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URAUFFÜHRUNG AB DEM 14.9.2018 IM REICH DER NEUEN MITTE FIT & STRUPPI Text und Regie: Nicola Bremer

FIT & STRUPPI - Theater Oberhausen · 2021. 3. 17. · Dauer: ca. 60 Minuten, ohne Pause Wir danken THE MIRAI GmbH & Co. KG herzlich für die Möglichkeit, die Stückentwicklung in

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Page 1: FIT & STRUPPI - Theater Oberhausen · 2021. 3. 17. · Dauer: ca. 60 Minuten, ohne Pause Wir danken THE MIRAI GmbH & Co. KG herzlich für die Möglichkeit, die Stückentwicklung in

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Lucie Ortmann: Mirai ist Japanisch und bedeutet Zukunft. Das Projekt THE MIRAI der McFIT Global Group scheint ein großes biopoliti-sches Experiment zu sein, für das sich Kon-zerne, Krankenkassen etc. verbinden. Besonders heikel finde ich die umfas-sende Sammlung von Daten als eines der Hauptanliegen. Dir ging es anders. Kannst Du Deine positive Perspektive erläutern?

Nicola Bremer: Ich glaube, wir leben in einer Welt, in der es nicht mehr möglich ist, die Dinge in Gut und Böse aufzuteilen. Meiner Meinung nach leben wir in einem Businessplan-Zeitalter. Ich habe zum Beispiel eine Idee, eine Kamera und einen kon- kreten Plan, was ich damit im nächsten Jahr mache.

Dann führe ich diesen Plan aus, alles läuft so wie geplant und ein Jahr später bin ich ein erfolgreicher You-Tuber. Neben mir gibt

es jemand anderen mit derselben Idee und der-

selben Kamera, aber einem schlechteren Plan. Diese Person

wird ein Jahr später kein*e erfolgreiche*r YouTuber*in sein. Für mich wird dieser Plan immer wichtiger, weil heutzutage potentiell alle Zugang zu fast allem haben. Was tun wir damit? Was tut die Firma McFIT mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen? Erzeugt sie wirklich eine Dystopie, oder doch eine Utopie? Warum können wir uns immer sofort eine negative Zukunft vor-

W as spielt der Körper für eine Rolle, wenn wir ihn auch NICHT brauchen können? Die Roboter haben sowieso einen stabile-

ren Körper, was sollen wir Menschen und Tiere also machen? Wird Pastalobbyist tatsächlich gewinnen?Aber was bedeutet das? Kann man sein wahres Ich nur dann nicht finden, wenn man nicht mehr ge-braucht wird? Wenn man nicht mehr ausgebeutet wird? Wenn man nicht mehr manipuliert wird? Der Körper hat seine Funktion in der Gesellschaft verloren. Es lebe der Körper! ↢

stellen, während es viel schwieriger ist, sich eine positive Zukunft vorzustel-len? Ich möchte versuchen, mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, eine Utopie entstehen zu lassen. Und selbst wenn sich eines Tages THE

MIRAI doch als Dystopie entpuppen wird, dann

haben wir dort we-nigstens Theater

gespielt und den Raum, wenn auch nur für kurze Zeit, mit utopischen Gedanken gefüllt.

L.O.: Dass so ein Pro-jekt gerade in Oberhau-sen realisiert wird, regt

zum Nachdenken an. Ich bin mir sicher, dass es in

anderen Städten zu Pro-testen gekommen wäre. In

welchem Verhältnis steht der real stattfindende Bau der soge-

nannten „Fitness-Erlebniswelt“ zu Dei-ner Stückentwicklung? Willst Du die Oberhausener*innen mit Deiner Arbeit zu einer Auseinander-setzung anregen?

N.B.: Ich versuche dem Projekt THE MIRAI gegenüber bewusst keine negative Hal-tung zu haben, sondern es positiv zu lesen. Ist das eine Provokation? Für mich ist es viel mehr eine Vokation, eine Be-rufung, weil ich mir als Künstler genau diese Aufgabe stelle: Den Dingen eine Chance geben „gut“ zu sein, die-ses „gute“ Potential zu su-chen und allen zu zeigen. Wie in dem YouTuber*innen-Beispiel: Die Kamera hat das Potential mit einer peinlichen Aufnahme jemanden zu mobben, oder versteckt zu

filmen und zum Beispiel Missstände aufzudecken und so weiter. Für mich ist es sehr span-

nend, über das Potential der Dinge nachzudenken. In meiner Stück-

entwicklung versuche ich das THE MIRAI-Projekt aus unter-schiedlichen Perspekti-ven zu beleuchten. Aber damit ich vielseitige

Auseinan-dersetzungen

anregen kann, erzähle ich eine

andere Geschichte: Nicht die Geschichte, in der das größte Fitnessstudio der Welt gebaut wird, son-dern die Geschichte, in der das größte Vorstellungskraft-Studio gebaut wird. Dadurch entsteht eine Reibungsfläche, die in den Zuschauer*innen immer wieder neue Gedanken entstehen lässt. Als Autor starte ich das Theaterstück, als Regisseur entwickle ich es mit den Schauspieler*innen weiter und die Zuschauer*innen beenden es, in dem sie es wahrnehmen.

