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Formen der afrokubanischen Batá-Musik in La- tin-Jazz und Popmusik Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung, dem Lan- desprüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen vorgelegt von: Jan-Hendrik Herrmann Köln, den 18.3.2013 Prof. Dr. Michael Rappe Hochschule für Musik und Tanz Köln

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Formen der afrokubanischen Batá-Musik in La-tin-Jazz und Popmusik

         

   Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung, dem Lan-

desprüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen vorgelegt von:

           

Jan-Hendrik Herrmann Köln, den 18.3.2013

Prof. Dr. Michael Rappe Hochschule für Musik und Tanz Köln

 

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Inhalt: 1.   Einleitung  ..........................................................................................................  1      

Teil I Drums are life itself.

Kulturelle Identität und Batá: Ursprung, Tradition und soziale Funktion

 2.   Die  Santería  –  Ein  kurzer  Überblick  ........................................................  3  2.1.   Die  Entstehung  Santería  ..................................................................................  3  2.2.   Strukturen  der  Santería  ...................................................................................  7  2.3.   Die  Entwicklung  der  Santería  seit  der  Abschaffung  der  Sklaverei  10  

 3.   Batá  ..................................................................................................................  14  3.1.   Funktion  und  Bedeutung  der  Batá-­‐Tradition  in  der  Santería  .........  14  3.2.   Konzeption  der  Toques  .................................................................................  17  3.2.1.   Alubanche  ..................................................................................................................  19  3.2.2.   Obatalá  ........................................................................................................................  20  3.2.3.   Chacha  Lokafu  .........................................................................................................  21  

3.3.   Kulturelle  Identität  und  die  Batá-­‐Tradition  ..........................................  22        

Teil II Rebuilding a life.

Öffnungs- und Säkularisierungsprozesse der Batá-Toques: Kulturelle Identitäten im Spannungsfeld zwischen Globalisierung, Delokalisierung und Kulturpolitik

 4.   Kubanische  Kulturpolitik  als  Säkularisierungsmotor  ...................  27  4.1.   Adaptionen  von  Toques  in  neuen  Rhythmen  ........................................  27  4.2.   Kulturelles  Kapital  wird  zu  musikalischem  Material:  Säkularisierung  der  Batá-­‐Toques  durch  die  kubanische  Kulturpolitik  ...  30  4.2.1.   Entwicklung  der  kubanischen  Kulturpolitik  ..............................................  30  4.2.2.   Die  Santería  unter  kulturpolitischem  Einfluss  ..........................................  33  

4.3.   Incognito,  Santana  und  Eddie  Palmieri:  Beispiele  für  vollständig  säkularisierte  Toques  ...............................................................................................  38  

 5.  Identitätskonzepte:  Batá  im  globalisierten  und  delokalisierten  Umfeld  ................................................................................................................  43  5.1.   Identitäten  im  Spannungsfeld  lokaler  Kulturformen  .........................  45  5.2.   Geliehene  Identitäten:  Santana  und  Poncho  Sanchez  ........................  51  5.2.1.   Santana:  Shangó  .....................................................................................................  51  5.2.2.   Poncho  Sanchez  ......................................................................................................  58  

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5.3.   Latin  Jazz:  Der  Weg  zur  Synthese  ..............................................................  63  5.3.1.   Afro  Roots:  Mario  Bauzá  und  Mongo  Santamaria  ....................................  65  5.3.2.   Latin  Jazz  auf  Kuba  ................................................................................................  75  

 6.   Zusammenfassung  ......................................................................................  80    7.   Quellen  ............................................................................................................  82  7.1.   Literatur  .............................................................................................................  82  7.2.   Musik  ...................................................................................................................  85  7.3.   Film  ......................................................................................................................  87  7.4.   Internetseiten  ..................................................................................................  88  

 8.   Anhang  ............................................................................................................  89  8.1.   Notenbeispiele  .................................................................................................  89  

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1. Einleitung

Die afrokubanische Batá-Musik entstand innerhalb eines religiösen Kontextes.

Die Verwendung außerhalb dessen war streng ausgeschlossen und wurde durch

Geheimhaltungsstrategien zu vermeiden versucht. Dennoch haben es diese

Rhythmen und die Gesänge dieser Religion geschafft, sich von diesem Kontext

zu lösen, sodass sie heute in vielfältigen Stilen Populärer Musik auftauchen.

Dabei fällt auf, dass sie in einigen Fällen einen engen Bezugsrahmen zu ihren

kulturellen Ursprüngen behalten, in anderen Fällen hingegen als musikalisches

Material verwendet werden, um neue Klangdimensionen hinzuzufügen. Nun

stellt sich die Frage, wie eine Musikform, die so stark sozio-kulturell verwur-

zelt ist in so umfangreichem Maße säkularisiert werden konnte. Welche sind

die dafür verantwortlichen Prozesse?

Dieser Frage möchte ich in dieser Arbeit auf den Grund gehen, um den

Öffnungs- bzw. Säkularisierungsprozess der Batá-Musik nachzuvollziehen.

Dabei gliedert sich die Arbeit in zwei Teile.

Im ersten Teil betrachte ich die historischen Ursprünge und sozio-

kulturellen Hintergründe der Batá-Musik auf Kuba, um zu untersuchen, welche

Bedeutung ihr für die afrokubanische kulturelle Identität zukommt. Zunächst

verschaffe ich einen kurzen Überblick über den kulturellen und kontextuellen

Rahmen dieser Musik und beschreibe die Religion der Santería. Dabei betrach-

te ich die strukturellen Eigenschaften und die historische Entwicklung der Re-

ligion genauer (Kapitel 2). Daraufhin versuche ich die Batá-Musik in diesem

Kontext zu verorten, wobei ich genauer auf ihre Funktion und Bedeutung in-

nerhalb der Santería eingehe und einige der Rhythmen genauer untersuche.

Dadurch möchte ich aufzuzeigen, wie eng ihre Konzeption mit dem Glaubens-

system verbunden ist. Schließlich versuche ich nachzuweisen, dass die Batá-

Musik als musikalischer Ausdruck der Santería eine besondere Bedeutung in

der afrokubanischen Kultur hat und prägender Aspekt der afrokubanischen

Identität ist (Kapitel 3).

Im zweiten Teil gehe ich zwei zentralen Aspekten nach, die ich als die

für die Öffnung und Säkularisierung der Batá-Musik verantwortlichen Prozesse

vermute. Als erstes untersuche ich, inwieweit die postrevolutionäre kubanische

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Kulturpolitik dafür verantwortlich ist, dass Batá-Musik dekontextualisiert wer-

den konnte und sich die Religion gegenüber der öffentlichen Verwendung ihrer

Musik geöffnet hat (Kapitel 4). Dabei führe ich einige Beispiele für dekontex-

tualisierte Verwendung von Batá-Rhythmen in Populärer Musik auf und zeige,

wie weltliche kubanische Tanzstile der 60er und 70er Jahre auf Elemente die-

ser Musik zurückgreifen. Im Folgenden untersuche ich anhand der Stile Latin

Rock und Latin Jazz wie die Säkularisierung von Batá-Rhythmen dadurch vo-

ran getrieben wurde, dass sie Teil einer afrokubanischen Identität sind, die sich

durch eine zunehmende Delokalisierung in neuen Umfeldern neu orientieren

muss (Kapitel 5). Dabei werde ich versuche aufzuzeigen, dass sich neue, kom-

plexe Bezugsrahmen für diese Musik fanden, die sie teilweise dekontextuali-

sierten, um sie dann neu zu kontextualisieren, um sie so zu einem kulturellen

Ausdruck hybrider Identitäten zu machen. Ich gehe genauer auf zwei Strate-

gien dieser Neuorientierung ein: Den strategischen Essentialismus und den

strategischen Anti-Essentialismus. Ich beschreibe, wie sich diese Strategien

und die Neudefinitionen ethnischer und kultureller Identitäten in der Musik

widerspiegeln.

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Teil I Drums are life itself.

Kulturelle Identität und Batá: Ursprung, Tradition und soziale Funktion

2. Die Santería – Ein kurzer Überblick

2.1. Die Entstehung Santería

Die Santería (von santos, heilig; bedeutet soviel wie „Verehrung der Heiligen“)

auf Kuba ist neben dem Katholizismus eine der Hauptreligionen und kann als

Hauptbestandteil der kubanischen Musikkultur gesehen werden. Sie ist eine

synkretistische Religion1, die sich aus der Vermischung des afrikanisch-

animistischen Kultsystems der Volksgruppe der Yorubá (auf Kuba lucumí ge-

nannt) und Elementen des Katholizismus gebildet hat.2 Die Yorubá sind die

größte Volksgruppe Kubas und stammen ursprünglich aus dem heutigen Süd-

West-Nigeria und Ost-Benin.3 Die Santería wird auch regla de ocha-ifá ge-

nannt.4 Durch die langanhaltende Sklaverei war das „[...] Gewicht der afrikani-

schen Präsenz in der ethnisch-kulturellen Zusammensetzung Kubas [...] im-

mens“5. Dadurch konnten die Versuche der Sklaven, ihre Religionen zu erhal-

ten und auf ihr neues Lebensumfeld zu übertragen, in der Entstehung der San-

tería münden, die bis heute noch einen großen Teil der afrokubanischen Kultur

prägt.

                                                                                                               1  Ned  Sublette  bemerkt   zum  Begriff   Synkretismus  an,  dass  dieser  ein  ge-­‐wisses   Verhältnis   zwischen   den   vorhandenen   Religionseinflüssen   sugge-­‐riere.  Er  definiert  den  Begriff  in  Bezug  auf  die  Santería  als  Yorubá-­‐Religion  mit   notwendigen   Einflüssen   des   durch   die   Kolonialherren   praktizierten  Formen  des  Katholizismus,  die  notwendig  waren,  um  die  eigenen  religiö-­‐sen  Absichten  zu  tarnen.  Außerdem  verweist  er  darauf,  dass  alle  afrikani-­‐schen   Religionen   einen   gewissen   synkretistischen   Gehalt   haben,   da   sie  ihrer  Natur  nach  offen   für   andere  Einflüsse   sind.   So   sei   es  möglich,   dass  Kubaner  mehreren  Religionen  gleichzeitig  angehören.  Vgl.  Sublette  2004,  S.  213.  2  Vgl.  Birkenstock/Blumenstock  2002,  S.  148.  3  Vgl.  Herzog  1998,  S.  105.  Für  weitere  Informationen  zur  Herkunft  der  Yorubá  siehe  Sublette  2004,  S.  206  ff.    4  Vgl.  Roy  2000,  S.  25.  5  Vinueza  2004,  S.  87  

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Die Heiligen sind afrikanische Gottheiten, die auf lucumí orishas ge-

nannt werden. Allerdings ist der Begriff „Götter“ irreführend, da er durch unse-

re soziokulturelle Konditionierung bedingt Assoziationen auslöst, die sich auf

den christlichen Gottesbegriff beziehen, mit dem das religiöse und philosophi-

sche Konzept der orisha oder deren Potenz nichts zu tun hat.6 In der Weltan-

schauung der Santería gibt es keinen Teufel und keine Dämonen. Jeder orisha

hat verschiedene Eigenarten in denen Gut und Böse zu jeder Zeit präsent sind.7

Es werden zu Ehren einzelner Heiligen spezifische Rituale und Zeremonien

abgehalten, um mit ihnen in Verbindung zu treten. Die zentralsten Bestandteile

sind Tanz, Gesang und Trommelrhythmen. Es wird dabei aber nicht nur Batá,

sondern auch bembé, güiro oder auch rumba zu Ehren der Heiligen gespielt.

Während der Zeremonien wird durch Batá-Rhythmen versucht, die orishas zu

rufen, damit sie herabsteigen und sich in ausgewählten Personen manifestieren

und sich im Trancezustand durch sie mitteilen.8 Die Feste und Zeremonien

werden aus unterschiedlichsten Anlässen wie Namenstagen, Festtagen, die

einer bestimmten Gottheit gewidmet sind, religiösen Feiertagen oder Gedenk-

feiern zu Ehren Eingeweihter und deren orisha gefeiert.9 Sie gipfeln häufig in

der Initiation oder der Präsentation eines neuen Schützlings (iyawó). Auch zur

Erinnerung an solche Initiationen wird in den folgenden Jahren an diesem Da-

tum gefeiert.10 Die Zeremonien können in geschlossenen Räumen im Kreise

einer kleineren Gemeinde oder auch öffentlich (z.B. in Prozessionen) abgehal-

ten werden.11 Teile dieser Zeremonien sind öffentlich, während andere Teile

(z.B. die Darbringung von Opfergaben) im geschlossenen Kreis der santeros

(Initiierten) abgehalten werden.12

Die Santería als eine synkretistische Mischreligion entstand zu Zeiten

der Sklaverei auf Kuba. Die afrikanischen Sklaven, die nach Kuba verschleppt

wurden entstammten unterschiedlichen Volksgruppen und Stämmen aus ver-

schiedenen Regionen Afrikas. Um sie gezielt zu entwurzeln und um jede Mög-

                                                                                                               6  Vgl.  Herzog  1998,  S.  106.  7  Vgl.  Sublette  2004,  S.  223.  8  Vgl.  Roy  2000,  S.  27  und  Vélez  2000,  S.  25.  9  Vgl.  Roy  2000,  S.  25.  10  Vgl.  Vinueza  2004,  S.  88.  11  Vgl.  Birkenstock/Blumenstock  2002,  S.  150.  12  Vgl.  Vélez  2000,  S.  81  f.  

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lichkeit der Organisation untereinander zu unterdrücken (beispielsweise zur

Planung eines Aufstandes), wurden Sklaven unterschiedlicher Herkunft in ihre

Unterkünften, den sogenannten cabildos, gemischt.13 Im Zuge dieser „aktiven

Dekulturation“14 der Afrikaner durch die spanischen Kolonialherren wurden

sie untereinander mit ihren verschiedenen Kulturen konfrontiert, was die Auf-

rechterhaltung von Aspekten der jeweiligen eigenen Kulturform (wie z.B. Re-

ligion) erschwerte. Hinzu kam, dass häufig Mitglieder rivalisierender Stämme

oder Volksgruppen in den cabildos aufeinander trafen.15 Unter diesen Umstän-

den mussten religiöse Praktiken rekonstruiert und verändert werden, um Ele-

mente der ursprünglichen Religionsformen überhaupt aufrecht erhalten zu

können. Aus diesem Grund, haben diese nicht in ihrer Reinform auf Kuba be-

stehen können. Ein weiterer Grund dafür ist, dass bevorzugt junge und kräftige

Afrikaner deportiert wurden, weil sie am leistungsstärksten und robustesten

waren. Innerhalb ihrer religiösen Gemeinschaft sind sie jedoch noch zu jung

gewesen, um vollständig in die Praktiken und Überlieferungen ihrer Religionen

eingeweiht werden zu können. Diese Sklaven waren dementsprechend keine

eingeweihten Priester, Sänger oder Trommelbauer, die über das Wissen verfügt

hätten, ihren religiösen Kontext auf Kuba zu rekonstruieren. Sie konnten ledig-

lich auf ihre lückenhaften Kentnisse zurück greifen. So wurden Trommeln aus

den ihnen zur Verfügung stehenden Materialien nachgebildet und Texte und

Rhythmen veränderten sich. Durch die Vermischung der Sklaven in den cabil-

dos kam es zu Vermischungen verschiedener Religionen und damit zu einer

Verwässerung der Ursprungsformen.16 Maya Roy verweist allerdings darauf,

dass durch den lange anhaltenden Sklavenhandel auf Kuba bis in das letzte

Drittel des 19. Jahrhunderts hinein, Traditionen immer wieder erneuert und

ergänzt werden konnten, da immer wieder große Sklavenkontingente mit „in-

takten Ursprungskulturen“17 auf Kuba ankamen.

Die einflussreichste dieser Ursprungskulturen war die Volksgruppe der

Yorubá, deren Einfuhr im 19. Jahrhundert bis zum Ende der Sklaverei 1886 im

Verhältnis zu anderen ethnischen Gruppen besonders hoch war. Durch die                                                                                                                13  Vgl.  Birkenstock/Blumenstock  2002,  S.  143  ff.  14  Birkenstock/Blumenstock  2002,  S.  148.  15  Vgl.  Roy  2000,  S.  22.  16  Vgl.  Roy  2000,  S.  23  ff.  17  Roy  2000,  S.  22.  

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Mehrheit dieser Ethnie unter den Sklaven ist ihr kulturelle Einfluss dement-

sprechend groß gewesen und hat die afrokubanische Kultur maßgeblich mitge-

prägt:

„Without the massive injection of Lucumí into the Afro-Cuban cultural landscape, we would not recognize Cuba as it is today. With their urban cool and their exquisite music, the penetration of the Lucumí into the Afro-Cuban cultural matrix made Cuban music [...] even more power-ful.“18

Da die Lucumí in den letzten Jahren des Sklavenhandels in so großen Massen

nach Kuba verschleppt wurden, und die Händler bereits begonnen hatten,

Frauen und ältere Männer als Sklaven zu handeln, kam eine breiter Teil einer

ganzen Gemeinschaft, inklusive religiöser Autoritäten und geübter Musiker

nach Kuba.19 In dieser Zeit muss die heutige Form der Santería demnach ge-

prägt worden sein. Fernando Ortíz schreibt, dass seines Wissens nach das erste

Set geweihter Batá-Trommeln auf Kuba 183020 für ein cabildo in La Habana

von einem babalawo und einem olubatá gebaut worden sei, die beide in den

20er Jahren des 19. Jahrhunderts nach Kuba verschleppt worden waren.21 Die

Linie der geweihten Batá-Sets ist noch bis heute auf Kuba bis zu diesem ersten

Set zurück verfolgbar.22 1950 soll es nur fünfzehn geweihte Batá-Sets auf Ku-

ba gegeben haben.23

Die spanischen Kolonialherren verlangten von den Sklaven, dem Ka-

tholizismus beizutreten. Bei ihrer Ankunft in einer der Hafenstädte La Habana

oder Matanzas wurden alle Sklaven getauft und bekamen einen spanischen

Namen, dem der Herkunftsort oder der Name ihrer Ethnie als Nachname ange-

hängt wurde.24 Da ihre afrikanischen religiösen Praktiken verboten waren,

mussten die Sklaven Aspekte ihrer Religion mit Aspekten des Katholizismus

vermischen, um sie so zu tarnen. Es gab zwischen den Heiligen des Katholi-

                                                                                                               18  Sublette  2004,  S.  211.  19  Vgl.  Sublette  2004,  S.  211  f.  20  Vélez  differenziert  in  ihren  Angaben,  nach  denen  das  erste  Set  1830  in  Havana  von  Juan  el  Cojo  und  Filomeno  García  gebaut  wurde,  mehr  als  Ul-­‐rike  Herzog.  Vgl.  Vélez  2000,  S.  53.  21  Vgl.  Herzog  1998,  S.  110  f.  22  Vgl.  Vélez  2000,  S.  50  ff.    23  Vgl.  Sublette  2004,  S.  230.  24  Vgl.  Herzog  1998,  S.  107.  

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zismus und den afrikanischen Gottheiten Parallelen in Form bestimmter Eigen-

schaften, sodass den afrikanischen Göttern ein entsprechender katholischer

Heiliger zugewiesen wurde. Dieser konnte dann mit Riten verehrt werden. Die

heilige Barbara beispielsweise wurde Changó, der Herr des Blitzes, die heilige

Jungfrau Maria von El Cobre, einem Kupferstädtchen im Osten der Insel, wur-

de Oshún, die Göttin des Süßwassers und Johannes der Täufer wurde Ogún,

Gott des Eisens und des Krieges.25

Heute werden auf Kuba innerhalb der Santería noch etwa 22 orishas

verehrt. Ursprünglich gab es 400 bis 1500 orísás (Schreibweise auf Yorubá).26

Ned Sublette erwähnt, dass in der Sociedad Yoruba in Havanna 33 Statuen und

Darstellungen von orishas ausgestellt seien und zieht aus dieser Entwicklung

die folgende Schlussfolgerung:

„The lesson to be learned from this: the gods can die if people do not keep them alive. The Africans in Cuba worked hard to save theirs, and with them they conserved their way of life and their music.“27

2.2. Strukturen der Santería

Entscheidend dafür, dass die Santería so viele repressive Phasen überstanden

hat und sich immer wieder an die sich verändernden Umfelder und Verhältnis-

se anpassen konnte, ist das Fehlen einer offiziellen Orthodoxie. Das ermöglicht

es der Santería, sich flexibel an veränderte Lebensumstände der santeros anzu-

passen und so zu überdauern. Sie akzeptiert neue Einflüsse, neue Interpretatio-

nen und passt sich den Bedürfnissen der heterogenen und mittlerweile mul-

tiethnischen Gruppe ihrer Mitglieder an. Dies macht sie zu einer sehr dynami-

                                                                                                               25  Vgl.  Herzog  1998,  S.  109  f.  Für  eine  umfangrieche  Übersicht  über  das  Pantheon  der  Santería  siehe  http://www.eriwo.de/artikel.htm  (10.3.2013)  26  Vgl.  Herzog  1998,  S.  115.  Für  eine  detailliertere  Betrachtung  der  Ent-­‐wicklung  der  Santería  vor  dem  Hintergrund  der  Sklaverei  siehe  Hans  Ge-­‐rald  Hödl,  Afroamerikanische  Religionen.  Eine  Einführung,  Vorlesungs-­‐skript  Sommersemester  2006,  http://homepage.univie.ac.at/hans.hoedl/aframskript.pdf  (10.3.2013)    27  Sublette  2004,  S.  213.  

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schen Religion.28 Diese Flexibilität begründet sich in den afrikanischen Ur-

sprüngen der Religion. Afrikanische Religionen haben immer schon unabhän-

gig von politischen oder ethnischen Grenzen Elemente anderer religiöser Ideen

und Praktiken übernommen und adaptiert.29 Diese Offenheit ermöglichte erst

die Transformation afrikanischer Religionen zu afroamerikanischen Religionen

wie der Santería oder auch dem brasilianischen Candomblé. Die Santería konn-

te sich auch den multiethnischen Bedingungen der USA anpassen und ist dort

heute eine Religion, die Ethnien übergreifend von Latinos, Afroamerikanern

und Euroamerikanern praktiziert wird.30 Dementsprechend gibt es innerhalb

der Santería Unterschiede zwischen den einzelnen Häusern und Tempeln, die

ihren eigenen Blick auf die Religionsgemeinschaft offenbaren. 31

Trotz fehlender Orthodoxie existiert eine Rangordnung unter den san-

teros, die hauptsächlich mit ihren erworbenen Erfahrungen, mit ihrem Wissen

um geheime Aspekte der Santería sowie den damit verbundenen Modi zur

Weitergabe dieses Wissens zusammen hängt. Diese Rangfolge kann von jedem

santero durchlaufen werden und spiegelt den Initiationsgrad und die Funktion

der jeweiligen Teilnehmer in einer Zeremonie wider.

Die Meister (osainista, italero, iyawona) sind mit der Durchführung der

Rituale und Feierlichkeiten betraut. Sie verfügen über ein umfangreiches rituel-

les Wissen und kennen die zahlreichen Überlieferungen und Geschichten. Sie

sind dafür verantwortlich ihr Wissen in der täglichen Praxis zu vermitteln und

pflegen die mündlichen Überlieferungen, um so den Kult ihrer Ahnen am Le-

ben zu erhalten. Die iyawó sind für die aufwändigen und intensiven Vorberei-

tungen der Feste verantwortlich. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehören bei-

spielsweise die Versorgung der neu Initiierten, die Reinigung und die Herrich-

tung der Altäre, die Opferbringung der Opfertiere, die Organisation des rituel-

len Festessens und vieles mehr. Die höchste Stellung in diesem System neh-

men die babalawos (die Priester) babaloshas und die iyaloshas ein.32

Den Kern der regla de ocha bildet die Familie, wobei das Haus eines

jeden Eingeweihten auch gleichzeitig Kultstätte ist. Jedes Haus hat seinen                                                                                                                28  Vgl.  Vélez  2000,  S.  11  und  S.  134.  29  Vgl.  Vélez  2000,  S.  11  f.  30  Vgl.  Vélez  2000,  S.  135.  31  Vgl.  Vélez  2000,  S.  xviii.  32  Vgl.  Vinueza  2004,  S.  88.  Für  detailliertere  Informationen  zu  Initiations-­‐ritualen  und  Stellungen  in  der  Santería  siehe  Sublette  2004,  S.  206  ff.  

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Hauptheiligen, welchem die wichtigsten Feste eines Jahres gewidmet werden.

Besonders wichtig ist der spezifische Festtag dieses Hauptheiligen. 33 Die

Durchführung der Rituale und der Zeremonien unterliegt dabei jedem einzel-

nen Haus selbst. Es können durchaus Unterschiede in der Durchführung der

Feierlichkeiten zwischen den einzelnen Häusern auftreteten.

Innerhalb des Rituals nehmen die Priester, der akpwón (der Solosänger)

und die olubatá (die Batá-Spieler) die wichtigsten Positionen ein. Der akpwón

ist Hüter und Vermittler der Tradition. Er ist eine der zentralen Personen im

musikalischen Geschehen. Mit seinen Beschwörungsgesängen spricht er die

Heiligen an und tritt – auf der Basis der dialogischen Strukturen mit dem Chor

– in eine Vermittlerrolle zwischen Gesang und Trommelmusik.34

Die olubatá sind die Einzigen, die zur Weihung der heiligen Instrumen-

te befugt sind. Nicht jeder kann das Batá-Spiel für die Zeremonien erlernen.

Die Fähigkeit die Batás zum Sprechen zu bringen um mit den orishas in Kon-

takt zu treten ist nicht jedem gegeben. Diese Energie wird ashé genannt. Sie ist

nötig, damit die Heiligen das Trommelspiel hören und herabsteigen.35 Felipe

Garcia Villamil (ein olubatá aus Matanzas) erläutert, dass es ein von den o-

rishas vorbestimmtes Schicksal sei, olubatá zu werden. Darüberhinaus ergreife

man aus Respekt vor den Heiligen und der religiösen Gemeinschaft nicht ei-

genmächtig die Initiative und beginne zu Trommeln, zu Lernen oder zu Üben,

sondern würde von den Älteren darum gebeten dann erst langjähriger Schüler

eines olubatás.36 Francisco Aguabella äußert sich zu seiner Lehrzeit als Batá-

Schüler folgendermaßen:

„When I was twelve years old I started playing the batá, first the okón-kolo drum for two years, then the itótele for three years, before I started playing the Iyá drum. After two years I had mastered the Iyá.“37

Frauen sind vom Batá-Spiel in der Santería generell ausgeschlossen und dürfen

die Trommeln nicht berühren.38

                                                                                                               33  Vgl.  Roy  2000,  S.  25.  34  Vgl.  Roy  2000,  S.  27.  35  Vgl.  Birkenstock/Blumenstock  2002,  S.  151.  36  Vgl.  Vélez  2000,  S.  42.  37  Francisco  Aguebello  in:  Fernández  2002,  S.  95.  38  Vgl.  Vélez  2000,  S.  xv.  

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Unter den olubatá nimmt der Iyá-Spieler eine besonders wichtige Rolle ein,

da er das Ensemble anleitet und durch spezielle rhythmische Muster in neue

Teile oder Überleitungen der Toques ruft. Zudem reagiert er auf die Tänzer

und Sänger (insbesondere auf den akpwón) und treibt das Geschehen musika-

lisch und energetisch durch Variationen voran. Eine Santería-Zeremonie ist

(ganz in der Tradition der afrikanischen Rituale) ein multimediales Ereignis,

das nur in seinem ganzen Umfang die Energie bereitstellen kann, die die Heili-

gen dazu bewegt, mit den santeros in Kontakt zu treten.

2.3. Die Entwicklung der Santería seit der Abschaffung der Skla-verei

Die Sklaverei wurde auf Kuba offiziell 1880 abgeschafft, existierte aber noch

etwa zehn Jahre lang in illegaler Form weiter.39 Mit dem Ende der Sklaverei

wurden die cabildos geschlossen. In den großen Städten Kubas wurden sie in

die cabildos de nacion umgewandelt. Sie wurden zu hierarchisch organisierten

Vereinigungen zum Schutz und zur gegenseitigen Unterstützung der Mitglieder

und zu religiösen Bruderschaften, in denen die einzelnen Gruppen wieder ein

soziales und religiöses Grundgefüge aufbauen konnten.40 Da die cabildos zu-

vor der Ort für religiöse Praktiken waren, fragmentierte sich die Santería in die

heute noch üblichen privaten Haustempel (casas templo).41 Die Clubhäuser der

cabildos wurden Mittelpunkte des sozialen Lebens. Sie bildeten die „[...]

