Flexbooks - Lehrmittel bald nur noch digital?

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Digitale Bücher sind heute nicht mehr nur Printbücher, die sich digital lesen lassen. Sie sind multimedial, interaktiv und bieten Möglichkeiten, sich innerhalb eines Buches mit anderen Leserinnen und Lesern auszutauschen. Mit dieser Entwicklung dürften auch die Schulen schneller konfrontiert werden als bisher vermutet wurde. Mit flexiblen digitalen Büchern können die Lehrmittel dem Unterricht ohne grossen Aufwand angepasst und rasch weitergegeben werden. In den USA werden Flexbooks heute schon in hunderten von Schulen und Universitäten erfolgreich eingesetzt.

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Lehrmittel bald nur noch digital? Flexbooks setzen sich durch Dezember 2011Oliver Ott, PHBern, www.phbern.ch

Digitale Bcher sind heute nicht mehr nur Printbcher, die sich digital lesen lassen. Sie sind multimedial, interaktiv und bieten Mglichkeiten, sich innerhalb eines Buches mit anderen Leserinnen und Lesern auszutauschen. Mit dieser Entwicklung drften auch die Schulen schneller konfrontiert werden als bisher vermutet wurde. Mit flexiblen digitalen Bchern knnen die Lehrmittel dem Unterricht ohne grossen Aufwand angepasst und rasch weitergegeben werden. In den USA werden Flexbooks heute schon in hunderten von Schulen und Universitten erfolgreich eingesetzt.

1. Dynamik in den USA und AsienIm Sommer 2009 wurde in Kalifornien an einer Pressekonferenz mitgeteilt, in den Schulen die Print1 Lehrbcher auf der Sekundarstufe II offiziell durch E-Lehrbcher zu ersetzen . Dieser Beschluss kam nicht berraschend, denn die ersten Versuche mit E-Books gab es in Kalifornien schon im Jahre 2001. Als Grnde fr den Wechsel auf E-Books wurde u. a. genannt, dass die Schlerinnen und Schler nicht mehr schwere Bcher herumtragen mssen, sich E-Books rascher aktualisieren lassen und die Jugendlichen heute bereits mit digitalen Medien aufwachsen. Fr die jung e Generation ist der Wechsel von Print zu Digital grsstenteils keine Umstellung mehr, im Gegensatz zu lt eren Generationen, die noch gedruckte Bcher gewohnt sind. Neben der Offenheit gegenber neuen Entwicklungen fhrte in erster Linie aber auch die prekre 2 finanzielle Lage von Kalifornien zu neuen Anstzen im Lehrmittelbereich . Seit der Grndung des 3 California Open Source Textbook Projektes sind weitere Ideen entstanden, um die Kosten im Bildungsbereich zu senken, ohne am Lehrpersonal sparen zu mssen. Die Stiftung Saylor Foundation bietet beispielsweise 20000 US-Dollar fr Autorinnen und Autoren von Lehrbchern, die bereit sind, ein von einer Kommission genehmigtes Buch unter eine offene Creative Commons Lizenz zu stel4 len . Interessanterweise sind es in Kalifornien Non-Profit-Organisationen, welche die hohen Stan5 dards an die digitalen Lehrbcher besser erfllen als die grossen Lehrmittelverlage . Dazu gehrt unter anderem die CK-12 Foundation, die untenstehend kurz vorgestellt wird. Die klassischen Lehrmittelverlage werden heute zunehmend umgangen und die Lehrpersonen haben die Mglic hkeit, frei verfgbare Lehrmittel zu nutzen, ohne sich um die komplexen Urheber- und Nutzungsrechte kmmern zu mssen. Auch die Digitale Textbook Initiative geht im finanziell angeschlagenen Kalifornien nicht nur reibungslos ber die Bhne. Zwar werden bereits viele Lehrbcher unter einer freien Lizenz kostenlos 6 angeboten , die Hardwarefrage wurde jedoch nicht geklrt und viele Schlerinnen und Schler be7 sitzen noch kein mobiles Endgert (Notebook, iPad etc.) fr die Nutzung der Lehrmittel . Dennoch sind in den USA seit dem Frhling 2010 innert kurzer Zeit in schon ber 600 Schulbezi r8 ken iPad-Klassen entstanden . Als Begrndung wird aufgefhrt, dass die Investition in iPads gnstiger sei als in Lehrbcher. Neben den teuren Lehrbchern knne so auch auf grafische Tasche nrechner, Wrterbcher und andere Zusatzmaterialien verzichtet werden. Ausserdem seien die Leh rbcher oftmals schon bereits beim Druck veraltet und mit Hilfe der iPads knnen die Schler beispielsweise auch auf Videotutorials zugreifen. Ob nun normale Notebooks oder iPads als Endgerte geeigneter sind, spielt keine grosse Rolle mehr.1 2

