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Flug u Reisemed 2016; 23 (3): 116–120 116 Flugmedizin Fliegen und Tauchen Aktuelle Erkenntnisse zu tauchfreien Intervallen vor und nach Flügen Stefan Braunecker 1,2,3 , Jochen Hinkelbein 1,2,3 1 Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Köln (AöR), Köln 2 Arbeitsgruppe „Notfallmedizin und Luftrettung“, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrmedizin (DGLRM e.V.), München 3 Arbeitsgruppe „Leitlinien, Standards und Empfehlungen“, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrmedizin (DGLRM e.V.), München Auch wenn Deutschland für Taucher eine Viel- zahl von interessanten Tauchplätzen bereithält, lassen sich die schönsten Tauchgebiete der Welt oftmals nur mit dem Flugzeug erreichen, da sich diese meist in subtropischen oder tropischen Ge- wässern befinden (Abb. 1, 2, 3). Dass Tauchen und Fliegen nicht immer zusammen passen, lernen Taucher bereits zu Beginn ihrer Tauchausbildung, zum Beispiel beim Schnuppertauchen oder beim Open-Water-Kurs (OWD). Während dabei die Veränderungen des Luftdrucks auf dem Rückflug im Vordergrund stehen, können auch andere Hö- henveränderungen wie zum Beispiel die Heim- reise mit dem Auto über eine hohe Passstraße (z. B. Alpen) oder die Fahrt mit einer Seilbahn zu tauchmedizinischen Problemen im Sinne einer Dekompressionserkrankung führen. Aber nicht nur die Rückreise birgt Gefahren für den Taucher. Auch wenn aktuell keine genauen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Hinflug und erhöhtem Risiko eines Tauchunfalls existieren, legen zumindest logische Überlegun- gen einen möglichen Zusammenhang nahe. Um Gesund in den Tauchurlaub zu starten, aber vor allem auch Gesund wieder zurück zu kommen, müssen sowohl Hin- als auch Rückreise betrach- tet werden. Erkrankungen bei Tauchern Dekompressionserkrankung Bei der Dekompressionserkrankung (DCS/DCI) kommt es aufgrund von Veränderungen des Um- gebungsdrucks (Druckabnahme) zu einem Frei- Auch wenn Deutschland für Taucher eine Vielzahl von interessanten Tauch- plätzen bereithält, lassen sich die schönsten Tauchgebiete der Welt oftmals nur mit dem Flugzeug erreichen. Dass Tauchen und Fliegen dabei nicht im- mer zusammenpassen, lernen Taucher bereits zum Beginn im Open-Water- Kurs (OWD). Dabei birgt nicht nur der Rückflug, sondern auch bereits der Hinflug ein potenzielles Risiko für den Taucher. Vor allem die Dehydratation und der eventuell entstehende Jetlag können zum Entstehen von Tauchun- fällen beitragen. Während aktuelle Leitlinien der „Undersea and Hyperbaric Medical Society“ (UHMS) bisher ein tauchfreies Intervall von 24 Stunden vor dem Rückflug empfehlen und üblicherweise in der Praxis 12 18 Stunden nach einem Nicht-Dekompressions-Tauchgang als adäquat betrachtet wer- den, deuten neueste Untersuchungen auf eine Oberflächenpause von min- destens 36 Stunden hin. Abb. 1 Velidhu, Nord-Ari-Atoll, Malediven. Quelle: Franziska Merzbach

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116 Flugmedizin

Fliegen und TauchenAktuelle Erkenntnisse zu tauchfreien Intervallenvor und nach Flügen

Stefan Braunecker1,2,3, Jochen Hinkelbein1,2,3

1 Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Köln (AöR), Köln2 Arbeitsgruppe „Notfallmedizin und Luftrettung“, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrmedizin (DGLRM e.V.), München3 Arbeitsgruppe „Leitlinien, Standards und Empfehlungen“, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrmedizin (DGLRM e.V.), München