Hauptzentren für die Ausübung künstlerischer Ausdrucksformen wie Musik

und Tanz und für die Rekonstruktion und Weiterentwicklung religiöser Prakti-

ken.“ 42 Mit der Befreiung der Sklaven setzte eine Massenbewegung in die

großen Städte ein, in denen sich die Sklaven Arbeit versprachen. Dadurch wur-

den vor allem die Städte zu Zentren der Santería. Die massive Migration in die

Städte führte zu einem rasanten Anwachsen der Slums, wo Krankheiten und

Epidemien ausbrachen.43 Die Armut der afrokubanischen Bevölkerung führte

                                                                                                               39  Vgl.  Leymarie  2002,  S.  10.  40  Vgl.  Roy  2000,  S.  22.  41  Vgl.  Sublette  2004,  S.  255.  42  Herzog  1998;  S.  112.  43  Vgl.  Sublette  2004,  S.  256.  

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  11  

dazu, dass sich viele der ehemaligen Sklaven der Unabhängigkeitsbewegung

anschlossen.44

Nachdem Kuba 1898 unabhängig geworden war, setzten die USA am

ersten Januar 1899 eine militärische Regierung ein und sicherten ihren Einfluss

auf Kuba 1902 mit dem „Platt-Amendment“, einem Verfassungszusatz, der der

USA ein militärisches Interventionsrecht einräumte.45 Mit Beginn des us-

amerikanischen Einflusses auf die kubanische Wirtschaft und Politik begann

eine Phase der rassistischen Diskriminierung afrokubanischer Religionen durch

die eigene kubanische Regierung, die schließlich viele Kubaner – unter ihnen

auch viele Musiker – dazu veranlasste, das Land zu verlassen und in die USA

zu immigrieren. Die afrokubanische Bevölkerung war bereits zuvor von den

weißen Hispanokubanern diskriminiert worden. Sie spielten den Anteil der

Afrokubaner an den Kämpfen des Unabhängigkeitskrieges herunter. Die His-

panokubaner sahen in dem Rassismus, den die weißen US-Amerikaner den

Afrokubanern entgegenbrachten, eine Bestätigung und Ermutigung ihrer eige-

nen Überlegenheit. Dementsprechend wurden Positionen in der Regierung oder

höhere wirtschaftliche Führungspositionen von den weißen Kubanern über-

nommen, während große Teile der afrokubanischen Bevölkerung auf den Zu-

ckerplantagen arbeiteten.46 Es setzte eine Segregation ein, sodass es Afrokuba-

nern sogar verboten war, bestimmte Straßen oder Bereiche in Parks zu betre-

ten.47 Seit der Präsidentschaft von José Manuel Goméz (1909-1913) sahen sie

sich zunehmend häufiger staatlicher Gewalt ausgesetzt und durch die staatliche

Verfolgung der Santería und das Verbot von Trommeln oder Musikstilen, die

der Regierung zu afrikanisch erschienen, wurde versucht afrokubanische Kul-

turelemente systematisch auszulöschen.48 Unter Präsident Albert Zayas (1921-

1925) wurde die rumba und unter Gerardo Machado (1928-1933) schließlich

auch comparsa und son verboten.49 Als Folge dieser rassistischen Diskriminie-

rung verbreiteten sich Vorurteile gegen die afrokubanischen Religionen, die

von sensationalistischen Pressemitteilungen, die sie mit kriminellen Aktivitäten

                                                                                                               44  Vgl.  Sublette  2004,  S.  255.  45  Vgl.  Sublette  2004,  S.  283  und  Zeuske  2007,  S.  156  f.  46  Vgl.  Sublette  2004,  S.  291.  In  Kapitel  5.1.  gehe  ich  näher  auf  die  Diskri-­‐minierung  der  Afrokubaner  ein.  47  Vgl.  Leymarie  2002,  S.  45.  48  Vgl.  Zeuske  2004,  S.  103.  49  Vgl.  Leymarie  2002,  S.  44.  

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in Verbindung brachten, noch verstärkt wurden. Schließlich wurden afrokuba-

nische Religionen ganz verboten. Instrumente und religiöse Gegenstände wur-

den bei Razzien beschlagnahmt und entweiht. 50

Nach der kubanischen Revolution besserte sich die Lage für die afroku-

banischen Religionen nicht wesentlich. Immer noch verfolgt und nicht gesell-

schaftlich akzeptiert, mussten Zeremonien im Verborgenen abgehalten werden.

Die Kulturpolitik des sozialistischen Staates begann zwar die Musik der afro-

kubanischen Religionen als kulturellen Wert zu erkennen und zu fördern,

trennte sie aber gänzlich vom religiösen Kontext ab und durchbrach die Aufla-

gen der Geheimhaltung.51 Anhänger einer Religion wurden aus der Partei aus-

geschlossen bzw. konnten keine Parteimitglieder werden.

Erst in den 70er Jahren lockerte sich die Einstellung der Regierung ge-

genüber den afrokubanischen Religionen, als der kubanische Bildungs- und

Kulturkongress Religion als eine Privatsache anerkannte und sie als außerhalb

des staatlichen Einflusses erklärte. Die Freiheit der Ausübung einer jeden Reli-

gion wurde 1976 in die Verfassung übernommen. In den 80er Jahren bekamen

die afrokubanischen Religionen zunehmend mehr mediale Aufmerksamkeit

und es begann ein Austausch zwischen kubanischen Lucumí- und afrikani-

schen Yorubá-Führern. 1991 beschloss der „Fourth Party Congress of the

Cuban Communist Party“, dass die Ausübung einer Religion keinen Einfluss

auf die Mitgliedschaft in der Partei haben darf. Die „Yoruba Conference“ 1992

wurde von der Partei offiziell als ein Meilenstein in der Beziehung zwischen

Wissenschaftlern und Gläubigen bezeichnet. Die Erforschung der afro-

diasporischen Wurzeln der kubanischen Religionen wird seit dem an der

„Academy of Science of Cuba“ voran getrieben.52

Mit den afrokubanischen Immigranten kam die Santería schließlich

auch in die USA, wo ihr später im Zuge des civil rights movement und dem

pan-afrikanistischen Gedanken besondere Bedeutung zukam. Da es in den

USA aber keine geweihten Batás gab, konnten keine Zeremonien durchgeführt

werden. Dennoch entwickelte sich die Santería in New York in den 40er und

50er Jahren und die erste Zeremonie, die Batás verwendete, soll 1961 in der

                                                                                                               50  Vgl.  Vélez  2000,  S.  27.  51  In  Kapitel  4.2.  gehe  ich  genauer  auf  die  kubanische  Kulturpolitik  und  ihre  Auswirkungen  auf  die  afrokubanischen  Religionen  ein.  52  Vgl.  Vélez  2000.  

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Bronx stattgefunden haben, in der das Batá-Ensemble nicht-geweihter Trom-

meln von Juliti Collazos angeleitet wurde.53 Wer sich damals initiieren lassen

wollte, musste unter hohen Kosten nach Kuba reisen und die meisten der Batá-

Sets, die im Laufe der Zeit in die USA kamen, wurden auf Kuba gebaut und

teilweise auch initiiert.54

Durch die fehlende Orthodoxie und die verschiedenen ethnisch-

kulturellen Gruppen in den USA, entwickelten sich verschiedene Santería-

Praktiken, die sich zunehmend von der ursprünglichen Santería auf Kuba lös-

ten. So wird beispielsweise in New York dem Waschungsritual und dem Pakt,

der bei der Vorstellung eines frisch initiierten santeros vor den Batás nicht

soviel Bedeutung beigemessen. 55 Durch das Aufeinandertreffen von us-

santeros und kubanischen santeros kommt es darum häufig zu Konflikten und

Debatten. Viele Kubaner halten die us-amerikanischen Formen der Santería für

profan.56 Mit der us-amerikanischen Santería setzte auch eine Verschriftli-

chung der Traditionen und der Batá-Linien ein, der in den USA mehr Bedeu-

tung beigemessen wird, als auf Kuba.57

Auf die Bedeutung der Santería innerhalb der schwarzen Bürgerrechts-

bewegung in den USA und des auftauchenden Pan-Afrikanismus gehe ich in

Kapitel 5.3.1. noch genauer ein.

                                                                                                               53  Vgl.  Vélez  2000,  S.  144  f.    54  Vgl.  Vélez  2000,  S.  60.  55  Vgl.  Vélez  2000,  S.  119.  56  Vgl.  Vélez  2000,  S.  142  f.  57  Vgl.  Vélez  2000,  S.52.  

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  14  

3. Batá

3.1. Funktion und Bedeutung der Batá-Tradition in der Santería

Die Batá-Musik der Santería ist ein zentraler Bestandteil der religiösen Zere-

monien. Sie ist niemals funktionslos, sondern steht immer in engem Zusam-

menhang zum zeremoniellen Geschehen. Somit werden die Zeremonien durch

die enge Verbundenheit der Trommelmusik mit den Tänze und den Gesänge zu

einem multimediales Ereignis im Sinne der actionality nach Ben Sidran. Hierin

zeigt sich eine kulturtypische Verwandtschaft mit den afrikanischen oral cul-

tures, denen die afrokubanische oral culture entstammt.58 Dementsprechend

findet zwischen den Elementen von Musik und Tanz eine stetige Kommunika-

tion statt, bei der alle Beteiligten involviert sind. Die Zeremonien der Santería,

in denen die Batás gespielt werden, heißen Toques de Santo. Toque werden

außerdem die zyklischen Rhythmen genannt, die von den Batás gespielt wer-

den. Jeder orisha hat seinen eigenen Korpus an Toques, Texten, Gesängen,

Tänzen und Legenden. Die Legenden und Texte erzählen von den Ursprüngen

der Heiligen, ihren recht menschlichen Eigenarten und Wesenszügen und von

ihren Beziehungen untereinander. Die Rhythmen, Tanzbewegungen und Ge-

sänge sind auf ihre Wesenszüge zugeschnitten und werden ausschließlich für

den betreffenden orisha gespielt, um mit ihm in Kontakt zu treten.59 Auch die

Interpretation, die Tempi und die Dynamik richten sich nach den persönlichen

Merkmalen des orisha.60 Die Gesänge der orishas gehen immer mit den Le-

genden und Geschichten einher. Beides wird – auch außerhalb des rituellen

Kontextes – heute zusammen vermittelt. Dies zeigt, dass die Musik nicht kom-

plett vom inhaltlichen Kontext zu trennen ist und die Vermittlung des Umfel-

des und die Vermittlung der religiösen Anschauungen und des Weltverständ-

nisses notwendig ist, um den musikalischen Ausdruck verstehen zu können.61

Es gibt verschiedene Instrumentalensembles, die während einer Zere-

monie zum Einsatz kommen können. Am häufigsten sind neben den Batás das

chekeré-Ensemble und das bembé-Ensemble. Das Batá-Ensemble wird für die                                                                                                                58  Vgl.  Sidran  1993,  S.  22  ff.  59  Vgl.  Vélez  2000,  S.  12.  60  Vgl.  Vélez  2000,  S.  174.  61  Vgl.  Vélez  2000,  xiv.  

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wichtigsten Rituale verwendet und gilt in der Santería als einer der stärksten

Kanäle, um mit der Welt der orisha in Verbindung treten zu können.62

Das Batá-Ensemble besteht aus drei Batá-Trommeln (auch ilú genannt):

der okónkolo, der itótele und der iyá. Dabei handelt es sich um sanduhrförmige

Trommeln in drei verschiedenen Größen, die aus Zedern- oder Mahago-

nistämmen gefertigt werden. Sie gehören zu den bi-membranophonen Trom-

meln und sind auf beiden Seiten mit Ziegenfellen bespannt. Das kleinere Fell

wird chacha, das größere Fell wird Enú oder bóca (Mund) genannt.63 Die

chacha wird mit Slaps und die bóca offen als auch gedämpft gespielt. Die Felle

sind auf unterschiedliche Tonhöhen gestimmt, wodurch sich im Zusammen-

spiel aller drei Trommeln dicht verwobene Melorhythmen bilden. Viele der

Rhythmen enthalten übertragene Melodien aus den Gesängen der orisha. Diese

Semantisierung von Rhythmen durch einen melodiösen Bezug zur Sprache ist

typisch für die afrikanischen oral cultures und ist in der afrokubanischen Mu-

sik erhalten geblieben.64

„It is said that the batá „speak tongue“, meaning that they imitate the ri-tual language used to adress the deities – Lucumí or anagó, a language in which intonation has semantic value – intonation that can be imitated with the drums.“65

Mit ihren sechs Ausgangstönen verfügen die Batás der Santería über das kom-

plexeste Klangsystem aller rituellen Trommeln.66

Für santeros sind Batás viel mehr als einfache Instrumente. Sie sind

eine spirituelle Entität, die über eine Kraft (Añá) verfügt, die es ihnen ermög-

licht mit den Heiligen in Kontakt zu treten. Geweihten Batá-Trommeln spricht

man einen eigenen Willen zu. Sie sind die Akteure des Rituals, nicht die ihre

Spieler. Ihnen werden die santeros nach der Initiation vorgestellt und zu ihnen

stellen sie ein spezielles, lebenslanges Verhältnis her. Babcock sieht Batá-

Trommeln daher als kulturelle Artefakte, als Objekte, die sich mitteilen und als

                                                                                                               62  Vgl.  Vélez  2000,  S.  39.  63  Vgl.  Herzog  1998,  S.  105.  64  Vgl.  Sidran  1993,  S.  25.  65  Vélez  2000,  S.  40.  66  Vgl.  Roy  2000,  S.  26.  

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signifikante Äußerungen einer persönlichen und kulturellen Reflexivität gehört

werden müssten.67

Während der Initiation der Batás wird Añá durch verschiedene Rituale

in die Trommeln übertragen und darin eingeschlossen. Durch diesen Prozess

werden die profanen Batás zu geheiligten Trommeln, die in Ritualen gespielt

werden dürfen. Einige santeros verstehen Añá als einen orisha, während ande-

re sie als eine Manifestation der Lebenskraft aché verstehen, die von den o-

rishas personifiziert wird.68 Laut Ulrike Herzog repräsentieren die subtilen

Schwingungsmuster, die auf Batá-Trommeln erzeugt werden „[...] die Orishas

[...] auf einer feinstofflichen Ebene und laden sie ein, sich in der materiellen

Welt der Menschen zu manifestieren und auszudrücken.“ 69 Damit sie geweiht

werden und diese Kraft erhalten können, müssen sie nach strengen Richtlinien

gebaut und gereinigt werden. In dem Initiationsritual werden die Trommeln

getauft, ihnen wird eine Opfergabe dargebracht und sie werden einem bereits

geweihten Batá-Set (Juego de Batá) vorgestellt, das als Pate für das neue Set

eintritt. Santeros sprechen davon, dass die Batás von ihren Paten geboren wer-

den und die Stimme, um mit den orisha zu kommunizieren, übertragen be-

kommen. Diese Linien geweihter Batá-Sets sind von großer Bedeutung und

gelten für olubatás als wichtige Referenz. Auf Kuba wissen olubatás, wer ei-

nes der geweihten Sets besitzt und von welchen Sets es abstammt.70

Innerhalb der Toques hat jede der Trommeln ihre eigene Funktion, die

sich aus der Hierarchie der Instrumente ableitet. Die okónkolo ist der

„Timekeeper“, übernimmt also eine metronomische Funktion und führt das

über weite Strecken gleichbleibende Grundpattern aus, das den anderen Spie-

lern als Orientierung dient. Die führende und wichtigste Trommel ist die iyá.

Sie eröffnet die Toques und initiiert die Übergänge in andere Teile, indem sie

die anderen Spieler durch die so genannte Llamada zum Übergang ruft. Der

iyá-Spieler reagiert auf das Geschehen des Rituals, indem er eng mit Sängern

und Tänzern über Variationen und Improvisationen kommuniziert. Die itótele

                                                                                                               67  Vgl.  Vélez  2000,  S.  50.  Auf  diesen  Aspekt  gehe  ich  Kapitel  3.3  genauer  ein.  68  Vgl.  Vélez  2000,  S.  48.  69  Herzog  1998,  S.  116.  70  Vgl.  Vélez  2000,  S.  50  ff.  

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folgt der iyá und reagiert auf ihre Rufe mit Antworten. Die sich daraus erge-

bende dialogische Struktur wird conversación genannt.

Dieser Hierarchie müssen alle Schüler folgen. Sie beginnen an der okónko-

lo, um sich mit den Rhythmen vertraut zu machen, wechseln dann an die itótele

und schließlich an die iyá. Es kann Jahre dauern, bis ein Schüler den Schritt

von einer Batá zur nächsten machen darf. Schüler dürfen ihre ersten Rhythmen

während des oro seco, also des Zyklus’ ohne Gesang, lernen, der vor einer Ze-

remonie dem Altar zugewandt gespielt wird, um die orishas einzuladen, das

weltliche Haus der Familie in einen rituellen Ort zu transformieren. Im oro

cantado kommen dann Batás, Gesänge und Tänze zusammen. Die Toques

werden den Schülern nicht nach Schwierigkeitsgrad sortiert beigebracht, son-

dern in der Reihenfolge der Liturgie.71

Die Gesänge werden im Call-Response-Prinzip abwechselnd vom Vorsän-

ger (dem akpwón) und dem Chor gestaltet.

3.2. Konzeption der Toques

Für jeden der 22 orishas gibt es eigene Toques, die in ihrer musikalischen

Sprache auf die Eigenarten und Wesenszüge der Heiligen abgestimmt sind.

Einige dieser Toques können auch für mehrere orishas gespielt werden.

Bei allen Toques sind die einzelenen Stimmen genau aufeinander ange-

passt, sodass komplexe melorhythmische Korrelationsrhythmen entstehen. Die

Stimmen beziehen sich rhythmisch aufeinander, indem sich einzelne rhythmi-

sche Motive einer Stimme als Augmentation oder Diminution in einer anderen

Stimme wiederfinden. Die Toques sind häufig von einem metrischen Verhält-

nis von 2:3 geprägt. In diesem Verhältnis entsteht Polyrhythmik, womit die

Musik mit diesem Konzept direkt auf die westafrikanische Trommelmusik

verweist. Polyrhythmik muss hier genauer definiert werden, weil dieser Termi-

nus oft verschieden gebraucht wird.

Nach dem aktuellen Stand der Rhythmustheorie werden Metren in

Zweier- (duple meter) und Dreiermetren (triple meter) eingeteilt, wobei jede

dieser metrischen Formen in ihren Subdivisionen eine ternäre (compound) oder

binäre (simple) Ausprägung annehmen kann. Der Begriff Polyrhythmik bezieht

                                                                                                               71  Vgl.  Vélez  2000,  S.  42  f.  

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sich dabei auf mindestens zwei oder mehr vorhandene, getrennte rhythmische

Stränge in der musikalischen Textur, deren Periodizitäten in nicht-

ganzzahligen Verhältnissen zueinander stehen. Dies ist beispielsweise bei einer

Hemiole der Fall, bei der sowohl duple als auch triple meter, wie auch simple

und compound meter gleichzeitig vorhanden sind. Von Polymetrik wird ge-

sprochen, wenn die Möglichkeit besteht, in einer musikalischen Oberfläche

(also der erklingenden Abfolge von Klangereignissen) zwei oder mehr unab-

hängige metrische frameworks wahrzunehmen. Da es in der Perzeption nicht

möglich ist, alle gleichzeitig vorhandenen metrischen Möglichkeiten wahrzu-

nehmen bzw. zu verarbeiten, konzentriert sich die Wahrnehmung auf nur eine

dieser metrischen Strategien. Deshalb gibt es Polymetrik nur in der Theorie,

aber nicht in der Wahrnehmung.72

Polyrhythmik entsteht in erster Linie bei den Toques mit einem timeline

pattern von zwölf Schlägen. Sie können sowohl in Zweier-, Dreier- und Vie-

rereinheiten unterteilt werden. Damit verfügen diese Toques über eine hohe

metrische Tiefe (metric depth73), was bedeutet, dass viele metrische Interpreta-

tionen möglich sind. In diesem Sinne sind diese Toques also polyrhythmisch

und es besteht die theoretische Möglichkeit für Polymetrik.

Weiterhin spielt bei der Interpretation der Toques die Phrasierung eine

wichtige Rolle, die sich häufig fließend zwischen binärer und ternärer Spiel-

weise bewegt. In diesen letzten beiden Punkten zeigt sich, wie wichtig die Fuk-

tion der okónkolo als „Timekeeper“ in diesem rhythmischen Kontext ist. Sie ist

eine unverzichtbare Orientierung für die übrigen Spieler.

Durch die sechs verschiedenen Ausgangstöne der Batás entsteht ein

melorhythmisches Gefüge, was alle Rhythmen auch in einer melodischen Qua-

lität verschmelzen lässt. Die Zusammenführung aller Rhythmen führt zu einem

Sich-Ergänzen der jeweiligen Melorhythmen, zu einer neu entstandenen Melo-

die zwischen den einzelnen Fellen der Batás. Man könnte hier auch von Korre-

lationsmelodien sprechen.

Folgend möchte ich einige Toques exemplarisch genauer analysieren,

um diese Aspekte nachzuvollziehen. Bei diesen Toques (Obatalá, Chacha Lo-

kafu und Alubanche) handelt es sich um Toques, die häufig in Populärer Musik

                                                                                                               72  Vgl.  London  2004  und  Pfleiderer  2006.  73  Vgl.  London  2004.  

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verwendet werden, weil sie sich gut mit den rhythmischen Konzepten dieser

Stile verschmelzen lassen.

3.2.1. Alubanche

Dieser Toque entstammt dem Lied Barasuayo und ist Elegguá, dem Gott der

Kreuzwege gewidmet. Elegguá ist der orisha, für den zu Beginn jeder Zere-

monie gespielt wird. Er ist es, der den Kontakt zu den orishas herstellt.

Alubanche ist ein Beispiel dafür, wie ein rhytmisches Motiv in allen

Batá-Stimmen verarbeitet wird. Das prägnante Ausgangsmotiv findet sich in

der okónkolo und ist nur ein kleiner rhythmischer Baustein von zwei auftaktig

aufeinander folgenden Schlägen auf jedem der Felle. Es wird in der Rhythmus-

sprache der Santería als kilá bezeichnet. Dieses Muster ist für die okónkolo

sehr typisch und kommt in zahlreichen anderen Toques vor (Notenbeispiel 1).

In manchen Toques wird es volltaktig verwendet, sodass sich die metrische

Betonung auf den ersten Schlag verschiebt. Dieses Motiv findet sich in aug-

mentierter Form in der itótele wieder. Während die okónkolo mit dem kilá al-

lerdings eine Dreiersubdivision des Metrums vornimmt, etabliert die itótele

dagegen eine Dreiersubdivision, womit das typische metrische 2:3-Verhältnis

der afrikanischen Rhythmen – also folglich Polyrhythmik – vorhanden ist. Die

Iyá schafft mit ihrer Stimme einen größeren ganztaktigen Zusammenhang, in-

dem sie mit einer Variation des kilá auf die Taktschwerpunkte hinspielt (eben-

falls in einer Zweiersubdivision). Im letzten Takt des viertaktigen Musters

wechselt die Iyá kurzzeitig in die metrische Dreierunterteilung der itótele. Da

es nicht möglich ist diese beiden metrischen Schemata gleichzeitig wahrzu-

nehmen74, muss vor allem der Spieler der iyá in der Lage sein, schnell zwi-

schen ihnen wechseln zu können. Hier zeigt sicht, wie sehr jede der einzelenen

Stimmen eine eigene Funktion, eine eigene rhythmische Dichte und einen ei-

genen metrischen Schwerpunkt hat. Dennoch ergänzen sich die Stimmen, in-

dem sie gegenseitig ihre Pausen auffüllen und sich metrisch und melorhyth-

misch in Beziehung setzen.

                                                                                                               74  Man  würde   immer   entweder   ein  duple  meter  mit   ternärer   Subdivision  oder  ein  triple  meter  mit  binärer  Subdivision  hören,  in  die  sich  alle  Figuren  integrieren   lassen,   aber   ihren  metrischen  und  melodischen  Schwerpunkt  verändern.  

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Elemente dieses und anderer 6/8-Toques sind aufgrund ihrer metrischen

Differenziertheit und ihrer polyrhythmischen Anlage sehr häufig in Latin Jazz

zu finden. Dies wird später noch genauer am Beispiel von ‚Vals con bata’ von

Eddie Palmieri75 betrachtet.

3.2.2. Obatalá

Obatalá ist ein binärer Toque, der für den gleichnamigen orisha gespielt wird.

Er ist ein prägnantes Beispiel für das melodische Ineinandergreifen der einzel-

nen offenen Töne der Batás und für die Entstehung von Korrelationsrhythmen

und -melodien (Notenbeispiel 2). Das zu Grunde liegende Metrum ist ein duple

meter mit binären Subdivisionen. Die metrische Tiefe ist also nicht so groß,

wie bei Alubanche und der Toque nicht polyrhythmisch geprägt. Die einzelnen

Stimmen sind rhythmisch unabhängig voneinander, also polyphon. Es ist deut-

lich zu sehen, dass die Achtelmotivik der einzelenen Batá-Stimmen ineinan-

dergreift und dadurch melodische Verläufe innerhalb des Zusammenspiels ent-

stehen. Die okónkolo spielt dabei das Pattern, das die Grundlage für die Korre-

lationsrhythmik legt. Es ist komplett in dem sich ergebenden Korrelations-

rhythmus vorhanden. Dieses Pattern legt starke Betonungen auf die Takt-

schwerpunkte und macht das Metrum deutlich, während die itótele einen grö-

ßeren rhythmischen Fluss erzeugt, indem sie die Taktschwerpunkte im zweit-

aktigen Schema synkopisch umspielt. Die Iyá übernimmt eine Mischfunktion

dieser beiden Stimmen. Einserseits betont sie durchgängig die Taktschwer-

punkte, schafft aber auch einen Bogen über das zweitaktige Schema, indem sie

den Anfang deutlich betont, dann aber mit viele Pausen lässt und durch den

gedämpften Schlag der bocá die Betonung der zweiten Takthälfte im zweiten

Takt abschwächt. Damit wird der bocá-Schlag zu Begin des Musters zu einer

Art Antrieb für das rhythmische Räderwerk der Batás.

Obatalá entwickelt einen Groove und rhytmischen Fluss, der sehr dem

Konzept von Schlagzeuggrooves in Funk-, Rock- und Soulstücken entspricht.

Darum findet man ihn in Populärer Musik eher als eine Art rhythmischen Mo-

tor, der den Groove energetisch voran treibt oder subtil einen durchgehenden

Groove etabliert. Dabei ist auffällig, dass der Toque in Populärer Musik immer

                                                                                                               75  Eddie  Palmieri:  Listen  Here!.  USA:  Concord:  2005.  

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eine auffällige melodische Qualität zum Groove beisteuert. Als Beispiel kann

hier das Stück ‚Tribal Vibes’ von ‚Incognito’76 genannt werden. Ein Beispiel

aus dem Latin Jazz ist das Stück ‚Love Surpreme’ von Miguel ‚Angá’ Diaz,

das 2005 auf seinem Album ‚Echu Mingua’77 veröffentlicht wurde.

3.2.3. Chacha Lokafu

Als ein letztes Beispiel für den Aufbau von Batá-Toques soll hier Chacha Lo-

kafu betrachtet werden. Dieser Toque wird mit Abstand am häufigsten in den

Stilen der Populären Musik verwendet. Er weist große Ähnlichkeit zu dem

Toque Iyesá auf, sodass sie manchmal als Conga-Adaption oder vermischt mit

Congas nur schwer zu unterscheiden sind. Chacha Lokuafu ist nicht für einen

spezielln orisha gedacht, sondern kann für verschiedene Heilige gespielt wer-

den. Damit ist er auch innerhalb der Santería einer der offeneren Toques, was

erklären könnte, warum er in weltlichen Stilen besonders gefragt ist. Chacha

Lokafu ist wie Obatalá ein binärer Toque und nicht polyrhythmisch. Die Vari-

ationen der iyá und die Konversationen der iyá und der itótele sind dagegen

triolisch und durchbrechen das strenge binäre metrische System (Notenbeispiel

3). Die okónkolo kann zwei Pattern spielen. Das eine ist ein kilá auf Viertelba-

sis, was die starke metronomische Funktion dieser Batá widerspiegelt. Das

andere ist ein stark synkopiertes Pattern, das mit dem Melorhythmus der bei-

den anderen Batás ineinandergreift und den Korrelationsrhythmus verdichtet.

