152
EXTRA Alles zum richtigen Vermögens- auau im FORMAT-Portfolio ÖSTERREICHS MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, GELD & POLITIK NR. 22 29. MAI 2015 3,50 EURO www.format.at P.b.b. GZ 02Z032103 W, Verlagsgruppe NEWS Gesellschaft m.b.H., Taborstraße 1-3, 1020 Wien Retouren an Postfach 100, 1350 Wien, Deutschland, Italien € 3,80 TEST Heurige werden zu Gourmet- Tempeln: die besten in Wien und Umgebung Warum einige Staaten und Ökonomen Bargeld abschaffen wollen. Und wie sich unser Leben dadurch verändern würde. PLUS: Der gescheiterte Versuch, das Bankgeheimnis zu knacken. Kampfansage des Porsche-Holding-Chefs Alain Favey: „Regierung bremst die Autobranche aus.“ Interview WELT OHNE BAR GELD

Format - Nr. 22_ 29 Mai 2015

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Format - Nr. 22_ 29 Mai 2015

Citation preview

  • EXTRA Alles zum richtigen Vermgens-au au im FORMAT-PortfolioSTERREICHS MAGAZIN FR WIRTSCHAFT, GELD & POLITIK

    NR. 2229. MAI 2015 3,50 EURO www.format.at

    P.b.b. GZ 02Z032103 W, Verlagsgruppe NEWS Gesellschaft m.b.H., Taborstrae 1-3, 1020 WienRetouren an Postfach 100, 1350 Wien, Deutschland, Italien 3,80

    TEST Heurige werden zu Gourmet-Tempeln: die besten in Wien und Umgebung

    Warum einige Staaten und konomen Bargeld abscha en wollen. Und wie sich unser Leben dadurch verndern wrde.PLUS: Der gescheiterte Versuch, das Bankgeheimnis zu knacken.

    Kampfansage des Porsche-Holding-Chefs Alain Favey: Regierung bremst die Autobranche aus.

    InterviewAlain Favey: Autobranche aus.

    WELT OHNEBARGELD

  • Prinzipiell knnte einem Nicht-Steirer ziemlich egal sein, wie gut oder schlecht SP und VP bei der steirischen Wahl am Wochenende abschneiden. Dieses Mal steht aber neben regionalen Belangen auch ein Typus von Politiker zur Abstimmung, dessen Erfolg oder Nichterfolg ber die Grenzen des Semmering hinaus Signalwirkung hat. Ob die Steier mark wieder einen roten Landeshauptmann bekommt? Mig interessant. Wie sich Franz Voves schlgt, ist deswegen spannend, weil er einer der wenigen Politiker ist, die glaubhaft vermitteln kn-nen, dass sie mit ihrem Tun etwas gestalten wollen. Die nicht nur ratlos bemht sind, in den wirtschaft-lichen und gesellschaftlichen Vernderungen, die ber sie hereinbrechen, ihre Haut zu retten.

    Jedenfalls ist Voves der einzige in der SP.Die steirische Reformpartnerschaft wurde oft ge-

    lobt (auch im FORMAT), sei aber kurz erwhnt, weil es Anerkennung verdient, dass der Landeschef und sein VP-Vize Hermann Schtzenhfer beschlos-sen haben, man knne in einer gemeinsamen Regie-rung doch auch gemeinsam etwas durchziehen. Der heiligen Kuh des Fderalismus, deren Fettleibigkeit lngst bedrohliche Zge angenommen hat, wurde in der Steiermark immerhin eine Dit verordnet.

    Den vorhersehbaren Unmut von Brgermeistern, Gemeinde- und Parteifunktionren nahmen die bei-den Parteiobmnner ebenso in Kauf wie den Wider-stand aus Teilen der von den Genannten aufgesta-chelten Bevlkerung. Reformen trotzdem anzugehen, weil man sie aufgrund der unschnen Budgetsitua-tion als notwendig erkannt hat, sollte zwar selbst-verstndlich sein. Im politischen Biotop sterreichs sticht so eine Leistung aber hervor.

    Was Typen wie Franz Voves von den meisten Politikern (vor allem in seiner Partei) wirklich unterscheidet, ist aber generell ein anderer Zugang zu ihrer Arbeit. Mehr noch als beim bestimmt red-lichen, aber farbloseren und weniger selbstbewuss-ten VP-Mann Schtzenhfer lsst sich das bei Voves an drei Faktoren festmachen. Er muss nicht Politiker sein, um mit sich im Reinen zu sein. Das macht freier im Kopf. Er pfeift auf die Parteilinie, auf den Apparat, wenn es ihm geboten scheint. Und er pfeift auf den Jubel der ffentlichkeit (der Me-dien), wenn er sich dafr zu sehr verbiegen msste. Wenn ein solches Jobverstndnis, das grosso modo

    ANDREAS LAMPL

    Steirermen san very goodUnabhngig von Personen entscheiden die Steirer auch, ob ein Verstndnis von Politik la Franz Voves, das anders daherkommt, akzeptiert wird.

    Es ist ein Unterschied, wofr man Macht ge-braucht: zur Absicherung des Jobs oder zur Durch-setzung einer berzeugung.

    auch auf Finanzminister Hans Jrg Schelling zutrifft, nicht sehr bald weitere Verbreitung unter Politikern findet, wird sterreich seinen Weg vom einstigen Musterland Europas zu einem Sorgenkind der EU konsequent fortsetzen.

    Die Wahlwerbung des steirischen Landeshaupt-manns wird keinen Preis beim Festival in Cannes einheimsen, ist aber im Vergleich zu dem, was hier-zulande sonst geboten wird, immer noch anspre-chender. Ein Plakat, das ihn in zweifacher Ausfh-rung zeigt, trgt den Text: Franz Voves und sein schrfster Kritiker. Auf einem anderen heit es schlicht: Arbeiten fr das Land nicht fr den Applaus. Stellen Sie sich diese Slogans einmal mit Werner Faymann vor: ein todsicherer Lacherfolg. Sie wrden aber mit dem Vizekanzler ebenfalls nicht funktionieren, weil auch die VP trotz ihres Evolution-Programms ganz und gar nicht dafr steht, die Partei weniger wichtig zu nehmen als das Ziel, sterreich fr die kommenden zwanzig Jahre besser aufzustellen.

    Zweifellos ist Franz Voves ein Machtmensch. In einer Position, in der Fhrungsqualitten gefragt sind, sollte man das auch sein. Anders als das Gros seiner Berufskollegen verwendet er aber nicht den Gutteil seiner Zeit dafr, den eigenen Job abzusi-chern und einen Apparat aufzubauen, der ihm dabei hilft sondern sein politischer Machtanspruch rich-tet sich etwa gegen die multinationalen Grokon-zerne oder auf die Neudefinition von Arbeit, die der technologische Wandel notwendig macht. Dem kann man zustimmen oder auch nicht: In beiden Fllen ist die Auseinandersetzung produktiver, wenn dahinter eine reflektierte berzeugung steht und nicht blo der Wunsch, das Verhalten von Whlern zu beein-flussen oder der Gewerkschaft zu gefallen.

    Gleiches gilt, wenn Voves statt der Wirtschaft den eigenen Genossen auf die Zehen tritt, indem er Strafen fr Integrationsunwilligkeit fordert. Und damit ideologische Blindheit aufdeckt, die nicht erkennen will, dass religise Unterwanderung des Staates unserer Gesellschaft massiv schaden kann.

    Unabhngig von den Personen Voves und Her-mann Schtzenhfer steht in der Steiermark die Frage zur Abstimmung, ob etwas anderes als plumpe Klientelpolitik bei den Whlern eine Chance hat.

    [email protected]

    MEINUNGLeitartikel

    3FORMAT 22.2015

  • Gefhrliche Pu erzoneDie Hter der Finanzmarktstabilitt fordern immer mehr Eigenkapital von den Banken. Die Branche warnt vor negativen Folgen fr die Konjunktur. Von Ashwien Sankholkar

    Ein Name als Programm: Seit Herbst 2014 wacht das Finanzmarktstabilittsgremium (FMSG) ber sterreichs Bankenwelt. An der Spitze des fr makroprudenzielle Auf-sicht zustndigen Gremiums stehen Alfred & Alfred: BMF-Sektionschef Alfred Lejsek als Vorsitzender und Alfred Katterl, der Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung im Finanz-ministerium (BMF), als sein Stellvertreter. Als oberste Wchter sollen die beiden Ministerial-beamten die regulatorische Lcke zwischen No-tenbankern und Finanzmarktaufsehern fllen. Auch OeNB-Vizegouverneur Andreas Ittner und FMA-Vorstand Klaus Kumpfmller sitzen im FMSG. Komplettiert wird der sechskpfi ge Weisenrat schlielich durch Bernhard Felderer und Elisabeth Springler, die als Vertreter des Fiskalrats das groe Ganze im Augen haben.

    Fr gutachterliche uerungen zur Minde-rung von systemgefhrdenden Entwicklungen sind Lejsek & Co laut Stellenbeschreibung ebenso befhigt wie zu Empfehlungen und Auf-forderungen bei potenzieller Bestandsgefhr-

    2,87MILLIARDEN EUROsoll Bank-Austria-BossWillibald Cernko lautBehrdenkalkulation

    aufstellen.

    1,91MILLIARDEN EUROsoll Erste-Group-

    General Andreas Treichl aus Behrdensicht

    auftreiben.

    6 FORMAT 22.2015

  • dung von Kreditinstituten und jeder System-gefhrdung, die es grundstzlich zu verhindern gilt. Sie wissen, sagt Lejsek, in meinen ent-lichen uerungen bin ich immer sehr zurck-haltend gewesen. Das mchte er beibehalten. Die Strkung der Finanzmarktstabilitt ist immer das oberste Ziel. entliche Diskussio-nen knnen kontraproduktiv und im Extremfall sogar eine Gefahr frs Finanzsystem sein. Vor-sitzender Lejsek sagt zur aktuellen Arbeit des FMSG knapp: Kein Kommentar.

    Manchmal kann beharrliches Schweigen auch gehrigen Wirbel verursachen, vor allem wenn es um Spekulationen rund um das FMSG geht. Momentan sorgt ein streng vertrauliches FMSG-Papier vom 10. Mrz 2015 fr Aufregung (Titel: Strukturelle systemische Risiken des s-terreichischen Bankensektors). Im FORMAT exklusiv vorliegenden Dokument wird der seit einem halben Jahr kursierende Plan ber die Einfhrung eines sogenannten Systemrisiko-pu ers (SRP) ausfhrlich errtert (siehe Fak-simile). Mit dem Inhalt des 14 Seiten schlanken

    Dokuments riskieren die Stabilittshter, was sie eigentlich verhindern sollten: ein Beben am Finanzmarkt. Wenn die brisanten SRP-Plne durchgehen, dann mssen sich einige Banken auf hohe Zusatzbelastungen gefasst machen. Die drei grten Kreditinstitutsgruppen des Landes, also Bank Austria (BA), Erste Group und Rai eisen Zentralbank (RZB), mssten bis Mitte 2016 zusammen rechnerisch mehr als 6,5 Milliarden Euro frisches Kapital auftreiben.

    Brisante Montagssitzung.Bei der vierten Sit-zung des FMSG am Montag, 1. Juni 2015, sollen die gefhrlichen Pu erzonen beschlossen und der folgender Zeitplan festgelegt werden: Am 8. Juli geht die Kapitalpu er-Verordnung der FMA in Begutachtung; Ende Oktober wird sie im Bun-desgesetzblatt ver entlicht. Und mit Jahres-wechsel tritt die Verordnung in Kraft. Geht es nach FMA und OeNB, dann sollen die umstrit-tenen SRP bis Juli 2016 aufgebaut sein. Doch die Vorgaben sind schwer zu erfllen. Weshalb im Hintergrund heftig gestritten wird.

    1,81MILLIARDEN EURO

    sollen RZB-Vorstandschef Walter Rothensteinerlaut Rechnung derAufseher fehlen.

    STRENG VERTRAULICHStrukturelle systemische Risiken des Bankensektors

    >

    BRISANTESGEHEIMPAPIER:Das Klumpenrisiko der Austrobanken in Osteuropa soll lautFinanzmarktstabilitts-gremium (FMSG) durch zustzliche Risikopuf-fer minimiert werden. Die potenziellen Krisenkosten und die Verwundbarkeit der Republik werden im streng vertraulichen FMSG-Papier vom 10. Mrz 2015 (Faksi-mile) ebenfalls adres-siert.

