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Januar 2014 Nr. 82 Fisch und Vogel Rundbrief aus christlicher Solidarität mit den Philippinen Foto: Elmar Noé / MISEREOR Inhalt Nachrichten Schwerpunktthema Taifun Haiyan: Hilfe im Stechschritt ZDF-Interview aus Tacloban Aktuelle Schlaglichter zu den Auswirkungen 3 6 7 9 Volountourismus: Hinfliegen und Helfen? Bericht zur ÖPK Quevedo wird Kardinal Blei im Wasser Schalom-Preis-Verleihung an Lory Obal In eigener Sache 11 14 15 17 18 20 ISSN 1860-7152

Fisch und Vogel · 2018. 8. 7. · Juan Ponce Enrile und Jinggoy Estrada lächerlich ge-ring. Die Gelder wurden an fünf Schein-NGOs ver-teilt, die Geschäftsfrau Janet Napoles gründete

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  • Januar 2014 Nr. 82

    Fisch und Vogel

    Rundbrief aus christlicher Solidarität mit den Philippinen

    Foto: Elmar Noé / MISEREOR

    Inhalt

    Nachrichten

    Schwerpunktthema Taifun Haiyan:

    Hilfe im Stechschritt

    ZDF-Interview aus Tacloban

    Aktuelle Schlaglichter zu den Auswirkungen

    3

    6

    7

    9

    Volountourismus: Hinfliegen und Helfen?

    Bericht zur ÖPK

    Quevedo wird Kardinal

    Blei im Wasser

    Schalom-Preis-Verleihung an Lory Obal

    In eigener Sache

    11

    14

    15

    17

    18

    20

    ISSN 1860-7152

  • Vorwort 2

    Liebe Leser_innen,

    Anfang November 2013 traf Taifun Yolanda, international Haiyan genannt, mit unvorstell-barer Zerstörungskraft auf das Archipel und verwüstete weite Teile des Landes. Menschen verloren ihre Freunde und Verwandte, ihr Hab und Gut. Die Aufräumarbeiten dauern bis heu-te an, ganz zu schweigen vom Wiederaufbau. Die Bilder gingen um die Welt. Die vergangene Weihnachtszeit stand im Zeichen von Spen-den- und Solidaritätsaktionen. Angesichts sol-cher Naturkatastrophen suchen Menschen im-mer wieder nach dem Sinn solcher Ereignisse und fragen, wie so etwas passieren kann. Un-gerechtes Leid wie dasjenige, das durch Yo-landa gekommen ist, ist nicht erklär- und fass-bar. Was bleibt, ist den Opfern der Katastrophe zur Seite zu stehen und für die Zukunft zu ler-nen. Taifunwarnsysteme und andere Schutz-mechanismen müssen weiter ausgebaut wer-den. Das ist die philippinische Regierung ihren Bürger_innen angesichts immer stärker wer-dender Stürme und Taifune schuldig.

    In der vorliegenden Ausgabe finden Sie eine Sammlung von Eindrücken rund um Taifun Yolanda, welche durch eine Analyse der Hilfe-leistungen und korrupter Verstrickungen um den Wiederaufbau ergänzt wird. Wie gewohnt berichtet Fisch und Vogel von der alljährlichen Ökumenischen Philippinenkonferenz, die im

    Oktober 2013 stattfand. Diese beschäftigte sich mit dem Friedensprozess auf Mindanao und der Rolle von zivilgesellschaftlichem Engage-ment. Anlässlich seiner Ernennung zum Kardi-nal bringt Fisch und Vogel außerdem ein Profil von Orlando Quevedo, Erzbischof von Cotaba-to.

    Wir hoffen, dass Sie diese Ausgabe wohlauf er-reicht und wünschen allen Leser_innen eine schöne Winterzeit!

    die Redaktion von Fisch und Vogel

    Der Name "Fisch und Vogel" bezieht sich auf zwei Symbole:Fisch (griechisch: Ichthys) steht für Jesus Christus, Sohn Gottes, Retter und Vogel (phil-ippinisch: Ibon Malaya) für den Widerstand gegen die Marcos-Diktatur

    Impressum:

    Herausgeber: Arbeitskreis Ökumenische Philippinen Konferenzc/o Dorothea Seeliger, Jahnstr. 82, 56179 Vallendar

    Website: www.fisch-und-vogel.de

    Redaktionsteam:Carolin Blöcher, Zacharias Steinmetz, Martina SeltmannEmail: [email protected]

    Nachrichtenredaktion: Gabriele Hafner und Philippinenbüro im Asienhaus

    Ständige Mitarbeit: Dr. Rainer Werning und Dieter Zabel

    Wir freuen uns über Ihren Unkostenbeitrag, der das Er-scheinen von Fisch & Vogel garantieren hilft:Kontoinhaber: Bischöfliches Ordinariat LimburgKonto 3700010BLZ 51140029 (Commerzbank Limburg)IBAN: DE08511400290379027600BIC: COBADEFFXXXVerwendungszweck: Fisch & Vogel 2014Kostenstelle: 2140 1016 20 (bitte immer angeben)

    Die nächste Ausgabe von Fisch & Vogel, Nr. 83, erscheint im Mai 2014

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • 3 Nachrichten

    Jeder achte Haushalt von Haiyan betroffen

    Jeder achte aller Haushalte auf den Philippinen hat Schäden durch den Taifun Yolanda (international: Haiyan) erlitten. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Soci-al Weather Station (SWS) hervor. Über 6.000 Men-schen starben laut der offiziellen Schätzung, 4,1 Mil-lionen Menschen wurden obdachlos. Die Opfer des Taifuns sind laut dieser Umfrage bislang offenbar zufrieden mit dem Katastrophenmanagement der Regierung von Staatspräsident Benigno Aquino. Un-ter den Haiyan-Betroffenen fällt mit 73 Prozent die Zustimmungsrate zur Amtsführung Aquinos um 4 Prozent höher aus als beim Rest der Bevölkerung. Unter den Opfern des Taifuns schätzten sich aber zugleich 72 Prozent als "arm" ein; bei den nicht Be-troffenen waren es lediglich 52 Prozent. Unter den Opfern leiden laut SWS knapp 24 Prozent Hunger; in der Vergleichsgruppe waren es rund 17 Prozent.Der Taifun hat der philippinischen Wirtschaft im-mensen Schaden zugefügt. Der Wiederaufbau der am stärksten betroffen Region der Ost-Visayas wird nach Einschätzung der US-Hilfsorganisation Catho-lic Relief Services drei bis fünf Jahre dauern.vgl. KNA 22.01.2014

    Besuch aus dem Vatikan

    Ende Januar wird Kardinal Robert Sarah vom vati-kanischen Rat “Cor Unum” die von Taifun betrof-fene Region besuchen und sich einen Überblick über den Stand des Wiederaufbaus verschaffen. Cor Unum koordiniert die caritativen Leistungen des Vatikan weltweit und vergibt Gelder. Indes bestätigte der Vatikan, dass Papst Franziskus im Jahr 2015 einen Besuch in den Philippinen plant. Bereits am Ende des Weltjugendtags in Rio hatte er betont, er wolle nach Asien reisen.

    vgl. CBCP, 24.01.2014, MB 25.01.2014

    Helfer aus Deutschland weiter im Einsatz

    Zu Jahresbeginn haben viele Hilfsorganisationen einen neuen Abschnitt der Katastrophenhilfe in der Taifunregion begonnen: Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und die Johanniter haben ihre medizini-schen Hilfseinsätze mittlerweile beendet und kon-zentrieren sich von Deutschland aus auf den lang-fristigen Wiederaufbau. Drei Teams mit je rund zehn Helfern hatte der ASB nacheinander ins Krisenge-biet geschickt. 4.200 Behandlungen in neun Wochen bei durchschnittlich 40 Grad Celsius - Einsatzleiter

    Axel Schmidt sagte, ein größeres Ausmaß habe er in neun Auslandseinsätzen nur auf Haiti erlebt. Vor Ort kümmern sich weiter das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Malteser um den Wiederaufbau. Mit etwa 30 Mitarbeitern stellt das DRK die Trinkwasser- und Hygieneversorgung von rund 20.000 Menschen sicher, koordiniert Hilfsgüter, Lebensmittel und die Unterbringung in Notunterkünften. Die Teams wer-den etwa alle vier Wochen ausgetauscht. Auch die Malteser haben ihre Koordinatorin noch nicht abge-zogen. Zusammen mit den philippinischen Malte-sern stellte das Hilfswerk bislang 4.000 Hygiene-, Haushalts- und Nahrungsmittelpakete, 800 Zeltpla-nen für Behelfsunterkünfte und 10 Großraumzelte für die medizinische Versorgung bereit. Aktuell kümmern sie sich vorwiegend um den Wiederauf-bau der sanitären Anlagen.vgl. KNA 06.01.2014

    Wiederaufbau bis 2017 Der Wiederaufbau nach Taifun Haiyan soll binnen vier Jahren abgeschlossen sein. Nach Abschluss der humanitären Hilfe im ersten Quartal 2014 solle bis Ende des kommenden Jahres die Wiederherstellung der Infrastruktur und die Errichtung von Über-gangswohnungen im Vordergrund stehen, so der philippinische Staatspräsident Benigno Aquino Mit-te Dezember. "Größere Investitionen werden über mehrere Jahre verteilt und hoffentlich bis spätes-tens 2017 abgeschlossen, wenn nicht eher". Die Schäden bezifferte er mit umgerechnet 9,4 Milliar-den Euro. Unterdessen liegt die von der Asiatischen Entwicklungsbank bewilligte Unterstützung für die Philippinen nach Angaben der Bank mit 900 Millio-nen US-Dollar (654 Millionen Euro) nur geringfügig über der sonst pro Jahr bewilligten Summe. Die Ge-samtkosten für den Wiederaufbau nach dem Sturm schätzte die Entwicklungsbank auf umgerechnet 5,8 Milliarden Euro.vgl. KNA 18.12.2013

    Auslandshilfe schleppend

    Von den aus dem Ausland zugesagten Hilfsgeldern in Höhe von über 500 Millionen Dollar sind bis Mitte Januar nur etwa ein Viertel eingegangen. Rund 20 Prozent der Geldzuwendungen wurden bisher über-wiesen. Eine ähnliche Entwicklung gab es auch 2010 nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti. Dort traf insgesamt etwa die Hälfte der direkt nach der Kata-strophe zugesagten Gelder und Darlehen ein. Fi-nanzminister Abad will sich nun erneut um Hilfsgel-

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • Nachrichten 4

    der bemühen, da die Budgets der Staaten für 2013 trotz der Zusagen wohl vielfach schon vergeben wa-ren.vgl. Rappler, 17.01.2014

