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FÖRDERUNG VON TOLERANZ UND INTERKULTURELLER KOMPETENZ IN ARBEITSMARKTLICHEN PROGRAMMEN

FÖRDERUNG VON TOLERANZ UND … · Dr. Iris Bednarz-Braun, Dr. Ursula Bischoff Beispiele guter Praxis aus EQUAL und XENOS Die Gemeinschaftsinitiative EQUAL – Chancengleichheit am

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FÖRDERUNG VON TOLERANZ UND INTERKULTURELLER KOMPETENZ IN ARBEITSMARKTLICHEN PROGRAMMEN

Impressum

Bestellnummer: A 460

Herausgeber:Bundesministerium für Arbeit und SozialesNationale Koordinierungsstelle EQUAL und XENOSReferat VI a 553107 Bonnwww.equal.dewww.xenos-de.de

Fotos: Sascha Menge, Wuppertal, www.dasfotokontor.de(Deckblatt, S. 24, S. 29, S. 35, S. 45, S. 61, S. 70, S. 74)© Mediathek der Europäischen Kommission, Brüssel (S. 18, S. 30, S. 58, S. 85)

Satz, Grafik und Druck:Das Druckhaus Bernd Brümmer, Alfter

Auflage: 6.500

Stand: Mai 2006

Gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialesund den Europäischen Sozialfonds

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FÖRDERUNG VON TOLERANZ UND INTERKULTURELLER KOMPETENZIN ARBEITSMARKTLICHEN PROGRAMMEN

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Vorwort ................................................................................................................................................................................................. 04Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales

Thematische Einführung

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme ................... 06Prof. Dr. Maria Böhmer

Konfliktfähige Toleranz – Qualitätskriterien für die schulische und berufliche Qualifizierung ........................................................................................................................................................ 08Florian M. Wenzel

Stärkung interkultureller Kompetenzen in Verwaltung und Unternehmen ................................ 18Dr. Iris Bednarz-Braun, Dr. Ursula Bischoff

Beispiele guter Praxis aus EQUAL und XENOS

Die Gemeinschaftsinitiative EQUAL – Chancengleichheit am Arbeitsmarkt ................................ 24Christine Krüger

Das Bundesprogramm XENOS – Leben und Arbeiten in Vielfalt ............................................................. 26Mechthild Jürgens

Handlungsansätze in Unternehmen ................................................................................................ 28

Interkulturelle Qualifizierung in einem Großbetrieb mit multikultureller Belegschaft ..... 30Prof. Dr. Wolf Rainer Leenen

Das Patenschaftsmodell – Unternehmen öffnen sich und werben für kulturelle Vielfalt ... 32Hatice Müller-Aras

Interkulturelle Kompetenz in der betriebsinternen Zusammenarbeit ............................................. 34Susanne Rathlau

Vertrauensleute als Kulturmittler ................................................................................................................................... 36Elke Eller

Die Bahn AG – kompetent Rassismus und Fremdenfeindlichkeit begegnen ................................ 38Susanne Ellenbeck

Lernziele und Methoden in Schule und Ausbildung ............................................ 42

Die Eltern bei der Berufsorientierung mitnehmen – Migrantenzentren als Schnittstelle .. 44Dr. Jürgen Bärsch

Das Peer Leadership-Modell – Jugendliche schulen Jugendliche .......................................................... 46Britta Kollberg

Auszubildende bevorzugen interkulturelle Arbeitsgruppen ..................................................................... 48Dr. Iris Bednarz-Braun, Dr. Ursula Bischoff

Inhalt

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Souverän gegen Rechtsextremismus durch langfristige Schulungen .............................................. 50Dr. Gudrun Heinrich

Interkulturelle Sensibilisierung und Qualifizierung in der Jugendsozialarbeit ........................ 52Christine Müller

Interkulturelle Öffnung von Schulen – Lehrkräfte als Multiplikatoren ........................................... 54Sevgi Kahraman-Brust, Vera Memmeler

Maßnahmen der Berufsorientierung und Hilfen zum Berufseinstieg .................................................................................................................. 58

Kompetenzbilanz – besondere Fähigkeiten bewusst und sichtbar machen .............................. 60Stephan Schiele

Vertrauenssache – Migrantinnen und Migranten als Elternberater .................................................. 62Claudia Vortmann

In der Weiterbildungswerkstatt individuelle Strategien erarbeiten ................................................ 64Marion Isken

„Job-Brücke“ – Integration in Arbeit und in den Stadtteil ........................................................................ 66Monika Hartwig, Karin Hoffmann

Brücken bauen – Sprach- und Kulturmittlung ..................................................................................................... 70Varinia Morales

Sensibilisierung von Zielgruppen und Öffentlichkeit ......................................... 72

Medienarbeit als Medium für mehr Toleranz ....................................................................................................... 74Günther Anfang

Mit aktiver Medienarbeit gegen Rechts ................................................................................................................... 76Katharina Hamann

„Der Fremde im Spiegel“ – 25 Filmminuten für mehr Toleranz ............................................................ 78Michaela Goetsch

Radio AMIKU – Neues über Migration hören ........................................................................................................ 80Hatice Müller-Aras

Transnationale Kooperation .......................................................................................................................... 82

Transnationale Erfahrungen bauen Vorurteile ab ............................................................................................ 84Gerd Teich

Handbuch „Interkulturelles Bewusstsein“ – Anregungen und Erfahrungen aus drei Ländern ......................................................................................................................................................................... 86Andrea Küntzler, Antje Utecht

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ................................................................................ 88

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VorwortSeinen Mitmenschen mit Toleranz und Achtung begegnen – das sollte in einerGesellschaft eigentlich selbstverständlich sein. Menschen aus anderen Kultu-ren mit ihren eigenen Erfahrungen und Lebenshintergründen bereichernunsere Gesellschaft und geben ihr Impulse. Die Realität sieht allerdings inDeutschland und in den meisten anderen EU-Staaten manchmal anders aus.Migrantinnen und Migranten schlägt oft Skepsis und Ablehnung entgegen,auf dem Arbeitsmarkt und im Alltag.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind für die Gesellschaften in Europa undauch für Europa als Wirtschaftsstandort eine ernste Bedrohung. Ich möchte,dass Europa bunt und weltoffen ist. Ein Kontinent, auf dem wir ohne Angstverschieden sein können. Es ist deshalb wichtig und richtig, dass die Euro-päische Union Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entschieden entgegen-tritt und Toleranz und interkulturellen Austausch fördert.

Die Europäische Kommission hat im Jahr 2000 die GemeinschaftsinitiativeEQUAL gestartet. EQUAL entwickelt und erprobt neue Methoden gegen Dis-kriminierungen auf dem Arbeitsmarkt. Ihr Ziel ist, benachteiligten MenschenBeschäftigungschancen zu eröffnen, Hindernisse abzubauen und Diskriminie-rungen gegenüber Beschäftigten und Unternehmen zu beseitigen. Im Mittelpunkt steht der Mensch. Daher zielen die Instrumente auf die Ver-besserung der Beschäftigungsfähigkeit von Benachteiligten und auf dieToleranz von Unternehmen und Beschäftigten. Die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist Bestandteil allerProjekte, bei einigen EQUAL-Projekten macht sie sogar den Kern der Arbeit aus.

Das Bundesprogramm „XENOS – Leben und Arbeiten in Vielfalt“ wird ebenfallsdurch den Europäischen Sozialfonds gefördert. Auch XENOS zielt auf die Stär-kung von Toleranz und den Abbau von Fremdenfeindlichkeit, hier stehenJugendliche und junge Erwachsene, deren Zugang zu Schule, Ausbildungs-und Arbeitsplätzen erschwert ist, im Mittelpunkt. Von 2002 bis 2007 wurdenund werden rund 250 Projekte gefördert, die auch auf eine Stärkung der Zivil-gesellschaft ausgerichtet sind.

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Diese Broschüre zeigt Ansätze und Instrumente sowohl aus der Gemein-schaftsinitiative EQUAL als auch aus dem Bundesprogramm XENOS. Es sindBeispiele dafür, wie arbeitsmarktliche Maßnahmen Toleranz und interkul-turelle Kompetenz fördern können.

Die Erfolge der Projekte lassen sich am besten vor Ort messen. In Klassen-zimmern, Büros und Werkhallen, in Behördensprechstunden und auf derStraße muss sich das Engagement für eine tolerante Gesellschaft bewähren. Die Programme setzen da an, wo Perspektiven und Potenziale, aber auchKonflikte entstehen: In Unternehmen und Institutionen, in Schulen undAusbildungsstätten, in der Berufsbildung und Jugendsozialarbeit. Seminare,Trainings, Forschungsarbeiten oder auch grenzüberschreitender Austauschhelfen, unsere Gesellschaft humaner, toleranter und wirtschaftlich leistungs-fähiger zu machen.

Toleranz ist kein Zustand, der sich von selbst einstellt. Politik und Gesellschaftsind Tag für Tag gefordert, sie zu fördern und zu verteidigen. Das kann nurfunktionieren, wenn alle am gleichen Strang ziehen, mit ganzer Kraft indieselbe Richtung.

Diese Broschüre zeigt konkret, was jede und jeder von uns gegenFremdenfeindlichkeit und Rassismus tun kann. Ich wünsche ihr viele Leserinnen und Leser und uns allen eine erkenntnis-reiche Lektüre.

Franz MünteferingBundesminister für Arbeit und Soziales

Die Fußballweltmeisterschaft hat gezeigt, dassDeutschland ein weltoffenes Land ist, das Men-schen unterschiedlicher Herkunft willkommenheißt. Die „Welt zu Gast bei Freunden“ warmehr als das Motto einer Fußballweltmeister-schaft. Es spiegelt das in den letzten Jahr-zehnten gewachsene SelbstbewusstseinDeutschlands als moderne, pluralistischeGesellschaft wider.

Kulturelle Vielfalt bedeutet Bereicherung. Sieist aber auch mit Ängsten und Vorurteilen ver-bunden. Unkenntnis und Voreingenommenheitkönnen dazu führen, dass Menschen, dieangeblich „fremd“ sind oder wirken, mitGeringschätzung und Ablehnung konfrontiert,stigmatisiert und in extremen Fällen Opfer vonGewalt werden.

Unsere Gesellschaft darf ein solches Verhaltennicht hinnehmen und muss ein wachsames undkritisches Auge auf die aktuellen Entwicklungenhaben: So verzeichnet der Bericht des Bundes-amtes für Verfassungsschutz für 2005 einendeutlichen Anstieg rechtsextremistischer Straf-und Gewalttaten. Wurden in 2004 bereits12.553 Straftaten registriert und verfolgt, sostieg deren Anzahl in 2005 auf 15.914 Straf-taten. Der Anteil der Gewalttaten beträgtnahezu gleichbleibend 6,3% (2004: 6,4%). Inabsoluten Zahlen hat die Zahl der Gewalttatenvon 776 in 2004 allerdings auf 958 in 2005 undsomit um 23,5% zugenommen. Die Gewalttatenrichten sich vor allem gegen als vermeintlich"fremd" wahrgenommene Menschen (355); dieZahl der antisemitisch motivierten Gewalttatenstieg von 37 in 2004 auf 49 in 2005 an.

Mehrere gewalttätige rassistische Übergriffeim Vorfeld der Weltmeisterschaft haben dieöffentliche Debatte um rechte Gewalt erneutakut werden lassen. Dabei haben sowohlPolitiker, Kirchen, Gewerkschaften, Medien,Verbände und Vereine als auch Bürgerinnenund Bürger eindeutig Position gegen Rassis-mus, Fremdenfeindlichkeit und Gewaltbezogen. Null Toleranz gegenüber rassisti-schen und fremdenfeindlichen Taten lautet dieMaxime. Nicht nur Staat und Politik sindgefordert, wenn es darum geht, gegen rechteGewalt einzutreten. Von zentraler Bedeutungist das breite Engagement der Zivilgesellschaft,

sowohl seitens des einzelnen Bürgers als auchseitens der Vielzahl an Institutionen und Grup-pen aus allen Bereichen unserer Gesellschaft.

Fremdenfeindliche Taten müssen mit allemNachdruck in der Öffentlichkeit thematisiert,verurteilt und strafrechtlich verfolgt werden,Justiz, Politik und Medien sind hier in beson-derem Maße gefordert. Benötigt wird abergleichzeitig eine von Politik und Zivilgesell-schaft getragene, langfristig wirksame und alsQuerschnittsaufgabe angelegte Strategie zurBekämpfung der Ursachen von Fremdenfeind-lichkeit und Rassismus. Zu dieser Präventions-arbeit gehört es auch, die Akzeptanz vonMigrantinnen und Migranten in der Gesell-schaft zu erhöhen. Notwendige Voraussetzungdafür ist eine nachhaltige Integrationspolitik.

Ausdruck demokratischer Kultur ist, dass einLand, eine Region oder eine Kommune sich fürToleranz, Weltoffenheit und wechselseitigenRespekt stark macht. So kann Fremdenfeind-lichkeit und Rassismus der Boden entzogen undder Raum für gemeinsame Anstrengungen überethnische, religiöse und kulturelle Grenzenhinweg geschaffen werden. Vielerorts habensich daher staatliche und zivilgesellschaftlicheAkteure in den Kommunen, in den Ländern undauf Bundesebene zusammengeschlossen, umaktiv gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismusund Antisemitismus vorzugehen. Allein in dasvon der Bundesregierung initiierte Bündnis fürDemokratie und Toleranz haben sich über 1.300 Initiativen, Gruppen und Einzelpersonenmit ihren Aktivitäten, Ideen und Vorschlägeneingebracht. Unter diesem Dach findet auch das Aktions-programm „Jugend für Toleranz und Demo-kratie – gegen Rechtsextremismus, Fremden-feindlichkeit und Antisemitismus“ statt. Mit denüber 4.000 Projekten, Initiativen und Maß-nahmen werden vor allem junge Menschenerreicht, verfolgt wird eine Strategie derPrävention. Entstanden ist eine Projektland-schaft, die vorhandenes bürgerschaftlichesEngagement bündelt, unterstützt sowie dessenQualifizierung fördert.

Das Bundesprogramm XENOS als Teil desAktionsprogramms und die Gemeinschafts-initiative EQUAL zielen auf den Arbeitsmarkt

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Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in

Deutschland – Eine Bestandsaufnahme

Thematische Einführung

Prof. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Kanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

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und setzen an der Schnittstelle von Ausbildungund Beruf an. Arbeit ist nicht nur Grundlage derExistenzsicherung, sondern schafft gesellschaft-liche Anerkennung und soziale Beziehungen.Nach wie vor sind Menschen mit Migrations-hintergrund in Bildung, Ausbildung und aufdem Arbeitsmarkt benachteiligt, dabei spielenauch Vorbehalte und Vorurteile eine Rolle.Jugendliche und junge Erwachsene, denen derZugang zur schulischen und beruflichenBildung und damit auch zu Ausbildungs- undArbeitsplätzen erschwert ist, zeigen oft eineintolerante Haltung gegenüber ausländischenMitbürgerinnen und Mitbürgern. SolchenEinstellungen muss aktiv begegnet werden.Vorurteile und kulturelle Missverständnissekönnen vor allem dort abgebaut werden, wogegenseitiges Vertrauen und Verständnistagtäglich erlernt, erarbeitet und auf die Probegestellt werden – in Schule, Ausbildung undArbeitswelt. Toleranz, Offenheit und Achtungvor anderen sind heute mehr denn je unver-zichtbare Qualifikationen in der Arbeitswelt.Deshalb wurden mit XENOS und EQUALInstrumente zur Förderung der Chancen-gleichheit und zum Abbau von fremden-feindlichen, antisemitischen und rassistischenEinstellungen am Ausbildungs- und Arbeitsplatzins Leben gerufen. Dank des intensiven Erfahrungs- und Wissens-austauschs haben innovative Maßnahmen,good practice und neue Ansätze für die För-derung der Gleichbehandlung inzwischenEingang in viele Bereiche der Jugendarbeit undArbeitswelt gefunden. Es gibt weiterhin großen Bedarf, die erprobtenInstrumentarien zu evaluieren, weiter zu ver-breiten und die Handlungsansätze in denRegelangeboten zu implementieren, wie dievorliegende Broschüre zeigt. Zahlreiche Pro-jekte und Maßnahmen können erst langfristigwirksam werden.

Die Beteiligung am Arbeitsmarkt erfordert ent-sprechende Bildungserfolge und beruflicheQualifikationen auf Seiten der Migrantinnen

und Migranten. Die Erhöhung der Bildungs- undAusbildungsbeteiligung von Jugendlichen mitMigrationshintergrund gehört deshalb zu dengrößten Herausforderungen der Integrations-politik. Angesetzt werden muss sowohl imBildungssystem als auch beim Engagement und der Verantwortung der Eltern für denBildungserfolg ihrer Kinder.

Auf Seiten von Betrieben, Ausbildungsein-richtungen und Unternehmen gehört dazu dieKompetenz, Vielfalt als unternehmerischeRessource einzusetzen. Hervorzuheben sinddeshalb Initiativen der Wirtschaft, die daraufzielen, die kulturelle und ethnische Vielfalt ihrerBelegschaft aktiv zu nutzen und zu fördern. Miteinem solchen Ansatz werden Migrantinnenund Migranten in der betrieblichen Ein-stellungs- und Personalpolitik angemessenberücksichtigt, gleichzeitig werden dieRahmenbedingungen für ein konstruktivesMiteinander im Arbeitsalltag geschaffen.Muster kann hier die französische „Charta derVielfalt“ („Charte de la diversité dans l'en-treprise“) sein, der bereits rund 700 französi-sche Unternehmen beigetreten sind. Auch inDeutschland beziehen Unternehmen in zuneh-mendem Maße Konzepte des DiversityManagement in ihre Unternehmenspolitik mitein. Sie schöpfen die sprachlichen undkulturellen Potenziale von Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern nicht-deutscher Herkunft ausund verschaffen sich damit Wettbewerbs-vorteile im globalen Wirtschaftsraum.

Die Bundesregierung wird auch zukünftig derBekämpfung von Rassismus, Antisemitismus,Fremdenfeindlichkeit und darauf beruhenderUngleichbehandlung einen hohen Stellenwerteinräumen. Sie wird die laufenden Programmezur Förderung von Vielfalt und Toleranz weiter-entwickeln, da sie eine wichtige Vorbildfunk-tion für die zahlreichen Initiativen vor Ort ein-nehmen. Ein besonderer Schwerpunkt wirdauch weiterhin in den Bereichen Berufsbildungund Beschäftigung liegen.

ThematischeEinführung

Qualität ist kein Ding, sie ist ein Ereignis.(Robert M. Pirsig: Zen und die Kunst einMotorrad zu warten, 246)

1. Einführung: Am Wendepunkt

Die Schnittstelle Bildung / Beruf ist in zweifacherHinsicht ein sensibler Wendepunkt: sie bedeuteterstens für junge Menschen den zeitlichen Über-gang von Schule oder Ausbildung in den Arbeits-kontext, der ein höheres Maß individueller Kom-petenzen und Verantwortung erfordert als zu-vor. Zweitens verlangt diese Schnittstelle imRahmen beruflicher Weiterbildung und lebens-langen Lernens den immer neuen Transfer einerBildungssituation in die Arbeitspraxis, die sich oftals komplexer und unsicherer darstellt als dievorbereitende Weiterbildungsmaßnahme. Soentstehen häufig Bruchstellen, der Übergangmisslingt und pädagogische Interventionen sindim Arbeitsalltag nicht tragfähig. Ausgrenzungund Diskriminierung sind auch Folgeerscheinun-gen dieser Brüche: auf der einen Seite die „Ver-lierer“, die mit der Vielfalt und Dynamik des mo-dernen Arbeitsmarktes nicht mithalten könnenund zudem kollektiv als Sündenböcke für gesell-schaftliche Problemlagen herangezogen wer-den. Auf der anderen Seite die „Vereinfacher“,die sich in ihrer Verunsicherung an stereotypi-sierende Schemata halten und mit ausgrenzen-den und diskriminierenden Positionen versu-chen, ihre eigene Identität aufrecht zu erhalten.Für die Zusammenarbeit in Unternehmen hatdies unter anderem zur Konsequenz, dass indi-viduelle wie auch kollektive bzw. Team-Poten-ziale und Ressourcen verloren gehen.Damit die Schnittstelle Bildung / Beruf nicht zurbiographischen Bruchstelle wird und den Ar-beitsmarkt insgesamt belastet, muss sie syste-matisch begleitet werden. Die ProgrammeEQUAL und XENOS stellen sich dieser Heraus-forderung mit der Förderung von Maßnahmen,die • individuelle Ressourcen stärken, • präventiv Ausgrenzung vorbeugen und • systematisch eine Verankerung von Toleranz

in Unternehmen anstreben.

Sie ermöglichen es den Beteiligten damit, Viel-falt als Bereicherung zu erkennen und produktivan der offenen Zukunft einer „multikulturellenGesellschaft“ mitzuwirken.Damit diesem Anspruch umfassend und nach-haltig Rechnung getragen werden kann, bedarfes einiger Anforderungen, die in ihrer Syste-matik eine hohe Qualität geeigneter Maß-nahmen garantieren. Sie liegen vor allem in derVerantwortung von Projektträgern und lassensich in drei Bereiche aufgliedern:

Bewusstsein über das eigene Handeln:Klarheit über die Ziele und das zugrundeliegende Welt- und Menschenbild sowieBegrenzung der Maßnahme Durchführung einer geeignetenIntervention: Angemessenheit didaktischerGrundsätze sowie systemische Integrationfür nachhaltige VeränderungEvaluation der Maßnahme: AngemesseneReflexion mit hoher Nutzenorientierungsowie bewertende Darstellung von Erfolgenund Grenzen nach außen

Für jeden dieser Bereiche werden nachfolgendQualitätskriterien vorgestellt, auf die je nachkonkreten Anforderungen und entsprechenderMaßnahme fokussiert werden sollte. Sie stellenLeitlinien und Optionen dar, die sich in der Praxisimmer wieder aufs Neue bewähren müssen.

2. Qualitätskriterien

2.1 Bewusstsein – eigenes Handeln klären

Zielbestimmungen

In Qualifizierungsmaßnahmen existieren häufigkeine ausgesprochenen Ziele oder sehr allge-meine Ziele wie „Qualifizierung fördern undBeschäftigung schaffen“, die nicht eindeutigoperationalisierbar sind und eine Vielzahl vonMöglichkeiten der Intervention eröffnen. Ziel-bestimmungen werden mit der Evaluation häu-fig erst im Nachhinein aufgestellt und gebendann den Status Quo von Programmen und Pro-jekten wieder. Eine Präzisierung von Zielen istjedoch bereits in der Planung nötig und

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Konfliktfähige Toleranz – Qualitätskriterien für

die schulische und berufliche QualifizierungFlorian M. Wenzel

Thematische Einführung

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erfordert eine umfassende Diskussion mit denBeteiligten und Betroffenen einer Maßnahme,um die eigene Arbeit zu systematisieren, zu pro-filieren und abzugrenzen. In den Zielen wirdformuliert, welche Möglichkeiten in dem Arbeits-kontext gegeben sind. Die Formulierung vonZielen, die diesen Anforderungen entsprechen,ist eine umfassende und intensive Arbeit (Beywl /Schepp-Winter 1999). Gut formulierte Ziele stel-len eine handlungsleitende Orientierung dar, diezur systematischen Planung wie Optimierungeines bestehenden Bildungsprojektes anregen. Zielformulierungen beinhalten eine weitereBrisanz. Bildung und das pädagogische Selbst-verständnis beginnen mit einem Paradoxon,welches immer wieder beiseite geschoben undverdrängt wird, um pragmatisch handlungsfä-hig zu bleiben. Erziehung hat etwas mit der Frei-heit des Menschen zu tun und kann sich nicht intechnischen Machbarkeitsvorstellungen er-schöpfen: „Bildung wird in der geisteswissen-schaftlichen Tradition als Emanzipation, imResultat also als Freiheit begriffen“ (Luhmann2002, S. 196). Maßnahmen gegen Fremdenfeind-lichkeit und Rassismus müssen dennoch mitbestimmten Inhalten operieren und befindensich innerhalb eines bestimmten gesellschaft-lichen Wertekontextes. Doch gerade in par-tizipatorischen und erfahrungsgebundenenLernarrangements wird immer deutlicher, dassdiese Inhalte nur Angebote und Rahmen seinkönnen, innerhalb derer die Lernenden ihreeigene Wirklichkeit anschließen und ihre Per-spektiven und Bedürfnisse in gegenseitigen Aus-tausch bringen. Neben inhaltlichen Zielen wer-den als übergeordnete und „eigentliche“ Zieleim Gegenstandsfeld Autonomie und Freiheitsichtbar, die nicht direkt erreicht werden kön-nen und paradoxerweise durch klare inhaltlicheZiele ersetzt werden müssen, wenn pädagogi-sche Maßnahmen greifen sollen. Ein geschärftesBewusstsein für diese Grundparadoxie ist nötig,wenn Förderung interkultureller Toleranz nichtals einmalig umsetzbares Programm verstandenwerden soll, sondern als Befähigung zu Eigen-verantwortung und Selbstorganisation, diedurch pädagogische Maßnahmen wohl ange-stoßen, aber nicht ersetzt werden kann.

Weltbild

Der Blickwinkel auf Einstellungen und Verhaltenist häufig defizitorientiert und auf das Problem-verhalten fokussiert. Demgegenüber fehlenUntersuchungen, „die die Bedingungen vonProblemfreiheit oder wenigstens von relativerProblemferne untersuchen. Gerade für die so-zialarbeiterische und pädagogische Praxis dürf-ten Antworten auf die Frage, was Distanz zuoder Abwendungen von antidemokratischenEinstellungen und Problemverhalten bewirkt,viel weiterführender sein“ (Möller 2002, S. 179).Insbesondere im Kontext beruflicher Bildungund der Diskussion um das Anti-Diskriminie-rungsgesetz wird deutlich, dass es eines Ansat-zes bedarf, der bestehende Bemühungen wür-digt und es gerade Unternehmen ermöglicht,entsprechende Maßnahmen als integralen undpositiven Bestandteil ihrer Weiterbildung dar-zustellen. Als Qualitätskriterium der Konzeptionentsprechender Programme ist darauf zu ach-ten, eine umfassende Wertschätzung anzule-gen und den Fokus auf die Funktionsfähigkeitvon Gesellschaft zu richten (Cooperrider /Whitney / Stavros 2003). Der Ausgangspunkt einer problemzentriertenSichtweise ist grundsätzlich nachsorgend,indem er den Fokus auf das richtet, was nicht(mehr) funktioniert, was als Mangel oder Defiziterkennbar ist. Mögliche Veränderung wird nurdort gesehen, wo konkret Probleme zu lokali-sieren sind, die beseitigt werden können. Diewertschätzende Orientierung fokussiert dem-gegenüber zunächst auf das, was bereits gutfunktioniert bzw. gegen Probleme immunisiert (Bertelsmann Stiftung 2005). Dies ist oft nicht sodeutlich und offensichtlich erkennbar wieDefizite oder Mängel. Deshalb sollten in Maß-nahmen zur Förderung interkultureller Toleranzzunächst die Ressourcen und Motivationen derMenschen in den Blick genommen werden, dieals Zielgruppen in Frage kommen. Dieser Aus-gangspunkt ist zukunftsorientiert, indem er aufdas fokussiert, was als sinnvolle Bestandteilevon Gegenwart in der Zukunft weiter bestehenkann.

ThematischeEinführung

Menschenbild

Neben dem Weltbild, das heißt, dem grundsätz-lichen Selbstverständnis der Herangehensweisean die eigene Arbeit, ist die Frage des Menschen-bildes relevant. Es gilt, implizite und verborgeneAnnahmen über das eigene Menschenbild auf-zudecken und bewusst zu machen. Eine Ausei-nandersetzung damit innerhalb einer Maßnah-me kann helfen, besser zu begreifen, mit wel-cher Veränderungsabsicht gearbeitet wird.Jedes der Menschenbilder hat bestimmte Chan-cen und Grenzen. Eine typologische Einordnunglässt sich durch die Unterscheidung von viergrundlegenden Menschenbildern (König /Vollmer 2000) erreichen.

EigenschaftsmodellNach dem Eigenschaftsmodell werden demMenschen weitgehend unveränderlicheEigenschaften, die unabhängig von äußerenVeränderungen oder Einflüssen sind, zuge-schrieben. Diese verleihen einen individuel-len, stabilen Charakter, der für entsprechen-de Verhaltensweisen disponiert ist. DasModell geht von einem (weitgehend) unver-änderlichen Ist-Zustand des Menschen aus.Um funktionierendes und tolerantes Zu-sammenleben zu erreichen, muss eine kon-struktive Rollenverteilung und Interaktions-möglichkeit der unterschiedlichen Charak-tere gefunden werden. Toleranz verwirklichtsich nach diesem Menschenbild dann, wennes gelingt, etwa in einer Schulgemeinschaftoder einem Betrieb dergestalt zusammen-zuwirken, dass sich Rollen, Aufgaben undEigenschaften ideal decken und so ein pro-duktives Miteinander gestaltet werden kann.

VerhaltensmodellMenschen handeln situationsspezifisch undkontextabhängig. Das Verhaltensmodellsieht in seiner ausgeprägten Form den Men-schen darauf Bezug nehmend als Maschine,als black box, in der Umweltreize nach ei-nem bestimmten Mechanismus verarbeitetwerden und dann zu bestimmten Reaktio-nen führen. Dieses Modell geht davon aus,

dass der Mensch konditioniert, intolerantesVerhalten „verlernt“ und tolerantes Ver-halten durch positive Verstärkung gefestigtwerden kann. Das Ziel einer tolerantenGesellschaft wird dadurch erreicht, geeig-nete externe Anreize zu schaffen, die dasVerhalten in Richtung Toleranz steuern. Fürdie Praxis von Bildungsprogrammen bedeu-tet dies unter anderem, den Fokus auf Re-geln und Werte für einen toleranten gesell-schaftlichen Umgang miteinander zu rich-ten und diese wiederholt zu trainieren.

InteraktionsmodellMenschen reagieren nicht nur in maschinen-artiger Weise auf äußere Reize, sondern deu-ten das Verhalten anderer. Die Linearität desVerhaltensmodells findet dort ihre Grenze,wo über Verhalten reflektiert und dieses auf-grund individueller biographischer Erfahrun-gen eingeordnet, verarbeitet und mit Be-deutung ausgestattet wird. Es werden ent-sprechende Wirklichkeitskonstruktionenreflektiert und deren Konsequenzen the-matisiert. Lernen wird nicht als Vermittlungvon Inhalten, sondern als Reflexion eigenerDeutungen betrachtet, die weder richtignoch falsch sind. Sie sind in ihrer sinnhaftenKohärenz aufgrund biographischer Erfah-rungen ernst zu nehmen und in ihrer Diffe-renz anzuerkennen. In der konkreten Bil-dungsarbeit können unterschiedliche Kon-struktionen interagieren und in der Pluralitätihrer Perspektiven anerkannt werden. Aufnormative Wahrheit wird zugunsten vonDeutungsvielfalt verzichtet. Nicht richtigesoder falsches Wissen und Handeln steht zurDebatte, sondern die kritische Hinterfra-gung verschiedener Einstellungen gegen-über der Wirklichkeit. Die pädagogischePraxis versucht über dieses Menschenbildvor allem, das reflexive Aufbrechen stereo-typer und einseitig selbstversicherter Welt-sichten zu fördern.

SystemmodellWährend Eigenschaften, Verhaltensweisenund Interaktionen, zumindest prinzipiell

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Thematische Einführung

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kausal, nach dem Prinzip von Ursache undWirkung zu erklären sind, ist dies in der Be-trachtung von Wechselwirkungen innerhalbvon Systemen nicht mehr möglich. Die ge-genseitige Beeinflussung von vielen Fakto-ren der Wahrnehmung und Handlung undReflexion darüber führt zu einer Eigenwirk-lichkeit, die nicht mehr aus den Komponen-ten ableitbar und damit auch prinzipiell un-vorhersehbar ist. Damit verschiebt sich in derpädagogischen Praxis der Blick vom Indivi-duum hin zum sozialen System. Es geht da-rum, die Selbstorganisationsfähigkeit einessozialen Systems zu ermöglichen. Toleranzist in der Zielbestimmung keine Eigenschaftoder Handlung von Individuen, sondern dieFähigkeit eines selbstorganisierten Systems,Differenz zu integrieren und sich weiter zuentwickeln.

Die Analyse verdeutlicht die Notwendigkeiteiner theoretischen Klärung der pädagogischenArbeit. Kohärente Bildungsprogramme müsseneine Balance zwischen einer individuellen undeiner systemischen Sichtweise erreichen sowiejeweils neu entscheiden, welche Interventionsie vor dem Hintergrund welchen Menschen-bildes einsetzen wollen. Trainerinnen, Trainerund Projektverantwortliche müssen innerhalbihrer Ausbildung Selbstreflexion über ihr eigenesMenschenbild betreiben und damit eine Trans-parenz und Systematisierung ihrer pädagogi-schen Praxis vorweisen können.

2.2 Durchführung – Verankerungermöglichen

Lerntheorie und Didaktik

Die didaktische Umsetzung der Inhalte und Ziel-vorstellungen ist von zentraler Bedeutung. Derlerntheoretische und didaktische Ansprucherschöpft sich nicht in der Performanz einermethodischen Vielfalt und zahlreichen Inter-aktionsformen, die theoretisch jedoch unreflek-tiert bleiben und den je spezifischen Lernkon-text nicht integrieren. Im Folgenden werden

zwei unterschiedliche Herangehensweisen vor-gestellt, die sich in ihrer Schwerpunktsetzungund Interventionsstrategie grundsätzlichunterscheiden.

Wissen und Orientierung In Maßnahmen dieser Art steht die Vermitt-lung von Wissen und Kompetenz im Vorder-grund. Deshalb wird hier auf Werte fokus-siert, die einen normativen Grundrahmen fürden demokratischen Umgang miteinanderbilden. Konfliktfähigkeit und Toleranz wer-den so als Handwerkszeug für erfolgreichesHandeln verstanden. Viele Bildungspro-gramme im Gegenstandsfeld fühlen sichdiesem Ursprung politischer Bildung ver-pflichtet und spitzen ihn zu. Sie sehen diedidaktische Aufgabe ihrer pädagogischenInterventionen im Angebot von Orientie-rung und Bestätigung richtigen Handelns:Lernen bedeutet dabei den Erwerb geeig-neten Wissens und das Einüben von Kom-petenzen, um intoleranten Einstellungenund Handlungen begegnen und diese damitminimieren zu können. Didaktik zielt inner-halb dieses Ansatzes darauf, das Richtigeaufzuzeigen, positiv zu verstärken und dasFalsche zu eliminieren. Implizit liegt dieserDidaktik die Vorstellung der Möglichkeit ei-ner gezielten Verbesserung gesellschaftli-cher Missstände – etwa Rechtsextremismus –durch das jeweilige pädagogische Angebotzugrunde. Durch Fakten, Normen und Kom-petenzen soll Intoleranz systematisch ver-ringert und die zivilisatorische Errungen-schaft demokratischen Miteinanders weiterausgebaut werden.

Reflexion und Irritation Didaktisches Vorgehen ist in diesem Ansatzdurch Irritation und Provokation der Lernen-den gekennzeichnet. Hier geht es darum, dasSelbstverständnis der Lernenden kritisch zuhinterfragen und sie zur Selbstreflexion an-zuregen. Die Auseinandersetzung und Kon-frontation mit den Perspektiven von anderenwird dabei zum didaktischen Prinzip. Ziel istdie (selbst)kritische Auseinandersetzung mit

ThematischeEinführung

gegenstandsrelevanten gesellschaftlichenStrukturen (struktureller Rassismus) sowiemit der eigenen Rolle innerhalb gesellschaft-licher Kontexte. Ausgehend von der Kritiktraditioneller politischer Bildung in den1960er Jahren werden Erschütterungen deseigenen Selbstverständnisses und die Kon-frontation mit anderen Perspektiven als sinn-volle didaktische Mittel erachtet, um gesell-schaftliche Zustände zu hinterfragen undzur allgemeinen Aktivierung durch Politisie-rung neuer gesellschaftlicher Bereiche bei-zutragen. Intoleranz wird deshalb nicht inmangelnder zivilisatorischer Urteilsfähigkeitlokalisiert, sondern in der Erstarrung indivi-dueller Handlungsmuster und gesellschaft-licher Strukturen, die keinen Raum für Verän-derung bieten. Toleranz-Lernen bedeutethier also die Relativierung eigener vermeint-licher Gewissheiten durch einen Prozess derKonfrontation mit anderen Perspektiven.Dies ermöglicht eine höhere Flexibilität imUmgang mit neuen Situationen in unter-schiedlichen und ungewohnten sozialenKontexten. Der Blick wird hier weniger aufdas (falsche) Verhalten anderer gerichtet,sondern die eigenen Einstellungen werdenreflektiert und zum Ausgangpunkt individu-eller Veränderung. Eine solche Didaktik ori-entiert sich nicht an Wissen und Kompetenz,sondern setzt auf Reflexionsfähigkeit, Eigen-verantwortung und Selbstorganisation derZielpersonen. Eine tolerante Gesellschaft istnach diesem Ansatz gegeben, wenn einemaximale Flexibilität im Umgang mit immerneuen Situationen besteht und Andersartig-keit grundsätzlich als positive Herausforde-rung gesehen wird. Ziel ist nicht, andere vonrichtigen Einstellungen und richtigem Ver-halten zu überzeugen, sondern durch eineeigene größere Anzahl an Handlungsoptio-nen konstruktiv mit Konflikten umgehen zukönnen. Exemplarisch wird dies in möglichstheterogen zusammengesetzten Gruppengeübt, die innerhalb pädagogischer Inter-ventionen ihr soziales Verhalten innerhalbeines Gruppenprozesses in Hinblick auf Vor-urteile und Konflikte thematisieren.

