für das Vermögensverwaltungsgeschäft ist.

Der Bericht befasst sich sodann mit der aktuellen Situation der Schweiz und identifiziert die

Stärken und Schwächen unseres Finanzplatzes im Lichte der regulatorischen Entwicklungen der

jüngsten Zeit. Wir beziehen uns dabei auch auf den «Masterplan Finanzplatz Schweiz» von 2007,

dessen Ziel darin bestand, die Schweiz unter den Top 3 der internationalen Finanzzentren zu

etablieren. Das Umfeld hat sich zwar seit damals substanziell verändert, aber die Agenda aus dem

Jahr 2007 ist unseres Erachtens auch heute noch relevant. Sie muss allerdings mit zusätzlichen

Massnahmen ergänzt werden. Wir gelangen zum Schluss, dass die traditionellen Stärken des

Finanzplatzes Schweiz – Beratungsdienstleistungen bester Qualität, kombiniert mit der politischen,

sozialen und wirtschaftlichen Stabilität der Schweiz – nach wie vor Bestand haben.

Neben diesen Stärken sind u.a. folgende Aspekte für den künftigen Erfolg des Finanzplatzes

unerlässlich:

Gewährleistung der systemischen Stabilität seiner Finanzinstitute

Schutz seiner Reputation durch strikte Einhaltung hoher, international geltender

Standards

Sicherstellung des Zugangs zu den globalen Märkten; und ganz allgemein

Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit

Unser Bericht schliesst mit Überlegungen, wie sich dieses Ziel erreichen lässt. Unsere

Empfehlungen gliedern sich in folgende vier Hauptbereiche:

1) Stärkung der unterstützenden Rolle der Banken für die Schweizer Volkswirtschaft

2) Revitalisierung der Schweiz als bevorzugtes Zentrum für die globale Vermögensverwaltung

3) Positionierung für die «Ost/Süd»-Verschiebung des weltwirtschaftlichen Gleichgewichts

4) Etablierung als infrastrukturelles Zentrum für Investitionen und Kapitalmärkte

Eine Zusammenfassung unserer Empfehlungen, aufgeschlüsselt nach Stakeholdern, findet sich

in Tabelle 1.

Massnahmen zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als

Finanzzentrum sind dringlicher denn je. Mit diesem Papier und den darin enthaltenen spezifischen

Empfehlungen hoffen wir, einen Beitrag zu dieser wichtigen Diskussion zu leisten.

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Tabelle 1: Zusammenfassung der Empfehlungen, nach Stakeholder-Gruppen

1. Stärkere

Unterstützung der

Schweizer Wirtschaft

durch Banken

2. Neubelebung des

Private Banking

3. Positionierung für

«Ost/Süd»-Verschiebung

4. Etablierung als

infrastrukturelles Zentrum

für Investitionen und

Kapitalmärkte

Banken

Verstärkte Bemühungen, die Bedürfnisse kleiner

und grosser Unternehmen, inkl.

Start-Ups, zu erfüllen.

Erhöhung des Marktanteils bei weltweit aktiven Schweizer

Unternehmen.

Ausbau der Präsenz im Handelsfinanzierungs-

geschäft.

Entwicklung von

Internet- und Mobile-Banking-Kompetenzen.

Geschäftsmodelle auf der Grundlage

ausschliesslich korrekt versteuerter Gelder.

Erfüllung höchster

ethischer und beruflicher Standards.

Bessere Nutzung von sich bietenden Chancen

im Bereich Anlageprodukte.

Ausbau der Beratung in den Bereichen

Philanthropie bzw. Impact Investing.

Massnahmen zur besseren Skalierung,

z.B. durch spezialisierte Dienstleistungs-unternehmen.

Investitionen in die

Ausbildung der Mitarbeitenden.

Öffnung des Zugangs zu neuen Märkten für

Unternehmenskunden.

Einsatz von mehr Mitarbeitern, Kapital und

anderen Ressourcen in neuen Märkten.

Entwicklung von Offshore-Plattformen in Hinblick auf

ausgewählte Emerging-Market-Währungen.

Etablierung als Daten- und Infrastruktur-Zentrum für

ausgewählte globale Finanzdienstleistungen.

Investitionen in Börsen-,

Abwicklungs- und Zahlungsverkehr- und allgemeine

Marktinfrastruktur.

Erwägung eines Masterplans für eine

gemeinsame

Finanzmarktinfrastruktur.

Regierung und

Parlament

Überprüfung der Schweizer

Stempelabgabe auf Aktien, Geldmarktinstrumenten

und Anleihen.

Verbesserung des Marktzugangs mittels Freihandelsabkommen.

Verbesserung des Marktzugangs mittels

Freihandelsabkommen.

Schaffung eines konkurrenzfähigen Steuerumfelds für

Alternative-Investment-Firmen und -Manager.

Gewährleistung der

Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, u.a. durch

Ausbildung in Finance und Wirtschaft, sowie eine angemessene

Immigrationspolitik.

Unterstützung eines günstigen Umfelds für den

Rohstoff- und den globalen

Devisenhandel.

Umsetzung des für eine «Best in class»-Finanzmarktinfrastruktur erforderlichen gesetzlichen/

regulatorischen Umfelds.

Aufsichtsbehörden

Regulierung der Qualität und des

Anlegerschutzes im Bereich «Crowdfunding».

Unterstützung bei der Etablierung eines

«Goldstandards» für die Anlageberatung in

Zusammenarbeit mit Branchenvereinigungen

und Politik.

Einhaltung hoher Standards in Bezug auf die finanzielle Integrität.

Verbesserung des

regulatorischen Umfelds für externe Vermögensverwalter.

Straffung des

Registrierungsprozesses für neue Fonds.

Quelle: Credit Suisse

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Kapitel 1

Das globale Bankumfeld im Wandel

Die globale Finanzbranche durchläuft zurzeit bisher beispiellose Veränderungen. Diese sind

hauptsächlich als Reaktion auf die übermässige Expansion des Sektors und die Überschuldung in

der Zeit vor dem Ausbruch der Subprime-Krise in den USA und der Staatsschuldenkrise in Europa

zu verstehen. Weitere Veränderungen gehen vom starken demografischen Wandel und sich

verschiebenden globalen Wachstumstrends aus. Zudem hat die Finanzkrise eine Vielzahl politischer

und regulatorischer Reaktionen hervorgebracht. Letztere unterscheiden sich zum Teil recht stark

von Region zu Region und von Land zu Land und wirken sich damit unterschiedlich auf die relative

Wettbewerbsposition der betroffenen Finanzplätze aus. Allgemeiner lässt sich feststellen, dass der

Globalisierungstrend, der in der Dekade bis zur Krise zu beobachten war, nun zu einem gewissen

Grad rückgängig gemacht wird. Das folgende Kapitel behandelt die Haupttreiber der

Veränderungen sowie die damit einhergehenden Herausforderungen für die Branche und ihre

diversen Geschäftssegmente.

1) Wichtigste Veränderungsimpulse in der globalen Bankbranche

Zu den wichtigsten Faktoren, die momentan Veränderungen in der globalen Bankbranche be-

wirken, gehören unseres Erachtens folgende:

1. Entschuldung («Deleveraging») und Desintermediation: Infolge höherer

Eigenkapitalvorschriften, (zumindest vorübergehend) höherer Finanzierungskosten und eines

geringeren Wirtschaftswachstums in gewissen Industrieländern sind die Finanzinstitute zurzeit

dabei, den Umfang ihrer Bilanzen substanziell zu reduzieren. Einige Akteure sind davon stärker

betroffen als andere, wodurch sich für Letztere, wie z.B. gewisse asiatische Banken, Chancen

eröffnen. «Regulatorische Arbitrage» zwischen Finanzzentren mit unterschiedlichen Regeln verstärkt

möglicherweise die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit bis zu einem

gewissen Grad. Die Entschuldung könnte auch eine verstärkte Desintermediation oder – positiv

formuliert – eine verstärkte Weitervermittlung von Sparkapital via die Kapitalmärkte statt via Banken

zur Folge haben. In Europa und Asien werden derzeit rund drei Viertel der Unternehmens-

kreditrisiken über die Bilanzen von Banken verbucht, während ein Viertel über die Kapitalmärkte

abgewickelt wird. In Europa und anderswo wird voraussichtlich eine Verschiebung hin zum US-

Modell stattfinden, in welchem diese Verhältnisse umgekehrt sind. Auch diese Entwicklung wird

einigen gut positionierten Finanzinstituten signifikante Wachstumsgelegenheiten eröffnen.

2. Regulierung und Besteuerung: Das regulatorische Umfeld entwickelt sich angesichts vieler

laufender Initiativen rasant (Basel III, Ring Fencing, Solvency II, Dodd-Frank-Gesetz, Richtlinie über

Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), Abwicklungsplanung usw.). Der zuvor eher lockere Ansatz

der Aufsichtsbehörden wird damit schnell verschärft. Die bekundete Absicht besteht in der

Schaffung eines weltweit standardisierten Regulierungsrahmens. Es ist aber alles andere als klar,

ob wir uns tatsächlich in diese Richtung bewegen. Die nationalen Aufsichtsbehörden konzentrierten

sich bisher oft mehr auf nationale Risiken, sodass die zu Beginn des laufenden Jahrhunderts

beobachtete Globalisierung der Finanzbranche effektiv partiell rückgängig gemacht werden könnte.

Auch der in gewissen Ländern verstärkte Fokus auf die Besteuerung von Finanztransaktionen

deutet eher in diese Richtung. Derweil hat die Finanzindustrie selbst auf die vor der Krise

vorhandenen Ungleichgewichte und den Regulierungsdruck positiv reagiert, indem sie sich u.a.

vermehrt auf die Verbesserung der Corporate Governance konzentriert.

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3. Vereinfachung und Transparenz: Es gibt einen Trend hin zu einfacheren und transparenteren

bzw. zu eher traditionellen Bankprodukten und Banken. Dies erklärt sich teilweise durch die

Marktvolatilität und die Verunsicherung der Investoren, ist aber auch Anstrengungen zur

Wiederherstellung des Vertrauens zuzuschreiben, nachdem es vereinzelt zu «irreführenden

Verkäufen» (z.B. bei Collateralized Debt Obligations [CDO] oder anderen strukturierten Produkten)

gekommen war. Transparentere, einfachere und börsenkotierte Produkte drücken momentan

tendenziell auf die Margen, obwohl dieser Trend mit der Zeit durch höhere Volumen kompensiert

werden könnte. Darüber hinaus wird auf Systemebene die Transparenz verbessert und die

Vernetzung reduziert, was dem Trend zu kleineren Bankbilanzen zusätzlich Auftrieb gibt. Letztlich

werden auch die Geschäftsmodelle im Allgemeinen sowie die Struktur und Organisation von

Banken überprüft.

4. Technologie und Vertrieb: Die Vertriebsmethoden für Finanzprodukte sind ebenfalls einem

Wandel unterworfen, und die Vertriebskosten dürften transparenter werden. Die Mittel und

Gewohnheiten bei der Kommunikation und die Verfügbarkeit von Daten verändern sich rasch, wie

die zunehmende Popularität sozialer Medien und die steigende Akzeptanz digitaler

Bankdienstleistungen belegen. Im Zuge zunehmender Übertragungsbandbreiten werden Letztere

weiter expandieren. Etablierte Institute werden von Neueinsteigern, die sich derart innovativer

Technologien bedienen, herausgefordert werden. Neuartige Formen der Weitervermittlung von

Sparkapital, wie z.B. das «Crowdsourcing», dürften ebenfalls profitieren, obschon ihre Expansion

durch neue, auf den Konsumentenschutz konzentrierte Probleme und regulatorische Interventionen

beschränkt werden könnte.

5. Regionale Verschiebungen und sich verändernde Wettbewerbspositionen: Es findet seit

einiger Zeit eine kontinuierliche und dramatische Verschiebung der Beiträge zur globalen

Wertschöpfung, zum Welthandel und zur Vermögensakkumulation zugunsten der Schwellenländer

statt, die auch den Fokus der Finanzmärkte substanziell beeinflusst. Insbesondere sind ein weiteres

Wachstum der inländischen Kapitalmärkte in den Emerging Markets sowie deren schrittweise

Öffnung für ausländische Investoren zu beobachten. Damit geht eine zunehmende Liberalisierung

der Wechselkurse einher (z.B. Konvertibilität des Renminbi). Daraus werden sich anhaltende

Verschiebungen der globalen Anlagekapitalflüsse ergeben. Eine weitere Folge dürften Ver-

änderungen des für Finanzinstitute und Finanzzentren relevanten Wettbewerbsumfelds sein.