Auch wenn Deutschland für Taucher eine Viel-zahl von interessanten Tauchplätzen bereithält, lassen sich die schönsten Tauchgebiete der Welt oftmals nur mit dem Flugzeug erreichen, da sich diese meist in subtropischen oder tropischen Ge-wässern befinden (Abb. 1, 2, 3). Dass Tauchen und Fliegen nicht immer zusammen passen, lernen Taucher bereits zu Beginn ihrer Tauchausbildung, zum Beispiel beim Schnuppertauchen oder beim

Open-Water-Kurs (OWD). Während dabei die Veränderungen des Luftdrucks auf dem Rückflug im Vordergrund stehen, können auch andere Hö-henveränderungen wie zum Beispiel die Heim-reise mit dem Auto über eine hohe Passstraße (z. B. Alpen) oder die Fahrt mit einer Seilbahn zu tauchmedizinischen Problemen im Sinne einer Dekompressionserkrankung führen.Aber nicht nur die Rückreise birgt Gefahren für den Taucher. Auch wenn aktuell keine genauen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Hinflug und erhöhtem Risiko eines Tauchunfalls existieren, legen zumindest logische Überlegun-gen einen möglichen Zusammenhang nahe. Um Gesund in den Tauchurlaub zu starten, aber vor allem auch Gesund wieder zurück zu kommen, müssen sowohl Hin- als auch Rückreise betrach-tet werden.

Erkrankungen bei TauchernDekompressionserkrankungBei der Dekompressionserkrankung (DCS/DCI) kommt es aufgrund von Veränderungen des Um-gebungsdrucks (Druckabnahme) zu einem Frei-

Auch wenn Deutschland für Taucher eine Vielzahl von interessanten Tauch-plätzen bereithält, lassen sich die schönsten Tauchgebiete der Welt oftmals nur mit dem Flugzeug erreichen. Dass Tauchen und Fliegen dabei nicht im-mer zusammenpassen, lernen Taucher bereits zum Beginn im Open-Water-Kurs (OWD). Dabei birgt nicht nur der Rückflug, sondern auch bereits der Hinflug ein potenzielles Risiko für den Taucher. Vor allem die Dehydratation und der eventuell entstehende Jetlag können zum Entstehen von Tauchun-fällen beitragen. Während aktuelle Leitlinien der „Undersea and Hyperbaric Medical Society“ (UHMS) bisher ein tauchfreies Intervall von 24 Stunden vor dem Rückflug empfehlen und üblicherweise in der Praxis 12 ̶ 18 Stunden nach einem Nicht-Dekompressions-Tauchgang als adäquat betrachtet wer-den, deuten neueste Untersuchungen auf eine Oberflächenpause von min-destens 36 Stunden hin.

Abb. 1 Velidhu, Nord-Ari-Atoll, Malediven. Quelle: Franziska Merzbach

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werden von zuvor im Gewebe gelösten Gasen. Diese Gasbläschen können sowohl in Geweben als auch Blutgefäßen auftreten und kumulieren. Als Folge davon kann es zu einer mechanischen Schädigung oder zu Gefäßembolien mit lokaler Gewebshypoxie kommen. Obwohl bei der traditi-onellen Klassifikation der Dekompressionser-krankung (DCS-System) in lokale (z. B. Haut und Extremitäten) und zentrale (Nervensystem, Lun-ge, Herz-Kreislauf-System) Typen unterschieden wird, handelt es sich prinzipiell bei der Dekom-pressionserkrankung um eine systemische Er-krankung. Um ernstzunehmende Symptome rechtzeitig zu erkennen, basieren neuere Klassifi-kationen (DCI-System) auf einer deskriptiven Me-thode und berücksichtigen vor allem die zeitliche Dynamik, den Beginn der Symptomatik in Relati-on zum Ende des Tauchgangs und die Organmani-festation. Vor allem neurologische Symptome tre-ten oftmals bereits in den ersten 10 Minuten nach Beendigung des Tauchgangs auf, können sich aber mit einer Verzögerung von bis zu 3 Stunden ma-nifestieren. Als Risikofaktoren zählen vor allem Übergewicht (Adipositas), Dehydratation, erhöh-te Umgebungstemperatur, körperliche Anstren-gung, persistierendes Foramen ovale, Tauchver-halten und Fliegen nach dem Tauchen [1].