Dieses Pattern wird meistens zur Intensivierung der musikalischen Spannung

und der musikalischen Energie nach der längeren Konversation gespielt. Die

verschiedenen Funktionen der Stimmen sind auch hier deutlich zu erkennen:

Die okónkolo fungiert als Timekeeper, die itótele ist für die Verdichtung des

rhythmischen Geflechts und den melodischen Gehalt verantwortlich und die

iyá schafft einen zweitaktigen Bogen und markiert die metrischen Schwer-

punkte. Melodisch sind die Stimmen hier sichtbar getrennter, als bei Obatalá.

Dieser Toque entwickelt einen sehr dynamischen, treibenden Groove,

der große Ähnlichkeit zu Funkgrooves aufweits. Darum wird er häufig in

Funk- und Rockkontexten verwendet, wie ich am Beispiel‚Santana’ zeigen

                                                                                                               76  Incognito:  Vibes  Tribes  &  Scribes.  UK:  Talkin’  Loud  /Universal  1992  77  Angá  Diaz:  Echu  Mingua.  UK:  World  Sircuit  2005.  

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  22  

werde. Dieser Toque wird im Laufe der Arbeit in verschiedenen Beispielen

immer wieder auftauchen.

3.3. Kulturelle Identität und die Batá-Tradition

Die Batá-Trommeln und ihre Musik spielen in der kulturellen Identität der san-

teros eine zentrale Rolle. Jeder santero entwickelt zu der zeremoniellen Musik

und zu den Trommeln ein persönliches Verhältnis. Aus diesem Grund entsteht

eine Wechselwirkung zwischen der kulturellen Tradition innerhalb der Santería

und ihren Mitgliedern. Einerseits wird jedes Individuum zu einem Kulturträger

(„carrier of culture“) und konstruiert bzw. rekonstruiert seine Kultur und seine

Geschichte durch sein Handeln. Er nimmt Einfluss auf die weitere Entwicklung

seiner Kultur.78 Andererseits sind es seine kulturellen Praktiken und Traditio-

nen, die ihn selbst prägen. Ihre kulturellen Gegenstände und deren Abstam-

mungslinien inkorporieren damit sowohl die Geschichte einer Kultur als auch

die Geschichte jedes Einzelnen. Vélez betont in diesem Zusammenhang, dass

Batás für einen Musiker zu einer Repräsentation vom Leben selbst („life it-

self“) werden.79 Die Santería ist in ihrem Glauben direkt im Alltagsleben ver-

ankert. Die orishas werden um Hilfe für Bewältigung der Schwierigkeiten und

Herausforderungen des täglichen Lebens gebeten. Die religiöse Gemeinschaft

ist im täglichen Leben allgegenwärtig und dadurch sehr prägend.80 Felipe Gar-

cia Villamil bringt diesen Bezug mit dem Satz „What we have believed, that is

what we do.“ auf den Punkt.81

Bei der Initiation eines neuen Santería-Mitgliedes befragt der babalao

das Orakel der Ifá, welches der persönliche orisha des neuen Mitgliedes, eine

Art Schutzheiliger, ist. Die santeros glauben, dass dieser orisha das Schicksal

des jeweiligen Menschen maßgeblich lenkt und beeinflusst.82 Ihm zu Ehren

                                                                                                               78  Vgl.  Vélez  2000,  S.  xix.  79  Vgl.   Vélez   2000,   S.   xx.  Wie   bereits   erwähnt   ist   diese   Sichtweise   unter  Musikern  religiöser  afrokubanischer  Gemeinschaften  tiefer  verwurzelt,  da  sie  als  Musiker  von  den  Heiligen  ausgewählt  werden.  Der  Beruf  des  Musi-­‐kers  in  dieser  Funktion  ist  also  eine  Bestimmung  und  keine  Entscheidung,  die  man  selbst  treffen  könnte.  80  Vgl.  Vélez  2000,  S.  13.  81  Vgl.  Vélez  2000,  S.  30.  82  Vgl.  Sublette  2004,  S.  227.  

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wird der santero nun Feste abhalten. Vor allem an den jährlichen Feiertagen

des Heiligen wird ein großes Fest organisiert. Die Beziehung zu diesem orisha

wird nach der Initiation durch eine komplexe Abfolge von Ritualen und Anbe-

tungen vertieft.83

Bereits in der Kindheit kommen Kubaner mit den Festivitäten und den

orishas in Kontakt, bereits lange bevor sie initiiert werden. Felipe Garcia Vil-

lamil meint Oyá, wenn er von seiner Mutter spricht und Ogún, wenn er von

seinem Vater spricht. Diese beiden orishas waren die Heiligen, die Einfluss auf

das Leben seiner Eltern und somit auch auf ihn hatten. Er spricht respektvoll

und dankbar davon, wie sie die Familie in schwierigen Lebensphasen unter-

stützt und ihnen geholfen haben.84 Oyá sei es auch gewesen, die ihn zum batal-

ero bestimmt habe.85 Wenn santeros von ihrem Haus sprechen, verwenden sie

den Begriff im übertragenen Sinne für ihre komplette rituelle Familie bzw.

Gemeinschaft. Bereits der Begriff der rituellen Familie lässt erkennen, dass die

Religionsgemeinschaft eine identitätsstiftende Funktion hat. Auch die jeweili-

gen orishas der santeros werden nach der Initiation als Familienmitglieder

angesehen.86

Nachdem ein santero den Initiationsprozess durchlaufen hat, der eine

Abfolge von Ritualen über eine Woche hinweg umfasst, wird er den Batás vor-

gestellt. Dieses Ritual autorisiert den initiierten vor den geweihten Trommeln

zu Tanzen. Zu diesem Batá-Set entwickeln santeros eine spezielle Beziehung.

„The drum represents a commitment [...]. Because once you are re-presented to a set of drums it is like a birth certificate. It means that af-ter you „put your head“ to a drum, you establish a direct pact with that drum, because it is the drum that recognized you. You have to be aware that when you die, that is the drum that [...] has to say goodbye to you [die Todesrituale müssen von diesem Batá-Set begleitet werden, damit der verstorbene santero in das Land der Ahnen entlassen werden kann, Anm. des Autors]. It is also the only drum that can play for your birth-day in santo.“87

                                                                                                               83  Vgl.  Vélez  2000,  S.  24.  84  Vgl.  Vélez  2000,  S.  23  ff.  85  Vgl.  Vélez  2000,  S.  42.  86  Vgl.  Vélez  2000,  S.  24  ff..  87  Felipe  Garcia  Villamil  zit.  nach:  Vélez  2000,  S.  54  f.  

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Wenn eine Familie ein Batá-Set besitzt, dem viele santeros vorgestellt wurden,

wird dieses Set immer wieder für Feste verwendet und der gute Ruf des Sets

überträgt sich auf die Familie. Genauso verhält es sich mit dem Verlust eines

guten Rufes, wenn das Batá-Set nicht angemessen gepflegt wird und den guten

Klang einbüßt.88

Für die olubatá sind die Abstammungslinien der Batá-Trommeln, auf

denen sie spielen (die Spieler sind nicht unbedingt im Besitz geweihter Batás)

wie auch die Schlüssigkeit der Reihe der olubatá, von denen sie gelernt haben

eine wichtige Referenz. Beide Linien müssen im besten Fall lückenlos zu den

ersten olubatás und geweihten Batás Kubas zurück zu führen sein. Beides gilt

auf Kuba als Beglaubigung der Qualitäten eines olubatá.89

Die Santería mit ihren traditionellen Ausdrucksformen gilt als die ur-

sprünglichste afrokubanische Kulturform, die direkt auf das afrikanische Erbe

verweist. Gesungen wird auf Lucumí (so wird die Sprache der Yorubá auf Ku-

ba genannt), die auch heute noch von santeros verstanden werden kann. Einige

Familien mit direkter afrikanischer Abstammung sprechen noch heute in ihren

Häusern Lucumí. Dies geht auf einen strategischen Essentialismus der Sklaven

zurück, die ihre Kultur nicht in einem Ort konzentrieren durften. In einigen

Häusern musste man sogar Lucumí sprechen, da man andernfalls ignoriert

wurde.90 Die afrikanische Abstammung und Geschichte der kubanischen Skla-

ven ist schon deshalb ein wichtiger Punkt des afrokubanischen Selbstverständ-

nisses, weil aus ihr Begriffe und Praktiken hervorgehen, die moderne und aktu-

elle identitätsstiftende Institutionen oder ethnische Gruppen bezeichnen

(„Lucumí was the name used by Felipe’s elders to refer to their tradition, their

music and their religion.“ 91). Isabelle Leymarie formuliert dazu:

„[...]however one tries to present oneself, an African heritage is ines-capable.“92

Der Begrüßungsruf „¡aché!“ der Santería habe darum auch die Funktion, die

Mitglieder der Yorubá-Diaspora zu vereinigen.93

                                                                                                               88  Vgl.  Vélez  2000,  S.  3  und  55  f.  89  Vgl.  Vélez  2000,  S.  51  f.  90  Vgl.  Vélez  2000,  S.  23  f.  91  Vélez  2000,  S.  10.  92  Leymarie  2002,  S.  10.  

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Es ist deutlich geworden, wie sehr santeros durch die Santería und ins-

besondere durch die Musik und die Batás geprägt werden. Die Rhythmen und

Tänze ihres orisha werden zu ihren Rhythmen und Tänzen, durch die sie in

Kontakt mit ihm treten können. Die kulturellen Ausdruckformen transportieren

immer eine Rückbesinnung auf die afrikanischen Wurzeln der afrokubanischen

Kultur und sind essentieller Bestandteil des afrokubanischen Selbstverständnis-

ses.

„Drums have been part of Felipe’s life since he was just a child; they have [...] given him a sense of identity, a trade and a way of life. [...] As the world changes around him, Felipe’s strategy to give a meaning to his life has always been channeled through the drums – building them, playing them, fixing them. As Felipe himself tells us, drums have not only given him life but have been „life itself“.“94

Auch für santeros, die Kuba verließen, um in den USA ein neues Leben aufzu-

bauen, behielten die Santería und die Batás eine wichtige Bedeutung.

„The imperativ that moves Felipe to build drums in the United States is the need to built a new life. [...] rebuilding a life impies, then, the need to rebuild the instruments of his trade.“95

Ich denke, dass die Batás hier als Symbol für das afrokubanische Selbstver-

ständnis und die afrokubanische kulturelle und ethnische Identität verwendet

werden. Um sich in dem neuen ethnisch und kulturell diversifizierten Umfeld

der USA zurecht zu finden, sich neu zu lokalisieren und sich neu zu definieren,

braucht es einen Bewusstmachungsprozess und ein Überdenken der kulturellen

Wurzeln. Einige Musiker haben sich auf diese kulturellen Wurzeln verstärkt

bezogen, um ihre Herkunft und ihr Selbstverständnis deutlich zu artikulieren,

während andere sich dafür entschieden, sich entsprechend des neuen Umfeldes

hybrid zu verorten. Wieder andere vermischten beide Strategien und bewegen

sich mit ihrer Musik zwischen den Grenzen verschiedenster Kulturen hin und

her. In jedem Fall ist die Musik ein Statement, eine Aussage, die Rückschlüsse

auf neu definierte Identitäten zulässt. Sie ist ein Hinweis darauf, wie Menschen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                   93  Vgl.  Leymarie  2002,  S.  14.  94  Vélez  2000,  S.  97.  95  Vélez  2000,  S.  119.  

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versuchen, ihr Leben, ihre Kultur und ihr Selbstverständnis neu aufzubauen

und bietet anderen Menschen eine Lösung in diesem Prozess.

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Teil II Rebuilding a life.

Öffnungs- und Säkularisierungsprozesse der Batá-Toques: Kulturelle Identitäten im Spannungsfeld zwischen Globalisie-

rung, Delokalisierung und Kulturpolitik

4. Kubanische Kulturpolitik als Säkularisierungsmotor

4.1. Adaptionen von Toques in neuen Rhythmen

Mozambique und songo sind zwei populäre kubanische Rhythmen, die in den

60er Jahren entwickelt worden sind. Beide Stile lösten einen wahren Boom

aus, der sich auch international fortsetzte.

Mozambique wurde in den frühen 60er Jahren vom kubanischen Sän-

ger, Komponisten und Percussionisten Pello el Afrokán mit der Absicht entwi-

ckelt, die folkloristischen Karnevalsrhythmen der comparsa zu modernisieren,

um sie mit Melodieinstrumenten sowie Tanzensembles kombinieren zu kön-

nen.96 Zu einem seiner berühmtesten mozambique wurde das Stück ‚María

Caracóles’, das später unter anderem von Carlos Santana gecovert wurde.97

Danilo Orozco beschreibt den mozambique als „[...] eine hybride Mischung aus

rumba- und comparsa-Klängen sowie afrokubanischen rituellen Rhythmen,

mit stichelnden Texten, dem Unisono-Spiel von Posaunen und sehr eigentüm-

lichen Tanzschritten, die eine ganze Zeit lang bestimmend für die kubanische

Tanzmusik waren.“98 Während der ursprüngliche kubanische mozambique sehr

deutliche Übereinstimmungen mit comparsa-Rhythmen aufweist (Notenbei-

spiel 4), zeigt der ‚Mozambique New York Style’ eine augenscheinliche Ver-

wandtschaft zum Batá-Toque Chacha Lokafu (Notenbeispiel 5). Der mozam-

bique ist vor allem in seiner New York-Version heute ein gängiger Rhythmus,

der immer wieder in Latin Rock, Latin Pop und Funk auftaucht. Die Band ‚E-

arth Wind &Fire’ verwendet diesen Rhythmus in ihrem Stück ‚Let Me Talk’99,

indem die Musiker den Melorhythmus der Conga-Figur auf die ganze Rhyth-

                                                                                                               96  Vgl.  Cruz  2004  a,  S.  31.  97  Santana:  Festivál.  USA:  Columbia  1977.  98  Orozco  2004,  S.  178.  99  Earth,  Wind  &  Fire:  Faces.  USA:  Columbia  1980.  

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musgruppe verteilen und die Harmoniewechsel diesem Melorhythmus anpas-

sen. Die Congas spielen den mozambique leise im Hintergrund. Bei ‚Santana’

taucht der mozambique ebenfalls auf. Neben dem bereits erwähnten ‚Maria

Caracoles’ kombiniert ‚Santana’ den Rhythmus in dem Stück ‚Wham!’100 mit

Funk- und Rockelementen. In beiden Fällen wird die Verwandtschaft zur ku-

banischen comparsa betont. In ‚Love Of My Life’101 modernisiert ‚Santana’

den mozambique, indem die Timbalesfigur vom Schlagzeug gedoppelt und in

einen hybriden Funk/Latin-Goove umgewandelt wird. Auf der Kuppe des

Ridebeckens werden Halbe gespielt, die an die Figur der Cha-Cha-Bell im Cha

Cha Cha erinnert. Die Bassdrum doppelt die Tumbao-Figur des Basses, sodass

dieser freier improvisieren kann. Ein Backbeat auf der vierten Zählzeit gibt

dem Groove alle zwei Takte einen rockigen Schwerpunkt, der zunehmend

mehr verzögert oder vorgezogen wird. Durch dieses Vorziehen oder Verzögern

spielt Schlagzeuger Dennis Chambers bewusst mit dem subtilen Wechsel zwi-

schen einer Betonung des Rock- und des Latinfeel. Das Campana-Pattern deu-

tet er auf der HiHat an. Chambers kombiniert in diesem Groove also Rockele-

mente mit Cha Cha Cha und mozambique.

Ein weiteres Beispiel für Einflüsse afrokubanischer ritueller Rhythmen

in modernen populären kubanischen Stilen ist der songo. Der Begriff wurde

Anfang der 70er Jahre von Juan Formell erfunden, um die Musik seiner Grup-

pe ‚Los Van Van’ zu beschreiben. Als rhythmische Entwickler des Stiles gel-

ten Conguero Raúl „El Yulo“ Cárdenas und Timbalero José Luis „Changuito“

Quintana. 102 Das Conga-Pattern weist dabei große Ähnlichkeiten zu dem

Rhythmus Batum-Batá auf (Notenbeispiel 6). Die zentrale songo-Figur im

Timbales-Pattern ist eine Stimme der Okónkolo aus dem Batá-Toque Chacha

Lokafu (Notenbeispiel 7), die hier auf dem Woodblock gespielt wird. Sie wird

mit Halben auf der Cha-Cha-Bell und einer Betonung des bombo kombiniert.

Durch die Glockenfigur entsteht ein Anklang an die Cha-Cha-Cha (Notenbei-

spiel 8). Bei ‚Los Van Van’ ist es üblich, dass die Timbales mit einer Bass-

drum und ein oder zwei Toms ergänzt werden, damit sie teilweise Schlagzeug-

funktionen übernehmen kann. Wenn diese Timbalesfigur nun dementsprechend

über dieses Instrumentarium verteilt und erweitert wird, spielt die Bassdrum                                                                                                                100  Santana:  Inner  Secrets.  USA:  Columbia  1978.  101  Santana:  Supernatural.  USA:  Artisa/Sony  Music  1999.  102  Vgl.  Cruz  2004  a,  S.  37.  

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die bombo. Die linke Hand kann die zentrale Figur dann frei auf den Timbales

und dem Tom verteilen und variieren, um sie melodiöser zu gestalten. So wird

die Ähnlichkeit zum Chacha Lokafu noch deutlicher (Notenbeispiel 9).

In diesen Beispielen wird erkennbar, dass kubanische Percussionisten

Einflüsse aus rituellen Musikstilen verwendet haben, um neue Rhythmen zu

erschaffen, die den jeweiligen Bedürfnissen der weltlichen Tanzmusik entspra-

chen. Es kann vermutet werden, dass diese Einflüsse von santeros erkannt

wurden und aufgrund des hohen Vermischungsgrades toleriert wurden. Babei

muss bedacht werden, dass vor allem zur Blütezeit des mozambique die San-

tería noch eine diskriminierte Religion war, die von der sozialistischen Regie-

rung zurückgedrängt wurde. Genau der Zeitraum der Blütezeit beider Stile (die

späten 60er und frühen 70er Jahre) wird als die Periode des kulturellen Terro-

rismus bezeichnet, in der die kubanische Kulturpolitik äußerst repressiv war.103

Mitglieder der Partei durften nicht als Teilnehmer an afrokubanischen Zeremo-

nien gesehen werden, weil ihnen sonst der Ausschluss aus der Partei drohte

und damit aus der Politik. Ob diese Adaptionen als widerständische Versuche

gesehen werden können, Elemente der Santería in weltlicher Tanzmusik zu

tarnen, kann nicht eindeutig belegt und beurteilt werden. Es könnte sich dabei

aber um eine subtile Form eines strategischen Essentialismus104 handeln, die

von vertrauten santeros identifiziert wurde, während nichteingeweihte Regie-

rungsmitglieder diese Stile als bloße Tanzmusik interpretierten.

Seit den 90er Jahren ist es üblicher geworden, bei neuen marchias, die

im Entwicklungsprozess der timba entstehen, auf religiöse Rhythmen zurück

zu greifen. Uwe Egger betont, dass es auf Kuba mittlerweile modern sei, Batás

und Congas zu kombinieren.105 Tomás Cruz verweist in seinem Lehrbuch ‚The

Conga Method Vol. III’ auf makuta-Rhythmen106 als Einflüsse für seine eige-

nen marchias, die er für die Band ‚Paulito FG NG La Banda’ kreierte.107 Diese

freie Verwendung von religiösen Rhythmen in populären kubanischen Tanzsti-

len steht aber in einem anderen Verhältnis zur kubanischen Politik als noch

                                                                                                               103  Vgl.  Vélez  2000,  S.  72.    104  Zu  strategischem  Essentialismus  und  strategischem  Antiessentialismus  siehe  Kapitel  5.  105  Vgl.  Egger,  S.  109.  106  Makuta  sind  ursprünglich  kongolesische  Tanzrhythmen,  die  in  afroku-­‐banischen  Palo-­‐Zeremonien  gespielt  werden.  Vgl.  Cruz  2004  b,  S.  25.  107  Vgl.  Cruz  2004  b,  S.  25.  

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mozambique und songo. Durch die kubanische Kulturpolitik hat ein Säkulari-

sierungsprozess der Batá-Toques sowie der Gesänge und Tänze der Santería-

Zeremonien eingesetzt, der sie zunehmend dekontextualisierte. Damit wird die

Musik zu einem musikalischen Material, das nun freier verwendet werden

kann.

4.2. Kulturelles Kapital wird zu musikalischem Material: Säkula-risierung der Batá-Toques durch die kubanische Kulturpoli-tik

4.2.1. Entwicklung der kubanischen Kulturpolitik

Thorsten Eßer betont, dass es in der vorrevolutionären Zeit keine Kulturpolitik

im eigentlichen Sinne gegeben habe.108 Vielmehr habe es sich um einzelne

Ereignisse, Entscheidungen und Prozesse gehandelt, die für den Bereich der

Kultur förderlich oder einschränkend gewesen seien, ohne dabei ein bestimm-

tes kulturpolitisches Ziel verfolgt zu haben. Als Beispiele nennt Eßer den Bau

von Theatern oder das Verbot bestimmter Musikstile.109

Aufgrund der wirtschaftlichen Vereinnahmung der Insel durch US-

Unternehmer, korrupter Politiker und dem Desinteresse an der gesellschaftli-

chen Entwicklung des Landes, gab es nur ein begrenztes und schwer zugängli-

ches hochkulturelles Angebot. Es gab kein größeres Opernhaus oder Theater,

dafür aber zahlreiche Kinos. Sofern es ein Angebot an Büchern, Konzerten

oder Vorträgen gab, war dieses nur der Ober- und Mittelschicht zugänglich,

während die kubanische Unterschicht, die den größten Teil der kubanischen

Bevölkerung ausmachte, weiterhin in Armut, Analphabetismus und Unzufrie-

denheit belassen wurde. Unter den kubanischen Intellektuellen führte dies zu

dem Bedürfnis nach eigenen kulturellen Produktionen, was schließlich zur af-

rocubanismo-Bewegung führte, in der sich kubanische Intellektuelle intensiv

mit ihrem afrikanischen kulturellen Erbe beschäftigten.110 Juan Marinello, ei-

                                                                                                               108  Ich  verwende  den  Begriff  der  Kulturpolitik  im  Sinne  Eßers  als  die  Summe  der  Handlungen  des  Staates  die  sich  auf  die  Kunst  und  die  Kultur  auswirken.  Zur  genaueren  Definition  siehe  Eßer  2004,  S.  33.  109  Vgl.  Eßer  2004,  S.  33  f.  110  Vgl.  Eßer  2004,  S.  35  ff.  

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ner der Vordenker der kubanischen Revolution, beschreibt die kubanische Kul-

tur zu der Zeit als „[...] rückständig und nicht ausreichend [...]“, sie „[...] ge-

langt nicht zum Volk, weil sie nicht für das Volk gemacht ist.“111 Dass es vor

der Revolution keine einheitliche nationale Kultur gab, ist umso bemerkens-

werter, wenn man bedenkt, dass sich zu dieser Zeit bereits die ersten Formen

des Latin Jazz in den USA zu etablieren begannen. Vielleicht fiel es der kuba-

nischen Regierung unter Machado und Batista auch deshalb so leicht, afroku-

banische Kultur zu verbieten, weil sie nicht als einheitliche kubanische Kultur

verstanden wurde, in der sich die kubanische Bevölkerung uneingeschränkt

wiederfand.

Die revolutionäre Regierung war es schließlich, die eine Kulturpolitik

schuf, die nach dem Leitsatz organisiert sein sollte, den Marinello bereits 1936

formulierte: „Kultur und Politik werden zwei Namen der gleichen Sache sein:

Verbesserung des Menschen und der Menschen.“112 So waren die ersten kul-

turpolitischen Maßnahmen der Aufbau eines Bildungssystems, das allen Be-

völkerungsschichten zugänglich war und einen speziellen Schwerpunkt auf die

musikalische Bildung legte (Gründung von Musikschulen, Musikgymnasien

und der nationalen Kunsthochschule), die Industrialisierung der Herstellung

von kubanischen Musikinstrumenten, die Gründung von Kultureinrichtungen

(z.B. casas de cultura), die Förderung der Erforschung der nationalen Folklore

sowie die Gründung eines Nationalrates für Kultur, der 1976 zum Kultusminis-

terium erhoben wurde. Diese Einrichtung organisierte staatliche Musikfesti-

vals, die hauptsächlich die folkloristische Musik Kubas präsentierten und

Nachwuchskünstler förderten. Weiterhin wurde die Filmproduktion staatlich

gefördert, wodurch ein höherer Bedarf an Musikern in diesem Bereich ent-

stand. Eine groß angelegte Alphabetisierungskampagne ermöglichte es weiten

Teilen der Bevölkerung, am wachsenden Kulturleben teilnehmen zu können.113

Die kubanische Regierung begann alle kulturellen Initiativen zu mono-

polisieren, da alle Formen von Kultur als ein wichtiges Werkzeug zur Durch-

setzung der revolutionären Ziele gesehen wurden. So übernahm der Staat die

Funktionen des Sponsors, des Promotors und des Managers und stellte somit

die kulturellen Richtlinien auf. Das bedeutete, dass einige Kulturformen geför-                                                                                                                111  zit.  nach:  Eßer  2004,  S.  36.      112  Zit.  nach:  Eßer  2004,  S.  37.  113  Vgl.  Eßer  2004,  S.  37  ff.  

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dert wurden, während andere Kulturformen zurückgedrängt oder reformiert

wurden, die im Verständnis der Regierung kontrarevolutionär agierten.114 Die

Regierung machte umfangreich von der Zensur Gebrauch und verbot Medien,

die nicht zum Bild der revolutionären Solidargemeinschaft passten. Als Recht-

fertigung für diese Zensuren sagte Castro in den „Worten an die Intellektuel-

len“ seinen wohl meist zitierten Satz: „Innerhalb der Revolution: Alles! Gegen

die Revolution: Nichts!“.115 Damit begann eine Kulturpolitik, die Peter B.

Schumann als „System der Intoleranz“ bezeichnet.116 Besonders Jazz, Rock

und später auch HipHop litten unter der Repressionspolitik Kubas, die diese

Musikstile als imperialistisch ablehnte. Erst mit Beginn der 80er Jahre lockerte

sich das politische Verhältnis zu diesen Stilen, als kubanische Künstler wie

‚Irakere’ oder Chucho Valdés internationalen Erfolg hatten. Rockmusik wurde

erst in den 90er Jahren akzeptiert aber immer noch nicht gefördert.117

Der Staat wurde zum Arbeitgeber der Musiker und erwartete, dass sie

im Sinne der Revolution handelten und notfalls an künstlerischer Freiheit ein-

büßten.118 Vélez teilt die Entwicklung der kubanischen Kulturpolitik in drei

Phasen ein: Die ersten Jahre des „carnival stage of the revolution“, in der

künstlerische Freiheit und Enthusiasmus die allgemeine Stimmung beherrsch-

ten, den „cultural terrorism“ der späten 60er und frühen 70er Jahre und die

weniger dogmatische Phase, die mit der Einführung des Kulturministeriums in

1976 begann.119

Seit 1962 wurden professionelle Musiker unter staatliche Verträge ge-

nommen und später von den so genannten empresas (Kulturunternehmen), die

relativ autonom waren und ähnlich wie kapitalistische Firmen funktionieren

sollten, unter Zeitverträge genommen, wo sie ein festes Grundgehalt bekamen.

Diese empresas waren wiederum einer staatlichen regionalen Aufsicht unter-

stellt, die Juntas Unificadas de Coordinación Económica (JUCEI) genannt

wurde.120 Damit Musiker zu so genannten Kulturarbeitern (cultural workers)

unter Vertrag genommen werden konnten, begann der Nationalrat für Kultur

                                                                                                               114  Vgl.  Vélez  2000,  S.  71  f.  115  zit.  nach:  Eßer  2004,  S.  41.  116  Vgl.  Eßer  2004,  S.  41.  117  Vgl.  Eßer  2004,  S.  42  ff.  118  Vgl.  Vélez  2000,  S.  71  f.  119  Vgl,  Vélez  2000,  S.  72.  120  Vgl.  Vélez  2000,  S.  72  f  und  Eßer  2004,  S.  40.  