    Warnung vor Frauen- und Kinderhandel in der Taifun-Region

    Nach dem Taifun Haiyan warnten Kirchenvertreter auf den Philippinen vor einer Zunahme des Men-schenhandels. Das Chaos nach dem Wirbelsturm habe potenzielle Opfer "extrem verwundbar" ge-macht, sagte Weihbischof Broderick Pabillo, Ob-mann einer ökumenischen Aktionsgruppe gegen Menschenhandel.Tausende von Kindern wurden nach dem Wirbel-sturm von ihren Eltern getrennt. Daher warnten die SOS-Kinderdörfer vor schnellen Adoptionen philip-pinischer Kinder. "Es ist verständlich und ehren-wert, dass Menschen hier in Deutschland alleinge-lassenen Kindern nach dem Taifun helfen wollen", sagte ein Sprecher. Allerdings fördere das unter Umständen die Kriminalität in den betroffenen Ge-bieten. vgl. UCAN 10.12.2013, KNA 22.11.2013

    Zwangsferien belasten Kinder

    Kinder und Jugendliche in der von Taifun Yolanda verwüsteten Region vermissen den Schulunterricht. Sie können zwar häufig beim Wiederaufbau helfen, doch ihnen fehlen ihre Freunde. Viele von ihnen ha-ben Kameraden verloren. Umso wichtiger wäre die Schule als Treffpunkt mit Gleichaltrigen. Die Öff-nung der Schulen könnte dem Leben der Kinder und Jugendlichen wieder mehr Normalität verleihen und sie mit psychosozialen Hilfestellungen in Kontakt bringen. Über eine Million Schüler_innen haben derzeit keinen Zugang zu Bildung in der betroffenen Region, darauf verwies die Organisation „Save the Children“. In manchen Regionen wurden zwischen-zeitlich wenigstens Spielplätze und Treffpunkte für Kinder aufgebaut, um so das Trauma der Katastro-phe zu lindern. Immer noch leben rund vier Millio-nen Menschen in Evakuierungszentren, die meisten von ihnen befinden sich in Schulen. Nach Angaben der Regierung müssen an die 6.000 Klassenzimmer neu gebaut werden. vgl. UCAN 06.01.2014

    Folter in verheimlichtem Haftzentrum

    In einem erst kürzlich entdeckten Gefängnis wurden Inhaftierte gefoltert. Wie die Menschenrechtskom-mission bekannt gab, wurden einige Polizeibeamte wegen Misshandlung von Verdächtigen entlassen. Diese wurden in einem Büro des Geheimdienstes (Provincial Intelligence Branch) PIB festgehalten. Diese Niederlassung sei nie in die offizielle Liste der Gewahrsams- und Haftzentren aufgenommen wor-den. Regulär müssen Beamt_innen des PIB ihre Ge-fangenen der Polizei übergeben. In der illegalen Hafteinrichtung haben höchstens zehn Gefangene Platz, zuletzt sollen dort aber 50 Verdächtige inhaf-tiert gewesen sein. Sie sollen von den Beamten hef-tig geschlagen und mit Elektroschocks gequält wor-den sein.vgl. PDI 24.01.2014

    Veruntreuungen werden untersucht

    Drei Senatoren müssen sich vor dem Büro des Om-budsmanns wegen Korruption verantworten. Als letzter von ihnen gab Ramon "Bong" Revilla Jr. Mit-te Januar seine Erklärung im Senat ab. Er soll seit 2006 mindestens 224 Millionen Pesos in seine eige-nen Taschen umgelenkt haben, die er als Senator für Projekte verwenden kann. Dagegen wirken die Be-träge der beiden ebenfalls beschuldigten Senatoren Juan Ponce Enrile und Jinggoy Estrada lächerlich ge-ring. Die Gelder wurden an fünf Schein-NGOs ver-teilt, die Geschäftsfrau Janet Napoles gründete und führte. Enge Verbindungen zwischen ihr und Sena-tor Revilla sind offensichtlich nachgewiesen. Die groß angelegten Betrügereien mit Geldern, die Se-nator_innen und Abgeordnete für Projekte in ihrem Wahlkreis zur Verfügung haben, beschäftigen die philippinische Innenpolitik seit letztem Sommer. In den vergangenen zehn Jahren sollen umgerechnet mehr als 1,7 Milliarden Euro in dunklen Kanälen verschwunden sein. Im September beteiligten sich rund hunderttausend Menschen an dem größten Protestmarsch seit der Amtsübernahme von Präsi-dent Benigno Aquino Ende August. Der "Marsch der Millionen" richtete sich gegen die Korruption von Volksvertretern.vgl. PDI 20.01.2014

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • 5 Nachrichten

    Philippinische Bischöfe: Keine Armenviertel abreißen

    Philippinische Bischöfe haben nach einem Besuch von Elendsvierteln bei Manila eine bessere Behand-lung der Armen gefordert. Die Praxis, arme Stadt-viertel abzureißen, sei "unmenschlich, unfair und unterdrückend", beklagten sie. Die Bischöfe fordern einen sofortigen Stopp der Zerstörung von Elends-vierteln und der Vertreibung der Armen. Das Ange-bot, Slums außerhalb der Stadt zu errichten, sei nicht vertretbar, da es dort für die Betroffenen kei-ne Arbeitsmöglichkeiten gebe.vgl. UCAN 25.09.2013

    Unter den Top 5 bei Journalistenmorden

    In die Liste der fünf gefährlichsten Länder für Jour-nalist_innen sind die Philippinen 2013 aufgerückt. Auf den Philippinen schießen immer öfter Bewaff-nete von Motorrädern aus Journalisten nieder, ohne Strafen fürchten zu müssen. 2013 wurden nach An-gaben von Reporter ohne Grenzen (ROG) weltweit 110 Berichterstatter bei ihrer Arbeit getötet. In ihrer Mitte Dezember vorgelegten Jahresbilanz beklagt die Journalistenorganisation zudem einen rasanten Anstieg an Entführungen.

    vgl. KNA 12.12.2013

    Video zeigt Kirchen-Einsturz

    Ein Amateurvideo dokumentiert den teilweisen Ein-sturz der ältesten Kirche der Philippinen während eines Erdbebens im Oktober. Die 16 Sekunden lange Szene zeigt, wie der Glockenturm der 1565 errichte-ten Basilika Santo Niño in Cebu City nach den Erd-stößen bis auf den Turmansatz herunterbricht. Das Erdbeben in der zentralphilippinischen Region der Visayas-Inseln hatte eine Stärke von 7,2 und gilt als das schwerste seit 23 Jahren. Die Zahl der Toten be-trug über 140. Die Basilika beherbergt eine Figur des Jesuskindes, des "Santo Niño", das von dem portu-giesischen Seefahrer und Weltumsegler Ferdinand Magellan (1480-1521) an das Herrscherehepaar der Insel Cebu geschenkt wurde. Es wird von philippini-schen Katholiken als Reliquie verehrt.vgl. KNA 16.10.2013

    Bischof dringend benötigt

    Trotz eines Friedensabkommens zwischen Manila und den mittlerweile zersplitterten Rebellengrup-pen ist es im September immer wieder zu gewaltsa-men Konfrontationen in Zamboanga im Süden von Mindanao gekommen. Die Befehlshaber der regulä-ren Streitkräfte sprachen davon, die 30 bis 40 noch verbliebenen MNLF-Rebellen "neutralisieren" zu wollen. Diese hielten in der sechstgrößten Stadt der Philippinen bis zu 100 Zivilist_innen als Geiseln fest. Es gab mehr als 60 Tote und zahlreiche Verletzte. Etwa 70.000 Menschen sind aus den besonders be-troffenen Stadtvierteln geflohen oder evakuiert worden. Die Vereinten Nationen warnten vor einer humanitären Katastrophe in der Region.In der Krisensituation bräuchte das Erzbistum Zam-boanga mit seinen etwa 580.000 Katholik_innen dringend einen Oberhirten. Erzbischof Romulo Geo-loina Valles (62) wurde im Februar 2012 die Leitung der Erzdiözese Davao übertragen. Seither lastet auf Zamboangas Diözesanadministrator, Prälat Crisolo-ge Manogas, die schwere Aufgabe, die Geschicke der Ortskirche zu managen. Er hofft auf die rasche Er-nennung eines Nachfolgers für Valles, der dann mit allen bischöflichen Vollmachten handeln kann.vgl. KNA 24.09.2013

    Massenauflauf mit dem „Schwarzen Nazare-ner“ soll vermarktet werden

    Während der Prozession zu Ehren des "Schwarzen Nazareners" in Manila mussten sich mehr als 2.500 Teilnehmer medizinisch behandeln lassen. Offizielle Schätzungen zur Zahl der Teilnehmer_innen gab es zunächst nicht. Kirchenvertreter rechneten mit ei-ner Million bei der Prozession selbst und bis zu zwölf Millionen Besuchern insgesamt. Der jährlich am 9. Januar stattfindende Bittgang mit einer als wundertätig verehrten Figur des kreuztragenden Christus aus dem 17. Jahrhundert gehört zu den größten religiösen Veranstaltungen weltweit. Jedes Jahr versuchen viele Gläubige, den "Schwarzen Na-zarener" zu berühren, weil sie sich davon eine Erhö-rung ihrer Gebete versprechen. Andere betrachten es als Bußübung, dem Gedränge standzuhalten. Die Tourismusbehörde will das Fest zu einem "interna-tionalen Wallfahrtsereignis" ausbauen. Es werde als "spiritueller Tourismus" in das Marketingkonzept integriert, sagte die Leiterin des Fremdenverkehrs-amtes Manila, Liz Villasenor. vgl. UCAN 09.01.2014

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • Aktuell 6

    Hilfe im Stechschritt

    Den Wiederaufbau nach dem verheerenden Supertaifun »Haiyan« koordiniert mit Panfilo Lac-son ausgerechnet ein ehemaliger Offizier und Polizeichef.

    von Rainer Werning

    Panfilo Lacson, 1948 in Imus in der Provinz Cavite geboren, heißt der Mann, auf den seit dem 10. De-zember 2013 landesweit alle Augen gerichtet sind. Seitdem hat Lacson, den seine Freunde kurz »Ping« nennen, einen neuen – diesmal höchst verantwortli-chen – Job. Am Nikolaustag hatte der philippinische Präsident Benigno S. Aquino III den 65-Jährigen qua Präsidialorder zu seinem Hauptberater für die Reha-bilitierung und den Wiederaufbau der durch den Su-pertaifun »Haiyan« zerstörten Regionen gemacht. Für die konservativen Kräfte in Gesellschaft und Po-litik ist »Ping« ein ebenso verlässlicher wie knall-harter Law-and-Order-Mann, der die Dinge schon effizient richten wird. Für die fortschrittlichen und linken Kräfte im Lande ist Lacson nachgerade ihr verkörpertes Antiideal. Bereits während der Mar-cos-Diktatur (1972–86) diente der an der Philippini-schen Militärakademie in Baguio City ausgebildete Lacson im seinerzeit gefürchteten Metropolitan Command (Metrocom) als Offizier mit dem Schwer-punkt nachrichtendienstliche Aufklärung und Si-cherheit. Zig Student_innen, die damals auf die Bar-rikaden gingen, wurden auf Anweisung eben dieses Offiziers festgenommen und weggesperrt. Weitere Stationen der Lacson-Karriere: Von 1999 bis 2001 war er Generaldirektor der Philippinischen Natio-nalpolizei, und seitdem saß er bis Ende Juni 2013 im Senat.