Neben diesen strukturellen Veränderungen befindet sich auch das gesamtwirtschaftliche

Umfeld weiterhin im Fluss, wobei Europa nach wie vor zu grosser Sorge Anlass geben dürfte. Bei

den Banken der Region wird sich der Anpassungsprozess, insbesondere der Abbau der Bilanzen,

auch bei einem positiven Ausgang der Krise in der Eurozone fortsetzen. Die grenzüber-

schreitenden Aktivitäten der Finanzinstitute werden zumindest während einer gewissen Zeit

reduziert bleiben, sei es, weil die Risikoneigung gering ist, oder weil politischer Druck ausgeübt

wird, beschränkt verfügbare Mittel prioritär inländischen Kreditnehmern (in gewissen Fällen den

eigenen Regierungen) vorzubehalten. Die Schwellenländer scheinen sich auf längere Sicht auf

einem steileren strukturellen Wachstumspfad zu befinden als die Industrieländer. Indes dürfte sich

das Trendwachstum in vielen Emerging Markets, nicht zuletzt in China, im Zuge der Anpassung der

wirtschaftlichen Wachstumsmodelle abschwächen. Gleichzeitig könnte eine graduelle und

kontrollierte Liberalisierung der Finanzmärkte, insbesondere in China, dem Finanzsektor be-

trächtliche Wachstumschancen eröffnen. In den meisten Industrieländern werden sich die Banken,

Pensionskassen, Versicherungen und Privatanleger auf das Niedrigzinsumfeld einstellen müssen,

das voraussichtlich noch während längerer Zeit Bestand haben wird.

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2) Reaktionen der Bankbranche auf das sich verändernde Umfeld

Die vorstehend beschriebenen Veränderungen des Umfelds werden sich auf die Finanzbranche

substanziell auswirken, wobei die Konsequenzen für die einzelnen Geschäftsfelder stark

unterschiedlich ausfallen werden. In diesem Zusammenhang sehen wir folgende Haupttrends:

1. Investment Banking: Dieser Sektor ist mit rasanten Veränderungen konfrontiert, nehmen doch

die Kapitalanforderungen zu, während die Rentabilität stark unter Druck steht. Neue Regulierungen

und Vorschriften sowie die vermehrte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Geschäftsgebaren

bilden grosse Herausforderungen. Angesichts der schwächeren Eigenhandelsaktivitäten rechnen

wir mit einer steigenden Abhängigkeit der Erträge von den Volumen im Kundengeschäft. Zudem

dürften die Margen, aber auch die Kosten fallen, weil das Pendel zu einfacheren Produkten mit

geringerer Kapitalintensität zurückschlägt. Die Bilanzen der Investmentbanken werden unseres

Erachtens weiter schrumpfen, was strukturell höheren finanzierungsseitigen Grenzkosten und der

Erhöhung des erforderlichen Eigenkapitals zuzuschreiben ist. Als partielles Gegengewicht zu diesen

negativen Kräften könnten die Volumen und die Rentabilität von einer dynamischeren Kapital-

marktaktivität infolge der zunehmenden Desintermediation in Europa und Asien profitieren. Diverse

Banken haben umfangreiche und detaillierte Restrukturierungspläne vorgelegt (obschon die

Anleger angesichts der niedrigen Bewertungen an deren Umsetzung zu zweifeln scheinen). Die

Reduktion der entsprechenden Kapazitäten sollte es den verbleibenden Akteuren grundsätzlich

erlauben, ihre Margen längerfristig wieder zu verbessern. Allerdings könnte sich dies auch als

illusorisch erweisen, wenn die Banken in den Schwellenländern ihre Investment-Banking-

Aktivitäten deutlich ausbauen.

2. Wealth Management/Private Banking: Das Wealth-Management- und Private-Banking-

Geschäft zeichnete sich in der Vergangenheit durch hohe Gewinnmargen, ein robustes Wachstum

der verwalteten Vermögen und beschränkte Kapitalanforderungen aus. Indes gerieten die

Bruttomargen in den letzten Jahren unter Druck, weil die Anleger vermehrt zu margenschwächeren

Vermögenswerten tendierten, die Transaktionsvolumen zurückgingen und die Zinsen auf

historische Tiefststände abrutschten. Regulatorische Massnahmen für einen besseren Schutz der

Konsumenten haben den Kostendruck im Sektor zusätzlich erhöht und das grenzüberschreitende

Geschäft weiter erschwert. Das internationale Private-Banking-Geschäft sieht sich darüber hinaus

mit zunehmenden Herausforderungen konfrontiert, weil die Regierungen mehr Transparenz in

Steuerfragen einfordern. In den reifen Märkten hat der Druck zur Nutzung von Kostensynergien,

teilweise mittels Skaleneffekten, zugenommen – ein Trend, der unserer Meinung nach anhalten

wird. Weitere Innovationen, wie z.B. Internet-Angebote (ursprünglich für Kunden im Retail-Bereich

gedacht, nun aber immer mehr auf breiter Front eingesetzt), könnten der Rentabilität zugute

kommen, weil sich die Kundenbasis auf neue vermögende Privatpersonen verlagert, die gegenüber

technologischen Lösungen aufgeschlossener sind. Gleichzeitig fragen sehr vermögende Kunden,

bei denen es sich zunehmend um professionelle Family Offices handelt, vermehrt anspruchsvolle,

komplexe Lösungen nach, die ein breites Spektrum an spezialisierten Finanzfachleuten erfordern.

Darüber hinaus wünschen Anleger oft Beratung in Bezug auf nicht finanzielle Kriterien, wenn sie

beispielsweise philanthropische oder sogenannte Impact-Investments tätig wollen. Die Attraktivität

neuer Wachstumsmärkte in Asien, Lateinamerika oder dem Nahen Osten ist angesichts des

steigenden Wohlstands in diesen Regionen zwar ganz offensichtlich, der Erfolg von Vermögens-

verwaltungsorganisationen ist aber nicht garantiert. Die Bruttomargen sind allgemein und

insbesondere in Asien tiefer, weil die Anleger eine weitgehende Kontrolle über die Anlage-

entscheidungen wahren wollen, was arbeitsintensive Beratungsdienstleistungen statt besser

skalierbare diskretionäre Vermögensverwaltungsansätze bedingt. Des Weiteren verstärkt die hohe

Zahl von Mitbewerbern, die Vermögenswerten in Wachstumsmärkten «hinterherjagen», den

Margendruck zusätzlich. Neben den anfänglichen Einstiegskosten reduzieren auch die Kosten für

die Rekrutierung und Bindung von Talenten die Rentabilität tendenziell.

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Die Regulierung erhöht nicht nur die Transparenz in der Branche, sondern auch die Kosten. Vor

diesem Hintergrund wird die Fähigkeit, die Stammgeschäfte zu skalieren und gleichzeitig

massgeschneiderte, auf den Kunden zugeschnittene Lösungen anzubieten, für die Erreichung der

Rentabilitätsschwelle entscheidend sein. Konsolidierung dürfte ein Thema bleiben, zumal kleinere

Akteure Mühe mit dem steigenden Kostenumfeld bekunden. Eine interessante Entwicklung wird

möglicherweise eine gesteigerte Spezialisierung und eine besser strukturierte Arbeitsteilung bei der

Schaffung von Vermögensverwaltungsdienstleistungen sein, die vom Finanzmarkt-Research über

die Produktkonzeption und -realisierung bis hin zu Transaktions- und Vertriebsplattformen sowie

Depotdienstleistungen reicht. Marktteilnehmer, die sich nicht von der Konkurrenz abzuheben

vermögen, dürften Mühe mit der Steigerung ihrer verwalteten Vermögen bekunden.

3. Asset Management: Dieser Sektor war in der Vergangenheit stark fragmentiert, waren doch

die Marktanteile selbst der grössten Akteure deutlich geringer als im Investment Banking oder

Wealth Management. Dies trifft nach wie vor zu, aber es ist nun ein Trend zur Konzentration

feststellbar. Für diesen gibt es zwei Treiber: Erstens drückt der Regulierungsdruck auf die

Gebühren und erhöht die Fixkosten, was die Nutzung von Skaleneffekten fördert. Zweitens

bevorzugen die Investoren vermehrt eine sogenannte «Barbell»-Strategie, d.h. die Allokation in

kostengünstige passive Fonds, die nur in grossem Stil gewinnbringend betrieben werden können,

nimmt zu. Passive Fonds zeichnen heute für rund 35% der Aktienanlagen institutioneller US-

Kunden verantwortlich, wogegen es vor fünf Jahren erst rund 20% waren. Dieser Trend wird

voraussichtlich anhalten. Im Zuge dieser Entwicklung sind gewisse der grössten institutionellen

Vermögensverwalter in den letzten Jahren mittels organischen Wachstums und Fusionen deutlich

gewachsen und bieten nun einen Mix aus aktiv gemanagten und passiven Fonds an. In der Hedge-

Fonds-Branche war ebenfalls eine merkliche Konzentration zu beobachten, die zur Bildung einiger

Akteure substanzieller Grösse führte. In den Fällen, in denen die Anleger ihre Mittel weiterhin in

aktiv gemanagte Fonds investieren, fordern sie vermehrt klare Belege für eine Outperformance.

Für Letztere sind nicht notwendigerweise Skaleneffekte erforderlich – tatsächlich verfügen kleinere

Manager in sorgfältig ausgewählten Spezialbereichen über Vorteile im Vergleich zu ihren grösseren

Mitbewerbern. Insgesamt steigt der Wohlstand weltweit weiterhin ziemlich schnell, insbesondere in

den Schwellenländern. Zudem findet in vielen Industrieländern eine Verlagerung von

Pensionskassen mit Leistungsprimat hin zu solchen mit Beitragsprimat statt (was auch eine

Abwendung von In-house-Managern zur Folge haben könnte). Vor diesem Hintergrund wird der

Gesamtumfang der für die Vermögensverwaltungsbranche verfügbaren Mittel weiterhin

zuzunehmen. Angesichts der niedrigen Zinsen und der als volatil wahrgenommenen Aktien besteht

die Herausforderung für die Vermögensverwalter in der Identifikation von Strategien (z.B. Aktien

mit hoher Dividende) und «neuen» Anlagetypen (z.B. «Realanlagen»), mit denen sich die

risikoabgeneigten Investoren von heute ansprechen lassen.

4. Retail- und Kommerzgeschäft: Wir sehen in diesem Sektor drei Hauptprobleme: Erstens

verlagern sich die Vertriebsplattformen zunehmend von den Niederlassungen (mit Finanzberatern)

auf das Internet und dann auf das mobile Internet. Damit stehen tendenziell der Konsumenten-

schutz und die Vereinfachung der Produkte im Vordergrund. Zweitens stellt sich die Frage, wie das

Wachstum im Kreditgeschäft künftig finanziert werden soll. Es könnte eine zunehmende Ver-

lagerung zu verbriefungsbasierten Modellen einsetzen, wenn das Vertrauen in derartige Instrumente

erst einmal wieder hergestellt ist und Strukturen konzipiert werden, die informationsbezogene

Asymmetrien beschränken. Darüber hinaus könnten soziale Medien und Internetkanäle eine immer

wichtigere Rolle für die Mobilisierung von Kapital spielen. Angesichts der Diskussionen über eine

Minimierung des «Too big to fail»-Risikos und der Forderung, Retail-Banking- und Commercial-

Banking-Aktivitäten zu entkoppeln (Ring Fencing), müssen – drittens – die Geschäftsmodelle von

Banken in gewissen Märkten überdacht werden.

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Kapitel 2

Erfolgsfaktoren und Veränderungen der Wettbewerbsfähigkeit von globalen

Finanzplätzen

Die Hauptentwicklungen, die im vorhergehenden Kapitel diskutiert wurden (u.a. «Deleveraging»,

verstärkte Regulierung und regionale wirtschaftliche Verschiebungen), haben nicht nur signifikanten

Einfluss auf verschiedene Bereiche des Bankensektors, sondern wirken sich auch auf die

Perspektiven und Wettbewerbsfähigkeit globaler Finanzplätze aus. In diesem Kapitel erörtern wir

kurz die wichtigsten Faktoren, die für den Erfolg von Finanzplätzen ausschlaggebend sind, und

beurteilen dann, wie sich deren Stellung verändert, nicht zuletzt auch in Bezug auf die

Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Schweiz. Im nächsten Kapitel gehen wir genauer auf die

Herausforderungen ein, mit denen der Finanzplatz Schweiz konfrontiert ist.

1) Erfolgsfaktoren von Finanzplätzen

Erfolgreiche globale Finanzplätze verfügen über Stärken in verschiedensten Schlüsselbereichen.

Hierzu gehören Aspekte wie die notwendige Lebensqualität, um Spitzenleute anzuziehen,

Standards bei der Rechtsprechung sowie eine erstklassige Transaktionstechnologie. Erfolgreiche

Standorte sind dabei meist nicht nur in mehreren Gebieten stark, sondern in mindestens einem

oder zwei Weltmarktführer. Tatsächlich unterscheiden sie sich – auch wenn wir von globalen

Finanzplätzen sprechen – in ihren Eigenschaften jedoch ganz erheblich und sind hinsichtlich

Kerngeschäftsbereichen und regionaler Ausrichtung auf die Kunden, die sie bedienen, stark

spezialisiert. Allen Finanzplätzen ist hingegen gemein, dass sie sich durch eine hohe Dichte an

Institutionen auszeichnen, die sich auf diese Kerngeschäfte konzentrieren.

Diverse Studien haben versucht, die Erfolgsfaktoren von Finanzplätzen zu eruieren und sie

damit zu rangieren. Der Global Financial Centres Index (erstellt durch Long Finance und gesponsert

von der Qatar Financial Centre Authority) bewertet zum Beispiel die Finanzplätze in fünf Kategorien

(Arbeitskräfte, Geschäftsumfeld, Marktzugang, Infrastruktur und allgemeine Wettbewerbsfähigkeit).

In diesem Index belegt Zürich insgesamt den sechsten Platz hinter London, New York, Hongkong,

Singapur und Tokio. Zürich schneidet bezüglich Marktzugang und Infrastruktur gut ab.