    7FORMAT 22.2015

    FOTO

    S: IA

    N EHM, A

    PA/T

    ECHT, LUKA

    S ILGNER

    TOPSTORYBanken

  • Was den Puer zum Problem macht: Bankakti-en sind nicht sehr gefragt, was Kapitalerhhun-gen erschwert. Schwache Konjunktur und Nied-rigzinsumfeld drcken Bankgewinne, was den internen Kapitalauau erschwert. Auch die Ka-pitalquotenverbesserung durch Risikoabbau, also Verkauf von Kreditportfolios bzw. Ein-schrnkung bei Kreditvergabe, ist nicht begr-enswert. Das ist Gift fr die Konjunktur. Es finden laufend Gesprche zwischen dem

    Stability Board und allen Generaldirektoren statt, sagt Michael Mauritz als Pressesprecher von Andreas Treichl. Erste-Group-Boss Treichl kommt eine wichtige Bedeutung zu, weil er RZB-Vorstand Walter Rothensteiner im Juni als oberster Bankenvertreter in der Wirt-schaftskammer nachfolgen wird und die Ver-handlungen fhren soll. Sollte das neue regula-torische Regime wirksam werden, msste die Erste Group rein rechnerisch bis zu 1,9 Milliar-den Euro aufstellen. So viel Geld ist ntig, um eine Kernkapitalquote im Fachjargon: Com-mon Equity Tier 1 (CET 1) von 12,5 Prozent inklusive aller (neuer) Risikopuer zu erfllen. Die BA bruchte rein rechnerisch sogar bis zu 2,8 Mrd. Euro und die RZB bis zu 1,8 Mrd. Euro.Die Banken mssen hartes Kernkapital von

    4,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva (RWA) halten. () Hinzu kommen zwei neue Puer im Umfang von je bis zu 2,5 Prozent hartem Kern-kapital, schreibt Ex-IHS-Chef Christian Keuschnigg in einem Gutachten fr die Banken-lobby. Der Kapitalerhaltungspuer fngt Verluste auf, ohne dass die Kapitalvorschriften verletzt werden, und der antizyklische Kapital-puer wirkt prozyklischen Eekten der Kapi-

    talvorschriften entgegen. Nachsatz: Das be-deutet, dass Banken hartes Kernkapital von bis zu 9,5 Prozent der RWA halten mssen. Privat- und Firmenkredite oder andere mit Risiko be-haftete Geschfte werden als RWA bezeichnet.

    Diese erhhten Kapitalquoten von bis zu 9,5 Prozent wrden die zehn grten Banken s-terreichs locker erfllen. BA, Erste und RZB verfgen momentan sogar ber CET-1-Ratios von mehr als zehn Prozent. Stabilittswchter Lejsek, Ittner und Kumpfmller wollen laut FMSG-Papier so genannte Lnderkreuzkorre-lationen bercksichtigt wissen, die wegen der hohen Auslandsexposures der Austrobanken wirken und so der indirekten Ansteckung bei Krisen in der Ostregion vorbeugen (Stichwort: Rumnien, Ukraine, Ungarn). Weil das von den drei Grobanken ausgehende systemische Klumpenrisiko besonders hoch taxiert wird, soll ein zustzlicher Systemrisikopuer von drei Prozent der RWA (FMSG-Papier) ange-wendet werden, was zu Mehrbelastungen von bis zu 6,5 Milliarden Euro fhren knnte.

    Der neue Systemrisikopuer SRP diene auch der Vorbereitung auf den Wegfall der im-pliziten Staatsgarantie, die die systemische Verwundbarkeit der sterreichischen Banken erhht hat. Bis zum Heta-Schuldenschnitt gal-ten Spareinlagen und Kredite in sterreich als bombensicher. Knftig gilt nicht mehr, weil Bankpleiten anders als in der Vergangenheit nicht mehr allein vom Steuerzahler geschultert werden. Zuerst werden die Eigentmer und dann die Glubiger zur Kasse gebeten, so wie es bei Betrieben blich ist. Sndenflle wie die Verstaatlichung von Hypo Alpe-Adria oder

    HINTERGRUNDDie Kontrollore vom FMSGDas Finanzmarktstabili-ttsgremium (FMSG) wacht seit 2014 ber das Risiko im Geldsektor, be-richtet dem Nationalrat und gibt Empfehlungen an die Finanzaufsicht. Es besteht aus sechs Perso-nen: Finanz-Sektionschef Alfred Lejsek fhrt den Vorsitz und wird vom Be-amten Alfred Katterl vertreten. Bernhard Fel-derer und Elisabeth Springler vertreten den Fiskalrat. Die Bankenauf-sicht ist durch Andreas Ittner (Nationalbank) und Klaus Kumpfmller (FMA) vertreten.

    DER GUTACHTER. konom Christian Keuschnigg warnt davor, die Banken mit berregulierung zu erdrcken.

    ALFRED & ALFRED. Alfred Lejsek und Alfred Katterl (l.) vertreten das Finanzministerium im Finanzmarktstabilittsgremium, das den Banken neue zustzliche Kosten vorschreiben will.

    >

    8 FORMAT 22.2015

    TOPSTORYBanken

    FOTO

    S: DOMINIC BUETTN

    ER/T

    REND, M

    AYR/WIRTSCH

    AFTSBLATT/PICTU

    REDESK.CO

    M, PICTU

    REDESK.CO

    M

  • gen FMSG-Beschlsse besitzt. Laut FORMAT-Recherchen zeichnet sich ab, dass die Banken tatschlich mehr Zeit fr den SRP-Auau be-kommen. Auch die Berechnungsbasis fr den SRP steht zur Diskussion: Kredite an KMU, die bekanntlich mit hohem Risiko behaftet sind, sollen herausgenommen werden, was FSMG-Mitglied Felderer befrwortet. WKO-Banken-lobbyist Franz Rudorfer erinnert an bestehende Zusatzkosten durch Bankensteuern, Einlagen- und Abwicklungsfonds sowie den Kostendruck. Rudorfer: Die Mehrfachbelastung der Banken muss bei Anordnung zustzlicher Systemrisi-kopuer bercksichtigt werden.An der Einfhrung eines SRP wird wohl

    nichts vorbeifhren. Die Falken in der OeNB und der FMA fordern eine hrtere Gangart ge-genber den Grobanken. Alte Fehler sollen nicht wiederholt werden. Als Aufseher ber die Hypo Alpe-Adria machten sie bekanntlich keine gute Figur. Auch Lejsek, der bei der Hypo-Ret-tung 2009 mitmischte, kann sich keine Fehler mehr leisten. Dafr reicht sterreichs Finanz-marktstabilitt nicht mehr aus.

    Kommunalkredit bzw. die teure Rettung der Pleitebank VAG sollen der Vergangenheit an-gehren. BA, Erste und RZB soll ein SRP von zustzlich drei Prozent vorgeschrieben werden, wie aus dem FMSG-Papier hervorgeht. Bawag-P.S.K.-Gruppe, Sberbank Europe, die Raiei-senholding N-Wien und die Raieisenlandes-bank Obersterreich sowie vier Landeshypos (N, O, Tirol und Vorarlberg) sollen ein Pro-zent SRP vorgeschrieben bekommen.

    Kampf um Kompromiss.Angesichts der giganti-schen Belastungen kmpfen die Banken um je-den Zehntelpunkt und um mehr Zeit bei der Umsetzung. Keuschnigg warnt laut Gutachten, die Banken unter Druck zu setzen: Eine Bank braucht Sicherheit und Ertrag, nicht Sicherheit oder Ertrag. Die Gesamtwirtschaft braucht Sta-bilitt und Wachstum, nicht Stabilitt ohne Wachstum. Bernhard Perner, der Bankenexper-te im Kabinett von Finanzminister Hans Jrg Schelling, kann Keuschniggs Argumenten viel abgewinnen. Perners Meinung hat Gewicht, weil das Finanzministerium ein Vetorecht ge-

    Die Mehrfach-belastung der Banken muss bei Anordnung zustzlicher Systemrisiko-puer berck-sichtigt werden.Franz Rudorfer Banken-Vertreter in der Wirtschaftskammer

  • Die wichtigsten News der Woche im berblickPOLITIK

    Europische Politiker betonen gerne die Soft Power des grten Wirt-schaftsraums der Welt. Steigt Grobri-tannien tatschlich aus der EU aus, wre es damit erst einmal vorbei. Ohne die knapp 2,2 Milliarden Euro schwere Wirtschaftsleistung der Insel wrde die Union deutlich hinter die USA zurck-fallen. Auerdem kommen rund 22 Pro-zent aller EU-Exporte aus Grobritanni-en. Die Auenhandelsbilanz wrde sich allerdings verbessern, der britische An-teil an den Importen liegt bei 30 Prozent.

    Besonders stark wrde sich der Brexit auf den Bankensektor auswirken. Mit einem Schlag wren vier der sechs wich-tigsten europischen Finanzinstitute auerhalb der EU angesiedelt. Sie alle gehren laut Forbes auch zu den 20 Grten der Welt.

    Die EU selbst msste den Grtel wohl ebenfalls enger schnallen. Grobritanni-en ist einer der wichtigsten Nettozahler, das Budget wrde aus heutiger Sicht um 16 Milliarden Euro schrumpfen. Berck-sichtigt man allerdings auch die durch

    den Brexit sinkenden Ausgaben, bliebe immerhin ein Minus von rund sieben Milliarden Euro.

    Der britische Premier David Cameron ist derzeit auf Tour, um die Regierungs-chefs der EU-Staaten fr eine Reform der Union nach seinen Vorstellungen zu gewinnen. Die Bereitschaft fr Zuge-stndnisse drfte am Festland aber berschaubar sein. Die schon fr das nchste Jahr geplante Volksabstimmung ber den Verbleib Grobritanniens in der EU bleibt damit spannend. -jaae

    BREXIT

    Bye-bye, grter WirtschaftsraumWarum der Ausstieg Grobritanniens die EU ein wichtiges Argument kosten wrde.

    Mit einer Volks-befragung als Druckmittel will der britische Premier David Cameron die EU zu Zugestndnissen bewegen. Ein Erfolg ist fraglich.

    Nur ein Prozent der heimischen Studieren-den nehmen whrend ihres Studiums an unternehmerischen Kursen teil. Der Rudolf Sallinger Fonds hat deshalb zwei Preise ins Leben gerufen, die Entrepreneurship an Hochschulen frdern sollen. Vergangene Woche bergaben Fondsvorsitzende Bettina Glatz-Kremsner und Jury-Chef Rudolf Dmtr (Foto) erstmals den mit 20.000

    Euro dotierten S2B-Award (Science To Business) an Cubicure. Das Gewinnerteam der TU-Wien entwickelt neuartige Kunst-sto e fr den Einsatz in 3D-Druckern. Die Future Founders Challenge gewannen Stu-dierende der Wirtschaftsuniversitt Wien und des Juridicums. Sie berzeugten mit einer Jobbrse fr das Smartphone, die sich an der Dating-App Tinder orientiert.

    Preise fr unternehmerische Wissenschaftler

    10 FORMAT 22.2015

  • Basis: 500 Befragte ab 16 Jahren, Schwankungs-breite: 3,5 %.

    Ein UN-Mandat gibt es zwar noch nicht, die erste Phase des EU-Militreinsatzes gegen die Schlepper im Mittel-

    meer soll trotzdem schon beginnen. Die von OGM Befragten sterreicher sehen das mehrheitlich auch positiv. OGM-Expertin Karin Cvrtila: Sie erwarten, dass den Schleppern das Handwerk gelegt und der Flchtlingsstrom nach Europa abneh-men wird.

    Im berhmt-berchtigten Villen-Streit musste Walter Meischberger (Bild) eine herbe Niederlage einstecken. Sein Antrag auf Verfahrens-hilfe vom Oktober 2014 wurde nun rechtskrftig abgelehnt, wie Meisch-berger-Anwalt Jrg Zarbl gegenber FORMAT besttigt: Die Entschei-dung ist vollkommen unverstndlich. Entscheidend ist, dass Herr Meischberger nachweislich ber kein Einkommen verfgt. Daher ht-te Verfahrenshilfe gewhrt werden mssen. Aus Sicht des Gerichts konnte aber nicht der Nachweis erbracht werden, dass Meischi ber kein Einkommen verfgt. Wie man so einen Beweis erbringen soll, lie das Gericht unbeantwortet. Die gerichtliche Begrndung ist gewagt, aber im Fall Meischberger nachvollziehbar. Dessen Lebens-weise widerspricht einer Armutsgefhrdung. Meischberger ersuchte um die bernahme von Gerichtsgebhren und Anwaltskosten von 13 Zivilverfahren Gesamtsumme: 5.386,10 Euro. Das knne er sich wohl leisten, meinte das Gericht. Immerhin besitzt er ein Motorboot der Mar-ke Pershing (Preis 215.000 Euro) und ein Luxusappartment auf Ibiza (Kaufpreis: 330.000 Euro). Zudem lebt er in einer Dblinger Villa mit monatlichen Betriebskosten von mehr als 1.000 Euro. Die Berufung ge-gen Meischbergers Delogierung aus der Villa brachte Zarbl zu Wochen-beginn trotzdem ein: Das mache ich pro bono. san

    Gericht lehnt Verfahrenshilfe ab

    Zentralmatura.Einige hoch-gelobte Wiener Alternativ-Schulen scheiterten gleich klas-senweise in Mathematik. Dort hlt man sich wohl an den Rat, nicht fr die Schule zu lernen.

    Bankgeheimnis.Nach dem VP-Rumoren verspricht Hans Jrg Schelling bei Kontenein-sicht das Vieraugenprinzip. Zwei sehen aber doch mehr als einer.

    StudentenBei der H-Wahl verfehlten die Nichtwhler nur knapp die Dreiviertelmehrheit. Eine Abstimmung ber die aus Zwangsbeitrgen fi nanzierte Hochschlerschaft knnte die Wahlbeteiligung sicher heben.

    TTIP.Hans Nissel begrndet seinen pltzlichen Wahl-Kampf gegen das Handelsabkommen mit der Sorge um das heimi-sche Trinkwasser. Burgenland trinkt Wasser?

    Franz Ferdinand Wolf ist Journalist und FORMAT-Autor

    FFW NOTIERT Frage der WocheDie EU plant einen militrischen Einsatzgegen die Flchtlings-schlepper im Mittel-meer. Halten Sie das fr sinnvoll?

    Basis: 500 Befragte ab 16 Jahren, Schwankungs-breite: 3,5 %.

    nicht, die erste Phase des EU-Militreinsatzes gegen die Schlepper im Mittel-

    meer soll trotzdem schon beginnen. Die von OGM Befragten sterreicher sehen das mehrheitlich auch positiv. OGM-Expertin Karin Cvrtila: Sie erwarten, dass den Schleppern das Handwerk gelegt und der Flchtlingsstrom nach Europa abneh-men wird.