    Die Medien im Lande bezeichnen Lacson aufgrund seines neuen Aufgabenbereichs kurz als »Rehab Czar«, als »Zaren des Wiederaufbaus«, nachdem der weltweit stärkste jemals gemessene Taifun (lokal »Yolanda« genannt) am 8. November über die zen-trale Inselgruppe der Visayas hinwegfegte. Verwüs-tungen gigantischen Ausmaßes waren die Folge. Wenngleich es bis Mitte Dezember offiziell 6000 Tote und 1800 Vermisste gegeben haben soll, dürfte die Zahl der tatsächlich umgekommenen Menschen weitaus höher sein. Täglich werden neue Opfer aus den Trümmern eingestürzter Häuser geborgen und zeitweilig in Leichensäcken am Straßenrand aufbe-wahrt. Niemand weiß, wie viele Menschen einfach ins Meer geschwemmt oder als Fischerleute auf ho-

    her See getötet wurden. Der Nationale Katastro-phenrat und das Landwirtschaftsministerium bezif-ferten die vorläufige Schadenssumme Anfang De-zember 2013 auf mindestens 10,59 Milliarden Peso (zirka 176 Mio. Euro).

    Der »Zar des Wiederaufbaus« Lacson genießt weit-reichende Vollmachten. Als Hauptmanager und -ko-ordinator der Katastrophenhilfe kann er, gestützt auf die jederzeit abrufbare Hilfe der von ihm einge-setzten Expert_innen und sämtlicher Regierungsbe-hörden, darüber verfügen, welche Mittel in welcher Höhe für welche Zwecke prioritär verwendet wer-den. Das ist ein idealer Nährboden für Nepotismus und Klientelismus und verleitet dazu, zumal in der philippinischen Politik, zuvörderst eigene Seilschaf-ten zu bedienen. Unmittelbar nach seiner Ernen-nung feuerte die im Untergrund agierende Kommu-nistische Partei der Philippinen (CPP), deren Neue Volksarmee (NPA) seit Anfang 1969 einen erbitter-ten Guerillakampf gegen die Regierungstruppen führt, Breitseiten gegen »Aquinos wachsenden Mili-tarismus«. In einer Erklärung der CPP vom 5. De-zember 2013 hieß es: »Durch die Ernennung Lacsons und die ihm erteilte Vollmacht über die Verwen-dung von Sonderfonds in Höhe von mehr als 40 Mil-liarden Peso (913 Millionen US-Dollar) verfolgt das herrschende Aquino-Regime das Ziel, die Anstren-gungen des Wiederaufbaus den Interessen der mächtigen – insbesondere chinesischstämmigen – Kompradorenbourgeoisie unterzuordnen, zu der Lacson seit langem enge Beziehungen unterhält.« Und weiter: »Die Ernennung Lacsons offenbart zu-gleich Aquinos militaristische Gesinnung, in den jüngst vom Supertaifun verwüsteten Gebieten den Widerstand der dortigen Bevölkerung zu unter-drücken. Dies geschieht im Rahmen von ›Oplan Ba-yanihan‹ (des seit drei Jahren gültigen ›Operations-plans Nachbarschaftshilfe‹ im Rahmen der gegen die radikale Linke entfesselten ›Aufstandsbekämpfung‹ – R.W.) und in der gleichen Weise wie vor genau ei-nem Jahr, als während des damaligen Supertaifuns ›Pablo‹ (internationaler Name: ›Bopha‹, der Anfang Dezember 2012 vor allem Regionen in Zentralmind-

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • 7 Aktuell

    anao verwüstete – R.W.) die Menschen aus Wut ge-gen das Aquino-Regime protestierten, weil dieses auf kriminelle Weise den Betroffenen angemessene Hilfen verweigerte.«

    Auch diesmal waren Soldaten zuerst vor Ort, um ge-gen »Plünderer« vorzugehen, anstatt die von »Haiy-an« betroffenen Menschen schnellstmöglich mit dem zum Überleben Notwendigsten zu versorgen. In den vergangenen Jahren war es wenigstens Usus, während der Weihnachtszeit einen befristeten Waf-fenstillstand zu wahren. Stattdessen nutzten die in den Notstandsgebieten stationierten Streitkräfte der 8. und 3. Infanteriedivision die angespannte Lage verstärkt zu Offensiven gegen die NPA. Die

    nämlich unterhält vor allem auf der Insel Samar, auf die »Haiyan« mit geballter Wucht als erste traf, seit langem konsolidierte Basen, wo Rekruten ausgebil-det und höhere CPP-Kader geschult werden.

    Dr. Rainer Werning ist Politikwissenschaftler und Pu-blizist mit dem Schwerpunkt Südost- und Ostasien und befasst sich seit 1970 intensiv mit den Philippinen. Er ist u. a. Dozent an der Akademie für Internationale Zu-sammenarbeit (Bad Honnef), Lehrbeauftragter an der Universität Bonn und gemeinsam mit Niklas Reese Ko-Herausgeber des 2012 in der 4., akt. und erweit. Aufl. erschienenen Handbuch Philippinen – Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur (Berlin: Horlemann Verlag).

    „Die Menschen wollen darüber reden, was ihnen widerfahren ist“

    Im Interview mit ZDF-Reporter Uli Gack, der nach dem Tsunami live aus Tacloban berichtete.

    Die Fragen stellte Gabriele Hafner

    Haben Sie eigentlich immer alles dabei, was Sie und Ihr Team im Einsatz brauchen? Man will den Leuten ja nicht das Wasser wegtrinken, die knappen Ressourcen verbrauchen?

    Durch die Afghanistan-Berichterstattung haben wir viel Erfahrung gesammelt darüber, wie man von Or-ten berichtet, an denen keinerlei Infrastruktur vor-handen ist. Nur so haben wir die Möglichkeit, direkt aus der Katastrophe zu berichten und nicht aus ei-nem 5-Sterne-Resort, wo wir nur beschreiben, was vielleicht 500 Kilometer weiter weg passiert.

    Wir haben in Manila zwei Minibusse gemietet, ein Notstromaggregat organisiert und Sprit besorgt. Unterwegs haben wir 500 Liter Trinkwasser einge-kauft. Wir haben im Prinzip unsere eigene Infra-struktur aufgebaut. Wir hatten alles dabei, um über zehn Tage hinweg autark überleben und arbeiten zu können. So eine halbe Tonne Wasser ist ein Haufen Zeug, aber das nehmen wir eben mit, weil wir mit den Leuten teilen. Wenn wir drehen und dann ste-hen die Leute da und sind halb verdurstet, da muss man einfach teilen. Aus humanitären Gründen, aber auch bevor die dieses Auto über den Haufen rennen und sich einfach bedienen, ist es besser man teilt.

    Wie bereiten Sie sich mental auf so einen Einsatz vor?

    Dieser Philippinen-Einsatz ist ein bisschen schnell gekommen. Wir haben uns nachmittags um vier entschieden hinzufliegen, und abends um acht sa-ßen wir schon im Flugzeug. Ich habe schnell re-cherchiert, was ich zusammenkriegte, aber viel Zeit war da nicht. Bei solch großen Naturkatastrophen, ist die Struktur immer ein Stück weit vergleichbar. Aber es gibt natürlich auch die landestypischen Ge-gebenheiten und in die versuchen wir uns so schnell wie möglich reinzuarbeiten. Das geht schon.

    Sie waren sehr schnell in der Spur und haben von Aspekte berichtet, die man vorher nicht er-fahren hat. Wie finden Sie diese Geschichten?

    In so einem Ausnahmezustand haben die Leute oft von sich aus das Bedürfnis zu erzählen. Sie wollen reden. Da erzählt einem beispielsweise jemand, dass da vorne ein Mann lebt, der seine ganze Familie ver-loren aber ein anderes Kind aufgenommen hat. Dann fragen wir natürlich, ob wir mit diesem Mann reden können. Und dann waren schon dort und ha-ben das gedreht.

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • Aktuell 8

    Wir mussten sehr viele Live-Schaltungen machen aus Tacloban für alle Nachrichten im Sender. Und in der Stunde zwischen zwei Lives haben wir uns um-gesehen. In einem Stadtviertel am Hafen, wo alles total kaputt war, sind zwei kleine Buben rumgelau-fen, vielleicht acht Jahre alt. Die beiden haben im-mer den gleichen Bereich abgesucht. Daraufhin sind wir zu ihnen und haben sie gefragt: „Was macht ihr denn da? Dürfen wir mit euch reden?“ Sie haben uns zuerst erzählt, sie suchten irgendwie was, was übrig geblieben ist. Später haben sie gesagt, sie suchen ihre Verwandten, um sie zu bestatten. Man muss den Menschen einfach zuhören und bereit sein, Zeit zu investieren. Dann findet man diese Geschichten, die zeigen, was so eine Katastrophe für die Leute be-deutet, wie hart sie das trifft.

    Die Menschen kooperieren also gerne mit aus-ländischen Journalisten?

    Wir hatten uns in einen Pavillon eingemietet, der mal eine Schule war. Das Dach war weggeflogen. Wir haben praktisch 24 Stunden gearbeitet, weil der Ge-sprächsbedarf so hoch war. Einmal bin ich nachts raus, um frische Luft zu schnappen. Eine alte Frau, vielleicht so siebzig Jahre alt, ist dort immer ums Haus rumgelaufen und das fragte ich sie, was sie denn da mache, so mitten in der Nacht. Sie antwor-tete, sie passe auf, dass uns nichts geklaut würde, und ihre beiden Schwestern, die passten auch auf. Sie wollten, dass wir berichten, was ihnen passiert ist. Das findet man oft, dass die Menschen ein Inter-esse haben, dass man ihr Schicksal zeigt.

    Das ist ja ein großer Vertrauensvorschuss, den Sie da bekommen.

    Ich versuche schon, vorsichtig zu sein, dass man nicht in diesen Gucklochjournalismus reinkommt. Man muss darauf achten, dass man den Leuten die Würde in dieser Katastrophe lässt – dass man sehr, sehr vorsichtig, schon fast sanft mit den Leuten um-geht. Aber zunächst ist das Interesse der Betroffe-nen da zu erzählen, was die Katastrophe für sie be-deutet, wie es ihnen mitgespielt hat. Und wer nicht reden will, den muss man einfach in Ruhe lassen.

    In der Rückschau, wie haben Sie Filipin@s erlebt in dieser Ausnahmesituation? Es wird ihnen ja nachgesagt, dass sie sehr freudige Menschen sind, eigentlich immer lächeln.

    Also das Lächeln war nicht mehr da. Wir sind am dritten Tag nach dem Sturm angekommen. Mir ist aufgefallen, dass die Leute wie ferngesteuert durch die Gegend liefen. Sie haben sich Tücher vor den Mund gehalten, weil überall die Toten lagen. Es hat bestialisch gestunken. Bei dieser totalen Zerstörung, wenn eben nichts mehr da ist, da war von Gelassen-heit erst einmal keine Rede. Die Leute sind tagelang rumgestanden, man konnte sich ja nirgends hinset-zen – alles war voller Unrat. Da lag ja meterhoch der Schutt. So ab dem sechsten Tag nach der Katastro-phe wich die Lethargie. Die Leute fingen an, die Nä-gel aus den Brettern zu ziehen und sich wieder ein Dach überm Kopf zusammenzubauen.

