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Forschung 1 05 - DFG · Redaktion: Dieter Hüsken (Chefredakteur, verantwortlich für den Inhalt, Layout), Dr. Rembert Unterstell, Stephanie Henseler, Angela Kügler-Seifert; Redaktions-assistenz:

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forschungDas Magazin der Deutschen Forschungsgemeinschaft

1/2005 Als der Nordpol noch eisfrei war Fußball für dieWissenschaft Von Inquisitoren und Denunzianten Lebenaus der Tiefe des Raumes Die Konkurrenzder Bäume Das Schicksal der Anna Amalia

Im Querschnitt

Im Dienst derInternationalitätDie Deutsch-FranzösischeHochschule, die Deutsche For-schungsgemeinschaft und dasfranzösische Bildungsministe-rium unterstützen gemeinsamsechs deutsch-französischeGraduiertenkollegs. Die neuenKollegs sollen dazu beitragen,das deutsche und das französi-sche Modell der Doktoranden-ausbildung integrativ zu-sammenzuführen. Damit solldie grenzüberschreitendeNachwuchsförderung verbes-sert werden. Seite 29

ForschungsraumAntarktisDie Antarktis gehört nicht nurzu den kältesten Regionen derErde, sondern auch zu den amwenigsten erforschten. Daraufweist eine neue Denkschrift derDeutschen Forschungsgemein-schaft hin. Sie bietet eine Be-standsaufnahme zur deutschenPolarforschung und diskutiertzugleich deren Zukunftsaufga-ben und Perspektiven. Seite 31

Tierschutz inder WissenschaftDie DFG hat zum ersten Malden Ursula M. Händel-Tier-schutzpreis verliehen. Er solldazu ermutigen, Verfahren zuentwickeln, die zur Reduzie-rung, Verfeinerung und zumErsatz von Tierversuchen bei-tragen. Der mit je 12.500 Eurodotierte Preis wurde an Profes-sor Lisa Wiesmüller, Ulm, undProfessor Klaus Otto, Hannover,vergeben. Seite 35

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Der Kommentar

Reinhard GrunwaldEuropa im Zentrum – die Welt im Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 2

Geisteswissenschaften

Tobias LagatzVon Inquisitoren und Denunzianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 4

Reportage

Rembert UnterstellDas Schicksal der Anna Amalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 6

Biowissenschaften

Rainer Matyssek, Karl Heinz Häberle, Thorsten E. E. GramsDie Konkurrenz der Bäume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 10

Naturwissenschaften

Uwe J. MeierhenrichLeben aus der Tiefe des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 15Albert Gerdes, Jens MatthiessenAls der Nordpol noch eisfrei war . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 24

Ingenieurwissenschaften

Thomas Christaller, Ansgar BredenfeldFußball für die Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 18

Leibniz-Preise 2005

„Die Freiheit von lästigen Statuten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 21

Descartes-Preis

Eva-Maria StreierIm Dienste der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 28

Impressum

Herausgegeben von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG); „forschung“ erscheint vierteljährlich beim WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA,Postfach 10 11 61, 69451 Weinheim; Jahresbezugspreis 2005: € 46,00 zzgl. MwSt.; Redaktion: Dieter Hüsken (Chefredakteur, verantwortlich für den Inhalt, Layout), Dr. Rembert Unterstell, Stephanie Henseler, Angela Kügler-Seifert; Redaktions-assistenz: Renate Kahl; Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei; Redaktions-anschrift: DFG, Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kennedyallee 40, 53175 Bonn, Tel.: 0228 / 885-1; Fax: 0228 / 885-2180; E-Mail: [email protected];Internet: www.dfg.de; gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier mit 50% Recyclingfaser ISSN 0172-1518

Expedition ins NordpolarmeerUmgeben vom ewigen Eis, halten Wissenschaftler an Bord eines Forschungs-schiffs Kurs, um Geheimnisse des Klima-wandels zu lüften. (Seite 24)Titelbild: Hannes von der Fecht IODP

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Als Karl der Große im Jahre800 in Rom vom Papst zumersten Kaiser des fränkischen

Imperiums gekrönt wurde, sah ersich nicht als Begründer eines Na-tionalstaats, sondern als Wahrer desrömischen Erbes. Er wird als „Char-lemagne“ von den Franzosen eben-so sehr als Identitätsfigur gesehenwie von den Deutschen. Europawird in diesen Jahren wiederent-deckt, nicht nur als Wirtschafts- undMachtgefüge, vielmehr als ge-schichtlich gewachsene, kulturelleund Wertegemeinschaft.

Der Satzungsauftrag der Deut-schen Forschungsgemeinschaft,die Beziehungen mit der internatio-nalen Wissenschaft zu pflegen, hatein besonders ausgeprägtes euro-päisches Profil. Neben diesen euro-päischen Aktivitäten sind be-sonders im letzten Jahrzehnt vonder DFG internationale Kontakteverstärkt worden, die nicht zuletztihren Ausdruck gefunden haben inganz unterschiedlich ausgerichte-ten Außenstellen und Verbin-dungsbüros der DFG, von Pekingüber Washington bis nach Moskau.