    (Bild) eine herbe Niederlage einstecken. Sein Antrag auf Verfahrens-hilfe vom Oktober 2014 wurde nun rechtskrftig abgelehnt, wie Meisch-berger-Anwalt Jrg Zarbl gegenber FORMAT besttigt: Die Entschei-dung ist vollkommen unverstndlich. Entscheidend ist, dass Herr Meischberger nachweislich ber kein Einkommen verfgt. Daher ht-te Verfahrenshilfe gewhrt werden mssen. Aus Sicht des Gerichts konnte aber nicht der Nachweis erbracht werden, dass Meischi ber kein Einkommen verfgt. Wie man so einen Beweis erbringen soll, lie das Gericht unbeantwortet. Die gerichtliche Begrndung ist gewagt, aber im Fall Meischberger nachvollziehbar. Dessen Lebens-weise widerspricht einer Armutsgefhrdung. Meischberger ersuchte um die bernahme von Gerichtsgebhren und Anwaltskosten von 13 Zivilverfahren Gesamtsumme: 5.386,10 Euro. Das knne er sich wohl leisten, meinte das Gericht. Immerhin besitzt er ein Motorboot der Mar-ke Pershing (Preis 215.000 Euro) und ein Luxusappartment auf Ibiza (Kaufpreis: 330.000 Euro). Zudem lebt er in einer Dblinger Villa mit monatlichen Betriebskosten von mehr als 1.000 Euro. Die Berufung ge-gen Meischbergers Delogierung aus der Villa brachte Zarbl zu Wochen-

    san

    wei nicht / keine Angabe

    NEIN29 %

    JA55 %

    16 %

    FOTO

    S: REU

    TERS

    , GEO

    RGES SCH

    NEIDER

    /PICTU

    REDESK.CO

    M, BEIGESTE

    LLT

  • FORMAT: Herr Landeshauptmann, auf einem Ihrer Wahlkampfplakate sieht man Sie zweifach mit dem Spruch Sein schrfster Kritiker. Sind Sie das? Franz Voves: Ja, ich bin selbstkritisch und ich hinterfrage wirklich alle Ma-nahmen, die wir setzen. Ich versuche, mir selbst den Spiegel vorzuhalten und auch Fehler zuzugeben. Ich glaube, dass das ein wichtiger Zug ist in der Politik: Spitzenpolitiker mssen in der Lage sein, zu hinterfragen, ob ihre Entscheidungen tatschlich die richtigen fr die Zielgrup-pen im Land waren.

    Beispiel Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosen-zahlen steigen. Wenn wir ber die nchs-ten Jahre und einzelne Betriebe hinaus-blicken: Wo sollen in Zukunft in sterreich die Arbeitspltze herkommen? Wir befi nden uns mitten in der digitalen Revolution, und serise Studien sagen uns, dass wir in den nchsten fnf bis zehn Jahren weltweit 150 Millionen Arbeits-pltze an noch gescheitere Maschinen und Computer verlieren werden. Da wird es schwierig werden, dem rein ideologisch zu begegnen. Man wird sich dem Faktum stellen und ber eine neue Verteilung der Arbeit nachdenken mssen.

    Was heit neue Verteilung: eine generelle Verkrzung der Arbeitszeit? Am Anfang des letzten Jahrhunderts industrielle Revolution hat man bis zu 80Stunden in der Woche gearbeitet, und niemand konnte sich vorstellen, dass wir einmal 40Stunden arbeiten. Jetzt wird man sich fragen mssen: Werden wir einmal 20 Stunden arbeiten und den Rest des Tages mit sinnvoller gemein-ntziger Arbeit verbringen? Das ist jetzt nicht das Programm fr morgen, aber in den nchsten 15 bis 20Jahren stellen sich diese Fragen unabhngig von ideo-

    logischen Zugngen, wenn man weiter in Frieden in Europa leben will.

    Von der Politik hrt man allerdings nie ehr-lich, dass es ganz einfach nicht mehr genug Arbeit fr alle geben wird; zumindest nicht in der bisherigen Form. Lieber erfi ndet man fr Arbeitslose noch ein Bewerbungstrai-ning mehr. Warum? Es geht sicher darum, dass die Politik von multinationalen Grokonzernen oft overruled wurde in den letzten Jahren. Die Politik hat reglementierend das Zep-ter nicht mehr in der Hand und gewinnt auch schwer wieder Oberhand. Nehmen Sie nur die Finanzmrkte, die weiter unreguliert sind, obwohl sie mit der Finanzkrise diese enormen Probleme eingebracht haben.

    Wie und was sollte denn reguliert werden? Ich glaube, dass wir uns fragen werden mssen, ob eine Wirtschaftsordnung, die Gewinnmaximierung und Konkurrenz in den Vordergrund stellt, nicht abgelst werden sollte durch eine Wirtschafts-ordnung, in der es um Gemeinwohl-maximierung und Kooperation geht. Und es wre so schn, wenn ich darauf nicht gleich die Antwort bekommen wrde, der Mensch war selbst in der Privatwirt-schaft, er wei, wie das luft.

    Sie wollen also die Wirtschaftsordnung komplett umkrempeln?Das Neoliberale weiter fortzuschreiben

    wird nicht gelingen. Das alte System ist bereits dabei, an die Wand zu fahren. Wir brauchen einen neuen Zugang, wie wir die Wirtschaft so fhren wollen, dass es fr alle ein Auskommen gibt. Ansonsten gibt es Krieg auf dieser Welt. Und wenn wir die Arbeitslosigkeit in Europa noch um eine Nuance weiter steigern, dann kann das Feuer, das sich schon derzeit rasch ausbreitet, wirklich bald lodern in Europa. Ich ho e, dass die Politik die Zei-chen der Zeit erkennt und den Schalter umlegt.

    Wenn Ihr eigener Befund ist, dass die Poli-tik das Zepter abgegeben hat wer soll das dann machen? Das kann nur demokratisch gelst wer-den. Aber dazu braucht es Frauen und Mnner in der Politik, die bereit sind, diese Herausforderungen anzunehmen, und klar zuerkennen, dass eine Gesell-schaft mit der heutigen Systematik des kapitalistischen Systems an die Wand fhrt. Wir brauchen eine andere Wirt-schaftsordnung.

    Was kann besser funktionieren als Markt-wirtschaft? Der Sozialismus?Ich bin fr freie Marktwirtschaft. Aber ich bin gegen Monopole und Oligopole. Das hat mit freier Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Wenn etwa am Schluss nur mehr zwei oder drei Lebens-mittelhndler existieren, dann hat das mit freier Preisbildung nichts mehr zu tun. So ist es in allen Branchen passiert: Die Unternehmen, die mehr Eigenkapital hatten, haben die Preise so lange gesenkt, bis sie die kleineren aus dem Markt gedrngt haben.

    Ich richte mich auch nicht gegen Fa-milienbetriebe. Dort kann man mit den Verantwortlichen Gesprche fhren, denen liegt viel an ihren Mitarbeitern.

    Das System ist dabei, an die Wand zu fahren

    Der steirische Landeshauptmann Franz Voves sieht den Frieden in Europa bedroht, wenn die Politik nicht die Macht der Konzerne beschneidet und die Arbeitszeit verkrzt.

    Interview: Puls-4-Informationsdirektorin Corinna Milborn

    Werden wir einmal nur 20 Stunden in der Woche arbei-ten und den Rest mit gemein-ntziger Arbeit verbringen?Franz VovesLandeshauptmann

    12 FORMAT 22.2015

    POLITIK

    FOTO

    S: RICARD

    O HERRG

    OTT/N

    EWS

    Landtagswahl

  • Wogegen ich eindeutige was habe, sind seelenlose multinationale Konzerne.

    Inwiefern seelenlos? Warum seelenlos: Weil dahinter nur mehr Investmentfonds als Eigentmer stehen. Wo Manager und ich wei, wovon ich spreche nur nach Renditezielen ent-lohnt werden, und die an den Menschen in den Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, nicht mehr interessiert sind.

    Knnen Sie Beispiele nennen? Das werde ich sicher nicht tun, aber jeder wei, wer gemeint ist. Das sind ja auch dieselben, die kaum Steuern zahlen.

    Wre es als Gegenmanahme nicht besser, das Grnden von Unternehmen zu erleich-tern, anstatt die 20-Stunden-Woche ein-fhren zu wollen? Beides ist notwendig. Wir brauchen In-novation, wir haben deshalb vor, in der Steiermark einen Innovationsfonds ein-zurichten, der aus Dividenden der Ener-gie Steiermark gespeist wird. Junge Menschen dorthin zu fhren, dass sie ihre Kreativitt als Unternehmer ein-bringen: Ja, das gehrt genauso unter-sttzt. Aber auf der anderen Seite wer-den die Mrkte eben von seelenlosen multinationalen Konzernen kontrolliert. Millionen Menschen hngen von ihnen ab, was ihre Arbeit und ihr Einkommen betri t. Ich betone: Nichts gegen freie Marktwirtschaft ich komme aus dieser, ich kenne ihre Funktionsweise. Aber was sich da entwickelt hat Monopole, Oli-gopole , das msste die Politik korri-gieren. Und das hat nichts mit Ideologie zu tun, sondern mit Verstndnis. Ich habe selbst 25Jahre in der Privatwirt-schaft gearbeitet, davon 13 Jahre als Finanz vorstand.

    Aber wenn man sich ansieht, wie die euro-pische Politik etwa gegenber Internet-monopolisten wie Google, Facebook auf-tritt, dngt sich der Verdacht auf: Sie wird versagen. Das ist so. Ich bin sowieso der Meinung, dass wir Vereinigte Staaten von Europa brauchen. In dieser globalen Welt hat ein einzelner Nationalstaat auch das starke Deutschland keine Chance. Wir brauchen eine politische Union Europas, wo es natrlich auch zu Harmonisierung in Steuerfragen und Sozialfragen kommt. Eine starke Union, die zum Beispiel auch >

    FRANZ VOVES, 62, stellt sich am Sonn-tag der Wiederwahl und fordert eine ganz neue Wirtschafts-ordnung.Das Interview wurde mit Puls 4 gefhrt. Ex-FORMAT-Kollegin Corinna Milborn stellte uns die Langfassung zur Verfgung (Mitarbeit: Sandra Bartl, Stephanie Anko).

    13FORMAT 22.2015

  • in der Lage ist, das Zuwanderungsthema gemeinsam zu lsen. Die aber auch ge-meinsam in der Lage ist, mit der Kultur Europas die Wirtschaftsordnung wieder herzustellen, die allen Menschen ein positives Leben ermglicht.

    Wie soll das funktionieren, wenn immer weniger bereit sind, in die Politik zu gehen?Das ist momentan eine relativ traurige Angelegenheit. Mir fllt zunehmend auf, dass die Frauen und Mnner, die wir fr diese groen Herausforderungen der eu-ropischen Politik, der sterreichischen Politik, der Landespolitik brauchen, nicht mehr in dem Ausma bereit sind, sie anzunehmen. Man hrt zu oft: Soll ich mir das antun? Die Demokratie lebt aber davon, dass charismatische, tolle, innovative, kreative Leute bereit sind, sich aktiv fr die demokratischen Struk-turen zur Verfgung zu stellen.

    Aber woher sollen die Menschen kommen?Die Parteien wren gut beraten, eine gute Mischung zuzulassen und Menschen von auen zu holen, aus allen Bereichen, auch aus der Wirtschaft. Ich war Finanz-vorstand in einem Zwei-Milliarden-

    Finanzdienstleistungskonzern und bin, ohne materiell von Politik abhngig zu sein, aus Leidenschaft mit 49Jahren in die Politik gegangen. Das sollte man doch zulassen. Oder Finanzminister Schelling: Er kommt, so wie ich, aus der Wirtschaft. Solche Menschen haben ein sehr konzeptionelles Vorgehen, und das braucht man auch in der sterreichi-schen Politik.

    Trotzdem sprechen Sie vom zu geringen Einfluss der Politik. Leidenschaft hier, Machtlosigkeit dort: Frustriert das nicht? Es darf dich nicht frustrieren. Unsere Politik hat keine Chance, wenn sich nicht Politikerinnen und Politiker trauen, die Dinge so auszusprechen, wie sie von den Menschen ohnedies empfunden werden. Nur Rcksicht zu nehmen auf das Mch-tige, das sich da in der Wirtschaft bildet, aber nicht immer nur humane Ziele ver-folgt das ist keine richtige Politik. Und schon gar nicht sozialdemokratische Politik.

    Sie sagen oft laut, was sich andere verknei-fen und treten nicht nur der Wirtschaft auf die Fe, sondern zuweilen auch der eigenen Partei. Als Sie Strafen fr Integra-tionsunwilligkeit forderten, nannten das selbst parteiinterne Kritiker rechte Hetze, letztklassig, rassistisch. Um auf die

    Selbstkritik zurckzukommen: War diese Forderung ein Fehler? Nein, das war vllig richtig. Die Sozial-demokratie muss da hinschauen, wo Un-behagen in der Bevlkerung zu Recht besteht. Wir nehmen alle Fremden gerne auf. Aber man hat sich auch an Rechte und Pflichten zu halten. Und was unser kulturelles Verhalten angeht, wollen wir das Bemhen erkennen, dass man sich an unsere Gepflogenheiten anpasst. Ich habe ein Problem dort, wo Menschen versuchen, gottesstaatliche berlegun-gen in unser entliches Leben hinein-zutragen. Aber ich halte das aus dem Wahlkampf jetzt bewusst heraus.