Es muss aus lerntheoretischer und didaktischerSicht je neu entschieden werden, welcheSchwerpunktsetzung den Maßnahmenzielendient. Orientierung kann zur Verfestigung be-stehender Vorannahmen und Vorurteile führenund damit dem entgegenwirken, was erreichtwerden soll. Umgekehrt kann der Fokus aufIrritation und Reflexion nur dann sinnvoll sein,wenn die eigene Identität soweit gesichert ist,um aus Verunsicherung produktive Lernmo-mente zu ziehen. Theoretisch ist eine paradoxeVorgehensweise zu fordern: zunächst die Ver-mittlung von Wissen und Kompetenzen unddann deren Hinterfragung, um zu eigenverant-wortlichem und selbstorganisiertem Handelnam Wendepunkt zwischen Bildung und Berufbeizutragen (vgl. Zielbestimmung Autonomieund Verantwortung).

Nachhaltigkeit

Maßnahmen gegen Rassismus undFremdenfeindlichkeit dürfen nicht isoliertbetrachtet werden. Damit sie nicht als Einzel-projekte ohne Konsequenzen für die Systemebleiben, in die sie eingebettet sind, sollten ver-schiedene Möglichkeiten der Durchführungimplementiert werden:

Fragmentierung überwindenIm Zusammenhang mit schulischer Bildunggilt es, vorbereitende Maßnahmen an derSchnittstelle zum Beruf mit dem Zusam-menwirken relevanter Akteure zu kom-binieren (Sachverständigenrat für Zuwan-derung und Integration, S. 270 ff). Bildungerschöpft sich nicht in geeigneten Ange-boten für Schülerinnen und Schüler. Lehrer-bildung, Elternarbeit sowie vor allem einesystematische Schulentwicklung sind not-wendig, um umfassend die Werte und An-sprüche widerzuspiegeln, die für die Ziel-gruppe der Schüler notwendig sind. Nur sokann eine „Behandlung“ von Zielgruppenvermieden werden, über die Symptomebekämpft, aber Ursachen nicht angetastetwerden.

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Thematische Einführung

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Zusammenarbeit stärkenKooperationen zwischen Bildungseinrichtun-gen und arbeitsmarktrelevanten Akteurenvor Ort sollten gestärkt werden, um konkreteUmsetzungsmöglichkeiten jenseits von indi-vidueller Sensibilisierung für die Thematik zuerreichen. Der Ansatz des „Service Learning“(Sliwka 2004) stärkt pädagogische Maßnah-men durch Verantwortungsübernahme fürkonkrete Projekte in der Gemeinde. Somitwird eine Kultur der Toleranz nicht isoliert imKlassenzimmer gepflegt, sondern umfassen-der sichtbar, indem auf Herausforderungenvor Ort reagiert und damit Demokratie erleb-bar gemacht wird. Zudem ermöglicht dieseÖffnung von Schule neue Chancen für Jugend-liche, in Ausbildung und Beruf zu gelangen.Ähnlich sollten in Betrieben und Unterneh-men konkrete Umsetzungsprojekte initiiertwerden, die sich aus der Sensibilisierung ge-gen Diskriminierung und für Toleranz erge-ben haben. Hierzu können bekannte Metho-den aus der Unternehmensberatung undOrganisationsentwicklung (Fänderl 2005)eingesetzt werden, die auf die strukturelleVeränderung von Unternehmen ausgerichtetsind. Dies ist insbesondere wichtig, da Maß-nahmen gegen Diskriminierung oft auf derEbene von Auszubildenden und Ausbilderin-nen und Ausbildern verbleiben und ins-gesamt keinen systemischen Einflussausüben.

Beratung und BegleitungEine individuelle Begleitung und Beratungvon Zielgruppen erhöht die Chancen nach-haltiger Veränderung. Neben einer Sensibi-lisierung bietet dies die Möglichkeit, indivi-duelle Lebensperspektiven und beruflicheZiele zu verfolgen und die Verpflichtunganzunehmen, diese umzusetzen. DurchRessourcen- und Kompetenzprofile sowieSupervision kann eine erhebliche Intensi-vierung von Maßnahmen erreicht werden.Dies gilt einerseits für Jugendliche in Schuleund Ausbildung und andererseits auch fürMultiplikatoren in Schlüsselpositionen. Siesollten im Rahmen von Maßnahmen je indivi-

duelle Umsetzungspläne für ihren Verant-wortungsbereich erarbeiten.

2.3 Evaluation – Erkenntnisse nutzen

Wirkungen

Evaluation wird häufig als Verunsicherung er-lebt, wird von außen an Bildungskontexte he-rangetragen und ist in Begrifflichkeit wie An-spruch unklar. Strukturelle und organisatorischeBedingungen stellen für Evaluatoren eine Er-schwernis dar, Daten zu erheben. Wenn Rollen-verteilungen, Hierarchieebenen und Beziehun-gen untereinander unklar oder konfliktgeladensind, erhebt sich Widerstand gegen Evaluation.Im Folgenden werden vier Qualitätskriterien fürein Verständnis von Evaluation aufgezeigt, diesich für die Untersuchung von Maßnahmen zurFörderung von interkultureller Toleranz eignen(ausführlich Uhl / Ulrich / Wenzel 2004):

Reflexion der Werte und Ziele dessen, wasevaluiert wirdEvaluation muss in Zielstellung und Methodezu den Ansprüchen des Leitziels „interkultu-relle Toleranz“ „passen“. Dies ist nicht im Sin-ne eines Erfüllungsgehilfen zu verstehen,sondern in der Konsistenz der Werte und Zie-le. Evaluation scheitert bisher häufig, weil siein Vorgehen und Erhebung als „intolerant“erlebt wird und Werte wie Transparenz undOffenheit vermissen lässt. Evaluation sollteim besten Falle partizipativ vorgehen undschon in der Erarbeitung einer Evaluations-frage alle Beteiligten und Betroffenen (sta-keholder) mit einbeziehen und sie ermäch-tigen, den Evaluationsprozess weitgehendselbst in die Hand zu nehmen. Die interkul-turelle Perspektive in der Durchführung vonEvaluation und das Finden geeigneter Evalua-tionsmethoden für interkulturelle Zielgrup-pen ist dabei von besonderer Bedeutung.

Wertschätzende PerspektivePolitische Bildung fokussiert häufig auf ge-sellschaftliche Probleme und Kontexte, die

ThematischeEinführung

als defizitär erlebt werden. Diese Defizit-orientierung versperrt den Blick auf kreati-ves Innovationspotenzial. Evaluation ver-stärkt diese Abwärtsspirale, indem sie nurnach dem fragt, was nicht funktioniert.Wertschätzende Evaluation dagegen setztan dem Potenzial an, das bereits sichtbar ist,nutzt und bestärkt es, um in der Konsequenzzu Handlungen und Aktionen zu motivieren,die sich auf positiven Erfahrungen gründen.

Verortung in Reflexion, Dokumentation vonInnovation und Förderung von PotenzialEvaluationen werden häufig in Auftrag ge-geben, um Wirkungen und gesellschaftlicheVeränderungen wissenschaftlich darzule-gen. Dieser Anspruch an Evaluation ist – vorallem bei begrenzten Ressourcen – kaum jeeinlösbar. Evaluation sollte sich an demNutzen für die Beteiligten und Betroffenenorientieren und deshalb eine klärende unddokumentierende Funktion übernehmen.Evaluation ist häufig die erste systematischeReflexionsmöglichkeit von Zielen, Konzep-ten und Erfolgskriterien für die eigene Ar-beit. Dies kann motivieren, Kräfte zu bün-deln und in konkretere Richtungen zu len-ken. Zudem erfüllt sie damit die Funktionvon Organisationsentwicklung, die zurstrukturellen Qualitätssteigerung entspre-chender Projekte beiträgt.

Integration Beteiligter und Betroffener inEvaluationsprojekteEvaluation sollte ihrem Anspruch nach keineexterne Bewertung sein, sondern von Betei-ligten und Betroffenen selbst in die Handgenommen werden. Um Selbstevaluation zuermöglichen, ist damit ein pragmatischerund handlungsorientierter Umgang mit Vor-gehen und Erhebungsmethoden nötig. Zieleiner Evaluation von Qualifizierungsmaß-nahmen ist nicht eine quasi wissenschaft-liche Darlegung von Messdaten, sondern diesoziale Vernetzung unterschiedlicher Per-spektiven, die als hilfreich für die eigeneArbeit erlebt wird. Deshalb sollte das metho-dische Vorgehen möglichst eng an den

pädagogischen Kompetenzen der Betei-ligten und Betroffenen ausgerichtet sein.

So verstanden hat Evaluation selber Bildungs-wirkung, sie lässt sich nicht unabhängig vondurchgeführten Maßnahmen denken. Evalua-tion wird zur Grundlage von neuen Lernerfah-rungen und trägt zur Systematisierung undAkzeptanz von Maßnahmen bei.

3. Schlussbemerkung: es ereignet sich...

Qualität hat Kriterien. Diese lassen sich benen-nen. Deren Umsetzung erschöpft sich jedochnicht in technischer Anwendung oder Befolgungbestimmter Regeln. Qualität zeigt sich im Pro-zess der jeweiligen konkreten Gestaltung. Sie istdamit nicht als Rezept zu haben – sie ist einEreignis im Zusammenwirken von Institutionen,Programmen und Personen im konkreten Kon-text. Es bedarf also einer langfristigen und brei-ten Etablierung einer Kultur der Toleranz, dieimmer neue Anknüpfungspunkte findet unddurch die gegenseitige Stützung einzelner Pro-jekte im Bewusstsein der Gesellschaft verankertwird. Toleranz als Leitziel ist wie auch Qualitätselbst kein Ding oder Stempel, der vergebenwerden kann, sondern eine gemeinsame undimmer neue Anstrengung in der Auseinanderset-zung mit Vielfalt und Konflikten.Die in dieser Broschüre dargestellten Beispieleguter Praxis verdeutlichen, wie dies umgesetztwerden kann und lassen zahlreiche Kriterienerkennen, die in diesem Beitrag vorgestelltwurden. Sie füllen die Anforderungen mit Lebenund zeigen, welche Wege in der konkretenSituation unserer Gesellschaft mit ihren Wende-punkten und Bruchlinien auf dem Weg zur Etab-lierung interkultureller Toleranz gangbar sind.14

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Literatur

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Thematische Einführung

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Kurzvorstellung Autor:

Florian M. [email protected] der politischen Theorie, Philosophieund Erwachsenenpädagogik in Edmonton(Kanada), Essex (Großbritannien) und der Hoch-schule für Philosophie SJ, München. ZertifizierterProzessbegleiter für Open Space und Appre-ciative Inquiry. Von 1999 - 2003 wissenschaft-licher Mitarbeiter des Projektes „Demokratieund Toleranz“ am Centrum für angewandtePolitikforschung (CAP) München. 2003 Mit-gründung der „Akademie Führung & Kompe-tenz“ am CAP (www.cap-akademie.de). Arbeits-schwerpunkte: Toleranz- und Demokratie-Ler-nen, wertschätzende Prozessbegleitung,partizipative Evaluation.

ThematischeEinführung

1. Interkulturelle Kompetenz: einewichtige Ressource für eine gelingendeGesellschaft in kultureller Vielfalt

Die gesellschaftliche Realität der Bundesrepu-blik Deutschland ist seit mehr als 40 Jahrendurch einen dauerhaften Prozess des Zusam-menlebens von einheimischen und zugewan-derten Menschen gekennzeichnet. Dennoch istdem Thema Integration und inter-ethnischeBeziehungen lange Zeit ebenso wenig Aufmerk-samkeit geschenkt worden wie dem Themainterkulturelle Kompetenz. Begründen lässt sichdies damit, dass die Anwerbung von „Gastarbei-terinnen und Gastarbeitern“ Mitte der 50er bisAnfang der 70er Jahre mit dem arbeitsmarkt-politischen Ziel erfolgte, den Arbeitskräfteman-gel in der Bundesrepublik zu beheben. Einedauerhafte Niederlassung der angeworbenenArbeitsmigrantinnen und -migranten warpolitisch nicht beabsichtigt. Folglich wurde dieNotwendigkeit einer umfassenden gesellschaft-lichen Integrationspolitik und die Förderungvon interkultureller Kompetenz als wichtigeGestaltungsressourcen für das Zusammenlebenund Zusammen(auf)wachsen von Einheimi-schen und Zugewanderten weder gesehennoch angestrebt. Der Anwerbestopp von 1973führte zu einem verstärkten Familiennachzug.Mit der Geburt von Kindern und dem Aufwach-sen von Migrantenjugendlichen der zweitenund dritten Generation entwickelte sichDeutschland zu einer multi-ethnischen Zu-wanderungsgesellschaft.

Die Frage nach der Integration der Zugewan-derten wurde zunächst aus der Perspektive ihrerEingliederung in und ihrer Anpassung an diebundesrepublikanische Gesellschaft erörtertund als eine von Migrantinnen und Migrantenselbst zu erbringende Leistung eingefordert.Die Rolle und der Beitrag der einheimischenBevölkerung sowie der für die Bewältigung desLebensalltags wichtigen Akteure aus Institutio-nen, Einrichtungen und Organisationen wie z.B.Kindergarten, Schule, Ausbildungsbetriebe,Unternehmen, öffentliche Verwaltungen etc.wurde hingegen weitgehend ausgeklammert.

Erst seit wenigen Jahren erfolgt hier ein Perspek-tivenwechsel. Er setzt an der Erkenntnis an, dassder Erfolg und die Produktivität einer inter-eth-nischen Gesellschaft wesentlich davon beein-flusst sind, inwieweit es gelingt, Integration alseinen wechselseitig befruchtenden Soziali-sations-, Lern- und Erfahrungsprozess zu gestal-ten, an dem Zugewanderte und Einheimischegleichermaßen beteiligt sind. Dieser Perspekti-venwechsel beinhaltet eine Abkehr vom Defizit-ansatz, der Integrationsprobleme ausschließ-lich auf Seiten der Zugewanderten verortet,ohne die einheimische Bevölkerung in den Blickzu nehmen. Er lenkt die Aufmerksamkeit darauf,dass ein kompetenter wechselseitiger Umgangmiteinander eine wesentliche Voraussetzungfür eine hohe soziale Qualität und ökonomischeProduktivität des inter-ethnischen Zusammen-lebens und -arbeitens in kultureller Vielfalt ist.Dies setzt bei Individuen, Betrieben und öffent-lichen Verwaltungen entsprechende Erfahrun-gen und Kompetenzen – interkulturelle Kom-petenzen – voraus.

2. Interkulturelle Kompetenz: was ist das?

Je nach Berufsfeld und Tätigkeitsbereich gibt esspezifische Definitionen von interkulturellerKompetenz. Weitgehende Einigkeit besteht inder Einschätzung, dass es sich um eine Schlüs-selqualifikation handelt, ohne die gegenwär-tige wie auch zukünftige wirtschaftliche undsoziale Herausforderungen einer multi-ethni-schen Gesellschaft kaum zu lösen sind(Schlevogt 2003, S. 1).

Interkulturelle Kompetenz zählt zu den sozialenKompetenzen, die es Einzelpersonen und insti-tutionellen Funktionsträgern ermöglichen, impersönlichen Alltag wie auch in einem beruf-lichen Handlungsrahmen eine verständigeKommunikation und Interaktion mit Personenaus anderen Kulturkreisen herzustellen. Inter-kulturelle Kompetenz bezieht sich auf Einhei-mische und Zugewanderte und beinhaltet:wechselseitige Wertschätzung, vorurteilsfreieOffenheit, Empathie, Aufgeschlossenheit,Anerkennung und Respekt sowie die Bereit-

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Stärkung interkultureller Kompetenzen in

Verwaltung und UnternehmenDr. Iris Bednarz-Braun, Dr. Ursula Bischoff

Thematische Einführung

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schaft, sich lernend auf ungewohnte Verhaltens-weisen im Umgang miteinander einzulassen.Dazu gehört auch die selbstkritische Auseinan-dersetzung von Angehörigen der Mehrheitsge-sellschaft mit der eigenen Machtposition gegen-über Migrantinnen und Migranten. Ähnlich wiebei der Genderkompetenz wird interkulturelleKompetenz als eine Qualifikationsanforderungbeschrieben, die auf einer Sach- und Fachkennt-nis über sozialstrukturelle Ungleichgewichte inden Lebenslagen von Zugewanderten beruht,die es zu beheben gilt (Gültekin, S. 7).

3. Interkulturelle Kompetenz: eine Hand-lungsressource zur Bewältigung von Zu-kunftsaufgaben durch Unternehmen undVerwaltung

Bisher fehlt es an Daten über den Verbreitungs-grad und die Qualität von interkultureller Kom-petenz innerhalb der Bevölkerung sowie in wich-tigen Institutionen wie Unternehmen und Ver-waltungen. Aufgrund von Erfahrungsberichten,Einzelstudien sowie einem zunehmenden Ange-bot an branchenspezifischen Schulungen zurVermittlung interkultureller Kompetenz ist an-zunehmen, dass die Ressource „interkulturelleKompetenz“ noch keineswegs zum selbstver-ständlichen Allgemeingut in Deutschland ge-hört, sondern der Stärkung und Förderung be-darf. Diese Notwendigkeit leitet sich nicht alleinaus humanitären Gesichtspunkten ab, sondernerhält vor dem Hintergrund der abnehmendendemografischen Bevölkerungsentwicklung inDeutschland, der ökonomischen VerflechtungDeutschlands in globalen Strukturen sowie derfortschreitenden Europäisierung einen beson-deren arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Stel-lenwert. Investitionen in die Vermittlung voninterkultureller Kompetenz bei Zugewandertenund Einheimischen sind deshalb wichtige Gegen-warts- und Zukunftsinvestitionen, die den Hand-lungsrahmen zur konstruktiven Lösung von Pro-blemen und zur nachhaltigen Bewältigung vonHerausforderungen erweitern.

Um als Zuwanderungsgesellschaft attraktiv undkonkurrenzfähig zu sein, ist es nötig, dass in

Deutschland lebende sowie hinzuwanderndeMigrantinnen und Migranten nicht nur wegenihrer beruflichen Qualifikation geschätzt wer-den. Sie müssen auch ein soziales Klima vorfin-den, das ihnen ein unbehelligtes Leben ermög-licht: ohne Ressentiments, Vorurteile und An-feindungen wegen ihrer kulturellen Herkunftoder Hautfarbe. Deutschland muss sich als einLand präsentieren, das interkulturell kompetentist und positive inter-ethnische Beziehungennachweisen kann.

4. Interkulturelle Kompetenz in Betriebenund Unternehmen

Ein Teil der Betriebe und Unternehmen stelltsich bereits diesen Herausforderungen. Mithilfedes Konzepts „Managing Diversity“ wird einePersonalmanagement- und Führungsstrategiepraktiziert, die verschiedene (betriebswirt-schaftliche) Ziele und Aspekte kultureller Viel-falt umzusetzen versucht. Dies setzt interkul-turelle Kompetenz bei den betrieblichen Akteu-ren voraus.

Anfangs stand im Vordergrund, bei der jewei-ligen Produktentwicklung länderspezifischeVerhaltens- und Konsumgepflogenheiten zuberücksichtigen, um ein Produkt auf den ver-schiedenen weltweiten Absatzmärkten zu ver-kaufen und erfolgreiche Außenhandelsbezie-hungen herzustellen. Interkulturelle Trainingsvon Führungskräften dienten dem Zweck, siemit dem Denken und Handeln von Konsumen-tinnen und Konsumenten sowie von Koope-rationspartnern aus anderen Kulturkreisen ver-traut zu machen. Inzwischen gewinnen aberauch personalpolitische Überlegungen anBedeutung. Belegschaften in privatwirtschaft-lichen Großbetrieben aber auch in Klein- undMittelbetrieben sind bereits seit vielen Jahreninter-ethnisch zusammengesetzt und werdendies auch weiterhin sein. Deshalb wird interkul-turelle Kompetenz seit einiger Zeit auch denFührungsqualitäten zugerechnet. Um die Kohä-renz, Teamfähigkeit und die reibungslose Zu-sammenarbeit zu gewährleisten, bedarf eseines sozialen Betriebsgefüges und eines

ThematischeEinführung

Betriebsklimas, das auf wechselseitiger Aner-kennung und Respekt beruht. Die Novellierungdes Betriebsverfassungsgesetzes von 2001 hatden betrieblichen Akteuren dazu einen inte-grationspolitischen Handlungsrahmen eröffnet,der genutzt werden kann, um die inter-ethni-schen Beziehungen am Arbeitsplatz zu fördernund bei auftretendem Rassismus oder Fremden-feindlichkeit gegensteuernde Maßnahmen zuentwickeln. Inwiefern dieser gesetzliche Auf-trag im betrieblichen Alltag bereits handlungs-relevant geworden und in eine gemeinsamearbeitnehmer- und arbeitgeberpolitische Stra-tegie des Managing Diversity eingebunden ist,darüber liegen keine gesicherten Daten vor. Esist zu vermuten, dass die dazu benötigten inter-kulturellen Kompetenzen von Führungskräften,Arbeitnehmervertretungen und Beschäftigtenvielfach erst noch erworben werden müssen(Müller, S. 1).

Ein weiterer wichtiger Effekt des Diversity Mana-gement liegt darin, durch die interkulturelleAufgeschlossenheit und eine erfolgreiche Praxisvon inter-ethnischer Zusammenarbeit in Betrie-ben und Unternehmen neben der Zufriedenheitder Beschäftigten auch die Außenwirkung undAttraktivität des BeschäftigungsstandortesDeutschland im globalen Zusammenhang zuerhöhen. Angesichts der demografischen Ent-wicklung ist dies eine wichtige Voraussetzungzur Rekrutierung qualifizierten Personals undzur Sicherung einer hohen wirtschaftlichen Leis-tungsfähigkeit. Dazu gehört aber nicht nur derNachweis von interkultureller Kompetenz imSinne sozialer Kompetenz, sondern – wie beimGender Mainstreaming – auch eine wissensba-sierte und fachlich fundierte Kompetenz, die dieberuflichen Entwicklungs- und Aufstiegschan-cen von zugewanderten Beschäftigten in denBlick nimmt. Auf der Ebene von Betrieben undUnternehmen bedarf es deshalb betrieblicherIst-Analysen, die Aufschluss über die inner-betriebliche Stellung und innerbetrieblichenMobilitäts- und Zugangschancen zu qualifizier-ten und gut dotierten Arbeitsplätzen geben.Solche Ist-Analysen sind mit konkreten Zielver-einbarungen zur beruflichen Weiterentwick-

lung von inter-ethnischen Belegschaften zuverknüpfen, um zu gewährleisten, dass sich dieHerkunftskultur von Beschäftigten nicht nach-teilig auswirkt.

Nach den Daten des Sozioökonomischen Panelshaben sich die Beschäftigungsquoten von Mi-grantinnen und Migranten in un- und angelern-ten Tätigkeiten im Jahre 2003 gegenüber 1996verringert. Diese für die berufliche Förderungpositive Entwicklung bedeutet jedoch nicht,dass es zu einer Zunahme der Beschäftigten-quoten unter Facharbeiterinnen und -arbeiternsowie Meisterinnen und Meistern gekommenist. Vielmehr sprechen die Steigerungsraten inden mittleren und höheren Angestelltenberu-fen dafür, dass die Aufwärtsmobilität von Mi-grantinnen und Migranten weg von den BlueCollar- und hin zu den White Collar-Berufenführt. Hält dieser Trend an und orientieren sichinsbesondere die jungen Migrantinnen undMigranten der zweiten Generation an einer Auf-wärtsmobilität in Angestelltenberufen, dannwird es für (Industrie-)Betriebe notwendig sein,ihre Facharbeiterausbildung und ihre Angebotezur beruflichen Fort- und Weiterbildung stärkerals bisher für diese Zielgruppe zu öffnen. Diesgilt nicht nur für industrielle Großbetriebe, son-dern auch für Klein- und Mittelbetriebe, die ver-mutlich Konzepte des Managing Diversity bis-her kaum anwenden, so dass hier eine Stärkungund Förderung von interkultureller Kompetenzzukunftsweisend wäre (Müller, S. 1).

Im Zuge der EU-Osterweiterung wird es insbe-sondere für Klein- und Mittelbetriebe in Ost-deutschland notwendig sein, interkulturelleKompetenz zu erwerben, um ihre Leistungs-fähigkeit im nationalen und internationalenWettbewerb zu sichern. Mit dieser Zielsetzungschrieb das Ministerium für Arbeit, Soziales,Gesundheit und Frauen des Landes Branden-burg im November 2002 einen Ideenwett-bewerb aus, um die Aneignung interkulturellerKompetenz in Klein- und Mittelbetrieben ausarbeitsmarktpolitischen Überlegungen zu för-dern. Klein- und Mittelbetriebe sollen stärker alsbisher befähigt werden, Außenhandel mit Ost-

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europa zu betreiben, um auf diese Weise in Ost-deutschland Arbeitsplätze zu schaffen und zu-gleich mit einer inter-ethnisch zusammenge-setzten Belegschaft kompetent umzugehen(Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheitund Frauen des Landes Brandenburg 2002, S. 1).

5. Interkulturelle Kompetenz inVerwaltungen

Im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Betrie-ben und Unternehmen spielen interkulturelleKonzepte und Maßnahmen im Bereich der öf-fentlichen Verwaltung seit einigen Jahren einegrößere Rolle. Dies ist insbesondere in den Kom-munen der Fall, in denen es eine Vielzahl vonEinrichtungen und Dienstleistungen gibt, diesich an Personen mit Migrationshintergrundrichten bzw. die von letzteren ratsuchend inAnspruch genommen werden: Arbeitsamt, Be-rufsberatung, soziale Dienste für Migrantinnenund Migranten und Flüchtlinge, Jugendsozial-arbeit, Schule, Kindertagesstätten, Jugend-Frei-zeiteinrichtungen etc. Der eingangs benanntePerspektivenwechsel in der Integrationspolitik,der sowohl Zugewanderte als auch Einheimi-sche als am wechselseitigen Integrationspro-zess beteiligte Akteure in den Blick nimmt, fließtals zentrales Element in die Entwicklung inter-kultureller Ansätze ein. Mit der im Verlauf der90er Jahre gewonnenen Erkenntnis, dass sichDeutschland zu einer dauerhaften inter-ethni-schen Gesellschaft entwickelt, wächst zugleichdie Einsicht in die Notwendigkeit einer interkul-turellen Öffnung kommunaler Aufgaben, Dienst-leistungen, Planungs- und Umsetzungsprozesseim Verwaltungsablauf und Verwaltungshandeln.Inzwischen wird die interkulturelle Öffnung vonVerwaltungen als eine Aufgabe beschrieben, diesich nicht auf die Bereitstellung spezieller Bera-tungs- und Betreuungsangebote für Zugewan-derte beschränkt, sondern die als Querschnitts-aufgabe für das gesamte Verwaltungshandelnbetrachtet wird.

Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Jenach den spezifischen Gegebenheiten gestaltetsich der Prozess der interkulturellen Öffnung in

unterschiedlicher Weise und nimmt verschiede-ne Formen der Institutionalisierung an. Auch dieReichweite der Vermittlung von interkulturellerKompetenz und der Implementierung interkul-tureller Aufgaben in die unterschiedlichen Ver-waltungsbereiche differiert. „Bereits 1989 wurde in Frankfurt am Main dasAmt für multikulturelle Angelegenheiten einge-richtet. In Bonn gibt es neben dem Referat fürMultikulturelles auch eine Beauftragte für Multi-kulturelles, in Darmstadt ein interkulturellesBüro, in Hannover ein Referat für interkulturelleAngelegenheiten, in Köln ein interkulturellesReferat, in München eine Stelle für interkulturel-le Zusammenarbeit, in Offenbach eine LeitstelleZusammenleben, in Rüsselsheim ein interkultu-relles Büro und in Mainz ein interkulturelles Bürofür die Gleichstellung von Ausländern undDeutschen“ (Brandt/Lange 2001, S. 1).

Inhaltlich umfassen interkulturelle Ansätzenicht nur den alltäglichen und sozialen Nah-raum von Einheimischen und Zugewanderten,sondern ebenso werden die Verwaltungsstruk-turen selbst und die in ihnen agierenden Be-schäftigten miteinbezogen. Diese umfassendenKonzepte resultieren aus Erfahrungen, dass esnicht ausreicht, lediglich Beschäftigte von Ver-waltungen durch interkulturelle Trainings aufihre neue Aufgabe vorzubereiten. Diese Ver-mittlungsprozesse sind gleichwohl eine grund-legende Voraussetzung für eine kundenorien-tierte und effiziente Beratung, denn es hat sichin der Praxis gezeigt, dass die allgemeinen so-zialen Kompetenzen von Verwaltungsmitarbei-terinnen und -mitarbeitern häufig nicht ausrei-chen, um eine verständige Beratung von Bürge-rinnen und Bürgern mit Migrationshintergrunddurchzuführen. Vielmehr haben sie „(...) Men-schen aus verschiedensten Kulturregionen vorsich, deren Verständnis von der eigenen kultu-rellen Identität sich im Zielland häufig akzen-tuiert. Um klientenorientiert zu beraten, müs-sen die Beraterinnen und Berater in der Lagesein, Menschen aus verschiedensten Kult-urkreisen in ihrem Wahrnehmen, Denken,Fühlen und Handeln in kurzer Zeit zu verstehensowie flexibel und angemessen reagieren zu

ThematischeEinführung

können. Allein die Beherrschung der entspre-chenden Sprache reicht dazu nicht aus. Not-wendig ist dafür die Entwicklung interkultu-reller Handlungskompetenz“ (Institut fürKooperationsmanagement).

Damit interkulturelle Kompetenz und das Kon-zept der interkulturellen Öffnung von Verwal-tungen breite Wirkung entfaltet und nicht vonder Kompetenzentwicklung einzelner Beschäf-tigter allein abhängt, ist es erforderlich, die Ge-samtorganisation einer Verwaltung einschließ-lich Planung, Steuerung und Controlling so zugestalten, dass die Belange von einheimischenund zugewanderten Bürgerinnen und Bürgerngleichermaßen berücksichtigt werden (Lima-Curvello, S. 7). Um dies zu gewährleisten, habeneinige Modellprojekte damit begonnen, auch dieKompetenzen der vor Ort bestehenden Migran-tenselbstorganisationen sowie der Ausländer-beiräte in ihre konzeptionelle und praktische Auf-gabenentwicklung und -umsetzung einzube-ziehen (Teixeira 2004, S. 3; Lima-Curvello, S. 8).

Zu den verwaltungsinternen Aufgaben der inter-kulturellen Öffnung gehört darüber hinaus dieberufliche Qualifizierung und Beschäftigung von

Personal mit Migrationshintergrund. Dies er-fordert eine interkulturelle Personalpolitik mitkonkreten Zielvorgaben bzw. Zielvereinba-rungen. Hier besteht ein großer Handlungs-bedarf, denn mit einem Anteil von nur 2,6% sindausländische Jugendliche, die eine Berufsaus-bildung im öffentlichen Dienst absolvieren,deutlich unterrepräsentiert (Berufsbildungsbe-richt 2005, S. 89). Der öffentliche Dienst nimmtbisher keine beispielgebende Vorreiterrolle beider beruflichen Qualifizierung von Jugendlichenmit Migrationshintergrund ein, sondern hinktprivatwirtschaftlichen Betrieben seit Jahren hin-terher (Bednarz-Braun 2004, S. 208).

Bezogen auf die Beschäftigung von Migrantin-nen und Migranten im öffentlichen Dienst lie-gen keine auf das gesamte Bundesgebiet be-zogenen Daten vor. Lediglich für Nordrhein-Westfalen können aufgrund des Mikrozensusaus dem Jahr 1999 diesbezügliche Angaben ge-macht werden. Dabei zeigt sich, dass die Aus-länderbeschäftigtenquote im öffentlichenDienst bei nur 4,5% liegt, wobei der Ausländer-anteil in der öffentlichen Verwaltung mit 2,6%am niedrigsten ist. Vor dem Hintergrund dieserBefunde empfiehlt die Beauftragte der Bundes-

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regierung für Ausländerfragen in ihrem Bericht,„die Einstellung von Zuwanderern im öffent-lichen Dienst und insbesondere auch in den Ver-waltungen voranzutreiben und so ein Signal fürandere Beschäftigungsbereiche zu setzen“ (DieBeauftragte der Bundesregierung für Ausländer-fragen 2002, S. 307).

Abschließend lässt sich sagen: So lange dieSuche nach Best Practice-Beispielen für gelun-gene inter-ethnische Beziehungen und eine inder Praxis erfolgreich umgesetzte interkulturel-le Kompetenz notwendig ist, solange ist es er-forderlich, interkulturelle Kompetenz in derBevölkerung sowie in Betrieben und Verwaltun-gen zu stärken und zu fördern.

Literatur

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Schlevogt, V.: Strukturelle Öffnung von gesell-schaftlichen Institutionen – Organisationsent-wicklung unter dem Gesichtspunkt der inter-kulturellen Kompetenz und Personalentwick-lung. Impulsreferat für die Arbeitsgruppe 1 imRahmen der Fachtagung „Strategien einer kom-munalen Integrationspolitik“ im Kreishaus Dietzenbach, 13.05.2003. In: www.kreis-offenbach.de/media/custom/350_437_1.PDF

Teixeira, C.: Interkulturelle Kompetenz in derKommune: Strategien für die Öffnung. Landes-zentrum für Zuwanderung Nordrhein-Westfa-len. Eröffnungsrede zur gemeinsamen Tagungvom Landeszentrum für Zuwanderung NRW,Landesverband der Volkshochschulen NRW undDeutschen Institut für Erwachsenenbildung am19. Februar 2004 in Dortmund. In: www. lzz-nrw.de/docs/Rede_Teixeira_ Grundtvig190204.pdf

ThematischeEinführung

Entwicklung neuer Modelle

Abgeleitet vom englischen equality – Gleich-stellung – steht der Name EQUAL für Ziele undInhalte der Gemeinschaftsinitiative, nämlich dieBekämpfung von Ungleichheiten und Diskrimi-nierungen auf dem Arbeitsmarkt sowie die Ent-wicklung neuer Modelle, um benachteiligtenPersonengruppen den Zugang zu Beschäfti-gung zu ermöglichen.

Das Programm wird aus Mitteln des Europä-ischen Sozialfonds finanziert und in allen EU-Staaten umgesetzt. In Deutschland werden imgesamten Zeitraum insgesamt 239 EQUAL-Pro-jekte gefördert, 109 in der 1. Förderrunde (2002 -2005) und 129 in der 2. Förderrunde (2005 -2007). Dafür stehen insgesamt rund 1 Mrd. Euroaus dem ESF sowie aus nationalen Kofinanzie-rungsmitteln zur Verfügung.

Zu den Zielgruppen von EQUAL gehören bei-spielsweise Jugendliche ohne Schulabschluss,ältere Menschen, Alleinerziehende, Migran-tinnen und Migranten oder Menschen mitBehinderungen. Unter ihrer Einbeziehungsollen für diese Personengruppen neue Kon-zepte erprobt werden, die eine (Re-)Integrationin den Arbeitsmarkt erleichtern. Aber auchUnternehmen stehen im Blickpunkt des Pro-gramms. Betriebe und deren Beschäftigtebenötigen neue Ideen und Strategien, um denwirtschaftlichen Wandel zu bewältigen und dieWettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Weiterewichtige EQUAL-Bereiche sind zudem dieGründung neuer Unternehmen und dieStärkung sozialwirtschaftlicher Betriebe.

Vernetzung von Erfahrungen und Kompetenzen

Ein wesentliches EQUAL-Programmelement istdie Vernetzung. Dies wird in erster Liniedadurch deutlich, dass durch EQUAL keineEinzelprojekte gefördert werden, sondern Pro-jektverbünde, so genannte Entwicklungspart-nerschaften, in denen die relevanten Akteureeines Beschäftigungssektors oder einer Region

zusammenarbeiten, um eine gemeinsameStrategie für bestimmte Problembereiche desArbeitsmarktes zu erarbeiten. Wichtig ist dabei,dass alle diejenigen Partner an einem Tischsitzen, die entsprechende Kompetenzen,Erfahrungen und Möglichkeiten besitzen, dieseneuen Ansätze in den Arbeitsmarktstrukturenumzusetzen. Dies können zum Beispiel Arbeits-agenturen, Forschungseinrichtungen, kleineund mittlere Unternehmen (KMU), Nicht-Regierungsorganisationen, Träger der Wohl-fahrtspflege, Interessenvertretungen oderBund- und Ländereinrichtungen sein.