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  33  

ein Evaluationssystem für Musiker aufzubauen. Zunächst wurden ab 1962 nur

klassische Musiker evaluiert, ab 1968 wurde das System auf alle Musiker aller

Stilistiken ausgeweitet. Die Evaluationsmethode wurde häufig dafür kritisiert,

nicht primär nach musikalischen Fähigkeiten, sondern nach personalen und

politischen Vorlieben kategorisieren. Darüberhinaus wurden Kategorien eher

nach Genre als nach Qualität vergeben, sodass klassische Musiker häufig in die

„A“-Kategorie und Musiker folkloristischer Stile in die „C“-Kategorie einge-

ordnet wurden.121

4.2.2. Die Santería unter kulturpolitischem Einfluss

Nach der Revolution wurden nicht nur kubanische Musiker evaluiert, sondern

auch die gesamte kubanische Kultur. Die kubanische Kulturpolitik entschied

darüber, welche Stile gefördert und welche nicht gefördert werden sollten.

Vélez nennt dies den Prozess der Selektion der kulturellen Wurzeln der Nation,

der von den staatlichen Aufsichtsbehörden und Agenturen gelenkt wurde. Die

ausgewählten Stile sollten zur Definition der nationalen Kultur der neuen Ge-

sellschaft beitragen. Dies schloss die Unterstützung durch Aufführungsmög-

lichkeiten und Konservierung durch CD-Aufnahmen ein. Es begann eine inten-

sive Aufführungspraxis folkloristischer Musikstile auf Festivals und in Thea-

tern. Außerdem wurden Wettbewerbe ausgeschrieben und Workshops organi-

siert, die vor allem von Touristen wahrgenommen wurden. Die erfolgreichsten

Gruppen bereisten, unterstützt durch die Regierung, viele andere Länder.122

Die musikalischen Traditionen der afrokubanischen Kultur wurden in

dieses Verständnis des kubanischen Kulturerbes integriert und stark unterstützt.

Die religiösen Zusammenhänge und Ursprünge dieser Musik hingegen wurden

nicht als Teil desselben eingestuft und ignoriert, im besten Fall toleriert.

„The government’s relations with the various religious communities during this perios [cultural terrorism, Anm. d. A.] were tense, and in some cases hostile. Afro.Cuban religious practices were discouraged, when not explicitly forbidden.“123

                                                                                                               121  Vgl.  Vélez  2000,  S.  73  f.  122  Vgl.  Vélez  2000,  S.  75  f.  123  Vélez  2000,  S.  88.  

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Durch die Verbote waren die santeros gezwungen, ihre Zeremonien heimlich

abzuhalten. Felipe Garcia Villamil erinnert sich:

„You know we couldn’t play, santos couldn’t be made, Abakuá was not planted, nothing. We did some Santería and Palo, but in hiding, you un-derstand? Because we even had children do santo secretly.“124

Man nahm an, dass diese religiösen Praktiken über die Zeit aufgrund der stei-

genden Bildung und der besseren ökonomischen Bedingungen verschwinden

würden.125 Als später ein Büro für innere Angelegenheiten im Ministerium

eingerichtet wurde, in dem dreißig Tage vor einem geplanten santo eine Ge-

nehmigung beantragt werden musste, führte das dazu, dass das Ministerium die

Antragssteller genau untersuchte und in langen Verhören über die geplanten

Zeremonien und die Santería ausfragte. Es mussten Bilder von den Beteiligten

und denjenigen, die initiiert werden sollten vorgelegt werden, sodass das Mi-

nisterium einen Überblick bekam, welche Kubaner welcher Religion angehör-

ten. Anhänger einer religiösen Gemeinschaft wurden zu dieser Zeit aus der

Partei ausgeschlossen und ihnen wurde der Zugang zu Universitäten er-

schwert.126 Parteimitglieder, oder solche, die es werden wollten, verleugneten

ihre religiösen Praktiken oder demonstrierten ihren scheinbaren Austritt aus der

Religion, indem sie falsche religiöse Gegenstände wegwarfen. Viele Mitglieder

der Partei nahmen dennoch an geheimen santos teil.127

So wurde die religiöse Musik in die Theater und Festivalsäle getragen

und verstärkt außerhalb der Zeremonien hörbar gemacht. Felipe Garcia Vil-

lamil betont, dass die sozialistische Regierung den kulturellen Reichtum in

diesen Traditionen erkannt habe, sodass sie ihre Wurzeln zu untersuchen be-

gannen, um sie lehrbar zu machen.128 Folglich hat die Kulturpolitik Kubas

zwei Ziele verfolgt: Zum einen wurde versucht einen einheitlichen kulturellen

Standpunkt auf Kuba zu etablieren, der mit den revolutionären Zielen und Vor-

stellungen übereinstimmt. Zum anderen wurde Kultur zu einem Kapital, mit

dem vor allem im Tourismus Devisen zu machen waren. Um diesen Vorgang

                                                                                                               124  Zit.  nach:  Vélez  2000,  S.  88.  125  Vgl.  Vélez  2000,  S.  76.  126  Vgl.  Vélez  2000,  S.  88  f.  127  Vgl.  Vélez  2000,  S.  90  f.  128  Vgl.  Vélez  2000,  S.  77.  

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der Recherche, der Selektion und der „Theatralisierung“ der afrokubanischen

Musiktraditionen voran zu treiben, wurde versucht Informanten aus den ver-

schiedenen Religionen zu gewinnen, die bereit waren, die Regeln der Geheim-

haltung zu durchbrechen, Amateurgruppen zu organisieren und zu unterrichten.

Das führte dazu, dass santeros, die keine ausgebildeten bataleros waren, son-

dern die Musik nur aus ihrer Teilnahme an den Zeremonien kannten, nicht al-

lein die Batá-Toques weitergaben, sondern auch Tänze und Gesänge vermittel-

ten und Tänze in Choreografien abwandelten.129 Auch die bataleros mussten

Rhythmen anderer Religionsgemeinschaften spielen, mit denen sie nicht ver-

traut waren, da bei den Aufführungen eine große stilistische Bandbreite gefor-

dert wurde.130 Folglich wurden die Tänze, Rhythmen und Gesänge der Santería

nicht nur aus ihrem Kontext gelöst und öffentlich präsentiert, sondern auch als

musikalisches Material in Schulen und Workshops vermittelt. Die Lehrer wa-

ren nicht einmal initiierte santeros und verfügten nur über oberflächliches und

lückenhaftes Wissen über Rhythmen, Gesänge und Tänze. Erstmalig wurden

Rhythmen ohne einen religiösen Kontext vermittelt und damit bereits in der

ersten Generation von Schülern säkularisiert, die wiederum die Rhythmen de-

kontextualisiert weitergeben würden. Heute haben viele der Mitglieder folklo-

ristischer Ensembles ihr Wissen über die Rhythmen in den performance

schools gelernt und besitzen keine persönliche Verbindung mehr zu den religi-

ösen Praktiken, denen diese Rhythmen entstammen. Diese Musiker sind weni-

ger spezialisiert, da von ihnen erwartet wird, alle afrokubanischen Stile zu be-

herrschen.131

Laut Felipe Garcia Villamil war die Meinung zur Aufhebung der Gren-

zen der Geheimhaltung, was die Weitergabe der Traditionen betraf, in Matan-

zas gespalten: Während jüngere santeros der Idee einer Theatralisierung durch

öffentliche Aufführungen aufgeschlossen gegenüber standen, billigten die älte-

ren santeros dies nicht. Sie waren der Ansicht, dass die Rhythmen dadurch

entweiht würden. Auch das Präsentieren von Batá-Toques über Radiosendun-

gen in den Jahren vor der Revolution sei bereits stark in der Kritik gewesen.

Villamil merkt außerdem an, dass die santeros in Matanzas weniger offen wa-

ren und an den Regeln zur Geheimhaltung eher festhielten als jene in Havanna.                                                                                                                129  Vgl.  Vélez  2000,  S.  77  f.  130  Vgl.  Vélez  2000,  S.  85  f.  131  Vgl.  Vélez  2000,  S.  86  f.  

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Der Öffnungs- und Säkularisierungsprozess sei durch das Fehlen einer kodifi-

zierten Orthodoxie bevorteilt.132

Die Aussicht, dass durch diese öffentlichen Aufführungen ihre Kultur

internationalisiert und mehr Aufmerksamkeit bekommen würde, ließ viele san-

teros schließlich ihre Einstellung lockern. Darüberhinaus spielten die ökonomi-

schen Aussichten, mit den Vorstellungen Geld verdienen zu können, eine gro-

ße Rolle im Entscheidungsprozess einzelner santeros, die Richtlinien und die

Grenzen der Weitergabe zu durchbrechen. Dabei ist die Frage, ob es solch ei-

nen radikalen Säkularisierungsprozess ohne die schwierige ökonomische Situa-

tion, in der sich Kuba befand, überhaupt hätte geben können, durchaus legitim.

Ein häufiges Argument zur Rechtfertigung war, dass nur Rhythmen vermittelt

und gespielt würden, die in ohnehin öffentlichen Teilen einer Zeremonie zu

hören seien, zu dem jeder – auch Nicht-Initiierte – Zugang hätten. Die Auffüh-

rungen entsprächen also einer fiesta de santo.133

Nach wie vor wurden die afrokubanischen Religionen von Seiten der

Regierung diskreditiert, indem ihnen unterstellt wurde, sie würden antirevolu-

tionäre Ziele und kriminelle Aktivitäten verfolgen. Die Musiker, die die Musik

jener Religionen öffentlich aufführten, sahen ihre Chance, den Ruf der Religi-

onen zu korrigieren und die Leute aufzuklären. Dies betraf insbesondere die

abakuá, die bereits vor der Revolution und stets mehr als andere afrokubani-

sche Religionen in Verruf geraten waren.134

Ein letzter kritischer Punkt in der Betrachtung dieses Säkularisierungs-

prozesses durch die kubanische Kulturpolitik ist das Spannungsfeld zwischen

authentischer Präsentation und Ästhetisierung, in dem sich die Musiker der

folkloristischen Ensembles befinden. Während der 60er Jahre waren die Auf-

führungen noch authentische Repräsentationen der Musik in ihrem Kontext,

zumal die Musiker oft selbst noch initiierte Mitglieder der Religionen waren,

um den Kontext wussten und daran glaubten. Spätere Aufführungen wurden

zunehmend als Unterhaltung und Spektakel, also eine Art der Exotismen (für

Touristen) kritisiert. Vélez betont, dass sich mit einer öffentlichen Aufführung

eine Ästhetisierung kaum vermeiden ließe. Sie würden notgedrungen dekon-

textualisiert, säkularisiert und simplifiziert, um den Erwartungen und Anforde-                                                                                                                132  Vgl  Vélez  2000,  S.  80  f.  133  Vgl.  Vélez  2000,  S.  81  f.  134  Vgl.  Vélez  2000,  83  f.  

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  37  

rungen der Theater und Aufführungsbedingungen angepasst zu werden.135 Es

wird ein Kanonisierungsprozess vorangetrieben, den es in der Santería, in der

es Unterschiede zwischen den Provinzen oder sogar einzelnen Haustempeln

bezüglich Gesängen und Rhythmen gab, in der Form nicht gab. Dies wird

durch eine Verschriftlichung der vormals oralen Tradition forciert. Außerdem

werden ästhetische Eingriffe vorgenommen, wie das Reduzieren der Repetitio-

nen oder die Modifizierung der Tempi, was den Ausdruck der Toques maßgeb-

lich verändert.136

„Secrecy and mystery are lost to glamor and technical perfection. The music and dance of these traditiones now are learned in performing schools with hardly any reference to the religious world they belong to.“137

„Afro-Cuban religious practices become material for artistic (re)creation and (re)interpretation.“138

Dass sich Batá-Musik in öffentlichen Aufführungen zu einem technischen und

artistischen Virtuosentum entwickelt zeigt sich in der aktuellen Entwicklung

Toques mit einem Spieler auf allen drei Batás umzusetzen. In diesen Fällen

stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung nicht nur eine äußerste Form der

Säkularisierung ist, sondern auch eine Rückkehr zum bloßen Exotismus, der

sich im Virtuosentum tarnt.

Diese beschriebenen Entwicklungen haben dazu geführt, dass vor allem

Afrokubaner ihre Kultur und ihr tägliches Leben zu reflektieren begannen. In

diesem kulturpolitischen Kontext mussten Aspekte erklärt, debattiert und ge-

rechtfertigt werden, die zuvor als selbstverständliches kulturelles Erbe und Teil

ihrer Identität verstanden wurden. Vor der Revolution waren kulturelle Traditi-

onen Dinge, die in einer Familie weitergegeben wurden, weil es schon immer

war. Erst mit der Kulturpolitik begann ein ethnisches Bewusstsein („ethnic

awareness“) aufzutauchen und Identitäten wurden hinterfragt, obwohl eigent-

lich beabsichtigt war, eine einheitliche kubanische kulturelle Identität zu schaf-

fen.

                                                                                                               135  Vgl.  Vélez  2000,  S.  86  f.  136  Vgl.  Vélez  2000,  S.  101  ff.  137  Vélez  2000,  S.  87.  138  Vélez  2000,  S.  87.    

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„It is ironic that Felipe’s ethic awareness comes as a result of cultural policies implemented by the Cuban government not in ordert to recog-nize ethnic diversity but to define a unified national identity in what was officially viewed as a „mono-ethnic“ „multiracial“ country.“139

Nachdem die Säkularisierungsentwicklung der Batá-Musik auf Kuba gezeigt

hat, wie aus einer kulturellen Tradition kulturelles Kapital und schließlich blo-

ßes musikalisches Material wird, sollen einige Musikbeispiele im Folgenden

erläutern, wie Batá-Toques völlig dekontextualisiert in Populärer Musik und in

Latin Jazz Verwendung finden.

4.3. Incognito, Santana und Eddie Palmieri: Beispiele für voll-ständig säkularisierte Toques

In der Verwendung der Toques ist deutlich zu erkennen, dass sie völlig von

ihrem ursprünglichen kulturellen Kontext und ihrer Funktion losgelöst sind.

Ein wichtiger Faktor ist, dass die Toques ohne die dazugehörigen Gesänge

verwendet werden. Es wird kein inhaltlicher Bezug mehr zur Santería oder

afrikanisch-animistischen Gottheiten hergestellt. Auch klanglich sind die To-

ques alleine durch die hohe Stimmung der Instrumente weit entfernt von der

typischen, tiefen und erdigen afrikanischen Klangästhetik.

Im Falle des Stückes ‚Da Le Yaleo’ von Carlos Santana, das 1999 auf

dem Album ‚Supernatural’140 erschien, wurde der betreffende Toque nicht auf

Batá-Trommeln, sondern als Adaption für drei Congas eingespielt. Die Congas

sind verhältnismäßig hoch gestimmt, was der Stimmpraxis für Congas in Popu-

lären Musikstilen (vor allem in Funk, Soul, Latin Pop, Rock etc) entspricht.

Dennoch sind sie in ihren Grundtönen melodiös aufeinander abgestimmt,

wodurch die Melorhythmik des Toques auf den Congas zur Geltung kommt.

Batá-Toques auf Congas zu übertragen ist mittlerweile gängige Praxis

unter Percussionisten geworden. Percussion- und im Speziellen Conga-Schulen

enthalten häufig Übertragungen der gängigsten Batá-Rhythmen für drei oder

vier Congas.141 Es gibt sogar Online-Conga-Masterclasses, die über Videos

                                                                                                               139  Vélez  2000,  S.  101.  140  Santana:  Supernatural.  USA:  Artisa/Sony  Music  1999.  141  siehe  z.B.  Egger  2002,  S.  110  und  S.  112;  Cruz  2004,  S.  24.  

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Batá-Rhythmen auf Congas vermitteln.142 Ein Grund für die Übertragung die-

ser Rhythmen auf Congas ist, dass die Toques auf Kuba meist auf Congas ge-

übt werden mussten, wenn kein ungeweihtes Batá-Set zur Verfügung stand.

Auf den geheiligten Batás konnte nicht geübt werden, weil sie ausschließlich in

Zeremonien gespielt werden.

Da in diesem Beispiel der Toque Chacha Lokafu eindeutig als bloßes

rhythmisches Material verwendet wird, ist es interessant, zu analysieren, aus

welchen musikalischen Gründen conguero Raul Rekow diesen Rhythmus ge-

wählt haben könnte. Zunächst einmal ist Chacha Lokafu einer der meist ver-

wendeten Toques in Populärer Musik. Es handelt sich um einen binären Toque,

der einen sehr markanten melodischen Verlauf hat (siehe Kapitel 2.2.3) Er ist

zweitaktig aufgebaut, wobei die erste Zählzeit jeden Taktes deutlich von der

iyá markiert wird. Typisch für die Variationen der iyá ist das synkopische Um-

spielen der Taktschwerpunkte um eine Achtel, was ihn besonders reizvoll für

Funk macht. Insgesamt ist es ein relativ dichter, treibender Rhythmus mit ext-

rem melodiösem Verlauf, der sich durch die Korrelationsrhythmik zwischen

iyá und itotele ergibt. Diesen melodischen Verlauf überträgt Rekow auf drei

Congas und übernimmt das Vorziehen der ersten Zählzeit des zweiten Taktes

aus den Variationen. Die entstehenden Pausen füllt er mit floating hand auf,

wodurch er eine nahezu durchgängige, treibende Sechzehntelpulsation erzeugt.

Diese Adaption wird wenig variiert und läuft (abgesehen von Kicks, einigen

Fills und dem Congasolo) das ganze Stück über durch.

In einem anderen rhythmischen Kontext würde das Einbringen eines

solch dichten und melodiösen Congagrooves überladen wirken. Da Dennis

Chambers am Schlagzeug einen sehr schlichten Groove spielt, dessen haupt-

sächliche Funktion das Vorantreiben der musikalischen Energie ist, bleibt viel

Platz für diesen markanten Congagroove (Notenbeispiel 10). Chambers be-

schränkt sich auf einen Four-to-the-floor-Beat (als sparsam dosierte Steige-

rungsmöglichkeiten spielt Chambers manchmal die Tumbao-Figur im Bass mit

der Bassdrum mit und erreicht die höchste Steigerung durch Sechzehntelketten

in der Double-Bassdrum), der durch getretene HiHat, Viertel auf dem Ridebe-

cken und in den Strophen durch Sechzehntel auf der geschlossenen HiHat auf-

gelockert wird. Ein Snare-Akzent auf der vierten Zählzeit verlagert den

                                                                                                               142  http://sub.congamasterclass.com/bata/  25.2.2013  

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Schwerpunkt auf den Backbeat. Die Sechzehntelebene lässt Chambers die

meiste Zeit über aus. Dieser offene Beat wird reizvoll vom Congagroove er-

gänzt. Der markierte erste Downbeat durch die Tumba setzt einen rhythmi-

schen Gegensatz zum oben genannten Snare-Akzent. Die melodiöse Linie des

Congagrooves schafft einen ganztaktig angelegten Bogen, während das

Schlagzeug alle Viertel betont. Dem eher statischen Schlagzeug werden die

synkopisch vorgezogenen Slaps entgegen gesetzt, während die durchgängigen

Sechzehntel auf der Conga dem rhythmischen Geflecht mehr Fluss verleihen.

Da Chambers auf eine melodiöse Gestaltung des Schlagzeuggrooves verzich-

tet, kommt die Melodik des Congagrooves deutlich heraus. Auch auf energeti-

scher Ebene unterstützt dieser das treibende Spiel des Schlagzeugs. Hieran

wird deutlich, dass die Wahl des Toques rein musikalische Gründe hat. Au-

ßermusikalische Bezüge zur Santería tauchen nicht auf.

Die britische Acid Jazz-Band ‚Incognito’ veröffentlichte 1992 das Al-

bum ‚Tribes Vibes & Scribes’, in dessen Stück ‚Tribal Vibes’ für einen kurzen

Groove-Teil Batás eingesetzt werden.143 Hier verhält es sich umgekehrt zum

obigen Santana-Beispiel. Das Stück ist von Funk-Elementen geprägt. Der

Groove des Schlagzeugs betont deutlich die Viertel und ist im Kern an einem

Achtel-Pop-Beat orientiert. Allerdings sorgen viele Ghostnotes auf der Snare,

eine tänzerische Offbeat-HiHat mit einer auftaktigen Öffnung zur ersten Zähl-

zeit, sowie der weitestgehende Verzicht auf Variationen und Fills für einen

filigranen und groovenden Eindruck, der ganz in der Tradition der Funkgroo-

ves steht. Auch Bass, Gitarre und Keyboards steuern typische, synkopierte und

repetitive Funkpattern bei. Während eines Groove-Breaks (ca. 3:30 Min) setzt

ein Batá-Ensemble mit dem Toque Obatalá ein. Schlagzeug und Batás spielen

zunächst alleine, nach vier Takten setzt der Bass ein und mit dem Wiederein-

satz der ganzen Band steigen die Batás wieder aus Notenbeispiel 11). Der To-

que ist ebenso wie Chacha Lokafu binär und sehr melodiös, in der rhythmi-

schen Anlage aber wesentlich statischer (siehe Kapitel 2.2.2). Die metrischen

Schwerpunkte liegen hier auf den Halben, weshalb trotz des melodischen Bo-

gens kein größerer rhythmischer Bogen entsteht. Es tauchen keine Synkopen

auf, was den statischen Charakter des Rhythmus entstehen lässt. Es ist also

wieder der Batá-Rhythmus, der einen rhythmischen Gegenpol zum Schlag-

                                                                                                               143  Incognito:  Tribes  Vibes  &  Scribes.  UK:  Talkin’  Loud  /Universal  1992.  

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zeuggroove (und in gewisser Weise auch zum gesamten Groove der Rhyth-

musgruppe) setzt, und hier eher metrisch geerdet und statisch erscheint. Aller-

dings fällt auf, dass der Schlagzeuggroove den melodischen Verlauf des Toque

immitiert. Der Congagroove, der zuvor verwendet wird, ist keine reine Adapti-

on des Toques Obatalá. Es werden vor allem dessen melodiöse Elemente ver-

wendet, während Synkopen durch markante Slaps für rhythmische Spannung

und größeren Fluss sorgen. Der Toque wirkt bei seinem Einsatz nicht unver-

traut, da er bereits im Congagroove vorwegnehmend angedeutet wurde. Dass

der Batá-Rhythmus ausschließlich in dem Groove-Break verwendet wird liegt

vermutlich daran, dass er im dichten Gewebe der Rhythmusgruppe rhythmisch

wie auch melodisch überlasten würde.

Das letzte Beispiel stammt aus dem Bereich Latin Jazz. Eddie Palmieris

Stück ‚Vals Con Batá’ von dem Album ‚Listen Here!’ stellt die Batás bereits

im Titel prominent in den Vordergrund.144 Nach einem sich dramatisch auf-

bauenden Intro, dass über ein Accelerando Spannung aufbaut, setzen die Batás,

gespielt von Giovanni Hidalgo145, mit Erreichen des Zieltempos ein (ca. 1:00

Min). Ab dieser Stelle wechselt das Stück zu einem Jazz-Waltz, der ganz in der

Jazz-Tradition steht. Hauptsächlich die Batás und die Bläsereinwürfe geben

dem Stück ein wenig Latin-Flair. Eddie Palmieri wechselt am Klavier zwi-

schen Jazz-Comping und angedeuteten Montuno-Begleitungen hin und her.

Die Batás spielen den Toque Ñongo, der eher statisch die Downbeats und Takt-

schwerpunkte betont, wodurch der Rhythmus geerdet wird (Notenbeispiel 12).

Eigentlich ist der Toque ein 6/8-Rhythmus, der schneller gespielt wird, hier

aber soweit verlangsamt wird, dass er zum Jazz-Waltz-Feel des Stückes passt.

Dadurch wirkt er recht statisch.146 Horacio Hernández spielt dagegen einen

typischen Jazz-Waltz-Groove, der mit verschiedenen Unterteilungen arbeitet

und durch viele Ghostnotes auf der Snare tänzerisch aufgelockert wird. Der

                                                                                                               144  Eddie  Palmieri:  Listen  Here!.  USA:  Concord  2005  145  Dass   alle   Batá-­‐Stimmen   als   Overdubs   von   demselben   Percussionisten  eingespielt  werden,  hat  sicher   in  erster  Linie  ökonomische  Gründe,   stellt  aber  auch  eine  Form  der  Loslösung  von  der  Batá-­‐Tradition  dar.  In  diesem  Fall   geht   die   Kommunikation   zwischen   Iyá  und   Itótele   aufnahmebedingt  verloren,   sodass   auch   der   Itótele   lediglich   eine  metronomische   Funktion  zukommt,  die  eigentlich  der  Okónkolo  zugeschrieben  wird.  146  Auch  in  dieser  Verlangsamung  zeigt  sich  die  Dekontextualisirung,  die  auf  ästhetischen  Entscheidungen  beruht.  Auf  diesen  Aspekt  gehe  ich  in  Kapitel  4  genauer  ein.  

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Batá-Groove steht also auch hier wieder als Gegenpol zu Hernández’ sehr filig-

ranem und beweglichem Spiel. Die Stimme der Iyá wird zunehmend variiert,

während die Stimmen von Itótele und Okónkolo das Stück über nie variieren.

Sie sind es auch, die Metrum und Takt klarstellen, wenn die restliche Rhyth-

musgruppe sich durch Verschiebungen und Synkopen davon loslöst. Die Va-

riationen der Iyá kommunizieren mit den Solisten und der Rhythmusgruppe,

indem sie vor allem auf Hernández’ und Palmieris Spiel, sowie auf die Solisten

reagieren. Dieser kommunikative Aspekt bleibt also erhalten und wird aus dem

traditionellen Kontext – die Kommunikation zwischen Tänzern, Sängern und

Iyá während der Zeremonien – in den Kontext des Interplays im Jazz übertra-

gen. Durch die obige Analyse wird deutlich, dass die Batás in diesem Fall le-

diglich als musikalisches Material Verwendung finden, wobei – im Gegensatz

zu den voran gegangenen Beispielen – der kulturell typische Kommunikations-

faktor erhalten bleibt.

Es ist deutlich geworden, dass immer dann, wenn Batá-Rhythmen als

musikalisches Material verwendet werden, ihre Kompatibilität und ihr Ineinan-

dergreifen mit dem Schlagzeuggroove im Mittelpunkt stehen. Schlagzeug und

Batás ergänzen sich stets und übernehmen jeweils eine andere rhythmisch-

metrische Funktion. Die Batás geben dem rhythmischen Geflecht mit ihren

Melorhythmen einen zusätzlichen melodischen Gehalt. In den Stücken selber

taucht kein Bezug zu ihrem ursprünglichen funktionalen Umfeld auf. Darin

zeigt sich ein fortgeschrittener Prozess der Dekontextualisierung, wodurch die

Rhythmen der Batás zu universell verwendbarem, musikalischem Material

werden.

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5. Identitätskonzepte: Batá im globalisierten und delokalisier-

ten Umfeld

In wieweit drückt sich die kulturelle Identität von Musikern in ihrer Musik aus

und wie lassen sich aus dem musikalischen Ergebnis Rückschlüsse auf das

jeweilige Identitätskonzept ziehen? Dabei muss das soziokulturelle und sozio-

ökonomische Umfeld des Künstlers berücksichtigt werden, in dem sich diese

Identität bildet, misst und aufgrund dessen sie schließlich konzeptuell ange-

passt wird.

María Teresa Vélez betont, dass es kaum noch einen Menschen auf der

Welt gebe, der sich nicht in einem von Migration und Delokalisation bestimm-

ten und geformten Umfeld befände. Entweder verfüge man selbst über einen

Migrationshintergrund und müsse sich in einem neuen kulturellen Umfeld ori-

entieren, oder man lebe in einem Umfeld, das sich beständig durch Migrations-

bewegungen anderer Kulturgruppen verändert und einen somit ebenfalls zu

einem Prozess der Neuorientierung zwinge. Damit sei die Loslösung von Men-

schen von ihrer ursprünglichen Kultur zu einer allgemeinen und allgegenwärti-

gen Erfahrung unseres Jahrhunderts geworden.147 In jedem Fall entsteht ein

transkultureller Raum, der jedem Individuum die Fähigkeit zur Anpassung

abfordert. In diesem Prozess müssen kulturelle Gewohnheiten hinterfragt und

eventuell transformiert werden.