    Fr die FP ist hingegen Migration und vor allem ihre Ablehnung das Hauptwahl-kampfthema. Ist Schweigen da die richtige Antwort? Wir hatten jetzt den Rckblick auf 70Jahre Kriegsende. Man sieht die Bil-der aus Dachau, aus Auschwitz. Wenn die Menschen nicht kapieren, was Aus-lnderhetze fr Folgen haben kann, dann whlen sie FP. Denn das, was da an Pla-katen wieder kam, war an Unappetitlich-keit und Fremdenfeindlichkeit nicht zu berbieten. Etwa das Plakat Mehr neue Wohnungen, weniger Moscheen. Da wird etwas suggeriert, das berhaupt nicht stattfindet. Weder das Land Steier-mark noch die Stadt Graz haben jemals einen Euro fr eine Moschee in der Stei-ermark ausgegeben. Das ist eine glatte Lge. Das ist Hetze gegen muslimische Menschen und gegen den Glauben ganz generell. Und wenn dieselbe Partei Mehr Gsphr fr Steirer plakatiert, dann kann ich nur sagen: Wir wollen hier bei uns keine Krntner Verhltnisse.

    UNGERECHTIGKEIT: Das Feuer kann rasch lodern in Europa.

    PULS-4-Informationschefin Milborn und Voves.

    MONOPOLE: Ich habe was gegen seelenlose multinationale Konzerne.

    Frauen und Mnner, die wir fr die groen Herausforde-rungen der Politik brauchen, sind nicht mehr in dem Aus-ma bereit, sie anzunehmen.

    >

    14 FORMAT 22.2015

    POLITIKLandtagswahl

    FOTO

    S: REU

    TERS

    , GET

    TY, PULS4

  • Wie hoch sind die Schulden der Bundeslnder? Diese an sich recht einfache Frage ist in s-terreich bisher nicht ganz so einfach zu beantworten. Je nachdem, wen man fragt, knnen sich die genannten Zahlen schon mal um ein paar Hundert Millio-nen bis zu mehreren Milliarden Euro un-terscheiden (siehe Tabelle oben).

    Die offiziellen Budgetzahlen der Bundeslnder sind kaum miteinander vergleichbar, da diese mit vllig unter-schiedlichen Schuldenbegri en arbeiten.

    Die auf EU-Vorgaben basierenden Be-rechnungen der Statistik Austria werden wiederum von den Landespolitikern kri-tisiert, weil sie oft ausgelagerte Schulden bercksichtigen, die diese nicht als Teil des Budgets sehen. Angesichts manch komplizierter Finanzkonstruktionen ist tatschlich nicht immer ganz klar, wel-che Schulden den Lndern zugerechnet werden mssen.

    Eines ist aber sicher: Alle Bundesln-der haben Schulden. Die von ihnen selbst ausgewiesenen Zahlen in den Rech-nungsabschlssen 2013 reichen von rund 103 Millionen (Vorarlberg) bis zu 4,6 Milliarden Euro (Wien). Legt man die Gesamtschulden der Bundeslnder laut Statistik Austria auf die Einwohnerzahl um, liegt Krnten an der Spitze, gefolgt von Niedersterreich und Salzburg.

    Die deklarierten Schuldenstnde sind seit Beginn der Finanzkrise in allen Bun-deslndern angestiegen, zwischen zwei Prozent in Niedersterreich bis zu mehr als 360 Prozent in Obersterreich, dort allerdings von einem vergleichsweise niedrigen Ausgangsniveau. Insgesamt sind die Lnderschulden laut Rech-

    Die auf EU-Vorgaben basierenden Be-rechnungen der Statistik Austria werden

    1.104

    TirolVorarlberg

    541

    Land der Schulden, zukunftsreichNur eines ist sicher: Alle Bundeslnder haben Schulden. Wie hoch diese genau sind, ist schon eine Streitfrage. Ein Streifzug durch die Schulden der Lnder. Von Jakob Arnim-Ellissen

    Seit Beginn der Finanzkrise sind die Schulden in allen Bundeslndern auch nach deren eigener Rechnung gestiegen. Das Ausma variiert aber ebenso wie das Ausgangsniveau. In allen Lndern sind die von der Statistik Austria berechneten Ge-samtschulden (inklusive ausgelagerter Aufgaben) noch einmal deutlich hher. Umgelegt auf die jewei-lige Landesbevlkerung, reichen sie von 541 Euro in Tirol bis zu 5.688 Euro in Krnten.

    Quelle: Statistik Austria, Gesamtschulden nach ESVG 2010

    LNDERBUDGETSWachsende Schulden in allen Lndern bei unterschiedlichen AusgangsniveausLand 2009 2013 Trend

    Alle Schulden (2013)

    Niedersterreich 3.222,9 Mio. 3.288,6 Mio. +2,0 % 8.181 Mio.Tirol 174,5Mio. 180,8 Mio. +3,6 % 388 Mio.Burgenland 206,8 Mio. 275,0 Mio. +33,0 % 1.045 Mio.Krnten 1.159,0 Mio. 1.573,3 Mio. +35,7 % 3.160 Mio.Vorarlberg 72,7 Mio. 102,8 Mio. +41,4 % 412 Mio.Steiermark 988,4 Mio. 1.904,0 Mio. +92,6 % 3.516 Mio.Wien 1.874,1 Mio. 4.635,2 Mio. +147,3 % 5.890 Mio.Salzburg 481,2 Mio. 1.603,8 Mio. +233,3 % 2.227 Mio.Obersterreich 92,0 Mio. 425,0 Mio. +362,0 % 1.798 Mio.

    16 FORMAT 22.2015

    POLITIKStaatshaushalt

  • Quelle: Statistik Austria,Lnderschulden pro Kopf, gerundet

    Steiermark

    Wien

    Krnten

    Salzburg

    ObersterreichNiedersterreich

    Burgenland

    5.688 4.181

    1.259 2.900

    5.045

    3.359

    3.641

    nungshof seit 2008 um 75 Prozent auf 26,6 Milliarden Euro gestiegen.

    Krise.Auf der Suche nach Erklrungen fr die wachsenden Schuldenberge wird in den Landeshauptstdten vor allem auf die Auswirkungen der Wirtschaftskrise verwiesen. Die steirische Finanzlandes-rtin Bettina Vollath spricht etwa von einem Einnahmenentfall von 200Mil-lionen Euro im Jahr als Folge der schlechten Wirtschaftslage: Gleichzei-tig mussten Kosten im Sozialbereich und am Arbeitsmarkt abgefedert werden.

    Die rot-grne Regierung in Wien ver-kauft die auch in den kommenden Jah-ren weiter wachsenden Schulden eben-falls als bewusste Manahme gegen die Krise. Den Verweis auf die trotzdem schwchelnde Wirtschaftslage und die wachsenden Arbeitslosenzahlen be-antwortet Finanzlandesrtin Renate Brauner so: Die Strategie wrde eben besser aufgehen, wenn sie auch europa-weit gefahren werden wrde.

    Einige Bundeslnder planen in den aktuellen Budgets aber bereits ganz ohne neue Schulden. Vorarlberg, das Burgen-

    land, die Steiermark, Salzburg und Tirol wollen 2015 ausgeglichen bilanzieren. Obersterreich hat eine eigene Flexi-klausel erfunden, die je nach Wirt-schaftsentwicklung bis zu 55 Millionen Euro Neuverschuldung erlaubt.

    Niedersterreich plant fr die nchs-ten Jahre mit einem leichten Anstieg bei den Finanzschulden, will aber zumin-dest das Ausma der Neuverschuldung in jedem Jahr reduzieren. Ein Problem sieht St. Plten darin aber ohnehin nicht. Man muss den Schulden schon auch das Vermgen gegenberstellen, sagt Fi-nanzlandesrat Wolfgang Sobotka. Und da sei man deutlich besser aufgestellt als die anderen Bundeslnder.

    Geht es nach dem Finanzministerium, sollten solche Urteile in Zukunft zumin-dest einfacher berprft werden knnen. Unter dem sperrigen Namen Voran-schlags- und Rechnungsabschlussver-ordnung (VRV) hat es den Bundesln-dern vor einem Monat einen Entwurf zur Begutachtung geschickt, der die Budgets vergleichbar machen soll. Noch wird darber allerdings verhandelt. Und das noch lnger, wie anzunehmen ist.

    Man muss den Schulden auch das Vermgen gegenberstellen.Wolfgang SobotkaFinanzlandesrat N

    Wir haben uns in der Krise bewusst entschieden, Schulden zu machen.Renate BraunerWiener Vizebgm.

    17FORMAT 22.2015

    FOTO

    S: W

    IRTSCH

    AFTSBLATT/PICTU

    REDESK.CO

    M, W

    OLFGANG W

    OLA

    K

  • Was fr eine Woche! Null Punkte beim Song Contest, und trotz-dem wurden wir nicht letzte. Auch im Wettbewerbs-Ran-

    king des Schweizer Instituts IMD sind wir wieder ein paar Pltze zu-rckgerutscht. Aber was macht die Arbeiterkammer, noch ehe die Ergeb-nisse oziell verkndet wurden? Eine Aussendung, in der steht, dass die IMD-Liste unwissenschaftlich und wertlos und unser Land wirklich super super sei. Mit dem dauernden Krankjammern will die Wirtschaft nur ihre Nimmersatt-Forderungen durchsetzen, so Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm.

    Dem verstorbenen Apple-Grnder Steve Jobs wird nachgesagt, oft ein Reality Distortion Field, ein Reali-ttsverzerrungsfeld, erzeugt zu haben. Er hat ein Nein der Techniker nicht akzeptiert, seine berzeugung, wie Dinge super perfekt funktionieren mssen, hat viele Produkte besser ge-macht.Von Werner Muhm ist bislang

    nicht bekannt, dass er ein solches Re-ality Distortion Field erzeugen kann. Schon seit mehr als 20 Jahren gibt es Aussendungen von ihm, in denen er den Standort-Pessimismus der Unternehmer fr unbegrndet befin-det. Heuer argumentierte Muhm: sterreich befindet sich seit 20 Jah-ren stabil in der Gruppe der wohlha-bendsten Lnder, gemessen am BIP pro Kopf: Platz fnf innerhalb der EU. Vor zwei Jahren las sich seine Argu-mentation so: sterreich befindet sich seit 20 Jahren stabil in der Grup-pe der wohlhabendsten Lnder der. 2012 auf dem zweiten Platz. Wer hat jetzt noch Zweifel, dass wir wirklich super bleiben?

    WETTBEWERBSFHIGKEIT

    Wir bleiben super! Miriam Koch ber das Schnreden von schlechten Ergebnissen.

    Die Regierung hat ein tolles Schlagwort gefunden, das jetzt und in Zukunft jede neue Autosteuer rechtfertigt: kologisierung. Egal ob NoVA-Reform oder die nun angekndigte CO2-abhngige Dienstwa-genbesteuerung: Der Finanzminister denke ja nur an die Natur und will, dass all die alten, schmutzigen Autos verschwinden und nur noch neue, saubere herumfahren. Daher werden die CO2-Snder bestraft und mssen zahlen. Was der Finanzminister aber wohl wei, ist, dass

    die meisten ihre alten, schmutzigen Autos nicht deswegen fahren, weil sie es so toll finden, die Umwelt vollzustinken, sondern weil sie sich einfach keine neuen, sauberen leisten knnen. Und das wird vorerst auch so bleiben, denn jetzt mssen sie ja noch mehr fr ihren Alten zahlen, was den Kauf eines neueren Modells nochmal nach hinten verschiebt. Wrde dem Finanzminister wirklich daran liegen, den Automobilmarkt zu kologisieren, msste er echte Anreize schaen, in umweltfreundliche Fahrzeuge zu investieren. Das tut er nicht, denn in Wahrheit geht es nicht darum, sauberere Autos auf die Strae zu bringen, sondern den Autofahrern unter dem Vorwand der kologi-sierung noch tiefer in die Taschen zu greifen.

    STEUER

    Der Umwelt zuliebeJan Fischer ber die CO2-abhngige Dienstwagenbesteuerung, mit der unter dem Vor-wand der kologisierung die Steuerreform zum Teil gegenfinanziert werden soll.

    Der Papst hat mich gebeten, den Armen Ho-nung zu geben. Wir knnen nicht alles machen, aber wir schauen, was wir tun knnen. Krise? Welche Krise? Wir haben nur Schwierigkeiten, die wir in der Familie lsen. Blatter oder Berlus-coni: Wer hats gesagt? Die Montage selbst-herrlicher Originalzitate, die der britische Gu-

    ardian als Blatter-Berlusconi-Quiz noch immer online hat, ist so bse wie charakteristisch. Zwei Mnner, die mehr verbindet als ihr Alter (beide Jahrgang 1936). Zwei Ambitionierte, die sich nach oben gespielt haben und es sich dort mit nicht immer lauteren Mitteln und einem Hof-staat aus Gnstlingen bequem gemacht haben, so dass sie nicht nur beharrlich jeden Zenit ignorieren konnten, son-dern erst schwere juristische Geschtze aufgefahren wer-den mssen, dass diese Machtblase berhaupt erst ein-mal platzen konnte. Und selbst dann steigt ein Cavaliere wieder in den Sattel und versucht, mit altersadquaten Privatfotos aus der Casa Berlusconi (Song-Contest-Schauen statt Bunga Bunga) Wahlkampf fr seine Forza zu machen. Soviel Macht macht rauschig, aber nicht unsterblich. Diesen Erkenntnisschritt hat Berlusconi Blatter voraus, denn der kann oensicht-lich noch immer nicht glauben, dass er angezhlt ist.