    Mir ist aufgefallen, dass die Leute versucht haben, überall Kleider zu retten und zu waschen, damit sie nach außen wenigstens einen ordentlichen Ein-druck machten. Sie hatten nur das, was sie am Kör-per trugen und das haben sie versucht in irgendwel-chen Dreckpfützen zu waschen.

    Würden Sie bestätigen, dass der Taifun eine bis-her ungekannte Zerstörung gebracht hat?

    In dieser Dimension, in dieser Wucht, habe ich das noch nicht erlebt. Es war anders als der Tsunami auf Sri Lanka, der vor allem in der Küstengegend gewü-tet hatte. Aber bei diesem Tropensturm war es so, dass er eine Welle angespült hat, die an der Küste al-les zerstört hat und dann ist er mit enormen Wind-geschwindigkeiten weitergezogen, als wäre ein gi-gantischer Hobel übers Land gefahren und hätte al-les niedergefräst.

    Danke für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen, dass sie über solch schlimme Ereignisse in diesem Jahr nicht berichten müssen.

    Naja, das ist unser Geschäft. Wir müssen berichten und mein persönliches Erlebnis ist immer, wenn wir die Leute in Deutschland erreichen und sehen, es wird gespendet und die Hilfe kommt bei den Leuten an. Dann sieht man, man hat etwas erreicht.

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • 9 Aktuell

    Im Trümmerfeld von Guiuan

    von Elmar Noé

    Nach 10 Stunden Autofahrt erreichen wir kurz vor dem Dunkelwerden die Stadt Guiuanauf der Insel Sa-mar. Auf dem Weg dorthin sehen wir, welche Zerstö-rungskraft der Taifun Haiyan hatte, der auf den Philip-pinen Yolanda genannt wird: Ganze Dörfer sind zer-stört, Palmenwälder existieren nicht mehr, Straßen wurden von der Sturmflut weggespült. Wir sehen, wie Menschen versuchen, sich in den Trümmern irgend-wie vor dem Starkregen zu schützen, der heute fast den ganzen Tag heruntergegangen ist.

    Die Häuser sind nur noch Trümmer und man blickt über ein unüberschaubares Chaos aus Steinen, Hausrat, Autos, Baumresten Bildquelle: Elmar Noé / MISEREOR

    Man meint, dass es nicht schlimmer werden kann – und dann kommt man in die Stadt an der Südspitze der Insel Samar, die als erste auf den Philippinen die Wucht von Yolanda abbekommen hat: Guiuan .Das Bild ist unvorstellbar: Die Häuser sind nur noch Trümmer und man blickt über ein unüberschaubares Chaos aus Steinen, Hausrat, Autos, Baumresten und Teilen von Strommasten. Dazwischen Menschen, die versuchen, sich in den Trümmern zurechtzufinden und provisori-sche Hütten zu errichten.

    Erschien es uns auf den Dörfern noch möglich, wieder etwas aufbauen zu können, hat man hier den Ein-druck, dass man nur noch alles abtragen kann, um eine neue Stadt errichten zu können. Immer wieder sehen wir auf unserem Weg Busse mit Menschen, die aus der Katastrophenregion fliehen. Sie versuchen bei

    Verwandten in anderen Landesteilen unterzukommen oder dürfen darauf hoffen, bei Gastfamilien aufgenom-men zu werden, wie uns Bischof Baylon von Legazpi in der Region Bicol geschildert hat. Dort bereitet sich die Diözese darauf vor, zunächst 50 Familien, aber letzt-endlich dann doch wahrscheinlich viele mehr aus den vom Taifun betroffenen Gebieten aufzunehmen. Man möchte darauf verzichten, die entwurzelten Familien in Evakuierungszentren unterzubringen, sondern ver-sucht, durch die Unterbringung bei Gastfamilien etwas zur Traumabewältigung beizutragen.

    Im Trümmerfeld von Guiuan stehen zwar noch einzel-ne Häuser, von denen einige noch bewohnbar sind, dennoch sind auch sie stark beschädigt. Ein Lichtblick ist unter anderem das ehemalige Krankenhaus, wel-ches nun von einer Hilfsorganisation wieder in Betrieb genommen wurde.

    Wir sind im Konvent des Holy Rosary Parish unterge-kommen. Wie durch ein Wunder ist neben der völlig zerstörten Kirche ein Teil des Wohngebäudes der Priester zumindest teilweise intakt geblieben: Im ers-ten Stock des Hauses hat ein größerer Raum ein noch unbeschädigtes Dach. Im Erdgeschoss steht zwar Was-ser und im Raum nebenan fehlt das Dach und die Dachbalken sind in den Raum gestürzt, aber wir dür-fen mit den Bewohnern im Trockenen schlafen, wofür wir sehr dankbar sind.

    Draußen regnet es indes weiter. Ab und an wird Sprühregen durch das zerbrochene Fenster hereinge-weht. Aber wie mag es den vielen gehen, die auch die-se Nacht kein festes Dach und oft nicht einmal eine dichte Plane über dem Kopf haben?

    Dieser Beitrag wurde am 22.11.2013 erstmals als Blog-beitrag auf www.misereor.de veröffentlicht.

    Elmar Noé ist Sozialwissenschaftler und seit 17 Jahren als Projektreferent in der Humanitären Hilfe und Ent-wicklungszusammenarbeit tätig. Seit 2002 arbeitet er als Länderreferent beim bischöflichen Hilfswerk MISE-REOR in Aachen und ist dort seit nunmehr 5 Jahren für die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in den Philippinen zuständig.

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • Aktuell 10

    Mitten im Geschehen der Katastrophe

    von Andreas Schmitz

    Ende letzten Jahres war ich für einen fünfwöchigen Katastrophenhilfeeinsatz in Tacloban und Nord-Cebu. Als Projektmanager bei hoffnungszeichen e.V. bin ich auf solche Katastrophen theoretisch vorbereitet, aber neben meinen bisherigen Projektreisen war dies doch eine neue Erfahrung für mich. Ich möchte betonen, dass die Arbeit nur mit unserem verlässlichen Projekt-partner, der United Church of Christ in the Philippines (UCCP), vor Ort möglich war. In der ersten Phase stand die Verteilung von Nahrungsmitteln und Wasser im Vordergrund. Eindrücklich war für mich der Hilfskon-voi, eine Woche nach der Katastrophe, der von der UCCP von Maasin City (in Süd-Leyte) nach Tacloban organisiert wurde. Ich fühlte mich schon etwas mul-mig, da wir mit einer Militäreskorte in Tacloban ein-fuhren, um dort Nahrungsmittelpakete und Trinkwas-ser an 150 Familien zu verteilen. Bischöfin Dulce Pia Rose von der UCCP berichtete schockiert von dem ers-ten Tag nach der Katastrophe: „Als wir im Bethany Hospital ankamen, gab es nirgends Strom. Ich konnte nichts sehen und nachdem wir das Krankenhaus betra-ten, merkte ich unter meinen Füßen die vielen Lei-chen, die überall auf dem Boden lagen.“ Mir fiel auf, wie gefasst sie wirkte, als sie mir davon berichtete. Ne-ben den Hilfsmaßnahmen war das Zuhören einfach das Wichtigste in diesen Momenten, denn die Leute waren von diesem schlimmen Ereignis traumatisiert.

    Die zweite Phase ist nun die Wiederaufbauphase, die ich während meines Einsatz mit begleitet und koordi-niert habe. Dafür fand ein „Assessment“ (eine Art Be-fragung, um Daten zu erheben, inwiefern gewisse Ort-schaften betroffen waren) vor allem im Norden der In-sel Cebu statt. Als kleine Organisation war es uns wich-tig, gezielt in einem kleinen Dorf zu helfen, wo unsere Hilfsmaßnahmen effektiv wirken. Zusätzlich sprachen wir uns mit anderen Hilfsorganisationen im Rahmen von so genannten Cluster Meetings ab, um Hilfsmaß-nahmen besser zu koordinieren. In dem 500 Einwoh-ner zählenden Dorf Anapog (San Remigio) waren fast 80 Prozent der Häuser komplett zerstört. Es gab auch keine Einnahmequelle mehr für die vielen Fischer im Dorf, da der Taifun ihre Boote zerstört hatte. Bei mei-ner Ankunft in Anapog lagen die Trümmerteile der ka-putten Häuser verstreut herum, Kokosnusspalmen wa-ren wie Grashalme umgeknickt. Michael Lendio, ein Mitbewohner von Anapog berichtete folgendes von den Auswirkungen des Taifuns: „Als der Taifun kam, versteckten wir uns in unseren Häusern, aber die Dä-

    cher wurde vom Wind einfach weggefegt. Viele Häuser stürzten einfach ein, da sie dem Taifun nicht stand-hielten.“ Die Leute selbst haben mich beeindruckt, in-dem sie mit ihrer bayanihan-Einstellung (Nachbar-schaftshilfe) schon einmal angefangen hatten Listen zu erstellen und genau darlegen konnten, wer wie

    Andreas Schmitz Quelle: hoffnungszeichen e.V.

    stark im Dorf betroffen war. Zwischenzeitlich sind 46 Häuser errichtet worden, was ein großer Verdienst der Filipin@s selbst ist. Sie haben sich beim Wiederaufbau aktiv miteingebracht! Im Nachhinein waren das prä-gende Erlebnisse für mich und als Halb-Filipino auch eine Herzensangelegenheit meinen kababayans (Lands-leuten) zur Seite zur stehen. Für diese Erfahrung bin ich sehr dankbar.

    Andreas Schmitz ist Projektmanager im Referat Inter-nationale Hilfe & Zusammenarbeit bei hoffnungszei-chen e.V. (www.hoffnungszeichen.de).

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • 11 Aktuell

    Haiyans Verwüstung – eine zusätzliche Last für Filipin@s in der Diaspora

    von Jack Catarata

    Am 8. November 13 verwüstete Taifun Haiyan eine Gruppe von Inseln der Region Visayas auf den Philip-pinen. Der Supertaifun, der als einer der stärksten tro-pischen Wirbelstürme der Geschichte gilt, verursachte große Schäden und eine hohe Zahl direkter Opfer: 6033 Menschen starben, 1479 Personen gelten noch immer als vermisst, mehr als 4 Millionen Menschen sind obdachlos geworden. Der Taifun traf ein Gebiet von derselben Größe wie Bayern und das Saarland zu-sammen. Etwa 14 Millionen Menschen verloren ihre Existenzgrundlage.