Die Globalisierung des Kapitalismus, die Deindustrialisierung und der

ungehinderte, sich zunehmend beschleunigende Fluss des Kapitals über geo-

graphische, ethnische und kulturelle Grenzen hinweg, vernetzt die Welt auf

eine Weise, die jegliche Art von Lokalität dekonstruiert. In diesem Delokalisie-

rungsprozess kann ein Kulturprodukt über den ganzen Globus verbreitet wer-

den, wodurch es von ursprünglichen, lokal geprägten Funktionsrahmen und

Bezügen, wie beispielsweise seinem religiösen, politischen oder sozialen Kon-

text, gelöst wird. Stattdessen wird es mit neuen Bezugsrahmen verknüpft, die

                                                                                                               147  „The  seperation  of  people  from  their  native  culture  has  become  a  com-­‐mon  expierience  of  our  century;  in  one  way  or  another,  we  are  all  marked  by  the  experience  of  displacement,  either  as  protagonists  (as  immigrants,  refugees,  exiles,  expatriates)  or  as  hosts  who  have  to   learn  to  share  with  those  displaced  the  space  we  have  considered  ours.“  Vélez  2000,  S.  111.  

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lokal sein können (wie andere spezifische politische oder religiöse Umstände)

– aber nicht müssen. Wenn er nicht lokal ist, wird der Bezugsrahmen sphä-

risch.148 Dieses In-Beziehung-treten verschiedener Kulturgruppen oder Ethnien

über ein Kulturprodukt, dem in den jeweiligen Sphären eine Bedeutung zuge-

wiesen wird, bezeichnet man als Interkontextualität. Sie ermöglicht es, dass

Populärkultur zu einem Kommunikationsmittel wird, welches Sphären und

letztlich auch Lokalitäten miteinander verbindet und in Beziehung setzt. Damit

ist Populärkultur eine Möglichkeit, neue Identitäten zu konzipieren und mit

ihnen zu experimentieren:

„Die Neigung der Populärkultur, als Ort für Experimente mit neuen Identitäten zur Verfügung zu stehen, bietet ebenso viele gute Gelegen-heiten wie Gefahren.“149

In diesem Spannungsfeld bewegen sich die Kulturschaffenden ebenso wie ihr

Produkt. Das bedeutet, dass sich ein Musiker sowohl zu seinem Umfeld – der

Lokalität – als auch zu verschiedenen Sphären durch sein Produkt in Bezie-

hung setzt. Damit verleiht er seiner kulturellen Identität Ausdruck und kann

damit Anderen alternative Identitätskonzepte anbieten.150 Es können Verknüp-

fungspunkte zu Sphären entstehen, die nicht vom Autor intendiert waren, aber

durch Interkontextualität zugewiesen werden, weil das Werk entsprechende

interpretatorische Offenheit zulässt.

María Teresa Vélez beschreibt, wie sich die Identitäten der Musiker in diesem

komplexen Spannungsfeld in ihrer Musik spiegeln:

„[...]we learn something about how an individual musician creatively selects, re-creates, renovates, and modifies the cultural practices consi-

                                                                                                               148  Vgl.  Lipsitz  1999.  Bei  dem  Begriff  der  Sphäre  beziehe  ich  mich  auf  Lip-­‐sitz,  der  die  Idee  Arjun  Appadurais,  die  Welt  nicht  geographisch  nach  Grenzen,  sondern  nach  der  Verbreitung  verschiedener  Sphären  einzutei-­‐len.  Vgl.  Lipsitz  1999,  S.  43.  149  Lipsitz  1999,  S.  113.  150  George  Lipsitz  beschreibt,  wie  die  indogenen  Australier  erst  durch  ein  Konzert  von  Bob  Marley  1979   ihre  Gemeinsamkeiten  mit  anderen  unter-­‐drückten  und  diskriminierten  Bevölkerungsgruppen  realisierten  und  sich  ihr   Selbstverständnis   von   einer   kleinen   nationalen  Minderheit   zu   einem  Teil   einer   riesigen   globalen   Mehrheit   wandelte,   indem   sie   sich   Marleys  pan-­‐afrikanistischer  Vision  anschlossen.  Vgl.  Lipsitz  1999,  S.  205  f.  

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dered part of his „heritage“ to construct a complex mosaic that is perso-nal and unique.“151

Dieses Handeln, dessen Produkt und dieses Mosaik kann auch aus einem ande-

ren Umfeld und mit verschiedenen Sichtweisen wahrgenommen, interpretiert

und folglich interkontextualisiert werden. Vélez bezeichnet das Individuum

darum als einen Kulturträger (carrier of culture), der seine biographische Ge-

schichte konstruiert oder rekonstruiert. Dieser Vorgang stehe dabei immer in

einer Interaktion mit politischen, ökonomischen und kulturellen Kräften.152

5.1. Identitäten im Spannungsfeld lokaler Kulturformen

Zunächst möchte ich den Aspekt des Ortes – also im weitesten Sinne das lokale

Umfeld – mit seinen individuellen Kräften, die auf die Mitglieder einer Kultur

einwirken, beleuchten. Alle musikalischen Mischformen haben eines gemein-

sam: Damit sie entstehen konnten war erst eine Veränderung des kulturellen,

politischen, ökonomischen oder sozialen Umfeldes der Musikschaffenden nö-

tig, wodurch ihr kulturelles Selbstverständnis in Frage gestellt wurde. Die

Menschen sahen sich gezwungen, ihre kulturelle Identität zu überdenken und

gegebenenfalls neu zu definieren. Bei der für meine Betrachtungen relevanten

kulturellen Herausforderung, die viele neue Stile hervorbrachte, handelt es sich

um das Aufeinandertreffen der kubanischen und der us-amerikanischen Kultu-

ren. Dies geschah einerseits auf Kuba (vor allem in der ersten Hälfte des 20.

Jahrhunderts) und andererseits in den USA, als Kubaner und andere Kariben

begannen, nach Nordamerika zu immigrieren.

Nach der Unabhängigkeit Kubas von Spanien 1898 baute die USA ih-

ren Einfluss und ihre vor allem ökonomische Kontrolle immer weiter aus. Mit

dem „Platt-Amendment“ in der kubanischen Verfassung von 1902 sichert sich

die USA ein militärisches Interventionsrecht.153 Die USA waren Hauptwirt-

schaftspartner Kubas und bestimmten den Außenhandel. Die großen Hafen-

städte Kubas wurden zu Vergnügungszentren für wohlhabende weiße Ameri-

kaner und es eröffneten immer mehr Casinos, Kabaretts, Tanzpaläste und

                                                                                                               151  Vélez  2000,  S.  xix.  152  Vgl.  Vélez  2000,  S.  xix.  153  Vgl.  Zeuske  2007,  S.  141  ff  und  156  f.  

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Clubs. Amerikanische Investoren und kapitalistische Unternehmen investierten

auf Kuba in die Unterhaltungsindustrie, mit der auch die kubanische Musik-

landschaft florierte. Amerikanische Plattenfirmen investierten in Aufnahme-

studios und holten kubanische Musiker in die USA, um dort Aufnahmen zu

machen. Die Unternehmer der Tanzpaläste engagierten kubanische son- und

Tanzgruppen für ihre Shows. Viele dieser Shows befriedigten jedoch nur das

Bedürfnis der Amerikaner nach Exotismus.154 Sie holten auch amerikanische

Jazzmusiker nach Kuba, wodurch erste musikalische Begegnungen beider Kul-

turen zustande kamen. Nach Leonardo Acosta besuchten bereits W.C. Handy

und Jelly-Roll Morton zwischen 1900 und 1905 Kuba.155

In den zwanziger und dreißiger Jahren gründeten sich zahlreiche son-

Orchester und conjuntos, die Aufnahmen von kubanischen weltlichen Tanzsti-

len machten, Radioübertragungen und Konzerte in den Casinos auf der ganzen

Insel spielten. Ihre Blütezeit waren die 1940er.156 Diese Gruppen waren es, die

begannen, mit dem tieferen Klang der Conga zu experimentieren und sie in die

son-Musik zu integrieren157, was Acosta als eine „[...]weitere „ Afrikanisie-

rung“ des son.“ ansieht.158 Viele der Percussionisten, die später in die USA

immigrierten und dort den Latin Jazz maßgeblich beeinflussten, spielten in den

son-Orchestern und lernten sich dort kennen. Die meisten Musiker konnten

allerdings nicht von den Engagements, Radioübertragungen und Aufnahmen

der Gruppen leben. Es gab zwar kubanische Jazzbands in den Clubs, die für die

Touristen spielten, aber Conga und Bongo waren dort noch nicht etabliert.159

Sie übertrugen in erster Linie kubanische Tanzmusik auf dieses Orchesterfor-

mat und viele kubanische Musiker sammelten in diesen Bands ihre ersten Er-

fahrungen mit Jazz.160

Die ökonomischen Umstände auf Kuba waren schwierig, sodass sich

viele Musiker, wie Mongo Santamaría als Postbote oder Armando Peraza als

                                                                                                               154  Ein  Beispiel  dafür  beschreibt  Fernandez  mit  der  Show  ‚Congo  pantera’,  die  in  den  frühen  40er  Jahren  im  ‚Sans  Souci’  gespielt  wurde  und  eine  ge-­‐meinsame  Produktion  des  russischen  Coronel  Basil  Ballett  und  kubani-­‐schen  Percussionisten  war.  Vgl.  Fernandez  2006,  S.  88.  155  Vgl.  Acosta  2004,  S.  274.  156  Vgl.  Fernandez  2006,  S.  111.  157  Vgl.  Fernandez  2006,  S.  86  f.  158  Acosta  2004,  S.  279.  159  Vgl.  Fernandez  2006.  S.  102.  160  Vgl.  Acosta  2004,  S.  274.  

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Straßenverkäufer, mit anderen Tätigkeiten ihr Geld verdienen mussten.

Santamaría hatte in den letzten acht Jahren, bevor er Kuba verließ, kein festes

Engagement in einem Orchester. So erging es vielen professionellen Musi-

kern.161

„[...] there were too many musicians for the jobs available. [...] The lo-cal economy, built on a weak base, became further dislocated by the se-vere crisis of the 1930s. Within the vast mass of the unemployed, there was a musical reserve army of musicians.“162

„Whatever their color, the low pay offered to nearly everyone was such that many talented musicians pragmatically chose other professions in order to survive and played music intermittently or in their spare ti-me.“163

Ein weiterer Grund für die hohe Arbeitslosigkeit war die Diskriminierung von

Afrokubanern in den 30ern und 40ern, die mit dem Rassismus der amerikani-

schen Touristen ihren Ursprung nahm und sich ihren Weg in die Politik bahnte.

Dazu schreibt Raul A. Fernandez:

„Thus, able musicians might record a tune with an orchestra but were prevented from performing in public with the same orchestra because of the blackness of their skin.“164

„The major hotels and clubs favored foreign musicians, considered mo-re prestigious than the local ones, or, if Cubans, preferred them light-skinned.“165

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat die kubanische Politik versucht, die afri-

kanischen Kulturanteile auf Kuba zu reduzieren. So verbot Gerardo Machado

die comparsas im Karneval und das öffentliche Spiel des son. Bongos wurden

als zu afrikanisch angesehen, während Timbales als eher europäische Instru-

mente toleriert wurden.166

                                                                                                               161  Vgl.  Fernandez  2006,  S.  86  f.  162  Fernandez  2006,  S.  86.  163  Fernandez  2004,  S.  43.  164  Fernandez  2004,  S.  43.  165  Leymarie2002,  S.  46.    166  Vgl  Leymarie  2002,  S.  44.  

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„Although considered by the Constitution as full-fledged citizens, blacks were denied access to political life, to the major entertainment centers, certain private schools, and even, in some parts of the island, choice areas in public parks as well as certain streets. As with their counterparts in the United States, sports and music were practically their only opportunities to acquire a decent income, social advance-ment, and recognition“167

Insbesondere die afrokubanischen Religionen waren davon betroffen. Vorurtei-

le und sensationalistische Presse brachten sie mit kriminellen Aktivitäten in

Verbindung und förderte deren Verfolgung. Polizisten suchten zu der Zeit ziel-

gerichtet nach rituellen Zeremonien, verhafteten ihre Teilnehmer und konfis-

zierten religiöse Objekte.168 Da es nur wenige geheiligte Batá-Sets auf Kuba

gab, mussten sie vor der Entweihung durch die Polizei geschützt werden.

Die kulturelle Identität der Kubaner war durch die Begegnung mit der

amerikanischen Kultur stark in Frage gestellt, indem die kulturellen afrikani-

schen Wurzeln missbilligt und die Traditionen schließlich verboten wurden. So

war es die Kombination aus den katastrophalen, ökonomischen Umständen und

dem Rassismus der afrokubanischen Bevölkerung und Traditionen gegenüber,

die die Musiker dazu veranlasste, vor allem weltliche Tanzstile mit Jazz zu

verbinden. Zu afrikanisch anmutende Rhythmen waren verpönt oder gar verbo-

ten, sodass sie Elemente der Modetänze (Tango, black bottom, Charlston, Fox-

trott etc.) adaptierten.169 Einerseits wurde so eine neue Einnahmequelle er-

schlossen, andererseits kam die Kombination der bekannten und beliebten

Standards und Modetänze mit den exotischen Rhythmusvermischungen der

kubanischen Tanzmusik bei den amerikanischen Touristen gut an. Auf Kuba

führte die Konfrontation der kulturellen Identität mit einem veränderten repres-

siven Umfeld zunächst zu einer Orientierung am Jazz, da sich dadurch ökono-

mische Vorteile erwirken ließen. Die Verwässerung der kubanischen Stile

durch amerikanische Einflüsse war die einzige Möglichkeit, um kulturelle af-

rokubanische Elemente überhaupt aufrecht zu erhalten. Dementsprechend wur-

den die kubanischen Rhythmen dezent auf die Standards gelegt, sodass man

hier noch nicht von einer Vermischung im Sinne einer Fusion oder Synthese

                                                                                                               167  Leymarie  2002,  S.  45.  168  Vgl.  Vélez  2000,  S.  27.  169  Vgl.  Leymarie  2002,  S.  46.  

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sprechen kann. Die ersten tatsächlichen Mischformen entstanden zu dieser Zeit

in einem anderen Umfeld: New York.

Mit Beginn der 20er Jahre setzte eine große Migrationswelle von Ku-

banern in die USA ein, die mit einer massenhaften Immigration anderer Kari-

ben (in erster Linie Puertoricaner) zusammen fiel.170 Grund dafür war die un-

zumutbare politische (der Staatsterror des Diktators Gerardo Machado) und

ökonomische Situation auf Kuba. In New York bildete sich im Laufe der 30er

Jahre eine große lateinamerikanische Community, die sich im El Barrio lokali-

sierte. In diesem Umfeld, indem alle möglichen Kulturen aufeinander trafen,

gab es allerdings einen Mechanismus, der die Identitäten aller Immigranten

erschütterte: Sie waren in ihrer Identität delokalisiert. Sie waren keine Kuba-

ner, Puertorikaner oder Haitianer mehr, sondern wurden in der black communi-

ty vereinheitlicht. Der weiße Rassismus in den USA machte zwischen den ver-

schiedenen Kulturen keinen Unterschied und richtete sich gleichermaßen ge-

gen Afroamerikaner wie Afrokariben.171 Fernandez betont auch den Aus-

schluss der afrokaribischen Musik aus dem allgemeinen Kanon der nationalen

Musik durch die weiße Gesellschaft.172

Die kubanischen New Yorker waren im El Barrio von ähnlichen und

verwandten Kulturen, wie die anderen karibischen oder die afroamerikanische

Kultur, umgeben, mit denen sie die gleichen Erfahrung von Diskriminierung

teilten. Für sie alle bestand das Leben in den USA aus dem traumatischen Kon-

flikt zwischen dem Bedürfnis, sich anzupassen und der Bestätigung ihrer kultu-

rellen Identität.173 Folglich schufen sie eine kulturell heterogene Ausdrucks-

form, die später Salsa genannt werden sollte und es ihnen erlaubte, sowohl die

Erfahrung einer nationalen Identität aufrecht zu erhalten, als auch eine gemein-

same kulturelle pan-karibische Identifikation zu erschaffen.174 Damit wird Sal-

sa zu einem Vehikel für ethnische Identitäten.

„Professor Frances Aparicio makes the argument explicit: she deals with salsa not as a musical genre but as a broader cultural practice and argues that it acts as a form of cultural empowerment. Aparicio regards

                                                                                                               170  Vgl.  Acosta  2004,  S.  274.  171  Vgl.  Lipsitz  1999,  S.  133  172  Vgl.  Fernandez  2006,  S.  15.  173  Vgl.  Leymarie  2002,  S.  84.  174  Vgl.  Fernandez  2006,  S.  12.  

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salsa as a manifestation of a political consciousness through wich Lati-nos are able to reaffirm their cultural identities.“175

Dabei spielt sich dieser Ausdruck des ethnisch-kulturellen Selbstverständnisses

nicht nur in der Musik ab:

„The criollo attitude toward music making results in a performativity of a particular sort, in wich musicians, in every moment of their construc-tion of a people’s musicalia, are at the same time performing their cubanía (Cubanness).“176

Bezogen auf Puertorikaner schreibt Lipsitz zum Einfluss des Umfeldes auf die

ethnische Identität:

„Wenn man in engen Ghettos lebt, die meistens an schwarze Wohnge-biete grenzen, wenn man den alle Lebensbereiche durchdringenden Rassismus gegen Schwarze kennenlernt und schließlich auch selbst durch die weiße Vorherrschaft in den USA Ungerechtigkeit erfährt und zutiefst entfremdet wird – dann wird man als Puertorikaner empfängli-cher für die aus vielen „Rassen“ zusammengesetzte eigene Bevölkerung und entwickelt ein positiveres Verhältnis zu den afrikanischen Wurzeln der eigenen Kultur.“177

Neben der Übernahme und Vermischung verschiedener Kulturformen in der

eigenen Identität zeigt sich also die Betonung der Gemeinsamkeit afrikanischer

Wurzeln. Lipsitz bezeichnet dies als einen dynamischen Dialog zwischen afro-

amerikanischer und afrolateinamerikanischer Musik, der beide Seiten berei-

chert habe. 178 Vélez beschreibt in diesem Zusammenhang den Veränderungen

im Selbstverständnis von Felipe Garcia Villamil, nachdem er als kubanischer

Immigrant nach New York kam. Sie beschreibt, wie kubanische Traditionen in

diesem neuen Umfeld nun nicht mehr dazu verwendet werden können um eine

nationale Kultur zu definieren, da Villamil sich nun als eine Stimme unter vie-

len in einer pluralistischen und multiethnischen Nation wiederfinde. Kubani-

sche Traditionen werden in den USA eher in einem pan-afrikanistischen Ver-

ständnis als Teil der Abstammung einer afrikanischen Diaspora kontextuali-

siert. Villamil erfährt in dem sich daraus ergebenden kulturellen Austausch,                                                                                                                175  Fernandez  2006,  S.  16.  176  Fernandez  2006,  S.  46.  177  Lipsitz  199,  S.  132.  178  Vgl.  Lipsitz  1999,  S.  132.  

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dass sein „Schwarzsein“ schwerer wiegt, als seine kubanische Herkunft

(„Therefore, in defining his identity, Felipe finds himself involved in an

exchange where his „blackness“ weighs more heavily than his

ness.“179).180

Das vorangegangene verdeutlicht, dass die musikalischen Entwicklun-

gen afrolateinamerikanischer Stile immer das Produkt eines gruppendynami-

schen Prozesses verschiedener communities sind, die sich auch als eine Einheit

konstituieren. Die Strategie, die kulturelle Identität in einem heterogenen und

repressiven Umfeld durch die teilweise Übernahme anderer Identitäten neu zu

definieren, äußert sich in vielen verschiedenen Stilrichtungen der afrolatein-

amerikanischen Musik. Am Beispiel von ‚Santana’ und Poncho Sanchez werde

ich dies im Folgenden genauer aufzeigen.

5.2. Geliehene Identitäten: Santana und Poncho Sanchez

5.2.1. Santana: Shangó

Carlos Santana gilt für viele Hörer als Inbegriff für lateinamerikanische Musik.

Dies begründet sich in den starken kubanischen Akzenten in den Percussion-

elementen, die sich deutlich auf afro-kubanische und frühere afro-

lateinamerikanische Musikstile beziehen. Das Image, das die Band von sich

vermittelt, ist kein Zufallsprodukt, sondern war schon in den Anfangsjahren

eine zielgerichtete Auslösung von Assoziationen:

„Es bietet sich an, einfach beim Familiennamen des Gitarristen zu blei-ben, weil die Musiker-Gewerkschaft einen offiziellen Leiter der Band gemeldet haben möchte, weil Carlos sich nach und nach als der Kopf der Gruppe herauskristallisiert, weil der Name ohnehin aus kommerzi-ellen Gründen gekürzt werden soll und schließlich, weil „Santana“ – passend zur Musik – klangvoll und lateinamerikanisch, aber dennoch universell verwendbar ist.“181

Der Name ‚Santana’ soll also bestimmte Assoziationen wecken, aber auch ge-

nügend Spielraum für die stilistische Vielschichtigkeit lassen.                                                                                                                179  Vélez  2000,  S.  115.  180  Vgl.  Vélez  2000,  S.  115.  181  Rudolph  2008,  S.  11.  

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Dies ist umso interessanter, wenn man die Wurzeln der Band ‚Santana’ be-

trachtet. Carlos Santana selbst wurde am 20. Juli 1947 in der mexikanischen

Stadt Autlán de Navarro in der Provinz Jalisco als Carlos Augusto Alves San-

tana geboren. 1955 zieht er mit seiner Familie in die Grenzstadt Tijuana, in der

er erste musikalische Erfahrungen sammelt und in Kneipen und Nachtclubs für

Mexikaner und Amerikaner spielt. Es ist aber keine Latin-Musik, die der Tee-

nager auf seiner Gitarre spielt, sondern Blues. Seine großen Vorbilder sind

Django Reinhardt, Charlie Christian, Lonnie Johnson und B.B. King. 1963

zieht er mit seiner Familie nach San Francisco, wo er seine eigene Band zu-

sammenstellen wird – die Santana Blues Band.182 Der Latin-Einfluss kam laut

Santanas eigener Aussage erst 1967 mit Marcus Malone in die Band.183 Latin

und dessen Verbindung mit Jazz ist auch in rockigen Formen zu der Zeit nichts

Neues. Santana nennt oft das Album ‚Spellbinder’ von Gabor Szabo, das ihn

begeistert haben soll Dennoch schafft es Santana, die Verbindung von Latin

und Rock als neuartigen Stil bekannt zu machen. Den Grund dafür bringt Ha-

gen Rudolph auf den Punkt:

„Hört man sich jene Musik an, taucht unwillkürlich die Frage auf, was an Sanatanas Musik eigentlich neu sein soll. Die knappe Antwort: nichts. Tatsache ist aber, dass Santana vom breiten Rockpublikum wahrgenommen wird – Tito Puente hingegen nicht. Rockmusik mit Percussion ist neu, was freilich vor allem eine Sache der Schubladen ist. Und die werden von den Plattenfirmen eifrig gepflegt, wenn bei-spielsweise auf Alben von Willie Bobo oder Gabor Szabo für Platten-händler der dezente Hinweis „File under Jazz“ [...] steht.“184

Erstaunlich ist an dieser Erfolgsgeschichte, dass die Band ‚Santana’ einen neu-

en lateinamerikanischen Musikstil mit starken kubanischen Einflüssen geschaf-

fen und etabliert hat, der als „[...] eine musikalische Interpretation dessen, was

es bedeutet, lateinamerikanischer Abstammung zu sein und in den USA zu

leben – Ausdruck der stolzen, multikulturellen Identität einer Generation.“185

gesehen wird. Die Band selbst bestand währenddessen aus einem Mexikaner,

                                                                                                               182  Vgl.  Rudolph  2008,  S.  9  f.  183  Vgl.  Rudolph  2008,  S.  11  f.      184  Rudolph  2008,  S.  15.  185  „[...]  a  musical  interpretation  of  what  it  was  to  be  Latin  and  living  in  the  US;  a  way  of  echoing  a  generation’s  proud  cross-­‐cultural  identity.“  McCarthy/Sansoe  2004,  S.  5,  Übersetzung  nach  Rudolph  2008,  S.  16  

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der sich eigentlich als Bluesgitarrist sieht, drei US-Amerikanern, einem Ni-

caraguaner und einem Puertorikaner. Alle Musiker haben also Teile ihrer kul-

turellen Wurzeln in die Musik eingebracht, während andere Teile ihrer Identität

nicht ausgedrückt werden. Traditionelle mexikanische Einflüsse findet man in

der Musik Santanas kaum, da er sich selbst in seinem Gitarrenspiel durch

Blues- und Rockelemente – also durch us-amerikanische Stile – ausdrückt.

Genauso sind Gregg Rolie, David Brown und Michael Shrieve an der Erschaf-

fung dieser Stilistik beteiligt und drücken sich durch sie aus, während sie als

US-Amerikaner keine kulturellen afrokaribischen Wurzeln haben. George Lip-

sitz nennt diese Strategie, auf Elemente anderer Identitätskonzepte zurück zu

greifen, um einer eigenen Identität Ausdruck zu verleihen, strategischen Anti-

Essentialismus.186 Dieser zeigt sich häufig in einem repressiven Umfeld, wenn

der direkte Identitätsausdruck zu gefährlich ist. Dann werden Elemente alterna-

tiver, etablierter und akzeptierter Identitäten übernommen oder adaptiert, um

die eigene zu kodieren.187 Auf strategischen Anti-Essentialismus wird auch

zurückgegriffen, wenn es noch keine ausreichenden Möglichkeiten und Mittel

eines direkten Ausdrucks gibt. Diese müssen dann erst erschaffen werden.188

Im Falle ‚Santanas’ werden Elemente vorhandener Identitäten kombiniert, um

diese Möglichkeiten zu schaffen.

Rainer Winter formuliert strategischen Anti-Essentialismus als

„[...]Versuch von Individuen [...] und Gruppen unter Zurückdrängung ihrer

heterogenen Aspekte eine Einheit zu konstituieren, die sich an gemeinsamen

Interessen [...] und Bedürfnissen orientiert. Der Ausdruck ist nicht direkt, son-

dern verkleidet und durch ein Medium ausgedrückt.“189 Im Fall von ‚Santana’

drängen alle Bandmitglieder Aspekte ihres kulturellen Hintergrundes zurück,

um andere miteinander zu kombinieren. Somit finden sie zu einem gemeinsa-

                                                                                                               186  Vgl.  Lipsitz  1999,  S.  98  ff.  187  Lipsitz  verwendet  zur  Verdeutlichung  dieses  Falles  das  Beispiel  von  Willa  Cather,  die  ihrer  Homosexualität  in  einem  diskriminierenden  Umfeld  durch  ihren  Roman  My  Antonia  kodiert  und  ausdrückt.  Dies  wird  nach  Douglas  Kellner  und  Michael  Ryan  auch  diskursives  Transkodieren  ge-­‐nannt.  Vgl  Lipsitz  1999,  S.  100  f.  188  Hierfür  führt  Lipsitz  das  Beispiel  der  amerikanischen  Mistrel  Shows  an:  „Das  Weißsein  konnte  er  [der  weiße  Amerikaner]  nur  dadurch  erzeugen,  indem  er  das  Schwarzsein  erst  imitierte,  um  sich  dann  davon  zu  distanzie-­‐ren.“  Lipsitz  1999,  S.  102.  189  Winter  2001,  S.  298.  

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men musikalischen Ausdruck, der wiederum zu dem Ausdruck der stolzen,

multikulturellen Identität einer Generation wird, von dem McCarthy und

Sandoe sprechen. ‚Santana’ schafft damit eine Möglichkeit für ein bestehendes

Ausdrucksbedürfnis einer Identität, die sich zuvor nicht zu artikulieren wusste.