Gemäß den Zielgruppen setzen EQUAL-Entwick-lungspartnerschaften Projekte in verschiede-nen EQUAL-Themenbereichen um, die an dieEuropäische Beschäftigungsstrategie (EBS)angelehnt sind. Der Bereich Beschäftigungs-fähigkeit zielt darauf ab, benachteiligten Per-sonengruppen den Zugang zum bzw. die Rück-kehr auf den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Mitdem Ziel, Existenzgründungen zu vereinfachen,werden Projekte im Bereich Unternehmens-gründung gefördert sowie die Sozialwirtschaftgestärkt. Die Förderung der Anpassungsfähig-keit von Unternehmen und deren Beschäftigtenan den wirtschaftlichen und technologischenWandel ist ein weiterer EQUAL-Bereich, der dieEntwicklung neuer Modelle für lebenslangesLernen sowie der integrationsförderndenArbeitsgestaltung umfasst. Auch die Umsetzungvon Chancengleichheit durch die Erprobungneuer Konzepte zur Vereinbarkeit von Familieund Beruf sowie zum Abbau geschlechtsspezi-fischer Diskrepanzen am Arbeitsmarkt gehörtzum EQUAL-Themenspektrum.

Behandlung von Querschnittsthemen

Parallel zu diesen vielfältigen thematischenSchwerpunkten umfasst die EQUAL-Programm-strategie auch so genannte Querschnittsthe-men. Diese werden in allen EQUAL-Themen-bereichen aufgegriffen und in die Handlungs-strategie integriert. Die Bekämpfung vonRassismus und Fremdenfeindlichkeit ist neben

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Die Gemeinschaftsinitiative EQUAL –

Chancengleichheit am Arbeitsmarkt Christine Krüger

Beispiele guter Praxis aus EQUAL und XENOS

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Gender Mainstreaming der wichtigste Aspekt.Wie bereits 1995 in einer Mitteilung der Euro-päischen Kommission über Rassismus, Fremden-feindlichkeit und Antisemitismus deutlich wur-de, stellt Rassismus und Fremdenfeindlichkeitnicht nur für die Stabilität der europäischenGesellschaft, sondern auch für das reibungsloseFunktionieren der Wirtschaft eine ernsteBedrohung dar. Unternehmen und sonstigeEinrichtungen seien heute in einer zunehmendmultikulturellen Umgebung tätig, in der Ver-braucher, Lieferanten und Arbeitnehmer unter-schiedlicher nationaler, ethnischer und kultu-reller Herkunft zusammenarbeiten. Wirtschaft-licher Erfolg hänge mehr und mehr davon ab, obes gelingt, das Potenzial dieser unterschiedli-chen Herkunft zu nutzen.

Potenziale aufzeigen

In der Gemeinschaftsinitiative EQUAL wirddieser Gedanke aufgegriffen, so dass alleEQUAL-Projekte, unabhängig in welchemThemenbereich sie angesiedelt sind, Maß-nahmen gegen Fremdenfeindlichkeit und Ras-sismus einbinden und mit arbeitsmarktorien-tierten Aktivitäten verknüpfen. Dabei geht esnicht nur darum, Fremdenfeindlichkeit und Ras-sismus am Arbeitsplatz zu bekämpfen undstrukturelle Diskriminierungen, denen ins-besondere ausländische Beschäftigte aus-gesetzt sind, abzubauen, sondern explizitChancen sowie Potenziale des „Fremden“ unddes gemeinsamen Miteinanders aufzuzeigen.Die chancengleiche Integration in den Arbeits-markt soll dazu beitragen, das gesellschaftlicheZusammenleben von Menschen unterschied-licher Herkunft und Kultur zu verbessern.

Die in dieser Broschüre dargestellten Projektan-sätze zeigen beispielhaft, welche Strategien zurBekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Ras-sismus in den Projekten umgesetzt wurden. Es wurden unter anderem

multikulturelle Lehr- und Lernkonzepte ent-wickelt,Ansätze zum interkulturellen Kon-fliktmanagement erprobt,

Diversity Management in kleinen und mitt-leren Unternehmen sowie anderenInstitutionen verankert sowieKonzepte zur Sensibilisierung und Weiter-bildung von Ausbilderinnen und Ausbildernsowie Personalverantwortlichen ausgear-beitet.

Einen besonderen Aspekt haben die entwickel-ten Produkte dadurch erhalten, dass sie zum Teilim Rahmen transnationaler Zusammenarbeitentstanden sind. Die transnationale Koopera-tion der Entwicklungspartnerschaften ist einzentrales Element des Programms. Jede deut-sche Entwicklungspartnerschaft arbeitet mitmindestens zwei weiteren Projekten aus ande-ren EU-Staaten zusammen, um EQUAL-Strate-gien zu vergleichen und gemeinsam weiter-zuentwickeln. Die transnationale Zusammen-arbeit beschleunigt einerseits den Know-how-Transfer und stellt andererseits sicher, dass Ent-wicklungsprozesse, Methoden und Produktedurch wechselseitige Lernprozesse und diegemeinsame Auseinandersetzung über dietransnationale Ebene optimiert werden. Dies giltauch für den Bereich „Bekämpfung von Frem-denfeindlichkeit und Rassismus“. Durch dieZusammenarbeit mit Partnerprojekten ausanderen Ländern wurden verschiedene Sicht-weisen auf das Thema beleuchtet und diskutiert,neue Konzepte verglichen und weiterent-wickelt. Entstanden sind verschiedene Hand-lungsstrategien zum Umgang mit und der Be-kämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Ras-sismus am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft,die auf den folgenden Seiten vorgestellt werden.

Beispiele guterPraxis aus EQUAL und XENOS

Um zu Abbau von Fremdenfeindlichkeit und Ras-sismus beizutragen, fördert das Bundespro-gramm XENOS Initiativen, die zu einer Stärkungdes friedlichen Zusammenlebens innerhalb derGesellschaft und Festigung zivilgesellschaftli-cher Strukturen beitragen. Seit 2001 beteiligensich bundesweit rund 250 Projekte, die Maß-nahmen zur Förderung von Toleranz und inter-kultureller Verständigung mit arbeitsmarkt-bezogenen Maßnahmen verknüpfen und neueMethoden und Konzepte am Übergang Schule/Ausbildung/ Beruf entwickeln. Zielgruppen sindinsbesondere Jugendliche und junge Erwach-sene, denen der Zugang zu Ausbildungs- undArbeitsplätzen erschwert ist und die durch eineintolerante Haltung gegenüber ausländischenMitbürgerinnen und Mitbürgern auffallen. Es geht darum, das gemeinsame Lernen und Ar-beiten von deutschen und ausländischen Ju-gendlichen und jungen Erwachsenen zu unter-stützen und interkulturelle Kompetenzen alswichtige Qualifikation im Arbeitsleben zu för-dern.

Als Teil des Aktionsprogramms „Jugend für Tole-ranz und Demokratie – gegen Rechtsextremis-mus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ist XENOS unter dem Dach des bundesweiten„Bündnisses für Demokratie und Toleranz – ge-gen Extremismus und Gewalt“ angesiedelt, dasvon der Bundesregierung im Jahr 2000 initiiertwurde. Der Schwerpunkt des Aktionsprogrammsliegt auf präventiven Projekten, insbesondere inden Bereichen jugendgerechter Aufklärungs-,Bildungs-, und Netzwerkarbeit. Neben XENOSbesteht das Aktionsprogramm aus den Teilpro-grammen CIVITAS – initiativ gegen Rechtsextre-mismus in den neuen Bundesländern und enti-mon – gemeinsam gegen Gewalt und Rechts-extremismus.

Unter dem Motto „Leben und Arbeiten inVielfalt“ rückt beim Bundesprogramm XENOSder Arbeitsmarktbezug in den Vordergrund.XENOS-Projekte setzen dort an, wo sich Jugend-liche und junge Erwachsene mit beruflicherOrientierung auseinandersetzen oder sichbereits in der Ausbildung oder im Beruf

befinden. Bei der Auseinandersetzung mit eige-nen Stärken und Schwächen, mit beruflichenPerspektiven und Chancen werden die ThemenToleranz und interkulturelles Wissen und Kom-petenzen eingebracht und das Demokratie-verständnis geschult. In diesem Kontext ent-wickeln XENOS-Projekte zum Beispiel Lehrpläneund Curricula für den (Berufs-)Schulunterrichtoder Seminarmodule für die Ausbildung. Aberauch Schulungen für Lehrkräfte, Ausbilderinnenund Ausbilder sowie Beschäftigte in Betrieben,Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter undsonstige Multiplikatoren gehören zum XENOS-Spektrum.

Aus diesen unterschiedlichen Handlungsfeldernund Zielgruppen ergeben sich vier XENOS-Themenbereiche, in denen die Projekte ver-ankert sind:

Integrierte lokale Projekte, mobileBeratungsteams und ExpertenpoolsProjekte, die in diesem Bereich aktiv sind,entwickeln neue Modelle zur Förderunglokaler und regionaler Kooperationen vonKernakteuren des Arbeitsmarktes. Ziel ist es,Schulen, Betriebe, Jugendeinrichtungen,aber auch die Polizei oder kommunaleStellen zusammenzubringen, um diezivilgesellschaftlichen Strukturen und dasbürgerschaftliche Engagement vor Ort zustärken.Qualifizierung von MultiplikatorenZur Unterstützung der Schlüsselakteure ausSchulen, betrieblicher Aus- und Weiter-bildung und Personalentwicklung geht es indiesem Themenbereich um die Vermittlungvon Strategien und Methoden insbesonderein den Themenfeldern Konfliktmanagementund interkulturelle Trainings.Maßnahmen in Schule, Beruf und BetriebenProjekte in diesem Förderschwerpunktergänzen bestehende Angebote der schu-lischen und beruflichen Bildung durchpraxisorientierte Maßnahmen gegen Ras-sismus und Fremdenfeindlichkeit. InZusammenarbeit mit lokalen Akteuren

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Das Bundesprogramm XENOS –

Leben und Arbeiten in VielfaltMechthild Jürgens

Beispiele guter Praxis aus EQUAL und XENOS

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sollen erfolgreiche Ansätze in den schu-lischen und betrieblichen Alltag integriertwerden. In Unternehmen werden Maß-nahmen gefördert, die Fremdenfeindlichkeitund Rassismus am Arbeitsplatz bekämpfenund die multikulturelle Zusammenarbeit imBetrieb fördern.Information und SensibilisierungUm die von XENOS entwickelten Handlungs-strategien in der breiten Öffentlichkeit undbei Verantwortlichen aus Wirtschaft, Politik,Unternehmen, Schulen und Verwaltung

bekannt zu machen, sollen öffentlichkeits-wirksame Konzepte entwickelt werden.Neben der Erstellung von Filmen und multi-medialen Materialien, gehört auch die Orga-nisation von (Fach-)Veranstaltungen, kultu-rellen Events und Wettbewerben zu diesemThemenschwerpunkt.

In der vorliegenden Broschüre werden erfolg-reiche XENOS-Projekte und deren Ergebnisseaus den Bereichen Betrieb, außerschulischerJugendarbeit, beruflicher Bildung, Streit-schlichtung, Elternarbeit und vernetzter Stadt-teilarbeit dargestellt. Sie verdeutlichen dieVielfalt der Ansätze, die sich auch bei denTrägern der XENOS-Projekte widerspiegelt.Neben der Fachhochschule Köln, der IG Metallund dem DGB Bildungswerk haben beispiels-weise auch die Deutsche Bahn AG, die StadtFrankfurt und die BundesarbeitsgemeinschaftKatholische Jugendsozialarbeit sowie viele wei-tere kleine und größere Träger, Vereine und Ini-tiativen der Kinder- und Jugendarbeit XENOS-Projekte initiiert und erfolgreich durchgeführt.

Der Förderzeitraum von einem Großteil der indieser Broschüre beschriebenen XENOS-Pro-jekte ist bereits beendet, die Ergebnisse sind vielversprechend und wirken nachhaltig: Zahlrei-che Unterrichtsmaterialien, Handreichungen,Curricula für Schule und Ausbildung sowieMultimediaprodukte und Trainingsmodule sindwährend der Projektlaufzeit entstanden undwurden zum Teil bereits in Ausbildungsinhalteübernommen. Auch die feste Installierung vonStreitschlichter-Schulungen im Schulprogrammund der Abschluss von Betriebsvereinbarungen,die dazu beitragen sollen, diskriminierendesVerhalten im Betrieb zu verhindern, zeugenvom Erfolg des Bundesprogramms. Die folgenden Projektbeispiele untermauerndies. Sie sind zudem so aufgebaut, dass die spe-zifische Zielsetzung der Projekte, der Hand-lungsansatz sowie die Ergebnisse und Produktedargestellt werden. Damit soll der Transfer vonXENOS-Strategien und -Konzepten in neueHandlungsfelder unterstützt und die Nachhal-tigkeit der Projektergebnisse gesichert werden.

Beispiele guterPraxis aus EQUAL und XENOS

Der zunehmende internationale Wettbewerbs-druck stellt die Unternehmen und damit alle amArbeitsprozess Beteiligten vor große Heraus-forderungen. Um sich auf dem globalen Marktbehaupten zu können, sehen sich die Unter-nehmen gezwungen, stetig ihre Produktivitätzu erhöhen und gleichzeitig flexibel zu agieren.Immer mehr Betriebe folgen der Tendenz, denMitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Ver-antwortung und Eigeninitiative zu übertragenund ihre Potenziale zu fördern.

Dazu gehört auch die Schaffung einer gutenArbeitsatmosphäre. Betriebliche Abläufe kön-nen optimiert werden, wenn das gegenseitigeVerständnis in und zwischen den Arbeitsteamsverbessert wird. In der Betriebspraxis erweist essich jedoch als schwer, ein konfliktfreies und kon-struktives Klima zu schaffen bzw. es dauerhaft zuerhalten, insbesondere wenn Menschen ver-schiedener Kulturkreise zusammenarbeiten.

Zum Arbeitsprozess gehören Konflikte selbst-verständlich dazu wie auch sonst zum Lebensall-tag. Es sind vielmehr besondere Kompetenzenerforderlich, um Konfliktpotenzial zu erkennenund eine friedliche Lösung für alle Beteiligten zufinden. Solche Kompetenzen können über eineSensibilisierung, einen Erkenntnisgewinn undLernprozess erlangt werden.

Im Rahmen von EQUAL und XENOS haben sich verschiedene Projektinitiativen und For-schungsgruppen die Sensibilisierung von Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern für das Erken-nen der eigenen Vorurteile, von Missverständ-nissen und Konflikten zum Ziel gesetzt. Es gingum die Aufdeckung, Bewusstmachung undGegensteuerung intoleranten Verhaltens inBerieben. Bestandteil vieler Maßnahmen wardie Ausbildung und Festigung interkulturellerKompetenzen und von Methoden des Konflikt-managements.

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Handlungsansätze in Unternehmen

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Die Kooperationsbetriebe erkannten in denMaßnahmen eine Verbesserung der Produkti-onsabläufe durch eine Potenzialförderung inihrer Belegschaft. Als wichtig erwies sich die Ein-beziehung der verschiedenen Betriebsebenen,u.a. der Personalabteilung und des Betriebs-rates. Auch die teilnehmenden Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter zeigten sich offen für die Inhalteund Methoden der Projektinitiativen. Bei den Teilnehmenden stellten sich neueErkenntnisse in Form eines „Aha-Effektes“ inBezug auf ihre eigene Wahrnehmung und Ver-haltensmuster ein. Sie erkannten ihre Vorurteile,wurden durch Simulationen selbst mit demGefühl von Ausgrenzung und Fremdheit kon-frontiert und erlernten Techniken im Umgangmit Konflikt- und Gewaltsituationen. Dabeiwurde immer wieder deutlich, dass viele Teil-nehmenden im Rahmen der Projektmaßnahmenzum ersten Mal zu einer bewussten Ausein-andersetzung mit tolerantem bzw. intoleran-tem Einstellungsmuster und Verhalten angeregtwurden. Auch wurde der Dialog zwischen den Beschäf-tigten mit und ohne Migrationshintergrundmoderiert, wodurch Missverständnisse aus demWeg geräumt, das gegenseitige Verständnisfüreinander gefördert und Vorurteile abgebautwurden. Einige Initiativen haben neben derSensibilisierung der Beschäftigten auch die Aus-bildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

zu Vertrauensleuten und Multiplikatoren in denUnternehmen betrieben.

Noch eine andere Form der Auseinanderset-zung mit Gewalt und Fremdenfeindlichkeitbetrifft Unternehmen mit einer starken Präsenzim öffentlichen Raum wie z.B. Verkehrsbetriebeoder die öffentliche Verwaltung. Die Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter sind häufig mit offe-nen Gefühlsäußerungen durch Kundinnen undKunden und so auch mit Rassismus und Frem-denfeindlichkeit konfrontiert. Souverän daraufzu reagieren, stellt für viele eine Überforderungdar. Um Rassismus und Fremdenfeindlichkeitselbstbewusst und kompetent zu begegnen,wurden intensive Trainings zur Stärkung derZivilcourage durchgeführt. Auf diese Weiseübernimmt das Modellunternehmen gesell-schaftliche Verantwortung für einen gewalt-freien öffentlichen Raum.

Die Projekt- und Modellerfahrungen zeigen, wieeine interkulturelle Öffnung von Betriebsstruk-turen erreicht werden kann, um wirkungsvoll ge-gen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Be-triebsalltag vorzugehen. Es werden Ansätze undMethoden sichtbar, um zu Abbau von Vorurtei-len und Intoleranz beizutragen und eine För-derung interkultureller Kompetenzen und Fähig-keiten im Konfliktmanagement zu erreichen.

Zuwachs an interkulturellerProfessionalität

Moderne Industriearbeit, die sich weitgehendauf funktionierende Gruppenarbeit stützt,erfordert in hohem Maße reibungslose Kom-munikation und Kooperation am Arbeitsplatz. In multikulturellen Belegschaften – beim Pro-jektpartner, der FORD-WERKE AG in Köln, sindMitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus mehr alsfünfzig Nationalitäten beschäftigt – ist dieGefahr von Missverständnissen und Konfliktenaufgrund sprachlicher und kultureller Differen-zen besonders groß.

Allgemeines Ziel des Projektes war die Förde-rung und Erweiterung interkultureller Kom-petenzen von deutschen und nicht-deutschenBetriebsangehörigen. Ansatzpunkt waren nichtetwa negative Einstellungen und Vorurteileseitens der Beschäftigten, sondern vielmehrvorhandene soziale Kompetenzen. Angestrebtwurde ein Zuwachs an interkultureller Pro-fessionalität, die verbesserte Fähigkeit, imberuflichen Alltag kultursensibel, wirkungsvollund zur wechselseitigen Zufriedenheit mitAngehörigen anderer Kulturen interagieren zukönnen. Dies soll auf längere Sicht auch dazu

beitragen, die Entstehung und Verbreitungfremdenfeindlicher Haltungen am Arbeitsplatzzu verhindern.

Wichtig für Maßnahmen: unmittelbarerProblem- und Handlungsbezug

Zu den Besonderheiten des hier verfolgteninterkulturellen Qualifizierungsansatzes zählen:

ein weit gefasstes Kulturkonzept, das sichdazu eignet, kulturelle Komplexität in derOrganisation zu erfassen und zu bearbeiten,ohne erneut zur Stereotypenbildung und zuAbgrenzungstendenzen zwischen Gruppenbeizutragen,ein unmittelbarer Problem- und Handlungs-bezug (was in Trainingsaktivitäten erkenn-bar wird, die sich auf im Betrieb erhobenesFallmaterial stützen),eine ‚systemische‘ Anlage des Projektes,welche Lern- und Veränderungsimpulse aufverschiedenen Organisationsebenen zusetzen versucht sowieeine begleitende Evaluation, die es ermög-licht, die entwickelten Angebote zeitnahnachzujustieren.

Die Grafik zeigt die Gesamtanlage des Projektes.

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Interkulturelle Qualifizierung in einem

Großbetrieb mit multikultureller BelegschaftProf. Dr. Wolf Rainer Leenen

Handlungsansätze in Unternehmen

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Im Zentrum standen zwei Weiterbildungs-angebote für Meisterinnen und Meister sowieKolonnenführerinnen und -führer. Um Nach-haltigkeit in der Organisation zu erreichen,wurden parallel dazu ein Training für betriebs-interne Trainerinnen und Trainer bzw. Prozess-begleiterinnen und -begleiter sowie drei (aufeinander aufbauende) Workshops für Führungskräfte und Beschäftigte der Personal-abteilung angeboten. Alle Weiterbildungs-angebote stützten sich auf Problemkon-stellationen und „kritische Situationen“ mitinterkultureller Prägung, die im betrieblichenAblauf häufig auftreten. Auf Grundlage des Fallmaterials, das für dieTrainingsarbeit als besonders anregend undertragreich bewertet wurde, wurden vierTrainingsfilme produziert, die unter Beteiligungvon Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern imMotorenwerk gedreht wurden.

Wahrnehmung interkultureller Konflikte gestiegen

Von Januar 2002 bis Mai 2005 wurden zahl-reiche Maßnahmen mit unterschiedlicher Aus-richtung durchgeführt. An den 25 zweitägigenSensibilisierungstrainings „Interkulturelle Kom-munikation am Arbeitsplatz“ und zwölf Aufbau-veranstaltungen zum Thema „Kommunikationund Konfliktmanagement in multikulturellenTeams“ nahmen in erster Linie Meisterinnen undMeister sowie Kolonnenführerinnen und -führerteil; 15 Workshops richteten sich an so genannteFührungskräfte.

Mit den Sensibilisierungstrainings und den Auf-bauveranstaltungen konnte bei den Kolonnen-führerinnen und -führern und den Meisterinnenbzw. Meistern eine hohe Akzeptanz für das Pro-jekt und das Thema insgesamt erreicht werden.In den Befragungen unmittelbar nach denTrainings haben die Teilnehmenden dieTrainingsinhalte eindeutig und überwiegendsehr positiv bewertet. In den freien Äußerungender Auswertungsbögen wird vor allem diePraxisnähe der Angebote („Es wurde auf dieThemen eingegangen, die wir im Alltag erle-

ben.“), der Methodenwechsel („Die Art undWeise der Vermittlung durch spielerische Ele-mente“; „Sonst werden nur Folien gelegt undabgelesen“) und die positive Arbeits-atmosphäre im Workshop („Interessant + ent-spannt = lehrreich“; „lockerer Umgang; Herz-lichkeit und Spaßfaktor“) hervorgehoben.

Auch die Führungskräfte haben nicht nur imunmittelbaren Anschluss an die Workshops,sondern auch in einer retrospektiven Beurtei-lung (nach einem Jahr) die Weiterbildungsreiheals überaus positiv und ihre Inhalte als anregendfür ihre Praxis beurteilt.

In zwei Betriebsbefragungen zum Thema Zufrie-denheit mit der interkulturellen Zusammenar-beit zeigte sich, dass unter den Beschäftigtenmit der Dauer der Werkszugehörigkeit die Wahr-nehmung interkultureller Konflikte steigt, zu-gleich aber auch die Zufriedenheit mit der Zu-sammenarbeit unter den Kolleginnen und Kol-legen zunimmt. Die Teilnehmenden an denXENOS-Workshops nahmen interkulturelle Kon-flikte im Betrieb noch etwas schärfer wahr, zeig-ten gleichzeitig aber auch eine stärkere Identi-fikation mit dem Betrieb.

Handlungsansätzein Unternehmen

Projekt: Interkulturelle Kommunikation und Kon-fliktlösung am Arbeitsplatz

Projektziel: Sensibilisierung von Mitarbeiterinnen undMitarbeitern eines Großbetriebes fürkulturelle Konflikte und Stärkung ihrerinterkulturellen Handlungskompetenz

Projektträger: Forschungsschwerpunkt InterkulturelleKompetenz der FH Köln

Ansprechpartner: Prof. Dr. Wolf Rainer LeenenMainzerstraße 550678 KölnE-Mail: [email protected]

Kulturelle Vielfalt erhöht Attraktivität undProduktivität von Unternehmen

Um einen Beitrag zur beruflichen Chancen-gleichheit und einer effektiveren Integrationder Menschen mit Migrationshintergrund inden Arbeitsmarkt zu leisten, haben sich 2002über 20 arbeitsmarktpolitische Akteure, Bil-dungseinrichtungen, Behörden und Unterneh-men im Kreis Unna zur EQUAL Entwicklungspart-nerschaft „AMIKU“– Arbeit für Migrant/-innen imKreis Unna – zusammengeschlossen. Um das Ziel zu erreichen, haben die beteiligtenAkteure das Modell der so genannten AMIKU-Patenschaften entwickelt. Dieses Modellumfasste die individuelle Beratung, Begleitung,Betreuung und Vermittlung. Diese Leistungenwurden zwei Zielgruppen angeboten, denArbeitsuchenden einerseits und denUnternehmen auf der anderen Seite.Der Kern der Patenschaft bestand darin, Unter-nehmen für die vorhandenen Ressourcen undKompetenzen von Bewerberinnen und Bewer-bern mit Migrationshintergrund zu sensibilisie-ren. Denn die Vielfalt von Berufs- und Lebens-erfahrungen, Sichtweisen, Werten, sozialen undpersönlichen Kompetenzen, die sie mitbringen,ist vielen nicht bekannt oder bewusst. Durcheine angemessene Wertschätzung und das Ein-bringen in die betrieblichen Strukturen undAbläufe lassen sich auch Produktivität undAttraktivität eines Unternehmens erhöhen.

Offenheit, Verständnis und Anerkennungfür Menschen mit Migrationshintergrund

Die Initiative arbeitete in zwei Richtungen: die Qualifizierung, Beratung und Begleitungvon Migrantinnen und Migranten und die enge Zusammenarbeit mit örtlichenUnternehmen.

Die Qualifizierung erfolgte durch Einzelfall-beratung und den Besuch von Unterrichts-kursen und umfasste sprachliche Inhalte(Berufssprache, Deutsch als Fremdsprache),Maßnahmen zur Berufsorientierung und Berufs-findung und schließlich die betriebliche

Qualifizierung und Vermittlung praktischerKenntnisse in Form von Praktika. Auch währenddes beruflichen Eingliederungsprozesses wurdedie Beratung und Begleitung fortgesetzt. Dabei wurden die Maßnahmen an den jeweiligenVoraussetzungen und Bedarfen der Teilnehmen-den individuell ausgerichtet. Entsprechend un-terschiedlich war die Dauer der Qualifizierung, imDurchschnitt nahmen die betroffenen Personensechs Monate lang das Angebot in Anspruch.

Sehr erfreulich und hilfreich war das große En-gagement der Unternehmen. Durch vorberei-tende Gespräche zeichneten sie ein klares Bildder Handlungsmöglichkeiten und Bedingun-gen, was ein zielgerichtetes und bedarfsorien-tiertes Arbeiten ermöglichte. Sie stellten aufunbürokratische Weise Praktikumsplätze oderihre Werkstätten zur Verfügung und halfen mitdem Training von Vorstellungsgesprächen.

Als Paten kommen Arbeitgeberinnen und Arbeit-geber in Frage, die Offenheit, Verständnis undAnerkennung für Menschen mit Migrationshin-tergrund ausdrücken und Vorbehalte und gän-gige Vorurteile in Frage stellen. Sie schätzen dieFähigkeiten, fachlichen Kenntnisse und berufli-chen Erfahrungen, die viele Migrantinnen undMigranten aus ihren Heimatländern mitbringen.Sie erkennen die Vielfalt als grundsätzlicheBereicherung und Nutzen für ihren Betrieb undsuchen nach konkreten Möglichkeiten, diese Per-sonengruppen in ihrem Betrieb einzustellen. Das AMIKU – Team ermittelt gemeinsam mitden Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern denMitarbeiterbedarf, so dass frei werdendeArbeitsstellen schnell und passgenau besetztwerden können. Die jeweiligen Qualifikations-spiegel der Bewerberinnen und Bewerber wer-den mit dem Anforderungsprofil des Betriebesabgestimmt. Durch flexible Praktikumsverein-barungen vor Vertragsabschluss wird das ge-genseitige Kennen lernen ermöglicht. Dabeiwerden beide Parteien durch eine Fachkraft(Arbeitsvermittlerin/ Arbeitsvermittler) betreut.Ist eine Einstellung beabsichtigt, werden dieUnternehmen über mögliche Fördermöglich-keiten informiert und beraten.

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Das Patenschaftsmodell – Unternehmen

öffnen sich und werben für kulturelle Vielfalt Hatice Müller-Aras

Handlungsansätze in Unternehmen

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Um eine optimale und langfristige Zusammenar-beit zu sichern, findet bei Bedarf eine nachhalti-ge Betreuung durch die Fachkraft statt. Auch beiauftretenden Konflikten oder Missverständnissenwerden Hilfestellungen angeboten.

Sensibilisierung – Öffnung – Einstellung

Für ihr Engagement erhielten die Arbeitgeberin-nen und Arbeitgeber eine Paten-Urkunde, die inAnwesenheit von politischen Vertretern und derPresse feierlich überreicht wurde. Die Auszeich-nung ist ein Symbol für die vorbildliche und fort-schrittliche Leistung bei der Förderung der mul-tikulturellen Vielfalt im Betrieb. Sie unterstreichtdie offene und tolerante Haltung und wirbt fürmehr Akzeptanz und Wertschätzung für Men-schen mit unterschiedlichem sozialen und Wis-sens-Hintergrund.

Durch die öffentlichkeitswirksame Darstellungder AMIKU-Gesamtarbeit (Printmedien, RadioAMIKU auf Antenne Unna, Fachpresse, interna-tionale Presse, regionale und überregionale Ver-anstaltungen) steigerten die AMIKU-Paten ihrePräsenz in der Öffentlichkeit und erhöhten dieSichtbarkeit und Attraktivität des Unternehmensfür derzeitige und zukünftige Beschäftigte, aberauch für potenzielle Geschäftspartner.

Unternehmensverbände wie die Kreishandwerk-erschaft Hellweg sowie die IHK zu Dortmundunterstützten die Aktionen im Rahmen derAMIKU-Patenschaften und stellten Ressourcenbeispielsweise für die Öffentlichkeitsarbeit zurVerfügung. Inzwischen wurden 21 Patenschafts-vereinbarungen abgeschlossen. Das Kernzieleiner erweiterten Sensibilisierung von Arbeit-geberinnen und Arbeitgebern ist durch dieAktion erreicht und sogar übertroffen worden.Denn es gab auch schon konkrete Einstellungen.

Die Unternehmen verzeichnen positiveErfahrungen mit der Zielgruppe und melden beifrei werdenden Stellen ihren Mitarbeiterbedarfbeim Projektteam an, um gezielt Personen mitMigrationshintergrund anzuwerben.

Um den Erfolg auch längerfristig zu sichern,wird das Konzept der AMIKU-Patenschaftenunter der Trägerschaft des DeutschenParitätischen Wohlfahrtsverbandes KreisgruppeUnna im Rahmen von EQUAL in einem Folgepro-jekt („Unternehmenspatenschaften fürMigranten – Erfolg durch interkulturelle Kom-petenz und Vielfalt“) weitergeführt.

Handlungsansätzein Unternehmen

Entwicklungspartnerschaft: AMiKU (Arbeit für MigrantInnen im Kreis Unna)

Gesamtkoordination:Ingibjörg PétursdóttirMultikulturelles Forum Lünen e.V.Bahnstraße 3144532 LünenTel.: 02306 / 933919E-Mail: [email protected]

Zielsetzung: Entwicklung von innovativen Konzepten inder beruflichen/betrieblichen Integrationvon benachteiligten Gruppen

Kontakt:Hatice Müller-Aras (Arbeitsvermittlerin) Multikulturelles Forum Lünen e.V.Münsterstraße 46b44534 LünenTel.: 02306 / 3063011E-Mail: [email protected]

Verbesserung der Arbeitsatmosphäre inden Schichtteams

Im Rahmen des XENOS-Projekts IInterkulturellesTraining. BBeratung. KKonfliktmanagement (II..BB..KK)wurden neben interkulturellen Trainings fürJugendliche und Multiplikatoren in der Jugend-und Bildungsarbeit auch Seminare zur interkul-turellen Teamentwicklung im Kooperations-betrieb Honeywell Bremsbelag GmbH durch-geführt. Dieses Unternehmen eignete sichbesonders gut für eine Projektpartnerschaft, da in der Belegschaft ein hoher Anteil Beschäf-tigter mit Migrationshintergrund aus 23 ver-schiedenen Herkunftskulturen vertreten ist. Projektziel war es, die Zusammenarbeit in denkulturell gemischten Teams zu verbessern. Inder Vergangenheit waren nach Einführungeiner neuen Produktionslinie, die den Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern einen höheren Gradan Flexibilität in der Zusammenarbeit abver-langte, Konflikte aufgetreten. Dabei wurdenauch interkulturelle Konflikte auf verschiedenenEbenen deutlich; so unter anderem im Zusam-menspiel zwischen jungen ausgebildeten Fach-arbeitern und älteren ungelernten Beschäf-tigten, zum Beispiel türkischer Herkunftskultur,oder auch im Arbeitsverhältnis zwischen Män-nern und Frauen mit unterschiedlichem kultu-rellen Hintergrund. Über das sehr konkreteTeilziel hinaus, die Arbeitsatmosphäre in denSchichtteams zu verbessern, sollten weitereexterne Faktoren ermittelt werden, die nega-tiven Einfluss auf die Arbeitssituation haben. Ausder Analyse dieser Faktoren wurden Empfehlun-gen für Veränderungen abgeleitet bzw. Unter-stützungsangebote entwickelt, die der Per-sonalleitung und der Produktionsleitung derHoneywell Bremsbelag GmbH unterbreitetwurden.

Differenzierte Problemanalyse:Handlungsmöglichkeiten von Team und Management ermitteln

Eingeleitet wurden die Aktivitäten im betei-ligten Unternehmen mit einer Projektvor-stellung vor Vertreterinnen und Vertretern der

Personalleitung, der Produktionsleitung und desBetriebsrates. Um das Projekt erfolgreich zuetablieren, war die Befürwortung aller Anwesen-den wichtig. Darauf folgte ein erstes Planungs-gespräch, in dem die Zielgruppe erläutert undder zeitliche Rahmen für eine erste Projektphasebestimmt wurde. Seminarräume und -zeitenwurden vereinbart, ebenso wurden die Arbeits-plätze und die Pausenräume der Schichtteamsbesichtigt. In diesem ersten Planungsgesprächging es nicht darum, schon konkrete Seminar-konzepte vorzulegen, sondern Offenheit undInteresse für die betriebliche Situation aufzu-bringen. Als weitere wichtige Voraussetzungenfür die Projektdurchführung wurde vereinbart,die Trainings in den Räumlichkeiten des Betrie-bes durchzuführen und die zeitliche Planung anden Produktionsabläufen auszurichten.

Die ersten 13 Termine dienten der ausführlichenund differenzierten Erfassung der Arbeitssitua-tion in den jeweiligen Schichtteams aus der Per-spektive der einzelnen Beschäftigten sowie derVorarbeiter. Methoden der Erhebung warenneben der gelenkten Diskussion die anonymi-sierte Befragung, die Entwicklung von Struktur-skizzen, Simulationen und die Auswertung vonVideomitschnitten, um auch nonverbale Äuße-rungen sowie Gruppenbeziehungen auszuwer-ten. Wichtig war in dieser Phase, das Vertrauender Beschäftigten zu gewinnen. So wurde im-mer wieder darauf hingewiesen, dass das Pro-jekt-Team nicht vom Unternehmen entlohntund die Anonymität der Äußerungen gewahrtwürden. Auch die Tatsache, dass bei Gesprä-chen mit der Personalleitung und der Produk-tionsleitung Vertreterinnen und Vertreter desBetriebsrates anwesend waren, spielte eine ent-scheidende Rolle für die Vertrauensbildung.

Die Analyse der ermittelten Probleme ergab vierKategorien, die gemeinsam mit den Teamsdefiniert wurden: 1. Probleme, deren Ursachen teamintern bzw.

in Abstimmung mit den anderen Schicht-teams gelöst werden können

2. Probleme, für deren Lösung dasManagement hinzugezogen werden muss

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Interkulturelle Kompetenz in der

betriebsinternen Zusammenarbeit Susanne Rathlau

Handlungsansätze in Unternehmen

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3. Probleme, zu deren Lösung das Projektteamunterstützende Hilfen anbieten kann

4. Probleme, die nicht gelöst werden können,da deren Ursachen sich einer Einflussnahmedurch die Projektaktivitäten entziehen

Zum 1. Problembündel zählten zum BeispielThemen wie die Besetzung der Arbeitsplätze ander Produktionslinie oder die Entwicklungpraktikabler Regelungen zur Schichtübergabe.Diese und weitere Themen wurden während derfolgenden Seminare zur Teamentwicklungbehandelt. In diesem Zusammenhang wurdeauch verdeckte Diskriminierung innerhalb derTeams aufgedeckt. Das betraf insbesondereTeammitglieder, die aufgrund defizitärerDeutschkenntnisse ihre Interessen nur schwerformulieren und durchsetzen können. Mit demZiel einer gleichberechtigten Teilhabe an denArbeitsprozessen fanden hier sprachliche Übun-gen statt. Durch den Austausch von Informatio-nen über kulturell verschiedene Werteorientie-rungen wurde gegenseitiges Verständnis fürunterschiedliche Bedürfnisse und Verhaltens-regeln der Teammitglieder geweckt.