Europa im Zentrum: Von der Mit-gliedschaft der DFG in der Europe-an Science Foundation (ESF) inStraßburg über die EUROHORCs(Heads of European ResearchCouncils) bis zur Koordinierungs-stelle EG der deutschen Wissen-schaftsorganisationen in Brüssel(KoWi), einer Hilfseinrichtung derForschung, reicht das europäischeEngagement der DFG. Wenn für das 7. Forschungsrahmenpro-gramm der EU ein EuropäischerForschungsrat (European ResearchCouncil, ERC) diskutiert wird, sospielen Beiträge sowohl der ESF alsauch der EUROHORCs im Dialogmit der Kommission beziehungs-weise dem Ministerrat und dem Eu-ropäischen Parlament eine wichti-ge Rolle. Allen Beteiligten ist dabeiklar, dass, sobald Grundlagenfor-schung Teil des 7. Rahmenpro-gramms wird, andere Förderme-chanismen installiert werden müs-sen als die bisher stark an der Industrieförderung ausgerichteten.Orientierung allein an wissen-schaftlicher Qualität, Auswahl derbesten Projekte im Wettbewerbund eine dementsprechend starke

Der Kommentar

Dr. Reinhard Grunwald

Europa im Zentrum, die Welt im Blick

Die moderne Forschung kennt keine nationalen Grenzen. Eine weltoffene DFG kann

zum Ausbau der internationalen Beziehungen in der Wissenschaft beitragen

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Position der Wissenschaftler beiden Entscheidungen stehen auf derAgenda und müssen in eine organi-satorische Form gebracht werden.

KoWi leistet für alle europäischenFörderaktivitäten Hilfestellung ins-besondere für deutsche Wissen-schaftler, informiert über europäi-sche Förderungsmöglichkeiten und-voraussetzungen, stellt umgekehrtdie Verbindung zwischen deut-schen Wissenschaftlern und Uni-versitäten zur Kommission sicher.KoWi berät junge Wissenschaftlerund schult Antragsteller in regel-mäßigen Veranstaltungen. Mit Sitz

demie der Wissenschaften. Er kor-respondierte mit dem Kaiser vonChina über den Kalender und stehtnicht zuletzt für die Verbindung vonTheorie und Praxis. Die deutsch-chinesischen Wissenschaftsbezie-hungen wurden im 19. und be-sonders 20. Jahrhundert intensi-viert: Die Tongji-Universität inShanghai ist ebenso eine deutscheGründung wie die daraus hervorge-gangene medizinische Hochschulein Wuhan. Das Studium und vorallem die Promotion in Deutschlandhaben in China hohes Ansehen.1995 hatten sich die DFG und ihre

sowohl in Brüssel als auch in Bonnhat KoWi eine zentrale Rolle für dieVerbesserung des Erfolges deut-scher Wissenschaftler im europäi-schen Kontext, die mehr Mittel ausdiesem Rahmenprogramm bezie-hen als von deutscher Seite einge-zahlt wurde.

Gottfried Wilhelm Leibniz ent-wickelte nicht nur das Kon-zept der Preußischen Akade-

mie der Wissenschaft, er entwarfauch für Zar Peter den Großen dieGrundzüge einer Russischen Aka-

chinesische Schwesterorganisation,die National Natural Science Foun-dation of China (NSFC) verabredet,ein gemeinsames Zentrum für Wis-senschaftsförderung aufzubauen,das im Jahr 2000 eröffnet werdenkonnte. Hier stehen Tagungsmög-lichkeiten für bis zu 300 Teilneh-mer, eine Bibliothek sowie Gäste-appartements zur Verfügung. Alsbesonders erfolgreich haben sichWorkshops erwiesen, um deutscheund chinesische Wissenschaftler,nicht zuletzt Nachwuchswissen-schaftler, zusammenzuführen. Dar-aus sind regelmäßig Forschungs-

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projekte entstanden, die im Wettbe-werb nach gemeinsamer deutsch-chinesischer Begutachtung geför-dert werden.

Als Albert Einstein im Jahre1932/33 Deutschland verließ und –wie auch andere Wissenschaftler –in die Vereinigten Staaten vonAmerika emigrierte, ging er zu be-freundeten Wissenschaftlern undkonnte seine Arbeit fast nahtlos inPrinceton fortsetzen. Mit dem Älter-werden der Exilwissenschaftlerging die Selbstverständlichkeit derZusammenarbeit amerikanischerWissenschaftler mit europäischen

und Multiplikatoren heranzutra-gen. Nicht nur soll das Verbin-dungsbüro der DFG in Washingtonbestehende Informations- und Aus-tauschkanäle offen halten, es solldarüber hinaus ganz neue Zugängesowohl für deutsche Wissenschaft-ler zu den Wissenschaftszentren derVereinigten Staaten öffnen als auchumgekehrt interessierten Wissen-schaftlern aus den USA den Zugangzu Deutschland und darüber hinausEuropa erschließen.

Einer der Aufgabenschwerpunk-te des im Mai des Jahres 2002 eröff-neten Verbindungsbüros ist die Be-

DFG gehörte die Zusammenarbeitmit russischen Wissenschaftlern zuihren frühen Auslandskontakten.Berühmt geworden ist beispiels-weise die Kaukasusexpedition,Karten bis in die 40er Jahre hineinwiesen sogar einen „DFG-Glet-scher“ dort aus.

Der Zweite Weltkrieg führte zueiner Zäsur im deutsch-russi-schen Verhältnis auch auf

dem Gebiet der Wissenschaft. Diesich entwickelnde Zweigleisigkeit,hier die intensive Kooperation mitWissenschaftlern und Einrichtun-gen aus der DDR, dort die eher imgrößeren internationalen Kontextstehenden Beziehungen zwischensowjetischen Forschern und Wis-senschaftlern aus der Bundesrepu-blik Deutschland, mündete seit derWiedervereinigung in sich intensiventwickelnde Kontakte auf vielenGebieten. Die wissenschaftlichenBeziehungen mit Russland habensich vor diesem Hintergrund mitgroßer Dynamik entwickelt. DieDFG hat im Juli 2003 ein Verbin-dungsbüro in Moskau eröffnet, dasdie Kontakte und die Kooperationzwischen russischen und deutschenWissenschaftlern sowie den ent-sprechenden Partnerorganisatio-nen verstärkt, den gemeinsamenForschernachwuchs fördert und diewissenschaftspolitischen Entwick-lungen in Russland verfolgt.