    Laut der philippinischen Regierung wird der Wieder-aufbau rund 2,1 Milliarden Euro kosten. Eine Summe, die das hochverschuldete Land nicht hat und daher für den Wiederaufbau auf Hilfe vom Ausland angewiesen ist. Obwohl die Hilfsbereitschaft der internationalen Gemeinschaft sehr hoch ist, wird ein großer Teil der Kosten für den Wiederaufbau von einer Gruppe allein getragen, nämlich den Filipin@s im Ausland. Schon zu normalen Zeiten schicken die 10 Millionen starken in Übersee lebenden Filipin@s (genannt overseas fili-pin@ workers – OFW) Geld zu ihren daheim gebliebe-nen Familien, welches etwa mehr als 10% des Bruttoin-landsproduktes des Landes ausmacht. Im Jahr 2013 al-lein waren es 5,6 Milliarden US-Dollar. Erfahrungsge-mäß steigen diese Geldüberweisungen nach jeder Na-

    turkatastrophe auf den Philippinen.

    Wie jetzt bei Haiyan schicken die Filipin@s in Zeiten von Katastrophen extra Geld nach Hause, das sie durch verschiedene Benefizveranstaltungen sammeln. Ein paar Tage nach dem die verheerenden Ausmaße der Zerstörung durch Haiyan auf den Philippinen bekannt wurden, mobilisierten Filipin@s weltweit Hilfe für die Opfer.

    In Deutschland haben verschiedene deutsch-philippi-nische Vereine und private Personen Spendenaktio-nen veranstaltet. Obwohl es schwierig ist, einen Über-blick darüber zu behalten, wie viele Spenden gesam-melt wurden, ist anzunehmen, dass es sich um mehre-re Tausend Euro handelt. Ein Verein allein – der Bon-ner PhilNetz e.V.- sammelte etwa 20000 Euro für den Wiederaufbau der vom Haiyan betroffenen Gebiete.

    Dieses Engagement der Filipin@s im Ausland ist für das Heimatland eine Selbstverständlichkeit. Es bleibt aber zu wünschen, dass der philippinische Staat auch für ihre im Ausland lebenden Bürger_innen Gegenleis-tung leistet.

    Jack Catarata ist Politologe und erster Vorsitzender des Philippinischen Diaspora Netzwerks für Integration und Entwicklungszusammenarbeit (PhilNetz e.V.).

    Hinfliegen und helfen? Oder zu Hause bleiben und spenden?

    Philippinische Kampagne für Voluntourismus wirft Fragen über Freiwilligenarbeit in Katastrophengebieten auf

    von Frank Seidel, www.wegweiser-freiwilligenarbeit.com

    Zum ersten Mal weltweit bittet eine von einer Natur-katastrophe betroffene Region ausdrücklich Touristen, die lokale Bevölkerung als sogenannte „Voluntouris-ten“ beim Wiederaufbau zu unterstützen. Mit Rückhalt der Provinzregierung wirbt derzeit das Fremdenver-kehrsbüro der philippinischen Provinz Capiz (Insel Panay, Visayas) mit der Kampagne “Tindog Capiz!” (übersetzt “Steh auf, Capiz!”) für einen Besuch des

    Landes trotz oder gerade wegen der Sturmschäden des Taifuns Haiyan. Hinfahren und helfen also? Oder doch lieber zu Hause bleiben und spenden? Die philippini-sche Initiative wirft eine ganze Reihe von Fragen zu freiwilligem Engagement in Katastrophen-Gebieten auf – und sollte nicht mit flexibler Freiwilligenarbeit gleichgesetzt werden.

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

    http://www.wegweiser-freiwilligenarbeit.com/

  • Aktuell 12

    Welche Art des freiwilligen Engagements bietet die Tindog Capiz!-Voluntourismus-Kampagne?

    Es ist ein Phänomen, das alle Freiwilligen-Organisatio-nen mittlerweile kennen: nur wenige Tage, nachdem am 8. November 2013 der Taifun Haiyan auf den Phil-ippinen schwerste Zerstörungen angerichtet hatte, häuften sich bei Ihnen die Anfragen mitfühlender Bür-gerinnen und Bürger: “Ich möchte gerne vor Ort Vol-unteer werden. Wie stelle ich das an?” Die außerge-wöhnliche Antwort des Capiz Provincial Tourism und Cultural Affairs Office auf seiner Facebook-Seite: “War-ten Sie nicht, kommen Sie zu uns und helfen Sie uns als Voluntourist, u.a. beim Pflanzen von Bäumen und Mangroven, Bauen von Schulen, kultureller Freizeitge-staltung für Kinder, Strand-Säuberungen oder Auf-räumarbeiten.“

    Laut Alphonsus Tesoro, Direktor des Fremdenver-kehrsbüros, sollen die Teilnehmer vor allem an Orten touristischer Infrastruktur zum Einsatz kommen, einer Anlegestelle für Bootsausflüge etwa, oder in deren Umgebung. Es gibt keine Mindestteilnahmedauer und die freiwillige Arbeit kann je nach Interesse und Moti-vation auf wenige Stunden pro Tag beschränkt wer-den. Das Fremdenverkehrsbüro übernimmt die Koor-dination und stellt den Voluntouristen lokale Begleiter zur Seite. 18 Partner-Hotels stellen vergünstigte Tarife für die Unterbringung in Aussicht. So jedenfalls die Planung!

    Warum diese Voluntourismus-Kampagne?

    Die Provinz Capiz ist damit die erste Region weltweit, die nach einer Naturkatastrophe aktiv um Voluntou-risten wirbt … und schwimmt damit gegen den Strom. Denn wenn es um freiwillige Hilfe in Katastrophenge-bieten geht, lautet normalerweise die pauschale Stan-dard-Antwort: “Überlassen Sie die akute Katastro-phenhilfe und den Wiederaufbau den Spezialisten. Un-terstützen Sie lieber deren Arbeit durch Spenden.”

    Scott Burke, Gründer der amerikanischen Freiwilligen-Entsendeorganistion Cosmic Volunteers, bittet z. B. die Leser seines Blogs: “Please stay home.” Schauplätze schwerer Naturkatastrophen seien genau die Art von Freiwilligenarbeit, die man lieber den Profis überlasse. Die meisten Personen hätten weder die Fähigkeiten noch die angemessene psychologische Stabilität, um in solchen Notlagen Hilfe leisten zu können. Die schwei-zer Dachorganisation Intermundo hat erst im Sommer ein kritisches Positionspapier verabschiedet mit dem Titel “Voluntourismus – Die gute Absicht allein reicht nicht.“

    “Wir wollen die Krise als Chance begreifen und den Touristen die Gelegenheit geben, ihren Besuch bei uns nicht nur angenehm sondern auch bedeutungsvoll zu machen.”

    Für die Philippinen geht es jedoch um zahlreiche Ar-beitsplätze. Der Tourismus machte zuletzt nach offizi-eller Aussage acht Prozent des philippinischen Brutto-inlandsprodukts aus und bot 2,9 Mio. Personen eine Arbeit. Wenn die Touristen durch die Katastrophen-Berichterstattung der Inselgruppe fernbleiben, könnt dies dazu beitragen, dass das Wirtschaftswachstum im Jahr 2014 um ein Prozent geringer als erwartet aus-fällt, fürchtet der philippinische Finanzminister.

    Tesoro macht keinen Hehl daraus, dass es darum geht, den Tourismus nach dem Taifun wieder anzukurbeln. “Wir wollen die Krise als Chance begreifen und den Touristen die Gelegenheit geben, ihren Besuch bei uns nicht nur angenehm sondern auch bedeutungsvoll zu machen.” Dass dies für die Region ein Novum ist und nicht alles beim ersten Mal klappen wird, gibt er zu.

    So hat die Kampagne ihren Sprachgebrauch seit dem offiziellen Start Anfang Dezember bereits geändert. Während in den Dokumenten der Anfangsphase noch in auffallender Weise betont wird, wie die freiwillige Arbeit dem Aufenthalt einen “wirklichen Sinn” geben könne, weist jetzt eine E-Mail-Antwort auf eine Anfra-ge explizit darauf hin: “Sie werden hier in erster Linie ein Tourist sein, und der Grund Ihres Besuchs sollte in erster Linie die Erholung sein.” Potenzielle Teilnehmer sollten deshalb wohl in punkto Sinnhaftigkeit und Ar-beitsauslastung nicht zu viel erwarten.

    Sollte man Voluntourismus und flexible Freiwilligen-arbeit gleichsetzen?

    Die Schwammigkeit des Begriffs “Voluntourismus” macht die Einordnung der Tindog Capiz!-Kampagne besonders schwierig. Entstanden aus dem englischen Volunteering, für ehrenamtliches Engagement, und Tourismus beschreibt er eine Kombination von Frei-willigeneinsatz und Reise. Eine allgemein anerkannte Definition fehlt jedoch derzeit noch. Ähnliches gilt für den Begriff “flexible Freiwilligenarbeit”. Wir glauben, dass es notwendig ist, je nach zeitlichem Anteil des freiwilligen Engagements unterschiedliche Ausdrücke zu benutzen.

    Bei Tindog Capiz! liegt der Schwerpunkt allem An-schein nach auf dem Tourismus-Aspekt. Ein Erho-lungsurlaub wird dort mit ein paar Stunden Freiwilli-geneinsatz ergänzt. Wenn der Urlaub generell nach den Prinzipien des nachhaltigen Tourismus konzipiert ist, kann das durchaus ein interessanter Ansatz sein. Voluntourismus scheint uns hier als Beschreibung durchaus angemessen. Im Rahmen dieses Artikels war

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • 13 Aktuell

    es uns nicht möglich, den Tourismus in der Region Ca-piz auf seine Nachhaltigkeit zu überprüfen. Wahr-scheinlich gibt es dort sowohl Licht als auch Schatten.

    Bei flexibler Freiwilligenarbeit handelt es sich um Pro-gramme, bei denen das freiwillige Engagement im Vordergrund steht, häufig so gut wie Vollzeit im Rah-men einer Arbeitswoche. Die Motivation der Teilneh-mer lässt sich hier kaum mit dem Begriff Tourismus beschreiben. Unserer Einschätzung nach fällt die phil-ippinische Initiative nicht in diese Kategorie.

    Wann ist es wieder politisch korrekt ein Katastro-phengebiet zu bereisen oder dort “normale” Freiwil-ligenarbeit zu verrichten?

    Und auch in anderer Hinsicht spielen Definitionen eine Rolle bei der Betrachtung der Initiative. Wie defi-niert man eigentlich in diesem Zusammenhang “Kata-strophengebiet”? Oder: Wann darf ich mich, moralisch gesehen, wieder in einer angeschlagenen Region guten Gewissens erholen?

    Für die letztere Frage gibt es wohl keine universelle Antwort. Stattdessen geht es auch um das persönliche Bauchgefühl. Dem potenziellen Unwohlsein, sich Ur-laubsaktivitäten hinzugeben, während nur wenige Me-ter weiter die Bevölkerung mit dem Wiederaufbau be-schäftigt ist, steht die Möglichkeit gegenüber, durch nachhaltigen Tourismus der Wirtschaft des Landes beim Durchstarten zu helfen und so vielen Menschen eine Lebensgrundlage zu geben.