In der Bearbeitung des 2. Problembündels ver-standen sich die Beteiligten des Projektteams alsKulturmediatoren, die kulturell bedingte Miss-verständnisse aufklären. Unter anderem mach-ten sie die Personal- und Produktionsleitung aufdie Wirkung einiger Managemententscheidun-gen in fremdkulturellen Kontexten aufmerksam.

Bezogen auf das 3. Problembündel wurdenschriftliche Produktionsanweisungen hinsicht-lich ihrer sprachlichen Hürden bearbeitet. Zielwar es, die Verfasser der Anweisungen fürsprachlichen „Ballast“ zu sensibilisieren. Zudemwurde ein produktionsspezifisches Glossar infünf Sprachen erstellt, das nun sowohl imbetriebsinternen Deutschunterricht verwendetwird als auch jedem einzelnen Beschäftigten fürdas Selbststudium zur Verfügung steht.

Innerbetriebliche Strukturen undOrganisationsabläufe einbeziehen

Ein konkretes Ergebnis des Projektes II..BB..KK im Teil-bereich „betriebliche Aktivitäten“ ist die Ver-besserung der Zusammenarbeit innerhalb undzwischen den Schichtteams. Produkte des Pro-jektes im betrieblichen Bereich sind die pro-duktionsspezifischen Glossare, die zurzeit in derbetriebsinternen Erprobung sind. Ein weiteres

Ergebnis ist aber auch die Erkenntnis, dassinterkulturelle Zusammenarbeit im Betrieb weitüber die Anforderungen einer sprachlichenVerständigung hinaus geht und innerbetrieb-liche Strukturen und Organisationsabläufe ein-beziehen muss. Es hat sich gezeigt, dass die Trainings zurinterkulturellen Teamentwicklung im Partner-unternehmen Honeywell Bremsbelag GmbH /Jurid die Zusammenarbeit in der Produktionoptimieren, so dass auch in anderen betrieb-lichen Feldern wie Qualifizierung, Kommuni-kation, Gesundheitsvorsorge, Suchtpräventionoder Unfallverhütung durch eine gründlicheAnalyse unter interkulturellen Aspekten Ver-änderungen eingeleitet werden könnten, diedie Arbeitssituation der Mitarbeiterinnen undMitarbeiter mit und ohne Migrationshinter-grund verbessern, aber auch die Unterneh-mensentwicklung insgesamt positiv befördern.Gemeinsam mit der Personalleitung wurde dieIdee entwickelt, eine Studie zu interkulturellenAufgabenstellungen in unterschiedlichenUnternehmensbereichen zu erstellen und ausdieser allgemeine Handreichungen zurinterkulturellen Unternehmensentwicklungabzuleiten. Dieser Ansatz wird seit dem01.08.2005 in einem neuen XENOS-Projekt„SICHTweisen – Eine Studie zur interkulturellenUnternehmensentwicklung“ verfolgt. DasErgebnis des Projektes wird ein Handbuch zurinterkulturellen Unternehmensentwicklungsein, das u.a. betriebspraktische Anregungenfür eine interkulturelle Optimierung vielerUnternehmensbereiche gibt.

Handlungsansätzein Unternehmen

Projekt: Interkulturelles Training. Beratung. Konfliktmanagement (I.B.K)

Projektträger: Christliches Jugenddorfwerk Deutschlande.V. in Eutin (CJD Eutin)

Projektziel: Ziel des Projektes war es, in der Gesellschaftund insbesondere in der Arbeitswelt dieAkzeptanz gegenüber Migrantinnen undMigranten zu erhöhen.

Ansprechpartnerin: Susanne RathlauCJD EutinAlbert-Mahlstedt-Straße 2023701 EutinE-Mail: [email protected]

Bekämpfung von Rassismus in Alltag und Arbeitsleben

Alltägliche Formen von Fremdenfeindlichkeitsind häufig Vorstufen von offenem Rassismusund fremdenfeindlicher Gewalt. Die Bekämp-fung von Rassismus muss deshalb im Alltag derMenschen und damit auch am Arbeitsplatzbeginnen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer geben ihre politischen Einstellungen nichtam Werkstor ab. Fast überall sind mindestensversteckte Diskriminierungen gegenüber Be-schäftigten ausländischer Herkunft zu beo-bachten. Sie prägen das Bewusstsein meistnachhaltiger als offener Rassismus, weil sie inder Belegschaft häufig breit akzeptiert sind.Bisweilen bilden sie sogar ein strukturelles Ele-ment des Betriebsalltags.Vor diesem Hintergrund setzten sich die OttoBrenner Stiftung und IG Metall zum Ziel, einesensiblere Wahrnehmung von alltäglicherFremdenfeindlichkeit zu fördern. Im Rahmen desProjekts „Das Herz in die Hand nehmen, Couragezeigen! – Ein gewerkschaftliches Projekt fürInterkulturalität und gegen Fremdenfeindlich-keit“ wurden von Oktober 2001 bis September2004 zahlreiche regionale Workshops undQualifizierungsreihen durchgeführt. Unteranderem konnten sich Teilnehmende zu Kultur-mittlern ausbilden lassen. Die Projektangeboterichteten sich bundesweit an gewerkschaftlicheund betriebliche Interessenvertretungen –Betriebsräte, Jugendvertreterinnen und -ver-treter, Auszubildende bzw. deren Vertretungen,Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Vertrauens-leute. Finanzielle Unterstützung kam aus demXENOS-Programm der Bundesregierung.

Die Wahrnehmung schärfen,Verhaltensmuster ändern, neueKonfliktkultur ausbilden

Die betrieblichen Workshops und Qualifi-zierungsreihen basierten auf zwei unterschied-lichen Konzepten, sowohl in der methodischenAusrichtung als auch beim zeitlichen Rahmen.In den zweitägigen Workshops wurden die Teil-nehmenden in Rollenspielen mit fremdenfeind-

lichen Situationen im Alltag oder Betrieb kon-frontiert und trainierten couragiertes Handeln.Sie hinterfragten ihr individuelles Konfliktver-halten, lernten mit interkulturellen Konfliktenumzugehen und erarbeiteten Strategien für daseigene Handeln am Arbeitsplatz.

Die Qualifizierungsmaßnahmen mit der Aus-bildung zur Kulturmittlerin/ zum Kulturmittlerverliefen inhaltlich und zeitlich intensiver undnahmen etwa ein halbes Jahr in Anspruch. JedeQualifizierung umfasste vier Bausteine. Zwi-schen diesen Blöcken fand eine dreitägigeSupervision statt, den Abschluss bildete eindreitägiger Implementierungsblock. DieseQualifizierungsreihen wurden von ausgebil-deten und erfahrenen Mediatorinnen undMediatoren geleitet.

Die angehenden Kulturmittler erwarben um-fassende interkulturelle Kompetenzen, umdamit eine neue Konfliktkultur in ihren Betrie-ben herauszubilden. In der Qualifizierungsreiheging es um eine prinzipielle Auseinanderset-zung mit kulturellen Unterschieden im Betrieb.Die Grundannahme lautete: Solche Unterschie-de und daraus entstehende Konflikte sind einenatürliche Erscheinung. Deshalb kommt esdarauf an, die eigene Wahrnehmung dafür zuschärfen, um eingeschliffene Verhaltensmusterzu verändern.

Begonnen wurde im ersten Seminarblock mitdem Nachdenken über das eigene kulturelleKonfliktverhalten und die kulturelle Ich-Identi-tät. Im zweiten Block wurde der Blick verstärktauf Kommunikation und Konfliktmanagementgerichtet. Neben gruppendynamischen Übun-gen wurden ein theoretisches Gerüst geliefertund Begriffe wie Konflikt, Konflikttypologie undKultur erarbeitet. Der Erwerb von Kommunika-tionskompetenzen diente dazu, Konflikte kon-struktiv zu bewältigen. Auch Methoden der Me-diation, wie beispielsweise der „Konfliktfaden“,wurden vermittelt. Selbst erlebte Konfliktsitua-tionen kamen im psychodramatischen Rollen-spiel auf die Bühne und wurden in der Gruppesystematisch analysiert. So konnten die ent-

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Vertrauensleute als Kulturmittler Elke Eller

Handlungsansätze in Unternehmen

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wickelten Handlungsoptionen spielerisch aus-probiert werden. In der Supervision wurde zunächst ein Resümeeder Blockausbildung gezogen, um sich dann mitden konkreten Anliegen der Teilnehmendenauseinander zu setzen. Hierfür wurde als Metho-de das so genannte „Hebammengespräch“gewählt, in dem durch beständiges bohrendesNachfragen die eigentlichen Fragen, Meinun-gen und Bedenken der Befragten herausgekit-zelt werden.

Im vierten Baustein wurden die Teilnehme-rinnen und Teilnehmer durch Diskussionen undRollenspiele für die Konfliktpotenziale zwischenunterschiedlichen Kulturen sensibilisiert. Es gingdarum, die Wahrnehmung zu schärfen und deneigenen Umgang mit Konfliktsituationen zureflektieren. Die Rollenspiele eigneten sich auchgut, um durch die Moderation von Konflikt-verläufen eigene Strategien zur Konfliktlösungzu erproben und trainieren.

Wie die erlernten Qualifizierungsinhalte in derbetrieblichen Praxis angewendet und mit Lebenerfüllt werden können, stand im Mittelpunkt derImplementierung. Hierzu wurden Konzepte,Strategien und konkrete Schritte zur Umsetzungentwickelt. Am Ende standen individuelle Ziel-vereinbarungen. Zu den Themen der Implemen-tierung gehörte auch die Frage: Wie können wireine Betriebsvereinbarung für unser Unterneh-men aushandeln und mit Leben erfüllen?

Interkulturelle Workshops als Bestandteil der Ausbildung

Das Potenzial der Qualifizierungsreihenentfaltete sich besonders wirkungsvoll bei derThyssenKrupp Stahl AG in Duisburg. Zwei vonvier Qualifizierungsreihen zur Kulturmittlerin/zum Kulturmittler fanden in diesem Betriebstatt. Mehr als 80 von 500 Vertrauensleuten desUnternehmens wurden zu Kulturmittlern aus-gebildet. Das Engagement der bereits ausge-bildeten Kulturmittler belegt, wie die erlerntenFähigkeiten im Alltag Früchte tragen. So setztensie in Verhandlungen mit der Geschäftsleitung

durch, dass künftig alle neuen Auszubildendenan einem interkulturellen Workshop teilneh-men, für den sie sich als Teamleiterinnen undTeamleiter zur Verfügung stellen. Nach ihrerAusbildung gründeten die Kulturmittler einenIntegrationsarbeitskreis. Er tagt einmal imMonat und soll auch auf der Ebene der IG MetallVerwaltungsstelle initiiert werden.

Handlungsansätzein Unternehmen

Projekt: „Das Herz in die Hand nehmen, Couragezeigen! – Ein gewerkschaftliches Projekt fürInterkulturalität und gegenFremdenfeindlichkeit“

Projektträger: IG Metall und Otto Brenner Stiftung

Zielsetzung: Das Projekt „Das Herz in die Hand nehmen,Courage zeigen! – Ein gewerkschaftlichesProjekt für Interkulturalität und gegenFremdenfeindlichkeit“ setzte sich zum Ziel,eine sensiblere Wahrnehmung vonalltäglicher Fremdenfeindlichkeit zufördern und die Fähigkeit zu stärken,couragiert zu reagieren.

Kontakt: Antje Kirschner Otto Brenner StiftungE-Mail: [email protected]

Die Projektdokumentation steht im Internetunter www.herz-und-courage.de

Fremdenfeindlichkeit im öffentlichenRaum entgegenwirken

Die Deutsche Bahn AG ist der größte Verkehrs-dienstleister Deutschlands und ist dabei wiejedes Unternehmen, das durch große Präsenz inder Öffentlichkeit geprägt ist, verschiedenenErscheinungsformen von Fremdenfeindlichkeitund deren Auswirkungen ausgesetzt. Dazuzählen sowohl offene Ausprägungen (z. B.öffentliche Darstellung von Hakenkreuzen oderdes Hitler-Grußes) als auch sublime Formen vonFremdenfeindlichkeit wie Rempeleien oderPöbeleien. Ziel des XENOS-Projekts war es, Fremdenfeind-lichkeit in den Zügen und auf Bahnhöfen derDeutschen Bahn AG entgegenzuwirken. Umdieses Ziel zu erreichen, sollten Multiplikatorender Bahn AG (Trainerinnen und Trainer sowieAusbilderinnen und Ausbilder) befähigt werden,Beschäftigte so zu qualifizieren, dass sie in kon-fliktreichen Situationen mit fremdenfeindlichenTendenzen zivilcouragiert und deeskalierendreagieren können. Denn die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter in den Zügen oder auf denBahnhöfen der Deutschen Bahn AG werdenimmer wieder mit dieser Problematik konfron-tiert. Und sie üben ihrerseits eine Multiplikato-renfunktion für Zugreisende aus: Sie überneh-men Verantwortung dafür, dass Fremdenfeind-lichkeit weder in den Zügen noch auf Bahnhöfenauftritt und geben nachahmenswerte Beispiele.Eine besondere Relevanz entfaltete das Projektvor dem Hintergrund der im Jahr 2006 inDeutschland stattfindenden Fußballwelt-meisterschaft.

Um Strategien gegen Fremdenfeindlichkeit inden Zügen und auf Bahnhöfen der DeutschenBahn AG zu entwickeln, wurde ein Qualifizi-erungskonzept umgesetzt, das folgende Ele-mente enthielt:

Analyse des Ist-Zustandes, Bedarfserhebungund Design eines Qualifizierungsprofils

Schulung von Multiplikatoren (Trainings-und Ausbildungspersonal)

Schulung von Beschäftigten mit Kundenkon-takt (auf Bahnhöfen und in Zügen)

Moderierter Erfahrungsaustausch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Evaluation und Transfer der Ergebnisse (Roll-out)

Deeskalationsstrategien entwickeln, Handlungssicherheit erlangen,Zivilcourage stärken

In den Trainings wurde ausgehend von denErfahrungen der Teilnehmenden ein verhaltens-orientierter Ansatz verfolgt, der auf den Um-gang mit konkreten Konfliktsituationen abziel-te. So wurden in den Trainings unterschiedlicheKonflikt- und Gewaltsituationen mit fremden-feindlichem Hintergrund simuliert und eigeneLösungsmöglichkeiten erarbeitet. Die Entwick-lung und Erprobung eigener Deeskalations-strategien sollte den Beschäftigten der Deut-schen Bahn AG Handlungssicherheit geben unddie eigene Zivilcourage stärken. Zu einem bewussten Umgang mit Problemsi-tuationen gehört aber auch die Vermittlung vonHintergrundwissen zu relevanten Themen-bereichen (wie Kommunikation, interkulturelleKommunikation und Kompetenz, Zivilcourage),die Wahrnehmung und Reflektierung eigenerVorurteile sowie die Sensibilisierung für dasGefühl der eigenen Ausgrenzung. Dabeiwurden die Schwerpunkte in den jeweiligenTrainingseinheiten unterschiedlich gesetzt.

Die Hauptthemenfelder der Trainings wurdenauf Grundlage einer Befragung von Exper-tinnen und Experten (Beschäftigte der Kon-zernsicherheit und Geschäftsführungen derbeteiligten Unternehmensbereiche) heraus-gearbeitet und in Module gefasst. Die Modulewurden als je eintägige Veranstaltungen kon-zipiert, die nicht aufeinander aufbauten,sondern einzeln besucht werden konnten. Le-diglich die Teilnahme am 5. Modul setzte dievorherige Teilnahme an einem der Module 1 bis4 voraus. Diese Vorgehensweise trug dem

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Die Bahn AG – kompetent Rassismus und

Fremdenfeindlichkeit begegnen Susanne Ellenbeck

Handlungsansätze in Unternehmen

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Wunsch nach größerer Flexibilität in der Per-sonalplanung Rechnung.

Für die Trainings wurde bei den Führungskräftender personalführenden Stellen der Unter-nehmensbereiche Station und Service sowie Per-sonenverkehr geworben. Diese Bereicheunterstützten die Durchführung der Maßnah-men, sie buchten für ihre Mitarbeiterinnen undMitarbeiter relevante Module. Die Teilnahmewurde als Arbeitszeit angerechnet. Das Interes-se an einer Teilnahme wuchs im Verlauf durcheine Art „Mund-zu-Mund-Propaganda“ unterKolleginnen und Kollegen, insbesondere durchdiejenigen, die bereits an einem Training teil-genommen hatten. Im Durchschnitt nahmen 15Personen teil; einige besuchten zwei odermehrere Trainings.

Die fünf Module hatten unterschiedlicheSchwerpunktsetzungen. Modul 1 bot eine all-

gemeine Einführung in die Thematik und gabeinen Überblick über die Themen der Modul-reihe. Die jeweiligen Aspekte wurden nur sehrkurz behandelt, eine Vertiefung der ThemenDeeskalation, Interkulturalität und Zivilcourageerfolgte in den Modulen 2 bis 4.

Konflikte erkennen, vermeiden und lösen

Die Teilnehmenden wurden für Vorurteilegegenüber „Fremden“ sensibilisiert und füreinen kompetenten Umgang mit Fremden-feindlichkeit qualifiziert. Dazu lernten dieBeschäftigten zunächst, Vorurteile wahrzu-nehmen, auch die eigenen, und diese zureflektieren. Darauf aufbauend wurde dasBewusstsein für Konfliktsituationen mit frem-denfeindlichem Hintergrund im Arbeitsalltaggeschärft. Die Teilnehmenden erhielten kon-krete Hinweise zur Deeskalation von Gewalt-und Konfliktsituationen, mit denen sie dann im

Handlungsansätzein Unternehmen

Gemeinsam gegen Gewalt im Bahnalltag

Rahmen des Trainings eigene Deeskalations-strategien entwickelten. Neben der Deeskalation von Konfliktsituationenkam der Vermittlung kommunikativer Kom-petenzen eine wichtige Bedeutung zu. DieTeilnehmenden erfuhren, wo und wie Kon-fliktsituationen auftreten können und wiefremdenfeindliche Zusammenhänge zuerkennen sind. Im Anschluss daran wurde ihnenvermittelt, wie sie diese Situationen durch Kom-munikation und couragiertes Handelndeeskalieren können. Dazu wurden mit denBeschäftigten u. a. zehn Regeln des Handelns inGewaltsituationen erarbeitet. Zur Förderung interkultureller Kompetenzenwurde in einem ersten Schritt die Auseinander-setzung mit der kulturellen Vielfalt in Deutsch-land angeregt. Die Teilnehmenden setzten sichmit dem Kulturbegriff auseinander, indem siemit Hilfe eines Rollenspiels Erfahrungen in denBereichen Eigenkultur und Fremdkulturmachten. Aus ihrem Rollenverständnis alsDienstleister heraus beschäftigten sie sich mitinterkulturellen Begegnungen im Arbeitsleben.Zudem wurden Verhaltensweisen im Bereichder interkulturellen Kommunikation geübt, mitdenen die Teilnehmenden im Laufe desTrainings ihren Handlungsspielraumerweiterten. Um die Wahrnehmung, die verbale und non-ver-bale Kommunikation zu trainieren, erwiesensich simulierte Gefahrensituationen als sehr hilf-reich. Hierdurch wurde die Bedeutung vonZivilcourage noch mal deutlicher.

Modul 5 vermittelte Ziel, Methode und Vor-gehen der „kollegialen Beratung“ für Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kundenkon-takt. Dieses strukturierte Beratungsgesprächbefähigte die Beschäftigten, sich in einemGruppengespräch gegenseitig zu beraten. DasGespräch folgt einem bestimmten Ablauf mitverteilten Rollen, um Lösungen für ein konkretesProblem zu entwickeln. Die geschulten Teilneh-menden können solche kollegialen Beratungs-gruppen nun in ihrem Umfeld gründen undmoderieren.

Die Evaluation zu dem Projekt ist noch nichtabgeschlossen und so liegen zu diesem Zeit-punkt keine differenzierten Ergebnisse vor. Aberes wurde bei Durchführung der Trainingsmaß-nahmen deutlich, dass die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter der Deutschen Bahn AG die neuenKenntnisse und Erfahrungen als äußerst wichtigund notwendig erachteten, um adäquat aufFremdenfeindlichkeit in Zügen und auf denBahnhöfen reagieren zu können. Durch dieTrainings eigneten sich die Teilnehmenden einvielseitiges Handwerkszeug an, mit dem sie nunsowohl „Stammtischparolen“ begegnen wieauch eigene Handlungsstrategien in Gewalt-situationen mit fremdenfeindlichem Hinter-grund einsetzen können.

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Handlungsansätze in Unternehmen

Projekt:

Sensibilisierung und Qualifizierung von Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern mit Kunden-kontakt der Deutschen Bahn AG gegenüberFremdenfeindlichkeit

Projektträger:Deutsche Bahn AG, DB Training, Learning & Consulting

Zielsetzung:Beschäftigte – insbesondere im Bereich derBahnhöfe und Züge – sollen lernen, wie siein ihrem Arbeitsalltag Fremdenfeindlichkeitund Gewalt begegnen sowie Gefahren-situationen zu verstehen und richtig zubeurteilen.

Ansprechpartnerin:Susanne EllenbeckE-Mail: [email protected]

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Handlungsansätzein Unternehmen

In der Erziehung, der schulischen Bildung, be-ruflichen Ausbildung und Jugendsozialarbeitwerden grundlegende soziale und fachlicheKompetenzen vermittelt, die über die Zukunfts-perspektiven junger Menschen entscheiden.Was hier versäumt wird, kann später kaum auf-gefangen oder zumindest nur schwer vermitteltwerden.

Junge Menschen lernen, sich in der Gesellschaftzu behaupten, ihre Interessen zu vertreten undsich auch gegenüber anderen abzugrenzen.Ausgrenzung und Diskriminierung, Konflikteund Anfeindungen gehören zur Erprobung dereigenen Stärken und Schwächen dazu und fin-den täglich auf dem Schulhof und der Straßestatt. Bei einigen bleibt es jedoch nicht bei„spielerischen“ Versuchen in der Selbstbehaup-tung. Anfängliche Streitereien und Balgereienkönnen schnell in kriminelle, rassistische undfremdenfeindliche Taten münden, insbeson-dere dann, wenn Jugendlichen und jungenErwachsenen der Zugang zu Ausbildungs- undArbeitsplätzen und zur beruflichen Bildungerschwert ist.

Eltern, Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen und -ar-beiter sowie Ausbilderinnen und Ausbilder sindim Zuge der Sparmaßnahmen im sozialen undBildungsbereich oft überlastet und überfordert,über ihre alltäglichen Aufgaben hinausdestruktive Erscheinungen und Problemquellenaufzudecken und gegenzusteuern. Hier sindUnterstützungsmaßnahmen erforderlich, dieStrukturen öffnen, neue Wege aufzeigen unddie Umsetzung innovativer Handlungskonzeptezur Förderung toleranten Verhaltens und derfriedlichen Konfliktlösung möglich machen.

Erziehung und Förderung junger Menschenfindet nicht nur an bestimmbaren Orten und zubestimmten Zeiträumen statt, sondern überallund kontinuierlich und wird damit zur gesamt-gesellschaftlichen Aufgabe. Maßnahmen zuAbbau von Vorurteilen, Gewalt und Fremden-feindlichkeit und zur Förderung eines toleran-ten Verhaltens können nur greifen, wenn sie ingegenseitiger Abstimmung und Unterstützung

aller Beteiligten – Politik, Verwaltung, Bildungs-einrichtungen und Ausbildungsstätten, Sozial-arbeit, Vereine und Eltern – stattfinden. Dabei ist es wichtig, ein Lernumfeld zu schaffen,in dem junge Menschen ihre Potenziale ent-decken und einbringen können und ihnen Per-spektiven und Wege aufgezeigt werden. ImIdealfall gelingt die Kopplung eines indivi-duellen Empowerments hin zu mehr Selbstver-trauen mit dem gleichzeitigen Erkennen derStärke von Teams und der kulturellen Vielfalt.

Im Rahmen von EQUAL und XENOS haben sichviele Initiativen für die Stärkung der interkul-turellen Handlungskompetenz in Schule, Aus-bildung und Sozialarbeit eingesetzt und neueWege der Gewaltprävention, Konfliktvermei-dung und -lösung erprobt. Dabei stellte die Öffnung bestehender Struktu-ren den ersten Schritt dar, um neue Herange-hensweisen zu integrieren. Die Akteure folgtendem Ansatz, dass nur über eine Vernetzung undenge Abstimmung von Entscheidungsträgern,Institutionen, Bildungseinrichtungen und akti-ven Einzelpersonen nachhaltige Effekte in derBildungsarbeit erzielt werden können. Bei denMaßnahmen ging es weniger um die Bereit-stellung zusätzlicher als die Nutzung vorhande-ner Ressourcen – z.B. in Form von Zeit. Ein wichtiger Bestandteil war die Weiterquali-fizierung von Lehr- und Fachkräften in Schuleund Jugendsozialarbeit. Sie wurden daraufspezialisiert, Konfliktpotenzial mit fremden-feindlichem oder rassistischem Hintergrund zuerkennen und bewältigen und agieren alsAnsprechpartnerinnen und -partner für ihrKollegium. Hier haben sich langfristige intensiveSchulungen als sehr effektiv herausgestellt. Darüber hinaus wurden verschiedene Konzep-te, Lehrmaterialien und Freizeitangebote ent-wickelt und erprobt, die entweder unterrichts-begleitend oder als integrativer Bestandteil desLehrprogramms sowie in der Jugendsozialarbeiteingesetzt werden können.

Als sehr erfolgreich erwies sich die Ausbildungvon Jugendlichen mit und ohne Migrationshin-tergrund zu Mittlern zwischen den Einrichtungen

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Lernziele und Methoden in Schule

und Ausbildung

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und ihrer jeweiligen Community bzw. „Szene“.Sie sprechen die gleiche Sprache und kennen diebesonderen Bedürfnisse und Problemlagen,finden Gehör und genießen Vertrauen. Dieser Ansatz ist besonders bei den Jugendlichenmit Migrationshintergrund wichtig, die imÜbergang von der Schule in den Beruf stehen.Die Auseinandersetzung mit den Berufswün-schen, den persönlichen wie fachlichen Stärkenund Schwächen findet in Deutschland zum Groß-teil im Elternhaus und schon in frühen Jahrenstatt. Aufgrund dynamischer Entwicklungen und

Veränderungen in der Arbeits- und Berufsweltsind viele Eltern mit der Unterstützung in dasArbeitsleben überfordert. Das betrifft inbesonderer Weise Migrantenfamilien, die mitden Strukturen und Abläufen wenig vertrautsind, andere Informationskanäle nutzen undschließlich auch andere kulturelle Werte ver-treten. Die Einbeziehung der Migrantenelternstellt letztendlich nicht nur eine Förderung derJugendlichen mit Migrationshintergrund,sondern eine gesellschaftliche Integration vonMigrantinnen und Migranten insgesamt dar.

Informations- und Kompetenzvermittlungan Migranteneltern

Aus der Vielzahl der Integrationsfelder zielt dasEQUAL-Teilprojekt „Interkulturelle Elternarbeit“auf den Bereich Arbeit, Bildung und Ausbildung.Beim Übergang von der allgemein bildendenSchule in den Ausbildungs- und Arbeitsmarktsollen die Chancen von Migrantenjugendlichen,einen adäquaten Beruf zu ergreifen und in denArbeitsmarkt zu finden, erhöht werden. Im Zen-trum der Aufmerksamkeit steht der Prozess derBerufsorientierung, der in der allgemeinbildenden Schule (Sekundarstufe I) beginnt.

Der aktive Einbezug von Migranteneltern in dieBerufsorientierung und Berufsfindung wird alsein Schlüsselfaktor auf dem Weg zu einer erfolg-reichen Integration von Jugendlichen in dasArbeits- und Berufsleben angesehen. Der Einflussder Familien auf die Berufsorientierung dereinzelnen Jugendlichen ist groß; und dies giltverstärkt in Migrantenfamilien mit türkischemHintergrund. Oftmals fehlen aber gerade diesenEltern ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten,um ihre Kinder bei dieser Entscheidung wir-kungsvoll zu unterstützen. Vorkenntnisse überden Arbeitsmarkt, das Spektrum der Berufe, dieWege des deutschen Schul- und Ausbildungs-systems, die notwendigen Voraussetzungen aufSeiten der Jugendlichen für bestimmte Berufe,die Abläufe bei Bewerbungen und die existie-rende Unterstützungsinfrastruktur sind häufigsehr gering. Hier setzt das Projekt an. Es bietetden Migranteneltern zahlreiche Hilfestellungenan, um diese Informationslücken aufzufüllen undneue Kompetenzen zu erwerben.

Neue Brücken zwischen Schulen undMigranteneltern

Der Aufbau neuer Kooperationsbeziehungensteht am Beginn des Projektes. Neue Brückenzwischen den allgemein bildenden Schulen undden Migranteneltern müssen aufgebaut werden.Initiatoren dieser neuen Zusammenarbeit sinddie Migrantenzentren. Sie übernehmen dabeigleich mehrfache Aufgaben und Funktionen:

1. Kontaktaufnahme zu den Migranteneltern, 2. Aufbau eines interkulturellen

Qualifizierungs- und Weiterbildungs-angebotes für die Eltern,

3. Verknüpfung der Maßnahmen mit demRegelangebot von Schulen.

Nach einer Pilotphase mit nur wenigen Haupt-und Realschulen konnten die Angebote gemäßdem horizontalen Mainstreaming sukzessiveauf weitere Schulen und Eltern in Köln aus-gedehnt werden.

Die zwei Kölner Migrantenzentren „VingsterTreff“ und „Deutsch-Türkischer Verein“ inChorweiler leiten die Aktionen vor Ort. DieMigrantenzentren sprechen vorwiegend dietürkische Minorität an, da sie die größte Gruppeist und auf dem Arbeitsmarkt mit gravierendenProblemen konfrontiert ist.

Wichtig an diesem Ansatz ist, dass die Zentreneine führende und verantwortliche Rolle über-nehmen und ihre bisher wenig genutzten Res-sourcen einbringen können. Dies ist ein ent-scheidender erster Schritt eines umfassenderenEmpowerment-Ansatzes der Zentren, die bisherzu wenig mit anderen Einrichtungen vernetztund in die Strukturen der Mehrheitsgesellschafteingebunden sind.

Das Projekt wird über die gesamte Laufzeit voneiner Steuerungsgruppe und einer wissenschaft-lichen Begleitung unterstützt und evaluiert.

Anhören, Informieren, in den Dialog treten

Zu den Hauptprodukten des Projektes zählenregelmäßige Elternabende für Migrantinnenund Migranten, wöchentliche Müttercafés undAngebote zu Exkursionen und Besuchen vor Ort.

ElternabendeElternabende schon ab der 5. Klasse dienen derfrühzeitigen Information und der Sensibilisie-rung der Eltern für das Thema Berufswahl. Mitaufsteigenden Klassen werden die Themenimmer konkreter, auch da viele Schulen parallel

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Die Eltern bei der Berufsorientierung

mitnehmen – Migrantenzentren als

Schnittstelle Dr. Jürgen Bärsch

Lernziele und Methoden in Schule und Ausbildung

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Berufspraktika und Beruforientierungen fürSchülerinnen und Schüler im Unterricht anbie-ten. Zentrales Thema der Elternabende ist auchimmer die unterschiedliche Rolle von Eltern undSchule im Erziehungsprozess. Hier existierenoftmals kulturell geprägte unterschiedlicheErwartungen, die Anlass zu Konflikten und Miss-verständnissen sein können.

Alle Elternabende werden auf Türkisch oder min-destens zweisprachig – in deutsch-türkischerÜbersetzung – durchgeführt; dies ist eine zen-trale Bedingung für den Erfolg. Die Resonanz derEltern auf die Angebote war stets bemerkens-wert hoch. In der Regel nahmen über 60 Prozentder angesprochenen Eltern teil.

MüttercaféDie Gründung und Begleitung von Elterninitia-tiven ist ein wichtiger Bestandteil des Projektes.Ziel ist es, einen festen Kern von aktiven Eltern zubilden, der sich permanent im Thema Berufs-orientierung weiterbildet. Die Unterstützunggerade der Mütter wird im Prozess als besonderswichtig erachtet, da sie oftmals über ein sehrgeringes institutionelles Vorwissen verfügen(Stichwort „Heiratsmigranten“), innerfamiliäraber bei der Berufswahl eine wichtige Rollespielen können.

Die Treffen werden in türkischer Spracheangeboten. Dies ist vor allem zu Beginn sehrwichtig, um die ersten Hürden abzubauen.Inzwischen haben sich etliche Teilnehmerinnenauch zusätzlich Deutschkurse organisiert, umihre Autonomie zu erhöhen.

ExkursionenDie Besichtigung von Betrieben, Bildungseinrich-tungen, dem Berufsinformationszentrum derAgentur für Arbeit, Selbstlernzentren, Kammern,Innungen usw. ist ein hilfreicher Baustein derBerufsorientierung. Meist haben die Migranten-eltern keinerlei Vorerfahrungen im Umgang mitdiesen Organisationen und Einrichtungen. Diedirekten Kontakte erweitern die Vorstellungenüber das Berufsspektrum ganz entscheidend undsie klären über die einzelnen Zugangsvorausset-zungen zu Firmen- wie Berufskarrieren auf. Beiderartigen Führungen ist eine Person, die sich inder Muttersprache der Migrantinnen und Migran-ten verständlich machen kann, von hohem Wert.Die Glaubwürdigkeit der Inhalte steigt spürbarund auch das Verstehen komplizierterer Zusam-menhänge wird ganz wesentlich erleichtert.

Aufgrund einer engen Kooperation mit demArbeitgeberverband Köln können inzwischen miteinem breiten Spektrum von Firmen Besichtigun-gen arrangiert werden. Viele Betriebe schätzenes positiv ein, wenn sie wissen, dass das Eltern-haus die Jugendlichen, seien sie nun als Prakti-kanten oder als Auszubildende in den Firmentätig, aktiv unterstützt. Die bekanntlich hoheAbbrecherquote bei Migrantenjugendlichenkönnte durch weitere gezielte Unterstützungenim Rahmen eines ausbildungsbegleitendenCoaching, bei dem auch die Eltern eine aktiveRolle spielen, sicherlich weiter reduziert werden.

Handbuch und CD-ROM

Alle im Laufe des Projektes entstandenenMaterialien und Berichte sind auf einer CD-ROMerschienen und können beim Klaus Novy Institutauf der Webseite (www.kni.de) bestellt werden.

Lernziele undMethoden in Schule und Ausbildung

Entwicklungspartnerschaft: Übergangsmanagement Schule-Beruf in Köln

EQUAL-Teilprojekt: Interkulturelle Elternarbeit

Projektträger:Klaus Novy Institut Corneliusstrasse 2 50678 KölnInternet: www.kni.de

Zielsetzung der Entwicklungspartnerschaft: Senkung der Jugendarbeitslosigkeit durcheine Verbesserung des Kooperations-managements beim Übergang von derSchule in Ausbildung bzw. Arbeit und Beruf.

Ansprechpartner: Dr. Jürgen BärschE-Mail: [email protected]

Mehr Verantwortung an Jugendliche übertragen

Das Peer Leadership Training der RegionalenArbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugend-arbeit und Schule e.V. (RAA) Berlin wurde ent-worfen, um junge Menschen zu stärken, die sichgegen Gewalt, Ausgrenzung und Rechtsextre-mismus einsetzen wollen bzw. sich bereits indiesem Bereich engagieren. Da Jugendliche invielen Lebensbereichen am besten von Jugend-lichen lernen, sollte das Training interessierteSchülerinnen und Schüler befähigen, ihre Kom-petenz im Umgang mit Konfliktsituationen zuentwickeln und an andere weiterzugeben.Dabei ging es um die Förderung interkulturellerund multiplikativer Fähigkeiten sowie um dieStärkung der Motivation der Jugendlichen überHindernisse, Widerstände und Rückschlägehinweg.Zugleich sollten die Schulen für ein nach-haltiges Engagement von Schülerinnen undSchülern geöffnet werden, da es vielen Lehr-kräften noch schwer fällt, Jugendlichen echteVerantwortung zu übertragen und Anregungenvon ihnen aufzugreifen.Während die Vorbereitungsphase des Projektsvon der Freudenberg Stiftung und der AmadeuAntonio Stiftung finanziert wurde, fand dieModellentwicklung, -erprobung und -dissimina-tion im Rahmen des XENOS-Programms statt.Sechs RAAs beteiligten sich mit insgesamt etwa100 Jugendlichen daran.