Wir präsentieren hier unser eigenes Ranking, das eine grössere Zahl von Faktoren berück-

sichtigt (total 17, unterteilt in fünf breite Kategorien), um bezüglich potenzieller Verbesserungs-

bereiche mehr Genauigkeit und Aussagekraft zu erlangen. Wir haben weltweit acht Finanzplätze

untersucht und bei jedem Faktor eine einfache Skala von 0 bis 10 angewendet. Wir betrachten den

gesamten Finanzplatz Schweiz und konzentrieren uns nicht nur auf Zürich. Natürlich ist jede

einzelne Wertung immer auch subjektiv, und einige Leser würden die Punkte vielleicht anders

verteilen. Basierend auf unserem Ansatz liegt die Schweiz etwas hinter New York und London,

weitgehend gleichauf mit den zwei wichtigen Zentren Singapur und Hongkong sowie deutlich vor

Paris, Frankfurt und Tokio.

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Tabelle 2: Fünf Erfolgsfaktoren von Finanzplätzen

NYC London Paris Frankfurt Singapur HK Tokio Schweiz

1. Arbeitskräfte

Leichter Zugang für hoch qualifizierte Arbeitskräfte 7 5 6 6 7 7 3 7

Wettbewerbsfähige Einkommens- (und Kapitalgewinn-)

Steuer, v.a. für Grossverdiener 6 4 3 4 7 7 4 6

Qualität von Universitäts- und Hochschuleinrichtungen 7 8 6 5 6 5 4 6

Gute Wohn- und Lebensqualität 5 6 7 4 5 5 3 7

25 23 22 19 25 24 14 26

2. Geschäftsumfeld

Minimale Bürokratie bei der Gründung neuer Finanz-, Anlagegesellschaften und Banken 9 6 4 4 9 9 3 7

Offenes Umfeld für bankfremde Finanzunternehmen (d.h. Hedge-Fonds, Private-Equity-Gesellschaften,

Infrastruktur- und Immobilienfonds) 8 9 6 5 9 8 5 8

Banken mit guter Kapitalausstattung und begrenzten systemischen Risiken 5 4 4 5 6 6 6 6

22 19 14 14 24 23 14 21

3. Marktzugang

Liquide und ausreichend tiefe Anleihen- und Aktienmärkte, die für ausländische IPOs offen stehen 8 9 7 7 6 6 5 5

Derivate- und Rohstoffbörsen 9 9 7 7 7 7 6 6

Breite Palette von globalen Devisen-, Fixed-Income- und

Aktienprodukten, mit limitierter Abhängigkeit von wenigen heimischen Anbietern

8 10 6 6 7 8 3 6

Handels- und Versicherungszentrum in Verbindung mit Handelsfinanzierung durch Banken

9 10 7 8 7 8 7 7

34 38 27 28 27 29 21 23

4. Rahmenbedingungen

Stabilität des makroökonomischen und politischen Systems

7 6 6 6 6 6 5 7

Hohe Rechtssicherheit zum Schutz des Besitzes von

Vermögenswerten 9 9 9 9 9 8 8 9

Solider Rechtsrahmen für offene und geschlossene

Anlagefonds und ETFs 8 8 9 9 6 6 8 7

24 23 24 24 21 20 21 23

5. Allgemeine Wettbewerbsfähigkeit

Status als sicherer Hafen 6 6 4 6 7 5 5 8

Englisch ist Hauptsprache oder weit verbreitet 9 10 5 5 9 8 5 7

Klare, angemessene Regulierung und massvolle Durchsetzung

7 6 6 6 6 6 3 7

22 22 15 17 22 19 13 22

Total 127 125 102 102 119 115 83 116

Quelle: Credit Suisse

Page 12: Finanzplatz Schweiz - Credit Suisse

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2) Relative Wettbewerbsfähigkeit ausgewählter Finanzplätze

Ungeachtet der Vorbehalte hinsichtlich Vergleichbarkeit von Finanzplätzen führen wir nachfolgend

kurz auf, wo wir die grössten Stärken und Schwächen der wichtigsten Finanzplätze orten.

New York: Weg vom reinen Investment Banking und Expansion in andere Bereiche

New York weist zusammen mit London die höchste Dichte an globalen Banken und

Finanzinstituten auf, zu denen die grössten und bekanntesten Investmentbanken gehören. Das

Investment Banking ist unter zunehmenden Druck der Regulierungsbehörden und der Öffentlichkeit

geraten. Demzufolge werden die Geschäftsmodelle angepasst. Retail-Banken und Vermögens-

verwalter haben dank Refinanzierungsvorteilen durch Einlagenfinanzierung und ihrer robusten

Ertragsströme gegenüber den bisher praktisch reinen Investmentbanken an Attraktivität gewonnen.

Auf das Investment Banking ausgerichtete Institute liegen im Bonitätsrating zwei bis drei Stufen

unter solchen mit stärkerem Retail-Geschäft, was in dieser hart umkämpften Branche einen

eindeutigen Finanzierungsnachteil bedeutet. Dies führt unter anderem dazu, dass frühere

Investmentbanken dazu neigen, aggressiv in die Vermögensverwaltung zu expandieren, was die

Konkurrenz für Schweizer Banken erhöht, wenngleich vorwiegend im Ausland und nicht innerhalb

des Finanzplatzes Schweiz. New York bleibt aber weltweit die erste Adresse für spezialisierte

Vermögensverwalter, sowohl für Hedge-Fonds als auch für Long-only-Fonds. Vor allem Letztere

haben dank ihrer Fokussierung auf Ausserbilanzgeschäfte gegenüber den Banken stetig

Marktanteile hinzugewonnen.

London: Einschränkungen und höherer Regulierungsdruck im Investment Banking

London war vor der Krise wohl der am stärksten globalisierte Finanzplatz. Zwar verfügt London

immer noch über seine strukturellen Stärken (z.B. Stellung als globales Rechtszentrum), doch ist

auch hier erhöhter Druck durch zahlreiche Faktoren spürbar, die auch New York belasten. Viele

inländische Banken sind schwach kapitalisiert, während diverse der in London konzentrierten

kontinentaleuropäischen Banken aufgrund der verminderten Profitabilität weiter Ressourcen

abbauen. Zudem haben sich regulatorische Herausforderungen wohl später bemerkbar gemacht

als in New York. Schliesslich trägt auch die höhere Besteuerung (die nun zwar möglicherweise den

Höchststand erreicht) zum Druck auf den Finanzplatz London bei. In der Vermögensverwaltung

verfügt London aber immer noch über einen besonderen Vorteil, da Trusts – seit jeher ein

Kernelement des «British Banking» – hinsichtlich internationaler Steuerstandards weiterhin

sämtliche OECD-Kriterien erfüllen. Im Gegensatz zu New York sind jedoch die Skalier-

möglichkeiten im Vermögensverwaltungsgeschäft wegen des wesentlich kleineren Binnenmarktes

beschränkt.

Hongkong: Handels- und Finanzzentrum für das dynamische «Greater China»

Hongkong bleibt einer der Finanzplätze, dessen Position sich trendgemäss verbessert. Hongkong

profitiert insbesondere vom rasanten Wirtschaftswachstum in «Greater China», vor allem in

Festlandchina. Die zunehmende internationale Mobilität der Unternehmen und des Kapitals in China

wird Hongkong zugute kommen, auch wenn die inländischen chinesischen Finanzzentren im Zuge

der sich durchsetzenden Kapitalmarktöffnung zu ernsthaften Konkurrenten werden dürften.

Hongkong verfügt auch über eine starke Stellung in der Vermögensverwaltung und vor allem in der

Handelsfinanzierung. Der Offshore-Renminbi-Markt ist ein besonderer Wachstumsbereich. Negativ

ist allerdings, dass die aufgrund der limitierten Landressourcen und des starken Zuflusses von

Anlagegeldern hohen Immobilienpreise für die Arbeitskräfte problematisch sind und tendenziell zu

steigenden Arbeitskosten führen.

Page 13: Finanzplatz Schweiz - Credit Suisse

September 2012

13

Singapur: Globales Vermögensverwaltungszentrum, das von starkem regionalem

Wachstum profitiert

Die Stellung Singapurs verbessert sich ebenfalls im Trend. Singapur hat sich zu einem

bedeutenden regionalen Vermögensverwaltungszentrum in Südostasien entwickelt, das jedoch

auch nichtasiatische Kunden anzieht. In den letzten Jahren wurde der Finanzplatz Singapur im

Einklang mit traditionellen Schweizer Stärken aufgebaut: stabiles politisches Klima, günstige

Steuergesetzgebung, hohe Ausbildungs- und Infrastrukturstandards sowie Diskretion im

Finanzgeschäft. Es überrascht daher nicht, dass Schweizer Banken seit Langem von Singapur aus

ihr Know-how für asiatische Kunden nutzen. Im Gegensatz zur Schweiz liegt Singapur jedoch

mitten in einer Wachstumsregion, und die steigenden Einkommen und Vermögen sorgen für eine

hohe Nachfrage nach Bankprodukten und Vermögensverwaltung. Allerdings fehlt es in Singapur an

qualifizierten Fachkräften. Zudem drückten die steigenden Personalkosten in den letzten Jahren

auf die Profitabilität.

Angesichts der Parallelen zwischen den Finanzplätzen Singapur und Schweiz beschliessen wir

dieses Kapitel mit einem detaillierten Blick auf Singapur (vgl. Box auf Seite 14).

Paris und Frankfurt: Hindernisse durch Steuern und andere Faktoren

Paris und Frankfurt leiden unter diversen Nachteilen, insbesondere unter relativ hohen Steuern und

fehlender Öffnung für bankfremde Finanzunternehmen. Obschon die Finanzmärkte grundsätzlich

für Auslandsgeschäfte offen stehen, ist es weder Paris noch Frankfurt gelungen, bedeutende Teile

des Londoner EUR-Kapitalmarktgeschäftes für sich zu gewinnen. Sollte überdies die derzeit

diskutierte Transaktionssteuer eingeführt werden, würde das weitere Hindernisse für die beiden

Standorte bedeuten. Keines der Länder hat besondere Schritte unternommen, um die Märkte als

internationale Vermögensverwaltungszentren zu positionieren. Somit dürften sie diesbezüglich auch

keine besondere Bedrohung für die Schweiz, London oder Singapur darstellen. Zudem sind die

Krise und die Unsicherheit um die Zukunft der Europäischen Währungsunion sicherlich für keinen

der beiden Finanzplätze positiv, was die Bewertung als sicherer Hafen für Frankfurt – und noch

deutlicher für Paris – mindert.

Tokio: Nach wie vor binnenmarktorientiert

Trotz seines wirtschaftlichen Gewichts, der hohen Ersparnisse der Privathaushalte und der liquiden

Aktien- und Anleihenmärkte vermochte sich Tokio nur mit Mühe als globales Finanzzentrum zu

etablieren. Zu den Schwächen zählen unseres Erachtens ein mangelndes Angebot an global

marktfähigen Produkten, relativ hohe bürokratische Hürden und gewisse regulatorische

Hemmnisse.

Luxemburg: Europäische Drehscheibe für Vermögensverwaltungsprodukte

Luxemburg profitiert von seiner «Unique Selling Proposition», d.h. seinem Sonderstatus als

führendes Zentrum für Fondsprodukte innerhalb der Europäischen Union, wobei sich

unkomplizierte und effiziente Registrierungs- und Antragsverfahren und die Vorteile des

«europäischen Passes» als Pluspunkte erweisen. Wegen seines starken Länder-Ratings hat die

Schuldenkrise in der Eurozone Luxemburg nicht geschadet, sondern seine Attraktivität als

Finanzplatz eher erhöht. Während sich die Zahl der Fondsdomizilierungen in der Eurozone – z. B. in

Dublin – während der Krise verringert hat, konnte Luxemburg einen stetigen Zuwachs verzeichnen

(wie auch Malta, hier jedoch von einer viel niedrigeren Basis aus).

Toronto: Aufstrebend

Trotz geringerer Grösse sollte das aufstrebende Toronto, wo verschiedene gut positionierte

kanadische Banken ihren Sitz haben, nicht vergessen werden. Toronto ist für seine Kunden als

Finanzplatz sehr interessant, hat es doch die Finanzkrise unbeschadet überstanden. Auch die

wirtschaftlichen Fundamentaldaten Kanadas sind nach wie vor sehr solide, und die Währung des

Landes wird zwecks Diversifikation aus dem US-Dollar immer gefragter. Daher stossen nun die

kanadischen Banken verstärkt ins Vermögensverwaltungsgeschäft vor. Die Bedeutung kanadischer

Finanzinstitute steigt vor allem aufgrund des starken Zustroms von Menschen und Vermögen aus

dem asiatischen Raum.

Page 14: Finanzplatz Schweiz - Credit Suisse

September 2012

14

Singapur: Drehscheibe für Vermögensverwaltung in der

wachstumsstärksten Region der Welt

Der Finanzplatz Singapur wird am häufigsten mit demjenigen der Schweiz verglichen. Dank

äusserst vorteilhafter wirtschaftlicher Bedingungen und politischer Stabilität konnte die Private-

Banking-Branche ein rasches Wachstum verbuchen. Seit 2000 hat die Regierung die Branche

zudem mithilfe solider und vorwärts gerichteter regulatorischer Rahmenbedingungen sowie durch

ein steuergünstiges und unternehmensfreundliches Umfeld bewusst gefördert. Singapur sieht

sich derzeit zwar mit geringeren politischen Herausforderungen als der Finanzplatz Schweiz

konfrontiert, allerdings sind auch hier Margendruck und Skalierbarkeit ein Thema.