Der Schwerpunkt liegt dabei auf der multikulturellen und transethnischen In-

teraktion und Kommunikation, die sich immer neue Wege sucht und – wie

‚Santana’ bewiesen hat – auch nicht vor stilistischen Grenzen halt macht. Ami-

ri Baraka merkt an, dass das Erscheinen weißer Musiker bereits ein Zeichen

dafür sei, dass die afroamerikanische Kultur schon eine spezifische amerikani-

sche Erfahrung ausdrücke.190 Übertragen aus ‚Santana’ könnte man darauf

schließen, dass die kulturelle Diversität in ihrer Musik nicht mehr nur eine Er-

fahrung der afroamerikanischen oder lateinamerikanischen Community ist,

sondern zu einer allgemeinen amerikanischen Erfahrung wird, die zunehmend

bedeutsamer im Lebensumfeld aller Amerikaner wird. Dies bestätigt die zu

Beginn dieses Kapitels erwähnte Aussage von Vélez, dass die Loslösung von

den kulturellen Wurzeln eine allgemeine Erfahrung unseres Lebens geworden

ist.

Als exemplarisches Beispiel dafür betrachte ich im Folgenden das Al-

bum ‚Shangó’191. Das Album trägt den Namen des orisha Shangó, der auch

Xangó oder Changó genannt wird. Ulrike Herzog beschreibt ihn folgenderma-

ßen:

„Der Held des Oricha-Pantheons. Gott des männlichen Eros. Triebhafte Herrschernatur, starker Wille, auffahrendes Wesen. So stolz wie fehler-haft. Herr über Donner, Blitz und Feuer. Gott der Musik, Herr der Trommeln. Farben: rot-weiß.“192

Diesem Heiligen der Santería widmen ‚Santana’ ihr Album und stellen damit

eine Verknüpfung zur kubanischen Religion und ihrem kulturellen Zusammen-

hang her. Die Band verweist damit unmittelbar auf die afrikanischen Ursprün-

ge, die Carlos Santana als den Einheit stiftenden Moment in seiner Musik ver-

steht. Bereits durch den Titel des Albums erreicht ‚Santana’ eine breite Kon-

textualisierung. Changó ist einer der bekanntesten orishas. Ihm werden viele

                                                                                                               190  Vgl.  Lipsitz  1999,  S.  105.  191  Santana:  Shangó,  USA:  Columbia  1982.  192  Herzog,  S.  2,  n.v.  

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Stücke gewidmet, auch ohne Verwendung von Batá-Toques oder seinen Ge-

sängen. Einige Beispiele für diese Geste der Ehrerweisung und dem damit ver-

bundenen Ausdruck einer kulturellen Tradition und Identität sind ‚Chango de

Llama’ von Daniel Poncé, ‚Elube Chango’ von den Afro-Cuban All-Stars,

‚Canto para elewa y chango’ der kubanischen HipHop-Band ‚Orishas’, die ja

bereits mit ihrem Bandnamen auf ihre kulturellen Wurzeln verweisen, ‚Para

Chango’ von Oscar D’León oder ‚Changó Táveni’ von Celia Cruz. Auch Tito

Puente verwendet auf seinem Album ‚Top Percussion’ von 1958 Yoruba-

Gesänge. Compay Segundo verknüpft in seinem Stück ‚Saludo a Chango’ die

son-Tradition mit Batá-Toques für Changó. Damit wird eine der ältesten afro-

kubanischen religiösen Traditionen mit einem der ältesten weltlichen kubani-

sche Stile verbunden. Im son stellt diese Verbindung eine besondere Ausnahme

dar. ‚Santana’ stehen mit dieser Kontextualisierung also in einer etablierten

und genreübergreifenden Tradition. Neben Shangó wird auch Oxun (Oshún)

ein Stück des Albums gewidmet.

„Göttin der Schönheit, der Eitelkeit und der Liebe. Die Hure. Herrin der kleinen Flüsse und Bäche. „The sweet honeydripper“. Farben: gelb, golden, gelb-rot, orange.“193

Hagen Rudolph beschreibt Oshún in Bezug auf dieses Stück wie folgt:

„Oshun ist der Geist des Süßwassers bzw. des gleichnamigen nigeriani-schen Flusses. Im Yoruba-Glauben ist Oshun eine der Frauen des Shan-go. Außerdem ist sie die Göttin der Liebe und Schönheit, und diese Rol-le spielt sie offenbar hier.“194

Der Gesang, der ihre Erscheinung im Stück beschreibt ist einer der Gesänge für

Oshún. In den letzten Sekunden des Stückes ‚Warrior’ erscheint ein kleiner

Teil eines Gesanges für Changó, der in das Titelstück des Albums ‚Shangó’

überleitet. Hier ist nun eine Vermischung traditioneller religiöser Rhythmen zu

hören, die den Gesang begleiten (Notenbeispiel 13). Die einzelnen Stimmen

werden auf jeweils einer Conga gespielt. Sie sind in ihrer Stimmung dem erdi-

gen und vollen Klang der afrokubanischen religiösen Musik nachempfunden.

Über eine 6/8-Ewe Clave wird der Rhythmus aufgebaut. Zunächst ist die                                                                                                                193  Herzog,  S.  2,  n.v.  194  Rudolph  2008,  S.  111.  

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Conga zu hören, die ein traditionelles bembé-Pattern spielt. „Bembé sind reli-

giöse Zusammenkünfte, bei denen mit Opfergaben, Tanz und Gesang Zeremo-

nien für die Orishas (Götter) des Lucumí- oder Santería-Kultes abgehalten

werden.“195 Die Tumba spielt dazu die Taktschwerpunkte und setzt mit Slaps

einige polyrhythmische Akzente. Erst ziemlich spät (bei ca. 0:48 min) setzt die

Quinto mit einem typischen, volltaktig beginnenden kilá-Pattern der okónkolo

ein. Darüber wiederholt der Chor den Gesang und ein Solist singt Improvisati-

onen in die Pausen. Die Variationen der Tumba kommunizieren mit dem Solis-

ten, wodurch eine Verdichtung entsteht. Der Toque wird abrupt von einem

Donnerschlag beendet. Bei diesem letzten Stück handelt es sich demnach um

einen direkten Verweis auf die afro-kubanische Santería. Das Conga-Ensemble

kombiniert hier Elemente der Batá-Toques und des bembé.

Es zeigt sich, wie die Musiker von ‚Santana’ durch Verwendung kultu-

reller Ausdrucksweisen, die nicht ihre eigenen sind, ihre kulturelle Diversität

als Einheit ausdrücken. Sie wird zu einem homogenisierenden Faktor. Anders

formuliert spiegelt die Musik wider, wie ein Individuum von seiner Umwelt

geprägt wird und diese sich in dessen Identität reflektiert. Ist dieses Umfeld so

heterogen, wie der multikulturelle Schmelztiegel der USA, findet das Individu-

um diese kulturelle Diversität auch in sich. Sie wird verbindender Faktor zwi-

schen den Menschen und lässt eine Einheit in der und durch die Diversität en-

stehen.

Um diese erlebte Einheit nun zu verstärken nutzen ‚Santana’ innerhalb

dieses Konzeptes des strategischen Anti-Essentialismus einen inhärenten musi-

kalisch-konzeptuellen strategischen Essentialismus: Die Band bezieht sich mit

‚The Nile’ oder auch ‚Oxun’ textlich immer wieder auf Afrika und lokalisiert

dadurch die Vermischung aller stilistischen Einflüsse in den gemeinsamen af-

rikanischen Wurzeln. Auch die Verwendung der Batá-Rhythmen und religiö-

sen Gesänge der Santería betont diese Lokalisation. George Lipsitz bemerkt,

dass sich Yoruba-Texte in der traditionellen kubanischen Musik auf kollektive

Erinnerungen an Sklaverei und Rassismus beziehen und afrikanische Identität

wieder in die kollektive Nationalkultur einführen.196 ‚Santana’ schlagen mit

diesen Einflüssen einen Bezugsbogen zu afrokaribischen Stilen, die ihrerseits

                                                                                                               195  Egger  2002,  S.  70.  196  Vgl  Lipsitz  1999,  S.  112.  

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auf afrikanische Kulturen und afro-diasporischen Erfahrungen verweisen. Vor

diesem Hintergrund ist die Doppeldeutigkeit des Textes von ‚Oxun’ interessant

zu betrachten. Einerseits erzählt der Text die Geschichte eines Eingeborenen ,

der als Junge vor einem Gewitter (das symbolisch für Changó steht) flüchtet,

eine qualvolle Initiation durchläuft bis schließlich „alle Pein wie weggeblasen

ist und Oshun ihm erscheint als Zeichen, dass er nun zum Mann geworden

ist.“197 Der Text lässt aber bewusst auch Assoziationen mit Versklavung und

Verschleppung zu. Santana definiert damit seine Musik, wie auch alle stilisti-

schen Einflüsse, die sich in ihr widerspiegeln, als afrikanische Musik mit einer

gemeinsamen afro-diasporischen Vergangenheit198:

„Für mich ist es afrikanische Musik. Ich will meine Musik nicht in die Latino-Ecke stellen. Alles was ich spiele, hat afrikanische Wurzeln. Egal, ob es nun nach Kuba, Brasilien oder nach Chicago klingt. Es ist und bleibt Blues, und der kommt aus Afrika.“199

Damit wird eine musikalische Einheit betont und gebraucht, um aus der Erfah-

rung eines transethnischen und kulturell äußerst heterogenen Umfeldes eine

erfahrbare ideologische Einheit zu erschaffen. George Lipsitz vermerkt dazu

treffend:

„Für manche Leute ist indes Anti-Essentialismus eine Form von Essen-tialismus. Sie sind an so vielen verschiedenen Kulturen beteiligt und fühlen sich in so vielen Communities heimisch, daß für sie ihre Essenz nichts anderes ist als die Vielfalt ihrer kulturellen und persönlichen Identität.“200

„Der Schlüssel zur Strategie all dieser Gruppen liegt im Verständnis, wie sie mehr „sie selbst“ werden konnten, indem sie anscheinend etwas anderes wurden.“201

                                                                                                               197  Rudolph  2008,  S.  11  f.    198  In  diesem  Verständnis  zeigt  sich  in  gewisser  Weise eine pan-afrikanistische Haltung, die sich sowohl auf Kuba als auch in New York durch die Bewegung ‚Afrocubanismo’ ausdrückt. Auf diese Bewegung gehe ich im folgenden Kapitel genauer ein.  199  Carlos  Santana  –  in:  Musikexpress/Sounds,  200,  S.  42,  zitiert  nach:  Ru-­‐dolph  2008,  S.  17.  200  Lipsitz  1999,  S.  116.  201  Lipsitz  1999,  S.  115.  

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5.2.2. Poncho Sanchez

Poncho Sanchez’ Musik ist Latin Jazz und verwendet fast ausschließlich und

authentisch kubanische Musikstile zur Fusion mit Elementen des Jazz. Damit

unterscheidet er sich in seinem musikalischen Schaffen nicht von Musikern

wie Mongo Santamaria, Chucho Valdés oder Miguel ‚Angá’ Diaz, deren Mu-

sik ich später noch betrachten werde. Sanchez ist jedoch kein Kubaner, sondern

wurde 1951 in Laredo, Texas geboren und wuchs in Los Angeles in einer me-

xikanisch-amerikanischen Familie auf. Er kam in seiner Jugend mit vielen ver-

schiedenen Stilen wie Latin Jazz, Funk, Jazz, Soul etc in Berührung.202 San-

chez wuchs also in einer kulturell und ethnisch sehr gemischten Umgebung

auf. Diese Einflüsse spiegeln sich in seiner Musik wider. Er geht in seiner Stra-

tegie einen Schritt weiter als ‚Santana’: Dadurch, dass Sanchez musikalische

Elemente der afrokubanischen Kultur betont, die nicht Teil seiner mexika-

nisch-amerikanischen Abstammung sind, defamiliarisiert er sich, um sich in

kulturellen Diversität zu refamiliarisieren. Dabei geht er über die Betonung der

Diversität und der Erschaffung einer Einheit daraus hinaus. Sanchez setzt diese

neue Einheit mit einer nationalen Identität gleich, indem er die musikalische

Verbindung und den damit vermittelten Ausdruck einer Einheit in einer eth-

nisch-kulturellen Diversität als amerikanisch definiert:

„To me, Latin Jazz is the world’s greatest music. It has the melodic and harmonic sophistication of Jazz and American standards, and the flavor and energy of Latin American music. What I’m most proud of is that this music – while it may sound exotic at times – is from America. It was born in New York City when Chano Pozo met Dizzy Gillespie for the first time in the mid-1940s. They created something that didn’t exist before in this country.“203

Dieser eigenständige, amerikanische musikalische Ausdruck ist es, der ihn in

seiner Identität als Amerikaner anspricht. Wie später in dem Kapitel über Latin

Jazz noch genauer erörtert werden soll, ist Latin Jazz eine Synthese von Mu-

sikstilen, die die einzelnen stilistischen Elemente dadurch bestärkt, dass die

kulturellen Gemeinsamkeiten betont werden, die der afrikanischen oral culture

                                                                                                               202  Vgl.  http://www.ponchosanchez.com/unflashed.html  (28.2.2013)  203  Poncho  Sanchez,  offizielle  Biographie  auf  seiner  Homepage:  http://www.ponchosanchez.com/unflashed.html  (28.2.2013)  

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entspringen. Vor diesem Hintergrund werden zwei verschiedene Richtungen

eines strategischen Essentialismus in Sanchez’ Musik sichtbar, die sich inner-

halb des strategischen Anti-Essentialismus verbergen: Eine Betonung des eige-

nen amerikanischen Anteils seiner Identität, hinter der sich eine Betonung der

afrodiasporischen Ursprünge dieser amerikanischen Kultur verbirgt. Damit

refamiliarisiert sich Sanchez quasi in doppelter Hinsicht durch eine Defamilia-

risierung.

Im Laufe der historischen Entwicklung ist der Öffnungs- und Säkulari-

sierungsprozess der Batá-Toques nun schon soweit fortgeschritten, dass – wie

bereits gezeigt – die Rhythmen in Latin Jazz losgelöst vom ursprünglichen

Kontext verwendet werden können. Dennoch bleibt ein bestehender Bezug zur

afrokubanischen Kultur und zum afrodiasporischen Ursprung dieser Rhytmen

als Kontextualisierung in spirituellen und pan-afrikanistischen Elementen er-

halten. Poncho Sanchez betont diesen Ursprung auf seinem 1998 veröffentlich-

tem Album ‚Afro-Cuban Fantasy’204.

Ähnlich wie bei ‚Santana’ betont Sanchez den afrodiasporischen As-

pekt seiner Stilistik, indem er mit dem Konzept des Albums einen Schwer-

punkt auf die afrikanischen Wurzeln der verwendeten afrkubanischen Mu-

sikeinflüsse setzt. Das Albumcover zeigt das Bild ‚The Cabildo is Coming’ des

Kubaners Viredo. Dieser sagt über seine Bilder:

„Much of what I paint comes from the complex Afro-Cuban culture in my childhood in Regla.“205.

‚The Cabildo is Coming’ zeigt eine Gruppe Afrokubaner, darunter ein Batá-

Ensemble und ein Shékere-Ensemble. Das Bild verweist auf die Ursprünge der

afrokubanischen Kultur auf Kuba: Die cabildos, in denen ein Überdauern der

afrikanischen Kultur der Sklaven überhaupt erst möglich wurde. Sowohl Batás

als auch Shékeres beziehen sich dabei auf die afrokubanische Santería. In den

Linernotes des Albums stellt Max Salazar den deutlichen Bezug zu den Anfän-

gen des Latin Jazz her, in denen ‚Machito and His Afro-Cubans’ sich mit ihrer

                                                                                                               204  Poncho  Sanchez:  Afro-­‐Cuban  Fantasy,  USA:  Concord  1998.  205  Viredo  Espinosa:  http://www.viredo.com/index.html  (4.3.2013)  

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Musik immer als Afrokubaner zeigten und sich – auch im Bandnamen – stolz

auf ihre afrikanischen Wurzeln beriefen.206

Musikalisch drückt Sanchez das Konzept des Albums aus, indem er

Jazz- und kubanische Elemente diffizil miteinander verwebt. Einige Stücke,

wie ‚Ritmo Remo’ oder ‚Sambroso’ stehen in der Salsa-Tradition während

andere Stücke, wie etwas ‚Subway Harry’ oder ‚Darn That Dream’ eher im

Jazz verankert sind. ‚Subway Harry’ erscheint wie ein Tribut an den Latin

Soul, den Mongo Santamaría geprägt hat. ‚Darn That Dream’ – gesungen von

Dianne Reeves – lässt den Standard unverändert und unterlegt einen dezenten

Bolero-Rhythmus. Vor allem aber Stücke wie ‚Morning’ oder der Titeltrack

‚Afro-Cuban Fantasy’ verschmelzen beide Stile so miteinander, dass die ge-

meinsamen Ursprünge hervortreten.

Beide Stücke kombinieren nicht nur Jazz und kubanische Einflüsse mit-

einander, sondern sind darüber hinaus ein Verweis auf die Bezugnahme dieser

Stile untereinander. In ‚Afro-Cuban Fantasy’ lässt das Schlagzeug viel Platz

für Percussion, indem sich der Groove auf die Ewe-Clave auf dem Becken und

dezente Taktschwerpunkte mit der Bassdrum beschränkt. HiHat und Snare

setzen dazu jazztypisch dezente, polyrhythmische Akzente. Eine Shékere un-

terstützt die Clave, womit der rhythmische Grund für das komplexe Rhyth-

musgewebe, das sich mit Congas und Batás darüber aufbaut, gelegt ist. Die

Congas spielen einen typischen Afro-Cuban-6/8-Rhythmus, der über die open

tones zunehmend melodiös variiert wird. Das führt dazu, dass sich die Melo-

rhythmen der Congas immer mehr mit denen der Batá vermischen. Der Afro-

Rhythmus entstand im Latin Jazz und in der Salsa. Er ist eine Form der Ver-

weltlichung von Rhythmen verschiedener Religionen Kubas über subtile Adap-

tion. Damit beziehen sich also bereits die ersten Rhythmen des Latin Jazz auf

die afrodiasporischen Wurzeln ihrer Kulturen. Von den Batás ist nur die iyá

vorhanden, die typische Variationen auf der enú spielt und auf der chacha ein

Pattern übernimmt, das eigentlich die itótele spielen würde. Es besteht aus je-

dem zweiten Triolenachtel und entstammt dem Toque Obaloque. Die Variatio-

nen der iyá sind typisch für viele 6/8-Toques. Zu Beginn unterstützt sie damit

                                                                                                               206  An  dieser  Stelle  sei  noch  einmal  auf  das  Zitat  von  Fernandez  verwiesen,  in  dem  er  auf  den  performativen  Aspekt  der  cubanía  hinweist.  Auf  das  Identitätskonzept  von  ‚Machito  and  His  Afro-­‐Cubans’,  das  sich  in  ihrer  Mu-­‐sik  mitteilt  gehe  ich  später  noch  genauer  ein.  

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den viertaktigen Bogen der Akkordfolge und wechselt zwischen 6/8- und ¾-

Feel hin und her (Notenbeispiel 14). Das Stück enthält Wechsel zwischen die-

sem Afro-Cuban-Groove und einem 4/4-Swing. In den Swing-Passagen, stei-

gen die Percussioninstrumente, bis auf die Congas, aus. Den Auftakt zum

Wechsel zurück in den 6/8-Takt leitet die iyá mit einem typischen Llamada-

Motiv ein. Während der Soli reagieren vor allem die iyá und die Congas mit

Variationen auf den jeweiligen Solisten. Das Interplay steigert sich im offenen

Schlussvamp des Stückes, wo Congas, iyá und Gesang in einem dichten Wech-

selspiel miteinander kommunizieren. Es fällt auf, dass die iyá dabei in den mu-

sikalischen Vordergrund rückt und das musikalische Geschehen maßgeblich

energetisch entsprechend ihrer eigentlichen rituellen Funktion mitbestimmt.

Das enge Zusammenspiel der Rhythmusinstrumente, das für die Batá-Musik in

den Zeremonien typisch ist, wird auf den Jazzkontexts des Interplay übertragen

Darin zeigt sich eine musikalische Gemeinsamkeit der Stile, die noch in der

Kulurform der ursprünglichen, afrikanischen oral cultures verwurzelt ist.

Durch die Stücke im Afro-Cuban-6/8-Stil und die darin verwobenen

kubanischen Rhythmen zeigt Sanchez auf die Ursprünge des Latin Jazz und

zollt den afrokubanischen Schöpfern dieser Stilistik, die für ihn Idole sind (sein

letztes Album ‚Chano Y Dizzy’207, eine Hommage an die Wegbereiter und

Gründer des Latin Jazz, bringt das zum Ausdruck), Tribut. Die übrigen Stücke

des Albums erscheinen wie ein Querschnitt der Bandbreite, die der Latin Jazz

aus diesen Ursprüngen bis heute entwickelt hat. Die Batás sind von Sanchez’

Idolen zu Symbolen für den afrodiasporischen Ursprung aller afrolateinameri-

kanischen Musik gemacht worden. Auf diese Konnotation greift er hier zurück.

Wie Poncho Sanchez, bedienen sich andere Latinos in den USA immer

wieder musikalischen Elementen afrokubanischer Kultur und Identitäten, um

Aspekte ihres Selbstverständnisses, zu betonen. George Lipsitz schreibt, dass

sich New Yorker puertorikanischer Herkunft schon lange afroamerikanische

Idiome aneignen, um dadurch „[...] ihre kollektive historische Erfahrungen als

Schwarze, Puertorikaner und Chicanos noch deutlicher herauszustellen.“208.

Sie stellen dadurch den afrikanischen Anteil ihrer Kultur und der Mischkultur,

in der sie leben, heraus. Dadurch kritisieren und problematisieren sie das binäre                                                                                                                207  Poncho  Sanchez  &  Terence  Blanchard:  Chano  Y  Dizzy!,  USA:  Concord  2011.  208  Lipsitz  1999,  S.  122  f.  

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nordamerikanische Rassen-Kategorie-System, das nur zwischen schwarz und

weiß unterscheidet.209

Tito Puente nahm 1958 das Album ‚Top Percussion’ auf, auf dem Exil-

kubaner wie Mongo Santamaria und Francesco Aguabella mitspielten. Das

Album stellt afrokubanische Musikstile in den Mittelpunkt. Die Stücke ‚Oba-

talá’ und ‚Eléquana’ verweisen sowohl inhaltlich als auch musikalisch auf die

Santería, obwohl keine Batás und Toques verwendet werden. Stattdessen er-

klingen comparsas und bembés. Sowohl ihre Gesänge als auch die Rhythmen

verweisen auf die afrikanischen Wurzeln dieser Musik. Durch die Verwendung

und Vermischung dieser afrokubanischen Stile, nutzt Puente musikalische Mit-

tel einer Kulturtradition, die nicht seine eigene ist, um dadurch die gemeinsa-

men afrikanischen Wurzeln seiner Kultur zu betonen.210

An diesen Beispielen wird deutlich, dass es verschiedene Formen des

strategischen Antiessentialismus gibt, die sich musikalisch unterschiedlich

ausdrücken, aber dennoch häufig auf ähnliche musikalische Mittel des Identi-

tätsausdruckes zurückgreifen. Der gemeinsame Aspekt dieser Formen ist der

Vollzug einer Defamiliarisierung von der eigenen Geschichte und Identität

durch einen strategischen Anti-Essentialismus, um zu einer Refamiliarisierung

zu gelangen.211

Dass Batá-Musik in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle zu-

kommt, wurde bereits angedeutet. Im nächsten Kapitel soll nun erläutert wer-

den, wie dieser Musik vor allem durch (Exil-)Kubaner eine strategisch-

essentialistische Funktion zugewiesen worden ist. Diese Funktion machen sich,

wie die oben aufgeführten Beispiele zeigen, Musiker in anderen lokalen Kon-

texten zu Nutze, um innerhalb eines strategisch-antiessentialistischen Konzep-

tes Batá-Musik als Symbol eines strategisch-essentialistischen Pan-

Afrikanismus zu interkontextualisieren. Batá-Musik wird zu einem wichtigen

musikalischen Ausdruck des us-amerikanischen Teils der afro-diasporischen

Sphäre.

                                                                                                               209  Vgl.  Lipsitz  1999,  S.  123.  210  Auch  Puentes  Coverversion  des  Songs  ‚Pata  Pata’  der  Exil-­‐Afrikanerin  Miriam  Makeba  verfährt  nach  diesem  Prinzip.  Vgl.  Lipsitz  1999,  S.  132.  211  Vgl.  Lipsitz  1999,  S.  125.  

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5.3. Latin Jazz: Der Weg zur Synthese

Wie John Storm Robert oder auch Isabelle Leymarie ausführlich beschrieben

haben, gab es die ersten Begegnungen zwischen nordamerikanischer und ku-

banischer Musik bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Roberts untersuchte unter

anderem die karibischen Einflüsse auf die Entstehung und Entwicklung des

New Orleans Jazz.212 Die ersten Versuche Jazz und kubanische Stile bewusst

zu vermischen führten lange Zeit dazu, dass entweder kubanische Rhythmen

unter beliebte Stücke gelegt, oder kubanische Stücke harmonisch angereichert

wurden. Leonardo Acosta spricht von der Verjazzung kubanischer Musikstü-

cke (jazzed up latin standards) bzw. von der Latinisierung nordamerikanischer

Musik (latinized jazz standards). Als Beispiel für den ersten Fall kann die

descarga-Bewegung der 50er Jahre gesehen werden, während erste Begleitun-

gen von Jazz Standards mit Percussion (z.B. Dizzy Gillespies ‚Siboney’ oder

Stant Getz’ ‚Tabú’) eher einer exotischen Einfärbung glichen und beispielhaft

für die Latinisierung von Standards sind. 213 Eine Synthese trat erst in den 40er

Jahren auf, als begonnen wurde, Stücke mit Elementen aus beiden Stilen zu

komponieren. Sowohl die Zusammenarbeit von Chano Pozo und Dizzy Gille-

spie um 1947, aus der der „Cubob“ hervorging, als auch die Musik der Band

‚Machito and His Afro-Cubans’ werden als Meilensteine des Latin Jazz und als

erste synthetische Verbindung von Jazz und kubanischen Stilen gesehen.214

Acosta stellt einen Katalog von Eigenschaften zusammen, über die eine Vermi-

schung teilweise verfügen müsste, um als Synthese gelten zu können:

• Nutzung der afrokubanischen Rhythmen und Perkussion im Jazz.

• Spiel von kubanischen (oder lateinamerikanischen) Musikthemen in

Jazzform.

• Existenz von Jazz- und Bluesthemen sowie nordamerikanischen Lie-

dern mit „lateinamerikanisierten“ Rhythmen.

• Nutzung des Jazzband-Formats in der afrolateinamerikanischen Musik

und hierdurch Einfluss des Jazz auf Harmonie, Stimmsetzung und Or-

chestrierung.                                                                                                                212  Vgl.  Roberts  1999  und  Leymarie  2002  213  Vgl.  Acosta2004,  S.  281.  214  Vgl.  Acosta  2004,  S.  271.  

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• Integration einer aus drei Perkussionisten, Klavier und Bass bestehen-

den Rhythmusgruppe.

• Graduelle Fusion der Phrasierung des Jazz und des Afrokubanischen

bei den verschiedenen Soloinstrumenten.

• Adoption der Taktarten – wie dem 6/8-Takt – und afrokubanischr

Rhythmusmuster bei der Komposition von Jazzstücken.

• Existenz von Kompositionen und Arrangements, die extra in einer „Fu-

sionssprache“ konzipiert wurden, in beiden Genres.

• Stilistische Einheit zwischen den Arrangements und den improvisierten

Soli.215

Acosta verweist auch auf die gemeinsamen musikalischen Elemente (z.B. call-

response-Schema, Synkopen, Improvistaion, Polyrhythmik etc.). Im Fall einer

erfolgreichen Synthese führe dies zu einer vertiefenden Afrikanisierung und zu

einer Bestärkung der afrikanischen Wurzeln in beiden Stilen. Roberts stellt

dazu am Beispiel von ‚Machito and His Afro-Cubans’ fest, dass die

(Nord)Amerikanismen in ihrer Musik aus diesem Grund nicht zu einer Ver-

wässerung, sondern zu einer Verstärkung der afrokubanischen Elemente ge-

führt habe.216

Die Voraussetzungen für diese Synthes auf Kuba und in New York

waren verschiedener Art. Auf Kuba herrschte noch die Diskriminierung des

afrokubanischen Kulturgutes vor und in New York fanden sich die Immigran-

ten in einem Kontext wieder, der sie von ihrer Kultur loslöste und in eine grö-

ßere Minderheitengruppe zuteilte, die sich aus denkbar heterogenen Kultur-

vermischungen zusammensetzte. In beiden Kontexten entstand Latin Jazz, der

sich gegenseitig beeinflusste, sich aber auch – vor allem seit dem Wirtschafts-

embargo der USA ab 1961 – voneinander trennte. Einige Beispiele für solche

Synthesen unter Verwendung von Batá-Musik und die durchscheinenden Stel-

lungnahmen zum Umfeld der Musiker sollen nun genauer analysiert werden.