http://video.golem.de/audio-video/2144/schwarzenegger-startet-e-book-initiative.html http://www.dailymail.co.uk/news/article-1191831/Rise-machines-Arnold-Schwarzenegger-terminates-schoolbooks-tells-pupils-digital.html 3 http://www.opensourcetext.org/index.htm 4 http://campustechnology.com/articles/2011/09/12/saylor-foundation-kicks-off-open-textbook-challenge.aspx 5 http://www.zdnet.com/blog/government/ca-digital-textbooks-initiative-falls-flat/5246 6 http://www.clrn.org/fdti 7 http://www.zdnet.com/blog/government/ca-digital-textbooks-initiative-falls-flat/5246 8 http://www.eschoolnews.com/2011/11/17/eschool-news-october-2011 (Seite 94-96)1/6

Nicht zu unterschtzen ist die Entwicklung in Asien, wo die Nachfrage nach E-Books stark zunimmt. In vielen Lndern werden Print-Lehrbcher durch digitale Lehrbcher ergnzt oder ersetzt. Beispielsweise in Sdkorea, wo schon lange digitale Lehrmittel eingesetzt werden und nach erfolgre ichen Pilotprojekten beschlossen wurde, die gedruckten Schulbcher bis 2015 flchendeckend 9 durch digitale Lehrbcher zu ersetzen .

2. Flexbooks - anpassungsfhige, digitale BcherDie Frage nach dem idealen digitalen Lehrbuch wird im englischen Sprachraum seit dem Aufko mmen der flexiblen Lehrbcher nicht mehr oft diskutiert, auch wenn es bei solchen Flexbooks sehr unterschiedliche Anstze gibt. Generell sind Flexbooks digitale Bcher, die angepasst werden k nnen. Ein Flexbook lsst sich verndern und es knnen Videos, Audios, Texte, Links und andere Materialien gelscht oder eingefgt werden. Fr Lehrpersonen sind Flexbooks praktisch, weil die Bcher dem eigenen Unterricht angepasst werden knnen. In einem Flex -Lehrbuch kann beispielsweise ein Text ergnzt oder ein interessantes Video zum gerade behandelten Thema eingebettet oder eine bung integriert werden.

Illustration 1: Beispiel eines Flexbooks von CK-12. Die Bcher knnen online in verschiedenen Darstellungsansichten betrachtet werden oder als PDF-Dokument auf den eigenen Computer heruntergeladen werden. Der Vorteil von Lehrbchern ist weiterhin, dass sie den Unterrichtslektionen neben dem Inhalt auch eine Struktur bzw. einen roten Faden geben knnen. Dies im Gegensatz zu einer Website mit U nterrichtmaterialien, die zwar interessante Inhalte liefert, auf der man sich aber oft rasch verlieren kann. Hufig werden Unterrichtsmaterialien produziert und im Internet bereitgestellt, die in hnlicher Form bereits anderswo verffentlicht worden sind. Die unzhligen Linklisten mit Unterrichtsmateri alien knnen dem Information Overload auch nicht entgegenwirken. Flexible Lehrbcher knnen mit ihrer zielgerichteten Struktur im Unterricht einen Leitfaden in die Informationsflut des Internets bri ngen und trotzdem mit interessanten, aktuellen Informationen angereichert werden.9