Eine solide Volkswirtschaft

Singapurs Wirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzenten mit durchschnittlichen jährlichen

Wachstumsraten von 6.3% seit 1990 hervorragend entwickelt. Mit über USD 50’000

verzeichnete das Land 2011 das höchste BIP pro Kopf in Asien und liegt gemäss Internationalem

Währungsfonds weltweit auf Platz 15. Dank fehlender Auslandverschuldung, offizieller

Devisenreserven von rund USD 250 Mrd. (90% des BIP) und einer starken Währung erhält das

Land von allen drei führenden Rating-Agenturen ein AAA-Rating. Als Produktions-, Handels- und

Dienstleistungszentrum kann Singapur von seiner geografischen Nähe zu boomenden

Nachbarländern wie Indonesien, Malaysia sowie zum wachstumsstarken und dichtbevölkerten

Indien und China profitieren. Im Zuge steigender Einkommen und Vermögen bei den

Unternehmern erster und zweiter Generation dieser Länder steigt die Nachfrage nach

Vermögensplanungs- und Vermögensverwaltungsdienstleistungen.

In Singapur nahmen die verwalteten Vermögen (AuM) von etwa USD 177 Mrd. im Jahr 2000

auf knapp über USD 1 Bio. im Jahr 2011 zu, wobei 70% der Gelder aus dem Ausland

stammten. Rund 60% dieser Gelder wurden in der Region Asien/Pazifik investiert. Zum

Vergleich: Die im Finanzplatz Schweiz insgesamt verwalteten Privatvermögen betrugen Ende

2010 etwa USD 2.6 Bio., und ausländische Gelder machten rund 70% davon aus. Institutionelle

Anlagen, die in der Schweiz verwaltet werden, bewegen sich in ähnlichem Rahmen.

Gut entwickelte Finanzinfrastruktur

Mitte Juli 2012 waren in Singapur 1’074 Finanzinstitute und ähnliche Unternehmen ansässig.

Davon waren 122 in- und ausländische Banken mit einer Voll-, Wholesale- oder Offshore-

Banklizenz. Die drei grössten Singapurer Banken DBS, OCBC und UOB gehören zu den am

besten kapitalisierten der Welt. Darüber hinaus sind in Singapur verschiedenste weitere

Finanzinstitute ansässig, darunter Versicherungsgesellschaften und zahlreiche Inhaber einer

Lizenz für die Erbringung von Dienstleistungen am Kapitalmarkt.

Singapur ist das weltweit viertgrösste Devisenzentrum und die Nummer eins in Asien (ohne

Japan). Ferner ist es nach Hongkong das zweitgrösste Offshore-Handelszentrum für Renminbi

(RMB). Singapur ist weiter der grösste Markt für Real Estate Investment Trusts (REITs) in Asien

(ohne Japan) und bietet Anlegern zusammen mit Business Trusts Zugang zu den Immobilien- und

Infrastrukturfinanzierungssektoren. Die Singapore Exchange (SGX) für Aktien, Anleihen und

Futures und die Singapore Mercantile Exchange (SMX) – eine panasiatische Multiprodukt-

Rohstoffderivatebörse – sind Plattformen mit hohen Handelsvolumen.

Die Singapurer Börse wies per Ende Dezember 2011 mit insgesamt 773 kotierten

Unternehmen (davon 40% ausländische) eine Marktkapitalisierung von USD 598.2 Mrd. auf.

Dies entspricht etwa 55% der Marktkapitalisierung der Schweizer Börse, an der 280

Unternehmen (davon 31 ausländische) gelistet sind.

Solides und flexibles regulatorisches und steuerrechtliches Umfeld

Singapur verfügt über gut strukturierte und umfassende regulatorische Rahmenbedingungen. Bei

der Gründung von Finanzinstituten existieren kaum bürokratische Hürden. Neu ins Land

kommende Fondsmanager und Privatbanken finden auf ihre Bedürfnisse und ihre Kunden

zugeschnittene Lizenzregelungen und einen entsprechenden Rechtsrahmen vor. Die Zentralbank

(Monetary Authority of Singapore, MAS) ist gleichzeitig die staatliche Finanzaufsichts- und

Regulierungsbehörde und verfügt über eine Spezialabteilung zur Förderung des Finanzsektors.

Privatbanken, Fondsmanager und Private Trusts unterliegen dem Banking Act, dem Securities

and Futures Act sowie dem Trust Companies Act. Privatbanken und Fondsmanager unterliegen

zusätzlich dem Financial Advisers Act, wenn sie Finanzberatungsdienstleistungen anbieten.

Page 15: Finanzplatz Schweiz - Credit Suisse

September 2012

15

In Singapur wird das Fondsmanagement reguliert, und Institutionen, die in diesem Bereich

tätig sind, müssen eine Lizenz für die Erbringung von Dienstleistungen am Kapitalmarkt (CMSL –

Capital Markets Services License) beantragen. Man ist dabei, Änderungsvorschläge umzusetzen,

mit denen dem CMSL-Lizenznehmer ein mehrstufiger Ansatz offen steht, damit er Vermögen

unterschiedlicher Grösse verwalten und verschiedene Kundengruppen bedienen kann. Die

Revision des Trust Companies Act im Jahr 2006 und verschiedene Steuerbefreiungsregelungen

haben die Entwicklung von Trust-Strukturen stark angekurbelt.

Für Privatkunden gilt in Singapur ein strenges Bankkundengeheimnis, das in Art. 47 des

Banking Act geregelt wird. Ähnliche Vertraulichkeitsbestimmungen existieren auch für

Treuhandgesellschaften. Wie in der Schweiz ist die Privatsphäre der Kunden von Gesetzes

wegen geschützt, doch es bestehen auch strikte Richtlinien zur Bekämpfung der Geldwäscherei

und der Terrorismusfinanzierung. Gleichzeitig verfügt Singapur über ein wettbewerbsfähiges

Steuersystem mit einem der niedrigsten Sätze für private Einkommens- und Körper-

schaftssteuern innerhalb Asiens. 2008 wurde die Erbschaftssteuer abgeschafft, und es gibt auch

keine Kapitalgewinnsteuer. Schliesslich kommen wohlhabende Privatkunden und Unternehmer,

die in Singapur investieren oder geschäftlich tätig werden wollen, relativ problemlos zu einer

Aufenthaltsbewilligung für sich und ihre Familien.

Singapur hat mit mindestens 20 Ländern Steuerabkommen ausgehandelt, um den

internationalen OECD-Standard zum Informationsaustausch in Steuersachen umzusetzen. Damit

ist es Singapur gelungen, von der diesbezüglichen «grauen Liste» der OECD gelöscht zu werden.

Förderung finanzieller Standards und beruflicher Kompetenz

Unter dem Verhaltenskodex «Private Banking Code of Conduct», der am 1. September 2011 in

Kraft trat, müssen Private Banker den Client Advisor Competency Standards-Test (CACS-Test)

absolvieren, bevor sie Dienstleistungen im Finanzberatungssektor anbieten dürfen. Die CACS

legen die wichtigsten Prinzipien bezüglich ethischer Standards, Professionalität, Kunden-

betreuung und Risikomanagement fest.

Seit 2004 bieten die Singapore Management University und das Wealth Management Institute

of Singapore für Private Banker und Neueinsteiger in der Private-Banking-Branche ein

Ausbildungsprogramm auf Nachdiplomstufe an. Die MAS förderte die Errichtung verschiedener

Finanzausbildungs- und Forschungszentren. So gibt es heute unter anderem das Risk

Management Institute an der National University of Singapore, das Institute for Financial

Economics an der Singapore Management University, das BNP Paribas Hedge Fund Centre

ebenfalls an der Singapore Management University, das Asia Pacific Institute of Finance

innerhalb der INSEAD und das EDHEC Risk Institute-Asia. Letzteres bietet ein Ph.D.-Programm

für Finanzfachleute an. Obwohl die Regierung Singapurs unlängst den Zustrom ausländischer

Fachkräfte etwas einzuschränken begann, hat das Land innerhalb Asiens nach wie vor eines der

am wenigsten restriktiven Einwanderungsgesetze für Fachleute aus dem Ausland.

Die Herausforderung: Profitabilität in einem schwierigen Marktumfeld

Singapur hat unseres Erachtens gegenüber dem Finanzplatz Schweiz drei Vorteile: Erstens liegt

es in einer Region, in der eine deutlich stärkere Vermögensbildung stattfindet. Zweitens handelt

es sich um ein noch recht «junges» Private-Banking-Zentrum mit weniger «Altlasten», was

Anpassungen bezüglich Steuerkonformität erleichtert. Drittens ist der externe politische Druck auf

Singapur aufgrund seiner geostrategischen Lage derzeit zweifellos geringer als in der Schweiz.

Allerdings sieht sich der Private-Banking-Hub Singapur derzeit aufgrund des schwierigen

Marktumfelds nachfrage- wie auch angebotsseitig mit ähnlichen oder gar noch grösseren

Herausforderungen konfrontiert. Die Nachfrage nach stabiler portfolioorientierter Vermögens-

verwaltung sowie nach Nebendienstleistungen wie Family-Office-Diensten, Treuhanddienst-

leistungen, Philanthropie und Beratungstätigkeit im Investment-Banking-Bereich steckt noch in

den Kinderschuhen. Gleichzeitig haben das schnelle Wachstum und die Dynamik in der Region

die Renditeerwartungen beflügelt. Die Kundenerträge fallen daher möglicherweise weniger stabil

aus als an länger etablierten Finanzplätzen und sind eher transaktionsgetrieben.

Auf der Angebotsseite zog die schnell wachsende Anzahl von Finanzinstituten – vor allem

neuer ausländischer Wettbewerber – einen Mangel an gut ausgebildeten Produktspezialisten und

Kundenbetreuern nach sich. Ein erbitterter Kampf um qualifizierte Mitarbeiter führte für die

Banken zu höheren Personalkosten und Aufwand-Ertrags-Verhältnissen. Somit kommt es zu

Profitabilitätsdruck, insbesondere wenn der Risikoappetit nach Anlageprodukten mit höheren

Margen gering ist. Schliesslich sind wie andernorts auch hohe Technologieinvestitionen zur

Erreichung von Skalierbarkeit notwendig. Es ist daher gut möglich, dass es in Singapur bei

verschiedenen kleinen ausländischen Privatbanken, für welche die Marktzugangskosten zu hoch

und die Generierung von Neugeldern schwierig sind, zu einer Konsolidierung kommt.

Page 16: Finanzplatz Schweiz - Credit Suisse

September 2012

16

Kapitel 3

Herausforderungen für den Finanzplatz Schweiz

Im nachfolgenden Kapitel beschäftigen wir uns mit der aktuellen Situation des Finanzplatzes

Schweiz und zeigen dessen Stärken und Schwächen auf. Als Hintergrund für die im

Abschlusskapitel ausgesprochenen spezifischen Empfehlungen geben wir zudem einen Überblick

über die jüngsten wichtigen regulatorischen Entwicklungen. Darüber hinaus fassen wir die aktuellen

Initiativen des öffentlichen und des privaten Sektors zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit

des Schweizer Finanzplatzes zusammen. In diesem Zusammenhang gehen wir auch kurz auf den

von den Verbänden der Schweizer Finanzdienstleistungsbranche gemeinsam erstellten «Masterplan

Finanzplatz Schweiz» aus dem Jahr 2007 ein.

1) Finanzplatz Schweiz – aktuelle Stärken, Schwächen und Prioritätsbereiche

Aufgrund ihrer Stabilität sowie der Tradition hoher Dienstleistungsqualität gilt die Schweiz

international als führender Finanzplatz mit Schwerpunkt auf der Vermögensverwaltung. Aufgrund

seiner Grösse trägt der Schweizer Finanzsektor erheblich zum Wohlstand in der Schweiz bei.

Angaben des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) zufolge steuerte er 2011 10.5%

zum Bruttoinlandsprodukt und etwa ein Drittel zum inländischen Wirtschaftswachstum bei. Mehr als

12% der Beschäftigten in der Schweiz arbeiten bei Banken, Versicherungen, Rückversicherungen,

Vermögensverwaltern und Asset Managern oder der Schweizer Börse (SIX Group). Der Finanzplatz

hat einen Anteil von etwa 20% an der schweizerischen Wertschöpfung, was CHF 88 Mrd. pro Jahr

entspricht.

Der Finanzplatz Schweiz wird durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) reguliert.

Diese wurde 2009 als integrierte Behörde gegründet, die sowohl Banken als auch Versicherer

beaufsichtigt. Ihr Mandat beinhaltet die Verstärkung der Finanzmarktaufsicht sowie den Schutz von

Gläubigern, Anlegern und Versicherungsnehmern. Die unabhängige Schweizerische Nationalbank

(SNB) richtet ihr Hauptaugenmerk auf die Preisstabilität – sowie auf die Stabilität des

Finanzsystems als Ganzes – und auf die Gewährleistung eines dem Wirtschaftswachstum

förderlichen Umfelds, was sie mit ihren jüngsten Devisenmarktinterventionen unter Beweis gestellt

hat.