Arterielle Gasembolie (AGE)Im Falle einer Lungenverletzung (z. B. durch Überdehnung) kann es zum Übertritt des Atem-gases in die kleinen Lungenarterien kommen. Als Folge kann es zu einer arteriellen Gasembolie mit lokaler Ischämie kommen. Eine lebensbe-drohliche Form stellt dabei die zerebrale arteri-elle Gasembolie (CAGE) dar. Vor allem in der Akutphase ist eine Differenzierung zwischen CAGE und DCS/DCI oft nicht möglich. Aufgrund der ähnlichen Symptomatik lassen oftmals nur die zeitliche Dynamik, das Tauchprofil und das Auftreten begleitender Symptome einen Rück-schluss auf die Erkrankungsursache zu.

VorbereitungTauchtauglichkeitZur Vorbereitung gehört neben einer entspre-chenden Fitness auch die körperliche Gesund-heit. Obwohl viele Verbände bei einer entspre-chenden Selbstauskunft auf das Vorhandensein einer Tauchtauglichkeit verzichten, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Tauch- und Überdruck-medizin (GTÜM) die tauchmedizinische Untersu-chung von Sporttauchern spätestens alle 3 Jahre beziehungsweise jedes Jahr ab einem Alter von 40 Jahren. Die medizinische Untersuchung soll dabei von einem geschulten Tauchmediziner durchgeführt werden. Eine Liste von Tauchärzten kann im Internet auf der Seite der GTÜM (www.gtuem.org) eingesehen werden. Da einige Tauch-basen eine Tauchtauglichkeitsuntersuchung

nicht älter als 12 Monate verlangen, macht eine regel-mäßige Erneuerung der Be-scheinigung Sinn.

GesundheitszustandAuch wenn ein Tauchen mit chronischen Erkrankungen möglich ist, erhöhen be-stimmte Erkrankungen das Risiko für das Entstehen von Taucherkrankungen. So kann zum Beispiel das Vor-liegen eines persistieren-den Foramen ovale (PFO) die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen einer De-kompressionserkrankung deutlich erhöhen. Aufgrund der Druckerhöhung im rechten Kreislauf kann es zu einem Rechts-Links-Shunt kommen. Als Folge kommt es zum Übertritt von venö-sen Gasblasen in das arteri-elle System mit der Folge einer paradoxen Gasembo-lie [2]. Obwohl das PFO als Risikofaktor für das Entste-hen einer DCS / DCI aner-kannt ist, empfehlen die medizinischen Fachgesell-schaften kein routinemäßi-ges Screening im Rahmen der tauchmedizinischen Untersuchung.Neben den chronischen Erkrankungen stellen vor allem akute Gesundheitsveränderungen ein hohes Risiko für das Auftreten von tauchbeding-ten Erkrankungen dar. Besonders Infekte der oberen Atemwege, Dehydration (z. B. Fieber) aber auch Alkohol- und Nikotingenuss erhöhen das Risiko für das Auftreten von Tauchunfällen.

HinflugMüdigkeitBesonders ein Flug über mehrere Zeitzonen führt zur Desynchronisierung unseres biologi-schen Rhythmus. Als Folge dieser Verschiebung kommt es besonders bei Flügen Richtung Osten häufig in den ersten Tagen zu Müdigkeit mit ver-ringerter Konzentrationsleistung. Die dadurch beeinflusste Reaktionsfähigkeit kann besonders in Stresssituationen und ungewohnter Umge-bung leicht zu Fehlern führen. Zudem verstärkt eine bestehende Müdigkeit die narkotische Wir-kung des sich unter Druck lösenden Stickstoffs und den dadurch entstehenden Tiefenrausch. Ein Tiefenrausch kann so – zumindest aus theoreti-schen Überlegungen heraus – bereits in deutlich geringeren Tiefen als gewohnt auftreten.