Mit dem bevorstehenden Aufbaueines Verbindungsbüros in Indien –hier wird die DFG eng mit demDeutschen Akademischen Aus-tauschdienst und der Alexandervon Humboldt-Stiftung zusammen-wirken – kommt der Aufbau vonDFG-Einrichtungen im Auslandzum Abschluss. Das Webmuster dermodernen Wissenschaft ist grenz-überschreitend. Eine weltoffeneDFG kann durch ihre Förderarbeitdazu beitragen.

Dr. Reinhard GrunwaldGeneralsekretär der Deutschen Forschungsgemeinschaft

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Kollegen verloren. Der Zugang jun-ger deutscher Wissenschaftler zuamerikanischen Spitzenuniversitä-ten und Forschungszentren funktio-nierte nicht mehr in den alten, eta-blierten Netzwerken, da die jünge-ren amerikanischen Wissenschaft-ler sich mehr an inneramerikani-schen und pazifischen Kooperatio-nen orientierten und die Aufnahmejunger Europäer weniger als kultu-rellen Gewinn für alle Beteiligtensahen. Hier setzte Ende der 90erJahre die Überlegung der DFG an,insbesondere Informationen in bei-den Richtungen an Interessierte

treuung und Beratung der von derDFG in den USA finanzierten der-zeit etwa 500 Stipendiaten und Stipendiatinnen aus Deutschlandsowie aller deutschen Wissen-schaftler, die in den USA arbeitenund über eine Rückkehr nach Europa, insbesondere Deutschland,nachdenken.

Russland verfügt nicht nur überhohes wirtschaftliches und militäri-sches Potenzial, sondern auch überWissenschaftler von Weltrang undhervorragende Ausbildungsstät-ten, vor allem für Naturwissen-schaftler und Ingenieure. Für die

Erasmus von Rotterdam oder Immanuel Kant, David Humeoder Heinrich Heine – das ist

nur ein Auszug des „Who is Who“der Weltgeschichte, der sich in denAkten zur Buchzensur von Römi-scher Inquisition und Indexkon-gregation im Archiv der Glaubens-kongregation entdecken lässt:Namen, die zur Allgemeinbildunggehören, exemplarisch für literari-sche, philosophische oder naturwis-senschaftliche Geistesrichtungenstehen, die teilweise heute noch dieGemüter erregen, so wie sie es be-reits zu Lebzeiten taten. Neben die-sen in das Gedächtnis der Mensch-heit geschriebenen Berühmtheitenfinden sich dort aber auch Namen,denen der ewige Ruhm verwehrtblieb – jene, die es nur bis zu einemlängst vergessenen Manuskriptbrachten, an dem ein ebenso ver-gessener Denunziant Anstoß nahm.Der Denunziant wandte sich miteinem Brief an die Römische Inqui-sition oder Indexkongregation, wasnicht selten das Aus für eine zuvoraussichtsreiche Karriere bedeutete.

So unterschiedlich der Rang derPersönlichkeiten im Nachhinein beurteilt wird, so unterschiedlichwaren auch die Motive, die zur An-zeige ihrer Bücher in Rom führten.Teils sah ein Denunziant in ihnenaus theologischen, politischen undphilosophischen Motiven eine Be-drohung für das katholische Welt-bild. Möglicherweise war es aberauch der Neid auf einen aufstreben-den Konkurrenten, gegen den sichein Denunziant nicht anders zurWehr zu setzen wusste, als ihn – ide-ologisch kaschiert – mundtot zu ma-chen. Was auch immer die aus-

schlaggebenden Motive zur Anzei-ge der Autoren waren, der Weg derinkriminierten Bücher führte nachRom. Dort wurden sie von den zu-ständigen Behörden einer Untersu-chung unterzogen, handschriftlicheoder gedruckte Gutachten unter-schiedlichster Qualität erstellt oderexterne Spezialisten gewonnen.Manches Mal räumten überforderteGutachter ihr Scheitern ein odervermeintliche Spezialisten demons-trierten ihr Halbwissen. Mituntergerieten aber auch tolerante undengstirnige Kräfte der Kurie anein-ander, bekämpften sich und ihreGesinnungen auf dem Rücken desAngeklagten. Die schließlich zumSchutz der Katholiken von der Kir-che Verdammten fanden sich aufdem Index der verbotenen Bücher,dem so genannten Index librorumprohibitorum wieder. Die Freige-sprochenen aber erfuhren so gutwie nie von einem gegen sie geführ-ten Prozess, so dass in unzähligenFällen nur dem Denunzianten dasWissen seines Scheiterns blieb. Sowie noch heute Akten nach Ab-schluss eines Verfahrens zunächstihren Weg in die Ablage, dann indas hauseigene Archiv finden, umlangsam der Vergessenheit anheimzu fallen. Vergleichbares geschahbei der Inquisition und Indexkon-gregation. Erst als 1998 im Zuge des Schuldbekenntnisses von Papst Johannes Paul II. die Öffnung derArchivbestände angekündigt undin die Tat umgesetzt wurde, war dasganze Ausmaß einer über 400-jähri-gen Behördengeschichte zu erah-nen. Zuvor nie eingesehene, vomStaub der Jahrhunderte verdreckteAktenbände, die – häufig nur mit

einer Schnur zusammengebunden –im Magazin verschwunden waren,wurden der Forschung zugänglich.