Die traditionellen Stärken des Schweizer Finanzplatzes – hohe Beratungsqualität kombiniert mit

der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Stabilität des Landes – sind nach wie vor deutlich

ausgeprägt. Darüber hinaus tragen ein flexibler Arbeitsmarkt, ein Bildungssystem hoher Qualität,

das auch immer wieder Talente aus dem Ausland anzieht, sowie eine starke industrielle Tradition

dazu bei, dass die Schweiz in den Bereichen Innovation, Forschung und Entwicklung eine führende

Stellung einnimmt. In Anbetracht der modernen und effizienten Infrastruktur des Landes sowie der

wettbewerbsfähigen Besteuerung von Unternehmen und Privatpersonen dürfte es nicht über-

raschen, dass Zürich und Genf bei den internationalen Umfragen zur Lebensqualität regelmässig

auf den vorderen Plätzen zu finden sind. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass Zürich

(gemäss der Economist Intelligence Unit) im Jahr 2012 als Stadt mit den höchsten Lebens-

haltungskosten ermittelt wurde und die Wohnkosten in beiden Städten erheblich angestiegen sind.

Trotz dieser Stärken sieht sich der Finanzplatz Schweiz, wie in den vorangehenden Kapiteln

beschrieben, mit zunehmender internationaler Konkurrenz konfrontiert. Insbesondere gilt dies für

die Vermögensverwaltung und bestimmte Bereiche des Investment Banking und des Asset

Management.

Die Schweizer Politik und die Schweizer Banken müssen sich aktuell mit vier Prioritäts-

bereichen beschäftigen:

Page 17: Finanzplatz Schweiz - Credit Suisse

September 2012

17

Systemische Stabilität und Regulierung: Der Finanzplatz Schweiz hat erhebliche

Anstrengungen für eine Verbesserung der systemischen Stabilität unternommen. In diesem

Zusammenhang ist nicht nur die «Too Big to Fail»-Gesetzgebung (TBTF), sondern auch die von der

FINMA genehmigte Selbstregulierung zur Begrenzung von Übertreibungen beim Wachstum der

Hypothekarkredite zu nennen. Einerseits sollten eine bessere Kapitalisierung der Banken sowie ein

reduziertes systemisches Risiko dazu führen, dass die Marktteilnehmer die Schweiz als sicherer

wahrnehmen, was Kunden anziehen dürfte. Andererseits dürften die regulatorischen An-

forderungen die Investment-Banking-Aktivitäten der Banken einschränken. Da die regulatorischen

Eigenkapitalanforderungen die Fähigkeit der Finanzinstitute zur Kreditvergabe an die Realwirtschaft

reduzieren, müssen die Kapitalmärkte wachsen, um die Lücke zu schliessen und den

Finanzierungsbedarf der Wirtschaft zu decken, oder es müssen neue, von Technologie getriebene

und weniger bilanzabhängige Kreditlösungen zur Anwendung kommen. Die Kapitalmärkte werden

allerdings durch die Schweizer Stempelsteuer beeinträchtigt. Diese bedeutet im globalen Vergleich

einen Nachteil für die Schweizer Banken, auch wenn in mehreren europäischen Ländern über die

Einführung von Finanztransaktionssteuern diskutiert wird. Das Thema der Schweizer Stempelsteuer

muss dringend und mit hoher Priorität angegangen werden. Fakt ist, dass die Stempelsteuer nicht

nur die Geschäftschancen der Banken beeinträchtigen kann, sondern langfristig auch die der

Schweizer Unternehmen, die Zugang zu den Kapitalmärkten benötigen.

Globale Standards: Der Erhalt und die Stärkung der Reputation des Schweizer Finanzplatzes

sowie der hier agierenden Institutionen ist von vitaler Bedeutung für den langfristigen Erfolg der

Schweiz als weltweit grösstes internationales Vermögensverwaltungszentrum. Ähnlich den

Fortschritten bei der Erhöhung der Stabilität des Finanzsystems wurde auch in diesem Bereich

vieles erreicht, z.B. durch die Verschärfung der Schweizer Anti-Geldwäschereigesetzgebung. Für

den Finanzplatz gibt es keine Alternative zu einer Positionierung mit Fokus auf die Bereitstellung

einer bestmöglichen Beratung, eines steuerkonformen Schutzes der Privatsphäre sowie der

Einhaltung höchster ethischer Standards. Quellensteuerabkommen mit wichtigen Partnerländern

bieten praktikable Lösungen für diese Problematik, während gleichzeitig Altlasten beseitigt werden.

Andere Ansätze, wie z.B. der automatische Informationsaustausch, führen hinsichtlich des letzteren

Aspekts hingegen nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen.

Zugang zu globalen Märkten: Das Wachstum der Schwellenländer und die Verschiebung der

Wirtschaftskraft in Regionen wie Asien und Lateinamerika machen den Zugang zu diesen Märkten

zu einer zentralen Priorität für die Schweizer Finanzdienstleister. Neue EU-Regulierungen,

insbesondere im Bereich des Anlegerschutzes, könnten den Zugang zum europäischen Markt

gefährden, der nach wie vor von vitaler Bedeutung für die Schweizer Banken ist. Ein verbesserter

Zugang zum EU-Markt könnte über ein umfassendes Finanzdienstleistungsabkommen oder über

Strukturen ähnlich dem EWR-Vorschlag (EWR = Europäischer Wirtschaftsraum) erreicht werden.

Eine derartige Annäherung an die EU setzt allerdings zwingend voraus, dass die Interessen der

verschiedenen am Finanzplatz Schweiz aktiven Anspruchsgruppen sorgfältig abgewogen werden.

Der Zugang zu Märkten ausserhalb der EU, vor allem zu den sogenannten BRIC-Ländern

(Brasilien, Russland, Indien und China), sollte über eine multilaterale Handelsliberalisierung unter

Anwendung des Allgemeinen Abkommens über den Dienstleistungsverkehr (General Agreement on

Trade in Services, GATS) der Welthandelsorganisation (WTO) angestrebt werden. Da jedoch auf

kurze bis mittlere Sicht nur begrenzte Fortschritte bei der multilateralen Liberalisierung zu erwarten

sind, wird die Schweiz auch bilaterale Ansätze in Erwägung ziehen müssen, wie z.B. weitreichende

Marktzugangsforderungen bei den Verhandlungen über neue Quellensteuerabkommen. Im Übrigen

stellt die vielfältige, komplexe und international inkonsistente nationale Gesetzgebung zunehmend

eine Herausforderung für die Schweiz als führendes Zentrum im internationalen Bank- und

Vermögensverwaltungsgeschäft dar. Die rechtliche Komplexität innerhalb der bzw. über die

Jurisdiktionen hinweg erschwert es den Schweizer Finanzhäusern, interne Standardprozesse

einzuführen, was zusätzliche Compliance-Kosten nach sich zieht und die Wettbewerbsfähigkeit

schwächt.

Page 18: Finanzplatz Schweiz - Credit Suisse

September 2012

18

Internationale Wettbewerbsfähigkeit: Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen die Schweizer

Finanzinstitute ihre Organisationsstrukturen straffen und sich insgesamt verschlanken. Das

Niedrigzinsumfeld mindert die Zinserträge und der starke Schweizer Franken schmälert die

Gewinne zusätzlich. Wie erwähnt, steigen die Kosten der Einhaltung der verschiedenen

regulatorischen Anforderungen über mehrere Jurisdiktionen hinweg, was insbesondere für kleinere

Banken eine Belastung darstellt. Vermutlich bedarf es einer weiteren Konsolidierung innerhalb der

Schweizer Bankenbranche, um bei der Bewältigung dieser regulatorischen Anforderungen

Grössenvorteile nutzen zu können. Ein anderer Weg für kleinere Banken, die unabhängig bleiben

möchten, ist das Zurückschrauben ihrer globalen Ambitionen. Beispielsweise dürfte der US Foreign

Account Tax Compliance Act (FATCA) die Schweizer Banken dazu zwingen, ihre Kundenbasis in

den USA weiter zu verkleinern. Die absolute Anzahl an externen Vermögensverwaltern (EVV) dürfte

ansteigen. Diese dürften allerdings aufgrund der geringen Skalierbarkeit und neuer Regelungen –

wie z.B. des neuen Schweizer Finanzdienstleistungsgesetzes, das 2017 eingeführt werden soll –

auch wachsendem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sein. Die administrativen Anforderungen für eine

bessere Kontrolle der Kunden und die Ermittlung der Quelle und des Zwecks von Geldern über

«Know your client»-Regeln könnten sich auch auf die EVV auswirken.

Im Rahmen einer sinnvollen Strategie für den Finanzplatz Schweiz müssen die vier Säulen –

systemische Stabilität, globale Standards, globaler Marktzugang und internationale

Wettbewerbsfähigkeit – angegangen werden, damit die Schweiz ihre Stärken ausnutzen und

aktuelle und zukünftige Schwachpunkte beseitigen kann. Ausgehend von dem in Tabelle 2 in

Kapitel 2 dargestellten internationalen Vergleich haben wir in Abbildung 1 die derzeitigen Stärken

und Schwächen des Schweizer Finanzplatzes schematisch dargestellt.

Basierend auf und als Ergänzung zu den obigen Ausführungen nachfolgend einige der

kritischen Themen, die angegangen werden müssen:

Produktionskosten und schlanke Produktion: Prozesse müssen durch den Einsatz

neuer Technologien und eine schlankere Organisationsstruktur optimiert werden, um so

dem Gewinndruck in einer Informationsgesellschaft standhalten zu können.

Transparenz von Bankprodukten: Die Kunden fordern zunehmend transparente und

einfache Produkte. Aufgrund des stark verbesserten Zugangs zu Informationen sind die

Kunden nicht nur besser informiert, sondern sie fordern auch unmittelbar verfügbare

Informationen.

Grösse und Skalierung: Der Trend hin zu einfachen und transparenten Produkten wird

die Margen und die Profitabilität tendenziell begrenzen. Als Ausgleich bedarf es grösserer

Volumina, einer höheren Skalierbarkeit sowie besserer Beratung und Performance.

Abbildung 1

Finanzplatz Schweiz – aktuelle Stärken und Schwächen

Stärke: Grün bedeutetrelative Stärke in jüngster Zeit

Mittlere Stellung:Gelb steht für neutral

Schwäche: Rot bedeutetrelativen Druck in jüngster Zeit

RechtssicherheitSoziale StabilitätInfrastruktur/IT

Innovation

Talent-PoolAusbildung – künftige Talente

Integrität des Finanzplatzes

Globaler Einfluss der Schweiz

ProduktionskostenWettbewerbsfähigkeitSchlanke Produktion

Internationaler Marktzugang

Wettbewerbsfähige RegulierungWettbewerbsfähiges Steuerumfeld

Systematische Förderung

Transparenz der Bankprodukte

PragmatismusGrösse/Umfang

Trend

RetailBanking

PrivateBanking

CorporateBanking

InvestmentBanking

AssetManagement

Externes AssetManagement

AlternativeInvestments

Lebens-versicherungen

Quelle: Credit Suisse

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Komplexere Prozesse zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen und die internationale

Aufsicht führen insbesondere zu Druck auf kleine Institute.

Humankapital: Qualifizierte Mitarbeiter sind von zentraler Bedeutung für Finanzinstitute.

Die Schrumpfung der Finanzsektoren in Europa dürfte es für die Schweiz etwas leichter

machen, Talente aus dem Ausland für sich zu gewinnen. Höhere Steuern in wichtigen

europäischen Jurisdiktionen haben vermutlich denselben Effekt. Damit sich diese

Entwicklung auch tatsächlich vollzieht, ist es von höchster Bedeutung, am Frei-

zügigkeitsabkommen mit der EU festzuhalten. Darüber hinaus muss der Zugang von Nicht-

EU-Spezialisten zum Schweizer Arbeitsmarkt vereinfacht werden. Ausserdem sollten die

Ausbildungsangebote der Schweizer Schulen und Universitäten in den Bereichen Wirtschaft

und Finance kontinuierlich ausgebaut werden.

Strategische Standortförderung: Es bedarf einer besseren Koordinierung zwischen den

Institutionen des Finanzsektors und der Politik zur besseren internationalen «Vermarktung»

der Schweiz und ihres Finanzplatzes.

2) Ausgewählte regulatorische Entwicklungen, welche die Schweiz als Finanzplatz

betreffen

Die globale Finanzkrise hat weltweit zu verstärkten legislativen und regulatorischen Aktivitäten

geführt. Es folgt ein Überblick über die jüngsten sowie die laufenden Entwicklungen in

ausgewählten zentralen Bereichen der Regulierung, welche im Hinblick auf die Strategie für den

Finanzplatz Schweiz von besonderer Relevanz sind. Als allgemeiner Trend ist erkennbar, dass viele

der neuen, nachfolgend aufgelisteten Regelungen die Kosten der Geschäftstätigkeit bei den in der

Schweiz ansässigen Finanzdienstleistern erhöhen werden. Dies gilt vor allem deshalb, weil sie im

Hinblick auf den Erhalt des Zugangs zum EU-Markt von Bedeutung sind und zudem

möglicherweise aufgrund überdurchschnittlich strenger Anforderungen (Stichwort «Swiss Finish»)

im Wettbewerb für ungleich lange Spiesse sorgen.