                                                                                                               215  Acosta  2004,  S.  277.  216  Vgl.  Acosta  2004,  S.  278.  

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5.3.1. Afro Roots: Mario Bauzá und Mongo Santamaria

Während die kubanischen New Yorker die Möglichkeit hatten, ihre Kultur mit

den anderen afrokaribischen Kulturen im Barrio zu kombinieren und dadurch

Teile ihrer delokalisierten Kultur neu zu lokalisieren, konnten die Afrokubaner

auf keine alternativen Ausdrucksformen außer auf die us-amerikanische Kultur

zurückgreifen, um sich gegen die Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Da die-

se aber Quelle der Unterdrückung war, benötigte man einen kulturellen Aus-

druck, mit dem man sich gegen diese hegemonialen Strukturen wehren und

Kritik äußern konnte. Dies war über die anbiedernde Vermischung von Musik-

stilen, wie sie in den ersten kubanischen Jazzbands üblich war, nicht möglich,

sodass nur noch der Weg, sich bewusst auf jene Aspekte zu konzentrieren, die

Grund des offenen Rassismus waren, blieb. Die Kubaner begannen, ihre afri-

kanischen Wurzeln zu betonen, um auf diese Weise Kritik an der imperialisti-

schen Politik und Ökonomie unter us-amerikanischem Einfluss zu üben. Dar-

aus entstand in den 20er und 30er Jahren die Bewegung des ‚Afrocubanismo’.

Diese Bewegung fiel mit einem wachsenden Interesse für schwarze Kunstfor-

men in Europa und den USA zusammen und äußerte sich in Musik, bildender

Kunst und wissenschaftlichen Schriften, u.a. von Fernando Ortíz. Die Musik

dieser Bewegung schöpfte aus den Quellen der afrokubanischen, rituellen Mu-

sik.217 Dass diese Stile für den ‚Afrocubanismo’ so interessant wurden liegt

vermutlich an der tiefen Verankerung der rituellen Musik in afrikanischen Mu-

sikprinzipien. Novotney weist das metrische Verhältnis von 2:3 als ein elemen-

tares rhythmisches Prinzip nach, was sich auf Kuba am deutlichsten in den

religiösen Stilen wieder findet.218 Damit verwendeten die Kubaner einen stra-

tegischen Essentialismus: Sie betonten die essentialistischen Aspekte ihrer kul-

turellen Identität und ihres Selbstverständnisses, gegen die sich der Rassismus

richtet, um sich somit dagegen zur Wehr zu setzen.

Neben der Musik der Santería gelten auch Stile wie bembé, rumba oder

die comparsa als Ausdruck des afro-diasporischen Selbstverständnisses auf

Kuba. Sogar der son wurde durch sein Verbot zu einem Ausdruck von Wieder-

stand, obgleich er ein eigenständiger kubanischer Stil ist. In den 70er Jahren

gab die Regierung unter Castro dem kubanischen Selbstverständnis nach und                                                                                                                217  Vgl.  Leymarie2002,  S.  46  f.  218  Vgl.  Novotney  1998.  

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lockerte ihre Einstellung zu den afrokubanischen Religionen. Außerdem inten-

sivierte die kubanische Regierung ihre militärische und ökonomische Beteili-

gung an den Freiheitsbewegungen in Afrika, wodurch ein verstärkter kulturel-

ler Austausch begann. Castro definierte Kuba nun als eine Afro-Latin Nation.

Diese Entwicklungen beförderten den Prozess der Afrikanisierung bzw. der

Re-Afrikanisierung der kubanischen Kultur und lokalisierten die afrokubani-

sche Kultur im globalen Diskurs des Pan-Afrikanismus der afrikanischen

Diaspora.219

Diese strategisch-essentialistische Einstellung und ihr musikalischer

Ausdruck wurden von immigrierten Kubanern in den 30er Jahren in die USA

getragen, wo sie in die black community subsumiert und diskriminiert wurden

und die gemeinsame afro-diasporische Vergangenheit als eine verbindende

Einheit der heterogenen Minderheiten wahrgenommen wurde. Die oben ge-

nannten Stile betonen den vereinheitlichenden Aspekt innerhalb der kulturellen

Diversität. Aus diesem Grund waren die kubanischen Musikstile auch für ande-

re Ethnien innerhalb dieser Minderheit ein wichtiges Ausdrucksmittel. Aus

denselben Gründen wurde die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA

wegen ihrer Erfolge gegen die Vorherrschaft des weißen Systems zu einer In-

spirationsquelle anderer Minderheiten. Viele sahen sich als ein Teil dieser Be-

wegung, da sie vom weißen System unter die schwarze Minderheit subsumiert

wurden. Die Bürgerrechtsbewegung bot Immigranten aller Hautfarben eine

Möglichkeit dem Entweder-Oder des Zerrissenseins im ethnisch-kulturellen

Identitätskonflikt zu entfliehen, standen doch bisher nur die Möglichkeiten,

sich entweder als Fremde im eigenen Land zu fühlen, oder sich an den

Mainstream zu assimilieren (was dennoch zu keiner vollen Akzeptanz von Sei-

ten der weißen Gesellschaft führte), zur Verfügung. Durch das Schaffen einer

subkulturellen Identität durch „Branching Out“ (nach Juan Flores) verschafften

sich die Immigranten eine Sprache und eine Orientierung, die die Vorteile in

die Eingliederung der us-amerikanischen Gesellschaft suchte. Dabei wurde

ironischerweise gerade das Niemandsland zwischen den oben genannten Polen

zur Quelle einer genuinen afrolateinamerikanischen Identität, die sich durch

ihre Hybridität kennzeichnet.220

                                                                                                               219  Vgl.  Vélez  2000,  S.  92.  220  Vgl.  Lipsitz  1999,  S.  133.    

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Mario Bauzá war maßgeblich für die musikalische Ausrichtung der

Band ‚Machito and His Afro-Cubans’, die in den 40er Jahren in New York

berühmt wurde, verantwortlich. Ray Barretto stellt in einem Interview heraus,

dass Machito der erste Musiker in New York war, der mit dem Bandnamen

öffentlich die blackness seiner Band betonte.221 Folgendes Zitat zeigt, die Be-

deutung dieses Namens und dass er innerhalb der Band nicht unumstritten war:

„[...] Machito and the Afro-Cuban Band. They didn’t want that name, they told me that. They said we had to take the Afro-stuff out. I said: ‚No.’ They said: ‚Why?’ I said: ‚ Afro-Cuban is the music that I re-present and I am an Afro-Cuban myself. My ancestors are from Africa. Every black man comes from Africa. So it’s nothing to be ashamed about, all right? So either it remains that way or I don’t work here.’ He said: ‚ All right have your way.’“222

Es zeigt sich in der Entwicklung des Latin Jazz seit den 40er Jahren ein zu-

nehmender Stolz und eine zunehmende Kultivierung der afrikanischen Wur-

zeln, die in vielen Begriffen, Titeln und letztlich in der Musik ausgedrückt

werden.

Immer wieder beziehen sich Stücke von ‚Machito and his Afro-Cubans’

durch den Titel auf Afrika, wie beispielsweise die Stücke ‚Kenya’, ‚Congo

Mulence’, ‚Zambia’ oder ‚Oyeme’ von dem Album ‚Kenya’223. Der Conga-

Rhythmus ‚Afro-Cuban’ (Notenbeispiel 15), der in dieser Zeit in New York

entwickelt wurde, ist ein 6/8-Rhythmus, der sich ganz offensichtlich den afro-

kubanischen religiösen Rhythmen entlehnt. Bis heute gilt der Afro-Cuban-Stil

im Jazz und Latin Jazz als direkter Verweis auf die afrokubanische Musiktradi-

tion. Es entstanden einige Jazz-Suiten, die einen Querschnitt durch die kubani-

schen Musikstile präsentierten. Mario Bauzá schrieb beispielsweise das Werk

‚Tanga - Afro-Cuban Jazz Suite in five movements’224. In diesen Werken war

immer mindestens ein Stück der afrokubanischen religiösen Musik gewidmet.

In diesem Fall ist der dritte Satz der Suite mit ‚Afro-Cuban Ritual’ übertitelt.

Es ist bemerkenswert, dass Bauzá in den 40er Jahren in New York mit einer

Offenheit und Selbstverständlichkeit auf afrokubanische Rituale und Religio-                                                                                                                221  Vgl.  Ray  Barretto  in:  From  Mambo  to  Hip  Hop.  222  Mario  Bauzá  in:    Notes  From  The  Mambo  Inn.  The  Story  Of  Mario  Bauzá.  223  Machito:  Kenya.  USA:  Blue  Note  Records  1957.  224  Mario  Bauzá  and  his  Afro-­‐Cuban  Jazz  Orchestra:  Tanga,  USA:  Messidor  1991.  Eine  Neuaufnahme  der  in  den  40er  Jahren  entstanden  Suite.  

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nen als essentiellen Teil der afrokubanischen Kultur verweist, während dies auf

Kuba nie möglich gewesen wäre, weil die Religionen und ihre rituelle Musik

verboten waren und santeros verfolgt wurden. Viele Latin Jazz-Stücke dieser

Zeit enthielten einen Bezug zu diesen Religionen, wie z.B. Mario Bauzás

‚Ifá’225, das sich auf das Orakelsystem der Santería bezieht, oder auch ‚Canto

Lucumí’, das in der Aufnahme von 1994 mit Batás ergänzt wurde.226 Im Text

von ‚Tanga’ sollen laut Chris Washburn Grüße an die Anhänger der Santería

versteckt sein:

„It’s almost like a double performance: performing a piece, that was translating to a general audience as a swinging dance piece, but at the same time there would be coded messages for those people who know.“227

‚Ifá’ ist ein son montuno, der inhaltlich direkten Bezug zur Santería und den

orishas nimmt. Das Stück beginnt mit Batás (Toque Ñongo) und einem Gesang

auf Lucumí (Notenbeispiel 16). Damit verortet sich Bauzá kulturell eindeutig.

Mit ‚Cachondo’ schuf Bauzá schließlich eine eigenständige Synthese,

die Jazz und afrokubanische 6/8-Rhythmen so differenziert vermischt, dass die

Grenzen verwischen.228 Bauzá kombiniert hier einen bembé-Rhythmus mit der

von Milton Cardona gespielten Batá (vermutlich die iyá), wie es auch ‚Santa-

na’ in dem Stück ‚Shangó’ gemacht haben. Das entstehende melorhythmische

Geflecht ist so dicht, dass die iyá kaum von den tief und erdig gestimmten

Congas zu unterscheiden ist. Beide Rhythmen ergeben einen komplexen Kor-

relationsrhythmus (Notenbeispiel 17), dessen ganztaktige Schwerpunkte vom

Schlagzeug bestärkt werden. Bei 4:16 min setzt ein Percussion-Break ein, der

dem rhythmischen Zusammenspiel der Percussioninstrumente mit dem Schlag-

zeug noch einmal Platz einräumt. Hier beginnt das Schlagzeug mit den Toms

zusätzliche Melorhythmen einzubringen. Dass die Stimmung der Congas be-

reits als eine Äußerung zur ethnisch-kulturellen Verortung sein kann beschreibt

                                                                                                               225  Mario  Bauzá  and  his  Afro-­‐Cuban  Jazz  Orchestra:  My  Time  is  Now.  USA:  Messidor  1993.    226  Mario  Bauzá  and  his  Afro-­‐Cuban  Jazz  Orchestra:  944  Columbus.  USA:  Messidor  1994.  227  Chris  Washburn  in:  Latin  Music  USA,  Episode  1.  228  Mario  Bauzá  and  his  Afro-­‐Cuban  Jazz  Orchestra:  My  Time  is  Now.  USA:  Messidor  1993.  

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Ray Barretto, wenn er bezüglich der Conga-Stimmung bei Arsenio Rodríguez

betont, wie eindeutig sie in einem afrikanischen Klangideal verankert war:

„[...] so that was a sound that was like the earth. [...] Your mind wan-ders to Africa because of that timbre of sound. [...] It was funky, it was soulful and it was a link to Africa.“229

Auch der Afro-Rhythmus (Notenbeispiel 18) wurde in den 40er und 50er Jah-

ren populär. Er diente zur Interpretation religiöser Themen und fand im Jazz

viel Beachtung.230 In ‚Lourdes’ Lullaby’ verwendet Mario Bauzá die Rhyth-

men Afro, Rumba Guaguancó und Son Montuno für verschiedene Teile des

Stückes, wodurch der Eindruck einer Miniatur-Afro-Cuban-Suite entsteht.231

Das Stück von zwei Teilen im Afro-Stil umrahmt. Die Congas spielen dabei

den Afro-Rhythmus, während die Bongos eine typische kilá-Stimme der okón-

kolo spielen, die unter anderem im Chacha Lokafu vorkommt. Durch die melo-

dischen Variationen der Congas entsteht eine Assoziation mit den Melorhyth-

men der Batá-Musik. Machito nahm 1957 eine Version des Latin Hits ‚Tin Tin

Deo’ auf, die er mit einem Afro unterlegte, bei der Congas und Bongos, wie

bei Bauzá Batá-Anklänge andeuten.232 Da die Afro-Cubans eine Tanzband

waren, spielten sie am häufigsten son montuno und mambo. Beide Stile waren

damals sehr beliebt. Sie nutzten ihre Sonderstellung als äußerst populäre Band,

um in Stücken durch Andeutungen und Anspielungen zu ihrem afro-

diasporischen Hintergrund immer wieder Stellung zu beziehen.

Diese strategisch-essentialistische Betonung afrokubanischer Musi-

kelemente innerhalb einer Mischform taucht bei vielen Kubanern auf, die im

Latin Jazz Fuß fasten. Bei dieser Synthese ist bereits jetzt auffällig, dass sie

sich immer zwischen den Polen eines strategischen Essentialismus und eines

strategischen Anti-Essentialismus bewegt. Es sind immer beide Strategien vor-

handen, der Schwerpunkt wird aber innerhalb der Grenzen fließend verscho-

ben. In den oben beschriebenen Beispielen ist die Vermischung von Jazz und

kubanischer Musik zunächst ein strategischer Anti-Essentialismus, weil Kuba-

ner einen Teil ihrer kulturellen Identität verdrängen, um Teile der afroamerkia-                                                                                                                229  Ray  Barretto  in:  From  Mambo  to  Hip  Hop.  230  Vgl.  Egger  2002,  S.  41.  231  Mario  Bauzá  and  his  Afro-­‐Cuban  Jazz  Orchestra:  944  Columbus  Colum-­‐bus.  USA:  Messidor  1994.  232  Machito:  Kenya.  USA:  Blue  Note  Records  1957  

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nischen Identität aufzunehmen und auszudrücken. Damit entsteht ein musikali-

sches Spiegelbild des ethnisch-kulturellen Dilemmas, indem sich die Immig-

ranten befanden. Andererseits kommt es zu einer Verstärkung und Betonung

der gemeinsamen afrikanischen Wurzeln, die wiederum als strategischer Es-

sentialismus erscheinen. Die bewusste Betonung der eigenen afrokubanischen

Traditionen innerhalb dieser Synthese ist ebenfalls eine essentialistische Stra-

tegie, die gleichzeitig den afro-diasporischen, wie auch den eigenständigen

kubanischen Kulturhintergrund unterstreicht. Damit wird deutlich, wie kom-

plex sich Musiker mit ihren Stilen zu ihrem ethnisch-kulturellen Umfeld in

Beziehung setzen und sich darin verorten.

Ramón „Mongo“ Santamaría gilt als einer der Musiker, der die kubani-

sche Conga in der us-amerikanischen Musikkultur integriert, die afrokubani-

sche folkloristische Musik im Mainstream-Jazz etabliert und damit die Trans-

formation zu einer synthetischen Form des Latin Jazz voran getrieben hat.

Santamaría kritisierte die Salsa als eine Imitation kubanischer Musik und ver-

suchte im Feld des Latin Jazz eigene Fusionen zu entwickeln, in denen kubani-

sche Elemente authentischer verwendet werden.233 Er gilt als einer der Percus-

sionisten (neben Francisco Aguabella, Chano Pozo und Julio Collazo), die die

afrokubanische Musik und vor allem die Liturgien und Toques der Santería in

den USA bekannt gemacht haben.234

Santamaría wuchs auf Kuba auf, war dort Schüler eines olubatá in der

Santería und arbeitete später sowohl als bongoserro als auch als Postbote, um

seinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Er erlebte die schwierige ökono-

mische und politische Situation auf Kuba vor der Revolution und war von dem

Rassismus gegen Afrokubaner und die Santería betroffen. Dies waren die ent-

scheidenden Gründe, warum er 1950 endgültig nach New York auswanderte,

nachdem er in den Jahren zuvor bereits dort gespielt hatte. Für Kubaner und

Puertoricaner war New York damals ein ökonomisches Mekka. Santamaría

spielte mit Mambo-Größen wie Dámaso Pérez Prado oder Tito Puente. Mit

Tito Puente spielte er die Percussion-Alben ‚Puente in Percussion’ und das

bereits erwähnte Album ‚Top Percussion’ ein.235 Ab 1955 begann Santamaría

eine Reihe von Alben folkloristischer, afrokubanischer Musik aufzunehmen.                                                                                                                233  Vgl.  Fernandez2006,  S.  83  f.  234  Vgl.  Leymarie  2002,  S.  11.  235  Vgl.  Fernanez  2006,  S.  84  ff.  

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Das erste dieser Alben war ‚Changó’236, in dem bembés, comparsas und tradi-

tionelle rumba zu hören sind. Er nimmt kaum Vermischungen vor, sondern

bleibt, was die Rhythmen angeht, weitestgehend authentisch. Lediglich der

Flötist Gilberto Valdés mischt – wie im sphärisch-exotischen Intro zu ‚Bembe

Kinigua’ oder bei ‚Druma Kuyi’ – mit seinen Improvisationen eine klangliche

Dimension hinzu, die nicht genuin afrokubanisch ist, sondern als Einfluss des

Latin Jazz gezählt werden kann. Das Album ‚Our Man in Havanna’237 kann vor

diesem Hintergrund ebenfalls als eine Rückbesinnung auf seine (afro-

)kubanischen Wurzeln verstanden werden. Santamaría schafft auf diesem Al-

bum eine Art Querschnitt durch die kubanische Musikkultur und stellt sones,

rumba, batá und bembé zusammen. Auch hier ist der Schwerpunkt auf der af-

rokubanischen Musik auffällig. Santamaría hat in seiner New Yorker Zeit mit

solchen Alben einen deutlichen Akzent auf seine kulturelle Herkunft gelegt,

während er im Latin Jazz mit Cal Tjader und als Begründer des Latin Soul mit

Mischstilen bekannt wurde.

Mit seinem Stück ‚Afro Blue’ schrieb Santamaría einen Standard, der

bis heute zu den meist gespielten Stücken der Jazzliteratur zählt. Es soll von

der Lucumí-Liturgie inspiriert sein.238 In seiner eigenen Aufnahme von ‚Afro

Blue’ auf dem Album ‚Afro Roots’239 verwendet Santamaría Flöte und Marim-

ba als Melodieinstrumente. Das Marimba spielt auch immer wieder eine po-

lyrhythmische Begleitung. Sowohl mit der Instrumentation als auch durch das

stetige Vorhandensein der metrischen 2:3-Relation verweist er musikalisch auf

die afrikanischen Wurzeln seiner Musik. Mongo Santamaría betont hier wie

Mario Bauzá das ‚Afro’ im Titel seiner Komposition. Mit seinen späteren Al-

bumtiteln verweist Santamaría immer wieder auf Afrika und damit auch auf

dessen Bedeutung in seinem kulturellen Selbstverständnis. Darunter sind Titel

wie ‚Up from the Roots’240, ‚Afro-Roots’ oder ‚Afro-Indio’241. Während

‚Changó’ noch ein Album war, das sich fast ausschließlich mit traditioneller

afrokubanischer Musik beschäftigt und über weite Strecken dokumentarisch

wirkt, verbindet Santamaría in seinen späteren Alben die traditionellen afroku-                                                                                                                236  Mongo  Santamaria:  Changó.  USA:  Overjazz  Records  1955.  237  Mongo  Santamaría:  Our  Man  in  Havanna.  USA:  Re-­‐Issue  Fantasy  2006.  238  Vgl.  Leymarie  2002,  S.  11.  239  Mongo  Santamaría:  Afro-­‐Roots.  USA.:  Prestige  1972.  240  Mongo  Santamaría:  Up  From  the  Roots.  USA:  Atlantic  1972.  241  Mongo  Santamaría:  Afro-­‐Indio.  USA:  Re-­‐Issue  Fania  2006.    

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banischen Stile mit Latin Jazz-Aufnahmen. Das Album ‚Afro Roots’ stellt La-

tin Jazz-Stücke wie ‚Afro Blue’, ‚Rezo’ oder ‚Onyae’ neben traditionelle Stile

wie rumba, son oder auch batá. Das Stück ‚Bata’ vermischt Congas und eine

iyá. Dabei werden unter anderem die Toques Obatalá und Iyesá für diese Be-

setzung adaptiert. In ‚Onyae’ adaptiert Santamaría den Toque Chacha Lokafu

auf ein Percussion-Ensemble von zwei Congas und Timbales. Die Quinto spielt

die Stimme der okónkolo, während die Conga eine veränderte itótele-Figur

spielt. Die charakteristische Melodie des Toque bleibt dabei erhalten. Die Tim-

bales übernehmen die Funktion der iyá und deuten das Grundpattern sowie

einige Variationen an (Notenbeispiel 19).

Santamaría kontextualisiert seine Musik in einem deutlich essentialisti-

scherem Weg als Mario Bauzá, um sich kulturell einzuordnen. Neben den vie-

len nahezu dokumentarischen Aufnahmen afrokubanischer Musik ist es be-

merkenswert, dass die Mischformen zwischen Jazz und kubanischer Musik

sich in zwei Richtungen bewegen: Zum einen schafft Santamaría den Mischstil

des Latin Soul, der sich von der authentischen kubanischen Musik entfernt,

dafür aber die Congas in den populären Musikstilen etabliert. Auf der anderen

Seite kreiert er mit Aufnahmen wie ‚Afro Roots’ eine Vermischung, die deut-

lich ursprünglicher erscheint und noch mehr Gewicht auf die afrikanischen, als

auf die rein kubanischen Wurzeln zu legen scheint. Jazzmusiker wie Dee Dee

Bridgewater mit ihrem Album ‚Red Earth’242 beziehen sich noch Jahre später

in ihrer Klangästhetik auf diese Aufnahmen Santamarías und führen seine An-

sätze zu einer ursprünglicheren afrikanischeren Klanglichkeit im Latin Jazz

fort.

Dass Santamaría noch viel deutlicher auf sein kulturelles und ethnisches

Selbstverständnis hinweisen kann, liegt daran, dass die schwarze Bürgerrechts-

bewegung zwischenzeitlich eingesetzt hat und einen breiten Zuspruch nicht nur

unter der afroamerikanischen, sondern auch unter der afrokaribischen Bevölke-

rung erhält. Da sich in den USA auf die afrokubanischen Traditionen als ein

Teil der afrikanischen Diaspora bezogen wird, treten sie in den Kontext des

pan-afrikanistischen Dialoges ein. Die Santería spiegelt viele Wesenszüge an-

derer afro-diasporischer Kulturen wieder und wurde in diesem Kontext zu ei-

                                                                                                               242  Dee  Dee  Bridgewater:  Red  Earth.  USA:  Universal  2007.  

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ner Kulturform, die nicht nur für Afrokariben, sondern auch für Afroamerika-

ner als ethnisch-kultureller Ausdruck interessant wurde.

„As it has developed in the United States, Santería music is a genre dif-ficult to demarcate; it reflects the dynamism, complexity, interrelated-ness, and transnationalism of many immigrant musical cultures. [...]As a ritual music of a religious practice, this music falls within the cultural practices of what is referred to as the African diaspora. Yet, from the perspective of the practitioners of the religion in New York, a charac-terization based on race or shared past is not accurate. Multiple diaspo-ric groups (African Americans, white Cubans, Afro-Cubans, Latinos, etc.) converge and lay claim to this music while diverging in their con-ceptualizations of and in relationship to other aspects of the traditi-on.“243

Vor diesem Hintergrund gesehen ist der strategisch-essentialistische Anteil,

den Mongo Santamaría in seine Musik und die dadurch ausgedrückte kulturelle

Kontextualisierung seiner kulturellen Wurzeln einfließen lässt, etwas völlig

Neues und ermöglicht anderen Mitgliedern einer Subkultur neue Möglichkei-

ten des Selbstverständnisses zu entwickeln und auszudrücken. Die Musik

Santamarías spiegelt damit nicht nur diesen Kontext wider, sondern nimmt

Einfluss auf das sozio-kulturelle Selbstverständnis innerhalb der gesamten

black community.

Wie bereits erwähnt, hatten Puertoricaner einen riesigen Anteil an der

afrolateinamerikanischen Musikszene in New York. Sie griffen auf dieselben

musikalischen Ausdrücke zurück, die von den Kubanern verwendet wurden.

Wenn Puertoricaner afrokubanische Musik nutzen, um sich im afro-

diasporischen Kontext der black community zu platzieren, anstatt auf eigene

afro-puertoricanische Musikelemente zurück zu greifen, kippt die Betonung

der essentialistischen Strategie auf die anti-essentialistische Seite. Da die afro-

kubanische Musik (die den Puertoricanern sehr vertraut war) bereits in diesem

neuen Umfeld neu kontextualisiert war, erscheint es sinnvoll, diesen Kontext

auf die eigenen Erfahrungen und Selbstbilder zu übertragen. Lipsitz betont,

dass Puertorikaner auf diese Weise eine „[...]Wiedererweckung afrikanischer

Elemente innerhalb der puertorikanischen Kultur“244 erreichten. Dies ging über

die Adaption populärer Tanzstile, mit denen sich Geld verdienen ließ, hinaus.

                                                                                                               243  Vélez  2000,  S.  116.  244  Lipsitz  1999,  S.  134.  

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Man kann also nicht argumentieren, dass nur ökonomische Gründe für diese

Adaption kubanischer Kultur verantwortlich waren. Beispielsweise nahm der

in New York geborene Tito Puente, dessen Eltern Puertoricaner waren, 1958

das Album ‚Top Percussion’ auf245, indem er Tanzrhythmen der Salsa und af-

rokubanische Stile verwendet. Insgesamt legt das Album einen großen

Schwerpunkt auf athentische afrokubanische Stile wie comparsa und bembé.

Der Puertoricaner Milton Cardona ist für seine authentischen Batá-

Aufnahmen246 bekannt geworden und spielte für Mario Bauzás spätere Auf-

nahmen die Batás ein.

George Lipsitz fasst in Bezug auf die Teilnahme von Puertoricanern an

kubanischen und afroamerikanischen Mischstilen zusammen, dass sich die

puertoricanische Community schon immer in Wechselbeziehung zu anderen

Communities der USA gebildet habe.