Ausbildung zu peer leaders – Aneignungvielfältiger Kompetenzen

Der Ansatz des Trainings war die AktivierungJugendlicher für einen respektvollen Umgangund demokratisches Handeln, gegen Rassismusund Ausgrenzung durch die Ausbildung vonMultiplikatoren – peer leaders – und ihren Ein-satz vor Ort. Wenige intensiv zu fördern, umlangfristig viele und nachfolgende Gruppen zuerreichen, war die Idee. Dies bedeutete, dieJugendlichen als Partner ernst zu nehmen, ihreKompetenz zu achten und zu entwickeln undihnen mit dem Training wesentliche Inhalte und

Ziele anzuvertrauen. Die peer leaders – Jugend-liche, die in ihren Gruppen natürliche Autoritätgenießen und eine tragende Rolle spielen – soll-ten Know-how und Praxis erwerben, um wäh-rend und nach der Ausbildung ihre peer groupsmitzuziehen, Projekte zu initiieren und ihr Wis-sen und Können an andere, künftige peerleaders, weiterzugeben.Dazu durchliefen sie einen zweijährigen Trai-ningsprozess im Rahmen von Projekten in derSchule und im Schulumfeld, monatlichen regio-nalen Treffen und vierteljährlichen Bundes-seminaren. Letztere dienten der eigentlichenKenntnis- und Methodenvermittlung: Hiererwarben die peer leaders Wissen über wichtigeThemen, sozialwissenschaftliche, gruppenpsy-chologische und politische Zusammenhängeund den aktuellen Diskussionsstand. Zugleichlernten sie verschiedene Methoden für Projekte,Debatten und Workshops kennen, die sieerprobten und trainierten, um diejenigen aus-zuwählen, die für sie selbst, ihre Vorhaben undihre peer groups am besten geeignet waren.Folgende Themen wurden in der Ausbildungbehandelt:

Multikulturalität, interkulturelle Kompetenzund Gender Mainstreaming;Rechtsextremismus und extremistischeIdeologien;Gruppen: Gewalt, Konflikte und Lösungs-strategien; Asyl und Migration; Diskriminierung und Rassismus; Demokratie und Zivilgesellschaft undGlobalisierung und Gerechtigkeit.

Die peer leaders führten von Beginn an Projektean ihren Schulen durch, um das erworbeneKnow-how praktisch umzusetzen, zu vertiefenund weiterzuentwickeln. Dabei wählten sie dieProblemfelder, die sie bearbeiten wollten,selbst in ihren Teams aus und entwickelten dieMethoden gemeinsam weiter. Zugleichkonnten die Jugendlichen ihre Mitschülerinnenund Mitschüler einbeziehen und sie mit ihrerBegeisterung und Initiative anstecken. Einintensives Coaching durch Regionalkoordinato-rinnen half ihnen, praktische Schritte zu gehen,

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Das Peer Leadership Modell –

Jugendliche schulen Jugendliche Britta Kollberg

Lernziele und Methoden in Schule und Ausbildung

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Erfolge und Misserfolge auszuwerten undErfahrungen für sich nutzbar zu machen. DieRegionaltreffen dienten dem Austausch, dergemeinsamen Reflexion und im Laufe der Zeitimmer mehr auch der Vorbereitung schulüber-greifender Projekte.Parallel arbeiteten die Coaches auch mit denerwachsenen Partnern in den Schulen, um dieJugendlichen vor Ort zu unterstützen undAnerkennung und die strukturellen Vorausset-zungen für ihr Engagement zu schaffen.

Peer leaders agieren und motivieren andere Jugendliche

Etwa 70 peer leaders haben die Ausbildung biszum Ende durchlaufen und im Herbst 2003 einAbschlusszertifikat erhalten. Viele weitereJugendliche nahmen an einzelnen Seminarenund Projekten teil oder kamen später zum Pro-gramm dazu.Alle beteiligten Jugendlichen berichten, einengroßen Gewinn für ihre Persönlichkeitsentwick-lung aus dem Training gezogen zu haben, aberauch ein höheres Interesse an Geschichte undPolitik wird von ihnen gezeigt. Sie trauen sich zu,vor großen Gruppen zu sprechen und sindsouveräner im Umgang mit Problemen und inihrem Engagement geworden. Viele wurden zuKlassen- und Schulsprecherinnen und -sprecherngewählt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmersind in ihrem Umfeld aktiv geworden undmischen sich selbstständig und erfolgreich inder Schule, aber auch im Stadtteil mit ein. Anallen Projektorten haben die peer leaders mitUnterstützung der Coaches und Lehrerinnenund Lehrer neue Initiativen entwickelt undzahlreiche Projekte durchgeführt, z.B.:

Anti-Mobbing-Trainings mit jüngerenKlassen, Unterrichtseinheiten über Rechts-extremismus und Zivilgesellschaft, Planspiele zu Jugendkulturen, Ausgrenzungund Konfliktlösungswegen.

Dabei haben sie viele weitere Jugendliche insBoot geholt und für ein demokratischesEngagement aktiviert: 18 Monate nach Ende der

Förderung bestehen an vielen Schulen nochTeams, die heute selbst ihre Nachfolgerinnenund Nachfolger einarbeiten und Projekte in derSchule und im Stadtteil umsetzen. Viele Beispie-le, von den Jugendlichen selbst dokumentiert,und mehr Informationen zu dem Projekt sind inden folgenden Publikationen enthalten:

1) Peer Leadership Training für interkulturelleKompetenz und Demokratie. lnterkulturelleBeiträge Jugend & Schule Nr. 7, RAA Berlin,Berlin 2004.

2) Peer Leadership Training für demokratischeBildung und interkulturelle Kompetenz.InfoBrief 9 der Bundesarbeitsgemeinschaftder RAA, Berlin 2002.

Lernziele undMethoden in Schule und Ausbildung

Projekt:Peer Leadership Training für demokratischeBildung und interkulturelle Kompetenz

Träger:Regionale Arbeitsstellen für Ausländer-fragen, Jugendarbeit und Schule (RAABerlin)

Zielsetzung:Ausbildung und Einsatz jugendlicherMultiplikatoren für demokratischesHandeln, gegen Rassismus, Rechts-extremismus und Ausgrenzung in Schule,Betrieb und Stadtteil

Ansprechpartnerin:Britta Kollberg, RAA BerlinE-Mail: [email protected]

In Beziehungen unter Jugendlichen gibt es nicht nur Konflikte

Während in der Öffentlichkeit viel über Konflikteunter Jugendlichen unterschiedlicher Her-kunftskultur geredet wird, wird nur seltendanach gefragt, was in den interkulturellenBeziehungen unter Jugendlichen gut läuft. DasXENOS-Projekt „Auszubildende und jungeArbeitnehmerInnen werden aktiv!“ geht derFrage nach, wie Auszubildende (Azubis)unterschiedlicher kultureller Herkunft imbetrieblichen Alltag miteinander umgehen.Werden kulturelle Verschiedenheiten als etwasTrennendes wahrgenommen oder sind sie ehernebensächlich? Um ein detailliertes Bild zuerhalten, wurden in vier industriellen Groß-betrieben der Metallbranche aus Nord-, West-und Süddeutschland 886 Azubis schriftlichbefragt und ca. 80 Azubis und Ausbilderinnenund Ausbilder interviewt. Auf der Basis dieserBetriebsanalysen wurden in mehrtägigenSeminaren betriebliche Handlungsfelderausgewählt und Maßnahmen entwickelt, umdurch eine gezielte Gestaltung derinterkulturellen Zusammenarbeit zu einem bes-seren gegenseitigen Verständnis unter Azubisbeizutragen. Die wissenschaftliche Begleitungder Maßnahmenumsetzung dokumentiertErfolge und Hindernisse.

Von den Interessen und Bedürfnissen der Azubis ausgehen

Mit der Maßnahmenkonzeption wird einintegrativer Handlungsansatz verfolgt, der anden Interessen, Bedürfnissen und Problemkon-stellationen der Azubis ansetzt. In vier lösungs-orientierten Seminaren mit Azubis wurden aufder Basis der empirischen Erkenntnisse lang-fristig angelegte, problemadäquate Maß-nahmen entworfen. Zum Teil wurden bereitsvorhandene betriebliche Maßnahmen weiter-entwickelt, zum Teil wurden neue Maßnahmenkonzipiert. Im Vordergrund standen eigeneMöglichkeiten und Handlungsspielräume derJugendlichen, um die interkulturelle Zusam-menarbeit im „normalen“ Ausbildungsalltag zu

fördern. Maßnahmen, die auf eine Verbesse-rung der alltäglichen Zusammenarbeit abzie-len, erreichen eine höhere Akzeptanz unter denAzubis und den Ausbilderinnen und Ausbildernund entfalten eine breitere Wirkung, wenn sievon den Betroffenen selbst entwickelt werdenund eher niedrigschwellig angelegt sind.

Azubis möchten sprachliche Barrieren,Informations- und Wissenslücken überandere Kulturen angehen

Das Projekt liefert Erkenntnisse zum Stand derinterkulturellen Arbeitsbeziehungen unter Azu-bis in industriellen Großbetrieben. Daraufbasierend werden betriebliche Strategiensowie Maßnahmen, die zu einer Förderunginterkultureller Beziehungen beitragen können,entwickelt und in der betrieblichen Praxiserprobt.Das Ergebnis der Analysephase besteht in einemWissens- und Erkenntnisgewinn zur interkultu-rellen Zusammenarbeit von Azubis. In den betei-ligten Betrieben lagen die Anteile an Migran-ten-Azubis zwischen 27% und 48%. Die folgen-den Ergebnisse beziehen sich auf Aussagen derAzubis aus interkulturell zusammengesetztenGruppen, das trifft auf 90% der Befragten zu. Die große Mehrheit (85%) versteht sich mit denAzubis anderer Herkunftskulturen in der eige-nen Arbeitsgruppe (sehr) gut. Die Jugendlichennehmen die interkulturelle Zusammensetzungund gemeinsame Arbeit als angenehm undharmonisch wahr, so dass der überwiegendeTeil (83%) auch lieber in interkulturellen Arbeits-gruppen ausgebildet werden möchte. Dazu istzu bemerken, dass es sich bei den Befragten umeine Generation handelt, die seit ihrer Kindheitüberwiegend interkulturell aufgewachsen ist.Durch den gemeinsamen Besuch von Kinder-garten bzw. Schule verfügen sie über interkultu-relle Erfahrungen sowie darauf bezogene zen-trale soziale Kompetenzen. Dies sind vorberuf-lich erworbene Schlüsselqualifikationen für eingemeinsames Lernen und Arbeiten in kulturellerVielfalt. Die Untersuchungsergebnisse zeigenzugleich auch Folgendes: Je größer diealltägliche Nähe und je regelmäßiger der

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Auszubildende bevorzugen interkulturelle

Arbeitsgruppen Dr. Iris Bednarz-Braun, Dr. Ursula Bischoff

Lernziele und Methoden in Schule und Ausbildung

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betriebliche Umgang miteinander sind, destogrößer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieAzubis unterschiedlicher kultureller Herkunftgut verstehen. Das alltägliche Zusammenseinund die gemeinsame Bewältigung von Lehrstoffund Arbeitsaufträgen stellen wichtige Rahmen-bedingungen dar, die ein (weiteres) Zusammen-wachsen von Azubis unterschiedlicher Her-kunftskultur fördern. Dennoch kommt es auch während der Ausbil-dung zu gelegentlichen Reibereien und Unstim-migkeiten. Als kritischer Punkt in den interkultu-rellen Beziehungen gilt der Gebrauch der Her-kunftssprache (54%). Wenn Azubis diese Sprachenicht verstehen, wird dies als ausgrenzend undunangenehm empfunden – insbesondere wennangenommen wird, dass über Mit-Azubisschlecht gesprochen wird. Zudem melden sowohl deutsche Azubis als auchjene mit Migrationshintergund einen gegen-seitigen (Nachhol-)Bedarf in punkto interkultu-relle Kompetenzen an: Einerseits meinen etwa75% der deutschen Azubis, aber auch 45% derAzubis mit Migrationshintergrund, dass sichMigrantenjugendliche stärker integrieren soll-ten, exemplarisch genannt wurde der regelmä-ßige Gebrauch der deutschen Sprache. Anderer-seits meinen 75% der Migranten-Azubis, aberauch 55% der Deutschen, dass deutsche Azubismehr über die Kultur(en) ihrer Mit-Azubis ande-rer Herkunft wissen sollten, um diese besser ver-stehen zu können. Folglich geht auch ein großerTeil der von den Azubis und ihren betrieblichenInteressenvertretungen entwickelten Maßnah-men auf den Sprachgebrauch sowie die Infor-mations- und Wissenslücken über andere Kultu-ren ein. Zum überwiegenden Teil haben dieMaßnahmen einen präventiven Charakter.

Daneben sind einige Maßnahmen mit inter-venierender Wirkung entstanden. Ein Teil derMaßnahmen ist auf der kommunikativen Ebeneangesiedelt, andere wieder auf derstrukturellen Ebene (Beispiele: Einrichtungeines betrieblichen Jugendraums, Semin-armodule zum interkulturellen Kennen lernen,regelmäßige Feedback-Gespräche mit der Aus-bilderin/ dem Ausbilder).

Wichtige Ergebnisse der Betriebsbefragungenwurden 2004 im DJI-Paper „Azubis unterschied-licher Herkunftskultur: wie kommen sie imbetrieblichen Alltag aus?“ der Öffentlichkeitzugänglich gemacht. Ausgewählte betrieblicheMaßnahmen sowie die Erfahrungen bei derenUmsetzung wurden in dem Handbuch „Interkul-turalität unter Auszubildenden im Betrieb – EineHandreichung für die betriebliche Praxis“ dar-gestellt. Damit wird ein Produkt mit praktischerRelevanz vorgelegt, welches auch anderen Be-trieben und weiteren Akteuren, die in interkultu-rellen Arbeitsfeldern tätig sind, zur Verfügunggestellt wird. Das Handbuch kann kostenlosbeim Deutschen Jugendinstitut bestellt werden.

Lernziele undMethoden in Schule und Ausbildung

Projekt: „Auszubildende und junge Arbeitnehme-rInnen werden aktiv!“

Projektträger: Deutsches Jugendinstitut (DJI)

Projektziel: Die zentrale Zielsetzung ist die empirischeAnalyse der interkulturellen Beziehungenunter Auszubildenden in vier Großbetriebender Metallbranche, um auf dieser Basis nach-haltige Maßnahmen für ein Leben und Arbei-ten in kultureller Vielfalt zu entwickeln.

Kontakt: PD Dr. Iris Bednarz-Braun Deutsches Jugendinstitut Nockherstraße 2 81541 München Tel.: 089/ 62306-222 E-Mail: [email protected]

Dr. Ursula Bischoff Deutsches Jugendinstitut Außenstelle Halle Franckesche Stiftungen Franckeplatz 1, Haus 12/13 06110 Halle E-Mail: [email protected]

Tief greifende Aneignung von Wissen,praktischen Kenntnissen und Fähigkeiten

Im Mittelpunkt des XENOS Projektes „VielfältigeArbeitswelt“ am Institut für Politik- und Ver-waltungswissenschaften der Universität Rostockstand die Fortbildung von Berufsschullehre-rinnen und -lehrern für die Arbeit gegen Rechts-extremismus und Fremdenfeindlichkeit an ihrenSchulen. Daneben wurden Seminare für Stu-dierende am Institut angeboten, Fortbildungenund Workshops organisiert und einzelne Pub-likationen herausgegeben. Die Tagungen undWorkshops entwickelten sich zu Netzwerk-treffen der Projekte gegen Rechtsextremismusim Land Mecklenburg-Vorpommern. Folge-treffen wurden angeregt und Debattenangestoßen, so dass sich eine Erweiterung derProjektaufgaben ergab. Kern des Projektes blieb jedoch die Qualifi-zierung und Fortbildung. Es wurde eine festeGruppe von 22 Berufschullehrerinnen und -leh-rern aus unterschiedlichen Teilen Mecklenburg-Vorpommerns über den gesamten Projekt-zeitraum von drei Jahren fortgebildet undgeschult. Um eine umfassende und tiefgreifende Aneignung von Wissen, praktischenKenntnissen und Fähigkeiten und einetatsächliche Sicherheit im Umgang mit Rechts-extremismus zu erreichen, erwies sich eine der-art intensive Auseinandersetzung mit demPhänomen Rechtsextremismus als erforderlich.Die Seminare für Studierende sollten die Be-handlung der Thematik von Anfang an in dieAusbildung künftiger Lehrkräfte undMultiplikatoren integrieren.

„Fachleute“ im Rechtsextremismus als Multiplikatoren

Ziel der Fortbildung war es, die Teilnehme-rinnen und Teilnehmer zu befähigen, an ihrenSchulen als Multiplikatoren in Fragen desRechtsextremismus zu wirken, ihre Kolleginnenund Kollegen zu sensibilisieren und fortzubildensowie im Unterricht kompetenter und sach-kundiger gegen rechtsextreme Vorurteilewirken zu können. Konkret sollten sich die

Lehrkräfte in den einzelnen Modulen mit denideologischen Grundlagen rechtsextremerIdeologien, den unterschiedlichen Erschei-nungsformen sowie möglichen Ursachen desRechtsextremismus vertraut machen. Nebendiesen theoretischen Grundlagen sollte eineintensive Auseinandersetzung mit fachdidak-tischen Konzeptionen gegen die Verfestigungrechtsextremer Weltbilder ebenso erfolgen wiedie Vermittlung von Hilfestellungen für denUmgang mit rechtsextrem motivierter Gewalt.

Damit sind die drei anvisierten inhaltlichenSäulen der Qualifikationsprogrammeumschrieben:

Information und Aufklärung, fachdidaktische Konzeptionen undArgumentationshilfen sowieMethoden der friedlichen Konfliktbear-beitung und Gewaltprävention.

Im Rahmenplan wurden insgesamt zwölf jeweilszweitägige Einzelveranstaltungen für dieGruppe der 22 teilnehmenden Berufsschullehre-rinnen und Berufsschullehrer festgelegt. Abge-sehen von zwei Wechseln blieb der Teilnehmer-kreis über die gesamte Dauer der Fortbildungkonstant. Das Konzept zielte auf ein hohes Maßaktiver Teilnahme. Die Seminarleiterin verstandsich vor allem als Vermittlerin vonInformationen, als Mittlerin zwischen denunterschiedlichen Angeboten inhaltlicher,methodischer und auch organisatorischer Art(Vorstellung von anderen Projekten, die in dieSchulen vermittelt werden können etc.) undden Teilnehmenden. Damit berufsbegleitendeFortbildungen für alle Seiten einen gewinn-bringenden Prozess darstellen, müssen inhohem Maße die vorhandenen Kompetenzender Lerngruppe berücksichtigt werden.

Nachhaltigkeit durch Langfristigkeit und Kontinuität

Das Ziel des Projektes, die Teilnehmerinnen undTeilnehmer der Fortbildung zu Mulitiplikatorenin ihren Schulen auszubilden, wurde erreicht.Sie wirken nun in ihren Schulen durch eigene

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Souverän gegen Rechtsextremismus

durch langfristige Schulungen Dr. Gudrun Heinrich

Lernziele und Methoden in Schule und Ausbildung

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Fortbildungsveranstaltungen innerhalb desLehrerkollegiums oder auf Fachlehrerkon-ferenzen, organisieren Projekte mit ihrenKlassen, beteiligen sich an Wettbewerben etc.Darüber hinaus hat sich eine Reihe von Kollegin-nen und Kollegen bereit erklärt, die Multiplikato-renfunktion für das Landesinstitut für Schule undAusbildung in Mecklenburg-Vorpommern in denjeweiligen Regionen zu übernehmen. Damitsind sie Ansprechpartnerinnen und -partner fürVeranstaltungen in weiteren Schulen, um auchdort die Kolleginnen und Kollegen zu informie-ren und sensibilisieren. Das anhaltende Interes-se der Lehrkräfte führte nach Auslaufen des Pro-jektes zu weiteren eigenständig organisiertenSeminartreffen, auf denen aktuelle Informa-tionen und Materialien vorgestellt wurden.

Neben der Veröffentlichung der Tagungs- undWorkshop-Beiträge konnte als Nachfolgeprojekteine eigene Handreichung in Zusammenarbeitmit Expertinnen und Experten und den betei-ligten Lehrkräften erstellt werden. Der Druckwurde durch die finanzielle Unterstützung desLandesrates für Kriminalprävention, des Landes-verbandes Mecklenburg-Vorpommern derDeutschen Vereinigung für Politische Bildungund der Heinrich Böll Stiftung Mecklenburg-Vor-pommern ermöglicht.

Als ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Gelingendes Projekts erwies sich die Langfristigkeit derMaßnahme mit der Kontinuität der Teilnahme imkleinen Kreis. Für die 22 beteiligten Lehrkräfte

war es eine intensive Fortbildung, in der individu-elle Lernprozesse und die tief greifende Ausei-nandersetzung mit vielen Aspekten und Frage-stellungen ermöglicht wurden. Dabei wirkte sichdie Zusammensetzung der Gruppe aus unter-schiedlichen Schulen des Flächenstaates Meck-lenburg-Vorpommern gewinnbringend aus. Diegemeinsame Erarbeitung von Präsentationenund Vorbreitung einer Handreichung steigertedie Motivation und diente der Vertiefung derAuseinandersetzung mit zentralen Themen.

Auf Seiten des Projektmanagement erwies sichdie Beschränkung auf eine Projektmitarbeiterintrotz des flexiblen Projektansatzes als starkeEinschränkung. Zum einen sind die Anforde-rungen an diese Stelle (Organisation und Ver-waltung, inhaltliche Vorbereitung und Umset-zung) sehr hoch. Zum anderen ist ein Austauschüber Fehler oder Chancen ebenso wenig mög-lich wie die Nutzung der Synergien von Teams.Empfehlenswert ist es für zukünftige Bildungs-projekte daher, dass mindestens zwei Beschäf-tigte des Projektträgers eingebunden sind.

Lernziele undMethoden in Schule und Ausbildung

Projekt:„Vielfältige Arbeitswelt gegen Rechts-extremismus“

Projektziel: Verhinderung und Begegnung von rechts-extremen Erscheinungen durch dieintensive Schulung und Stärkung der Hand-lungskompetenz von Lehrkräften, die anihren jeweiligen Einsatzorten alsMultiplikatoren wirken

Projektleiter: Prof. Dr. Nikolaus Werz

Durchführung: Dr. Gudrun Heinrich

Kontakt: Universität Rostock, Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften, 18051 Rostock, Tel.: 0381 / 498-4444, E-Mail: [email protected]

Zuwanderung macht Anpassung vonStrukturen und Abläufen derJugendsozialarbeit notwendig

Seit einigen Jahren werden Einrichtungen derJugendsozialarbeit verstärkt mit den Anforde-rungen einer Einwanderungsgesellschaft kon-frontiert: Der Anteil der Migrantinnen undMigranten in Einrichtungen der Jugendberufs-hilfe beträgt nicht selten bis zu 50% und wird inZukunft aufgrund des demografischen Wandelsweiter zunehmen. Aufbau- und Ablauforgani-sationen sowie Prozesse der Leistungserbrin-gung müssen im Hinblick auf Minderheitenverändert werden. Gleichzeitig werden Fach-kräfte in den Einrichtungen häufig mit massivenrassistischen Diskriminierungen unter den Ju-gendlichen konfrontiert, reagieren überfordertund unsicher oder sind selbst nicht frei von Vor-urteilen und Vorbehalten.

Seit Oktober 2003 leitet die Bundesarbeits-gemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit(BAG KJS) das Projekt XENOS-Initiative Jugend-sozialarbeit gegen Fremdenfeindlichkeit undGewalt. Das Projekt geht der Frage nach, wie Ein-richtungen der arbeitsweltbezogenen Jugend-sozialarbeit präventiv gegen Rechtsextremis-mus, Rassismus und Diskriminierung vorgehen,rechtsextremer Gewalt wie rechten TendenzenJugendlicher entgegenwirken und interkul-turelle Sensibilisierung fördern können. Ziel istes, unter Nutzung der Netzwerke, Ressourcenund Kompetenzen der arbeitsweltbezogenenJugendsozialarbeit zur interkulturellen Sensibili-sierung und Qualifizierung dieser Arbeit mitbenachteiligten Jugendlichen beizutragen.

Intensive Schulung, vielfältige Anregungenund Erprobung neuer Wege

Dazu bietet das Projekt bis September 2006bundesweit Beratung, Hilfe beim Netzwerkauf-bau und Arbeitshilfen sowie Fachtagungen,Fortbildungen, Seminare und Trainings zumAbbau von rassistischer und rechtsextremisti-scher Diskriminierung und zur interkulturellenSensibilisierung für Fachkräfte der Jugendsozial-

arbeit an. Bei dem Kreis der Teilnehmenden anden Veranstaltungen handelt es sich einerseitsum Praktiker aus örtlichen Einrichtungen, ander-erseits um Multiplikatoren aus den Mitglieds-verbänden und Trägern der Jugendsozialarbeit. Als Teil der Projektarbeit schrieb die XENOS-Ini-tiative 2004 ferner einen bundesweiten Ideen-wettbewerb Erprobung neuer Wege und nochnicht umgesetzter Ideen gegen Fremdenfeind-lichkeit und Gewalt aus, an dem sich über 60Träger und Einrichtungen der Jugendsozial-arbeit beteiligten. Die neun ausgewählten Pro-jekte wurden bis Mitte 2005 gefördert. Zur Zeitwerden sie evaluiert, um die Transfermöglich-keiten geeigneter Handlungsmodelle gegenRassismus, Rechtsextremismus und Gewalt zuüberprüfen.

Fachkräfte erarbeiten in ModellseminarenGrundlagen interkultureller Kompetenz

Im Rahmen des Projektzeitraums wurden bis-lang unterschiedliche Modellseminare undTrainings zur Förderung interkultureller Kom-petenz für Fachkräfte der Jugendsozialarbeitdurchgeführt. Als sehr sinnvoll für die praktischeArbeit wurde in Seminaren die Kombination auseigener Sensibilisierung und Konfliktbear-beitung bewertet, die auch der Gefahr der Ent-stehung kulturabhängiger sozialer Problemla-gen Vorschub leisten kann. Neben praktischemMethodentraining wurden aus der Arbeitspraxismitgebrachte Konflikte bearbeitet und Grund-arten interkultureller Alltagskonflikte analysiert.Auf diese Weise konnten viele Schlüsselpro-bleme interkultureller Kommunikation als Miss-verständnisse und Fehlinterpretationen ana-lysiert werden. In Kleingruppen erarbeiteten dieTeilnehmenden eigene Vorschläge und Ideen,um die Erkenntnisse des Trainings direkt im All-tag umsetzen und Inhalte an Kolleginnen undKollegen weitergeben zu können. Alle Ver-anstaltungen werden evaluiert und wissen-schaftlich begleitet, um nachhaltig für dasThema zu sensibilisieren. Die Erfahrungenwerden in eine Handlungshilfe Interkulturelleund antirassistische Trainingskonzepte fürFachkräfte der Jugendsozialarbeit einfließen.

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Interkulturelle Sensibilisierung und

Qualifizierung in der Jugendsozialarbeit Christine Müller

Lernziele und Methoden in Schule und Ausbildung

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Interkulturelle Öffnung als Querschnitts-aufgabe in Einrichtungen der Jugend-sozialarbeit

Erste Ergebnisse des XENOS-Ideenwettbewer-bes zeigen, dass sich in erster Linie Institutionendes Arbeitsbereichs Migration spezifisch für dasThema Interkulturelle Öffnung zuständigfühlen, während andere Bereiche wie Jugend-berufshilfe, Jugendwohnen und Schule dasThema zurückhaltender angehen. Bezugneh-mend auf die Einrichtungen der Jugendsozial-arbeit bedeutet interkulturelle Öffnung die Wei-terentwicklung der Angebote aller relevantenDienste und Einrichtungen in öffentlicher undfreier Trägerschaft und anderer Netzwerkpart-ner in Bezug auf die Bedürfnisse und Zugangs-möglichkeiten jugendlicher Migrantinnen undMigranten. Interkulturelle Öffnung als Quer-schnittsaufgabe in allen Bereichen der Jugend-sozialarbeit zu verankern, ist durch den Ein-bezug der Jugendmigrationsdienste auf brei-terer Basis möglich und bietet neue Zugänge,die sich auch auf andere Arbeitsbereiche derJugendsozialarbeit ausdehnen können. Nichtnur aus diesem Grund wurden kürzlich in derBAG KJS unter Beteiligung der XENOS-InitiativeEmpfehlungen zur Zusammenarbeit für Jugend-migrationsdienste und Einrichtungen derJugendberufshilfe erarbeitet: Jugendmigra-tionsdienste als Fachstellen für die Arbeit mitMigrantinnen und Migranten können ihre Kom-petenzen beispielsweise durch Beratung vonEinrichtungen der Jugendberufshilfe wei-tergeben.

Die Sensibilisierung in der Jugendsozialarbeit fürdie Querschnittsthemen Rassismus, Rechts-extremismus und Interkulturalität ist langfristigund dauerhaft zu verstehen. Die XENOS-Ini-tiative gibt hier einen Anstoß und fördertgemeinsam mit Multiplikatoren einen Prozesszur interkulturellen Sensibilisierung innerhalbder BAG KJS, um nachhaltig eine interkulturelleÖffnung innerhalb der Arbeitsgemeinschaftanzustreben und den täglichen Heraus-forderungen in ihrer Heterogenität und Vielfaltangemessen begegnen zu können.

Lernziele undMethoden in Schule und Ausbildung

Projekt: Jugendsozialarbeit gegenFremdenfeindlichkeit und Gewalt

Projektträger: BAG KJS – BundesarbeitsgemeinschaftKatholische Jugendsozialarbeit

Projektziel: Die XENOS-Initiative will unter Nutzung derNetzwerke, Ressourcen und Kompetenzender arbeitsweltbezogenen Jugendsozial-arbeit zur interkulturellen Sensibilisierungund Qualifizierung dieser Arbeit mitbenachteiligten Jugendlichen beitragen.

Kontakt: Christine Müller, Projektleitung XENOSBAG Kath. JugendsozialarbeitCarl-Mosterts-Platz 1 40477 DüsseldorfTel.: 0211 / 9 44 85-29E-Mail: [email protected]: www.xenos-initiative.de

Einbeziehung von Lehrkräften,Schülerinnen und Schülern und Eltern

Das XENOS-Projekt „Berufswärts ohne Ras-sismus“ (BoR) des Multikulturellen ForumsLünen e.V. fördert in den beteiligten Schulenunter aktiver Mitwirkung von Lehrerinnen undLehrern tolerantes und demokratisches Ver-halten. Dabei stehen die Unterstützung desinterkulturellen Dialogs und der Abbau von Vor-urteilen im Vordergrund. Die Lehrkräfte werdendarin bestärkt, ihren Unterricht um praxisnahe,themenbezogene Maßnahmen zu ergänzen.

Projektziele:

Interkulturelle Kompetenz der LehrkräfteerhöhenSoziales und interkulturelles Lernen derSchülerinnen und Schüler verstärkenChancen beim Übergang von der Schule inden Beruf verbessernJugendliche individuell fördernKulturelle Unterschiede kennen lernen,akzeptieren und nutzenVorurteile abbauen und rechtsextremenTendenzen entgegenwirkenZusammenarbeit mit den Eltern verstärkenNetzwerke aufbauen

Beteiligt sind elf Schulen im Kreis Unna: DreiHaupt-, zwei Förder-, zwei Gesamtschulen sowievier Berufskollegs. Alle Bildungseinrichtungenhaben einen hohen Anteil an Schülerinnen undSchülern mit Migrationshintergrund. DieseBildungseinrichtungen arbeiten im Rahmen desProjektes „BoR“ kontinuierlich zusammen undsind an der Konzeptentwicklung direkt beteiligt.

Die Bezirksregierung Arnsberg stellt eine Leh-rerstelle zur Verfügung, die stundenweise aufalle beteiligten Schulen aufgeteilt wird. Die elfLehrkräfte können diese Stelle für ihre Aktionenund Maßnahmen in Anspruch nehmen. WeitereProjektpartner sind die Regionale Arbeitsstellezur Förderung von Kindern und Jugendlichenaus Zuwandererfamilien (RAA) im Kreis Unnaund die Stadt Lünen.

Zielgruppe der Projektmaßnahmen sind Lehr-kräfte als Multiplikatoren sowie Schülerinnenund Schüler ab der 8. Klasse in den allgemeinbildenden Schulen sowie Jugendliche der vierBerufskollegs. Die Lehrkräfte wirken als Expertinnen undExperten vor Ort mit und sind für die Durchfüh-rung verantwortlich. Mittlerweile hat sich einLehrerteam der drei ortsansässigen Berufs-kollegs in Unna herausgebildet. Der Projekt-rahmen erlaubt eine flexible und bedarfs-orientierte Erweiterung und Entwicklung vonMaßnahmen durch die Lehrkräfte. So werdenverschiedene gemeinsame Veranstaltungendurchgeführt, z. B. das „Interkulturelle Gebet“unter Beteiligung von Jugendlichen, d.h. dieVor- und Nachbereitung im Unterricht.

Der Fortbildungsbereich hat sich durch das Pro-jekt themenspezifisch geöffnet. Die Bezirksregie-rung Arnsberg hat interkulturelle Trainings undprojektbezogene, themenspezifische Fortbildun-gen in das Lehrer-Fortbildungsprogramm aufge-nommen. Durch die kontinuierlichen Angebotehat sich eine gute Zusammenarbeit entwickelt.

Bewährt haben sich ebenso schulinterne Fort-bildungen in Kooperation mit der RAA KreisUnna, die bisher zu den Themen „InterkulturelleKompetenz“ sowie zu „Weltreligionen“ statt-gefunden haben.Weitere Fortbildungen sind geplant.

Selbsterfahrung, mentale Stärkung,Sensibilisierung und Zielorientierung

Jede Schule arbeitet mit einem eigens für dasProjekt entwickelten Konzept, in dem die Pro-jektschwerpunkte festgelegt sind. Zur Versteti-gung bewährter Ansätze wird mit Unterstüt-zung der Bezirksregierung Arnsberg darauf hin-gearbeitet, diese in das Schulprogramm derjeweiligen Schule aufzunehmen. Die Bezirks-regierung ist auch im Projektbeirat vertretenund übernimmt neben der ideellen und orga-nisatorischen Unterstützung auch eine aktiveRolle durch die kritische Analyse des Vorhabens.Dabei stehen berufsbezogene Orientierungen

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Interkulturelle Öffnung von Schulen –

Lehrkräfte als Multiplikatoren Sevgi Kahraman-Brust, Vera Memmeler

Lernziele und Methoden in Schule und Ausbildung

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im Vordergrund. Die am Projekt beteiligtenLehrkräfte setzen das interkulturelle Lernen alsSchwerpunkt fest. Trainings werden durchge-führt, um kulturelle Unterschiede kennen zulernen, die eigenen Vorbehalte zu erkennen unddaran zu arbeiten, diesen entgegenzuwirken.

Die RAA Kreis Unna führt regelmäßig undflächendeckend interkulturelle Deeskalations-trainings durch. Das folgende Konzept zurGewaltprävention und interkulturellen Sensibi-lisierung ist ein Beispiel aus vielfältigen Ange-boten, das in Zusammenarbeit mit den Pädago-ginnen und Pädagogen der Berufskollegs inUnna und den Trainerinnen und Trainern für dieVorklassen zum Berufsgrundschuljahr entwickeltworden ist. Das Deeskalationstraining ist für alleInteressenten offen, die elf Schulen dürfen bevor-zugt teilnehmen. Für die Projektbeteiligten stelltes zusätzlich auch ein Teamtraining dar.

Das allgegenwärtige Thema Gewalt wird nichtnur in konkret auftretenden Krisensituationen

behandelt, sondern als unterrichtsbeglei-tendes Lehrangebot verstanden. Dabei denSchwerpunkt auf interkulturelle Aspekte zurichten, liegt nahe, da die Schulklassen in derRegel interkulturell zusammengesetzt sind.Auch bietet sich eine besondereBerücksichtigung des Genderansatzes an, dadie beiden Berufskollegs unterschiedlich aus-gerichtet sind (gewerblich-technisch underziehungs- und hauswirtschaftlich), was einenentsprechend unproportionalen Anteil anJungen bzw. Mädchen zur Folge hat.

Das Konzept zur Gewaltprävention und inter-kulturellen Sensibilisierung ist geschlechts-spezifisch ausgerichtet. Hierbei werden diespeziellen Bedürfnisse der Schülerinnen und derSchüler berücksichtigt. Bei dem zweitägigenProgramm wird zusätzlich für die Mädchen einSelbstbehauptungstraining angeboten. Durchgezielte Methoden kann das Training ver-suchen, einen besseren „Opferschutz“ auf-zubauen und die Integration von stigmati-

Lernziele undMethoden in Schule und Ausbildung

sierten Jugendlichen in eine Gruppe fördern. Außerdem ist die berufliche OrientierungGegenstand der Projektmaßnahmen, da sich dieSchülerinnen und Schüler oftmals nicht ihrerWünsche und Perspektiven klar sind. Viele ent-wickeln erst spät eine zielgerichtete Strategie,um in die „reale“ Welt einzusteigen.

Die Übungsleiterinnen und -leiter haben einTrainingskonzept nach folgenden Schwer-punkten erarbeitet:

WWaahhrrnneehhmmuunnggss-- uunndd KKöörrppeerrüübbuunnggeennWiederentdecken und Erproben dereigenen Kraft

SSttäärrkkuunngg ddeess SSeellbbssttwweerrttggeeffüühhllssKörpersprache, Reaktionsschulung,realistische Situationseinschätzung

AAuusseeiinnaannddeerrsseettzzuunngg iinn ddeerr GGrruuppppee mmiitt ddeennTThheemmeenn GGeewwaalltt uunndd RRaassssiissmmuussWas ist Gewalt, wo liegt mein eigenesGewaltpotenzial?