Abb. 2 Mantarochen. Quelle: Prof. Dr. Jochen Hinkelbein, Köln

Abb. 3 Riff mit vielen Fischen. Quelle: Prof. Dr. Jochen Hinkelbein, Köln

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DehydratationNeben dem bereits beschriebenen Jetlag be-günstigen lange Flüge zusätzlich auch die De-hydratation. Die niedrige Luftfeuchtigkeit in der Kabine während des Fluges führt zu einem Flüssigkeitsverlust durch Abatmung über die Atemluft [3]. Der entstehende Flüssigkeitsman-gel kann das Auftreten einer Dekompressions-erkrankung begünstigen [4]. Taucher mit dem Ziel eines baldigen Tauchgangs sollten daher schon während des Hinflugs auf eine ausrei-chende Zufuhr nicht alkoholischer Getränke achten. Zusätzlich führt die Kabinenluft zu ei-ner Austrocknung der Schleimhäute, was das Risiko für eine Blockade der Stirn- und Neben-höhlen und damit verbundenen Druckaus-gleichproblemen erhöht.Auch wenn die Zeit am Urlaubsziel begrenzt ist, sollte mindestens ein guter Nachtschlaf und mindestens 12 Stunden Pause zwischen Ankunft und dem ersten Tauchgang liegen. Dieser soll der Erholung und dem Regenerieren des Flüssig-keitshaushalts dienen.

RückflugMikroblasenBereits in der Theorie zum OWD lernen Tauch-schüler die Risiken von (Wiederholungs-)Tauch-gängen. Während des Tauchens kommt es auf-grund des hohen Umgebungsdrucks zu einer physikalischen Lösung von Gas im Blut (Gesetz von Henry). Die gelöste Menge hängt dabei vom Partialdruck des Gases (und damit der Tiefe), der Temperatur, der Löslichkeit des Gases in der be-treffenden Flüssigkeit und der Zeit ab. Dabei spielt Stickstoff aufgrund des großen Volumen-anteils in der Luft und des damit verbundenen hohen Partialdrucks eine besondere Rolle für das Tauchen.Während der Dekompression (Auftauchen) führt der abnehmende Umgebungsdruck zu einem Ausperlen des gelösten Stickstoffs (N2) aus dem Gewebe. Wird diese Druckabnahme zu schnell durchgeführt, kann es während der Entsättigung zur Blasenbildung (sog. Bubbles) kommen. Vor allem bei ausgedehnten Tauchurlauben (z. B. auf Tauchsafaris) wird der Körper kontinuierlich mit Stickstoff angereichert, ohne dass es zwischen-durch zu einer vollständigen Entsättigung kommt. Unter Umständen kann das Entsättigen von langsamen Geweben (Knorpel, Bänder, Seh-nen) bis zu 72 Stunden dauern.Eine weitere Erniedrigung des Umgebungs-drucks (z. B. im Flugzeug, auf der Passstraße) be-deutet ein vermehrtes Ausperlen von Reststick-stoff aus dem Gewebe und eine Bildung von Gasblasen mit einer zusätzlichen Gefahr für eine Dekompressionserkrankung.Bereits seit Langem gibt es Überlegungen, wie schnell Taucher nach einem Tauchgang fliegen

dürfen. Während alte Tauchtabellen der U.S. Navy unter bestimmten Voraussetzungen Fliegen sogar unmittelbar nach dem Tauchgang erlaubten, wurden im Verlauf feste Intervalle von 24 oder 48 Stunden in Abhängigkeit der An-zahl der Tauchgänge und der Dekompressions-pflichtigkeit eingeführt.Erstmals wurden 1989 Leitlinien durch die „Un-dersea and Hyperbaric Medical Society“ (UHMS) zum Fliegen nach Tauchen erarbeitet und 1990 eingeführt [5]. Darin empfahl die europäische Fachgesellschaft eine Wartezeit von 12 Stunden bis zum Rückflug, wenn die gesamte Tauchzeit in den 48 Stunden vor Abflug weniger als 2 Stunden betrug. Taucher mit dekompressions-pflichtigen Tauchgängen sollten 24 Stunden, besser 48 Stunden vor dem Heimflug nicht ge-taucht haben.In den Jahren danach folgten verschiedene Studi-en mit simulierten Flügen in Unterdruckkam-mern und die Auswertung von Tauchunfällen aus der Datenbank des Divers Alert Network (DAN) [6-9]. Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigten, dass nach jedem Tauchgang sogenannte „stumme Blasen“ (Mikroblasen, „microbubbles“) vorhanden sind.