Finanzstabilität und Kapitalanforderungen

Basel III, einschliesslich Höchstverschuldungsquote (Leverage Ratio), Liquiditätsregelungen,

antizyklischer Kapitalpuffer; Hypotheken; EU-Richtlinie über Eigenkapitalanforderungen IV

(EU Capital Requirements Directive (CRD) IV).

«Too Big to Fail» (TBTF)-Gesetzgebung, mit erhöhten Eigenkapitalanforderungen und

Pflichtwandelanleihen (Contingent Convertible Bonds, CoCos), Änderungen der Schweizer

Eigenmittelverordnung und der Bankenverordnung; Abwicklungsplanung (Recovery and

Resolution Plans, RRP).

Bankstruktur: USA: Dodd-Frank Act (Volcker Rule), EU: Liikanen-Gruppe, GB: Vickers

Report; globale Diskussionen über «Schattenbankensystem».

Anlegerschutz

EU: Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente II (Markets in Financial Instruments

Directive, MiFID) II/Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial

Instruments Regulation, MiFIR); Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds

(Alternative Investment Fund Managers Directive, AIFMD): strenge Anforderungen für

Länder ausserhalb der EU könnten den Zugang der Schweizer Finanzdienstleister zum EU-

Markt gefährden; möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf den Anlage- und

Beratungsprozess sowie auf das Produktangebot, vor allem im Bereich der vermögenden

Privatkunden.

Schweiz: Mit der teilweisen Revision des Bundesgesetzes über die kollektiven

Kapitalanlagen (KAG) sollte die Thematik des Marktzugangs im AIFMD-Kontext

angegangen werden können. Die bisherigen Entwürfe tun allerdings nicht genug, um die

internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, erwartetes Inkrafttreten: 1. Quartal

2013; Finanzdienstleistungsgesetz (und FINMA-Positionspapier vom Februar 2012 über

Vertriebsregeln), frühestmögliche Umsetzung: 2017.

Als Reaktion auf die Finanzkrise wurden die Einlagensicherungssysteme weltweit (auch in

der Schweiz) verstärkt.

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Internationale Steuerthemen

Schweiz: Revidierte Doppelbesteuerungsabkommen gemäss Artikel 26 des OECD-

Musterabkommens; Diskussion über Erweiterung der EU-Richtlinie zur Besteuerung von

Zinserträgen und des entsprechenden Abkommens mit der Schweiz; Gespräche über EU-

Verhaltenskodex/kantonale Steuerregelungen; Quellensteuerabkommen mit mehreren EU-

Mitgliedsländern, die sowohl Altlasten als auch zukünftige Steuerzahlungen betreffen,

während das Bankkundengeheimnis beibehalten und der Marktzugang für Schweizer

Banken verbessert wird (vereinbart mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich;

erwartetes Inkrafttreten: 1. Januar 2013, allerdings unsicher im Falle Deutschlands;

Diskussionen werden mit Griechenland und Italien geführt); Schweizer Unternehmens-

steuerreform III.

Europa: Steueramnestien in Italien, weitere Amnestien möglicherweise in Deutschland,

Frankreich und Grossbritannien.

USA: Der Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) wird die Compliance-Kosten auch

für Banken mit nur geringem Engagement in den USA erhöhen; andauernde Ver-

handlungen über Altlasten.

Durch die Einführung von Finanztransaktionssteuern auf EU-Ebene oder, was

wahrscheinlicher ist, in einer Gruppe von bzw. in einzelnen EU-Mitgliedsländern könnten

sich Chancen für die Schweiz ergeben.

Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei sowie zur Gewährleistung der finanziellen

Integrität: Anpassungen am Schweizer Geldwäschereigesetz auf der Grundlage der

Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF; Steuer-

vergehen als Vortat der Geldwäscherei seit Februar 2012); Schweizer Bundesgesetz über

die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte.

Executive Compensation/Aktienrecht

Schweiz: Die Volksinitiative «Minder» und der Gegenvorschlag (Volksabstimmung im

1. Quartal 2013 erwartet) könnten die Attraktivität der Schweiz als Standort für

börsenkotierte Unternehmen einschränken; Ergänzungen des Aktien- und Rechnungs-

legungsrechts.

EU/international: Bevorstehende EU-Gesetzgebung (vor allem im Kontext von CRD IV);

Prinzipien des Rats für Finanzstabilität (Financial Stability Board, FSB).

Beziehungen Schweiz-EU, vor allem mit Blick auf den Marktzugang

Konsultationen über institutionelle Themen und mögliche Verhandlungen über diverse

Dossiers (Bilaterale III).

Mögliches umfassendes Finanzdienstleistungsabkommen zwischen der Schweiz und der EU

zur Verbesserung des Marktzugangs für Schweizer Finanzdienstleister.

3) Jüngste Initiativen des öffentlichen und des privaten Sektors für den Finanzplatz

Schweiz: Ein kurzer Überblick

Was die Politik der Schweizer Regierung in Bezug auf den Finanzplatz Schweiz angeht, so ist die

grundlegende Publikation des Bundesrats aus dem Jahr 2009, der sogenannte Bericht Graber

(«Strategische Stossrichtungen für die Finanzmarktpolitik der Schweiz», 16. Dezember 2009,

«Bericht in Beantwortung des Postulats Graber», 09.3209), nach wie vor der wichtigste

Bezugspunkt.

In diesem Bericht legte die Schweizer Regierung die folgenden strategischen Richtungen (und

die entsprechenden Ziele) fest:

Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes (konkurrenz-

fähiges Steuerumfeld, führende Aufsicht, erweiterte Kooperation).

Sicherung und Verbesserung des Marktzugangs (Anerkennung der Gleichwertigkeit der

Schweizer Regulierung und der Schweizer Aufsicht).

Stärkung der Widerstandskraft des Finanzsektors gegen Krisen sowie dessen Fähigkeit

zum Umgang mit systemisch bedeutsamen Finanzinstituten.

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Erhalt der Integrität des Finanzplatzes (Kampf gegen Finanzkriminalität, Umsetzung der

«Strategie für einen steuerkonformen Finanzplatz»).

Es wird davon ausgegangen, dass das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) in den nächsten

Monaten dem Bundesrat als Entscheidungsgrundlage einen neuen Bericht mit einem Überblick

über die Schweizer Finanzmarktpolitik vorlegen wird.

Der Bericht dürfte Informationen über den Stand der Umsetzung laufender Massnahmen,

gemäss den Vorschlägen des Graber-Berichts, enthalten. Von grösserer Bedeutung ist allerdings

die Tatsache, dass er auch neue Massnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des

Finanzplatzes Schweiz sowie zur Umsetzung der Strategie für finanzielle Integrität umfassen dürfte.

Die betroffenen Anspruchsgruppen des privaten Sektors haben die Schweizer Bundesverwaltung

während der Ausarbeitungsphase mit umfangreichem Input unterstützt. Sie haben betont, dass

proaktiven, «offensiven» Massnahmen, die auf die Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit des

Schweizer Finanzplatzes abzielen, Priorität eingeräumt werden sollte.

Neben diesen offiziellen Initiativen und Beiträgen des Privatsektors gibt es auch noch andere

Initiativen, deren Schwerpunkte auf spezifischen Bereichen, wie z.B. nachhaltigen Finanz-

dienstleistungen, liegen. So zielt z.B. eine gemeinsame Initiative von The Sustainability Forum

Zürich (TSF) und Sustainable Finance Geneva (SFG) auf ein höheres Ausmass an Innovation und

Attraktivität für neue Akteure wie z.B. CO2-Märkte, ESG-Prüfer und -Anleger (ESG: Environmental,

Social, Governance) ab und bezweckt zugleich auch die Stärkung der Reputation und der Integrität

des Schweizer Finanzplatzes und der entsprechenden Wachstumsperspektiven.

Abbildung 2

Strategie des Schweizerischen Bundesrats für einen steuerkonformen Finanzplatz

Quellensteuer

Bilaterale Abkommenüber die Regularisierungvon vergangenen und

künftigen ausländischenVermögenswerten

in der Schweiz

Bundesgesetz über

die internationale

Quellenbesteuerung

Internationale

Amts- und Rechtshilfe

Art. 26 OECD-Musterabkommen

Revision der DBA

Steueramtshilfegesetz

Bundesgesetz überinternationaleRechtshilfe

in Strafsachen

Verschärfte

Due-Diligence-

Anforderungen

Risikobasierter Ansatz

Beruflicher

Verhaltenskodex

Finanzplatz-

integrität

Massnahmen gegen

Geldwäscherei und

Vermögen von

Diktatoren

Revision

Geldwäschereigesetz

Quelle: Credit Suisse (DBA = Doppelbesteuerungsabkommen)

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Der Masterplan 2007

2007 haben die zentralen Verbände der Schweizer Finanzdienstleistungsbranche den «Masterplan

Finanzplatz Schweiz» entwickelt, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als internationaler

Finanzplatz vor dem Hintergrund der zunehmenden Konkurrenz unter den globalen Finanz-

drehkreuzen zu verbessern. Erstmals beteiligten sich alle betroffenen Interessengruppen des

privaten Sektors zusammen an einer Initiative, d.h. die Schweizerische Bankiervereinigung, der

Schweizerische Versicherungsverband, die Swiss Funds Association sowie die Schweizer

Finanzmarktinfrastrukturbetreiber (damals SWX Group, SIS Group und Telekurs Group), um eine

gemeinsame Strategie zu erarbeiten.

Im Masterplan 2007 wurde die wesentliche Bedeutung des Finanzsektors für die Schweizer

Wirtschaft hervorgehoben, vor allem im Hinblick auf dessen direkte Beiträge zum BIP, zur

Beschäftigung sowie zum Steueraufkommen, und ein äusserst ambitioniertes Ziel gesetzt: Die

«Vision 2015» zielte darauf ab, die Schweiz – zusammen mit New York und London – als

Finanzplatz in den globalen Top-3 zu etablieren.

Um diese Vision Realität werden zu lassen, wurden in den Masterplan zentrale politische

Prioritäten sowie eine Liste empfohlener spezifischer Massnahmen aufgenommen, welche in den

politischen Prozess der Schweiz einfliessen sollten. Die Empfehlungen richteten sich vornehmlich

an die Schweizer Parlamentarier und die politischen Parteien, die Schweizer Bundesverwaltung,

Regulierungs- und Aufsichtsbehörden sowie an die Medien und die interessierte Öffentlichkeit.

Der Masterplan wurde am 13. September 2007 den Medien und der breiteren Öffentlichkeit

präsentiert. Die enthaltenen Massnahmen gliederten sich insgesamt in die Bereiche Talent,

Regulierung, Kooperation, Besteuerung und Infrastruktur (vgl. Abb. 3). Zu den damals

vorgesehenen Umsetzungsmassnahmen gehörten die Einrichtung eines Lenkungsausschusses

für den Finanzplatzdialog sowie regelmässige Statusberichte über die erzielten Fortschritte.

Abbildung 3

Masterplan für den Finanzplatz Schweiz

Spitzendestinationfür Ausbildung

und Research(Talent)

Effiziente,

marktorientierteRegulierungs- und

Aufsichtsbehörde

Zusammenarbeitzwischen Finanz-

branche, Behördenund Parlament

International

wettbewerbsfähigesSteuerumfeld

FührendeFinanzsektor-Infrastruktur

Weiterentwicklung der von den Banken und Versicherungen bereits lanciertenAusbildungs- und Research-Initiativen mit internationaler Ausstrahlung.

Ausweitung der Immigrationspolitik auf Top-Talente von ausserhalb der EU.

Ausweitung der Selbst- und prinzipienbasierten Regulierung sowie

Konzentration auf dieselbe, kombiniert mit einem risikobasiertenÜberwachungsansatz.

International anerkannte, transparente und faire Aufsicht mit wettbewerbs-fähiger Regulierung in allen Geschäftsbereichen.

Enge Zusammenarbeit zwischen Finanzsektor, Behörden und Politikern,um den Finanzplatz in den Bereichen Regulierung, Aufsicht und

Besteuerung auf lange Sicht zu stärken.

International wettbewerbsfähige Besteuerung, insbesondere in

Wachstumsbereichen. Schrittweise Abschaffung der Stempelsteuer durch jährliche Senkung

der Sätze.

Unterstützung des Finanzsektors mit einer Infrastruktur, die bezüglichQualität, Kosteneffizienz und Innovation wegweisend ist.