AAuuffggrreeiiffeenn vvoonn KKoonnfflliikktteenn,, uumm ggeemmeeiinnssaammkkoonnssttrruukkttiivvee LLöössuunnggeenn zzuu ssuucchheennWelche Gewalterfahrungen habe ich?Verantwortung übernehmen für die eigeneHandlung und Tat

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EEnnttddeecckkeenn vvoonn GGeemmeeiinnssaammkkeeiitteenn mmiittaannddeerreenn MMeennsscchheenn ((EEmmppaatthhiiee))Ähnliche Gewalterfahrungen, männlicheund weibliche Typisierungen

WWiiee sstteellllee iicchh mmiirr mmeeiinnee ZZuukkuunnfftt vvoorr??Berufswunsch, Lebensperspektive

WWaass eerrwwaarrtteett ddiiee AArrbbeeiittggeebbeerriinn// ddeerr AArrbbeeiitt--ggeebbeerr vvoonn mmiirr??(Vorstellungs-)Gespräch, Teamfähigkeit

WWeellcchhee SScchhrriittttee mmaacchhee iicchh zzuueerrsstt,, iinn wweellcchheeRRiicchhttuunngg??

Durch gezielte Übungen und Anleitung werdendiese Themenbereiche ganz oder teilweise inden Großgruppen (an manchen Maßnahmennehmen zwei Schulklassen teil) oder in Intensiv-gruppen aufgearbeitet.

Lehrkräfte, Schülerinnen und Schülerwünschen weitere Aktionen

Es nahmen an zwei Tagen 68 Schülerinnen undSchüler an dem Deeskalations- und Interkultu-rellen Gewaltsensibilisierungstraining teil. Einedritte Trainingseinheit wurde bereits mit denkooperierenden Schulen und Lehrkräften fest-gelegt.

Um die Nachhaltigkeit und Wirkung der Trai-nings festzustellen, wurde mit den Teilnehme-rinnen und Teilnehmern eine schriftliche Aus-wertung vorgenommen. Darin bewerten sie das Training insgesamt alsgut („Es war sehr informativ, ich habe viel überGewalt und „Jobs“ gelernt“), besonders wird dieverständliche Vermittlung der Inhalte durch dieTrainerin/ den Trainer gelobt („Training warsuper. Ihr dürft noch mal kommen“). Die Kennt-nisse, die sie vermittelt bekamen, bewertetendie Teilnehmenden als hilfreich. Sie fühlen sichbefähigt, in gewalttätigen oder rassistischenSituationen einzugreifen oder Hilfe zu holen. EinTeil gab an, sich auch weiterhin im BereichGewalt fortbilden zu wollen.

Weitere Themen, zu denen die Schülerinnenund Schüler gerne mehr erfahren würden, sind:

Gewalt durch HassDie richtige BerufswahlGewalt und Drogen

Zu diesen und anderen Themenbereichen wer-den auf Initiative der Lehrkräfte immer wiederverschiedene Maßnahmen durchgeführt.

Ein wesentlicher Erfolg des Projekts besteht inder Vernetzung verschiedener Schulen undihrer fortlaufenden engen Zusammenarbeit. ImProjektrahmen haben sie konzeptionelle undinhaltliche Anregungen erhalten, auf derenGrundlage sie nun eigeninitiativ Aktivitäten zuden Themen Interkulturalität, Gewaltpräven-tion und Konfliktmanagement entwickeln undumsetzen.

Lernziele undMethoden in Schule und Ausbildung

Projekt: Berufswärts ohne Rassismus

Projektträger: Multikulturelles Forum Lünen e.V.

Projektziel: Förderung der interkulturellen Kompetenz an Schulen

Ansprechpartnerinnen:Vera Memmeler Multikulturelles Forum Lünen e.V. Münsterstraße 46b44534 LünenTel: 02306 / 933918E-Mail: [email protected]

Sevgi Kahraman-BrustRAA Kreis UnnaSchulstraße 859129 BergkamenTel.: 02307 / 92488-74E-Mail: [email protected]

Wichtige Voraussetzung der Teilhabe von Men-schen mit Migrationshintergrund am gesell-schaftlichen Leben ist die Integration in denArbeitsmarkt. Wer einer Beschäftigung nach-geht, sichert dadurch nicht nur den Lebensun-terhalt der Familie, sondern stellt auch in unmit-telbarer Weise die eigenen Fähigkeiten unterBeweis und erntet darüber Selbstvertrauen undAnerkennung durch die Mehrheitsgesellschaft.Voraussetzung ist, dass der Zugang zum Ar-beitsmarkt gegeben ist und die besonderenKompetenzen von Menschen mit Migrations-hintergrund bewusst, sichtbar und nachgefragtwerden.

Um diesen Prozess zu unterstützen bzw. inGang zu setzen, haben sich viele Initiativen imRahmen von EQUAL und XENOS mit der Entwick-lung und Erprobung geeigneter Ansätze undInstrumente zur Kompetenzerfassung von Per-sonen mit Migrationshintergrund befasst. Die Maßnahmen setzten daran an, dass vielenArbeitgeberinnen und Arbeitgebern das Poten-zial von Menschen mit Migrationshintergrundnicht bewusst ist. Dabei ist es häufig wenigereine Diskriminierung von Zielgruppen mit be-sonderen Merkmalen als vielmehr eine Nicht-beachtung aus Unkenntnis heraus. In anderenFällen gibt es Vorurteile und Vorbehalte, diemehr oder weniger verfestigt sind und Personenaus bestimmten Herkunftsländern per se eingeringeres Qualifikationsniveau unterstellen.Und nicht zuletzt folgen die Verfahren der Stel-lenbesetzung in Form und Herangehensweiseeingespielten Mustern, in denen Abweichungennicht immer Raum finden. Auf Seiten der Migrantinnen und Migranten gibtes oft Informationsdefizite in Bezug auf die Be-rufsmöglichkeiten und Voraussetzungen, dieStrukturen und Zugangswege zum Arbeits-markt. In vielen Herkunftsländern werden an-dere Informationskanäle genutzt und sind dieVerfahren zur Erlangung einer Arbeitsstelleweniger formal, so dass die Erstellung von Be-werbungsunterlagen und Durchführung vonVorstellungsgesprächen zunächst eine Über-forderung darstellen.

Das Ergebnis ist, dass Migrantinnen undMigranten auf dem Arbeitsmarkt benachteiligtsind. Die Arbeitslosenquote unter dieser Ziel-gruppe ist überdurchschnittlich hoch. DerGroßteil der Beschäftigten arbeitet nicht imerlernten Beruf, sondern in unterqualifiziertenArbeitsbereichen. Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter mit Migrationshintergrund sind oft-mals Hilfsarbeiter, in die Chefetagen schafft esnur ein geringer Teil. Dabei bringen Migrantinnen und Migrantenhäufig Eigenschaften und Fähigkeiten mit, diein verschiedenen Kontexten gewinnbringendsein können – etwa Risikobereitschaft, Mobi-lität, Flexibilität, Organisationstalent, Belastbar-keit, Teamfähigkeit und auch soziale und inter-kulturelle Kompetenzen.

Das Bewusstwerden und Sichtbarmachen dieserbesonderen Kompetenzen und die Nutzung desPotenzials für den Arbeitsprozess waren die Zieleder EQUAL-Entwicklungspartnerschaften undXENOS-Projekte. Ein besonderer Handlungsbedarf und zugleichgroßer Gestaltungsraum eröffnete sich bei denjugendlichen Migrantinnen und Migranten, dieweitaus besser ihre Chancen erkennen und nut-zen können, je früher die Förderung und Bera-tung ansetzt. Hier erwies sich die intensive Zu-sammenarbeit von Institutionen, Lehrerinnenund Lehrern, Eltern sowie mit Multiplikatoren ausden jeweiligen Communities als sehr förderlich.

Durch die Maßnahmen der Kompetenzfeststel-lung erarbeiteten sich die Teilnehmenden ihreFähigkeiten selbst und wurden sich ihrer beson-deren Stärken bewusst. Darüber wuchs ihrSelbstwertgefühl und es erfolgte eine Förderungihrer Sprachkompetenzen. Dies bildete einewichtige Grundlage, damit sich die Migran-tinnen und Migranten in Zukunft selbstbewusstpräsentieren können. Zudem wurden in den Pro-jektmaßnahmen die Berufswünsche ermitteltund mit den realen Möglichkeiten abgeglichen.

Auf der anderen Seite ist durch die Sensibilisie-rung und Öffnung von Unternehmen an denjeweiligen Standorten eine nachhaltige

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Maßnahmen der Berufsorientierung

und Hilfen zum Berufseinstieg

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Erleichterung beim Zugang auf den Arbeitsmarkterwirkt worden. Die Erfahrungen zeigen, dass dieDurchführung von Betriebspraktika einen geeig-neten Weg darstellt. Durch eine vorbereitendeBeratung und Begleitung beider Seiten wurdendie Unternehmen und Zielgruppen aneinanderherangeführt und eine Abstimmung von Bedarfund Kompetenzen vorgenommen. Das Eis ist inden meisten Fällen durch die betrieblicheZusammenarbeit gebrochen, beide Seitenwaren geradezu positiv überrascht. So sind aus

den Maßnahmen heraus Arbeitsverhältnissezustande gekommen, die ohne die Projektini-tiativen nicht zur Disposition gestanden hätten.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Ini-tiativen war die Ausbildung von Migrantinnenund Migranten zu Multiplikatoren für ihrejeweilige Community, so dass sie mehr undmehr ihre Interessen selbst vertreten und dieBeratung und Begleitung in ihrem Kulturkreisübernehmen können.

Ressourcen nutzbar machen – Neue Lernorte etablieren

In Praxis und Theorie der Arbeitsmarktpolitikund beruflichen Bildung richtet sich der Blickseit einigen Jahren – in anderen europäischenLändern und weltweit viel stärker und klarer alshierzulande – auf lebenslanges und auf infor-melles Lernen. Nicht mehr nur das Lernen inInstitutionen und dort erworbene Zeugnisseund Zertifikate, sondern das, was Menschen imVerlauf ihres Lebens an Kompetenzen erworbenhaben, gerät ins Blickfeld. Damit stellen sichweiterführende Fragen:

Wie können Schule und Beruf, wie kanninstitutionelles Lernen über die Inhalte derLehrpläne hinaus „lernhaltig“ gemachtwerden? und wie können Lebensbereiche jenseits vonSchule und Beruf als „Lernorte“ verstandenund genutzt werden?

In der Abteilung Familie und Familienpolitik desDeutschen Jugendinstituts (DJI) wurde vordiesem Hintergrund seit Anfang der 90er Jahredaran gearbeitet, den Transfer von lebenswelt-lich erworbenen Kompetenzen vor allem ausdem zentralen Lebensbereich „Familie“ in derArbeitswelt sichtbar zu machen. Ziel war es da-bei, den in und durch Familienarbeit und -erfah-rung erworbenen Kompetenzen über das Sicht-barmachen hinaus auch stärkere Anerkennungzukommen zu lassen.Dieser Transfer von lebensweltlich erworbenenKompetenzen in die Arbeitswelt war und ist auchaus Sicht der betrieblichen Personalentwicklungvon wachsender Bedeutung. Denn die so ge-nannten „überfachlichen Kompetenzen“ –methodische, soziale, Selbst- und Aktivitätskom-petenzen – gewinnen seit den massiven Umstruk-turierungen der frühen 90er Jahre („lean pro-duction“) in allen Bereichen der Wirtschaft und inden Verwaltungen gegenüber den rein tech-nisch-fachlichen Qualifikationen an Gewicht.Um diese Entwicklung auch für die Zielgruppeder Migrantinnen und Migranten zu nutzen,entwickelte ein DJI-Team in Kooperation mit derEQUAL-Entwicklungspartnerschaft „FLUEQUAL“eine erste Version der „Kompetenzbilanz für

Migranten und Migrantinnen“. Diese wird seit2002 für diverse Anwendungsbereiche weiter-entwickelt.

Die lebensweltlich erworbenenKompetenzen von Migrantinnen undMigranten sichtbar machen, anerkennenund nutzen

In der Debatte um lebenslanges und infor-melles Lernen geht es auch um die erfolgreicheGestaltung von Bildungsprozessen und denAbbau von Chancenungleichheit im Bildungs-system. Auch die Bildungsbenachteiligung vonKindern, Jugendlichen und Erwachsenen mitMigrationshintergrund steht im Blickfeld.Dabei ist in der öffentlichen und in der Fachdis-kussion im Zusammenhang mit neuen Strate-gien zur Förderung der Integration und desBildungserfolgs von Migrantinnen und Migran-ten – wie in anderen Bereichen der sozialenArbeit und der Arbeitsmarktpolitik auch –immer öfter von Empowerment und vomAnknüpfen an Ressourcen statt an Defiziten dieRede. Verfahren der Kompetenzfeststellungwie das „Profiling“ der Arbeitsagentur und eineVielzahl anderer Verfahren, die vor allem fürbenachteiligte Zielgruppen der Arbeitsmarkt-politik entwickelt wurden, setzen bei all ihrermethodischen Vielfalt auch unterschiedlicheSchwerpunkte. Die „Kompetenzbilanz fürMigranten und Migrantinnen“ geht von derGrundüberlegung und -überzeugung aus, dassjunge Menschen und Erwachsene mitMigrationshintergrund gerade aufgrund ihrerErfahrungen mit dem Überwechseln in eineneue Kultur und Sprache spezifische Kom-petenzen – über eine mehr oder weniger starkausgeprägte Zwei- und Mehrsprachigkeithinaus – ausgebildet haben, die für ihrkünftiges Leben in Deutschland, für ihre sozialeund Arbeitsmarktintegration wertvoll sind. DieKompetenzbilanz als Leitfaden für eine(unterstützte) Selbstbefragung richtet ihren„Suchscheinwerfer“ aber nicht nur auf diese„migrationsspezifischen“ Kompetenzen,sondern auf die ganze Bandbreite der lebens-weltlich erworbenen Kompetenzen, die ihren

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Kompetenzbilanz – besondere Fähigkeiten

bewusst und sichtbar machen Stephan Schiele

Maßnahmen der Berufsorientierung und Hilfen zum Berufseinstieg

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jeweiligen Bearbeiterinnen und Bearbeitern –die auch die „Eigentümer“ dieses Arbeitspro-zesses sind – zur Verfügung stehen.

Was ist die „Kompetenzbilanz fürMigranten und Migrantinnen“?

Die „Kompetenzbilanz für Migranten und Migran-tinnen “ dient einer persönlichen Standortbestim-mung. Alle bisherigen Lebensstationen, erworbe-ne Kenntnisse und gemachte Tätigkeiten werdengesammelt und daraus gewonnene Kompeten-zen abgeleitet. Das eigene Wissen und Könnenwird reflektiert und dadurch bewusst. Stärkenund Interessen werden sichtbar.Die Kompetenzbilanz ist ein ressourcenorien-tiertes Instrument, das Potenziale entdeckenund stärken möchte. Kompetenzen, die Migran-tinnen und Migranten mitbringen, wenn sienach Deutschland kommen, bleiben oft unsicht-bar und ohne Anerkennung, weil sie mit denMaßstäben deutscher Bildungszeugnisse nichtgemessen werden können. Daher erleben vieleMigrantinnen und Migranten ihre Erwerbstätig-keit als Sackgasse oder als Rückschritt. Die Kom-petenzbilanz gewährt in einem kleinen Schrittdie praktische Umsetzung von Ressourcenorien-tierung, indem Kompetenzen ganzheitlich sicht-bar gemacht werden. Dadurch will sie einenBeitrag zur Erreichung von Chancengleichheitauf dem Arbeitsmarkt leisten. Inhaltlich greift die Kompetenzbilanz aus derDebatte um lebenslanges Lernen und Kompete-nzentwicklung als Leitidee auf, dass Bildungspro-zesse und Lernen zum größten Teil informell undaußerhalb von Schule, Ausbildung und Berufstattfinden. Mit Hilfe eines strukturierten Inter-viewleitfadens wird die Kompetenzentwicklungüber die gesamte Lebensspanne erhoben undbezieht sowohl formelle als auch informelle Lern-orte – wie Familie, Schule, Beruf und Nachbar-schaft – mit ein. Die Kompetenzentwicklung istein lebenslanger Prozess, deshalb wird die Bio-graphie mit all ihrem Erfahrungsreichtum nach-gezeichnet. Die Kompetenzanalyse bzw. dieFrage: Welche Kompetenzen/Fähigkeiten habeich durch eine bestimmte Tätigkeit erworben? –beantwortet die Anwenderin/ der Anwenderselbst. Eine Beraterin oder ein Berater sollte nurHilfestellungen beim Auswertungsprozess ge-ben. Die Kompetenzbilanz ist insofern ein Ver-fahren zur Selbsteinschätzung und Selbstevalu-ation. Dies kann vor allem bei der Job- oder Aus-bildungsplatzsuche hilfreich sein. Daher bietetsich an, die Kompetenzbilanzierung in Kom-

bination mit einer begleitenden Berufs-, Lern-oder Entwicklungsberatung durchzuführen.

Die Kompetenzbilanz deckt einen sehr großenBedarf. Viele verschiedene Initiativen nutzendieses Instrument, eine große Breitenwirkungwird vor allem durch größere Organisationenerzielt. So hat beispielsweise das Deutsche RoteKreuz seine Migrationsberaterinnen und -bera-ter bundesweit auf dem Instrument geschult.Andere Träger, wie Diakonie oder Caritas,haben Schulungen auf Landes- oder Regional-ebene durchgeführt. Viele Einrichtungen neh-men entsprechend der spezifischen Bedürfnisseihrer Zielgruppen eine Anpassung der Kompe-tenzbilanz vor. So existiert z.B. eine stark ver-kürzte Version, die in Hessen im Jugendstrafvoll-zug eingesetzt wird. Auch international ist eingroßes Interesse zu bemerken. Neben dentransnationalen Partnern und Entwicklungs-partnerschaften aus dem Asyl-Bereich sind vorallem Organisationen aus den neuen Beitritts-staaten sehr interessiert an der Kompetenz-bilanz. Um sie in ihrem Land als Standardinstru-ment zu etablieren, haben sich Multiplikatorenaus Lettland vor Ort den Einsatz der Kompetenz-bilanz in der Praxis angesehen.

Maßnahmen derBerufsorientierung und Hilfen zumBerufseinstieg

Entwicklungspartnerschaft: „Flüchtlinge qualifizieren – sektorale Entwicklungspartnerschaft Bayern zumThemenbereich Asyl (FLUEQUAL)“

Träger: Tür an Tür – miteinander wohnen und leben e.V.

Zielsetzung:berufliche Qualifizierung von Menschen mit Migrationshintergrund

Ansprechpartner:Stephan SchieleEntwicklungspartnerschaft „FLUEQUAL“c/o Tür an Tür – Integrationsprojekte gGmbHSchießgrabenstraße 1486150 AugsburgTel: 0821 / 9079913E-Mail: [email protected]

Migrantenkinder und -jugendliche fördernheißt Migranteneltern fördern

Ausgehend von der Tatsache, dass Jugendlichemit Migrationshintergrund nach wie vorschlechtere Bildungs- und Ausbildungschancenhaben als deutsche, konzentriert sich das Kon-zept des XENOS-Projekts InDica auf die Ziel-gruppe der Eltern. Diese können die schulischeund berufliche Laufbahn ihrer Kinder maßgeb-lich beeinflussen und unterstützen. Zugewan-derte Eltern sind aber mit dieser Aufgabe oftüberfordert, u.a. weil sie ihre gesetzlich veran-kerten Rechte und Pflichten als Eltern z.B. imKontakt mit der Schule nicht kennen, weil ihnendie Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten unddie entsprechenden Anforderungen nicht be-wusst sind oder weil sie bei Fragen zur Erzie-hung, schulischen Laufbahn, Mehrsprachigkeitund Identitätsbildung ihrer Kinder oft unsichersind und Angst haben, etwas falsch zu machen.Auf der anderen Seite steht die Erfahrung, dassMigranteneltern Informationsangebote vonSchulen und anderen deutschen Institutionennicht selbstverständlich annehmen. Ziel des Projekts war es folglich, den Eltern eineihren Bedarfen entsprechende Beratung undUnterstützung anzubieten, um ihnen eine bes-sere Förderung ihrer Kinder zu ermöglichen undletztlich deren Bildungserfolg zu erhöhen.

Bedarfsgerechte Ansprache der Community

InDica arbeitet mit Multiplikatoren, die selbsteinen Migrationshintergrund haben. Die Min-destanforderungen, die an sie gestellt werden,sind die gute Beherrschung sowohl der deut-schen als auch der Muttersprache sowie päda-gogische Basisfähigkeiten bzw. Erfahrungen inder Erwachsenenbildung. Die Multiplikatorenhaben durch ihre ehren- oder hauptamtlicheTätigkeit z.B. im Ausländerbeirat, in einer Mi-grantenselbstorganisation oder als Mutter-sprachenlehrerinnen und -lehrer einen beson-ders guten Zugang zu ihrer muttersprachlichenCommunity und genießen oft einen Vertrauens-vorschuss. Auf diese Weise erreichen sie auch

sich eher passiv verhaltende Eltern, die zum Bei-spiel aufgrund von Sprachproblemen wenig mitder Schule kommunizieren. Die ausgewählten Multiplikatoren werden ineiner mehrteiligen Fortbildungsreihe geschult.Expertinnen und Experten aus relevanten Insti-tutionen und Organisationen wie der Agenturfür Arbeit, einer berufsbildenden Schule oderdes Landeselternbeirats informieren die Teil-nehmenden über die Bildungswege in Rhein-land-Pfalz, die Rechte und Pflichten von Elternschulpflichtiger Kinder und Wege in den Beruf.Dabei wird immer besonderes Augenmerk auffür Migrantinnen und Migranten besondersrelevante Regelungen gerichtet wie z.B.Sprachförderung in der Schule. Nach Abschluss dieser Fortbildungsreiheorganisieren die Multiplikatoren selbstständigInformationsveranstaltungen für Eltern in ihrerjeweiligen Muttersprache. Sie nutzen dazu ihreKontakte zur Community, werben durch per-sönliche Ansprache und Mundpropaganda, inmuttersprachlichen Flyern oder auch in denMedien. Die Projektmitarbeiterinnen und -mit-arbeiter unterstützen diese Arbeit, indem sieTipps und Hilfestellung zur Durchführung derVeranstaltungen geben und über die eigeneÖffentlichkeitsarbeit das Projekt bekannt ma-chen. Zudem organisieren und moderieren siedie regelmäßig stattfindenden Treffen der Multi-plikatoren, die einen Austausch über Erfahrun-gen – positiver wie negativer Art – ermöglichenund das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.Gleichzeitig bekommen die Projektmitarbeite-rinnen und -mitarbeiter Rückmeldung über dieAkzeptanz des Projekts. Die Bedarfe und Fragender Eltern werden zurückgemeldet, sie bestim-men die Themen für ergänzende Multiplika-toren-Fortbildungen wie z.B. zum Umgang mitMehrsprachigkeit oder zur Ganztagsschule. Da jedes Projekt nur eine begrenzte Laufzeithat, wurde von Anfang an über eine möglicheAnschlussfinanzierung nachgedacht. An dendrei InDica-Standorten (Mainz, Germersheim/Hassloch und Koblenz) ist es durch eine früheEinbindung von Partnern vor Ort – dem MainzerAusländerbeirat, dem Caritasverband inKoblenz sowie der Kreisverwaltung und der VHS

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Vertrauenssache – Migrantinnen

und Migranten als ElternberaterClaudia Vortmann

Maßnahmen der Berufsorientierung und Hilfen zum Berufseinstieg

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in Germersheim – gelungen, z.T. durch dereneigene Projektinitiativen, die Arbeit der Multi-plikatoren fortzusetzen. Die Maßnahmen sindüberwiegend gleich oder ähnlich ausgerichtetund werden durch eigene Finanzmittel oderLandesmittel finanziert.

Das „Andere“ kennen und verstehen lernen – gemeinsam handeln

InDica hat bei den beteiligten Personen wert-volle Effekte erzielt:Die Eltern

fühlen sich – oft zum ersten Mal – in ihrenUnsicherheiten und Problemen ernst-genommen.können ihre z.T. großen Wissenslücken überdas deutsche Ausbildungssystem schließen.entdecken Möglichkeiten, wie sie ihre Kinderbesser unterstützen können und erfahrendadurch eine Stärkung ihres eigenen Selbst-bewusstseins.

Die Multiplikatorenerwerben durch Fortbildung und Tätigkeiteine Zusatzqualifikation.erfahren eine gesteigerte Anerkennung ihrer Rolle, z.B. als Muttersprachenlehrerinoder -lehrer.lernen sowohl ihre Community als auchdeutsche Strukturen (noch) besser kennenund fungieren als Mittler.entdecken ihre Möglichkeiten zur Selbst-bestimmung.

Die Projektverantwortlichenlernen die Probleme und Bedarfe der Ziel-gruppe der Eltern besser kennen und könnenihre Aktivitäten genauer darauf abstimmen.können ihre Erfahrungen in neue Angeboteeinfließen lassen und an andere wei-tergeben.

In Zahlen ausgedrückt, erreichte InDicazwischen 2002 und 2004 folgende Ergebnisse:

Es wurden 51 Elternveranstaltungen in Alba-nisch, Arabisch, Bosnisch, Kroatisch, Russischund Türkisch durchgeführt.

Dadurch wurden über 800 Teilnehmende anden Standorten Mainz undGermersheim/Hassloch erreicht. Es wurden 60 InDica-Multiplikatoren inMainz, Germersheim/Hassloch und Koblenzausgebildet. Es liegt eine CD mit Informations- und Unter-richtsmaterialien vor, die teilweise vonMultiplikatoren in deren Mutterspracheselbst erstellt wurden.InDica bekam 2004 den Weiterbildungspreisder rheinland-pfälzischen Landesregierungverliehen.

InDica war Bestandteil des von Ende 2001 bisEnde 2004 aus dem XENOS-Programm geför-derten Projekts InPact. InPact wird zunächst bisEnde 2006 in modifizierter Form fortgeführt,finanziert durch das Land Rheinland-Pfalz undESF-Mittel. InDica wurde in dieses Nachfolge-projekt übernommen.

Maßnahmen derBerufsorientierung und Hilfen zumBerufseinstieg

Projekt: InDica (Teilprojekt von InPact)

Projektträger: Schneider Organisationsberatung

Zielsetzung: Verbesserung der beruflichen und sozialenIntegration von Migrantinnen undMigranten in Rheinland-Pfalz durchInformation, Sensibilisierung und Weiter-bildungsangebote für verschiedene Ziel-gruppen, z.B. Migrantenorganisationen,Betriebe und Verwaltungen, Akteure derArbeitsmarktpolitik

Ansprechpartnerin:Claudia Vortmann E-Mail: [email protected] Internet: www.inpact-rlp.de

Kompetenzfeststellung

Ziel des EQUAL-Modellprojektes ist es, in Formeiner so genannten Weiterbildungswerkstattdie (Wieder-)Eingliederung von Migrantinnenund Migranten in Arbeit durch persönlichkeits-stabilisierende und berufsorientierende Hilfenzu fördern. Das Projekt baut das Informations-defizit von Migrantinnen und Migranten inBezug auf den deutschen Arbeitsmarkt ab undbefähigt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer,die unterschiedlichen Anforderungen in ihrenHeimatländern und der Bundesrepublik zu er-kennen und für ihre eigene berufliche Integra-tion zu bewerten. Ausgehend von dem eigenenHintergrund werden die verschiedenen indivi-duellen Zugangsmöglichkeiten zum deutschenArbeitsmarkt erarbeitet. Im Rahmen der Weiterbildungswerkstatt sinddie Frauen und Männer in ein System gezielterBeratung, Orientierung auf dem Arbeitsmarkt,Kompetenzerweiterung, Berufswahlentschei-dung und Unterstützung bei der Vermittlungvon Betriebspraktika, Ausbildungs-, Arbeits-oder Umschulungsplätzen eingebunden.

Kompetenzorientierte Arbeitsvermittlung

Das Projekt richtet sich an Teilnehmerinnen undTeilnehmer aus der Gemeinschaft unabhän-giger Staaten (GUS) in Osnabrück. Vorausset-zung der Teilnahme ist der Bezug von Sozial-hilfe. 34% kamen als Spätaussiedlerinnen und -aussiedler nach Deutschland, alle anderen alsKontingentflüchtlinge (Zuwanderer jüdischenGlaubens aus den GUS-Staaten). Neben Sprach-problemen und der häufigen Nicht-Anerken-nung von Berufsqualifikationen potenziert diehohe Arbeitslosigkeit und der ausschließlicheBedarf an sehr spezifiziertem Fachpersonal dieSchwierigkeiten, die sich für diese Personen-gruppen bei der Integration in den deutschenArbeitsmarkt ergeben. Das Projekt greift auf die Methode der „kom-petenzorientierten Arbeitsvermittlung“ zurück.Diese Vorgehensweise wurde im InternationalenBund e.V. (IB) in Kooperation mit den niederlän-dischen Unternehmen „Salus“ und „Fitgroep“

entwickelt und wird jetzt bei dieser Zielgruppeeingesetzt und erprobt. Aufgrund der besonderen Probleme der Ziel-gruppe wurde schon zu Beginn des Projektsdeutlich, dass die Initiierung eines gezieltenBeratungs- und Aktivierungsprozesses mit demZiel der (Wieder-)Herstellung der Eigenständig-keit und Eigenverantwortlichkeit konzeptionellund in der Umsetzung wie folgt besondersberücksichtigt werden muss:

In Einzelgesprächen wird eine möglichstgenaue, überprüfbare „„PPeerrssöönnlliicchhee PPrrooffiill--aannaallyyssee““ ((PPPPAA)) erstellt, die Aufschluss überdie Kompetenzen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt. Mittels intensiver Ge-spräche werden dabei verschiedene Lebens-bereiche der Teilnehmerin/ des Teilnehmersangesprochen.

Beobachtung und Exploration münden ineine Fixierung der Ergebnisse in Form einerKKoommppeetteennzzaannaallyyssee ein. Ziel ist es dabei, überdie üblicherweise allein durch die Berufsaus-bildung definierte berufliche Qualifikationhinaus Fähigkeiten wahrzunehmen, dietransferfähig sind und auf dem Arbeitsmarktnachgefragt werden.

Ist auf diese Weise ein differenziertes Bildentstanden, wird ein „„PPeerrssöönnlliicchheerr AAkkttiioonnss--ppllaann““ ((PPAAPP)) erstellt. Hierin wird in Überein-stimmung mit der Teilnehmerin/ dem Teil-nehmer festgehalten, welche Schritte inBezug auf die Arbeitsvermittlung unternom-men werden sollen.

Gleichzeitig werden erste KKoonnttaakkttee zzuuppootteennzziieelllleenn AArrbbeeiittggeebbeerriinnnneenn uunndd AArrbbeeiitt--ggeebbeerrnn hergestellt, die auf die Möglichkeitverwiesen werden, potenzielleArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inPraktika kennen zu lernen und auf Probe zubeschäftigen. Das PPrraakkttiikkuumm ermöglicht esallen Beteiligten, ihre Annahmen und Vor-stellungen zu überprüfen und gegebenen-falls zu korrigieren.

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In der Weiterbildungswerkstatt individuelle

Strategien erarbeiten Marion Isken

Maßnahmen der Berufsorientierung und Hilfen zum Berufseinstieg

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In Form von Praktikumsbesuchen wird eineIInntteeggrraattiioonnssbbeerraattuunngg der Betriebe gewähr-leistet. In Form von Telefonaten und Betriebs-besuchen wird den deutschen Gesprächs-partnern ein Einblick in die problematischeLebenssituation von Migrantinnen undMigranten gegeben. Durch Spiegelungeigener Erfahrungen im Ausland, im Umgangmit neuen, fremden Situationen oder beimSprechen einer fremden Sprache wirdToleranz geweckt, was sich positiv auf dieVerständigung zwischen deutschen Arbeit-geberinnen und -gebern und Arbeitneh-merinnen und -nehmern mit Migrationshin-tergrund auswirkt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer neh-men während des Praktikums regelmäßig anFortbildungstagen teil, um die Erfahrungenam Arbeitsplatz zu reflektieren und in kon-struktive Schritte umzusetzen.

Arbeitsplatzvermittlung kann dann erfolgreichsein, wenn es gelingt, die Teilnehmenden in eine„Non-Konkurrenz“-Situation zu bringen. Dasheißt, sie bewerben sich nicht auf ein Stellenan-gebot unter Hunderten von Arbeitssuchenden,sondern haben die Gelegenheit, im Praktikumihre spezifischen, oft in den formalen Unter-lagen nicht erkennbaren Fähigkeiten zu zeigen.So kann sich ein Arbeitsplatz erschließen, dervielleicht zunächst gar nicht zur Dispositiongestanden hat.

Stärkung von Schlüsselqualifikationenerforderlich

Insgesamt besuchten 74 Personen (25 Frauen, 49 Männer) die Weiterbildungswerkstatt. 31 (43%)von ihnen gelang der Einstieg in die Arbeitswelt. Die schlechte Situation auf dem Arbeitsmarktund die hohe Zahl der Arbeitssuchenden gegen-über wenigen offenen Stellen macht es arbeits-losen Migrantinnen und Migranten extremschwer, im Wettbewerb zu konkurrieren. Wer diedeutsche Sprache in Wort und Schrift nicht sicherbeherrscht, hat auf dem Arbeitsmarkt nur dieMöglichkeit, sich im Helferbereich zu bewerben. Menschen mir hoher beruflicher Vorqualifika-tion fällt es sehr schwer zu akzeptieren, dass siein Deutschland keine annähernd gleichwertigePosition bekleiden können. Ganz besonders giltdas für junge Akademiker, die ihre Ausbildungerst vor wenigen Jahren abgeschlossen haben.Frauen und ältere Migrantinnen und Migrantensind hierzu eher bereit.

Zudem verursacht die Migration häufig eine lan-ge Zeit beruflicher Untätigkeit, die in vielen Fäl-len auch zu einer fachlichen Entfremdung führt.

Mit dem primären Ziel der Integration in denArbeitsmarkt vor Augen, muss in weiterer Pro-jektarbeit schwerpunktmäßig bei der Stärkungder Schlüsselqualifikationen angesetzt werden. Darunter sind alle Fähigkeiten zu verstehen, diejenseits von ausbildungs- und berufsspezifi-schen Fertigkeiten und Kenntnissen im Bereichallgemeiner Persönlichkeitsmerkmale anzusie-deln sind – selbstständiges Handeln, Verantwor-tungsbewusstsein, Kooperationsbereitschaft,Teamfähigkeit und Aufgeschlossenheit, um nureinige der „neuen“ Qualitäten zu benennen. Diese Kompetenzen werden trainiert, weil sieweit flexibler einsetzbar sind als das formaleFachwissen. Schlüsselqualifikationen befähigendie Migrantinnen und Migranten, Verände-rungen des Lebens in die eigene Planung miteinzubeziehen, entsprechend auf sie zu rea-gieren und neue Strategien zu entwickeln. DieVerbesserung der Schlüsselqualifikationenerhöht die Chance von Migrantinnen undMigranten, Zugangswege zum deutschenArbeitsmarkt zu finden, erheblich.

Maßnahmen derBerufsorientierung und Hilfen zumBerufseinstieg

Entwicklungspartnerschaft: IKK – Interkulturelles Kompetenz Zentrum

Teilprojekt: Weiterbildungswerkstatt „IMA – Integrationund Orientierung, Zugangswege zumdeutschen Arbeitsmarkt“

Projektziel: Ziel war es, die Kompetenzen von Migran-tinnen und Migranten zu erfassen und sicht-bar zu machen und eine individuelle Stra-tegie für die Integration in den Arbeitspro-zess zu erarbeiten.

Projektträger: Internationaler Bund, Osnabrück

Ansprechpartnerin:Marion IskenE-Mail: [email protected]

Soziale und berufliche Integration sind nicht zu trennen

Das XENOS-Projekt „Integration in der MitteBerlins“ leistet mit fünf Kooperationspartnern(Stadtteilgenossenschaft Wedding e.G., Kom-munales Forum Wedding e.V., Gemeinsam imStadtteil G.I.S. e.V. und Gesundheit Berlin e.V.sowie die Volkshochschule Berlin-Mitte) einenkonkreten Beitrag zur interkulturellen Ver-ständigung sowie zur beruflichen und sozialenIntegration von Migrantinnen und Migranten inzwei Stadtteilen im Berliner Bezirk Mitte. DerProjektrahmen umfasst insgesamt vierAktionen: Aktion 1: Gemeinwesenmediation Aktion 2: Gesundheitsmultiplikatorinnen

(mit 12 türkischen Frauen) Aktion 3: Dienstleistungsverantwortung

Stadtteilgenossenschaft Im Rahmen der „Aktion 4“ wirken das Projekt„Arbeit und Nachbarschaft“ des KommunalenForums und die Volkshochschule mit ihrem Pro-jekt „Schule i.d. VHS“ zusammen. Während dasVHS-Projekt Jugendliche mit Migrationshinter-grund auf den Realschulabschluss vorbereitet,führt das Projekt des Forums mit Hilfe eines Inte-grationsstufenmodells über die „Job-Brücke“schrittweise, angepasst an die individuellenLernbedingungen, Jugendliche und Erwach-sene (80% mit Migrationshintergrund) in denlokalen und Berliner Arbeitsmarkt.