Zusammenhang Mikroblasenbildung und TauchenSeit 2011 beschäftigte sich DAN mit der Durch-führung einer Untersuchung unter Realbedin-gungen. Die Ergebnisse dieses „Flying-Bubbles-Projekts“ wurden 2014 und 2015 vorgestellt [10, 11]. Um den Zusammenhang zwischen Vieltau-chen und Blasenbildung zu untersuchen, wur-den 56 Taucher (39 Männer, 17 Frauen) wäh-rend einer einwöchigen Tauchsafari begleitet. Bei allen Teilnehmern wurden das Vorliegen von kardio-pulmonalen Vorerkrankungen sowie frühere Tauchunfälle ausgeschlossen. Während des Untersuchungszeitraums absolvierten die Taucher (mit Ausnahme von 2 Probanden) je-weils 13 Tauchgänge inklusive einem Check- und einem Nachttauchgang. Insgesamt konnten die Forscher 726 Tauchgänge mit einer durch-schnittlichen Tauchtiefe von 30,2 ± 7,7 m und einer mittleren Tauchzeit von 47,8 ± 10,3 min untersuchen. Bei allen Tauchgängen wurde eine maximale Aufstiegsgeschwindigkeit von 18 m / min nie überschritten. Alle Taucher führ-ten am Ende der Tauchgänge einen 5-minütigen Sicherheitsstopp auf 5 m Wassertiefe durch. Bei keinem der Probanden zeigten sich während des Studienzeitraums Symptome einer Dekompres-sionserkrankung. Alle Taucher erhielten wäh-rend des Hinflugs (30, 60 und 90 min nach Start), vor und nach (30, 60 und 90 min) jedem Tauch-gang, vor dem Boarding zum Rückflug und auf dem Rückflug (30, 60 und 90 min nach Start) eine trans-thorakale Echokardiografie (TTE). Die

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Gasblasen wurden dabei nach Eftedal und Brub-akk eingeteilt und die Taucher während der Tauchwoche in 3 Gruppen eingeteilt:• ohne Blasenbildung (Non-Bubblers, NB),• gelegentliche Blasenbildung (Occasional

Bubblers, OB) und• immer Blasenbildung (Bubblers, B).

Auf dem Hinflug (ohne vorherige Tauchexpositi-on) konnten bei keinem der 56 Taucher Gasbläs-chen im rechten Ventrikel nachgewiesen wer-den. Während der Tauchwoche zeigten:• 23 der 56 Taucher (41 %) niemals Gasbläs-

chen (NB),• 17 Taucher (30 %) gelegentlich Gasbläschen

(OB) und• 16 Taucher (29 %) nach jedem Tauchgang (B).

Der Rückflug erfolgte nach einem „Preflight Oberflächenintervalls“ (PFOI) von 24 Stunden. Vor Abflug konnte bei keinem der Taucher das Vorhandensein von Gasbläschen nachgewiesen werden.Das nach dem Start durchgeführte TTE zeigte bei 8 der 56 Taucher (14 %) Gasbläschen während des Rückflugs. Bei allen Tauchern mit positivem Gasblasennachweis handelte es sich um Taucher, bei denen bereits zuvor nach jedem Tauchgang Gasbläschen im TTE nachgewiesen werden konnten (Gruppe B). 90 Minuten nach Start zeig-ten sich bei keinem der Probanden mehr Gas-bläschen im rechten Ventrikel.Als Fazit konnte das „Flying-Bubbles-Projekt“ zeigen, dass es selbst nach Einhaltung eines PFOI von 24 Stunden (aktuelle Empfehlung der Leitli-nien) zu einer signifikanten Gasbläschenbildung während des Rückflugs kommen kann. Betroffen waren dabei ausschließlich Taucher, die schon während der Tauchwoche eine regelhafte Gas-blasenbildung zeigten. Ob und welchen klini-schen Einfluss dieser reine Nachweis von Gas-bläschen hat, bleibt allerdings offen.