    FUSSBALLMacht und SpieleBarbara Steininger ber mchtige alte Mnner.

    MEINUNGAus der Redaktion

    [email protected] [email protected]

    [email protected]

    18 FORMAT 22.2015

    FOTO

    : GET

    TY

  • Unser Bildungssystem ist in Sachen Qualitt und Ergebnisse schlechtes Mittelma. Wenn wir nicht essenzielle Fortschritte machen, werden wir mittelfristig auch in Sachen Wohl-stand und gesellschaftliches Wohlbefinden schlechtes Mittelma sein. Es bedarf also ent-schlossener Gestaltungsstrategien.Wir brauchen eine Bildungswende. Dabei ist

    zu beachten, dass die politische Top-down-Murkserei der letzten Jahre wenig hilfreich war. Was wir brauchen, ist eine Bildungswende von unten. Eine umfassende Schulautonomie ist der Hebel dazu.

    Das menschliche Leben entfaltet sich im Spannungsbogen zwischen Freiheit und Verantwortung. Wenn die sterreichischen Schulen ein Ort der Lebendigkeit, der leben-digen Entfaltung, sein sollen, dann mssen wir fr sie diesen Bogen zwischen Freiheit und Ver-antwortung neu spannen. Wenn wir mndige Menschen wollen, brauchen wir auch mndige Schulen.

    Unser Schulsystem krankt derzeit an vielen Ecken. Ein Fnftel der 15-Jhrigen kann nicht ausreichend sinnerfassend lesen. Ver-sumnisse in struktureller Hinsicht verbinden sich mit dem Fehlen klarer Entwicklungsstra-tegien. Leider mangelt es auch an der finanziel-len Unterftterung.

    Fr ein Land wie sterreich, das kaum ber Bodenschtze verfgt, ist Bildung der erfolgs-kritische Faktor.

    Im sterreichischen Budget findet das jedoch nicht ausreichend Niederschlag. Von 1995 bis 2011 sind die Investitionen in das Schulsystem als Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 4,2 auf 3,6 Prozent gesunken, whrend diese Investiti-onen im OECD-Durchschnitt gestiegen sind. Die Unterrichtsministerin besttigte unlngst bei einer Dringlichen Anfrage der NEOS, dass ihr allein fr heuer 343 Millionen Euro fehlen. Bereits nchstes Jahr wchst das Loch im Bildungsbudget auf rund 600 Millionen.

    Gefangen in verkrusteten Strukturen sowie geknebelt durch machtpolitische Interessen, sieht diese Regierung dabei zu, wie wir jhrlich Tausende Talente versenken. Wir verlieren pro

    MATTHIAS STROLZ

    Die Wende in der Bildung muss von unten kommenDie Reise zu mehr blhenden Talenten kann nur ber eine pdagogische, personelle und finanzielle Autonomie unserer Schulen fhren.

    Fr ein Land wie sterreich, das kaum ber

    Bodenschtze verfgt, ist Bildung der

    erfolgskritische Faktor.

    Schuljahr 10.000 junge Menschen, die nach der Pflichtschule keine Ausbildung machen keine Lehre, keine Schule. Fr sie gilt: auf zum AMS! Lebenslang.

    Mitverantwortlich fr diesen Bildungs-notstand ist die antiquierte Steuerungslogik im Schulsystem. Die Schulleitungen sowie die Lehrerinnen und Lehrer werden zu Erfllungs-gehilfen degradiert. Damit hemmen wir syste-matisch die innovativen und engagierten Krfte im System. Was eine moderne Schule braucht, ist ihr Selbstverstndnis als Lernende Organi-sation. Dafr braucht es eine dreifache Auto-nomie: pdagogisch, finanziell und personell.

    Die pdagogische Autonomie gewhrt den Schulen Freiheit in pdagogischen und di-daktischen Entscheidungen. Die Mittlere Reife definiert, was Jugendliche mit 15 knnen sollen. Die Wege dorthin sollen so vielfltig sein wie die Bedrfnisse der Kinder und Jugendlichen. Die Schulverwaltung muss in ein Schulservice wei-terentwickelt werden, das in Bildungsregio-nen organisiert die Schulen bei der Qualitts-entwicklung untersttzt.

    Die personelle Autonomie legt Auswahl und Fhrung des Personals in die Verantwortung der Schulleitung. Das Lehrerdienstrecht wird durch einen Rahmen-Kollektivvertrag ersetzt, und die Anstellung erfolgt an der Schule oder ihren Trgerorganisationen.

    Echte finanzielle Autonomie bringt die freie Schulwahl ohne Schulgeld. Privatschulen er-halten die gleiche Finanzierung wie ent liche Schulen. Sie mssen sich dafr zur Gemein-ntzigkeit verpflichten, drfen kein Schulgeld verlangen. Die Umsetzung erfolgt ber eine Pro-Kopf-Finanzierung.

    Das Detailkonzept fr eine umfassende Schulautonomie haben wir NEOS soeben in unserem Buch Die mndige Schule. Buntbuch Schulautonomie auf den Tisch gelegt. Es um-fasst zudem 35 Beitrge und mahnt ein, die Rei-se zur mndigen Schule beherzt zu beginnen.Es ist eine Reise zu mehr Chancengerech-

    tigkeit und Potenzialentfaltung. Eine Reise hin zu blhenden Talenten.

    MATTHIAS STROLZ ist Grnder und Vor-sitzender der NEOS.

    GastkommentarMEINUNG

    [email protected]

    DIE MNDIGE SCHULE. Neues NEOS-Buch fr umfassende Schulreform.

    19FORMAT 22.2015

    FOTO

    S: IA

    N EHM, BEIGESTE

    LLT

  • Am Ende ging es ganz schnell. Mitt-woch frh nahm die Schweizer Polizei aufgrund von US-Ermittlungen mehrere Mitglieder des Exekutivkomitees des Weltfuballverbands FIFA fest. Darunter enge Vertraute von FIFA-Boss Sepp Blat-ter. Das Timing war kein Zufall. Die Razzia erfolgte nur zwei Tage vor der bereits ab-gemachten Wiederwahl Blatters als UEFA-Prsident. Jetzt sind die Karten neu gemischt, Blatter muss zittern wie nie zu-vor. Die Vorwrfe gegen seine Delegierten und den Verband als solchen wiegen schwer. Der amerikanischen Justiz zufolge sollen Vertreter von Sportmedien und Sportvermarktungsunternehmen Dele-gierte der FIFA mit mehr als 100 Millionen Dollar bestochen haben. Als Gegenleistung sollen sie bei der Austragung von Fuball-turnieren in den USA und Lateinamerika die Medien-, Vermarktungs- und Sponso-ringrechte erhalten haben. Die Zahlungen

    sollen ber US-Banken abgewickelt wor-den sein. Zugleich gab es wegen Korrupti-onsvorwrfen in Zusammenhang mit den WM-Vergaben an Russland und Katar Hausdurchsuchungen im Zrcher FIFA-Hauptquartier. Damit ist die Wiederwahl von Sepp Blatter als Weltfuball-Prsi-dent, ordentlich ins Wackeln geraten.

    Stimmenkauf.Blatter, der fr sich selbst das Wort Diktator gelten lsst, zog schon bisher Skandale an. Seit er im Jahr 1998 zum ersten Mal zum FIFA-Prsident ge-krt wurde, hat der Schweizer mit Be-stechungsvorwrfen zu kmpfen. Seine Kritiker hat er stets mit noch greren WM-Turnieren und Profi t ruhig gestellt. Dennoch: Ihm wurde unterstellt, fr eine Stimme bis zu 50.000 Dollar bezahlt zu ha-ben. Zu seiner ersten Wiederwahl soll ihm eine Stimme sogar 100.000 Euro wert ge-wesen sein. Auch vor der jetzigen Wahl, mit der Blatter in seine fnfte Amtszeit starten wollte, hatte er bereits 146 Stim-men eingesammelt davon 35 vom CON-CACAF-Verband (Nord-und Mittelameri-ka, Karibik), 54 vom afrikanischen und 46 vom asiatischen Fuballverband sowie elf aus Australien und Ozeanien. Gegenkan-didaten wurden systematisch ruhig-gestellt. Bereits seit Jahren rmpfen Com-

    FUSSBALL

    Das Ende des Herrschers?Verhaftungen und eine Razzia lassen FIFA-Boss Blatter um seine Wiederwahl zittern.

    News und Aufreger der WocheBUSINESS

    SKANDAL

    Knig Fuball. Seit 17 Jahren zieht Sepp

    Blatter die Fden im Weltfuball. Ebenso

    lang steht er im Mittel-punkt von Skandalen.

    22 FORMAT 22.2015

    FOTO

    S: GET

    TY (2

    ), LU

    KAS ILGNER

  • pliance-Experten von Grokonzernen, aber auch von Prfungsgesellschaften wegen der Intransparenz der FIFA die Nase. Sie ist in der Rechtsform einer ge-meinntzigen Gesellschaft organisiert und muss keine Berichte legen. Mit der Sperrung eines Teils der FIFA-Bankkon-ten muss Blatter aber vom Angri endgl-tig in die Verteidigung wechseln. Blatter droht, sein Heimspiel zu verlieren. Wem in der Schweiz die Konten gesperrt wer-den, hat seinen Ruf verloren, meint ein in-

    FIFA-SKANDALEFuball-MauscheleienDie Geschichten rund um Geldbndel und Geflligkeiten ziehen sich wie ein roter Faden durch Blatters Amtszeit.

    WAHLKAMPF 1998.1998 wird Joseph Blatter FIFA-Prsident. Die Vorwrfe, er htte afrikanischen Funktionren in einem Pariser Hotel Geldbndel zugesteckt, halten sich bis heute.

    WAHLKAMPF 2011.Blatters Konkurrent Mohamed bin Ham-mam versuchte, die Karibikstaaten mit je 40.000 Dollar auf seine Seite zu ziehen. Sein Bestechungsversuch flog auf. Blatter selbst sicherte den Karibikstaaten, deren Stimmen die Wahl entschieden, oziell eine Milli-on Dollar zu und gewann die Wahl.

    WM 2018 & 2022.Russland und Katar? Viele Fans trauten ihren Augen nicht, als das Exekutivkomitee seine Vergabe-Entscheidung bekannt gab. Eine hauseigene Ethik-Kommissi-on untersuchte die Korruptionsvor-wrfe ohne zu Ergebnissen zu kommen.

    KARTEN-SCHACHER.Bei jedem Groturnier tauchen ver-dchtige Kartentransaktionen auf, die oftmals von Familienmitgliedern von Komitee-Mitgliedern in deren Heimatlndern abgewickelt werden.

    Wahl des FIFA-Prsidenten: So verhlt sich sterreichFr den Fuball ist die Situation alles ande-re als lustig, bringt es FB-Generaldirektor Alfred Ludwig auf den Punkt. Immerhin hat sich der heimische Verband nach lngerem Hin und Her vor drei Wochen darauf geeinigt, FIFA-Boss Sepp Blatter nicht noch ein-mal zu whlen. Ludwig ist gemeinsam mit FB-Chef Leo Windtner und Horst Lumper (Prsident des Vor-arlberger Fuballverbandes) bei der Wahl zum FIFA-Chef stimmberechtigt. Am Mitt-woch flog Ludwig zur Vorbe-sprechung der europischen

    Verbnde in die Schweiz, wo er auf detail-liertere Informationen zum aktuellen Skan-dal hot. ber eine mgliche Wahlver-schiebung oder gar Absage des Votums will

    Ludwig aus Angst vor mgli-chen juristischen Konse-quenzen nicht spekulieren. Dazu wren auch noch viele juristische Fragen rund um die Vorwrfe gegen die FIFA ungeklrt. Unterdessen rich-tet der FB eine Art Task Force zur weiteren Lagebe-sprechung ein, um zeitge-recht auf aktuelle Entwick-lungen reagieren zu knnen. Windtner, im Hauptberuf Energie AG-Chef, ist deshalb schon frher als geplant nach Wien gereist.

    formierter Banker. Nachsatz: Und dafr braucht es viel.

    Milliarden-Business. Die FIFA gilt als reichster Sportverband der Welt. Allein 2014 soll sie mit der Fuball-Weltmeister-schaft in Brasilien einen Gesamtumsatz in der Hhe von 3,3 Milliarden Euro erzielt haben. Unterm Strich hat die FIFA angeb-lich einen Gewinn von 1,6 Mrd. Euro er-wirtschaftet. Der Polster bei Banken wird auf mehrere Milliarden geschtzt.

    KRISENMANAGEMENT. FB-Generaldirektor Alfred Gigi Ludwig.

  • 24 FORMAT 22.2015

  • VERGLEICHsterreicher lieben BaresBeim Bezahlen an der Kassa kramen die ster-reicher meistens noch nach Scheinen und Mn-zen. In Schweden hinge-gen haben Karten- und Handyzahler bereits die Mehrheit. In 15 Jahren, so schtzen Forscher, wird das Bargeld dort Geschichte sein.

    Kaurischnecken, Schweinehauer, Hunde-zhne: All das diente einst in bestimm-ten Kulturkreisen als jenes universelle Tauschmittel, das wir Geld nennen. Im Geld-museum der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) sind daher neben anderen historischen Whrungen auch genau diese Exponate zu sehen. Geht es nach ein paar Topkonomen, knnten sich dazu bald weitere Ausstellungs-stcke gesellen: unsere aktuellen Euro-Mnzen und -Banknoten.