„ Und die „essentialistische“ Identität, die sie darin dank dieser anti-essentialistischen Strategie schließlich entdeckten, machte ihnen deren Komplexität und Heterogenität so hinreichend klar, daß sie anschlie-ßend in der Lage waren, an nationalen und internationalen Vermi-schungsmusiken teilzunehmen, wie Salsa, Disco und HipHop, was sie wiederum in die Lage versetzte, sich Allianzen mit anderen Gruppen vorstellen und sie auch durchführen zu können.“247

Damit seien Puertoricaner zu einem Modell für andere Gruppen geworden,

„[...] denen klar geworden ist, daß sie weder als Essentialisten in einer homo-

genen und authentischen Gruppenidentität weiterkommen noch als Anti-

Essentialisten, die meinen, sich nach Belieben einer Identität anschließen oder

eine Identität annehmen zu können.“248 Dies gilt ebenso für den Latin Jazz, der

ein breites Möglichkeitsspektrum bietet, sich zwischen diesen Strategien zu

platzieren. Erst dadurch, dass Musiker wie Bauzá und Santamaría eine musika-

lische Ausdrucksweise geschaffen bzw. etabliert haben, mit der sich ein Musi-

ker in den Kontext einer pan-afrikanistischen Diaspora integrieren kann, um so

zu einem eigenständigen Identitätskonzept zu gelangen, dass sich vom Entwe-

                                                                                                               245  Tito  Puente:  Top  Percussion.  USA:  Re-­‐Issue  Sony  International  2009.  246  Milton  Cardona:  Bembé.  USA:  1985,  Re-­‐Issue  American  Clave  2006.  247  Lipsitz  1999,  S.  134  f.  Dies  gilt  gleichermaßen  für  Musiker  wie  Poncho  Sanchez  und  in  gewisser  Weise  auch  für  ‚Santana’,  die  ich  zuvor  behandelt  habe.  248  Lipsitz  1999,  S.  140.  

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der-Oder des Assimilierens oder des Beharrens auf der eigenen Kultur löst und

Alternativen bietet, ist es US-Amerikanern mit mexikanischem Hintergrund

wie Poncho Sanchez, oder mexikanischen Amerikanern wie Carlos Santana

möglich geworden, diese Konzepte zu eigenständigen, hybriden Identitäten

weiter zu entwickeln.

5.3.2. Latin Jazz auf Kuba

Der kubanische Latin Jazz zeigt eindrucksvoll, wie sich Jazz und kubanische

Musik zu einer Synthese verbinden lassen, sodass die Grenzen fließend wer-

den. Wenn eine so organische Synthese, wie in den folgenden Beispielen ge-

lingt, wird deutlich, wie viel diese beiden Musikkulturen gemeinsam haben;

vor allem, weil sich ihre musikalischen Elemente unterschiedlicher Ausprä-

gungen symbiotisch vereinen lassen.

Das berühmteste Beispiel für eine gelungene Synthese beider Musik-

kulturen, ist die Band ‚Irakere’. Nach der kubanischen Revolution 1959 been-

dete die neue kubanische Regierung die von den us-amerikanischen Touristen

voran getriebene Musik- und Unterhaltungsindustrie in den Städten. Der politi-

sche Antagonismus zwischen den USA und Kuba führte zu einer Blockierung

us-amerikanischer Musikstile, wie Jazz, Rock und später auch HipHop, auf

Kuba, die als imperialistisch verteufelt wurden. Darunter litt die kubanische

Jazz- und Latin Jazz-Szene, die sich in den folgenden Jahren von der Regie-

rung ausgebremst sah. Zu dieser Zeit kamen wegen des US-Embargos keine

oder kaum musikalische Einflüsse aus den USA nach Kuba. Diese politische

Einstellung öffnete sich in den 70er Jahren und der kubanische Staat begann

wieder mehr musikalische Diversität und Kreativität zuzulassen.249

1973 gründete Pianist Chucho Valdés die Band ‚Irakere’, die mit ihrer Vermi-

schung aus Jazz, westeuropäischer, klassischer Musik, Rock, Funk und kubani-

schen Musikstilen einen bis dahin noch nie gehörten Sound kreierte. Ein essen-

tieller Teil dieses musikalischen Konzeptes waren die Rhythmen der afrokuba-

nischen Religionen, allen voran der Santería. ‚Irakere’ verwendetn Batá-

Trommeln und kombinieren die Toques mit Funk-, Rock- und Jazzeinflüssen.

Auch der Name ‚Irakere’ verweist auf die Santería, da er Wald, bzw. „thick,

                                                                                                               249  Vgl.  Fernández  2002,  S.  12.  

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dense jungle“250 auf Lucumí bedeutet.251 Der Name deutet damit das Konzept

eines musikalischen Dschungels an, der so dicht ist, dass sich die einzelnen

Einflüsse gar nicht mehr unterscheiden lassen. Gleichzeitig bezieht sich der

Name durch die Verbindung des Wald-Bildes mit der Santería auf die Nähe zur

Natur, in der die Santeriá und auch die afrokubanische religiöse Musik steht.

Alleine durch den Namen der Band, wird ihr Konzept dementsprechend in ei-

nen vieldeutigen, kulturellen Kontext gestellt. Gründer Chucho Valdés selbst

sieht in dem musikalischen Konzept der Band eine logische Fortführung des

musikkulturellen Umfeldes, indem er aufwuchs: Einem Gemisch aus klassi-

scher Musik, kubanischem danzón und son, der Musik der Santería und Jazz.252

Für die Generation jüngerer Kubaner war ‚Irakere’ eine Quelle der Inspiration

und eine Schule, durch die viele von ihnen gehen sollten, wie etwas Conguero

Miguel ‚Angá’ Diaz. 253 ‚Irakere’-Produzent Tony Tano verbindet die wegwei-

sende Musik der Band mit einer zukunftsorientierten Stimmung in der kubani-

schen Jugend, die offen und experimentierfreudig sei.254 Gruppen, wie die

1977 gegründete Band ‚Afro-Cuba’ oder ‚Klimax’ treten in die Fußstapfen von

‚Irakere’ und führen ihre Synthese weiter.

Batá-Musik wird bei ‚Irakere’ alleinstehend als Referenz auf die San-

tería verwendet, wie z.B. in ‚Cuba Libre – Reprise’ auf dem Album ‚Cuba Lib-

re’255. Das Album wird mit dem Toque Chacha Lokafu auf Batás beendet. Sie

wird auch als Element der musikalischen Mixturen, wie in den Stücken ‚Juan

1600’, ‚Bacalao con pan’ oder der ‚Misa Negra’ eingeflochten. In der Kombi-

nation dieser Mixturen zeigt sich, dass die Toques und Batás weiter dekontex-

tualisiert erscheinen, weil sie meist eher als rhythmisches Material im gesam-

ten Kontext verwendet werden. Beispielhaft dafür können die Stücke ‚Baila mi

ritmo’ und ‚Bacalao con pan’ aufgeführt werden. Im direkten Vergleich zu

diesen Stücken scheint die selbstständige Aufnahme von Chacha Lokafu im

Track ‚Cuba Libre – Reprise’ extrem essentialistisch.

Dieser Wechsel zwischen einer Kontextualisierung und einer Dekontex-

tualisierung der Batá-Musik spiegelt das Spannungsfeld wider, das innerhalb                                                                                                                250  Fernández  2002,  S.  112.  251  Vgl.  Leymarie  2002,  S.  260.  252  Vgl.  Fernández  2002,  S.  114.  253  Vgl.  Fernández  2002,  S.  112.  254  Vgl.  Rondón  2008,  S.  292.  255  Irakere:  Cuba  Libre.  Re-­‐Issue  Farout  Recordings  2010  

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der angestrebten Synthese im Latin Jazz besteht: Je organischer eine musikali-

sche Synthese wird, desto dekontextualisierter erscheinen ihre musikalischen

Elemente. Dies erscheint logisch, wenn man sich diese optimale Synthese als

den Mittelpunkt zwischen den Polen des strategischen Essentialismus und des

strategischen Anti-Essentialismus vorstellt. Beide Pole greifen auf Kulturele-

mente in ihrer ursprünglichsten, unverwässerten Form zurück. Je weiter sich

ein kultureller Ausdruck nun von diesen Polen entfernt, desto weiter muss er

sich im Rückschluss vom Kontext entfernen, sodass der Mittelpunkt, also die

Synthese, als Punkt der höchsten Dekontextualisierung erscheint. Das ist die

Line, auf der sich Latin Jazz bewegt und mit dem Grad an Dekontextualisie-

rung spielt. Das kann von Stück zu Stück, von Band zu Band aber auch inner-

halb eines Stückes unterschiedlich geschehen. Der interessante Punkt dieser

Ansicht ist, dass das Spielen mit einer Dekontextualisierung und der daraus

folgenden Neukontextualisierung zu einem neuen kulturellen Ausdruck wird,

der wiederum kontextualisiert und dekontextualisiert werden kann und etwas

über das kulturelle Selbstverständnis der Musiker aussagt. Folglich nutzt der

Latin Jazz damit das Prinzip der Intertextualität, um sich immer wieder neu zu

erfinden. Was sich hierin zeigt ist eine Form der actionality zwischen musika-

lischen Ausdrücken kultureller Identitäten.

In jüngster Zeit ist Chucho Valdés dazu übergegangen, beides – Kon-

textualisierung und Dekontextualisierung – in der ‚Misa Negra’ konzertant zu

vereinen.256 Bei diesen Aufführungen seiner Messe, die durch ‚Irakere’ einge-

spielt und bekannt wurde, ergänzt Valdés über große Teile des Werkes Batá-

Toques, die von einem Spieler gespielt werden. Zwischen den einzelnen Sätzen

und zwischen den Stücken des Konzertes fügt Valdés immer wieder Batá-

Toques mit Lucumí-Gesängen als Intermezzi ein. Dies war erst durch den Öff-

nungs- und Säkularisierungsprozess der letzten Jahrzente auf Kuba und durch

das Bedürfnis kulturell delokalisierter Kubaner, sich ethnisch und kulturell neu

zu verorten, möglich und zeigt, dass die Batás bis heute in der kubanischen

Kultur eine zentrale Rolle zur Identifizierung spielen. Damit haben ‚Irakere’

und Chucho Valdés die Vermischung der afroamerikanischen und afrokubani-

schen Musikkulturen spiritualisiert. Sie integrieren durch die ‚Misa Negra’ ihre

                                                                                                               256  Chucho  Valdés  &  The  Afro-­‐Cuban  Messengers:  Jazz  á  Vienne  Live.    

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musikalische Mixtur und beide darin verwobenen Musikkulturen im Pan-

Afrikanismus und vereinigen alles unter einem spirituellen Aspekt.

Eine ähnliche Interpretation der Vermischung als spirituellen Vorgang,

wie bei Chucho Valdés’ konzertanten Aufführungen der ‚Misa Negra’, zeigt

sich auch in der Konzeption des Albums ‚Echu Minguá’257 von Miguel ‚Angá’

Diaz. „Echu Minguá“ ist der Name, den Diaz’ orisha trägt:

„Echu is Eleggua, the god who opens and closes the roads. I chose this title because it’s the realisation of all my ideas what I had planed all my life. It’s like a musical ‚spiritual mass’ with an beginning and an end. The ‚spiritual mass’ is when you invoke the spirits to come to earth, inviting them to party. [...] This is my work now. This is the journey I am taking...mixing percussion with everything else that exists, with everything musical.“258

Der zweite Track des Albums ‚Rezos’ ist laut Diaz eine Art Klagelied, dass die

Geister einladen soll, zur Erde herunter zu steigen, Neuigkeiten zu überbringen

und mit den Gläubigen die Messe zu feiern. Diaz kombiniert in diesem Stück

break beats mit Jazzeinflüssen, kubanischen Rhythmen auf Congas und Batás

und einer Talking Drum. In der Instrumentation wie auch im musikalischen

Konzept ist deutlich das Konzept des Albums erkennbar: „[...]. the union

between Africa, Cuba and a DJ.“259 Der DJ ebenso wie die Jazzeinflüsse stehen

dabei für die afroamerikanischen Stile. Diaz versteht sein Album als ein pan-

afrikanistisches, spirituelles Projekt der Vereinigung. Die Idee des spirituellen

Pan-Afrikanismus hebt Diaz noch einmal deutlich mit seiner Interpretation des

Stückes 'Love Surpreme’ von John Coltrane hervor:

„For me ‚Love Surpreme’ is a national hymn to spirituality. I wanted to pay homage to Coltrane on my album with a version of it combinig batá drums, sound effects and a chant from Babalua. [...] I spoke to people who knew him. His last project was ‚Africa’. He had planned to include percussion in the harmonies and all his compositions. But he never got to do ist. So I decided to do the song for him. I think ‚Love surpreme’ is the piece that best sums up the album.“260

                                                                                                               257  Angá  Diaz:  Echu  Mingua.  UK:  World  Circuit  2005.  258  Miguel  Diaz  in:  Echu  Mingua.  Dokumentation  zum  Album  2005.  259  Miguel  Diaz  in:  Echu  Mingua.  Dokumentation  zum  Album  2005.  260  Miguel  Diaz  in:  Echu  Mingua.  Dokumentation  zum  Album  2005.  

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Anhand dieser Beispiele zeigt sich, in wie vielen verschiedenen Kontexten sich

diese Syntheseformen bewegn können und jeweils musikalische Elemente de-

kontextualisieren, neu kontextualisieren oder sich eines kontextuellen Bezuges

bedienen. Damit ist Latin Jazz zu einem musikalischen Ausdruck geworden,

der der kulturellen Hybridität kubanischer Identitäten, wie sie durch die Globa-

lisierung erzeugt wird, in vollem Umfang entspricht, insbesondere in der musi-

kalischen Flexibilität und der Intertextualität, die auch einer delokalisierten und

hybriden Identität abverlangt wird.

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  80  

6. Zusammenfassung

Nachdem ich anfangs die wichtigsten Aspekte der Santería und ihrer Entste-

hungs- und Entwicklungsgeschichte dargelegt habe, habe ich die Batá-Musik

und ihre Funktion innerhalb der Religion mit diesem Hintergrund verbunden.

Auf dieser Basis konnte beschrieben werden, wie eng die musikalische Gestal-

tung der Toques mit ihrer Funktion innerhalb der Santería verbunden ist und

wie deutlich sich in dieser Musik die afrikanischen Ursprünge zeigen. In Ver-

bindung mit diesen Ergebnissen und der historischen Entwicklung konnte dann

aufgezeigt werden, welche zentrale Bedeutung die Santería und insbesondere

die Batá-Musik für das kulturelle Selbstverständnis und die ethnisch-kulturelle

Identität von Afrokubanern haben. Dass sich das soziale Umfeld der afrokuba-

nischen Gemeinschaft essentiell durch die afrokubanischen Kulturformen, ins-

besondere der Religionen und deren Ausdrucksformen prägt, kann als Er-

kenntnis des ersten Teils formuliert werden. Erst durch eine enge Verknüpfung

des kulturellen Lebens mit dem alltäglichen Leben (Ökonomie, Politik etc.)

kann es zu einer so wichtigen Rolle der Kultur in einem Identitätskonzept

kommen.

Im zweiten Teil wurde darauf aufbauend an einigen ausgewählten Bei-

spielen aufgezeigt, wie sich dieses ethnisch-kulturelle Selbstverständnis unter

verschiedenen Einflussfaktoren der Globalisierung verändert hat und wie sich

diese kulturelle Neudefinition in der Musik ausdrückt. Dabei ist deutlich ge-

worden, dass Batá-Musik und der Kontext der Santería trotz eines andauernden

Säkularisierungsprozesses bis heute als ein Bezug auf die afrokubanische Kul-

tur und die afro-diasporische Vergangenheit Verwendung findet. Dennoch ist

der Säkularisierungsprozess der Rhythmen und der Instrumente soweit fortge-

schritten, dass sich immer häufiger Beispiele dafür finden lassen, dass sie als

dekontextualisiertes, musikalische Material verwendet werden.

Innerhalb des Rahmens der auftretenden essentialistischen und anti-

essentialistischen Strategien, die bei der Neuorientierung kultureller Identiäten

nachgewiesen werden konnten, konnte am Beispiel des Latin Jazz gezeigt wer-

den, dass die komplexen Vermischungsformen dieser Strategien, die sich auf

dem Weg zu einer organischen Synthesen der afroamerikanischen und afroku-

banischen Musikstile bilden, ein breites und vielseitiges Spektrum einnehmen,

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das den Latin Jazz zu einer geeigneten musikalischen Ausdruckform und Re-

präsentation von hybriden Identitäten macht. Auch andere Musikstile, wie bei-

spielsweise der Latin Rock, haben solche komplexen Bezugssysteme entwi-

ckelt. Dabei entsteht gezwungener Maßen ein Prozess der Dekontextualisie-

rung und der Neukontextualisierung, mit dem innerhalb der Musik aber be-

wusst gearbeitet werden kann um vielfältige Bezugssysteme zu erschaffen.

Insgesamt konnte aufgezeigt werden, dass der Öffnungs- und Säkulari-

sierungsprozess durch zwei zentrale Entwicklungen vorangetrieben wurde:

Einerseits durch die massive Dekontextualisierung der Batá-Musik durch die

kubanische Kulturpolitik, die der Grundstein dafür war, dass Batá-Musik als

vielfältiges kulturelles Bezugssystem verwendet werden kann. Andererseits

sind die Bedürfnisse delokalisierter und dekulturalisierter ethnischer Gruppen,

die diese Musik als kulturellen Bezug und Ausdruck erkannt und verwendet

haben, sich in ihrem ethnischen und kulturellen Selbstverständnis an ein zu-

nehmend globalisiertes Umfeld anpassen zu müssen, für diese Öffnung der

Batá-Musik verantwortlich.

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  82  

7. Quellen

7.1. Literatur

ACOSTA, Leonardo: Zwischen Havanna und New York. Wurzeln und

Entwicklung des afrokubanischen und afrolateinamerikanischen Jazz.

In: Eßer, Torsten/Frölicher, Patrick (Hg): „Alles in meinem Dasein ist

Musik...“ Kubanische Musik von Rumba bis Techno. Frankfurt am

Main: Vervuert 2004.

BIRKENSTOCK, Arne / BLUMENSTOCK, Eduardo: Salsa Samba Santería.

Lateinamerikanische Musik. München: Deutscher Taschenbuch Verlag

2002.

CRUZ, Tomás: The Tomás Cruz Conga Method, Vol. II.

Pacific: Mel Bay 2004 a.

CRUZ, Tomás: The Tomás Cruz Conga Method, Vol. III.

Pacific: Mel Bay 2004 b.

EGGER, Uwe: Ritmos Cubanos. Traditionelle und populäre Rhythmen aus

Cuba für Congas und kubanische Rhythmus-Instrumente. Frankfurt am

Main: Zimmermann 2002.

EßER, Thorsten: Sozialismus mit Rhythmus. Kubanische Kulturpolitik seit

1959 und ihre Auswirkungen auf die Musik. In: Eßer, Torsten/Frölicher,

Patrick (Hg): „Alles in meinem Dasein ist Musik...“ Kubanische Musik

von Rumba bis Techno. Frankfurt am Main: Vervuert 2004.

FERNÀNDEZ, Raúl: Latin Jazz. La Combinación Perfecta. San Francisco:

Chronicle Books 2002.

FERNANDEZ, Raul A.: From Afro-Cuban Rhythms To Latin Jazz.

Berkeley/Los Angeles: University of California Press 2006.

Page 86: Formen afrokubanischer Batá-Musik in Latin-Jazz und · PDF fileFormen der afrokubanischen Batá-Musik in La-tin-Jazz und Popmusik !!!!! Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten

  83  

HERZOG, Ulrike: Santería. Los Tambores Bata de Cuba. K.A., n.v.

HERZOG, Ulrike: Afro-Cubanische Musik. Batá-Trommelmusik der Santería.

In: Gruhn Wilfried: Musik anderer Kulturen. 10 Vorträge und ein Re-

sumee zu interkulturellen Ansätzen der Musikwissenschaft und Musik-

pädagogik. Kassel: Bosse 1998.

LEYMARIE, Isabelle: Cuban Fire. The Story of Salsa and Latin Jazz.

New York/London: Continuum 2002.

LIPSITZ, George: Dangerous Crossroads. Popmusik, Postmoderne und die

Poesie des Lokalen. St. Andrä-Wörden: Hannibal 1999.

LONDON, Justin: Hearing In Time. New York: Oxford University Press 2004.

MCCARTHY, Jim & SANSOE, Ron: Voices of Latin Rock. The People and

Events that created this sound. Milwaukee: Hal Leonard 2004.

NOVOTNEY, Eugene Dominic: The 3:2 Relationship as the Foundation of

Timelines in West African Musics. Irbana/Illinois: Dissertation 1998,

n.v.

OROZCO, Danilo: Einheit in der Vielfalt. Die verschiednenen Formen des son

in der kubanischen Musik. In: Eßer, Torsten/Frölicher, Patrick (Hg):

„Alles in meinem Dasein ist Musik...“ Kubanische Musik von Rumba

bis Techno. Frankfurt am Main: Vervuert 2004.

PFLEIDERER, Martin: Rhythmus – Psychologische, theoretische und stil-

analytische Aspekte populärer Musik. Bielefeld: Transkript 2006.

ROBERTS, John Storm: The Latin Tinge. The Impact of Latin American Music

on the United States. New York/Oxford: Oxford University Press 1999.

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  84  

RONDÒN, César Miguel: The Book of Salsa. A Chronicle of Urban Music

from the Caribbean to New York City. Chapel Hill:University of North

Carolina Press 2008.

ROY, Maya: Buena Vista. Die Musik Kubas. Heidelberg: Palmyra 2000.

RUDOLPH, Hagen: Carlos Santana und Band. Every Step Of The Way.

Königswinter: Heel 2008.

SIDRAN, Ben: Black Talk. Schwarze Musik – Die andere Musik im weißen

Amerika. Hofheim: Wolke 1993.

SUBLETTE, Ned: Cuba and its Music. From the First Drums to the Mambo.

Chicago: Chicago Review Press 2004.

VÉLEZ, María Teresa: Drumming for the Gods. The Life and Times of Felipe

Garcia Villamil, Santero, Palero, Abakuá. Philadelphia: Temple Uni-

versity Press 2000.

VINUEZA, María Elena: Von Heiligen und Teufeln. Die Musik der

afrokubanischen Religionen. In: Eßer, Torsten/Frölicher, Patrick (Hg):

„Alles in meinem Dasein ist Musik...“ Kubanische Musik von Rumba

bis Techno. Frankfurt am Main: Vervuert 2004.

ZEUSKE, Michael: Kleine Geschichte Kubas. München: Beck 2007.

ZEUSKE, Michael: Insel der Extreme, Kuba im 20. Jahrhundert.

Zürich: Rotpunktverlag 2004.

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  85  

7.2. Musik

BAUZÀ; Mario and his Afro-Cuban Jazz Orchestra: 944 Columbus Columbus.

CD. USA: Messidor 1994.

BAUZÀ, Mario and his Afro-Cuban Jazz Orchestra: Cachondo. Von dem

Album My Time is Now. CD. USA: Messidor 1993.

MACHITO: Kenya. CD. USA: Blue Note Records 1957

BAUZÀ, Mario and his Afro-Cuban Jazz Orchestra: Tanga - Afro-Cuban Jazz

Suite in five movements. Von dem Album Tanga. CD. USA: Messidor

1991.

BRIDGEWATER, Dee Dee: Red Earth. CD. USA: Universal 2007.

CARDONA, Milton: Bembé. CD. USA: 1985, Re-Issue K.A.: American Clave

2006.

DIAZ, Miguel ‚Angá’: Love Surpreme. Von dem Album Echu Mingua. CD.

UK: World Circuit 2005.

DIAZ, Miguel ‚Angá’: Rezos. Von dem Album Echu Mingnua. CD. UK:

World Circuit 2005.

EARTH, WIND & FIRE: Let Me Talk. Von dem Album Faces. CD. USA:

Columbia 1980.

INCOGNITO: Tribal Vibes. Von dem Album Tribes Vibes & Scribes. CD.

UK: Talkin’ Loud /Universal 1992.

IRAKERE: Cuba Libre. CD. Re-Issue K.A.: Farout Recordings 2010.

PALMIERI, Eddie: Vals con batá. Von dem Album Listen Here!. CD. USA:

Concord 2005

PUENTE, Tito: Top Percussion. CD. USA: Re-Issue Sony International 2009.

SANCHEZ, Poncho: Afro-Cuban Fantasy. Von dem Album Afro-Cuban

Fantasy. CD. USA: Concord 1998.

SANCHEZ, Poncho: Darn That Dream. Von dem Album Afro-Cuban Fantasy.

CD. USA: Concord 1998.

SANCHEZ, Poncho: Morning. Von dem Album Afro-Cuban Fantasy. USA.

Concord 1998.

SANCHEZ, Poncho: Ritmo Remo.Von dem Album Afro-Cuban Fantasy. CD.

USA: Concord 1998.

SANCHEZ, Poncho: Sambroso. Von dem Album Afro-Cuban Fantasy. CD.

USA: Concord 1998.

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  86  

SANCHEZ, Poncho: Subway Harry. Von dem Album Afro-Cuban Fantasy.

CD. USA: Concord 1998.

SANCHEZ, Poncho & BLANCHARD, Terence: Chano Y Dizzy!. CD. USA:

Concord 2011.

SANTAMARÍA, Mongo: Afro Blue. Von dem Album Afro Roots. CD. USA:

Prestige 1972.

SANTAMARÌA, Mongo: Afro-Indio. CD. USA: Re-Issue Fania 2006.

SANTAMARÌA, Mongo: Changó. CD. USA: Overjazz Records 1955.

SANTAMARÌA, Mongo: Onyae. Von dem Album Afro Roots. CD. USA:

Prestige 1972.

SANTAMARÌA, Mongo: Our Man in Havanna. CD. USA: Re-Issue Fantasy

2006.

SANTAMARÌA, Mongo: Up From the Roots. CD. USA: Atlantic 1972.

SANTAMARÌA, Mongo: Rezo. Von dem Album Afro Roots. CD. USA:

Prestige 1972.

SANTANA: (Da Le) Yaleo. Von dem Album Supernatural. CD. USA:

Artisa/Sony Music 1999.

SANTANA: María Caracoles. Von dem Album Festivál. CD. USA: Columbia

1977.

SANTANA: Oxun (Oshun). Von dem Album Shangó. CD. USA: Columbia

1982.

SANTANA: Love Of My Life. Von dem Album Supernatural. CD. USA:

Artisa/Sony 1999.

SANTANA: Shangó. Von dem Album Shangó. CD. USA: Columbia 1982.

SANTANA: Wham!. Von dem Album Inner Secrets. CD. USA: Columbia

1978.

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  87  

7.3. Film

Echu Mingua. Unbekannter Autor. Internet.

http://www.youtube.com/watch?v=RmbgavfvzE8 (13.3.2013): World

Circuit 2005.

From Mambo to Hip Hop – A South Bronx Tale. Henry Chalfant (Regie).

Internet. USA: http://www.youtube.com/watch?v=iyp4uakQfAY

(12.3.2013): 2006.

Latin Music USA, Episode 1. Daniel McCabe (Regie). Internet. USA:

http://video.pbs.org/video/1293753375/ (12.3.2013): 2009

Notes From the Mambo Inn. The Story of Mario Bauzá. Unbekannter Autor.

Internet. USA: 1994

Teil 1: http://www.youtube.com/watch?v=rl7wq9KVwEo (12.3.2013)

Teil 2: http://www.youtube.com/watch?v=Jia84xNjmyQ (12.3.2013)

Chucho Valdés & The Afro-Cuban Messengers: Jazz á Vienne live.

Unbekannter Autor. Internet.

http://www.youtube.com/watch?v=VJi0KwXs6tE (13.3.2013) 2010.

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  88  

7.4. Internetseiten

http://www.eriwo.de/artikel.htm  (10.3.2013)  

http://homepage.univie.ac.at/hans.hoedl/aframskript.pdf  (10.3.2013)    

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  89  

8. Anhang

8.1. Notenbeispiele  

Notenbeispiel 1:

Notenbeispiel 2:

 

   

q.

q

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Notenbeispiel 3:

   

Notenbeispiel 4:

q

3 3

3 3 3 3 3 3

3 3 3

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Notenbeispiel 5:

Notenbeispiel 6:

Notenbeispiel 7:

Notenbeispiel 8:

q

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Notenbeispiel 9:

Notenbeispiel 10:

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Notenbeispiel 11:

Notenbeispiel 12:

q.

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Notenbeispiel 13:

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  95  

Notenbeispiel 14:

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  96  

Notenbeispiel 15:

Notenbeispiel 16:

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  97  

Notenbeispiel 17:

Notenbeispiel 18:

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  98  

Notenbeispiel 19:

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  99  

Ich versichere , dass ich die schriftliche Hausarbeit – einschließlich beigefügter

Zeichnungen, Kartenskizzen und Darstellungen – selbstständig verfasst und

keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Alle

Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinne nach anderen Werken

entnommen sind, habe ich in jedem Fall unter Angabe der Quelle deutlich als

Entlehnung kenntlich gemacht.

Datum, Unterschrift