Minimierung von GasbläschenUm das Auftreten von Gasbläschen während und nach dem Tauchen zu minimieren, existieren be-reits verschiedene Ansätze. Die Möglichkeiten reichen dabei von zusätzlichen Dekompressions-stopps, entsprechenden Oberflächenpausen bis hin zu unterschiedlichsten Gasgemischen (Nit-rox, Heliox, Trimix u.a.) (Abb. 4, 5) [6, 12, 13].

NitroxBei „Enriched Air“ oder kurz „Nitrox“ handelt es sich um Gasgemisch aus Stickstoff (Nitrogen) und Sauerstoff (Oxygen). Der Sauerstoffgehalt ist da-bei höher als in normaler Luft und variiert in der Regel je nach Gemisch zwischen 28 und 40 %. Im Vergleich zur herkömmlichen Pressluft kommt es beim Tauchen mit Nitrox aufgrund des niedrige-

ren Partialdrucks zu einer schwächeren Aufsättigung des menschlichen Körpers mit Stickstoff. Die geringere Stickstoffbelastung senkt das Risiko für das Entstehen von Dekompressionser-krankungen [13]. Vorrau-setzungen dafür ist aller-dings das Tauchen nach einer Tabelle für Pressluft.

Verlängertes Oberflächen-intervall vor FlugObwohl die aktuellen Leit-linien des UHMS ein PFOI von 24 Stunden empfehlen, zeigt das „Flying-Bubbles-Projekt“, dass diese Zeit nicht für alle Taucher ausreichend ist. Um eine größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten, sollten Taucher nach einer Tauchwoche ein 36-stündiges tauchfreies Intervall vor dem Rück-flug einhalten. Der Rücktransport nach einem Dekompressionsunfall darf frühestens 48 Stun-den nach Abklingen der Symptome durchgeführt werden. Flugtransporte sollten dabei unter 100 % Sauerstoffgabe erfolgen. Der Transport sollte bei einem Kabinendruck von 1 bar oder im Hubschrauber mit einer maximalen Flughöhe von 300 m durchgeführt werden.

Sauerstoffatmung vor FlugEine weitere Möglichkeit der Risikoreduktion einer Dekompressionserkrankung ist die norm-obare Sauerstofftherapie vor dem Rückflug. Bis-her existieren allerdings nur einzelne Studien zu diesem Thema [7]. Inwieweit die Verwendung von Sauerstoff vor dem Fliegen das Auftreten

Abb. 5 Druckluft- (silber) und Nitroxflaschen (gelb) werden befüllt. Quelle: Prof. Dr. Jochen Hinkelbein, Köln

Abb. 4 Beim Auftauchen nach Dekompressionsstopp. Auf den Malediven ist nach jedem Tauchgang ein dreiminütiger Dekompressionsstop durchzuführen.

Quelle: Prof. Dr. Jochen Hinkelbein, Köln

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von Mikroblasen reduzieren kann, ist noch nicht vollständig untersucht.