    Dass Bargeld ins Museum gehrt, fi ndet etwa Kenneth Rogo , Harvard-Professor und frhe-rer Chefkonom des Internationalen Wh-rungsfonds (IWF). Mit dem Vorschlag, Bargeld abzuscha en, hatte er im Vorjahr eine lebhafte Diskussion in Gang gebracht, die immer wieder neuen Schwung bekommt. So etwa, als krzlich der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofi nger Scheine und Mnzen als hinderlichen Anachro-nismus und als E zienzbremse fr geldpoliti-sche Manahmen von Notenbanken identifi zierte.

    Die Devise Nur Bares ist Wahres wird nicht nur von konomen bezwei-felt. Lnder wie Dnemark und Schweden sind auf den Weg zur bargeldlosen Gesellschaft weit voran-geschritten. Die dnische Regierung will ab 2016 Hndler und Wirte vom Zwang befreien, Krone und re an-zunehmen. In Schweden sind es vor allem die Banken und Gewerkschaf-ten, die eine cashlose Gesellschaft propagieren. Nur mehr deutlich weni-ger als die Hlfte der Bezahlvorgnge im hohen Norden werden bar abgewi-

    ckelt. Selbst Obdachlose kann man mit Karte untersttzen, auch in Kirchen gibt es die Mg-lichkeit, ohne Bargeld den Klingelbeutel zu fl-len. sterreich zhlt hingegen zu jenen Lndern, in denen an den Kassen noch am hufi gsten Bar-geld gezckt wird (siehe Grafi k).

    Technologie contra Grundfreiheit.Die digitalen Technologien, um das zu verndern, wren vor-handen. Doch der Grundtenor zu diesem Thema ist in sterreich eher von gegenseitigem Miss-trauen zwischen Staat und Brgern geprgt als von Zukunftsvisionen. Registrierkassenpfl icht und Konto nung auf Verdacht schrecken nicht nur notorische Steuerhinterzieher, sondern auch Normalbrger. Immerhin wrde das Aus fr Bares dazu fhren, dass jede einzelne kleine Transaktion, etwa der Zigarettenkauf in der Trafi k, eine digitale Spur hinterlsst und nach-vollziehbar wird. Nirgends wre der glserne Brger so perfekt zu durchschauen wie in einer

    Welt ohne Bargeld.Das ist sogar dem fortschrittlichen

    Wirtschafts-Staatssekretr Harald Mahrer suspekt. Es ist ein Grundfrei-heitsrecht, dass der Staat nicht wei, was eine Privatperson mit ihrem Geld macht, erklrt er im FORMAT-Inter-view (siehe Interview Seite 28).

    Wenn Dnemark es Unternehmen er-laubt, die Annahme von Bargeld zu verweigern, halte ich das fr einen Wahnsinn, weil man Private zwingt, ihre Anonymitt aufzugeben, urteilt Mahrer. konomen argumentieren demgegenber mit E zienzvorteilen. Laut einer Studie der WU Wien im

    sterreichPolen

    DeutschlandItalien

    SpanienGrobritannien

    NiederlandeBelgien

    Schweden

    Bezahlvorgnge an der Kassa

    Bargeld200 40 60 80 100

    EC-Karte Kreditkarte Sonstiges**Kundenkarten, Schecks, PayPal, Lastschrifteinzug etc.

    Quelle: Deutsche Bundesbank, Europische Kommission

    >

    Welt ohne BARGELD

    konomen halten Cash fr antiquiert, skandinavische Lnder werden zu bargeldlosen Gesellschaften, Zahlen via Handy steht vor dem Durchbruch. Doch bei der Diskussion um

    das Ende des Bargelds geht es letztlich auch um Macht, Freiheit und Privatsphre.Von Miriam Koch und Michael Schmid

    25FORMAT 22.2015

    BUSINESSCover

    FOTO

    S: F

    OTO

    LIA

  • Auftrag des Bankomatkartenanbieters Payment Services Austria knnte die verstrkte Nutzung von Karten zu volkswirtschaftlichen Einspa-rungen von 150 bis 300 Millionen Euro in s-terreich fhren. Es ist unumstritten, dass Her-stellung, Herausgabe, Logistik und Sicherung von Mnzen und Scheinen Geld kostet und teu-rer ist als die Produktion von Bankomatkarten. Den WU-konomen Hanns Abele und Guido Schfer zufolge kostet eine Barzahlung pro Euro Umsatz 2,6 Cent, die Kartenzahlung dagegen nur 0,8 Cent. Ab Betrgen von zehn Euro ist die Kartenzahlung gnstiger, darunter siegt noch Bargeld.

    Allerdings bercksichtigt diese Studie nicht, dass Notenbanken einen Groteil ihrer Gewin-ne durch das Drucken von Banknoten und das Prgen von Mnzen erzielen und die dann als Dividenden oft ins Budget flieen. Nur die ganz kleinen Mnzen (ein und zwei Cent) kommen in der Produktion teurer, als ihr Wert ist. Doch der Versuch der EU-Kommission, Kleingeld ab-zuschaen, scheiterte vor allem am mangeln-den Verstndnis der Brger fr diesen Schritt.

    Generationenkonflikt an den Kassen: digitales Plastikgeld statt Kramen im Geldbrserl

    Digital Natives schtteln darber wohl nur den Kopf. Wozu gibt es schlielich Errungenschaf-ten wie Zahlen per Handy oder Near Field Com-munication (NFC)? Das kontaktlos Zahlen mit Bankomat- oder Kreditkarte auf kurze Distanz, ganz ohne lstiges Karteneinstecken in ein Lesegert (wie bei Quick) oder gar zustzliches Eintippen des Codes noch vor dem Kramen im Mnzfach der Geldbrse die mit Abstand sicherste Methoden zur Produktion endloser Schlagen an Supermarktkassen ist eine der

    jngsten Innovation im heimischen Zahlungs-verkehr.

    Laut Zahlungsmittelumfrage der OeNB sind sich allerdings gerade einmal 17 Prozent der s-terreicher bewusst, dass sie diese Mglichkeit haben. Von dieser Minderheit wiederum kauft jeder Vierte einmal pro Woche damit ein. Er-wartungsgem sind es die jngeren Semester, die den digitalen Zahlungsformen am aufge-schlossensten gegenberstehen: Der Anteil der Bankomatkartenverwender beim Einkauf ist bei den Unter-30-Jhrigen mit 60 Prozent mehr als dreimal so hoch wie bei den ber-60-Jhrigen. Und whrend von den Jngeren immerhin 58 Prozent ihre NFC-fhige Karte schon einmal in dieser Form verwendet haben, sind es in der Altersgruppe 60 plus nur zwlf Prozent.

    Stirbt das Bargeld mit seinen treuen, aber alten Fans also ohnehin bald aus? Nicht so si-cher, immerhin ist der Bargeldumlauf in allen Volkswirtschaften immer noch im Steigen be-grien allen Alternativen, inklusive der nun auch schon einige Jahrzehnte zum finanziellen Standardrepertoire zhlenden Kreditkarten, zum Trotz. Auch der Bargeldbestand in der durchschnittlichen sterreichischen Geldbr-se beluft sich laut OeNB-Umfrage seit Jahren bestndig auf rund 67 Euro. Erwartungen, die wachsende Verbreitung und neue Funktionen von Zahlungskarten wrden die Bargeldhal-tung zumindest verringern, haben sich ganz und gar nicht erfllt.

    Die Debatte um das Ende des Bargeld birgt aber noch viel mehr Brisanz. Gegen Cash wird vor allem mit der Bekmpfung von Steuerbetrug und Schwarzarbeit argumentiert. In vielen Ln-dern gelten bereits Bargeldverbote bei hohen Betrgen. Doch die Mglichkeiten einer bar-geldlosen Welt wren damit noch lange nicht

    Gesamter Euro-Bargeldumlauf in Mrd. Euro Quelle: EZB

    0

    200

    400

    600

    800

    1.000

    1.200

    02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14

    BanknotenMnzenBanknotenumlauf Euroraum in Mio. Stck Quelle: EZB

    Bank-noten 500 200 100 50 20 10 5 5 neu

    0

    1.000

    2.000

    3.000

    4.000

    5.000

    6.000

    7.000 6.961

    1.891

    2.999

    2.091

    1.023200

    627586

    Mnzumlauf Euroraum in Mio. Stck Quelle: EZB

    Mnzen 2 1 50 20 10 5 2 1 0

    5.000

    10.000

    15.000

    20.000

    25.000

    30.000 28.545

    22.267

    17.522

    9.917

    5.5006.5775.177

    12.944

    IN DER EUROZONE stieg der Banknoten- und Bargeldumlauf im Vergleich zum Vorjahr um 6,2 Prozent auf 1,04 Billionen Euro. Am hufigsten sind 50-Euro-Scheine in Verwendung, bei den Mnzen sind es die Ein- und Zwei-Cent-Stcke.

    SCHEINE UND MNZENTrotz Debatten um Abschaung: so viel Bargeld wie noch nie im Umlauf

    EUROPABargeldverbot fr hohe BetrgeSteuerehrlichkeit si-chern und Terrorfinan-zierung erschweren: Das sind Grnde, war-um manche Lnder ver-bieten, grere Sum-men cash zu bezahlen. Italien.Seit 1. Juli 2012 knnen in Italien lediglich Betrge unter 1.000 Euro mit Bargeld bezahlt werden. Frankreich.Im Kampf gegen die Finanzierung des Terrorismus sollen ab September nur noch 1.000 Euro (bisher bis zu 3.000 Euro) in Cash den Besitzer wechseln. Griechenland.Der Finanzminister denkt of-fenbar daran, dass ab Betrgen von 150 Euro eine bargeldlose Bezah-lung obligatorisch wird. Derzeit liegt die Grenze bei 1.500 Euro. Spanien.Fr Ausga-ben ab 2.500 Euro ist Cash seit 2012 verbo-ten, ausgenommen sind rein private Deals. Belgien.Bargeld-Ver-bot bei Kufen ber 5.000 Euro.

    >

    >

    26 FORMAT 22.2015

    BUSINESSCover

  • TECHNOLOGIE

    Von der Angst vor Apple und fi ndigen Start-upsDas Smartphone ist der logische Weg zum bargeldlosen Bezahlen, und die Technologien sind marktreif. Was sich durchsetzen

    wird, ist lngst noch nicht ausgemacht, aber der Kampf tritt nun in eine spannende Phase ein.

    Das Handy als mobile Geldbrse ist eine angekndigte Revolution, die bislang nicht stattgefunden hat. Dass ausgerechnet 2015 das Jahr des mobilen Bezahlens werden soll wie auf einschlgigen Konferenzen ver-kndet , liegt vor allem an einem neuen Mitspieler, den die einen fr seine Marktmacht frchten, andere als Ho nungstrger dafr sehen, dass endlich Standards gesetzt wer-den: Apple und sein System Apple Pay. Das bringt Bewegung in den Markt. Konkurrent Samsung hat ei-nen Dienst namens Pay angekndigt. Google, Amazon, Paypal alle arbei-ten an einschlgigen Diensten. War-um? Weil die mobile Digitalisierung des Geldes einen dreistelligen Milli-arden-Dollar-Markt verspricht, und wer am Kreislauf teilnimmt, kann auf schne Provisionen ho en.

    In den USA ist Apple Pay bereits im Einsatz. Nicht ganz reibungslos war der Start, hatten sich Hndler und Kunden mit dem System aber erst einmal vertraut gemacht, lagen die Bezahlraten deutlich ber dem Mitbewerb. Als ersten Auslands-markt nimmt Apple Ende des Jahres Kanada ins Visier. Dort blst starker Gegenwind seitens der Banken, die sich ber die Hhe des Apple-Provi-sionen mokieren. Dass Apple wie blich sein System abschottet und seine Preisvorstellungen durch setzt, hat in Brssel schon die Lob-bying-Maschine in Gang gesetzt. Aber auch ohne

    Apple tut sich in ste-reich einiges, gerade durch Start-ups aus dem Finanztechnologiesektor: die Fintechs. Die Berliner Firma SumUp begeistert hierzulande immer mehr Kleinfi rmen und EPU vom Skileh-rer bis zum Marktstandbetreiber. Der

    dard zu verstndigen. Wir haben das Thema zwlf Jahre lang diskutiert, sagt PSA-CEO Rainer Schamberger, jetzt war die Zeit reif. Ein histori-scher Schritt, mit dem ein neues kosystem aus Handel, Telekom- und Bankindustrie entsteht. Zwei Jahre hat man an der Infrastruktur gearbeitet, die eine SIM-Karte mit der jeweiligen Bankomatkarte sicher identifi zieren kann.

    Die heimischen Mobilfunker waren mit ihrer Handy-Geldbrse eigentlich frh dran. Den Sprung zur Massenanwendung scha te die soge-nannte Paybox aber nie, ihre Kil-lerapplikation ist nach wie vor der Parkscheinkauf. Das wei auch Pay-box-CEO Oliver Krupitza, der den Paybox-Anmeldevorgang in wenigen Wochen so vereinfacht haben will, wie es die Kunden heute gewohnt sind: Ein Selfi e und eine Unterschrift am Bildschirm reichen dann, sagt er. Fr die Akzeptanz des mobilen Bezah-lens ist Komfort heute genauso so wichtig wie die Sicherheit. bst

    Clou: Die Terminals sind bequem und gnstig. Ein hnliches Konzept verfolgt das erfolgreiche schwedi-sche Start-up iZettle, das in elf EU-Lndern operiert, aber noch nicht in sterreich. Als Investoren haben die-se Firmen meist etablierte Banken im Hintergrund. Eine Option, um im Kampf mit den US-Technologiegi-ganten nicht komplett unterzugehen

    und mit lokalen Lsungen zu punkten. Die heimische Be-zahl-App Bluecode (vor-mals Veropay) etwa hat ein ehemaliger Banker entwickelt und sie im-merhin bei 1.500 Ak-zeptanzstellen im Handel etabliert. Ein kleine Revoluti-

    on wartet in der zweiten Jahreshlfte: Die Banko-

    matkarte kommt auf das Smartphone. Die Payment Services Austria (PSA) hat es tatschlich ge-scha t, alle Banken und die groen Mobilfunkanbieter auf einen Stan-

    1 START-UP. Die Berliner Firma SumUp macht Kleinfi rmen die Kartenzahlung leicht: Ein Terminal (79 Euro) und eine App reichen. Der Rest passiert online. Ver-gleichsweise niedrige Kosten.