    Schon am 18. November (also nur zehn Tage nach dem Taifun Haiyan) vermeldete die staatliche philippini-sche Tourismusbehörde, viele Regionen des Landes seien nach wie vor “open for business” und versicher-te “die Philippinen bleiben ein sicheres und unterhalt-sames Reiseziel“. Auch in Capiz versicherte man uns bereits Anfang Dezember, dass die Stromversorgung und die Straßeninfrastruktur wieder weitgehend funk-tionsfähig seien. Das wirtschaftliche Interesse an einer beschwichtigenden Berichterstattung liegt natürlich auf der Hand.

    Gleichzeitig ist es nicht schwer sich vorzustellen, dass es von den am schlimmsten betroffenen Regionen aus-gehend auch Gebiete gibt, die graduell weniger zer-stört wurden und wo deshalb das “normale” Leben und “normale” Freiwilligenarbeit wieder schneller möglich werden.

    Wie kann ich einschätzen, ob ein Freiwilligen-Pro-jekt in der betroffenen Region für mich als Normal-bürger_in sinnvoll ist?

    Stellen wir zunächst klar, dass Einsätze in der akuten

    Katastrophenhilfe – also während der ersten Tage und Wochen nach einer Katastrophe, wenn es darum geht Leben zu retten und das Überleben zu sichern – unein-geschränkt ausgebildeten Spezialisten vorbehalten bleiben müssen. Wer in dieser Phase und in den am stärksten betroffenen Gebieten helfen will, sollte am besten für die Arbeit eben jener Spezialisten spenden.

    Je weiter ein Einsatzort vom Kern des Katastrophenge-bietes entfernt liegt und je mehr sich der Kreislauf der Katastrophenhilfe in Richtung Wiederaufbau und Re-habilitation oder gar Katastrophenvorbeugung be-wegt, umso eher kann man auch im Rahmen flexibler Freiwilligenarbeit seinen Beitrag leisten. Dabei ist es wichtig, sich genau zu informieren. In keinem Fall soll-te man sich unnötigen Gefahren oder psychologischen Belastungen aussetzen.

    Darüber hinaus gilt es, das Freiwilligen-Projekt mit denselben Kriterien zu hinterfragen, die auch für alle anderen Formen der Freiwilligenarbeit gelten:

    – Wird das Projekt von der lokalen Bevölkerung mit-getragen?

    – Sind meine Aufgaben im Vorhinein klar definiert?– Sind die Aufgaben meiner Qualifikation angemes-

    sen?– Nehme ich lokalen Arbeitskräften die Arbeit weg?

    Und in diesem Zusammenhang auch: Behindere ich durch meine Anwesenheit den Wiederaufbau?

    – Welche Betreuung bekomme ich vor Ort von der Freiwilligen-Organisation?

    – Wie erfahren ist die Entsendeorganisation im Um-gang mit Freiwilligen?

    Viele dieser Fragen bleiben bei der Tindog Capiz!-Kam-pagne leider offen. Auf Anfragen bekamen wir nur recht allgemeine Absichtserklärungen und die Fotos, die auf der Facebook-Seite online gestellt werden, las-sen leider nicht auf einen durchdachten Ansatz schlie-ßen. Zwar haben die Verantwortlichen einer ganzen Reihe etablierter Freiwilligen-Organisationen eine Ko-operation angeboten, bislang aber ohne Erfolg.

    Dieser Artikel erschien erstmalig am 16. Januar 2014 auf dem Portal für Freiwilligenarbeit im Ausland www.-wegweiser-freiwilligenarbeit.com. Danke an Scott P. Burke von Cosmic Volunteers und Guido Frey von In-termundo für die konstruktiven Gespräche, die unsere Recherchen bedeutend voran gebracht haben.

    Frank Seidel ist der Gründer von www.wegweiser-frei-willigenarbeit.com, einem unabhängigen Portal für Frei-willigenarbeit im Ausland. Seit er 1991 selbst ein Prakti-kum in einem Naturschutzgebiet in Südfrankreich machte, beschäftigt er sich mit freiwilligem Engagement weit ab der Heimat, in der Vergangenheit auch als Au-tor des Buches "Jobben für Natur und Umwelt".

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • Solidaritätsarbeit 14

    Wege zu Frieden und Versöhnung

    Die 29. Ökumenische Philippinenkonferenz beschäftigte sich in diesem Jahr mit dem zivilgesell-schaftliches Engagement im Friedensprozess auf Mindanao

    von Jörg Schwieger

    Quelle: Leah Einzel

    Vom 25. bis 27. Oktober 2013 fand im Haus der Begeg-nung der Evangelischen Kirche im Rheinland in Bonn-Bad Godesberg die 29. Ökumenische Philippinenkonfe-renz statt. Rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus kirchlichen Partnerschaftsgruppen, Solidaritäts-gruppen, Migrantenorganisationen, entwicklungspoli-tischen Hilfswerken der Kirchen, kirchlichen Missions-werken und Ordensgemeinschaften befassten sich mit dem Thema „Wege zu Frieden und Versöhnung - Zivil-gesellschaftliches Engagement im Friedensprozess auf Mindanao“.

    Mit einem Überblick über die mehr als hundertjährige Geschichte des immer noch andauernden gewaltsa-men Konflikts zwischen den muslimischen Gebieten in Mindanao und der philippinischen Regierung1 und der Bemühungen verschiedener Akteure um Konfliktlö-sung – sei es durch Waffengewalt oder durch Verhand-lungen und Verträge (z.B. Tripoli Agreement von 1974) – führte der Philippinenexperte und Publizist Dr. Rai-ner Werning in die vielschichtige Problematik wider-strebender wirtschaftlicher Interessen, ethnischer Un-terschiede und religiöser Gegensätze ein.

    Es folgte durch die Friedens- und Entwicklungsexper-tin Frau Kirleis eine Darstellung der Möglichkeiten und unterschiedlichen Ansätze und Ebenen ziviler Konfliktbearbeitung und Lösung von Interessenkon-

    1 Zunächst die Kolonialregierung der USA, nach dem Zwei-ten Weltkrieg dann die unabhängige Zentralregierung der Philippinischen Republik in Manila.

    flikten, wie sie theoretisch und praktisch durch Frie-densforschung sowie in der Entwicklungszusammen-arbeit nicht notwendig in Mindanao, sondern andern-orts – z.B. in Nordostindien – erarbeitet und versucht wurden bzw. werden.

    Über den aktuellen Stand des Friedensprozesses zwi-schen der Moro Islamic Liberation Front und der phil-ippinischen Regierung unter internationaler Beteili-gung – vor allem durch Malaysia – sowie die zahlrei-chen Initiativen der Begleitung dieses Prozesses aus der Zivilgesellschaft in Mindanao berichtete die Direk-torin des Mindanao Peoples Caucus (MPC), Frau Arna-do. MPC vereinigt hunderte von zivilgesellschaftlichen Organisationen der Muslime, der Lumad (indigene Be-wohner_innen Mindanaos) und der christlichen Bevöl-kerung auf der südlichen Hauptinsel der Philippinen. MPC begleitet aus den Reihen der Zivilgesellschaft das im Oktober 2012 geschlossene Abkommen mit einer „Roadmap“ zur friedlichen Lösung des Konflikts zwi-schen der philippinischen Zentralregierung und der Moro Islamic Liberation Front, in das viele Beteiligte Hoffnungen setzen. Inzwischen hat es jedoch auch ei-nige Rückschläge und Störungen des Prozesses gege-ben. Umso wichtiger ist es, so Frau Arnado, dass sich die Zivilgesellschaft nicht entmutigen lässt, sich in den Prozess einbringt und weiterhin Menschen zusam-menbringt, um Dialog und Toleranz zu befördern. Nur so könne langfristig eine nachhaltige Grundlage für Versöhnung und Gerechtigkeit geschaffen und auch den marginalisierten Gruppen in diesem Konflikt eine Stimme gegeben und eine neue Perspektive aufgezeigt werden, bei der den indigenen Gruppen der Lumad Ge-hör verschafft und auch die ‚Gender Dimension‘ des Konflikts reflektiert und beachtet wird. Die Referentin aus Mindanao unterstrich, dass Frieden dauerhafter und beständiger wird, wenn die Bevölkerung und ihre zivilgesellschaftlichen Gruppen in allen Phasen der Konfliktbewältigung einbezogen werden, und hob her-vor, wie unentbehrlich Freunde und Unterstützer_in-nen weltweit - und auch in Deutschland - sind, die den Konflikt nicht nur verstehen, sondern sich auch aktiv in der Advocacy Arbeit zur Verabschiedung eines Frie-densabkommens einsetzen.

    Die vielschichtigen Aspekte der konstruktiven Ein-flussnahme auf den Prozess wurden im weiteren Ver-

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • 15 Kirche

    lauf der Konferenz in vier Arbeitsgruppen illustriert und vertieft, und zwar in Bezug auf:

    Die Unterstützung und Zusammenarbeit zwischen Mindanao Peoples Causus und Misereor als deutschem Hilfswerk, dargestellt durch Frau Arnado und Herrn Noé. Die Integration von Friedensarbeit in die Lehrer_innen-Ausbildung als Projektförderung des Fo-rum Ziviler Friedensdienst, vorgestellt von Herrn Reu-ter. Die Stärkung von Solidarität und Verhandlungs-macht von Indigenen auf Mindanao als Projektförde-rung von Brot für die Welt – Evangelischer Entwick-lungsdienst, präsentiert von Frau Dencker. Die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger/innen auf Mindanao als Projektförderung von IPON, dargestellt von Frau Paulke, Frau Föller und Frau Eiselt.

    Die Konferenz, die laut Auswertung am Ende bei den Teilnehmenden auf sehr positive Resonanz traf, wurde abgerundet durch eine szenische Aufführung von Phil-Netz zum Thema „Den Betroffenen im Friedensprozess

    eine Stimme und Gesicht geben“. Außerdem gab es eine Reflektion der Teilnehmenden darüber, was sie für Konfliktsituationen in der deutschen Gesellschaft mitnehmen und einen ökumenischen Gottesdienst.

    Eine Vorankündigung: Die 30. Ökumenische Philippi-nenkonferenz wird vom 17. bis 19. Oktober 2014 in Es-sen im Jugendhaus St. Altfrid stattfinden. Thematisch wird sie sich nach bisherigem Stand der Überlegungen mit Problemstellungen zur Bewahrung der Schöpfung (Klimawandel: seine Folgen und Herausforderungen) und den weiteren Perspektiven der Solidarität mit den Philippinen befassen.

    Jörg Schwieger ist evangelischer Theologe und Ger-manist. Seit Ende der 70er Jahre engagiert er sich für die Philippinen. Nach mehr als drei Jahrzehnten in der entwicklungsbezogenen Bildungsarbeit und kirchlichen, internationalen Zusammenarbeit in Hannover, Köln, Stuttgart, Bonn und Berlin lebt er heute im Rheinland.