Tauchunfall-HotlineDas Divers Alert Network Europe (DAN Europe) ist eine international tätige, nicht kommerzielle Organisation für Medizin und Forschung, die sich der Sicherheit und Gesundheit von Tau-chern verschrieben hat (www.daneurope.org). DAN Europe wurde 1983 von Dr. Alessandro Marroni gegründet und etablierte das erste 24 Stunden am Tag erreichbare System zum Ma-nagement von Tauchnotfällen, das seinen Mit-gliedern von Anfang an zugleich spezielle Versi-cherungsleistungen bot. International ist das „International DAN“ heute ein weltweites Netz-werk von mehrsprachig besetzten Notruf-zentralen für Tauchnotfälle sowie mehr als 500 Druckkammereinrichtungen und einer wach-senden Zahl von Tauch- und Hyperbarmedizi-nern zur Behandlung von Tauchunfällen und zur Aufnahme von tauchmedizinischen Patien-ten. Jedes Jahr erreichen die DAN-Hotlines mehr als 15 000 Anrufe aufgrund von Tauchnotfällen und die tauchmedizinischen Berater von DAN (DMO) beantworten tausende von medizini-schen oder sicherheitsrelevanten Fragen. Mittlerweile hat das DAN mehr als 400 000 Mit-glieder rund um den Globus. Für Deutsch- land ist DAN unter der Telefonnummer +49-30-31877829 erreichbar.

FazitWer mit dem Flugzeug zum oder vom Tauchziel unterwegs ist, sollte sich gut auf die Reise vorbe-reiten. Bereits auf dem Hinflug gilt es, eine Dehy-dratation und das Austrocknen der Schleimhäu-te zu vermeiden. Ein eventuell bestehender Jetlag erhöht die Empfänglichkeit für einen Tie-fenrausch und reduziert die eigene Leistungsfä-higkeit. Zwischen Ankunft und dem ersten Tauchgang sollte mindestens ein guter Nacht-schlaf und mindestens 12 Stunden Pause liegen.

Auch wenn die aktuellen Leitlinien ein tauchfrei-es Intervall von 24 Stunden vor dem Rückflug empfehlen und in der Praxis häufig noch kürzere Tauchintervalle akzeptiert werden, deuten aktu-elle Untersuchungen darauf hin, dass eine Pause von 24 Stunden nicht bei allen Tauchern aus-reicht. Um eine größtmögliche Sicherheit zu ge-währleisten, sollten Taucher nach einer Tauch-woche ein 36-stündiges tauchfreies Intervall vor dem Rückflug einhalten.

Literatur1 KlingmannC,TetzlaffK(Hrsg.).ModerneTauchme-

dizin. Stuttgart: Gentner; 20122 de Benedictis D, Marcucci F. Association between

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9 DenoblePJ,PollockNW,VaithiyanathanPetal.Scu-bainjurydeathrateamonginsuredDANmembers.DivingHyperbMed2008;38:182–188

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11 CialoniD,PieriM,BalestraC,MarroniA.Flyingafterdiving: should recommendations be reviewed? In-flightechocardiographicstudyinbubble-proneandbubble-resistant divers. Diving Hyperb Med 2015;45: 10–15

12 BennettPB,MarroniA,CronjeFJetal.Effectofvary-ing deep stop times and shallow stop times on pre-cordial bubbles after dives to 25 msw (82 fsw). Un-derseaHyperbMed2007;34:399–406

13 ReinertsenRE,FlookV,KotengS,BrubakkAO.Effectofoxygentensionandrateofpressurereductiondu-ring decompression on central gas bubbles. J Appl Physiol(1985)1998;84:351–356

KorrespondenzDr. Stefan BrauneckerKlinik für Anästhesiologie und Operative IntensivmedizinUniversitätsklinikum Köln (AöR)Kerpener Str. 6250937 Kö[email protected]

AutorenerklärungDie Autoren erklären, dass für dieses Werk keine Interessenkonfliktevorligen.

Flying and diving – Updated knowledge about intervals without diving ahead and after flightsAlthough many interesting diving spots are located in Germany, most spots require a previous airline flight. As early as in the first hours of an open water diver course, beginners learn that flying and diving may interfere. Not only the flight back home may cause problems, also the flight to the diving spot may increase the risk of diving-related problems.Especially dehydration as well as jet lag can cause accidents. While recent guidelines of the „undersea and hyperbaric medical society“ (UHMS) request an interval of 24 hours before the flight back, 18-24 hours are considered adequate in praxi. Recent literature suggests 36 hours before a flight.

Key wordsflying – diving – intervals

DOI: 10.1055/s-0042-108823Flug und Reisemed 2016; 23 (3): 116–120Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New YorkISSN 1864-4538