Wer, im Gegensatz zu den Schwei-zer Gardisten, nur mit einem Note-book bewaffnet den Innenhof derGlaubenskongregation betritt, erst-mals Bände aus der Reihe der Buch-zensur bestellt und vom Archivarauf den Tisch gelegt bekommt, wirdnicht nur durch die ihm unbekannteWelt erschlagen. Erschlagend sindauch die auf den ersten Blick chaoti-schen Inhalte der Bände, die nichtselten über 50 eigenständige Ver-fahren enthalten: Hier finden sichDenunziationsschreiben von Lokal-inquisitionen und Zollstationen imKirchenstaat, von Privatpersonenund Würdenträgern aus Deutsch-land, Frankreich und Amerika –kurz aus der gesamten Welt. Teil-weise sind sie wie ein Einband umdie Bücher geschlagen, die ihrer-seits mit Anmerkungen von den De-nunzianten selbst oder den kurialenBearbeitern versehen sind. Auf ein-seitige Gutachten zu verbotenenfranzösischen, englischen oder un-

Geisteswissenschaften

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Von Inquisitorenund DenunziantenEin Blick hinter die Mauern des Vatikans: Akten zurBuchzensur geben Einblick in die streng gehütetenInterna von Inquisition und Indexkongregation

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garischen Büchern folgen ganzeBündel disparater Voten, die nichtnur die verhandelten Bücher, son-dern auch die vorangegangenenGutachten, gar die Orthodoxie ihrerAmtsbrüder, in Frage stellen unddamit die Diskussionen innerhalbder Kurie dokumentieren. Mit die-sem Einblick in die bisher strenggehüteten Interna von Inquisitionund Indexkongregation, ihren Par-teiungen, offenen Diskussionenund verdeckten Auseinanderset-zungen, differenziert sich das Bildvon der römischen Kurie als monoli-thischer Institution. Denn allein dasVerbot auf dem Index librorum pro-hibitorum besagt wenig. Mit denBüchern wurden die zeitgenössi-

schen Diskussionen in die Mauerndes Vatikans getragen.

Selbst das vermeintliche Ender-gebnis eines Verfahrens, das heißtgroßformatige – als Bando bezeich-nete – Plakate, die unmittelbar nachden Entscheidungen an den Pfortender römischen Hauptkirchen ange-schlagen wurden, oder kleinforma-tige Drucke für die diplomatischenVertretungen des Papstes in allerWelt wiesen in den Akten unter-schiedliche Entwicklungsstufen auf:Vom Setzer verballhornte Titel wur-den korrigiert, Zahlendreher beimErscheinungsjahr eines Werkes revidiert, selbst das Verbot ganzerBuchtitel mit einem Federstrichnoch im letzten Augenblick verhin-dert. Der Federstrich erklärte sichnicht selten durch einen kleinfor-matigen, unscheinbaren, mit unle-serlicher Unterschrift gezeichnetenNotizzettel, der einem Verfahren –da von einem einflussreichen Gut-achter oder Kardinal geschrieben –eine überraschende Wendung gab.Darüber hinaus fanden sich mit Siegeln versehene Depeschen

des päpstlichen Staatssekretariatesneben vom Papst eigenhändig er-teilten Anweisungen – für odergegen ein Buchverbot, für odergegen eine Begutachtung.

Dieses geordnete Chaos zu ent-zerren, ist das Ziel des Müns-teraner Langzeitprojektes

„Römische Inquisition und Index-kongregation“. Das erfordert Ver-fahrenswege zu rekonstruieren, diedenunzierten Autoren zu entziffernebenso wie ihre Bücher und Manus-kripte zu bibliographieren oder dieGutachten zu verifizieren und ihreVerfasser biographisch in einer Datenbank zu erfassen. Darüberhinaus sollen die transkribiertenDekrete herausgegeben und derÖffentlichkeit zugänglich gemachtwerden. In Zahlen sind dies alleinfür das 19. Jahrhundert über 3000verhandelte Bücher und Manus-kripte, allein etwa 250 Sitzungender Indexkongregation, 800 Gut-achter mit 3500 Voten und 240Bandi. Darunter sind auch kurioseAktenfunde, zum Beispiel Gutach-ter, die zähneknirschend eingeste-hen, ein falsches Buch begutachtetzu haben, ihren Fauxpas aber mitdem Hinweis vergessen machenwollen, dass durch ihren Irrtumglücklicherweise die Verbotswür-digkeit eines bisher nicht beachte-ten Werkes aufgedeckt worden sei.Ohne Zweifel könnte man auchüber diese Seiten der Römischen In-quisition und Indexkongregationein unterhaltsames und kurzweili-ges Buch schreiben. Doch zurzeitgilt die Aufmerksamkeit den letztenKorrekturen in dem siebenbändi-gen Grundlagenwerk über dieBuchzensur von Römischer Inquisi-tion und Indexkongregation im 19.Jahrhundert. Gleichzeitig wirddamit begonnen, dem „geordnetenChaos“ des 18. Jahrhunderts Herrzu werden und den noch unbe-kannten Akteuren ein Gesicht zugeben.

Tobias LagatzUniversität Münster

Der Autor ist Mitarbeiter im DFG-For-schungsprojekt „Römische Inquisition undIndexkongregation“ unter der Leitung desMünsteraner Kirchenhistorikers und Com-municator-Preisträgers 2004, Prof. Dr. HubertWolf. www.buchzensur.de▼ 5

Im Archiv der römischen Glaubens-kongregation werden Akten zurBuchzensur des 19. Jahrhundertsausgewertet. Dabei finden sich immerwieder Dekrete über verbotene Bücher.Mit großformatigen Plakaten wurdefrüher über die Entscheidungen der päpstlichen Indexkongregation informiert.