http://world.kbs.co.kr/english/news/news_Dm_detail.htm?No=82613&id=Dm

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In vielen Ausbildungsinstitutionen, besonders z.B. Universitten, werden lngst eigene Dokumente erstellt, die dann den Auszubildenden als Skript verteilt werden. Ein Vorteil von anpassbaren EBooks liegt auch hier, dass sich neben Text multimediale Inhalte einbinden lassen und sich die Bcher fr den nchsten, berarbeiteten Kurs rasch aktualisieren und ber das Web verteilen lassen.

3. Flexible Lehrbcher in den USAUm Flexbcher bearbeiten zu knnen, ist in der Regel ein Internetdienst erforderlich. Im Prinzip wrden sich auch weit verbreitete Internetdienste wie Google Docs eignen, nur lassen sich in diese Dokumente gegenwrtig keine multimedialen Inhalte einfgen. In den USA gibt es mehrere Dienste, 10 11 12 die Flexbooks anbieten, wie Flatworld Knowledge , DynamicBooks oder CK-12 Foundation . Flatworld Knowledge ist ein Verlag mit Sitz in New York, der seit 2009 Flexbooks ver ffentlicht. Im Sommer 2011 nutzten schon ber 2000 Institutionen und 300000 Schlerinnen und Studierende die Bcher. Die Bcher knnen online kostenlos gelesen werden und auch persnliche Notizen knnen in die Bcher online eingetragen werden. Wer die Flexbooks zustzlich ausdrucken oder offline z.B. auf einem E-Book-Reader oder Tablet lesen mchte, muss dies bezahlen; ebenso allfllige Zusatzmaterialien wie Tests oder Audio-Zusammenfassungen. Lehrpersonen knnen die Bcher anpassen, mit anderen Materialien anreichern und dann so an Ihre Klasse online weitergeben. Der Dienst ist ber einen normalen Browser zugnglich und es muss keine Software installiert werden.

Illustration 2: Flexbuch bei Flatworld Knowledge. Die Bcher knnen von Lehrpersonen angepasst und weitergegeben werden. Schlerinnen haben die Mglichkeit persnliche Notizen einzutragen. Einen interessanten Ansatz bieten die Flexbcher von CK-12. Die Non-Profit Organisation mit Sitz in Kalifornien stellt ber 60 Lehrbcher fr diverse Schulfcher bereit, wobei einige auch offiziell in Kaliforniens Schulen eingesetzt werden. Fr Lehrpersonen gibt es oft noch Zusatzbcher mit didak13 tischen Hinweisen. Alle Bcher stehen unter einer CC-Lizenz und knnen im Unterricht kostenlos gelesen, angepasst und falls gewnscht auch gedruckt werden. Lehrpersonen knnen die Bcher10 11

http://www.flatworldknowledge.com http://dynamicbooks.com 12 http://www.ck12.org 13 http://creativecommons.org/licenses3/6

beliebig zusammenstellen, Passagen lschen, Material hinzufgen und das angepasste Buch beispielsweise per Link weitergeben. Die angepassten Bcher knnen online gelesen, aber auch auf den eigenen Computer heruntergeladen und so offline ohne Internetverbindung verwendet werden. Es muss keine Software installiert werden und der Dienst kann jederzeit ausprobiert und kostenlos genutzt werden.

Illustration 3: Bei CK-12 kann ein neues Flexbuch aus beliebigen Kapiteln anderer Flexbcher zusammengestellt werden. In der rechten Spalte lsst sich das neue Buch benennen und speichern.