    2 STERREICH-PREMIERE. Auf einer NFC-fhigen SIM-Karte werden die Daten der Bankomatkarte sicher hinterlegt. Der Kunde hlt das Handy zum Terminal und besttigt bei hheren Betrgen mit PIN.

    sionen mokieren. Dass Apple wie blich sein System abschottet und seine

    Apple tut sich in ste-reich einiges, gerade durch Start-ups aus dem Finanztechnologiesektor: die

    und mit lokalen Lsungen zu punkten. Die heimische Be-zahl-App Bluecode (vor-mals Veropay) etwa hat ein ehemaliger Banker

    Handel etabliert.

    on wartet in der zweiten Jahreshlfte: Die Banko-

    matkarte kommt auf das

    1,3 MILLIARDEN

    Kredit- und Bankkarten und 7,3 Mrd. Handyanschlsse weltweit. Das Potenzial fr mobiles Bezahlen

    ist gewaltig.

    1

    2

    27FORMAT 22.2015

    FOTO

    S: BEIGES

    TELLT

  • INTERVIEW

    Nur auf den ersten Blick anachronistischWirtschaftsstaatssekretr Harald Mahrer hlt die Demokratie fr nicht entwickelt genug, um auf Bargeld verzichten zu knnen.

    HARALD MAHRER: Skandinavier haben entspannteren Zugang zu Tranparenz.

    FORMAT: Es wirkt etwas eigenartig, dass ausgerechnet ein Regierungsmit-glied, das frischen Wind signalisieren soll, sich aus kulturhistorischen Grn-den am Bargeld festklammert?Mahrer: Es ist ein Grundfreiheits-recht, dass der Staat nicht wei, was eine Privatperson mit ihrem Geld macht. Dazu stehe ich bedingungslos. Jemand, der 15.000 Euro abhebt und zu Hause au ewahrt, weil ihm das lieber ist, muss das tun knnen, ohne sich vor den Behrden rechtfertigen zu mssen.

    Sehr praktisch ist das nicht Der Verzicht auf Bargeld ist vielleicht praktischer und sicherer. Das gilt aber auch, wrde man nur noch Pul-vernahrung statt Lebensmittel kon-sumieren. Keine sehr verlockende Vision.

    Sie besuchen Start-ups in Israel, sind mit der Grnderszene in sterreich gut vernetzt. Die meisten Innovationen, die von diesen jungen Tech-Unternehmen kommen, machen letztlich Bargeld berfl ssig. Wie passt das zusammen?Auf den ersten Blick mag es anachro-nistisch wirken. Aber gerade dieser Szene ist Privacy enorm wichtig. Es geht dort immer um eine Vielfalt di-gitaler Whrungen, um ein System, in dem eben nicht der Staat alleine die Geldschpfung dominiert. Das wol-len manche Notenbanken, und einige von ihnen am liebsten ohne Bargeld,

    weil sie dann endgltig die totale Kontrolle htten.

    Wenn Sie den Notenbanken die Geld-politik entziehen wollen, mssen sie aber das gesamte Wirtschaftssystem komplett ndern.Ja, und deswegen ist die Debatte sehr viel komplexer, als sie jetzt gefhrt wird. Unabhngig vom System muss aber die Wahlfreiheit zwischen Bar-geld und anderen Zahlungsformen erhalten bleiben.

    In Skandinavien geht die Entwicklung schon in Richtung bargeldloser Gesell-schaft. Die Brger fhlen sich trotzdem weniger berwacht. O enbar haben sie mehr Vertrauen in den Staat, weil der ebenfalls viel transparenter ist?Wahrscheinlich haben sie tatschlich einen entspannteren Zugang zu Transparenz, sind die Ressentiments gegen das entliche System in ande-ren Lndern grer. Aber das Prob-lem, dass Freiheitsrechte einge-schrnkt werden, besteht auch in Skandinavien. Wenn Dnemark es Unternehmen erlaubt, die Annahme von Bargeld zu verweigern, halte ich das fr einen Wahnsinn, weil man Private zwingt, ihre Anonymitt auf-zugeben.

    Knnte es nicht sein, dass die Skandi-navier schon zwei Schritte weiter sind, weil sie die Rivalitt zwischen Staat und Privat, von der Sie immer reden, erfolgreicher berwunden und mehr gegenseitiges Vertrauen haben?Auf der philosophischen Ebene kann man das so sehen. In der Realitt msste zuerst einmal die Weiterent-wicklung hin zur Demokratie 3.0 auf den Weg gebracht werden. Davon sind wir Lichtjahre entfernt. Im Mo-ment verschieben die neuen techni-schen Mglichkeiten das Gleichge-wicht zu Ungunsten der Privaten. Und so lange das so ist, kann man nur sagen: Wehret den Anfngen lieber glserner Staat als glserner Brger!

    ausgeschpft. Ein krisengeplagtes Euro-Land hat dazu einen ersten, schchternen Versuchs-ballon gestartet: Spanien. Dort wurden voriges Jahr alle Sparguthaben mit einer Einlagensteu-er belegt. Weil die Abgabe gerade einmal 0,03 Prozent ausmachte, hat so mancher spanische Sparer die unfreiwillige Abbuchung wohl nicht einmal bemerkt. Trotzdem war die Vorgangs-weise ein mehrfacher Tabubruch: Die erste of-fensichtlich wegen der Schuldenlage auferlegte Fiskalmanahme, die sich direkt an Spargutha-

    ben bediente, wurde rckwirkend be-schlossen. Ausgerechnet whrend der

    Fuballweltmeisterschaft, um mglichst wenig entliches Aufsehen zu erregen.

    Anders als rckwirkend knnte man solche Abgaben fl chendeckend und in substanzielle-rer Hhe gar nicht einfhren. Sonst riskiert man nmlich einen Bankenrun. Das wre die absolute Horrorvision der Notenbanker: Unter dem Ansturm aller Anleger, die ihre Guthaben retten wollen, bricht das Bankensystem zusam-

    ben bediente, wurde rckwirkend be-schlossen. Ausgerechnet whrend der

    Fuballweltmeisterschaft, um mglichst wenig entliches Aufsehen zu erregen.

    Anders als rckwirkend knnte man solche

    82 PROZENT

    der sterreicher halten eine bargeldlose Gesellschaft fr unmglich.

    >

    28 FORMAT 22.2015

    BUSINESSCover

  • men. Szenen wie in der Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre wrden sich auf den Straen und Pltzen Europas abspielen. Es gbe aber ein probates Mittel, um den Sturm auf die Kredit-institute zu verhindern und Sparer trotzdem zu schrpfen: Man scha t vorher das Bargeld ab.

    Negativzinsen: Liegegebhren fr sichere Hfen oder Massenenteignung von Sparern

    Eine angeblich rein theoretische Idee ein paar versprengter konomen sieht in diesem Lichte schon um einiges bedrohlicher aus: Zehn Pro-zent Zwangsabgabe auf alle privaten Spargut-haben, und damit wre das Problem der aus-ufernden Ausweitung der Staatsverschuldung behoben und auf das Ausgangsniveau vor der Finanzkrise zurckgedrckt. Diese berlegung fand sich 2012 versteckt in einem Papier einer nicht ganz unbedeutenden Institution des IWF, dessen frherer Chefkonom Rogo wenig spter die Entsorgung des Bargelds ventilieren sollte. Immerhin ist es die Aufgabe des IWF, die Stabilitt des Weltfi nanzsystems zu garantie-ren. Und will man Privatanleger substanziell enteignen, muss man tatschlich dafr sorgen, dass sie beim Versuch, ihre Vermgen in Sicher-heit zu bringen, nicht erst recht das ganze Sys-tem zum Kippen bringen.

    Dabei ist die schleichende Schrpfung der Anleger ohnehin schon viel unau lliger lngst mitten im Gang. Negativzinsen heit das Zau-berwort. Die konomische Theorie dahinter in aller Krze: Niedrige Zinsen frdern das Wirt-schaftswachstum, weil sie dazu animieren, we-niger zu sparen und mehr zu konsumieren. Auch Kredite fr Investitionen von Unternehmen werden billiger. Hohe Zinsen hingegen dmpfen das Wachstum, weil Geld auf die hohe Kante wandert, statt die Wirtschaft zu beleben.

    Um aus den Schulden und den hohen Ar-beitslosenraten herauszukommen, braucht die Weltwirtschaft nichts dringender als Wachstum. Deshalb sind die Leitzinsen der Notenbanken sowohl in den USA als auch im Euroraum auf Tiefststnden knapp ber null Prozent. Nicht-Euro-Lnder wie die Schweiz, aber zeitweise auch Dnemark und Schweden erheben sogar Negativzinsen von Anlegern, die ihr Geld in diesen vermeintlich sicheren Hfen parken. Nominell tre en solche Strafzinsen derzeit nur Anleger groer Betrge. Negative Realzinsen haben aber, so eine Studie des Be-ratungsunternehmens McKinsey, Anleger al-lein zwischen 2007 und 2012 bereits 630 Mil-liarden Dollar gekostet. Zugute kam das den globalen Schuldnern, also im Wesentlichen den Staatshaushalten. Umkehrschluss: Stei-gende Zinsen werden sich die verschuldeten

    GLSERNER BRGER

    Das Ende der Privatsphre?Datenschtzer warnen vor dem Verlust der Privatsphre und dem Aufweichen des Datenschutzes durch den Wegfall des Bargeldes.

    Die vielleicht grten Vorbe-halte gegenber bargeldlo-ser Wirtschaftssysteme kommt aus der Datenschutz-Ecke. Und das nicht ganz ohne Grund: Schon jetzt haben die Kreditkarten-Unter-nehmen ein hb-sches Datensorti-ment ber ihre Kunden. Sie wis-sen, wie oft sie essen gehen, tan-ken oder Schuhe kaufen, zu welchen Uhrzeiten sie das tun und in welche Geschf-te sie dafr gehen. Wie oft sie wohin auf Urlaub fl iegen und welches Auto sie fahren. Mit jedem Ein-kauf per Kredit-karte legen Kun-den eine digitale Spur, die von den Kartenanbietern selbstverstndlich auch nachverfolgt werden kann. Heute ha-ben Konsumenten allerdings die Wahl: Wer Einkufe ttigen will, ohne sein Bankinstitut da-von in Kenntnis zu setzen, kann dies immer noch mit Bargeld erledigen.

    Fllt Cash als Option weg, knnte, so mahnen viele Daten-schutzexperten zu Vorsicht, eine neue Sammelwut der Ban-ken und Zahlungsvermittler folgen. Schnell knnten auch Unternehmen Interesse an den Zahlungsdaten zeigen, die mit der eigentlichen Transaktions-abwicklung nichts zu tun haben. Dass aber beispielsweise die Gesundheitsversicherung Ein-blick in Kontobewegungen er-hlt, um darauf Rckschlsse

    ber den Lebensstil seiner Kunden zu erhalten, ist derzeit ausgeschlossen. Hier greifen auch im Zeitalter elektro-nischer Zahlungsmittel die

    sterreichischen und europischen Daten-schutzrichtlinien.Unternehmen und Handelsket-ten knnen aller-dings sehr wohl ein genaues Kon-sum- und Bewe-gungsprofil ihrer

    Kunden erstellen, wenn diese bargeldlos

    bezahlen. Beim Zahlen mit Karte, Handy oder RFID-Chip weist sich der Kunde de facto eindeutig gegenber dem Transaktions-partner aus. Ein-blick in die Kon-tobewegungen ei-

    nes Kunden bentigt man dafr

    gar nicht erst. Im bar-geldlosen Zeitalter ist jeder Konsument fr ein Unterneh-men als Neu- oder Stammkun-de identifi zierbar. Auf einen Blick lassen sich alle bisherigen Einkufe eines Kunden abrufen.

    Was Unternehmen anschlie-end mit den gesammelten Kundendaten anstellen, ist weitaus weniger streng geregelt als bei den Banken selbst. Bis-her geben Kunden bei Billa & Co ausschlielich freiwillig ihre Daten preis etwa dann, wenn man beim Einkauf seine Kun-denkarte verwendet. Mit dem Wegfall des Bargeldes ver-schwindet damit auch die prin-zipielle Option auf Anonymitt beim Kauf. jf

    te sie dafr gehen. Wie oft sie wohin auf Urlaub fl iegen und welches Auto sie fahren.

    selbstverstndlich auch nachverfolgt werden kann. Heute ha-

    bezahlen. Beim Zahlen mit Karte, Handy oder RFID-Chip weist sich der Kunde de facto eindeutig

    blick in die Kon-tobewegungen ei-

    nes Kunden bentigt man dafr

    gar nicht erst. Im bar-

    3.150 ZAHLUNGSVORGNGEttigt der sterreicher pro Jahr. Darber liee sichleicht ein Konsum- und

    Bewegungsprofi lerstellen.

    das nicht ganz ohne Grund: Schon jetzt haben die Kreditkarten-Unter-nehmen ein hb-

    kaufen, zu welchen Uhrzeiten sie das tun und in welche Geschf-te sie dafr gehen. Wie oft

    nischer Zahlungsmittel die sterreichischen und

    europischen Daten-schutzrichtlinien.Unternehmen und Handelsket-

    sum- und Bewe-gungsprofil ihrer

    Kunden erstellen, wenn diese bargeldlos

    bezahlen. Beim Zahlen mit

    37 SEITEN AN DATEN

    sammeln Unternehmenschon heute ber jedenKunden allein ber seine

    Transaktionsdatenpro Jahr.