Das sind Leichtverletzte“, sagtMatthias Hageböck und trittan einen Tisch mit kleinen

und großen Buchpatienten. „Siehaben das Inferno der Brandnachtüberstanden“, freut sich der Buch-restaurator der Anna Amalia-Biblio-thek, „und sind soeben aus demLeipziger Zentrum für Bucherhal-tung nach Weimar zurückgekehrt“.Teilweise noch mit Mullbinden um-wickelt, verströmen die Büchereinen stechenden Geruch von Rußund Rauch, so als trügen sie dieBrandkatastrophe des 2. September2004 weiterhin in sich – zum Bei-spiel der wassergeschädigte Band„Letters written by Jonathan Swift“aus dem Jahr 1700. Sein Lederein-

Reportage

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Das Schicksalder Anna AmaliaVerkohlte Bücher, durchnässtes Papier, verbrannte Gemälde: Was wird aus denSchätzen der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek in Weimar? Über 100 000Bücher und Handschriften wurden ein Opfer der Flammen – und des Wassers

band ist verzogen, die Blätter kle-ben zusammen, alles ist steif undzugleich brüchig.

Nicht nur dieser Band, sondernkörbeweise Bücher mit Wasser-schäden wurden noch in der Brand-nacht nach Leipzig gebracht; ihnenfolgten die im Brandschutt geborge-nen, angesengten oder verkohlten,oft wie Briketts aussehenden Bü-cher, insgesamt 62 000 geretteteDruckwerke. „Ein Wettlauf mit derZeit begann“, berichtet Hageböck,„denn in dem vom Löschwasserdurchfeuchteten Papier könnensich binnen Stunden Schimmelpilze

ser Erstversorgung mit seiner ei-gentlichen Arbeit beginnen.

Doch Hageböck, Leiter der Res-taurierungswerkstatt bei der Stif-tung Weimarer Klassik und Kunst-sammlungen, warnt vor falschenErwartungen. Schließlich werdenalle gefriergetrockneten Büchererst im Laufe dieses Jahres zurück-erwartet. Erst dann wird auch eine detaillierte Schadenserhe-bung möglich sein. „Für jeden ein-zelnen Band“, so betont der Direk-tor der Anna Amalia-Bibliothek, Dr.Michael Knoche, „muss schließlicheine Entscheidung getroffen wer-den. Dabei muss der zuständige Bibliothekar zusammen mit demRestaurator abwägen, ob eine Ret-

tung sinnvoll, machbar und auch fi-nanzierbar ist. Das gilt insbesonde-re bei stark brandgeschädigten Bü-chern.“ Etwas mehr als die Hälfteder geretteten Werke, so vermutenFachleute, wird „restaurierungs-fähig“ sein. Eine Ahnung von derDimension der zu bewältigenden 7

forschung 1/2005

und Mikroben bilden.“ Im Leipzi-ger Zentrum für Bucherhaltungwerden die Opfer von Flammenund Wasser von grobem Schmutzbefreit, gesichtet und nach Scha-densklassen sortiert, bevor sie beiminus 20 Grad in begehbaren Tief-kühlkammern gefriergetrocknetund in Form gepresst werden. Dasspezielle Trocknungsverfahren, inder Lebensmittelindustrie entwi-ckelt, macht sich die Eigenschaftvon Wasser zu Nutze, bei geringemLuftdruck vom gefrorenen direkt ineinen gasförmigen Zustand überzu-gehen, ohne erst wieder flüssig zuwerden. So kann der Kampf gegendas Wasser gewonnen werden –und der Buchrestaurator nach die-

Linke Seite: Als Gesamtkunstwerk ausArchitektur, Kunstschätzen undhistorischer Buchsammlung präsentiertesich der Rokokosaal der Herzogin AnnaAmalia-Bibliothek vor dem Brand. Bei derBrandkatastrophe gingen der Dachstuhldes Gebäudes und die zweite Galerie inFlammen auf – der zum Weltkulturerbezählende Saal wurde durch Feuer und Löschwasser schwer beschädigt.

Aufgabe gewinnt, wer in der Werk-statt den Mitarbeitern beim Sor-tieren einzelner aus Schutthaufengeborgener Seitenfragmente zu-schaut: Die verkohlten Papierfet-zen ins Kröpfchen, die noch halb-wegs leserlichen Blätter ins Töpf-chen, das heißt in bereitstehendePappkartons mit Aufschriften wieBild, Text, Titel oder Noten. „Min-destens zehn Jahre“, so schätztKnoche, „wird der Prozess derBuchrestaurierung in Anspruchnehmen, die erforderlichen Mittelimmer vorausgesetzt.“

Immens ist das Ausmaß der Schä-den an Büchern und Handschriften:Mindestens 50 000 Bände sind ver-brannt, 62 000, wie erwähnt, durchWasser oder Brand zum Teil stark

beschädigt. „Betroffen sind damitmehr als zwei Fünftel der historischbedeutsamen Drucke bis 1850“, be-richtet Michael Knoche in seinemausgelagerten Büro im RotenSchloss von Weimar. Doch was lässtsich mit Zahlen und Statistiken aus-sagen, wenn es um Buchschätzegeht, die Anmerkungen von Goe-thes, Schillers oder Herders Handtragen? Diese immateriellen Ver-luste werden weder zu beziffernnoch zu ersetzen sein. Das gilt bei-spielsweise für Herzogin AnnaAmalias (1739–1807) wertvolle Mu-sikaliensammlung mit ihren 2100Musikdrucken und über 700 Noten-handschriften. Und das trifft ebensozu auf die 35 Fürstenporträts des 16. bis 18. Jahrhunderts, die auf der

zweiten Galerie der Bibliothek ver-brannt sind. Auf der Website der Bi-bliothek gibt inzwischen eine Ver-lust- und Schadensdatenbank einenersten Überblick über die verlore-nen Buchbestände.