    Überfällig: Quevedo wird Kardinal

    Auszeichnung für die philippinische Kirche

    von Dieter Zabel

    Quevedo im Gespräch Quelle: Missio

    Erst musste ein Franziskus Papst werden und der Er-nannte sein zum 75. Geburtstag vorgeschriebenes Rücktrittsgesuch vorbereiten, damit diese längst fäl-lige Entscheidung fiel. Am 22. Februar 2014 wird Or-lando Beltran Quevedo, Erzbischof von Cotabato, im Alter von 74 Jahren zusammen mit 18 weiteren Kol-legen in das Kardinalskollegium aufgenommen. Bis-her wurde diese Würde nur den Erzbischöfen von Manila und Cebu zuteil. Derzeit gibt es in der dritt-

    größten Ortskirche der Erde (nach Brasilien und Me-xiko) lediglich drei Kardinäle, und allein Erzbischof Tagle (56) von Manila wäre bei einer Papstwahl stimmberechtigt. Die Alt-Erzbischöfe Rosales (Tagles Vorgänger) und Vidal (Cebu) haben die Altersgrenze von 80 Jahren bereits überschritten.

    Kaum ein Mitglied der Philippinischen Bischofskon-ferenz (CBCP) bietet eine so vielfältige Biographie mit einem derart breiten Erfahrungshintergrund. Am 11. März 1939 in Marcos' Heimat-Provinz Ilocos Norte geboren, zogen seine Eltern mit ihren vier Kindern nach Marbel (heute: South Cotabato) in eine mehrheitlich islamische Region, als Orlando acht Jahre alt war. Seine theologischen Studien absolvier-te er in den USA und wurde dort 1964 zum Priester geweiht. Nach wenigen Monaten als Kaplan an der Kathedrale von Cotabato wurde Quevedo Professor an der Katholischen Universität von Cotabato und mit 31 Jahren deren Präsident. Viele heutige Füh-rungskräfte der islamischen Befreiungsbewegung waren damals seine Studenten. Es folgten Stationen

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • Kirche 16

    im Orden und ein 15-monatiges Engagement als Pfarrer in Jolo.

    In den letzten 33 Jahren hat Quevedo drei Diözesen geleitet: Kidapawan (North Cotabato in Zentral-Mindanao) von 1980 bis 1986, das Erzbistum Nueva Segovia (Vigan, in Nordwest-Luzon) 1986 bis 1998 und seither die Erzdiözese Cotabato mit der Haupt-stadt der Autonomen Region Muslimisches Mind-anao (ARMM). In Kidapawan traf der junge Bischof seine Mitarbeiter_innen häufiger bei Beerdigungen ermordeter Laienführungskräfte als bei Pastoralbe-suchen oder regulären Konferenzen. Die Kirche stand in dieser Zeit wegen ihrer Basisorientierung und der Ausbildung und Stärkung der einfachen Leute in den Kirchlichen Basisgemeinden unter Be-schuss der wirtschaftlich und politisch Mächtigen, die ihren Einfluss geschwächt sahen und die Kirche mit ihrem flächendeckenden Netz von Basisgemein-schaften samt ihrer biblischen Fundierung der Sub-version beschuldigten. Quevedo ermutigte die Ge-fährdeten, konfrontierte Armee und Politik mit den brutalen Menschenrechtsverbrechen und trug we-sentlich dazu bei, dass die Bischofskonferenz dem Diktator Marcos endlich ihre Loyalität entzog und mit anderen Kräften den Sturz der Diktatur am 25. Februar 1986 bewirkte.

    Seit 1956 Mitglied der Ordensgemeinschaft „Oblaten der Unbefleckten Empfängnis Mariens“ OMI, ver-stand sich Quevedo stets als Seelsorger und Missio-nar. Er ist ein scharfer Analytiker mit klaren Visio-nen und Strategien, die er als exzellenter Manager in die Realität umsetzt. So förderte er den Wandel der alten spanisch geprägten (Vigan wurde 1595 Bis-tum), traditionsorientierten und politisch Marcos loyalen Volkskirche im Norden zu einer Kirche des Volkes nach dem Modell der jungen Basiskirche von Mindanao. Er selbst ging seinem Klerus mit gutem Beispiel voran, scheute bei seinen Pastoralvisiten keine unwegsamen Strecken, besuchte auch abgele-gene Dörfer und hörte den einfachen Leuten mit ih-ren Lebens-, Glaubens- und Kirchen-Erfahrungen zu. Er inspirierte die Zweite Philippinische Synode (PCP II) 1991 (s. FuV Nr. 14, S.17 sowie den dreiteiligen analytischen Bericht in Nr. 18, 20 und 21), sorgte als Vorsitzender des Entwurfskomitees für die Formu-lierung der Beschlüsse und organisierte ihre Umset-zung durch einen nationalen Pastoralplan, um die

    Teilhabe der Laien und besonders der armen Bevöl-kerungsgruppen an den Aufgaben der Kirche zu er-möglichen. Auf seine Initiative hin trafen sich 1994 die Bischöfe der 13 Diözesen Nordluzons nach dem Vorbild der Mindanao-Sulu-Pastoralkonferenz (MSPC) erstmalig zu einem Forum mit Laien, Or-densfrauen und Priestern, um eine Erneuerung der Kirche im Norden voran zu bringen.

    Neben der Verantwortung für seine jeweiligen Di-özesen hatte Orlando Quevedo stets die ganze phil-ippinische Kirche und die Weltkirche im Sinn. Viele Pastoralbriefe und Erklärungen der Bischofskonfe-renz tragen seine Handschrift. Er hat in etlichen ih-rer Kommissionen gearbeitet. Unter anderem hat er die Kommission für Soziale Arbeit, Gerechtigkeit und Frieden geleitet und war von 1999 bis 2003 Prä-sident der Bischofskonferenz. Von 2006 bis 2011 führte er als Generalsekretär die Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen (FABC). Auf inter-nationaler Ebene arbeitete er als gewähltes Mitglied des Generalrates des Sekretariats der Bischofssyn-ode, dem Organ zur Vor- und Nachbereitung der Plenarversammlungen, und als Mitglied des Päpstli-chen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Immer wieder stellte er seine Erfahrungen und Einsichten auch der deutschen Kirche zur Verfügung: bei mehr-wöchigen Einsätzen als Referent – von Misereor oder missio eingeladen – bei Großveranstaltungen, Pastoralen Foren und Pressekonferenzen ebenso wie in ländlichen Pfarrgemeinden.

    Die Ernennung zum Kardinal macht die Annahme von Quevedos Rücktrittsgesuch durch den Papst al-lerdings nicht wahrscheinlicher, es sei denn, Fran-ziskus möchte einen Joker für die weltweite katholi-schen Kirche gewinnen.

    Fisch und Vogel hat Quevedos Weg kontinuierlich be-gleitet und verdankt ihm etliche inspirierende Beiträge (s. Nr. 21, 22, 33, 37, 38, 39, 45, 57, 70).

    Dieter Zabel arbeitete als Bildungsreferent bei missio und Redakteur von Fisch und Vogel, kennt Quevedo seit 1985, leitete dreimal Studienreise-Gruppen in seine Diözesen und hat den Erzbischof bei Vortragsreisen in Deutschland begleitet, zuletzt im Oktober 2013.

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

  • 17 Umwelt

    Blei im Wasser

    Während Bleirohre in den Industrienationen längst der Vergangenheit angehören, kämpft das Wasserversorgungs-system der philippinischen Hauptstadt mit besorgniserregenden Schwermetallkonzentrationen. Kinder sind beson-

    ders gefährdet. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse geben Hoffnung.

    Von Zacharias Steinmetz

    Ein philippinisches Forscherteam (1) hat kürzlich das Trinkwasser zahlreicher Haushaltsanschlüsse und Tiefbrunnen im Stadtgebiet Manilas auf ihren Bleige-halt untersucht. Das Ergebnis ist besorgniserregend. Alle untersuchten Wasserproben übertrafen den Grenzwert der US-amerikanischen Umweltschutzbe-hörde (US EPA) von 0,015 Milligramm pro Liter um ein Vielfaches. Schuld sind neben den noch immer ver-bauten Bleirohren, bleihaltigen Verbindungsstücken und mit Blei verunreinigten Kunststoffrohren vor al-lem metallverarbeitende Betriebe, Hochöfen oder Hüt-ten in den Wassereinzugsgebieten sowie verbleites Benzin. Starkregen, wie ihn jüngst Taifun Haiyan brachte, verstärkt die Auswaschung giftiger Substan-zen in Grund- und Oberflächengewässer. Die Bevölke-rung zahlt die Zeche. Schon seit Jahrhunderten ist Blei als potentes, chronisch wirkendes Nervengift bekannt. Bis zu fünfzig Prozent des im Trinkwasser enthaltenen Bleis werden vom Körper aktiv aufgenommen und rei-chern sich in der Blutbahn sowie in Organen an. Dort können bereits Konzentrationen von weniger als ei-nem Milligramm pro Liter zu irreversiblen Entwick-lungs- und Nervenschäden führen.

    Bleigehalte von Trinkwasser aus Haushaltsanschlüssen und Tiefbrunnen in Milligramm pro Liter verglichen mit dem Grenz-wert der amerikanischen Umweltschutzbehörde (US EPA).

    Wasseraufbereitung und der Ausbau des Leitungsnet-zes liegen seit 1997 in privater Hand. Die beiden Ver-sorgungskonzerne Manila Water Company und Mayni-lad erfüllen ihren Auftrag zum Ausbau der Infrastruk-tur trotz steigender Wasserpreise seit jeher eher ver-

    halten. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse (2) könn-ten den Manileñ@s nun Hilfe zur Selbsthilfe geben. So scheinen einige Inhaltsstoffe (maßgeblich Chitosan und Chitin) aus den Schalen der Tahong-Muschel (Per-na viridis) ein vielversprechendes Potenzial zur Was-seraufbereitung zu haben. Wurde das Trinkwasser nach der Entnahme über Chitosan/Chitin aus den zer-mahlenen Schalen geleitetet, reduzierte sich der Blei-gehalt in ersten Experimenten um bis zu 50 Prozent. Tahong ist im pazifischen Raum in ausreichenden Mengen vorhanden und könnte eine kostengünstige Alternative zu aufwendigen, oft teuren Wasseraufbe-reitungstechniken darstellen.

    Tahong-Muscheln am Strand von Chonburi, Thailand Quelle: Wikicommons

    Zacharias Steinmetz studiert Ökotoxikologie an der Universität Koblenz-Landau. Im Rahmen eines Interna-tionalen Freiwilligendienstes arbeitete er ein Jahr im Bistum Alaminos (Pangasinan) an der Westküste Luz-ons in verschiedenen sozialen Einrichtungen.

    Einzelnachweise1.Solidum JN, Dahilig V, Omran A. Lead levels in water

    sources in Manila, Philippines. Int J Eng. 2010;8(2):111–8.

    2.Solidum JN, Solidum G. Assessment and Remediation of Heavy Metals in Community Tap Water from Manila, Philip-pines. Book of Proceedings IPCBEE International Confe-rence on Environment Science and Engieering [Internet]. 2012 [zitiert 17. Dezember 2013]. S. 1–6. Verfügbar unter: http://www.ipcbee.com/vol32/001-ICESE2012-D002.pdf

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

    http://www.ipcbee.com/vol32/001-ICESE2012-D002.pdf

  • Gesellschaft 18

    Shalom-Preis für Lory Obal und die Friedensbildung

    von Dieter Zabel

    Der seit 1982 jährlich verliehene Menschenrechts-preis des Arbeitskreises für Gerechtigkeit und Frie-den an der Katholischen Universität Eichstätt / In-golstadt geht dieses Jahr nach 1983 zum zweiten Mal in die Philippinen. Am 24. Mai wird die Generalse-kretärin des Netzwerks Interkultureller Organisatio-nen für Solidarität und Frieden (ICON-SP), Lory Obal aus Kidapawan (Mindanao) und ihr Projekt „Ganz-heitliche Gemeinschaftsbasierte Friedensbildung“ mit dem Shalom-Preis ausgezeichnet.