Quelle: Credit Suisse

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Für die Bankbranche schlug die Schweizerische Bankiervereinigung im Rahmen eines Berichts mit dem

Titel «Swiss Banking Roadmap 2015», der ebenfalls im September 2007 veröffentlicht wurde,

spezifische Massnahmen vor. Als Teilsegment des Masterplans lieferte die Roadmap detailliertere

Empfehlungen zu acht Geschäftsbereichen, die für die Zukunft des Schweizer Finanzsektors und

insbesondere des Banksektors als besonders wichtig erachtet wurden:

Private Banking

Retail Banking

Anlagefonds

Pensionsgeschäft

Hedgefonds

Private Equity

Schweizer Kapitalmärkte

Commodity Trade Finance

In der Roadmap wurden Massnahmen zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit

dieser Geschäftsbereiche vorgeschlagen, die sich in die folgenden Themengruppen unterteilen lassen:

Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in Steuerangelegenheiten

Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit über die angemessene Umsetzung internationaler

Standards bei gleichzeitiger Beibehaltung des Bankgeheimnisses

Verbesserung der Effektivität der Behörden in Angelegenheiten bezüglich der Schweiz als

Finanzplatz

Förderung der Attraktivität der Schweiz für kollektive Kapitalanlagen

Verbesserung der Rahmenbedingungen für Trusts und Stiftungen

Grössere Flexibilität beim regulatorischen Rahmen für Pensionsfonds

Der Masterplan 2007 – eine Einschätzung: Fünf Jahre nach seiner Veröffentlichung werden die

meisten Beobachter der Aussage zustimmen, dass der Finanzplatz Schweiz das im Masterplan

formulierte ehrgeizige Ziel, bis 2015 zu den Top-3 globalen Finanzplätzen zu gehören, aller

Wahrscheinlichkeit nicht erreichen wird. Mit Stand September 2012 sind die meisten der in dem Plan

und der entsprechenden Roadmap für den Banksektor vorgeschlagenen Massnahmen seitens der

Politik und der Regulierungsbehörden in der Schweiz nicht umgesetzt worden. Allerdings wurden in

einigen Bereichen Fortschritte erzielt. Ein Beispiel ist die Einrichtung des Swiss Finance Institute, das

dazu beigetragen hat, einige Probleme im Zusammenhang mit der Gewinnung von Talenten zu

beseitigen.

Viele der optimistischen Prognosen des Masterplans (insbesondere in Bezug auf mögliche

zusätzliche Stellen oder Steuereinnahmen durch den Finanzsektor) hatten bereits wenige Monate nach

seiner Veröffentlichung keine Gültigkeit mehr, denn die globale Bankbranche und schliesslich auch die

Weltwirtschaft wurden mit voller Wucht von der Finanzkrise getroffen. Dies bedeutet aber nicht

notwendigerweise, dass die Empfehlungen des Masterplans nicht sinnvoll sind. Im Gegenteil: Die

Prioritäten und die vorgeschlagenen Massnahmen sind, trotz ihrer Fokussierung auf eine «traditionelle»

Reformagenda mit Schwerpunkt auf regulatorischen Massnahmen, noch immer ein wertvoller

politischer Ratgeber, der besser früher als später beachtet werden sollte, wenn die Schweiz ihre

Position unter den internationalen Finanzplätzen bewahren oder verbessern möchte.

Leider wurden die meisten der im Masterplan 2007 und der Swiss Banking Roadmap enthaltenen

Massnahmen nicht oder nur teilweise umgesetzt. Der Lenkungsausschuss mit Regierungs- und

Branchenvertretern, der die Umsetzung koordinieren sollte, wurde 2009 aufgelöst. Er wurde teilweise

ersetzt durch ein «Forum Finanzplatz», das einen wesentlichen Beitrag zum Graber-Bericht geleistet

hat. Der Bericht wiederum hat auf den Masterplan 2007 aufgebaut. Für eine signifikante Verbesserung

der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes müssen neue und zusätzliche

Massnahmen ergriffen werden. Die meisten Experten sind sich aber einig darüber, dass der Masterplan

bis heute einen wichtigen Beitrag zur Debatte leistet.

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Kapitel 4

Eine Agenda für den Finanzplatz Schweiz

Wie in den vorigen Kapiteln gezeigt, durchläuft die Finanzdienstleistungsbranche erhebliche

Veränderungen. Überdies nimmt der Wettbewerb zwischen den internationalen Finanzplätzen zu.

Massnahmen zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanz-

platzes sind daher so wichtig und dringend wie niemals zuvor. Solche Massnahmen sollten

spezifische Schwächen des Schweizer Finanzplatzes adressieren und die traditionellen Stärken

erhalten. Es liegt auf der Hand, dass alle relevanten Interessensgruppen, so auch die politischen

Entscheidungsträger und die Aufsichtsbehörden der Schweiz, ihren Beitrag leisten müssen.

Dennoch sind wir der Meinung, dass ein Grossteil der Massnahmen von den Schweizer

Finanzinstituten selbst getroffen muss. Schliesslich zeigte die Wirtschaftsgeschichte wiederholt,

dass die beste Strategie für einen unter Druck und vor neuen Herausforderungen stehenden

Sektor nicht darin besteht, den unvermeidbaren Wandel zu bekämpfen, sondern eher darin, ein

neues Umfeld zu begrüssen und sich proaktiv zu verändern.

Unsere Reformagenda für den Schweizer Bankensektor und generell für die Schweiz als

Finanzplatz konzentriert sich daher auf vier strategische Themenkreise:

1) Stärkere Unterstützung der Schweizer Wirtschaft durch die Banken

Die Schweiz verfügt über eine wettbewerbsfähige, innovative und offene Wirtschaft:

Die Schweiz ist ein Exportweltmeister. Die Industrieproduktion des Landes ist pro Kopf

doppelt so hoch wie in den Vereinigten Staaten und beträgt fast das Achtfache Chinas. Im

Vergleich exportiert kein Land mehr als die Schweiz: 2010 betrugen die Exporte 54% des

Schweizer BIP gegenüber 47% in Deutschland, 30% in China und 15% in Japan. Zu den

Schweizer Exporten tragen keineswegs nur Grossunternehmen bei. Viele kleine und

mittelständische Unternehmen haben sich während des letzten Jahrzehnts ebenfalls

zunehmend global orientiert und wagten sich trotz der Frankenaufwertung erfolgreich in

ferne Märkte vor.

Für multinationale Unternehmen ist die Schweiz ein beliebter Standort. Über 200

europäische Firmensitze grosser globaler Kapitalgesellschaften befinden sich in der

Schweiz. Angelockt werden sie durch die politische und aufsichtsrechtliche Stabilität, eine

vergleichsweise wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung, die erstklassige Infra-

struktur und die Verfügbarkeit von hoch qualifiziertem Personal.

Die Schweiz ist äusserst innovativ, was man an der höchsten Anzahl an Nobelpreisen und

den Forschungs- und Entwicklungsausgaben pro Kopf erkennen kann. Hinsichtlich der

Anzahl gültiger Patente weist die Schweiz weltweit den vierten Platz auf. Angesichts

führender Forschungsinstitute wie der Eidgenössischen Technischen Hochschule

(ETHZ/EPFL) oder der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) bietet das

Land für viele Unternehmensgründungen und Technologiecluster einen fruchtbaren

Nährboden.

Der Schweizer Bankensektor unterstützt die «Realwirtschaft», indem er Kredite an

Unternehmen vergibt, den Zahlungsverkehr von Unternehmen sowie deren Cash-Management

erleichtert, Gesellschaften den Zugriff sowohl auf inländische als auch internationale Kapitalmärkte

ermöglicht und Schweizer Unternehmern bei ihren Finanzanlagen berät. Von diesen und anderen

Bankdienstleistungen profitieren sowohl grosse als auch kleine Schweizer Unternehmen. Darüber

hinaus sind Schweizer Banken natürlich auch den Einwohnern der Schweiz bei ihren täglichen

Bankgeschäften behilflich.

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Schweizer Banken könnten jedoch noch mehr zur Unterstützung der Schweizer Unternehmen

beitragen. Die 100 grössten Unternehmen der Schweiz geben rund CHF 10 Mrd. für

Bankdienstleistungen aus, wovon momentan lediglich 20% den Schweizer Banken als

Einnahmequelle zufliessen. Schweizer Banken sollten unseres Erachtens in der Lage sein, ihr

Geschäft mit Schweizer Unternehmen zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen, indem sie auch die

ausserhalb der Schweiz anfallenden Bankdienstleistungen erbringen. Beispiele hierfür sind die

Emission von Schuldpapieren an internationale Anleger, das Absichern von Währungs-, Zins- und

Rohstoffrisiken und das Clearing von Geld- und Handelstransaktionen. Hierbei handelt es sich um

globale Tätigkeiten, die in der Regel in US-Dollar oder Euro denominiert sind. Es gibt keinen

Grund, weshalb Schweizer Institute nicht versuchen sollten, einen grösseren Anteil dieser

Transaktionen abzuwickeln. Dasselbe gilt für die Handelsfinanzierung, die für eine Exportwirtschaft

wie die Schweiz essenziell ist. Einige Schweizer Banken bieten ihren Firmenkunden bereits globale

Lösungen an. Das internationale Angebot könnte jedoch sicherlich noch ausgeweitet werden.

Allgemeiner ausgedrückt sollten Schweizer Banken zusätzliche Gelegenheiten ergreifen, die

Bedürfnisse Schweizer Unternehmen noch besser abzudecken, als dies bereits der Fall ist und

dadurch die Schweizer Realwirtschaft unterstützen:

Erstens sollte sichergestellt werden, dass der Finanzierungsbedarf von Unternehmen in der

Schweiz gedeckt werden kann, indem Firmen mit der grossen Anlegerschaft der Schweiz

zusammengebracht werden. Die neuen Kapitalvorschriften machen die Kreditvergabe für

Schweizer Banken teurer als für Banken in anderen Ländern. Dies wiederum wird dazu

führen, dass die Unternehmensfinanzierung teilweise auf die Kapitalmärkte ausweicht. Die

Schweizer Stempelabgabe auf Aktien, Geldmarktinstrumente und Anleihen trägt sicherlich

nicht dazu bei, ein attraktives Finanzierungsumfeld zu schaffen, auch wenn die Einführung

von Finanztransaktionssteuern in einigen europäischen Ländern den relativen

Wettbewerbsnachteil der Schweiz teilweise beseitigen würde.

Zweitens sollten innovative Dienstleistungen für kleinere Unternehmen und Privatkunden

insbesondere im Bereich des elektronischen und mobilen Banking entwickelt werden. Die

Schweiz verfügt bereits über hervorragende IT-Cluster, die eine gute Basis für weiteres

Wachstum bilden. Aus technischer Sicht können Banken fast alle Bankdienstleistungen

(Zahlungen, Cash-Management, Fremdwährungen usw.) online erbringen. Fast alle Kunden

Schweizer Banken verfügen über Mobiltelefonie oder einen Internetzugriff. Im Juni 2012

gab es in der Schweiz zum Beispiel 7.5 Mio. Mobiltelefone. Hiervon waren 5.4 Mio.

Smartphones. Dies stellt weltweit eine der grössten Marktdurchdringungen dar. Dennoch

befinden sich die auf Smartphones verfügbaren Banklösungen noch immer in ihren

Kinderschuhen, und das Mobile-Banking ist in der Schweiz kaum entwickelt. Schweizer

Banken sollten ihre anspruchsvollen und technisch versierten in- und ausländischen Kunden

als perfekte Ausgangsplattform für die Entwicklung elektronischer Lösungen auch für

komplexe Finanzbedürfnisse betrachten. Dadurch könnte ein «exportfähiges» Geschäfts-

modell entstehen, das Schweizer Banken helfen kann, Kunden in anderen Märkten zu

gewinnen.

Drittens sollten neue Wege zur Finanzierung innovativer Unternehmen und Neugründungen

gefunden werden. Man kann davon ausgehen, dass zahlreiche Anleger an solchen

Möglichkeiten interessiert wären. Um innovativen Unternehmen bei der Finanzierung

behilflich zu sein, gründete Credit Suisse im Juni 2010 «SVC – AG für KMU Risikokapital»

(SVC AG) mit einem für Anlagen verfügbaren Gesamtkapital von CHF 100 Mio. Schweizer

Banken und Anlageunternehmen müssen jedoch, unterstützt durch die Aufsichtsbehörden,

mehr tun, um Anleger und innovative Unternehmer gegenseitig anzunähern, z.B. indem

Fonds aufgelegt werden, die Risiken bündeln und gewisse Qualitätsstandards und

Anlegerschutz bieten. Schliesslich sollten auch innovative Finanzierungsformen wie

Crowdfunding über die richtigen Wege und mit einer entsprechenden Gesetzgebung und

Aufsicht unterstützt werden.

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2) Revitalisierung der Schweiz als bevorzugtes Zentrum für die globale

Vermögensverwaltung

Die Schweiz verfügt in der Vermögensverwaltung über eine hoch entwickelte Expertise und globale

Bekanntheit. Viele globale Privatanleger sind weiterhin daran interessiert, ihr Vermögen in der

Schweiz verwalten zu lassen. Momentan sind 27% aller grenzüberschreitend investierten

Privatmittel in der Schweiz angelegt. Seit der Finanzkrise sind jedoch die Erlösmargen im Private

Banking um 20% und die Gewinnmargen um über ein Drittel gefallen. Vermögen aus «gereiften»

Private-Banking-Märkten anzuziehen, erweist sich als schwierig, und die Kosten der

Geschäftsführung werden aufgrund der Umsetzung der in Kapitel 3 besprochenen (ausländischen)

Regulierungen zusätzlich steigen.

Momentan befindet sich die Schweiz hinsichtlich des Vermögensverwaltungsgeschäfts in der

Defensive. Gemeinsam müssen die politischen Entscheidungsträger und Aufsichtsbehörden der

Schweiz – aber vor allen Dingen die Schweizer Banken selbst – Anstrengungen unternehmen, um

diesen Trend umzukehren, die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes zu erhalten und

die Chancen im immer noch wachsenden Private-Banking-Markt wahrzunehmen:

Damit in Zukunft nachhaltige Erlöse erwirtschaftet werden können, muss der Ruf des

Finanzplatzes erhalten und gestärkt werden. Dazu muss das Geschäftsmodell der

Schweizer Banken auf der Realität vollumfänglich steuerkonformer Gelder basieren. Die

entsprechenden, auf einem Quellensteueransatz basierenden Initiativen der Schweizer

Regierung verdienen daher volle Unterstützung. Diese Lösung ermöglicht es, die Privat-

sphäre der Kunden zu wahren. Der automatische Informationsaustausch hingegen wird

nicht als ein internationaler bzw. global akzeptierter Standard betrachtet. Er ist auch nicht

geeignet, die sogenannte Altlastenproblematik zu adressieren.