„Anna Amalia“ ist durch den größ-ten Bibliotheksbrand in Deutsch-land seit Ende des Zweiten Welt-kriegs schwer getroffen. Mittlerwei-le steht aber auch fest: Das histori-sche Stammgebäude der Bibliothek,einst geistiges Zentrum des Weima-rer Musenhofes, wird in absehbarerZukunft wieder erstehen. Zwar hatder Großbrand den Dachstuhl ver-schlungen und die zweite Galeriedes berühmten Rokokosaals zer-stört, dennoch lässt sich die Sub-stanz des zum Weltkulturerbe derUNESCO zählenden Hauses res-taurieren. Deshalb halten die Ver-antwortlichen daran fest, im Jahr2007, dem 200. Todesjahr AnnaAmalias, das schwer beschädigteGebäude wieder zu eröffnen – mitHilfe von Bund, Freistaat Thüringenund privaten Stiftern. Der ein-drucksvolle, dreigeschossige Biblio-thekssaal aus dem Jahr 1766, einerder schönsten Bibliotheksräume inDeutschland, soll dann wieder zu-gänglich und als Gesamtkunstwerkaus Rokoko-Architektur, Kunst-schätzen und historischer Buch-sammlung erlebbar sein.

Menschen im In- und Auslandbewegt das Schicksal „AnnaAmalias“. Nach dem Brand

wurde die Bibliothek, berühmt fürihre Sammlungen zur WeimarerKlassik, überschwemmt von sponta-ner Hilfsbereitschaft: Vorschulkin-der brachten Geld, die „AmericanFriends of the Anna Amalia Libra-ry“ spendeten 10 000 Dollar, jasogar Gefangene schickten zehnEuro aus dem Gefängnis. Bislangsind so mehr als 8 Millionen Euro8

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Buchrücken eines Bandes mitverschmortem Ledereinband. Die vorher nicht sichtbare Hinterklebung zeigt ein Spielkarten-Motiv. Darunter: Ein aus den Flammen geborgenes Buchwird für den Transport in Folie gewickelt, bevor es ins Leipziger Zentrum fürBucherhaltung gebracht wird, wo dieErstversorgung beginnt.

von Privatpersonen, Unternehmun-gen und Stiftungen, aus Erlösen vonBenefizveranstaltungen und Unter-stützungsprojekten eingegangen.Hinzu kommen die Soforthilfe desBundes (4 Mio.), des FreistaatesThüringen (5,5 Mio. für fünf Jahre)und der Deutschen Forschungsge-

meinschaft (0,5 Mio). Außerdemwurde ein spezieller Fonds aufge-legt, dessen Erträge zur langwieri-gen Ersatzbeschaffung verlorenerBüchern beitragen soll. Der Fonds-name „Fruchtbringende Gesell-schaft“ erinnert an die erste 1617 inWeimar gegründete Sprachgesell-schaft, deren Werke dem Brand na-hezu vollständig zum Opfer gefal-len sind.

Trotz „derüberwältigendenHilfe in so relativkurzer Zeit“, betont Knochenachdenklich,„werden die dreiRettungsaufga-ben – Wiederauf-bau der Biblio-thek, Buchrestaurierung undWiederbeschaffung – immens vielZeit und noch mehr Geld erfor-dern“. Allein zur Behebung derSchäden am Buchbestand werdenetwa 60 Millionen Euro benötigt. Sowird vom weiteren Spendenen-gagement, zum Beispiel über Buch-patenschaften, viel abhängen.

Doch auch neue Türen habensich geöffnet: Anfang Februar hatdie Herzogin Anna Amalia-Biblio-thek ein neues Studienzentrum ein-geweiht, in dem wissenschaftlicheBenutzer mit den etwa 900 000 nichtvom Brand vernichteten Büchernund Handschriften arbeiten kön-nen. Der Erweiterungsneubau vis-à-vis der alten Bibliothek war be-reits lange vor dem Brand geplant

worden. Zugleich wurden, erstmalsseit Goethes Tagen, alle Bücher ineinem unterirdischen Tiefenmaga-zin und damit an einem Ort zu-sammengeführt. So konnte fünfMonate nach dem Großbrand deröffentliche Bibliotheksbetrieb wie-der aufgenommen werden. Auchals moderne Forschungsbibliothekund unter den Bedingungen des

21. Jahrhundertswird „AnnaAmalia“ ihrerMission treubleiben: derdeutschen Lite-ratur- und Kul-turgeschichtevon der Aufklä-rung bis zurSpätromantik.

Geheimrat Goethe, der seit 1797 dieOberaufsicht über die Bibliothek innehatte, schrieb unter dem Ein-druck ihrer Kostbarkeiten: „Manfühlt sich in der Gegenwart einesgroßen Kapitals, das geräuschlosunberechenbare Zinsen spendet“.Dem ist nichts hinzuzufügen.

Rembert Unterstell

Die Herzogin Anna Amalia-Bibliothek wird als Spezialbibliothek im Rahmen der über-regionalen Literaturversorgung der Deut-schen Forschungsgemeinschaft sowie im Rahmen von Projekten zur bibliothekarischenErschließung und Bestandserhaltung ge-fördert; nach dem Brand erhielt sie eine Notfallhilfe. Spendenkonten und weitere Informationen

www.anna-amalia-bibliothek.de▼ 9

forschung 1/2005

Die untere Treppe im Rokokosaal,bedeckt mit Löschschaum. Nach

Schätzung der Feuerwehr wurden inder Brandnacht etwa 110 000 Liter

Wasser eingesetzt. Rechts: In Pappkartons sortierte Seitenfragmente in der

Weimarer Restaurierungswerkstatt.Etwa die Hälfte der schwer brand-

geschädigten Bücher wird als„restaurierungsfähig“ eingestuft.

Sechzig Millionen Eurowerden in den nächstenJahren allein für dieBehebung der Schädenam Buchbestand benötigt

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Die

Labor in luftiger Höhe: Vier Gerüsttürme, die durch Plattformenmiteinander verbunden sind, und einKran sollen den Forschern Einblickein die Kronen der bis zu 30 Meter hohen Buchen- und Fichtenbäumeermöglichen.