Illustration 4: Im Bearbeitungsmodus lassen sich die Kapitel dank der Symbolleiste einfach und intuitiv verndern.4/6

Illustration 5: In die Flexbcher lassen sich Videos, Bilder, Texte, Links und andere Inhalte, wie beispielsweise interaktive LearningApps von www.learningapps.org einfgen.

Illustration 6: Die fertig erstellten Flexbcher knnen per Link weitergegeben, online gelesen, heruntergeladen und zu seinem spteren Zeitpunkt weiter bearbeitet werden. Sie knnen auch ber diverse Web-2.0- und Social-Network-Dienste mit anderen Personen geteilt werden.

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4. Entwicklungen in Europa und der SchweizDie neuen Entwicklungen im Bereich der digitalen Lehrbcher sind in Europa noch nicht richtig a ngekommen. Ein E-Book wird hufig noch mit einer digitalen Kopie eines gedruckten Buches gleic hgesetzt. Einige Print-Lehrbcher werden mit digitalen Materialien angereichert, die mit einer CD Rom oder einer DVD mitgeliefert werden. Neue Computer haben aber fters keine solchen Laufwerke mehr, d.h. Lehrmitteln beiliegende CD-Rom oder DVD sind Auslaufmodelle. Manchmal befinden sich die Zusatzmaterialien zum gedruckten Lehrbuch im Internet, hufig in g eschlossenen Lernplattformen, die viel Einarbeitungszeit brauchen, fr die Lehrpersonen einen administrativen Mehraufwand bedeuten und sich oftmals als umstndlich herausstellen. Manchmal scheitert es schon bei der Eingabe eines Passwortes, an das man sich nicht mehr erinnern kann. Da fr Lehrpersonen und Dozierende die Zeit oft das knappste Gut ist, ist in der Lehrerschaft immer noch eine grosse Skepsis gegenber dem Einsatz von digitalen Mitteln im Unterricht zu spren. Nur ganz einfache Lsungen, die technisch einwandfrei funktionieren, sehr einfach und intuitiv bedie nbar sind und keinen zeitlichen Mehraufwand verursachen, werden sich langfristig durchsetzen k nnen. Ein weiteres Hindernis fr die langsame technologische Anpassung der Schule an die gesellschaf tlichen Entwicklungen ist die mangelnde Verfgbarkeit von gengend Computern oder mobilen Endgerten in der Schule. Es gibt erst wenige Klassen, wo alle Schler ein eigenes mobiles Endgert zur Verfgung haben. Das Potential der Informationen und die Formen der Zusammenarbeit im Internet werden im schulischen Umfeld vielfach vor allem als eine Gefahr anstatt einer Notwendigkeit oder sogar Chance betrachtet. Dennoch gibt es auch bei uns immer mehr zukunftsgerichtete 14 Ausbildungssttten, wo alle Schlerinnen und Schler einen Computer als Arbeitsgert haben , so wie dies im Berufsleben schon lange der Fall ist. Die Voraussetzungen fr den Einsatz von Flexbooks sind Computer, Internet und medienkompete nte Lehrpersonen, die einfache Internetdienste bedienen knnen. Die Anschaffungskosten fr Gerte sind in den letzten Jahren markant gesunken. Auf eine komplizierte IT-Infrastruktur und auf Server kann in den Schulen verzichtet werden. Es reicht ein guter Internetanschluss, der nur niedrige Ko sten verursacht. Sobald die Schulen einen Internetzugang zur Verfgung stellen und alle Sch lerinnen und Schler anstatt viele gedruckte Bcher ein Notebook (oder ein anderes mobiles Gert) mitbringen, knnen sich Flexbooks oder eine andere Form von digitalen Lehrbchern auch bei uns als kostengnstige und praktische Alternative zu den herkmmlichen Lehrmitteln durchsetzen.

Illustration 7: Moderne Lehrbcher knnen multimedial, interaktiv, personalisiert, kollaborativ und flexibel sein.

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www.1to1learning.ch6/6