    >

    29FORMAT 22.2015

    FOTO

    : LUKA

    S ILGNER

  • Volkswirtschaften nie wieder leisten knnen. Als Alternativen blieben in diesem Falle daher wirklich nur Staatspleiten oder Zwangsabga-ben auf Privatvermgen. Die Abschaung von Bargeld wre dafr auf jeden Fall vorteilhaft.

    In der Praxis funktionieren Negativzinsen auch in Bargeldkonomien ganz leidlich: In-flationsbereinigt sind sie gar nichts Besonderes, sondern etwa bei heimischen Standardspar-bchern und Girokonten lngst blich. Unter Einbeziehung von Inflation und Kapitalertrag-steuer verzeichnen heimische Sparer seit Jahren reale Vermgenseinbuen ohne dass dieser Umstand je zu Massenauflufen vor den Bankfilialen gefhrt htte.

    Handel schat sich seine Whrung: oziell oder inoziell, legal oder illegal

    Voraussetzung fr eine evolutionre und nicht zwangsweise Entwicklung zur bargeldlosen Gesellschaft ist wie das Beispiel Skandinavi-en zeigt vor allem gegenseitiges Vertrauen zwischen Staat und Whrungshtern auf der einen Seite und Sparern beziehungsweise Staatsbrgern auf der anderen. Als Zwangs-beglckung, sei sie auch mit besten Absichten verbunden, wrde das Verbot von Bargeld ge-nau das beschleunigen, was damit verhindert werden soll.

    Es braucht keine konomischen Gedanken-experimente, um zu erkennen, was einem zwangsverordneten Ende des Bargelds folgen wrde. Ein Blick in die Geschichte zeigt, was in Krisenzeiten passiert: Ersatz- und Notwhrun-gen wie Zigaretten, hochprozentige Alkoholika oder Nylonstrmpfe brachten es nach dem Zweiten Weltkrieg zum weithin anerkannten Whrungsstandard in einem grenz- und system-bergreifenden gemeinsamen Markt des Schleich- und Schwarzhandels.

    Fr die groen Transaktionen bliebe natr-lich auch noch Gold. Wenn eine ozielle Wh-rung nur noch bargeldlos von einem glsernen Konto auf das andere transferiert werden darf, wird sich unweigerlich eine Schattenwirtschaft entwickeln. In welcher Whrung dort gehandelt wird, ist prinzipiell egal. Tauschwert kann nm-lich jedem beliebigen Ding zugeschrieben wer-den. Voraussetzung dafr ist nur das Vertrauen, dafr eine Gegenleistung zu bekommen. Solche Whrungsrume wrden daher eher klein und berschaubar sein.Aber ob darin Schnecken, Muscheln, Zhne

    oder Zigaretten den Besitzer wechseln, ist prin-zipiell egal. Bargeschfte zwischen Menschen wird es nmlich auch dann noch geben, wenn der Euro lngst nur im Museum zu bestaunen sein wird.

    BANKGEHEIMNIS

    K.o. fr die KonteneinsichtDie parteibergreifenden Bewahrer des Bankgeheimnisses sind kurz davor, die Transparenz-Reform des Finanzministers zu Fall zu bringen.

    Breiter kann eine Front kaum sein. Smtlichen Bundes-lnder-Chefs der VP, VP-Klubobmann Reinhold Lopatka, den Grnen, den NEOS und den gerade wahlkmpfenden Teilen der SP geht die vom Finanz-ministerium geplante Konten-Transparenz zu weit. Vor allem die ohne juristische Kontroll-instanz mgliche Einschau von Finanzprfern in einzelne Kon-tobewegungen stsst auf hefti-gen, parteibergreifenden Wi-derstand. Damit ist das von Spitzenbeamten des Finanzmi-nisteriums ausgearbeitete Pro-jekt so gut wie tot, denn auch Arbeiterkammer und GB, die vor allem betriebliche Schwarz-gelder im Visier haben, fhren nur mehr Rckzugsgefechte.

    VP-Wirtschaftsbund-Chef Peter Haubner bringt die Kritik seiner Fraktion auf den Punkt: Man muss aufpassen, dass man nicht einer Berufsgruppe (Be-triebsprfern, Finanzbeamten) die Mglichkeit zu tiefen Ein-blicken in die Privatsphre gibt. Es braucht eine juristische In-stanz, die ber solche Eingrie wacht und die Verdachtslage in jedem einzelnen Fall prft. Mit

    einem Kontoregister allein, wie es europischer Standard ist, hat Haubner hingegen kein Pro-blem. Darin wren smtliche sterreichische Konten mit Bankverbindung, Namen und einem Identifikationsmerkmal wie dem Geburtsdatum oder der Sozialversicherungs-nummer aufgefhrt. Schwarze Konten, wie sie etwa im OC-Skandal aufgetaucht sind, sind damit nicht mehr mglich.

    Finanzminister Hans Jrg Schelling muss mit dem voraus-sichtlichen Aus fr die Konten-einschau eine Niederlage ein-stecken nicht zuletzt durch seine eigene Partei. Oenbar hat sich der sonst so macht-bewusste Politiker von seinen Beamten treiben lassen und den Widerstand gegen die vllige Kontentransparenz unter-schtzt. Mit nur kleinen nde-rungen in der Gesetzesvorlage wird es nicht getan sein.

    In einer Sondersitzung am 8. Juni also nach den Wahlen im Burgenland und der Steier-mark tritt der Nationalrat zu zusammen, um ber das Bank-geheimnis und den Glsernen Brger zu debattieren. hor

    ERSTE NIEDER- LAGE? Finanzmi-nister Schelling hat den Wider-stand gegen das Beamten-Papier aus seinem Haus unterschtzt.

    >

    30 FORMAT 22.2015

    BUSINESSCover

    FOTO

    : MICHAEL APPELT

  • FORMAT: Ist die Automobilbranche wirk-lich so unzufrieden mit der Steuerreform?Favey:Wir sind zurzeit mit der Entwick-lung des Automobilmarktes in ster-reich nicht zufrieden. berall in Europa wchst der Automarkt, nur in sterreich geht der Neuwagenmarkt seit 2011 jedes Jahr zurck. Den Grund dafr sehe ich klar in der Tatsache, dass in den letzten Jahren bereits zehn Mal die autobezoge-nen Steuern erhht wurden. Dabei zeigt die Vergangenheit klar: Eine strkere Be-steuerung der Autofahrer fhrt insge-samt zu einem Rckgang des Marktes und damit auch zu geringeren Steuerein-nahmen.

    Nun will das Finanzministerium einen Teil der Steuerrefom aber genau ber Erhhun-gen bei der Besteuerung von Dienstwagen erreichen. Wird hier falsch gerechnet?Die Berater des Finanzministers, die erklren, dass man durch diese Art der Besteuerung Mehreinnahmen erzielen wird, liegen einfach falsch. Das wurde schon bei der Einfhrung der neuen

    NoVA deutlich. Statt 40 Millionen Steu-ermehreinnahmen, die das Finanzminis-terium von der NoVA-Reform erwartet hatte, steht nun ein Minus von 80 Milli-onen Euro. Wir sind berzeugt, dass es nicht zielfhrend sein kann, in einer Zeit, in der die sterreichische Wirtschaft dringend eine Belebung bruchte, einen derart groen Wirtschaftssektor wie die Autobranche strker zu belasten.

    Wurde die Automobilbranche denn in die Erarbeitung der Steuerreform nicht einge-bunden?Doch. Genau das rgert uns. Wir hatten vier Vorbereitungsgesprche mit den Mitarbeitern des Finanzministeriums. Ich selbst habe mich mit Herrn Dr. Schel-ling getroen. Und im Nachhinein muss man sagen, dass das vllige Zeitver-schwendung war, weil nun Inhalte in den Begutachtungstext eingeflossen sind, ber die man mit uns nie gesprochen hat.

    Aus dem Finanzministerium hrte man j edoch, dass das alles mit Vertretern der

    Schelling rechnet falschAlain Favey, Sprecher von Europas grtem Autodistributor, der sterreichischen

    Porsche Holding, geht mit der Steuerreform und dem Finanzminister hart ins Gericht.Von Jan Fischer

    Zur Person.Alain Favey leitet seit Anfang 2012 die Porsche Holding. sterreichverbunden ist der gebrtige Franzose auch privat: Der vierfache Familienvater ist mit einer Steirerin verheiratet. Zuvor war der Betriebs-wirt fr den Europavertrieb von VW in Wolfsburg verantwortlich. Seinen Karrierestart hatte der heute 49-Jhrige in der Direktion des franzsischen Autoherstellers Citron.

    32 FORMAT 22.2015

  • Wirtschaft so auch besprochen wurde.Das ist nicht wahr. Es wurde mit uns kein einziges Mal die Regelung, wie sie jetzt vorgesehen ist, besprochen.

    War es denn bei diesen Gesprchen nicht absehbar, in welche Richtung sich die Be-steuerung entwickeln wird?Von der derzeitig geplanten Regelung war nie die Rede. Der Entwurf, der vorlag, sah ursprnglich weder eine gesta elte Absenkung der CO2-Werte von 120 auf 104 Gramm vor, noch war die Freistel-lung fr Elektrofahrzeuge befristet. Das wundert uns enorm!

    In anderen Lndern Europas werden Autos allerdings teilweise noch viel strker be-steuert als in sterreich. Ist die Steueran-hebung da nicht nur eine Korrektur in Rich-tung des europischen Durchschnitts? Das glaube ich nicht. Wre es ein Ziel der Regierung, die Steuerbelastung auf den europischen Durchschnittswert zu n-dern, wrden wir ja genau darber spre-chen. Das wurde bisher noch nie so dar-gestellt. Es geht schlicht darum, die Steuerreform durch Mehreinnahmen an anderer Stelle zu fi nanzieren. Und da wird wieder einmal der Autofahrer zur Kasse gebeten. Den sterreichern wird es egal sein, ob Autos in Dnemark oder Finnland teurer sind ihnen wird aber erneut in die Tasche gegri en.

    Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie durch die Einfhrung der stren-geren Dienstwagensteuer?Wir rechnen damit, dass die Dienstwagenfahrer, die ihr Fahrzeug auch privat nutzen, zunehmend auf klei-nere und preiswertere Modelle umstei-gen werden bzw. ganz auf ihren Dienst-wagen verzichten, um nicht den hheren Sachbezug , der im Monat rund 100 Euro Mehrbelastung bedeutet, zahlen zu ms-sen. Das bedeutet Downsizing bei den Modellen und Reduktion beim Flotten-volumen. Und um ganz deutlich hervor-zuheben: Jede Manahme, die den Neu-wagenmarkt bremst, kann fr den Staat aus fi nanzieller Sicht berhaupt nicht zielfhrend sein. Wenn weniger Autos verkauft werden, werden weniger NoVA und Mehrwehrtssteuer eingenommen. Aus dieser Steuerreform erwarte ich mir keine positiven Auswirkungen fr die Wirtschaft. Es darf bezweifelt werden, dass die Automobilwirtschaft unter die-

    sen Vorzeichen ihre Beschftigungszah-len halten knnen wird, wenn hier die insgesamt elfte Steuerbelastung wirk-lich umgesetzt wird.

    Da Dienstwagen mit einem hohen CO2-Aussto nun strker besteuert werden sol-len, erho t man sich aber auch eine kolo-gisierung dieses Sektors. Ist das an sich nicht wnschenswert?Dieser Vorwand ist doch scheinheilig. Dienstwagen sind ja jetzt schon fast im-mer Fahrzeuge, die hchstens drei oder vier Jahre lang gefahren werden. Das sind durchwegs neue, hoche ziente Au-tos mit geringen CO2-Werten. Weitaus mehr wrde es bringen, den Tausch von zehn oder fnfzehn Jahre alten Autos mit hohen CO2-Emissionswerten und vergleichsweise schwachen Verkehrssi-cherheitsstandards gegen neuere Model-le zu frdern. Solche Manahmen htten einen deutlich hheren kologischen Wert.

    Nun sollen die sterreicher durch die Steu-erreform aber generell fi nanziell entlastet werden. Kann das die Wirtschaft und den Automobilmarkt nicht auch ankurbeln? Profi tieren werden von den Steuerent-lastungen nur jene Einkommensschich-ten, die im Normalfall keinen Neuwagen kaufen werden. Auf die Automobilwirt-schaft wird die Reform damit keinen po-sitiven E ekt haben. Ganz im Gegenteil: Betro en von der Mehrbesteuerung der Dienstwagen werden ja nicht nur eine Handvoll Generaldirektoren sein, son-dern sterreichweit mehr als 300.000 Personen wie Auendienstmitarbeiter, deren Einkommen e ektiv deutlich be-schnitten werden.

    Wie sollte eine Steuerreform dann Ihrer Meinung nach aussehen?Es ist nicht meine A