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Biowissenschaften

Konkurrenz der BäumeDas Überleben von Waldbäumen hängt auch davon ab, ob sie sich gegen ihre Nachbarpflanzen durchsetzen können

Wirtschaftsunternehmen be-haupten sich gegenüberKonkurrenten durch effi-

ziente Nutzung von Ressourcen.Solche Prinzipien sind auch in derKonkurrenz zwischen Waldbäumenfassbar. Ob eine Pflanze überlebenkann, entscheidet sich in ihrer Fähigkeit, der Umwelt Wasser,Nährstoffe oder – mit Hilfe der Son-nenenergie – Kohlenstoff abzurin-gen und diese anschließend nutzenzu können. In welchem Umfang die Pflanze Ressourcen aufnehmenkann, liegt entscheidend an derKonkurrenz gegenüber Nachbar-pflanzen sowie an der Fähigkeit,Schädlinge abzuwehren. Die Ab-stimmung zwischen der Aufnahmevon Ressourcen und ihrer Verteidi-gung gegenüber Pflanzen fressen-den Tieren und krank machendenOrganismen ist Ausdruck der „Fit-ness“ der Pflanze. Diese „Fitness“bildet auch die Voraussetzungenfür die Fortpflanzung.

Die Offenlegung dieser Abstim-mung und deren stofflichen Kosten-Nutzen-Bilanzen ist Ziel des Sonder-forschungsbereichs „Wachstum undParasitenabwehr – Wettbewerb umRessourcen zwischen Nutzpflanzenaus Land- und Forstwirtschaft“.Wachstum ist hier weniger mit Blickauf die Gewichts- und Volumenver-änderung von Interesse als hinsicht-lich der Voraussetzung, gegenüberNachbarpflanzen Konkurrenz aus-üben zu können.Pflanzliche Kon-kurrenz wird da-durch bestimmt,wie stark Bäumesowohl im Kro-nen- als auch im Wurzelbe-reich wachsenund damit Raumbesetzen kön-nen. Wer viel Raum besetzt, ver-drängt die Konkurrenz und kannden Raum ausbeuten. Hieraus re-sultiert die Frage, ob die Fähigkeitder Pflanze, Konkurrenz auszu-üben, durch eine Kosten-Nutzen-Betrachtung quantifizierbar ist: alsVergleich zwischen Ressourcenin-vestition, um Raum besetzen zukönnen, und Gewinn an Ressourcen,welche dem besetzten Raum entzo-gen werden. Das Augenmerk soll

auf Buche und Fichte liegen, dieaufgrund ihrer räumlichen Dimen-sion und ihrer Langlebigkeit einebesondere Herausforderung dar-stellen.

Während sich bei krautartigenPflanzen Veränderungen bereits imJahresverlauf zeigen, wirken Wald-bestände bei kurzfristiger Beobach-tung eher „statisch“. Als Auswegerscheint, die Nutzung von Res-sourcen in Ästen und Wurzeln zu

erfassen und imVergleich mitKonkurrenten zubeurteilen. Damitwird das „Kon-kurrenzverhal-ten“ der Bäumebestimmbar. Einsolcher Ansatzwird derzeit im„Kranzberger

Forst“ bei Freising, einem etwa 60Jahre alten Buchen/Fichten-Misch-bestand mit etwa 30 Meter hohenBäumen erprobt. Für die Untersu-chungen ist eine aufwändige Infra-struktur mit Feldlaboren und spe-ziellen Mess- und Analyseverfah-ren erforderlich. Gerüsttürme, dieüber Plattformen zwischen 17 und27 Metern Höhe verbunden sind,und ein 45 Meter hoher For-schungskran mit 50 Metern Ak-12

forschung 1/2005

Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich der Kampf um Ressourcenzwischen Buchen undFichten gestaltet

tionsradius eröffnen Zugang in dieSonnen- und Schattenbereiche derBaumkronen.

Es zeigt sich, dass in Buche undFichte die Raumausbeutung, dasheißt der Kohlenstoffgewinn ent-lang der Astachsen, sehr ähnlich ist.Dies gilt bei beiden Arten sowohlfür Sonnen- als auch Schattenäste.Auch die „laufenden Kosten“ anKohlenstoffabgabe durch Atmungund transpiriertem Wasser sindnicht verschie-den. Dies magerstaunen, be-denkt man, dassdie photosynthe-tische Leistungs-fähigkeit, At-mung und Trans-piration derBlattorgane (je-weils niedrig inFichte und hoch in Buche) zwi-schen zwei mitteleuropäischenBaumarten nicht unterschiedlichersein könnten. Jedoch wird offen-sichtlich, dass die verfügbare Son-neneinstrahlung durch beide Artengleichermaßen wirkungsvoll fürden Kohlenstoffgewinn genutztwird. Signifikant unterscheiden sichdie beiden Arten bei der Effizienzder Raumbesetzung. Der an vielenStandorten in Mitteleuropa beob-

achtete Konkurrenzvorteil derBuche scheint aus günstigen Inves-titionskosten für die räumliche Be-drängung der Fichte zu resultieren.

Im Bodenraum ist die Analyse desKonkurrenzverhaltens schwieriger,da aufgrund der intensiven, gegen-seitigen Durchdringung benach-barter Wurzelsysteme die Zuord-nung besetzten und ausgebeutetenRaumes weniger offensichtlich ist.Zudem erhöhen die Mykorrhiza-Pilze, welche die Wurzeln besie-deln, den „Einzugsbereich“ derFeinwurzeln für die Aufnahme vonNährstoffen und Wasser erheblich.Mit einer Kombination verschiede-ner Methoden werden im Versuchs-bestand der Auf- und Abbau derFeinwurzeln, ihre „laufenden Kos-ten“ (Atmung) zusammen mit jenender Mykorrhiza-Pilze sowie die Res-sourcenaufnahme erfasst. Die beob-achtbare Wurzellänge könnte fürdie unterirdische Konkurrenz be-deutsam sein. Derzeit wird noch geklärt, welche Bedeutung derunterirdische Wettbewerb um Res-sourcen gegenüber dem oberirdi-schen besitzt.