    Lory Obal Quelle: Antje Pöhner/ missio

    Der aus Studierenden und Eichstätter Bürger_innen bestehende Arbeitskreis, kurz: AK Shalom, stellt je-weils ein Land oder eine Region heraus, in dem die ausgezeichnete Persönlichkeit sich mit einem profi-lierten Projekt oft unter erheblichem persönlichen Risiko für die Wahrung bzw. Durchsetzung der Men-schenrechte, für weltweiten Frieden oder für Unter-drückte engagiert. Der Preis soll auch zum Schutz gefährdeter Menschenrechtsverteidiger beitragen und andere ermutigen sich einzusetzen. Das Preis-geld von mindestens 10.000 Euro wird durch Spen-den von Organisationen und Privatpersonen aufge-bracht.

    Die Preisträgerin: Lory Reovoca Obal

    Seit 1984 ist die überzeugte Christin für die indigene Bevölkerung im Zentrum Mindanaos engagiert, das aktuell von dem wohl größten Kupfer- und Gold-bergbau Südostasiens in Tampakan betroffen ist. Entdeckt vom (gerade zum Kardinal ernannten) da-maligen Bischof Quevedo (s. Seite 15) und für die Di-özese angestellt, war sie 28 Jahre Mitarbeiterin des

    Bistums Kidapawan. Seither ist die gebildete Frau mit großer Basis-, Vernetzungs- und internationaler Erfahrung leitend tätig für mehrere Nichtregie-rungsorganisationen im Bereich Gerechtigkeit, Frie-den, Umweltschutz und Menschenrechte. 2001 und 2007 war Lory Obal als langjährige Projektpartnerin von missio München Gastreferentin bei diversen Veranstaltungen in Deutschland und 2013 zu Vor-trägen, Hintergrundgesprächen, Kontakten mit Di-özesen, Hilfswerken und Politikern in Brüssel, Ams-terdam, Wien und diversen deutschen Städten und Gemeinden unterwegs.

    Lory Obal hat 2009 das Netzwerk ICON-SP gegründet und arbeitet als dessen Geschäftsführerin. Schon seit 10 Jahren führt sie die Multisektorale Umwelt-Bewegung CMEM von Columbio als Geschäftsführe-rin und die Allianz für authentische Entwicklung (AGENDA) als Generalsekretärin. Beide Organisatio-nen sind Mitglieder des Netzwerks ICON-SP (s.u.).

    Ganzheitliche Gemeinschaftsbasierte Friedens-bildung

    Das ausgezeichnete Projekt startet im Frühjahr 2014 und soll innerhalb von 3 Jahren in 32 Dörfern zweier großer Kommunen mit einer Fläche von 1.550 km2

    und 80.000 Einwohner_innen in den Provinzen Nord-Cotabato und Sultan Kudarat realisiert wer-den. Seine vier Komponenten umfassen:

    1. Gemeinschaftsbasierte Alltagsbezogene Friedens-bildung mit Konsultationen und Seminaren zur Kultur des Friedens, zu Menschenrechten, Friedens-mandaten, Demokratie und Rechtsstaat.

    2. Kapazitätsbildung durch Trainings zu Organisa-tion und Praxis partizipatorischer Regierung, zu parlamentarischen Verfahren für Leitungskräfte von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Ge-meindeverwaltungen, zu Organisations- und Ge-meindeentwicklung sowie Finanzmanagement für Partnerorganisationen, Planung und Durchführung von Friedensentwicklungsprojekten und Dor-fentwicklungsplänen, Methodentrainings zur Konf-liktüberwindung.

    3. Etablieren lokaler Strukturen und Mechanismen der Konfliktlösung z.B. im Dorfentwicklungsrat

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  • 19 Gesellschaft

    und Beteiligung des Privatsektors an der Dorfver-waltung, Integration von Friedensperspektiven in die tägliche Arbeit kommunaler Gremien, Schritte zur Lösung von Landkonflikten und für Initiativen der Gemeinschaft bei Bedrohungen des Friedens, monatliche Treffen von NGOs, Kommunen und staatlichen Stellen zur Diskussion von Fragen und Problemen, die den Frieden der Gemeinschaft be-treffen, Dialog und Versöhnungsprozesse zwischen Konfliktparteien oder Gemeinschaften und indigen-en Völkern in speziellen Fällen.

    4. Öffentliche Bildung, Friedensanwaltschaft und Vernetzung: vertiefende Friedenserziehung durch wöchentliche (einstündige) Radioprogramme, Broschüren und monatlichen Newsletter, Ver-bindung mit Persönlichkeiten aus Kirchen, Wis-senschaft, Medien und Kommunen, Dialoge mit Armee und Rebellengruppen in Konfliktgebieten, Durchführung übergemeindlicher Foren zur Diskus-sion von Friedensabkommen.

    Für die umfassende Realisierung des Projekts und die Berichte an Kooperations- und Finanzierungs-Partner sind ICON-SP und seine Geschäftsführerin Lory Obal zuständig.

    Das Projekt wird getragen vom Netzwerk Interkul-tureller Organisationen für Solidarität und Frie-den (ICON-SP). 2009 schufen ehemalige pastorale Laien-Mitarbeiter/innen der Diözese Kidapawan das Bündnis mit dem Ziel, den auf Bistumsebene einge-stellten Dienst an den Gemeinschaften der drei Völ-ker - Indigene, Muslime und Christen - fortzusetzen. Schwerpunkte sind Anwaltschaft für ganzheitliche Friedensbildung, gute Regierungsführung, Men-schenrechte, nachhaltige Umwelt und Landwirt-schaft. Dazu gehören wesentlich die Rechte der indi-genen Bevölkerung auf Achtung ihrer Kultur und rechtliche Anerkennung ihres gemeinschaftlichen Landbesitzes, die durch große Bergbau- und Stau-dammprojekte sowie riesige Plantagen beeinträch-tigt oder gefährdet werden.

    Derzeit gehören dem Netzwerk vier Partnerorgani-sationen an:

    1. Die ökologische Bewegung vieler Sektoren von Columbio (CMEM) wurde 1992 gegründet als Allianz der drei Völker von Columbio, Provinz Sultan Kudarat, mit 10 sektoralen Organisationen;

    2. Apo Sandawa Lumadnong Panghiusa sa Cotabato (ASLPC): Die Föderation der indigenen Völker auf Provinzebene mit 11 Organisationen besteht seit 1993;

    3. Das Gemeinde-Entwicklungszentrum Tulunan (TCDC), als zivilgesellschaftliche Organisation der drei Völker 2010 errichtet;

    4. SoCCSKSarGenDS (AGENDA): das Bündnis für echte Entwicklung in den Provinzen bzw. Großstädten South Cotabato, Cotabato, Sultan Kudarat, Saragani, General Santos und Davao del Sur entstand 2005 in der Ziel-Region zahlreicher Bergbau-Aktivitäten.

    Die Preisträgerin, das Projekt und ihr Netzwerk sind ein hoffnungsvolles Beispiel, wie in einer Ortskirche neben der “offiziellen” Kirche neue Formen des Kirche-Seins von aus der Basis entstehen, wenn sich die Diözese auf ihre Kernaufgaben konzentriert und Gläubige die Sendung an die “Hecken und Zäune”2

    leben, Menschenrechte als integralen Teil des Evangeliums verstehen und der politischen Dimension christlichen Glaubens Raum und Struktur schaffen. Unverzichtbar ist dabei ein kreativer Umgang mit mangelnden Ressourcen und großzügiges Engagement, das sich über alle Probleme und Gefahren hinweg dem Einsatz für die Marginalisierten verpflichtet. Der Shalom-Preis für Lory Obal und das Projekt „Ganzheitliche Gemeinschaftsbasierte Friedensbildung“ sind in dieser Situation eine Quelle der Ermutigung und Hoffnung.

    Kontaktadresse und Spendenkonto

    Arbeitskreis für Gerechtigkeit und Frieden an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt, Ostenstr. 26, 85072 Eichstätt, Mail: [email protected]: Kath. Hochschulgemeinde, Konto-Nr. 109 620 320; Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte eG, BLZ 721 608 18

    Fisch und Vogel hat über die Arbeit von Lory Obal mehrfach berichtet: zuletzt in Nr. 81, S. 7-9, siehe auch ihre Beiträge ‚Frieden lernen. Eine interkulturelle pasto-rale Erfahrung‘ in: Nr. 48 / 2002, S. 19-26, ‚Zur Situation der indigenen Bevölkerung‘ in: Nr. 64 / 2007, S. 16f, das von Lory Obal inspirierte Manifest der Völker in: Nr. 74 / 2011, S. 15-17 und den Hintergrund-Beitrag des Verfassers zu organisatorisch-strukturellen Veränderun-gen in: Nr. 77 / 2012, S. 14f.

    Dieter Zabel hat mit Lory Obal mehrere Exposure-Pro-gramme in Mindanao realisiert und ist Verbindungsper-son zwischen ICON-SP und Partner_innen in Deutsch-land.

    2 Vgl. Luk 14,13-24.

    Fisch & Vogel 82 – Januar 2014

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  • Letzte Seite 20

    FISCH UND VOGEL SUCHT NEUE_N REDAKTEUR_IN

    In Kürze wird eine Stelle in der Redaktion von Fisch

    und Vogel frei. Daher suchen wir ab sofort nach einer

    neuen Redakteurin oder einem neuen Redakteur.

    Du solltest die Philippinen und die deutsche Philippi-

    nenarbeit kennen, gerne mit Texten arbeiten und

    einen Bezug zu christlichen Kirchen in Deutschland

    und den Philippinen haben. Alter und Wohnort sind

    unwichtig, da das Redaktionsteam vor allem virtuell

    arbeitet. Wer Interesse hat, kann eine Email an redak-

    [email protected] schreiben. Wir sind außer-

    dem dankbar für Hinweise auf interessierte Personen.

    VERSPÄTETE AUGUSTAUSGABE

    Aufgrund personeller Engpässe im Bistum Limburg konnte die

    letzte Ausgabe von Fisch und Vogel (Nr. 81) leider nicht wie ge-

    wohnt im August erscheinen. Wir bitten diese Verzögerung zu

    entschuldigen.

    NEUER ERSCHEINUNGSRYHTHMUS

    Um die Bistumsdruckerei vor den christlichen Feiertagen zu

    entlasten, wird der Erscheinungsrhythmus von Fisch und Vo-

    gel zukünftig um einen Monat nach hinten verschoben. Die

    nächste Ausgabe erscheint dementsprechend im Mai 2014.

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