L.O.: Eine Leitfrage Deiner Stückentwicklung ist,

ob und was für neue Menschen, andere

Körper, durch ein Zukunfts-Fitnessstudio entstehen. In Deinem Stück ist es ein Vorstellungskraft-Fitnessstudio. In wel-chem Verhältnis stehen bei Dir Körper und Vorstellungskraft bzw.

Phantasie?

N.B.: Oft stellen wir uns nichts mehr vor, phantasieren

nicht mehr, weil wir so viel tun müssen. Wir fangen einfach irgend-

etwas an, ohne richtig zu wissen was. Also habe ich mir folgenden Plot ausgedacht:

auf der einen Seite gibt es die Körper und auf der an-deren Seite die Phantasie. Die Phantasie ist etwas Un-

P astapopulist benutzt die Dinge für sich, um seine persönlichen, egoistischen Ziele zu erreichen. Die Phantasie nicht! Sie benutzt

die Dinge nicht, sie setzt sie frei! Sind wir deshalb mit Fit

und Struppi ins Reich der Neuen Mitte gereist? Rei-

sen wir deshalb auf alle Planeten des Univer-sums, um wie die letz-ten Kolonialist*innen überall Vorstellungs-kraft-Fitnessstudios

zu bauen, damit die Menschen und Tiere,

dank der Phantasie, end-lich WIRKLICH frei werden

und weiterhin Neues entstehen kann? Und wir so

die Welt retten?Ja! Scheiße! Du hast Recht! Wir müssen nicht nur DIESES Fit und Struppi-Studio weiterbauen, nein, auch alle anderen Fit und Struppi-Studios auf den anderen Planeten! Sonst werden wir Pastakoloni-alist NIEMALS besiegen! Wie ma-chen wir das bloß? ↢

Moderner Sport war Teil der Aus-

handlungsprozesse um den Zu-griff auf ökonomisches, soziales sowie

kulturelles Kapital. Strukturkategorien wie Klasse, Geschlecht, Ethnizität oder ‚Rasse‘, aber

auch andere vermeintlich am Körper abzulesende Differenzkriterien wie zum Beispiel Befähigung, Alter oder Leistung lassen sich mit Hilfe der Linse Sport in ihrer Wirkmacht untersuchen. Denn die Etablierung des modernen Sports korrespondierte mit der Herausbildung einer biopolitischen Ge-sellschaftsordnung, in der individuelle, leis-

tungs- und reproduktionsfähige Körper effizient zu einem ‚gesunden‘ und star-

ken Kollektivkörper verschmelzen sollten. → Henriette Gunkel

und Olaf Stieglitz

THE MIRAI verbin-det Fitness, Erlebnis, Inno-

vation, Technologie, Forschung und Ausbildung auf noch nie dagewesene Art und

Weise in einer perfekten Synthese aus Consumer- und Businesswelt. […] Die Vision ist, dass Fitness für

jeden Menschen zugänglich wird – unabhängig von Her-kunft, Alter oder Einkommen. Deshalb werden auch keine

monatlichen Mitgliedsbeiträge erhoben: THE MIRAI ist für die Trainierenden beitragsfrei. […] Ständig werden neue Anreize für die Mitglieder entwickelt und auf deren individuelle Be-dürfnisse ausgerichtet. […] Mit THE MIRAI entsteht ein Ort der Inspiration, Kreativität und Motivation. […] Für Unternehmen ergibt sich ein großes wirtschaftliches Potential, um ganzjährig neue Fitnessgeräte und Produkte vorzustellen, Kooperationen

einzugehen, Synergien zu nutzen, sich mit anderen Anbie-tern kreativ auszutauschen sowie neue Zielgruppen zu

erschließen. Ziel ist es, ein interdisziplinäres und interaktives Netzwerk zwischen Unternehmen

und Trainierenden aufzubauen. → Pres-semeldung von THE MIRAI auf

www.oberhausen.de

Cyborgs sind kybernetische

Organismen, Hybride aus Maschine und Organismus,

ebenso Geschöpfe der gesellschaft-lichen Wirklichkeit wie der Fiktion.

Gesellschaftliche Wirklichkeit, d.h. gelebte soziale Beziehungen, ist unser wichtigstes politisches Konstrukt, eine weltverändernde Fiktion. [D]ie Grenze, die gesellschaftliche Realität

von Science Fiction trennt, ist eine optische Täuschung.