Kompetenzen ermitteln, Kommunikationfördern, Kreativität anregen

Im Rahmen der „Job-Brücke“ bilden die Teilneh-menden von internen und externen Dozentin-nen und Dozenten angeleitete Teams, die inihrer interkulturellen Zusammensetzung ge-meinsam lernen und arbeiten. Interessentenkönnen sich bei ihren „Wunsch“-Teams anmel-den, die Gruppengröße ist je nach Thema unter-schiedlich, im Durchschnitt nehmen etwa zehnbis zwölf Personen teil. Von zwei Teams wird an ihren jeweiligen Lern-orten im Stadtteil die vom Deutschen Jugend-institut in München entworfene „Kompetenz-

bilanz für MigrantInnen“ (KB) mit Teilnehmen-den erprobt und weiterentwickelt (s. hierzu auchden Beitrag von Stephan Schiele). Die KB warursprünglich für die Arbeit mit Familien gedachtund bildet eine gute Grundlage. In der konkretenArbeit zeigt sich, dass eine ständige Überarbei-tung, sprachliche und Bedarfsanpassung erfor-derlich ist. So können nur in direkter Diskussionmit den Migrantinnen und Migranten sprach-liche Unklarheiten beseitigt werden, z.B. stelltesich heraus, dass der Begriff „Vorbild“ für vieleunverständlich war. Diese KB geht über den üblichen Profiling-An-satz hinaus, weil sie einen persönlichen, famili-ären, schulischen und/oder beruflichen Hinter-grund aufnimmt. Das Arbeitsmaterial für dieBilanz wird mit Unterstützung von Künstlerin-nen und Künstlern, die ebenfalls einen Migra-tionshintergrund haben und im Stadtteil lebenund arbeiten, aufbereitet, um die Vorberei-tungsphase auf die Berufsintegration für dieJugendlichen anschaulicher, farbiger undkreativer zu gestalten. Der erhöhte Spaßfaktorerleichtert den Zugang zu der individuellenBilanzierung der eigenen Möglichkeiten. Inganzheitlicher begleitender Beratung werdenmit den Teilnehmenden Hindernisse auf demgewünschten Weg in den Beruf oder Job ver-balisiert und Lösungen erarbeitet.

Andere interkulturell zusammengesetzteTeams betreiben gemeinsam die VVeerrttiieeffuunngg ddeessSSpprraacchheerrwweerrbbss. Hier werden Sprechanlässegeschaffen, indem Exkursionen mit interreli-giöser Beteiligung, z.B. ins Jüdische Museumoder zur Gedenkstätte Deutscher Widerstand inBerlin durchgeführt werden. Die Besuche wer-den in gemeinsamen Gesprächen vor- undnachbereitet. Zusätzlich gibt es ein Angebot„„AAllllttaaggssddeeuuttsscchh““ zur Vertiefung des Wortschat-zes und zur Verbesserung des Hör- , Lese- undSchreibverständnisses. Bei allen Maßnahmen geht es darum, Erlebnisseaus dem Alltag und aktuelle Ereignisse sprach-lich aufzubereiten. So wurde ein Großbrand inBerlin, bei dem neun Migrantinnen und Migran-ten im Stadtbezirk ums Leben kamen, thema-tisiert. Anhand dieses Beispiels wurde deutlich,

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„Job-Brücke“ – Integration in Arbeit

und in den Stadtteil Monika Hartwig und Karin Hoffmann

Maßnahmen der Berufsorientierung und Hilfen zum Berufseinstieg

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wie tragisch es in Gefährdungssituationen seinkann, wenn die Sprache der Rettungskräftenicht verstanden wird. Der entsprechende Wort-schatz dient als Grundlage für die weitereSpracharbeit.

Integration in der Mitte Berlins

Auch andere kreative Maßnahmen fördern ne-ben anderen Fähigkeiten den Sprachgebrauch.So wurde zum Beispiel ein IInntteerrkkuullttuurreelllleerr SSttaaddtt--ppllaann mit Orten, die für die Teilnehmerinnen undTeilnehmer unterschiedlicher Herkunftsländerin der näheren und weiteren Umgebung wichtigwaren und sind, erstellt. Dieser Stadtplan kannvon nachfolgenden Gruppen ergänzt werden,bzw. es kann auch ein neues, eigenes Produktentstehen.

Oder es wurde mit fachlicher Anleitung durcheinen italienischen Künstler die Kreativität derTeilnehmenden in einem Malkurs zum Thema„Weltbürger / Heimatbilder“ gefördert. Die Teil-nahme an diesem Kurs war zusätzlich und frei-willig, das Angebot wurde weitaus besserangenommen als ursprünglich erwartet. Wiesich zeigte, hatten die Teilnehmenden zuvor niedie Chance, sich auf kreative Art auszudrücken.Die Ergebnisse aller Teilnehmenden wurden imRahmen einer Ausstellung im InterkulturellenGemeinwesenzentrum präsentiert. Die Besu-cherinnen und Besucher der Ausstellung zeig-ten großes Interesse an den Ergebnissen und esentstand ein Dialog über die „Künstlerinnen undKünstler“ und ihre Lebenssituation. Solche Aktionen werden auch weiterhin statt-finden.

Maßnahmen derBerufsorientierung und Hilfen zumBerufseinstieg

Aktion 4 – Teilbereich: „Job Brücke“KOMMUNALES FORUM WEDDING e.V. Projekt „Arbeit und Nachbarschaft“

Der Maßnahmenkatalog: Fit für das Berufs- und Alltagsleben

Entwicklung einer an den Bedarf von arbeits-losen Migrantinnen und Migranten undDeutschen angepasste Kompetenzbilanz alsInstrument, das das herkömmliche „Pro-filing“ ablösen kann

Individuelle ganzheitliche Beratung zurBerufswegplanung und -integration

Entwurf eines Interkulturellen Berliner Stadt-planes

Vorbereitung und Durchführung einer Aus-stellung im „Interkulturellen Gemein-wesenzentrum“ Sprengelhaus im BezirkWedding mit dem Thema „Weltbürger-Hei-matbilder“

Exkursionen in der Stadt und im Kiez imZusammenhang mit der Verbesserung desSpracherwerbs für den Alltag

Entwurf und Erprobung eines Kursmoduls„Alltagsdeutsch für Migrantinnen undMigranten und Deutsche“

Durchführung von Berufspraktika und Pro-bearbeit im Gemeinwesen sowie im 1.Arbeitsmarkt im lokalen Wirtschaftsnetz-werk der Stadtteilgenossenschaft Weddinge.G.

Integration in den 2. Arbeitsmarkt von bisherelf Arbeitslosen mit Migrationshintergrundund deren Coaching, eine Teilnehmerin istinzwischen auf dem 1. Arbeitsmarkt tätig

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Maßnahmen der Berufsorientierung und Hilfen zum Berufseinstieg

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Wichtigstes Element in dem Projektrahmen wardie Kommunikation. Durch die intensiveZusammenarbeit in den Teams konnten über diegeplanten Ziele hinaus positive Ergebnisse fürdie Teilnehmenden wie auch das Projektteamerreicht werden. Durch den Austausch wurdeder Bedarf immer konkreter und deutlicher, sodass eine Anpassung und Erweiterung derArbeitsgrundlagen vorgenommen wurde. Eswurden Gruppenprozesse in Gang gesetzt, indenen die Teilnehmenden voneinander lerntenund sich gegenseitig unterstützten. Dies war als„Nebeneffekt“ eine sehr intensive Sprach-förderung. Als besonderen Beitrag für einEmpowerment der Zielgruppe ist der Malkursanzusehen. Hierdurch lösten sich vieleBlockaden und die Teilnehmenden waren sehrstolz auf ihre Ergebnisse. Nicht zuletzt wurdehierdurch der Dialog mit Außenstehendenangeregt. Solche Aktionen werden auch wei-terhin angeboten. Aufgrund des sehr großenehrenamtlichen Engagements konnten dieKosten begrenzt werden. Insgesamt hat sichgezeigt, dass durch die Maßnahmen die integra-tive Berufs- und Gemeinwesenarbeit fürMigrantinnen und Migranten genauso wie fürDeutsche erfolgreich unterstützt werden kann.

Maßnahmen derBerufsorientierung und Hilfen zumBerufseinstieg

Projekt: „Integration in der Mitte Berlins“

Projektziel: Förderung der interkulturellenVerständigung sowie der sozialen undberuflichen Integration von Migrantinnenund Migranten in zwei Berliner Stadtteilen

Projektträger: Kommunales Forum Wedding, Projekt:„Arbeit und Nachbarschaft“, in Kooperationmit der Stadtteilgenossenschaft Weddinge.G., Projekt: „Parcours zur Erwerbs-sicherung“

Ansprechpartnerinnen: Monika Hartwig und Karin HoffmannE-Mail: [email protected]

Wenn Kommunikation ohne sprachliche und kulturelle Kompetenznicht weiterführt

Im Rahmen der EQUAL-Entwicklungspartner-schaft TransSpuK führt die Diakonie Wuppertalmit Flüchtlingen sowie Asylbewerberinnen undAsylbewerbern eine Qualifizierung zu Sprach-und Kulturmittlern durch. Anliegen ist es zumeinen, mit der Qualifizierung und dem Einsatzvon Sprach- und Kulturmittlern einen Beitrag zurVerbesserung der gesundheitlichen und sozia-len Versorgung von Flüchtlingen und Asylbe-werberinnen und Asylbewerbern in Deutschlandzu leisten. Ziel ist zum anderen, diesem Per-sonenkreis, der jahrelang mit einemungesicherten Aufenthaltsstatus in diesem Landlebt, berufliche Kompetenzen zu vermitteln unddamit die Berufschancen branchenübergreifendund grenzüberschreitend zu erhöhen. Die Mittlung zwischen Sprache und Kultur deckteinen Bedarf in öffentlichen Institutionen, kom-munalen Behörden, Krankenhäusern sowiegemeinnützigen Einrichtungen ab, was durchdie Beteiligung von 18 Kommunen aus Nord-rhein-Westfalen Bestätigung findet. Beschäf-tigte in Regeldiensten sind bei Gesprächen mitnicht-deutschsprachigen Patienten und Klientenoft überfordert. Durch den Einsatz von Sprach-und Kulturmittlern werden Kommunika-tionshemmnisse und Frustrationen auf beidenSeiten vermieden, was zum Abbau von Vorurtei-len und Fremdenfeindlichkeit auf dem Arbeits-markt beiträgt. Hervorzuheben ist auch, dass dieTätigkeit als Sprach- und Kulturmittler der Vor-rangprüfung bei der Besetzung von freien Ar-beitsplätzen durch Deutsche oder EU-Arbeit-nehmerinnen und -Arbeitnehmer standhaltenkann. Aufgrund der speziellen kulturellen undsprachlichen Anforderungen kann nicht auf dasbestehende deutsche Arbeitsmarktpotenzialzurückgegriffen werden.

Qualifizierung zu Sprach- und Kulturmittlern

Die Qualifizierung zu Sprach- und Kulturmittlern– SpraKuM – gliederte sich in eine zweijährige

theoretische Phase und eine darauf folgendeeinjährige praxisbezogene Qualifizierung. Imersten sechsmonatigen Modul war der Fokus aufden Ausbau der Deutschkenntnisse sowie dieAuseinandersetzung mit den jeweiligen Migra-tionserfahrungen gerichtet. Auf dieser Grund-lage wurden den Teilnehmerinnen und Teilneh-mern interkulturelle, kommunikative, psychoso-ziale, medizinische und soziale Kenntnissevermittelt. Um auf professioneller Ebenezwischen den Kulturen vermitteln zu können,gehörte während des gesamten Lernprozessesdie stetige interkulturelle Sensibilisierung derTeilnehmenden wie auch der Dozentinnen undDozenten zum Arbeitsschwerpunkt des Projek-tes. Hierfür wurden Fachkräfte im Konfliktma-nagement herangezogen, Strategien zur Stress-bewältigung ausgearbeitet und Methoden derKrisenintervention trainiert.

Die Entwicklung des Curriculums orientiertesich an den Anforderungen deutscher Ausbil-dungsberufe. Um Struktur und Aufbau des Curri-culums, den Katalog der Qualifikationen undKenntnisse sowie die zeitliche Gliederung desLehrplans praxisnah zu gestalten, wurde mitverschiedenen Akteuren unterschiedlicher Ebe-nen gearbeitet. Eine Expertengruppe mit Ver-treterinnen und Vertretern aus Medizin, Pflege,Gesundheit, Bildung und Migration entwickelteein Rahmenprogramm mit Empfehlungen zuQualitätsstandards und Ausbildungskriterien.Die Projektleitung überprüfte die Arbeits- undLernmethoden wie auch die Lernkonzepte an-hand von Fragebögen, Verfügungsstunden unddurch Gespräche mit den Teilnehmenden sowieden Dozentinnen und Dozenten. Das Qualifi-zierungskonzept wurde anschließend vom Uni-versitätsklinikum Hamburg-Eppendorf aner-kannt und zertifiziert.

Es bleibt zu erwähnen, dass die Maßnahmenwährend der gesamten Projektphase über dieKompetenzvermittlung hinaus einen elementa-ren Einfluss auf die Stärkung des Selbstwertge-fühles seitens der Flüchtlinge, Asylbewerbe-rinnen und Asylbewerber genommen und damitwesentlich zum Empowerment beigetragen

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Brücken bauen –

Sprach- und KulturmittlungVarinia Morales

Maßnahmen der Berufsorientierung und Hilfen zum Berufseinstieg

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haben. Die Strukturierung des Alltags sowie diePerspektivfindung sind nur einige Aspekte, die derProblemkumulation dieser benachteiligten Ziel-gruppe entgegenwirkt. Über ihre Teilnahmehinaus wirkten die Flüchtlinge aktiv an der Weiter-entwicklung und Bekanntmachung der Qualifi-zierung mit. Ihre Beiträge reichten von Berichtenin Zeitschriften, Presse, Rundfunk und Fernsehenbis zu Referentenfunktionen in Schulen oder aufinterkulturellen Veranstaltungen. In Arbeits-gruppen vertieften sie ihre Kenntnisse und konn-ten sich kreativ einbringen. So kam es u.a. zur Erar-beitung und Veröffentlichung eines Gesundheits-wegweisers für Migrantinnen und Migranten,Theateraufführungen in Berlin und Wuppertal,einer landesweiten Foto- und Kunstausstellungoder der Erstellung einer Website. Die Theater-aufführungen und die Ausstellung waren wichti-ge Ansätze zur Stärkung der Handlungskom-petenz der Beteiligten. Neben den kommunika-tiven Fertigkeiten konnten sie ihre organisa-torischen Kompetenzen erweitern und Arbeits-weise und Strukturen verschiedener Behördenund Einrichtungen näher kennen lernen.

Brücken bauen – Mittler zwischen den Kulturen

Nach Abschluss der theoretischen Phase absol-vierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer biszu vier Praktika im Bereich Gesundheit und So-ziales. Während dieser Zeit wurden sie durchSupervision begleitet und besuchten Fortbildun-gen. Als positives Feedback kann insbesonderedie Nachfragedynamik bewertet werden, dievon den Praktikumsstellen ausgehend entstand.So wurden die Sprach- und Kulturmittler zumeinen direkt an Institutionen mit Bedarf weitervermittelt, zum anderen sind funktionierendeNetzwerke für die Koordination von Sprach- undKulturmittlung entstanden. Auf diese Weisekonnten insgesamt 200 Einrichtungen der Re-gelversorgung in NRW diese Form der Kom-munikationsunterstützung in Anspruch neh-men. Ingesamt wurden so über 1.300 Dol-metscheinsätze registriert, wobei ein weitausgrößerer Bedarf festgestellt wurde, der aberaufgrund bislang zu geringer Zeit- und Personal-kapazitäten unberücksichtigt bleiben musste.Der Einsatz von Sprach- und Kulturmittlernbedeutete für die Praktikumsstellen eine wichti-ge Arbeitserleichterung. Hervorzuheben ist ins-besondere der deutliche Abbau von kultur- undsprachbedingten Differenzen zwischen denEinrichtungen und ihrem Klientel.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfuhrenwährend der Praktika Anerkennung und Auf-wertung ihrer sprachlichen und kulturellen Kom-petenzen. Ihnen wurde bewusst, dass sie auf-grund ihres Migrationshintergrundes als Exper-tinnen und Experten wahrgenommen wurden.Sie konnten vorhandene Arbeitsstrukturen quali-tativ verbessern, indem sie mit ihrem Hinter-grundwissen über kulturelle Aspekte zu einergenaueren Problemanalyse beitrugen. Durcheben diese Vermittlung ergaben sich auch sei-tens der Ansprechpartnerinnen und -partner derEinrichtungen neue Sichtweisen und eine oftmalsemphatischere Herangehensweise. Sprach- und Kulturmittlung bedeutet für alleSeiten eine Bereicherung. Für die Aufnahme-gesellschaft stellt es eine erhebliche Erleichte-rung des Integrationsprozesses dar. Denn durchdie Weitergabe kulturspezifischer Kenntnissekönnen u.a. Vorurteile – der Nährboden für Dis-kriminierungen – abgebaut werden. Und fürden Arbeitsmarkt werden Grundvoraussetzun-gen für sinnvolle Beschäftigungsalternativen imBundesgebiet geschaffen.

Maßnahmen derBerufsorientierung und Hilfen zumBerufseinstieg

Entwicklungspartnerschaft: TransSpuK – Transfer von Sprache und Kultur(Projekt der zweiten Förderrunde heißt:TransKom gesund & sozial)

Teilprojekt: SpraKuM – Qualifizierung von Asylbewer-berInnen zu Sprach- und KulturmittlerInnen Projektträger: Diakonie Wuppertal

Projektziel: Qualifizierung von Flüchtlingen zu Sprach-und Kulturmittlern im Gesundheits- undSozialwesen zur Verbesserung der Ver-ständigung zwischen Zuwanderern undMehrheitsgesellschaft

Ansprechpartnerin: Varinia MoralesE-Mail: [email protected]: www.transkom.info

www.sprakum.de

Für politische und gesellschaftliche Prozesse istdie öffentliche Meinungsbildung und die He-rausbildung von Meinungsführern eine wichti-ge Entscheidungsgröße. In diesem Zusammen-hang kommt man schnell auf „die Medien“ zusprechen – einerseits wichtige Grundlage einerdemokratisch orientierten Wertegemeinschaft,andererseits allseits gefürchtet als ein Macht-instrument der „Meinungsmache“. Täglich erle-ben wir, wie durch die Medienkanäle schnellund wirkungsvoll Stimmungen erzeugt undMeinungen verfestigt werden können. Das wird auch immer wieder bei dem ThemaZuwanderung deutlich. Obwohl auch positiveBerichterstattungen in den Medien erscheinen,überwiegt bei vielen Bürgerinnen und Bürgerndie Angst vor Überfremdung. Einzelne Begriffe(„Leitkultur“) oder einprägsame Slogans findenschneller Eingang in Gehör und Bewusstsein alsdifferenzierte Betrachtungen.

Festzuhalten bleibt, dass die Medien und ihreNutzungsmöglichkeiten sehr vielfältig sind,eine große Breitenwirkung erzielen und überverschiedene Informationskanäle eine gezielteAnsprache von Zielgruppen ermöglichen. Diese

Vorteile können auch für Aufklärungs- und Infor-mationsarbeit genutzt werden. Um auf die je-weiligen Publikumsbedürfnisse einzugehen unddie Aufmerksamkeit zu fesseln, können in derMedienarbeit sachliche Informationen anschau-lich aufbereitet und mit emotionalen undmenschlichen Elementen kombiniert werden.

Zahlreiche Projektinitiativen in EQUAL undXENOS nutzen die Vorteile und Möglichkeitender Medienarbeit, um in einer bedarfsorientier-ten Zielgruppenansprache und Öffentlichkeits-arbeit die Themen Rassismus und Fremden-feindlichkeit, Toleranz und Interkulturalität zuthematisieren. Ziel ist es zum einen, innovative Produkte zuerstellen, die durch das Medienformat einekreative Behandlung von „Problemthemen“ermöglichen. Ein Film z.B. bindet die Aufmerk-samkeit der Zuschauer über einen längerenZeitraum, Radiosendungen können ganz„nebenbei“ etwas Neues vermitteln.

Neben der Erzeugung von Produkten, die sichfür den Einsatz in verschiedenen Zusammen-hängen – Schulunterricht, Jugendarbeit, Semi-

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Sensibilisierung von Zielgruppen

und Öffentlichkeit

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nare, Fortbildungen in Unternehmen usw. –eignen, erweist sich aber auch die Produkter-stellung selbst als wichtiger Ansatz für eine Aus-einandersetzung mit den Themen Rassismusund Fremdenfeindlichkeit.

Indem Medienprodukte entwickelt werden,erfolgt auch eine inhaltliche Auseinanderset-zung mit Themen, die in anderer Form womög-lich nicht auf Interesse stoßen würden. Das hatsich insbesondere bei der Zielgruppe der Ju-gendlichen gezeigt. Durch die Medienarbeitkonnten sie auf kreative Weise ihren eigenenAnsatzpunkt finden, sich mit Vorurteilen, Ras-sismus und Fremdenfeindlichkeit zu befassenund zeigten dadurch eine große Offenheit.Indem die Jugendlichen passende Ausdrucks-formen für ihre Denkmuster gefunden haben,erreichen sie auch andere aus ihrer „Szene“wesentlich treffsicherer als manch „professio-nelle“ Maßnahmen.

Um einen möglichst breiten Personenkreis zuerreichen, wurde im Rahmen von EQUAL undXENOS die Vermittlung von Kompetenzen in derMedienarbeit in Schulen und Jugendeinrichtun-gen betrieben, so dass die Lehrkräfte und dieSozialarbeiterinnen und -arbeiter Angebote derMedienarbeit kontinuierlich und dauerhaftdurchführen können.

Bei allen Projektmaßnahmen hat sich gezeigt,dass mit der Medienarbeit eine sehr große Wir-kung bei der Bekämpfung von Rassismus undFremdenfeindlichkeit erzielt werden kann. DieTeilnehmenden zeigten eine große Begeiste-rung, erweiterten ihr Bewusstsein und erlerntenneue Kompetenzen – inhaltlich, technisch undmethodisch, die vor allem bei den Jugendlichenauch zur Stärkung des Selbstbewusstseins führ-ten. Sie wurden zu wichtigen Mittlern ausgebil-det und mit ihren Produkten kann langfristig einsehr großer Personenkreis erreicht werden. Zudem erwies sich der Ziel-Mittel-Einsatz alssehr günstig. Die Maßnahmen der Medienarbeitwaren keine einmalige Angelegenheit, sondernkönnen in Zukunft immer wieder durchgeführtwerden.

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Erfahrungen und Standpunkte mit Hilfevon Medien artikulieren

„Also format, das hat mir viel gebracht, weildavor hab ich halt anders gedacht. Wenn mirirgendeiner blöd kommt, dass ich ihm gleicheine rein haue und so, aber jetzt mach ich dashalt nicht, dass ich gleich schrei oder so. Mankann auch normal mit den Menschen reden, dashab ich gelernt...“ (Alex, 17 Jahre). Dies ist nur eine der vielen Antworten, die Ju-gendliche im Rahmen des XENOS- Projektes„format – Medienarbeit für Toleranz“ auf dieFrage, was für sie Toleranz bedeute, gaben. DasProjekt, das zum Ziel hatte, Jugendliche anzu-regen, sich mit Hilfe aktiver Medienarbeit mitdem Thema intensiv zu beschäftigen, wurdevon November 2001 bis Oktober 2004 in rund50 Einrichtungen der berufsbezogenen Jugend-hilfe in ganz Bayern durchgeführt. Über 800junge Auszubildende, Berufsschülerinnen undBerufsschüler sowie Beteiligte an beruflichenBildungsmaßnahmen wurden von format er-reicht und hatten Gelegenheit, ihre Alltagser-fahrungen, Sichtweisen und Standpunkte zudiesem Thema mit Hilfe von Medien zu artikulie-ren. In Form von Kurzfilmen, Multimediaproduk-tionen und Radiobeiträgen wurde das Thema„Toleranz“ beleuchtet und einer kritischen Re-flexion unterzogen. Dabei ging es nicht nur umdie inhaltliche Auseinandersetzung, sondernauch um die Aneignung grundlegender Kennt-nisse der Mediennutzung und -produktion. DaMedienkompetenz in nahezu allen Berufsberei-chen als wichtige Basisqualifikation gefordertist, war ein weiteres Ziel der format-Seminare,diese Schlüsselqualifikation in ihren Grundzü-gen zu erwerben. Zielgruppe waren nicht nurJugendliche, sondern auch Multiplikatoren derJugendarbeit, die für diese Arbeit mit Jugend-lichen qualifiziert werden sollten, um nachhal-tige Wirkungen über den Projektzeitraumhinaus zu garantieren.

Intensive Fortbildung oder Schnupperkurs

Zur Durchführung des Projekts wurden drei ver-schiedene Bausteine unterschiedlicher Dauer

und Schwerpunktsetzung entwickelt, die jenach Bedarf und Möglichkeiten eingesetztwurden. Der Baustein A dauerte eine Wocheund bot Jugendlichen die Möglichkeit zu einerintensiven Auseinandersetzung mit verschiede-nen Medien und dem inhaltlichen Thema „To-leranz“. Baustein B vermittelte Jugendlichen indrei Tagen Grundkenntnisse und war alsSchnupperkurs zur ersten Orientierung imUmgang mit dem Thema angelegt. Baustein Crichtete sich an Multiplikatoren der berufs-bezogenen Jugendhilfe und dauerte jeweilszwei Tage. Er diente zur inhaltlichen Aus-einandersetzung und Sensibilisierung derMultiplikatoren für die thematisch aktiveMedienarbeit mit Jugendlichen.

Exemplarischer Ablauf einer Projektwoche:

1. Tag: - Auseinandersetzung mit dem Thema „Toleranz – Intoleranz“, eigene Recherche von Sachinformationen;

- Aufteilen in die Kleingruppen: Internet-, Radio- und Fernsehjournalismus

2. Tag: - Einführung in grundlegende Tech-niken des jeweiligen Mediums sowie in Grundlagen des Internet-, Radio- und Fernsehjournalismus;

- Ausarbeitung und Konkretisierung von Struktur und inhaltlicher Ausrichtung der Beiträge sowie

- Erarbeitung eines dramaturgischen Konzeptes

3. Tag: - Reporter unterwegs: Die Teilnehmenden sammeln für ihre Beiträge Interviews, O-Töne, Bilder, Stimmungen

4. Tag: - Schnitt in den Audio- und Video-studios; Arbeit mit Bildbearbeitungs- und Grafikprogrammen sowie html-Editoren; Endfertigung der Beiträge

5. Tag: - Präsentation und Auswertung aller Beiträge im Plenum.

- Anschließend: Aufbereitung der Beiträge für den öffentlichen Zugang über das Internet

Medienarbeit als Medium

für mehr Toleranz Günther Anfang

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Sensibilisierungvon Zielgruppen und Öffentlichkeit

Soziale und persönlichkeitsstärkendeEffekte

Um Aufschluss darüber zu erhalten, inwieweitdie Zielsetzung des Projekts, Toleranz bei Ju-gendlichen zu fördern, auch in die Praxis umge-setzt werden konnte, wurden die format-Semi-nare wissenschaftlich evaluiert. Im Mittelpunktstand dabei die Frage der Resonanz des Projek-tes bei den Jugendlichen sowie die Auswirkun-gen der Seminare auf ihr tägliches Verhalten.

Ein wesentliches Ergebnis der Evaluation war,dass das Projekt vor allem soziale undpersönlichkeitsstärkende Effekte auf die Jugend-lichen hatte. „Ich hab ein bisschen Selbstver-trauen gewonnen, dadurch dass ich Leuteangesprochen hab und ja, doch von der Technikher auch.“ (Robert, 16 Jahre) In der Klein-gruppenarbeit konnten die Teilnehmerinnenund Teilnehmer eigenes tolerantes Verhaltenerproben und mit anderen Jugendlichen dis-kutieren. Als sehr erfolgreich hat sich auch dieKonzentration auf persönliche Themenerwiesen, mit der die Aufmerksamkeit undMotivation der jungen Menschen gewonnenwurde. Trotz der Skepsis einiger Jugendlicher zuBeginn der Schulungen zeigte sich sehr schnell,dass die Medienarbeit gruppendynamische Pro-zesse förderte und sich die Jugendlichen mehrund mehr für das Thema „Toleranz“begeisterten.

Der Umgang mit Medien war in den format-Seminaren ein wichtiger Schwerpunkt. Soerhielten die Teilnehmenden einen Einblick indie technische Handhabung einer Kamera, desComputers oder eines Audioschnittplatzes.Durch die Evaluation stellte sich heraus, dass esfür die Jugendlichen weit wichtiger war, sichdurch den Medienumgang technisch kom-petent zu fühlen, als das Gelernte später auchtatsächlich einmal anzuwenden.

Die Beschäftigung mit Toleranz fand auf derEbene konkreter Erfahrungen der Seminarteil-nehmenden statt. Da die Jugendlichen in ihremUmfeld häufig auf Intoleranz stießen oder auch

selber immer wieder Probleme hatten, anderentolerant zu begegnen, war es nahe liegend,Themen aus dem Alltag der Jugendlichen auf-zugreifen: Cliquenkonflikte, Drogenprobleme,Vorurteile gegenüber anderen Kulturen. Dievon den Jugendlichen erstellten Medienpro-dukte spiegeln diese Erfahrungen wider undmachen deutlich, wie wichtig eine reflexive Aus-einandersetzung mit diesen Themen ist.„Toleranz ist für mich, andere Menschen zuakzeptieren und einfach mit ihnen aus-zukommen“ (Markus, 19 Jahre). „Beim ThemaToleranz haben wir Hautfarbe, Religion usw. alsGründe aufgezählt, dass man deshalb aus-gegrenzt wird. Und dabei sind wir auch aufSchwule und Lesben gekommen, weil das auchein wichtiges Thema ist ...“ (Christiane, 16 Jahre).Sie zeigen aber auch, dass einmaligeInterventionen nur Anstöße geben können,deren Nachhaltigkeit nicht gesichert ist.

Eine ausführliche Darstellung des Projekts ist inder Broschüre „format – Medienarbeit fürToleranz“ zu finden, die im Kopäd Verlagerschienen ist. Die Broschüre enthält auch eineCD-ROM mit ausgewählten Medienpro-duktionen, die im Rahmen des XENOS-Projektsentstanden sind.

Projekt: format – Medienarbeit für Toleranz

Projektträger: JFF - Institut für Medienpädagogik inForschung und Praxis in Kooperation mitdem Medienzentrum Parabol

Zielsetzung:format will Jugendliche anregen, sich mitHilfe aktiver Medienarbeit mit dem ThemaToleranz auseinander zu setzen undReflexionsprozesse anregen.

Ansprechpartner: Günther AnfangE-Mail: [email protected]

Medien sind wirkungsvoll beiAuseinandersetzung mit rechten Inhalten

In der Jugendarbeit sind Sozialpädagoginnenund -pädagogen häufig mit Rassismus, Antise-mitismus und anderen Formen von Ausgren-zung konfrontiert. Ihnen fehlt es jedoch oft anAnsatzpunkten, um Mädchen und Jungen wirk-sam zu erreichen und ausgrenzendes Verhaltenebenso wie gesellschaftlichen Rassismus zuthematisieren. Zusätzlich existieren im sozial-pädagogischen Alltag kaum Möglichkeiten, sichintensiv mit Rassismus und entgegenwirkendenStrategien auseinander zu setzen.

Ein erfolgversprechender Handlungsansatz sindMedienprojekte. In der Weiterbildung AktiveMedienarbeit gegen Rechts, gefördert aus Mit-teln des XENOS-Programms, werden Multiplika-toren der Jugendsozialarbeit zum einen für dieinhaltliche Auseinandersetzung mit den The-men Ausgrenzung und Rassismus sensibilisiert.Gemeinsam werden Möglichkeiten wie Gren-zen sozialpädagogischer Intervention disku-tiert. Zum anderen bekommen die Teilnehme-rinnen und Teilnehmer mit der aktiven Medien-arbeit ein wirkungsvolles Instrument vermittelt,mit dem Jugendliche zur Auseinandersetzungmit rechten Inhalten motiviert werden. Wäh-rend dieser Phase werden insbesondere Kennt-nisse über den Einsatz von Video, Hörfunk undComputer in der Jugendsozialarbeit vermittelt,dazu gehören die Nutzungsmöglichkeiten undBedienung der Medientechnik. Nach der Ausbildungsphase führen die Multipli-katoren eigene Medienprojekte durch. Der Ver-ein Medienpädagogik e.V. vermittelt nicht nurdie Kenntnisse für diese medienpädagogischenProjekte, sondern begleitet und unterstütztebenfalls die praktische Umsetzung vor Ort.Dies festigt die erlernten Inhalte und legt denGrundstein für eine dauerhafte Aufnahmeaktiver Medienarbeit gegen Rechts in deneinzelnen Einrichtungen. In dieser Praxisphase werden Jugendliche, unteranderem aus sozialen Brennpunkten in Sachsen,zur Auseinandersetzung mit ausgrenzendemVerhalten, Rassismus und rechten Einstellungen

angeregt. Durch die Weiterbildung soll weiter-hin der Austausch zwischen Einrichtungen inSachsen und darüber hinaus gefördert und eineZusammenarbeit auch nach Ende der Weiter-bildung angeregt werden.

Medien wecken Interesse, Motivation und Kreativität

Medien, wie zum Beispiel Video und Internet,sind für Jugendliche hochattraktiv und treffenunabhängig von Schicht und Status auf einebreite Akzeptanz. Dies macht den Einsatz vonMedien für die Arbeit mit Jugendlichen beson-ders interessant.Die aktive Medienarbeit macht sich die Beliebt-heit der Medien zunutze. Selbst benachteiligteJugendliche, bei denen herkömmliche Bildungs-und Ausbildungsmaßnahmen nicht greifen,können auf diese Weise erreicht und motiviertwerden. Auch jene, die mit Schrift und SpracheProbleme haben, können mittels Medien alter-native Ausdrucksformen finden, um ihre The-men und Meinungen darzustellen. Mit Medienkönnen besonders gut Themen bearbeitetwerden, die bei Jugendlichen ansonsten eherauf Ablehnung stoßen würden. Fernsehen,Internet und Radio gehören zum Alltag undgelten als cool, das Interesse an den Medienkann genutzt werden, um thematisch zu arbei-ten. So ist die aktive Medienarbeit eine wirk-same Methode für die Arbeit gegen Rechts,wirksamer als manche pädagogische Interven-tion oder Gesprächskreise.

Aktive Medienarbeit versteht sich als Teil hand-lungsorientierter Pädagogik, d.h. durch eigenesHandeln werden Inhalte erlernt, dabei stehendie Lebens- und Medienwelten der Jugendli-chen im Mittelpunkt. Inhaltlicher Ausgangs-punkt für Medienprojekte bilden die Realitätund das Interesse der Jugendlichen. Die prakti-sche Ausrichtung der handlungsorientiertenPädagogik wurde auch bei der Konzeption desWeiterbildungscurriculums, das in Zusammen-arbeit mit dem Lehrstuhl für Medienpädagogikund Weiterbildung der Universität Leipzigerarbeitet wurde, befolgt. Learning by doing

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Mit aktiver Medienarbeit gegen RechtsKatharina Hamann

Sensibilisierung von Zielgruppen und Öffentlichkeit

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heißt es für die Sozialpädagoginnen und -päda-gogen, wenn es um das Erlernen neuer techni-scher Anwendungsgebiete geht. So wurden inder Weiterbildung eigene Medienprodukteerstellt, wie z.B. interaktive Bildergeschichtenfür das Internet, Hörspiele und Filme gegenRechts. Die Multiplikatoren lernen dabei, mit derTechnik umzugehen und erhalten didaktischeAnregungen zur Umsetzung an ihrem Arbeits-platz. Die Ausrichtung der Weiterbildung an derRealität der Jugendarbeit ist dem Verein Me-dienpädagogik e.V. besonders wichtig, d.h. eswird weitgehend auf teure Software verzichtetund vornehmlich mit kostenloser Free- oderShareware gearbeitet, weiterhin wird auf preis-werte Technik und Anforderungen einerMinimalausstattung hingewiesen.