In Bezug auf ethische Standards und insbesondere hinsichtlich der Geld-

wäschereigesetzgebung ist die Schweiz heute den meisten OECD-Staaten voraus und

sollte in diesem wichtigen Bereich federführend bleiben.

Die Frage der Eignung von Finanzprodukten für Anleger hat ebenso wie

Beratungsstandards zunehmend an Bedeutung gewonnen. Eine rigorose Umsetzung der

MiFID-Regeln in Europa wird zu einer Einschränkung der Beratungstätigkeit und des

Produkteangebots für Kunden führen. Falls die Schweiz das richtige Verhältnis zwischen

dem Sinn und Zweck von MiFID – Transparenz und Angemessenheit – und dem Wunsch

der Anleger nach grösserer Flexibilität und Auswahl finden kann, hat sie die Chance, den

«Goldstandard» für die Anlageberatung zu finden. Es wäre ideal, wenn ein solcher Standard

zeitgerecht und gemeinsam durch Branchenverbände, politische Entscheidungsträger und

Aufsichtsbehörden erarbeitet werden könnte.

Wenn die Schweiz internationale Standards hinsichtlich Besteuerung und Beratung einhält,

muss sie im Gegenzug einen angemessenen Marktzutritt zu Vermögensverwaltungsmärkten

erhalten. Trotz der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) bestehen momentan noch

viele Handelshemmnisse, die sich auf einen Nettoexporteur von Finanzdienstleistungen wie

die Schweiz negativ auswirken. Dies betrifft hauptsächlich wichtige europäische Märkte, es

gibt jedoch auch Hindernisse bei anderen Staaten wie z.B. den BRIC-Ländern. Eine weitere

Liberalisierung des Handels im Dienstleistungssektor kann idealerweise auf multilateraler

Ebene über die WTO (spezifischer über das Allgemeine Abkommen über den Handel mit

Dienstleistungen der WTO, GATS) erzielt werden. Realistischerweise wird die Schweiz

jedoch auch versuchen müssen, den Marktzugang über bilaterale Freihandelsabkommen zu

erreichen, allenfalls im Zusammenhang mit dem Abschluss von Steuerabkommen.

Teilweise als Reaktion auf steigende aufsichtsrechtliche Vorgaben wird das Schweizer

Private Banking weiter konsolidieren müssen. Vielen kleinen Banken wird es zunehmend

schwerfallen, eine genügende Rentabilität zu erzielen, falls sie unter einer bestimmten

kritischen Grösse bleiben – Ausnahmen werden sicher Institute sein, die ein stark

spezialisiertes Nischengeschäft betreiben.

Eine mögliche Lösung dieses Problems der kritischen Masse könnte in der Gründung von

Dienstleistern liegen, die nicht nur die Back-Office-Verarbeitung durchführen, sondern für

das Schweizer Private Banking auch bestimmte Rechts- und Compliance-Dienste

erbringen. Solche Dienstleister könnten nicht nur das notwendige Geschäftsvolumen

generieren, sondern auch die Professionalität von Basisdienstleistungen verbessern.

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Die Kombination von Anlageexpertise und dem Ruf der Schweiz als sicherer Hafen sollte

genutzt werden, um zusätzliche Gelegenheiten im Bereich von Anlageprodukten zu

entwickeln. Instrumente wie börsengehandelte Fonds und Indexzertifikate wachsen schnell.

Sie können «traditionelle» Fonds teilweise zu geringeren Kosten ersetzen. Schweizerische

Vermögensverwalter sollten ihren Kunden den Zugriff auf derartige steuerkonforme und

kostengünstige Anlagelösungen erleichtern.

Seit Langem schon ist die Schweiz ein Zentrum für Philanthropie und ein Knotenpunkt für

gemeinnützige Einrichtungen. Jüngste Schätzungen gehen davon aus, dass sich das

Gesamtvermögen von Stiftungen, die Schweizer Recht unterstehen, auf über CHF 70 Mrd.

beläuft. Die Schweiz hat auch dazu beigetragen, globales Kapital in Richtung

Mikrofinanzierung zu leiten. Inzwischen bietet sogenanntes Impact Investing ein ähnliches

Wachstumspotenzial. Schweizer Banken sollten daher eine Ausweitung ihres

Dienstleistungs- und Produktangebots in den Bereichen Wohltätigkeit, Mikrofinanzierung,

nachhaltige Anlagen und Impact Investing erwägen.

Hinsichtlich der Verwaltung alternativer Anlagen sollte die Schweiz in Erwägung ziehen,

hauptsächlich Hedgefonds zu einer Rückkehr ins Land zu bewegen, indem die

aufsichtsrechtlichen Standards und die Besteuerung derartiger Unternehmen an andere

Länder angeglichen werden. Letztlich bestehen auch im Bereich der Fondsverwaltung

Gelegenheiten. Luxemburg hat sich zum europäischen Zentrum der Fondsverwaltung

entwickelt, während ein erheblicher Anteil alternativer Anlagefonds (Hedgefonds, Private

Equity) in der Karibik angesiedelt ist. Die Schweiz sollte ähnliche Geschäftsbereiche

anziehen können, wie sie auch im Bereich des Rohstoffhandels eine starke Position

entwickelt hat. Um einen erheblichen Marktanteil in der Fondsverwaltung zu erreichen,

müsste die Schweiz allerdings in Infrastruktur investieren und ein günstiges aufsichts-

rechtliches Umfeld schaffen, insbesondere über ein optimiertes Registrierungsverfahren für

neue Fonds.

3) Positionierung für die «Ost/Süd»-Verlagerung in der Weltwirtschaft

Der weltwirtschaftliche Schwerpunkt verlagert sich unumkehrbar in den Osten und Süden. Das

Ausmass und die Geschwindigkeit dieses historischen Übergangs können nur mit der industriellen

Revolution verglichen werden und werden derzeit noch nicht voll erfassbare Auswirkungen haben.

Unvermeidbar werden diese Verlagerungen auch die globale Finanzwelt verändern. In der Zukunft

wird mehr als die Hälfte des Wachstums der globalen Bankbranche in den Schwellenmärkten

erzielt werden. Bereits heute befinden sich gemessen an der Marktkapitalisierung 19 der weltweit

grössten 50 Banken in den BRIC-Ländern.

Diese neuen Fakten stellen für die Schweiz Chancen dar. Gerade den Schweizer

Firmenkunden einen besseren Zugang zu den neuen Märkten zu verschaffen, muss ein zunehmend

wichtiges Ziel der Schweizer Banken sein.

Überdies werden es in einer stärker multipolaren Welt viele Einzelpersonen und Unternehmen

aus den neuen Wirtschaftsmächten vorziehen, einen Teil ihrer Finanzgeschäfte auf neutralem

Boden abzuwickeln. Darüber hinaus ist es durchaus möglich, dass die globalen Risiken – nicht nur

in den aktuellen Krisenzonen – beträchtlich und die Marktvolatilität hoch bleiben werden. Der Status

der Schweiz als sicherer Hafen sollte daher auch in der Zukunft ein wichtiger Standortvorteil

bleiben.

Trotz aller Herausforderungen befindet sich die Schweizer Finanzdienstleistungsbranche

unserer Ansicht nach in einer guten Ausgangslage, um diese teils neuen Geschäftsmöglichkeiten

zu erschliessen. Die Schweizer Banken müssen jedoch die nötigen Investitionen in ihr Human- und

sonstiges Kapital tätigen, um die neuen und zusätzlichen Bedürfnisse von Unternehmen und

Anlegern, die sich aus dieser «Ost/Süd»-Verlagerung ergeben, befriedigen zu können:

Handels- und Anlageflüsse, insbesondere zwischen Schwellenmärkten («Süd-Süd-Handel

und -Investitionen») sind eine grosse Gelegenheit, benötigen aber Infrastruktur und eine

lokale Präsenz. Heutzutage sind nur einige wenige Banken in der Lage, ihren Kunden

wahrhaft globale Firmenkundendienstleistungen anbieten und komplexe finanzielle

Finanzströme zwischen Industrieländern und Schwellenmärkten handhaben zu können. Ein

solches Angebot muss Onshore-Cash- und Devisenmanagement, Handelsfinanzierungen

und ähnliche Dienstleistungen beinhalten.

Rohstoffe werden als knappe Ressourcen das Wachstum von Schwellenländern

mitbestimmen und das weltweite Vermögen teilweise umverteilen. Während der letzten 20

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Jahre haben sich die Eisenerzpreise um rund das Zehnfache erhöht. Dies veranschaulicht

die Vermögensübertragung von Ländern, die Infrastruktur erstellen und Güter produzieren,

auf Länder mit den notwendigen Ressourcen. In Bezug auf den Rohstoffhandel verlangen

produzierende Länder liquide und transparente Märkte. Das Wachstumspotenzial dieser

Märkte hinsichtlich des Handelsvolumens ist im Vergleich zur Jahresproduktion sehr

erheblich. Die Schweiz ist heutzutage ein wichtiges Zentrum für den Rohstoffhandel und

sollte am erwarteten zukünftigen Wachstum dieses Bereichs teilhaben können, falls

rechtzeitig eine angemessene Infrastruktur und ein günstiges Marktumfeld geschaffen

werden.

Auch an den globalen Währungsmärkten spiegelt sich die Veränderung der Fundamental-

daten wider. Unabhängig davon, was mit dem Euro und dem Dollar geschieht, wird der

chinesische Renminbi (RMB) in der Zukunft zu einer sehr wichtigen international

gehandelten Währung aufsteigen. Der RMB wird gegen mehrere führende Währungen

gehandelt werden müssen, was Chancen für einige RMB-Hubs ausserhalb Chinas eröffnet.

Die Schweiz kristallisiert sich bereits als das viertgrösste RMB-Offshore-Zentrum nach

Hongkong, Singapur und London heraus, was auch die führende Rolle unseres Landes im

Rohstoffhandel reflektiert. Diese und andere, weniger offensichtliche Gelegenheiten im

Devisenhandel sollte die Schweiz zu nutzen versuchen.

4) Zukünftiges Infrastruktur-Zentrum für Kapitalmärkte

Durch die Kombination des Status der Schweiz als sicherer Hafen mit dem Aufbau einer

erstklassigen Finanzinfrastruktur, z.B. im Bereich der Datenspeicherung, könnte der Finanzplatz

Schweiz seine Stellung global stärken und von seinen traditionellen Standortvorteilen wie Stabilität,

Datenschutz und hohen Geschäftsstandards profitieren.

Die Schweiz könnte darauf abzielen, sich zu einem Zentrum der globalen Finanzdienstleistungs-

branche in den Bereichen Datenspeicherung und Infrastruktur zu entwickeln. Unser Land verfügt

bereits jetzt über eine hervorragende und verlässliche technische Infrastruktur, und die Banken wie

auch andere Unternehmen haben eine starke Basis im Bereich der Datenspeicherung und -

verarbeitung, die weiterentwickelt werden kann. Während die Schweiz bei den reinen Arbeitskosten

vielfach nicht konkurrenzfähig ist, stellt sich dieses Kostenproblem in Bereichen mit hoher

Automatisierung viel weniger.

Die Schweiz sollte daher zusätzliche Finanzinfrastrukturinvestitionen erwägen, z.B. in den

folgenden Bereichen:

Fondsverwaltung – Buchung und Verwaltung von Anlageinstrumenten wie Anlagefonds,

Hedgefonds und Private-Equity-Personengesellschaften und Ähnlichem

Börseninfrastruktur – Infrastruktur für Clearing, Verrechnung und Technik für alternative

Börsen, wie z.B. Turquoise, die geplanten zentralen Gegenparteien (CCP) für Derivate oder

die neuen elektronischen Anleihenmärkte

Zahlungsinfrastruktur – Beitragezu einer globalen Plattform für Cash-Management und

Zahlungen in Echtzeit statt langwieriger Überweisungen

Aufgrund der starken Systemverflechtungen setzt jede Investition zur Errichtung einer

führenden Infrastruktur eine starke Koordinierung voraus. Die Verbände im Schweizer Finanzsektor

und Infrastrukturanbieter wie die Börse/Clearing-Betreiber oder Zahlungsunternehmen sollten die

gemeinsame Entwicklung eines Schweizer Masterplans für Finanzinfrastruktur in Erwägung ziehen

– ähnlich wie im Vorfeld der Errichtung der ersten elektronischen Schweizer Aktienbörse. Die

Schweiz verfügt über einen dynamischen Technologiesektor, der ein solches Vorhaben mit den

notwendigen innovativen Technologien effizient unterstützen könnte.

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Beiträge

Autorinnen und Autoren

Oliver Adler René Buholzer

Soon-Gek Chew Amit Goel Philip Hess

Gurjit Kambo Giles Keating Nicole Krieger

Michael O’Sullivan Robert Parker Manuel Rybach

Christine Schmid

Produktion

Global Research Editorial and Publications

Markus Kleeb (Leitung) Ross Hewitt