→ Donna Haraway

Der gegen-wärtige Sport- und

Fitnessboom [enthält] zu-gleich erweiterte Handlungs-

spielräume für individuelles oder kollektives Sporttreiben wie auch ein Anforderungs-, ja mithin Disziplinie-rungsregime, in dessen Rahmen die ei-genverantwortlich wahrgenommene

Sorge um den eigenen Körper durch sportliche Aktivität zu

einem Erfordernis wird. → Stefan Scholl

endliches, deshalb kann sie nicht in unserem Körper Platz finden, sie ist viel zu groß. Die Phantasie ist also etwas, was außerhalb und un-abhängig von uns existiert. Was wir besitzen ist unsere Vorstellungs-kraft, mit der wir die Ideen der

Phantasie wie Signale emp-fangen und damit

etwas anfangen können. Un-

sere Vorstel-lungskraft empfängt ein Sig-nal der Phantasie und der Körper fängt etwas an. Sie sind getrennt. In „Fit & Struppi“ geht es um das Sich vorstellen, das Phantasieren, das vor dem Denken und Tun pas-

sieren MUSS. → Das komplette In-terview finden Sie unter: http://www.

theater-oberhausen.de/downloads/pdf/interview_zu_fit_und_struppi.pdf

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Dauer: ca. 60 Minuten, ohne Pause

Wir danken THE MIRAI GmbH & Co. KG herzlich für die Möglichkeit, die Stückentwicklung in den zukünftigen Räumen der Fitness-Erlebniswelt THE MIRAI proben und aufführen zu können. Außerdem danken wir der LUDWIGGALERIE für die Leihgabe von Klappstühlen.

Quellen: Stückzitate; Interview = Originalbeitrag; Henriette Gunkel und Olaf Stieglitz (Hrsg.): „Sport“ = BODY POLITICS. Zeitschrift für Körpergeschichte, Heft 3 – Jahrgang 2 (2014), S. 9f, Siehe: www.bodypolitics.de; Donna Haraway: „Ein Manifest für Cyborgs. Feminismus im Streit mit den Technowissenschaften“, in: „Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen“. Frankfurt a. M., New York 1995, S. 33-72; Stefan Scholl: „Körperführung. Historische Perspektiven auf das Verhältnis von Biopolitik und Sport“. Frankfurt a. M. 2018, S. 8

Herausgeber: Theater Oberhausen, Will-Quadflieg-Platz 1, 46045 Oberhausen Telefon: 0208/85 78 184; [email protected]: Florian Fiedler; Redaktion: Lucie Ortmann; Gestaltung: moxie.de; Fotos: Isabel Machado Rios; Deckblatt: Klaus Zwick; Plakat: Ensemble; Druck: Walter Perspektiven

Fit & Struppi im Reich der Neuen MitteStückentwicklung von Nicola Bremer

Text und Regie: Nicola Bremer; Bühne: Marie Gimpel; Kostüme: Jakob Ripp; Dramaturgie: Lucie OrtmannMit: Ayana Goldstein, Banafshe Hourmazdi, Lise Wolle, Klaus Zwick

Regieassistenz und Inspizienz: Natascha Zander; Bühnenbildassistenz: Deborah Kötting; Kostümbild-assistenz: Andrea Barba; Souffleuse: Laura Kreutzenbeck; Theaterpädagogik: Anke Weingarte; Technischer Direktor: Bodo von Husen; Licht: Felix Schiffer; Ton & Video: Oliver Hütten, Simon Vieth, Bühnenmeister: Andreas Elfers; Chefmaskenbildner: Thomas Müller; Maske: Markus Hahn, Jürgen Korkesch; Werkstätten: Andreas Parker; Gewandmeisterei: Daphne Kitschen; Ankleiderinnen: Ewelina Fischer, Sabrina Jacoby; Requisite: Sarah Haas, Levke Schaarschmidt

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Fit und Struppi reisen in Oberhausens

Reich der Neuen Mitte. Für die Weltreisenden aus der Hauptstadt der Ver-

einigten Europäischen Staaten ist es ja nur ein Katzensprung, pardon, natürlich Hundesprung und

der gigantische spirituelle Kurort zieht das berühmte menschlich-tierische Paar magisch an. Auch Millionen

Menschen pilgern täglich dorthin. Die Neue Mitte bün-delt Sportstätten, Theater, Badehäuser, Shoppingcenter und Restaurants und ist ein Ort der Gleichberechtigung, der In-spiration, der Kreativität und Motivation. Hier befindet sich auf 55.000 m² die größte Fitness-Erlebniswelt. Sie nennt sich „Die Zukunft“ und realisiert eine Gesellschaftsutopie: endlich freies Atmen, freies Leben für alle. Was, wenn

hier tatsächlich Menschen, Forschung, Industrie und Wirtschaft auf neue, auf lebendige Weise zusam-

menkommen? Wie verändert diese Zusam-menkunft die Menschen? Werden genau

hier die Menschen, die Körper der Zukunft definiert?

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