Im Ergebnis – neue Produkte, Einsichten und Kompetenzen

Die Resonanz auf die Weiterbildung ist sehrpositiv. An Interesse mangelt es in Einrichtungender Jugendsozialarbeit nicht. Aber kostenloseAngebote, die nicht nur aus Vortrag und Dis-kussion bestehen oder neben der Auseinan-dersetzung mit rechten Inhalten auch Metho-den vermitteln, sind selten. Die Erfolge undErfahrungen der ersten Projektdurchführunghaben den Verein daher veranlasst, die Weiter-bildung ein zweites Mal anzubieten. Insgesamtproduzierten die Teilnehmerinnen und Teilneh-mer fünf interaktive Bildergeschichten, vier Hör-spiele und fünf Kurzfilme. Anfängliche Vorbehal-te gegenüber der Technik konnten mit dempraktischen Ansatz der Weiterbildung abgebautwerden. Das wichtigste Ziel, die Übertragungder Ergebnisse auf die Praxis, konnte über dieErwartungen hinaus erfüllt werden. Nach Endeder ersten Weiterbildungsphase waren die Teil-nehmerinnen und Teilnehmer hoch motiviert, inZukunft auch eigene Projekte durchzuführen.Gewissermaßen als „Nebeneffekt“ entstand einNetzwerk unter den Einrichtungen der Jugend-arbeit, die gemeinsam ein Projekt – „D-A-S-H -Aktiv gegen Ausgrenzung in Sachsen“ – durch-führten. Dabei entstanden unter anderem meh-rere Bildergeschichten im Computerformat

(abrufbar unter: www.d-a-s-h.org/projekte/), diesich mit Ausgrenzung, Mobbing und Gewaltbeschäftigen, sowie ein Spielfilm. Damit wurdeder Grundstein für eine längerfristige Zusam-menarbeit gelegt, einige Einrichtungen pflegennach wie vor den Kontakt, unterstützen sichgegenseitig bei ihren Medienprojekten undplanen neue Gemeinschaftsprojekte. Die Eva-luation hat bestätigt, dass ein Angebot wie dieWeiterbildung Aktive Medienarbeit gegenRechts mit seiner längerfristigen und umfassen-den Ausrichtung nicht nur einrichtungsintern,von den Sozialpädagoginnen und -pädagogenund den Jugendlichen, als sehr sinnvoll erachtetwird, sondern darüber hinaus den Austauschvon Einrichtungen fördert.

Sensibilisierungvon Zielgruppen und Öffentlichkeit

Projekt: Aktive Medienarbeit gegen RechtsWeiterbildung für Multiplikatoren derJugendsozialarbeit

Projektträger: Medienpädagogik e.V. Leipzig in Zusam-menarbeit mit dem Lehrstuhl für Medienpä-dagogik und Weiterbildung der UniversitätLeipzig

Zielsetzung: Während der Weiterbildung werdenMultiplikatoren aus der Jugendsozialarbeitfür die Themen Rassismus und Ausgrenzungsensibilisiert, mit den Methoden der AktivenMedienarbeit bekannt gemacht underhalten grundlegende Fertigkeiten imUmgang mit den Medien Hörfunk, Video,Internet und für die Bildbearbeitung. DieTeilnehmerinnen und Teilnehmer werdenbefähigt, eigene thematische Medienpro-jekte in ihren Einrichtungen durchzuführen.

Kontakt: Medienpädagogik e.V.Katharina HamannEmil-Fuchs-Straße 104105 LeipzigTel: 0341 / 97 35 898E-Mail: [email protected] Internet: www.mepaed.de/xenos

Emotionen wecken, zum Nachdenken anregen

Die EQUAL-Entwicklungspartnerschaft ProInteCrahat im Rahmen ihrer transnationalen Partner-schaft den Kurzfilm „Der Fremde im Spiegel“ alsein didaktisches Produkt gegen Fremdenfeind-lichkeit am Arbeitsplatz geschaffen. Ziel war es,Institutionen in den Bereichen berufliche Bildung,Migration und Jugendarbeit sowie Unternehmen,Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften einMedium an die Hand zu geben, um das ThemaFremdenfeindlichkeit im Berufsalltag zu themati-sieren. Neben Multiplikatoren aus der pädago-gischen Arbeit gehören auch junge Berufstätige,Auszubildende und Schülerinnen und Schüler abKlasse 8 zu den Zielgruppen des Films.

Wichtige Voraussetzung für die Produkter-stellung war, dass der Film sowohl Gruppen mitund ohne Migrationshintergrund als auch Per-sonen, die sich bisher wenig mit der Thematik desFremdseins auseinander gesetzt haben, anspre-chen sollte. Ein weiteres Kriterium war, dass derFilm auch in den Partnerländern der Entwick-lungspartnerschaft ProInteCra, Italien und Öster-reich, einsetzbar ist. Wichtig war den EQUAL-Part-nern aus Deutschland, Österreich und Italien,einen Film zu erstellen, der nicht mit „erhobenemZeigefinger“ daherkommt; auch eine Dokumen-tation oder Reportage sollte es nicht werden,sondern ein unterhaltsamer Kurzspielfilm, derEmotionen weckt, zum Nachdenken, zur Dis-kussion und Reflexion anregt.

Der Film wurde in erster Linie entwickelt, um inder pädagogischen Arbeit in allgemein- undberufsbildenden Schulen, in der außerschu-lischen Jugendarbeit sowie in der Aus- und Fort-bildung von Multiplikatoren und in der Personal-arbeit eingesetzt zu werden. Neben dem End-produkt als solchem, von dem alle beteiligtenPartner in ihrem jeweiligen Projektumfeld direktprofitieren, brachte die gemeinschaftlicheFilmerstellung auch insgesamt einen großenMehrwert für die transnationale Zusammen-arbeit; sie wurde dadurch für alle fassbarer undzielgerichteter.

Einprägsame Vermittlung komplexer Inhalte

Mit der Produktion des Films wurde ein verhält-nismäßig kostenaufwändiges Medium gewählt,um in konkreten Situationen verschiedene Ziel-gruppen aber auch die breite Öffentlichkeit fürdie Themen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit,Vorurteile und Klischees zu sensibilisieren. Fürdie Entscheidung der Projektverantwortlichensprachen vor allem folgende fünf Annahmen:

Ein Film kanndie Aufmerksamkeit der Zielgruppe stärkerund über einen längeren Zeitraum bindenals jedes andere Medium.große Informationsmengen einprägsamvermitteln.komplexe Kontexte anschaulich darstellen.in prägnanter Weise eine Entwicklungbeschreiben.wirkungsvoller als jedes andere MediumEmotionen erzeugen.

Indem die Informationen in eine Geschichte ver-packt werden, die auch Emotionen transportiert,kann das Thema „Fremdenfeindlichkeit im Berufs-alltag“ den Menschen näher gebracht werden.

Film regt zu lebhafter Diskussion an

Die beteiligten Projektpartner konnten vorabnur wenig oder keine Erfahrungen in der Erstel-lung visueller Medien vorweisen. Mit kompeten-ten Partnern ist es jedoch gelungen, einen pro-fessionellen Kurzfilm zu kreieren, der in der Öf-fentlichkeit auf eine äußerst positive Resonanzstößt. Da er im Spielfilm-Format konzipiert ist,spricht er auch besonders viele Jugendliche anund leistet somit einen Beitrag zur Förderunginterkultureller Toleranz bei jungen Menschen.Multiplikatoren, die den Film eingesetzt haben,berichten, dass der Film zu lebhaften Dis-kussionen angeregt hat.

Aufgrund des großen Erfolgs wurde der Film inden Verleih der Landesfilmdienste aufgenom-men. Bis Ende des Jahres 2005 wurde er über

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„Der Fremde im Spiegel“ –

25 Filmminuten für mehr Toleranz Michaela Goetsch

Sensibilisierung von Zielgruppen und Öffentlichkeit

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500 Mal ausgeliehen und von rund 5.500 Perso-nen angeschaut. Am häufigsten wurde der Filmvon Trägern der Erwachsenenbildung ausgelie-hen, gefolgt von Schulen, Medienzentralen undTrägern der Jugendarbeit.

Zum Inhalt des Films:

„Der Fremde im Spiegel“ erzählt die Geschichtezweier junger Männer in Deutschland, die alsSchweißer einen harten Job erledigen. Marius istDeutscher, Damir stammt aus Südosteuropa. Diebeiden können sich nicht besonders gut leiden;bei einem Streit um ein vergessenes Werkstücktreten ihre Vorurteile und Feindseligkeiten offenzutage. Es kommt zu einem Unfall mit schwerwie-genden Folgen. Erst der Blick in den Spiegel zeigt,was passiert ist: die Körper der beiden wurdenvertauscht. Da der Rückweg versperrt scheint,bleibt den beiden nichts anderes übrig, als das Le-ben des jeweils anderen weiter zu leben – und dashält für beide einiges an Überraschungen bereit.

Damir im Körper des Deutschen Marius erhältdie Chance, sich weiterzubilden. Er tut dies mitEifer und Engagement und eröffnet bald daraufseine eigene Schlosserei. Marius im Körper Da-mirs erlebt all die frustrierenden, demütigendenund gefährlichen Situationen, denen man alsMigrant ausgesetzt sein kann. Damir im Körperdes Marius wird für einen Preis vorgeschlagen,Marius erfährt davon und schleicht sich bei derVeranstaltung ein. Dabei kommt es wiederumzu einem Unfall und beide wechseln in ihreneigenen Körper zurück. Der Drehbuchautor und Regisseur des Films,Reinhard Günzler, erhielt 1996 den „Prix Eu-ropa“ für einen Kurzfilm über jüdische Jugend-liche, er gewann 1998 und 1999 den „Deut-schen Wirtschaftsfilmpreis“ mit phantasie-vollen und ästhetisch eindrucksvollen Filmenfür die Stiftung Warentest und die Stiftung Ver-braucher Institut, er drehte Kinospots gegenAusländerfeindlichkeit für die Berliner Aus-

länderbeauftragte sowie Videoclips undMusikfilme für bekannte Bands. Im Jahr 2003erhielt er den Drehbuchpreis der DeutschenBundesstiftung Umwelt.

Wo kann man den Film beziehen?

Der EQUAL-Kurzfilm „Der Fremde im Spiegel“kann bei den bundesweiten Niederlassungender Landesfilmdienste ausgeliehen oder direktvon der Website (www.landesfilmdienste.de)heruntergeladen werden. Bildungsträger,Schulen, Firmen u.a. können den Film zumThema Fremdenfeindlichkeit am Arbeitsplatzzur Information oder Weiterbildung nutzen.

Sensibilisierungvon Zielgruppen und Öffentlichkeit

Der Kurzfilm „Der Fremde im Spiegel“ vonReinhard Günzler gegen Fremdenfeindlich-keit am Arbeitsplatz wurde durch die koor-dinierende Stelle der Entwicklungspartner-schaft ProInteCra- BGZ in Kooperation mitden transnationalen Entwicklungspartner-schaften ‚Miteinander arbeiten und leben‘ inÖsterreich und ‚Persona‘ in Italien realisiert.Projektträger: BGZ Berliner Gesellschaft fürinternationale Zusammenarbeit mbH

Entwicklungspartnerschaft: ProInteCra- Professional Integration ofImmigrants in Skilled Crafts

Zielsetzung: ProInteCra will die berufliche Integrationvon Migrantinnen und Migranten in dasHandwerk fördern.

Kontakt: Michaela GoetschBGZ Berliner Gesellschaft für internationaleZusammenarbeit mbHPohlstraße 6710785 BerlinTel.: 030 / 809941 0E-Mail: [email protected]: www.bgz-berlin.de

Kompetenzen und Ressourcen stattSchwierigkeiten

Hauptziel der Radio-Arbeit im Rahmen derEQUAL Entwicklungspartnerschaft AMIKU wareine gezielte Sensibilisierung der Öffentlichkeitin Bezug auf die Kompetenzen und Ressourcender hier lebenden Migrantinnen und Migranten.Die Ausgangsüberlegung zum Projekt basierteauf dem in der breiten Öffentlichkeit vorherr-schenden Bild, dass die Gruppe der Migran-tinnen und Migranten vor allem mit Defizitenund Schwierigkeiten belastet ist. Insbesonderebei der beruflichen Integration werden ihre mit-gebrachten Fähigkeiten und Kenntnisse nichtausreichend berücksichtigt. Diesem Bild vom„schwierigen Migranten“ wurde im Rahmen derÖffentlichkeitsarbeit des AMIKU-Projektes ent-gegengewirkt.

„Radio AMIKU“ sendete über die Frequenz vonAntenne Unna einmal im Monat Beiträge zu be-

stimmten Themenfeldern. Das Redaktionsteam,das sich aus Projektverantwortlichenzusammensetzte, erarbeitete in eigener Regieein Konzept für mehrere einstündige Sendun-gen zu Themen wie Jugendarbeitslosigkeit,interkulturelle Kompetenzen oder aktuelleberufsorientierende Maßnahmen. Damit wurdemehr Transparenz im Hinblick auf die hier leben-den und arbeitenden Migrantinnen und Migran-ten geschaffen, um Ängsten und Vorurteilenentgegenzuwirken.

Entscheidungsträger und Betroffene im Gespräch

Mit der aktiven Unterstützung von zahlreichenInterviewgästen aus Wirtschaft und Politiksowie aus den Bereichen Gesundheit, Sozialesund Schule wurde mit Radio AMIKU für Integra-tion und gegenseitigen Respekt geworben undüber positive interkulturelle Erfahrungen be-richtet.

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Radio AMIKU – Neues über Migration hören Hatice Müller-Aras

Sensibilisierung von Zielgruppen und Öffentlichkeit

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Um eine stärkere Sensibilisierung der Bürgerin-nen und Bürger im Kreis Unna für die Situationvon Migrantinnen und Migranten in der Gesell-schaft herbeizuführen, war es wichtig, mit spe-ziellen Themen und Beiträgen Vorurteile abzu-bauen, Einblicke in „neue“ Kulturen zu gewährenund auf die vielfältigen Kompetenzen undRessourcen der Migrantinnen und Migrantenaufmerksam zu machen. In diesem Zusammen-hang war es einer der Hauptaspekte von RadioAMIKU, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber überdie Vorteile von multikulturell besetzten Teamszu informieren. Umfassende Informationen überberufsorientierte Qualifizierungen der Entwick-lungspartnerschaft AMIKU und anderer Koope-rationspartner sowie regionale Veranstaltungs-hinweise komplettierten das Radioprogramm.

Viele hören zu

Innerhalb der Projektlaufzeit präsentierte Radio AMIKU über die Frequenz von AntenneUnna im Rahmen des Bürgerfunks einmal imMonat regionale und überregionale Themen.Über 70 000 Menschen wurden regelmäßigüber die Radiosendung erreicht und erfuhrenmehr über die Lebenswirklichkeit der inDeutschland lebenden Migrantinnen undMigranten. Erreicht wurden neben der breitenÖffentlichkeit auch Arbeitgeberinnen undArbeitgeber, die gezielt Informationen zuinterkulturell geprägter Teamarbeit und Diver-sity Management im Unternehmen erhielten.Das Radio-Projekt lief sehr erfolgreich und wirdin der 2. EQUAL-Förderrunde fortgesetzt.

Sensibilisierungvon Zielgruppen und Öffentlichkeit

Entwicklungspartnerschaft: AMIKU (Arbeit für Migranten im Kreis Unna)

Projektträger und AMIKU-Koordinationsstelle: Multikulturelles Forum Lünen e.V.

Zielsetzung: Ziel der Projektinitiative ist es, die breiteÖffentlichkeit für die vielfältigen beruf-lichen Kompetenzen von Migrantinnen undMigranten zu sensibilisieren und ihnenhierüber im Kreis Unna den Zugang zumArbeitsmarkt zu erleichtern.

Ansprechpartnerin: Hatice Müller-Aras (Arbeitsvermittlerin) Multikulturelles Forum Lünen e.V. Münsterstraße 46 b44534 LünenTel.: 02306 / 3063011E-Mail: [email protected]

Erscheinungen von Fremdenfeindlichkeit undRassismus sind kein regionales oder nationales,sondern ein globales Problem. Auf der Suchenach Ansätzen und Lösungen zur Förderung vonToleranz und interkulturellen Kompetenzen istes immer wieder eine große Bereicherung, überden eigenen „Tellerrand“ zu schauen, mit ande-ren Akteuren und Initiativen Erfahrungen aus-zutauschen und gemeinsame Lösungsstrategienzu erarbeiten. Es gibt zahlreiche Initiativen, diesich mit großem Engagement für die Bekämp-fung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeiteinsetzen und innovative Methoden entwickeln,diese bleiben aber oftmals lokal verortet.

Vor diesem Hintergrund fördern die verschie-denen EU- und Bundesprogramme die Vernet-zung von Akteuren und Institutionen, um einemöglichst große Effizienz der Maßnahmen undVerbreitung der Ergebnisse zu erreichen. Nebender bundesweiten kommt auch der transnatio-nalen Kooperation eine besondere Bedeutungzu, durch die das Zusammenwachsen Europasunterstützt werden soll.

Deshalb stellt die grenzüberschreitende Zusam-menarbeit einen wesentlichen Programmbau-stein und wichtigen Mehrwert für die Arbeit derEntwicklungspartnerschaften in EQUAL dar. DieEinsicht, dass die eigenen Problemlagen auch inanderen Regionen und Ländern existieren,schafft ein Gefühl der Gemeinsamkeit und Stär-kung der eigenen Position. Wenn Akteure ausunterschiedlichen Ländern zusammenkommen,können sie ihren jeweiligen Blickwinkel und ihreErfahrungen einbringen. Durch die Zusammen-arbeit und gegenseitige Ergänzung entstehenoft ganz neue Erkenntnisse und Produkte, die inDokumenten zusammengestellt und verbreitetwerden. Solche Ergebnisse bilden eine wichtigeGrundlage für die weitere Arbeit und gebenauch anderen Interessenten Anregungen.

Gewissermaßen als „Nebeneffekt“ bedeutet dietransnationale Kooperation ein Empowermentder beteiligten Netzwerkpartner. Schließlich

stellt es auch eine Herausforderung dar, mit Ver-treterinnen und Vertretern anderer Kulturengemeinsam in Projekten zu arbeiten.Mentalität, Vorurteile und Vorbehalte sind na-türlich, lassen sich nur schwer abstreifen undkönnen als „Störung“ auftreten. Durch die trans-nationale Zusammenarbeit wurden die Akteuremit ihren eigenen Vorurteilen und kulturellen„Eigenarten“ konfrontiert und eigneten sich imArbeitsprozess bei der Überwindung mentalerund sprachlicher Barrieren interkulturelle Kom-petenzen an. Diese Form der persönlichen Wei-terentwicklung ist durch theoretische Wissens-vermittlung nicht zu ersetzen.

Der Grundannahme folgend, dass interkulturelleKompetenzen und Toleranz wirkungsvollerdurch das eigene Erleben als durch Theorie ver-mittelt werden können, bildet der grenzüber-schreitende Austausch auch für einige derXENOS-Projektinitiativen einen wichtigen Pro-jektbaustein. Besonders bei Zielgruppen, die inihrer Meinungsäußerung eine Verzerrung undUndifferenziertheit zeigen, sind eigene Erfah-rungen wichtig. Wenn Personengruppen frem-denfeindliche oder rassistische Einstellungenäußern, ist die Konfrontation mit der Fremdeund dem eigenen Fremdsein ein wichtiger An-satz wie auch der direkte Austausch mit „denAusländern“ – durch den Dialog, das gemein-same Handeln, Lernen und Arbeiten. Dabei stehtdas Ergebnis im Vordergrund – sei es in Musik,Kultur oder in betrieblichen Zusammenhängen.Im Entstehungsprozess werden Gemeinsamkei-ten entdeckt, können die Beteiligten voneinan-der lernen, sich darüber schließlich kennenlernen und ihre Meinung korrigieren.

Im Rahmen von XENOS und EQUAL werden Maß-nahmen gefördert, die Grenzen – nationale wieeigene – überwinden helfen. Die bisherigen Pro-jekte zeigten auch bei eher „schwierigen“ Ziel-gruppen große Erfolge. Die Teilnehmendenentwickelten neue Kompetenzen und bautenalte Vorurteile ab.

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Transnationale Kooperation

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Vermittlung beruflicher Fähigkeiten unddemokratischer Werte

Die Hauptzielgruppe des XENOS-Projekts „Mag-deburger Baujugend bricht Vorurteile und bautBrücken“ sind benachteiligte Lehrlinge, die eineaußerbetriebliche Ausbildung im Baubereichabsolvieren. Aufgaben sind die Integration derjungen Erwachsenen in den Arbeitsmarkt unddie Förderung interkultureller Toleranz durch:1. Berufliche Qualifizierung (Facharbeiterab-

schluss) und anschließende Vermittlung inArbeit,

2. Vermittlung eines demokratischen Werte-systems, inkl. Teamfähigkeit, Solidarität unddemokratischer Konfliktaustragung,

3. Entwicklung bzw. Festigung eines Gedanken-guts, das frei ist von fremdenfeindlichen undrechtsradikalen Einstellungen durch Abbauvon Vorurteilen, Reduzierung von Fremden-angst und Steigerung der Handlungskompe-tenz auf einem globalisierten Arbeitsmarkt.

Bewusstseinserweiterung, neue Sprach- und Handlungskompetenz

Die Basis der Konzipierung von Maßnahmen ge-gen fremdenfeindliche und rechtsradikale Haltun-gen bzw. Einstellungen bei den Lehrlingen bildeteeine Reihe von Faktoren, die als Ursachen von Ras-sismus und Fremdenfeindlichkeit angesehen wer-den können und die durch das Projekt beeinflusstwerden sollten. Dazu zählen insbesondere:

Unwissenheit über verschiedene gesellschaft-liche und wirtschaftliche Zusammenhänge,die dazu führt, dass Menschen mit Migrations-hintergrund in Deutschland ausschließlich alsProblemfaktoren wahrgenommen werden,ohne die Chancen und Potenziale zuerkennen.

Informationsdefizite und Vorurteile, die zueiner Überbewertung der Andersartigkeitvon Ausländerinnen und Ausländern in per-sönlichen Merkmalen und Lebensstil führen.Eine nur mangelhaft ausgeprägte Wert-schätzung des rücksichtsvollen Umgangsvon Menschen untereinander.Ungenügend ausgebildete persönlicheKompetenzen im Umgang mit Fremden.

Die angeführten Ursachen führen zu jeweilsindividuellen Haltungen, die bei ca. 40 % derLehrlinge in den Maßnahmen der MagdeburgerBaujugend als fremdenfeindlich einzustufenwaren. Im Rahmen des Projekts wurden ver-schiedene Maßnahmetypen eingesetzt, um Ein-stellungsänderungen zu erwirken.

Maßnahmeebenen:

Wissensvermittlung in den Themenfeldern Geschichte: Besuche der GedenkstättenBuchenwald und TheresienstadtFaschismus, II. Weltkrieg, Vernichtung vonJuden etc.bürgerlich-demokratische Werte, NormenEnglisch (durch „Muttersprachler“)

Aufbau und Training von Handlungskompetenz Gewaltfreies KonfliktlösenSelbstvermarktung (Kommunikationstech-nik, Präsentieren, Bewerben)

Sammlung praktischer Erfahrungen drei Wochen lang Arbeiten und Leben inMost/ TschechienGespräche mit ZeitzeugenAnwendung der erlernten Fremdsprachen(Englisch)Anwendung neuer Bautechnologien (in Tschechien)

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Transnationale Erfahrungen

bauen Vorurteile ab Gerd Teich

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Gemeinsames Arbeiten im Ausland weckt Stolz und Verständnis

Die Auswirkungen der XENOS-Projektarbeit aufdie Hauptzielgruppe der benachteiligten Lehr-linge waren durchweg positiv. Die Lehrlinge ha-ben vorhandene rechtsradikale und fremden-feindliche Haltungen revidiert, Ängste und Vor-urteile abgebaut und ihr Selbstwertgefühl hatsich entscheidend verbessert. Schließlich habensie vor allem erfahren, dass sie sich auf dem glo-balen Arbeitsmarkt Europa behaupten können.

Diese Einstellungsänderungen sind vor allemdurch das dreiwöchige Arbeiten und Leben inTschechien bewirkt worden, wie die nachstehen-den Aussagen einiger Lehrlinge unterstreichen:

„Ich konnte mich jetzt erstmalig in Ausländereinfühlen.“„Ich fühlte mich besser ausgebildet undhatte eine bessere Arbeitsmoral.“„Ich konnte mich mit Englisch grundlegendverständigen.“„Ich war vom Besuch der KZ-GedenkstätteTheresienstadt zutiefst aufgewühlt.“„Ich traue mir jetzt zu, auch außerhalb vonMagdeburg eine Arbeit aufzunehmen.“

Im Rahmen ihrer Tätigkeit in Most arbeiteten dieMagdeburger Lehrlinge an der Errichtung einerJugendbegegnungsstätte mit. Der Stolz auf dasErreichte bei der Übergabe der fertig gestelltenJugendbegegnungsstätte an die zukünftigenNutzer sowie die gesammelten Erfahrungen aufdem Bau und beim gemeinsamen Gestalten derFreizeit mit den tschechischen Jugendlichen ha-ben ganz besonders dazu beigetragen, Ängsteund Vorurteile gegenüber dem „Fremden“abzubauen.

Rechtsextremistische und fremdenfeindlicheEinstellungsmuster sind bei vielen Jugendlichennicht fundiert oder verfestigt. Über die Projekt-arbeit konnten vorhandene Verzerrungen („InSachsen-Anhalt sind zu viele Ausländer“) wieauch Unwissen, beispielsweise über den Anteil

ausländischer Investoren bei der Schaffung vonArbeitsplätzen, beseitigt werden.

In der Berufsausbildung selbst hat sich durch dieProjektarbeit das Lehr- und Lernklima entschei-dend verbessert und die Lehrlinge haben er-kannt, dass sie durchaus auch als Benachteiligtereale Chancen auf dem Arbeitsmarkt besitzenund z. B. osteuropäische Bauarbeiter nicht alsKonkurrenz fürchten müssen.

Es traten keine rechtsradikalen oder fremden-feindliche Straftaten auf, obwohl ein Teil derLehrlinge zu Projektbeginn durchaus diegrundsätzliche Bereitschaft signalisierte,„Fremde“ auch anzugreifen.

Von den sieben am Projekt beteiligten Lehr-lingsgruppen haben mittlerweile fünf ihre Aus-bildung erfolgreich beendet. Von den 42 Lehr-lingen, die bisher ausgelernt haben, befindensich 64,3 % in einer Beschäftigung. Für die Ziel-gruppe der „Benachteiligten“ ist dies eine sehrgute Quote, die nicht zuletzt auch der Projekt-arbeit mit zu verdanken ist. Durch den Bau desJugendbegegnungszentrums in Most sind dortzwölf Dauerarbeitsplätze entstanden. Dies istauch für die tschechische Region, in der dieArbeitslosenquote 23% beträgt, ein sehrwichtiger Projekterfolg.

TransnationaleKooperation

Projekt: „Magdeburger Baujugend bricht Vorurteileund baut Brücken“

Projektträger: Verein zur Berufsförderung der Bauindustriein Sachsen-Anhalt e. V. Bau-Bildungs-Zentrum

Zielsetzung: Rechtsradikalem und fremdenfeindlichemGedankengut der Lehrlinge entgegenwir-ken und die Ängste und Vorurteile gegen-über osteuropäischen Beschäftigtenabbauen

Kontakt: Verein zur Berufsförderung der Bauindustriein Sachsen-Anhalt e. V.Gerd TeichBau-Bildungs-Zentrum MagdeburgE-Mail: [email protected]

Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten

Im März 2002 schlossen sich die EQUAL-Entwick-lungspartnerschaften „Rhein-Neckar-Dreieck“,„Aboavita“/Finnland und „Campaign for Lear-ning“/Großbritannien im Rahmen von EQUALzur transnationalen Partnerschaft „ADEMIN“zusammen. „ADEMIN: ADaptability – EMploya-bility – INvestigation“ leitet sich von den zweiEQUAL-Säulen Anpassungsfähigkeit und Be-schäftigungsfähigkeit ab, ergänzt durch „Inve-stigation“ (dt. Untersuchung), dem Arbeits-schwerpunkt der britischen Entwicklungspart-nerschaft.

Im Rahmen der transnationalen Kooperations-vereinbarung definierten die transnationalenKoordinatoren der drei Entwicklungspartner-schaften die gemeinsamen Handlungsfelder,die im Laufe der nächsten zweieinhalb Jahrebearbeitet werden sollten. Besonders wichtigwar den Beteiligten das Thema „Integration vonMenschen mit Migrationshintergrund“; daherwurde als eines der Handlungsfelder „RaisingIntercultural Awareness“ („InterkulturellesBewusstsein entwickeln“) bestimmt. Hierzusollten Ansätze, Methoden und Erfahrungenzusammengetragen und ausgetauscht werden.Speziell ging es um die Integration von auslän-dischen Beschäftigten in Unternehmen unddarum, die Tatsache bewusst zu machen, dassausländische Mitbürgerinnen und MitbürgerUnternehmen genauso wie die Gesellschaft imGanzen bereichern, wenn ihr Potenzial wahr-genommen und genutzt wird. Als gemeinsamesProdukt der drei Entwicklungspartnerschaftenwurde ein Handbuch „RIA – Raising InterculturalAwareness“ konzipiert, das auf Deutsch, Eng-lisch und Finnisch erschienen ist.

Das Handbuch wurde als Gemeinschaftsprojektder ADEMIN-Partnerschaft unter Federführungder finnischen Entwicklungspartnerschaft„Aboavita“ in englischer Sprache erarbeitet.Jede der Entwicklungspartnerschaften wählteTeilprojekte aus, die ein Kapitel verfassten undUmfragen durchführten, um die Beiträge mitZahlen und Fakten zur generellen Situation vonMigrantinnen und Migranten zu ergänzen.Zusätzlich erstellte jede der Entwicklungspart-nerschaften eine Version des Handbuchs in derjeweiligen Landessprache.

Migration, Integration, Qualifizierung und interkulturelle Kompetenz – eineRundumbetrachtung in drei Sprachen

Als Ergebnis liegt zum einen die englischeGesamtversion des Handbuches als pdf-Dateivor. Sie enthält ausgewählte Beiträge aller dreitransnationalen Partner. Die pdf-Datei kannkostenlos beim Berufsfortbildungswerk des DGB(siehe Infokasten) bestellt werden.

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Handbuch „Interkulturelles Bewusstsein“ –

Anregungen und Erfahrungen aus drei Ländern Andrea Küntzler, Antje Utecht

Transnationale Kooperation

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Zum anderen liegt die deutsche Version „Inter-kulturelles Bewusstsein – ein Handbuch“ vor,deren Erstellung in den Händen des Compe-tence Center EUROPA des Berufsfortbildungs-werkes lag.

Das Handbuch gliedert sich in vier Teile, die diefolgenden Bereiche rund um das Thema Migra-tion behandeln: Der erste Teil führt in die Geschichte der Migra-tion und Integration in Deutschland ein undgibt Auskunft über die aktuelle Situation vonMenschen mit Migrationshintergrund. Darüber,wie das Querschnittsthema „Bekämpfung vonRassismus und Fremdenfeindlichkeit“ in derArbeit der Entwicklungspartnerschaft „Rhein-Neckar-Dreieck“ praktische Anwendung fand,gibt ein Kapitel Auskunft, das von der StadtMannheim erstellt wurde. Im zweiten Teil stel-len Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bera-tungseinrichtungen neue Wege in der Bera-tung und Qualifizierung von Migrantinnen undMigranten vor und geben Anregungen für denErwerb interkultureller Kompetenzen. Derdritte Teil geht auf die Situation von Unterneh-men, ausländischen Beschäftigten und Arbeit-geberinnen und Arbeitgebern ein und verdeut-licht, welche wichtige Rolle sie für Gesellschaftund Arbeitsmarkt unter der Voraussetzung spie-len, dass ihr individueller kultureller Hintergrundals Bereicherung angesehen und als Potenzialgenutzt wird.

Im vierten Teil steht schließlich die Situation unddie Sichtweise der Menschen mit Migrationshin-tergrund selbst im Mittelpunkt der Betrachtung.Unter anderem wird dabei die eingangs erwähn-te Befragung von Migrantinnen und Migrantensowie von Expertinnen und Experten ausgewer-tet. Als Exkurs wird außerdem ein innovativerAnsatz in der Region Starkenburg vorgestellt:die Qualifizierung von Migrantinnen und Mi-granten zu Integrationsassistentinnen bzw.-assistenten.

Um das Handbuch übersichtlich zu gestaltenund eine auch selektive Lesbarkeit zu ermög-lichen, sind zu Beginn jedes Kapitels dessen

Kernaussagen in einem Infokasten zusammen-gefasst; die wichtigsten Begriffe und Konzeptealler Kapitel werden zum Schluss in einemGlossar erläutert. Außerdem geben Adress- undLiteraturlisten den Leserinnen und Lesern dieMöglichkeit, sich weitergehend mit einem derThemen zu befassen oder sich mit den Auto-rinnen und Autoren in Verbindung zu setzen.

Die deutsche Version „Interkulturelles Bewusst-sein – ein Handbuch“ wird unter der ISBN 3-9809717-0-8 geführt und kann beimBerufsfortbildungswerk des DGB - CompetenceCenter EUROPA oder bei der Stadt Mannheim alsBroschüre oder pdf-Datei bestellt werden (sieheInfokasten). Transnationale

Kooperation

Entwicklungspartnerschaft: „Rhein-Neckar-Dreieck“ Transnationale Partnerschaft ADEMIN(ADaptability – EMployability – INvestigation)

Zielsetzung: Das Handbuch soll Hintergrundwissen,Erfahrungen und Anregungen zur Integra-tion von Migrantinnen und Migranten inden Arbeitsmarkt geben.

Kontakt:Transnationale Koordination Berufsfortbildungswerk GemeinnützigeBildungseinrichtung des DGB GmbH (bfw)Antje Utecht Im Neuenheimer Feld 58269120 HeidelbergE-Mail: [email protected]

Nationale KoordinationStadt Mannheim / BeschäftigungsförderungAndreas SalewskiE-Mail: [email protected]

Anfang, Günther Leiter der Abteilung Praxis im JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschungund Praxis [email protected] www.jff.de

Dr. Bärsch, Jürgen Klaus Novy Institut [email protected] www.kni.de

Privatdozentin Dr. Bednarz-Braun, Iris DJI – Deutsches Jugendinstitut [email protected] www.dji.de

Dr. Bischoff, Ursula DJI – Deutsches Jugendinstitut [email protected] www.dji.de

MdB Prof. Dr. Böhmer, Maria Beauftragte der Bundesregierung fürMigration, Flüchtlinge und Integration www.maria-boehmer.de

Ellenbeck, Susanne Deutsche Bahn AG – DB Training, Learning &Consulting [email protected] www.bahn.de

Eller, ElkeGeschäftsführerin der Otto Brenner Stiftung [email protected] www.otto-brenner-stiftung.de

Goetsch, Michaela BGZ Berliner Gesellschaft für internationaleZusammenarbeit mbH [email protected] www.bgz-berlin.de

Hamann, Katharina Medienpädagogik e.V. [email protected] www.mepaed.de

Hartwig, Monika Kommunales Forum WeddingLeitung des Projekts Arbeit und NachbarschaftStadtteilgenossenschaft Wedding eGLeitung des Parcours zur [email protected]

Dr. Heinrich, Gudrun Lehrbeauftragte am Institut für Politik- und Ver-waltungswissenschaften der UniversitätRostock [email protected]

Hoffmann, Karin Kommunales Forum WeddingLeitung des Projekts Arbeit und [email protected]

Isken, Marion Internationaler Bund (IB) Osnabrück [email protected] www.equal-osnabrueck.de

Jürgens, Mechthild Nationale Koordinierungsstelle XENOS imBundesministerium für Arbeit und Soziales [email protected] www.xenos-de.de

Kahraman-Brust, Sevgi RAA - Regionale Arbeitsstelle zur Förderung vonKindern und Jugendlichen aus Zuwanderer-familien Kreis Unna [email protected] www.raa.de

Kollberg, Britta RAA – Regionale Arbeitsstellen für Ausländer-fragen, Jugendarbeit und Schule Berlin [email protected] www.raa-berlin.de

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

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Krüger, Christine Nationale Koordinierungsstelle EQUAL imBundesministerium für Arbeit und Soziales [email protected] www.equal.de

Küntzler, Andrea Berufsfortbildungswerk GemeinnützigeBildungseinrichtung des DGB GmbH (bfw) [email protected] www.bfw.de

Prof. Dr. Leenen, Wolf Rainer Leiter des ForschungsschwerpunktesInterkulturelle Kompetenz an der Fachhoch-schule Köln [email protected] www.interkulturelle-kompetenz.de

Memmeler, Vera Multikulturelles Forum Lünen e.V. [email protected] www.multikulti-forum.de

Morales, VariniaProjektleitung/Koordination SpraKuMDiakonie Wuppertal [email protected] www.sprakum.dewww.transkom.info

Müller, Christine Projektreferentin der Bundesarbeitsgemeinschaft KatholischeJugendsozialarbeit – BAG KJS [email protected] www.xenos-initiative.de

Müller-Aras, Hatice Arbeitsvermittlerin Multikulturelles Forum Lünen e.V. [email protected] www.multikulti-forum.de

Rathlau, Susanne Leiterin des Projektes SICHTweisen – Eine Studiezur interkulturellen Unternehmensentwicklung CJD Eutin – Christliches JugenddorfwerkDeutschland e.V. in Eutin [email protected] www.ibk.cjd-eutin.de

Schiele, Stephan Tür an Tür – Integrationsprojekte gGmbH [email protected] www.tuerantuer.de

Teich, Gerd Verein zur Berufsförderung der Bauindustrie inSachsen-Anhalt e.V. - Bau-Bildungs-ZentrumMagdeburg [email protected]

Utecht, Antje Berufsfortbildungswerk GemeinnützigeBildungseinrichtung des DGB GmbH (bfw) [email protected] www.bfw.de

Vortmann, Claudia Schneider Organisationsberatung [email protected] www.schneider-beratung.de

Wenzel, Florian M. Akademie Führung & Kompetenz [email protected] www.cap-akademie.de