Die Effizienz der Raumbesetzunghängt von der Regulation der Res-sourcenverteilung in der Pflanze ab.Die Reaktion auf eine Störung gibtAuskunft über die Empfindlichkeitder Regulation und deren Mecha-nismen. Ein Beispiel für eine Stör-substanz ist Ozon, welches nach

Aufnahme überdie Spaltöffnun-gen im Blattin-nengewebe an-greift und dieRessourcenver-teilung beein-flusst. Innerhalbeines 2000 Ku-bikmeter großenBereichs im Kro-

nendach des Kranzberger Forsteswird mit einer weltweit einzigarti-gen Begasungsvorrichtung Ozonfreigesetzt. Dabei werden die imBestand auftretenden Ozonkon-zentrationen unter Vermeidungvon Spitzenbelastungen verdop-pelt. Bäume in unveränderter Luftdienen als Kontrolle.

Dieser Versuchsansatz verfolgtnicht den Schadstoffcharakter desOzons, sondern soll die Empfind- 13

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Links oben: Junge Versuchsbäumein der Klimakammer. Darunter: ImFreien wird den Baumwipfeln auchmit einer Gondel zu Leibe gerückt,während am Waldboden (oben) dasWachstum der Baumwurzeln durchdigitale Bildprogramme analysiertwird. Darunter: ein von Ozonbereits sichtbar geschädigtesBuchenblatt.

Nur mit Hilfe vonFeldlaboren sowie mitaufwändigen Mess- undAnalyseverfahren könnendie Studien erfolgen

lichkeit der Raumbesetzung unterStörung durch Ozoneinfluss klären.Allerdings ist bislang keine struktu-relle, ozonbedingte Veränderung inBaumkronen und Feinwurzeln ingroßen Bäumen feststellbar. Wohlaber ist die Störung durch Ozon beider Buche auf der molekularen undbiochemischen Ebene anhand ver-kürzter Blattlebensdauer, früherStadien der Blattschädigung und be-ginnender Einschränkung der Photo-syntheseleistung nachweisbar.

Sollte das Phänomen der Raum-besetzung ein wesentliches Prinzipder pflanzlichen Konkurrenz sein,dann sollte sich dieses nicht nur inAltbäumen im Feld, sondern auchan Jungbäumen unter kontrollier-ten, experimentellen Bedingungen

darstellen lassen. Ein solches, dreiJahre dauerndes Experiment wurdein Klimakammern mit anfänglichgleich großen Buchen und Fichtenin Rein- und Mischpflanzungdurchgeführt, die bei Versuchsendevier Jahre alt waren. Als Störfakto-ren wurden Ozon und Kohlendioxidverabreicht. Unter diesen Testbe-dingungen war die Buche imGegensatz zum Altbestand inMischpflanzung der unterlegeneKonkurrent. Wiederum konnte die-ses Ergebnis nicht anhand der ober-irdischen Raumausbeutung und„laufenden Kosten“ hinsichtlich At-mungs- und Wasserbedarfs erklärtwerden. Unterirdisch erschien dieBuche in der erzielten Wurzellängesogar effizienter als die Fichte. Er-

neut war das Maß der oberirdischenRaumbesetzung zwischen beidenArten sehr verschieden, wobei aberdie Buche nun als schwächererKonkurrent auch entsprechend we-niger effizient war. Die sich im Ju-gendstadium zu Ungunsten derBuche verschiebende Konkurrenzähnelt Erfahrungen bei forstlichenMischbeständen mit gleichzeitiggepflanzten, gleich großen Buchenund Fichten. Für die Empfindlich-keit der Versuchsbäume in der Kli-makammer war das jeweils ver-abreichte Gemisch aus Ozon undKohlendioxid von eher nachrangi-ger Bedeutung. Unter den Bedin-gungen der Konkurrenz gewichtendie Bäume die Reaktion auf Nach-barpflanzen offenbar höher als aufStörungen durch Ozon und Kohlen-dioxid.

Insgesamt zeigt sich, dass ausdem Ressourcenumsatz auf Kostenund Nutzen der pflanzlichen Kon-kurrenz geschlossen werden kann.Hierin spiegelt sich das Konkur-renzverhalten der Pflanze wider.Das Ergebnis solcher Kosten-Nut-zen-Analysen ist jedoch nicht füreine Art verallgemeinerbar, son-dern gilt zunächst für das Entwick-lungsstadium der Pflanze und derenWuchsbedingungen, wie der Ver-gleich zwischen Jung- und Altbäu-men in Klimakammer und im Feldunterstreicht.

Prof. Dr. Rainer MatyssekDr. Karl Heinz HäberleDr. Thorsten E. E. GramsTechnische Universität München

Die Studien werden von der DFG gefördertim Rahmen des Sonderforschungsbereichs607 „Wachstum und Parasitenabwehr –Wettbewerb um Ressourcen zwischen Nutz-pflanzen aus Land- und Forstwirtschaft.“

www.sfb607.de▼14

forschung 1/2005

Moderne Analysemethodenveranschaulichen, wie sich das künstlichzugeführte Ozon auf das Blattwerk derBäume auswirkt: Bei dem untersuchtenBuchenblatt weisen die gelbroten Fleckenin der Computerabbildung auf fehlendesChlorophyll hin. Unten: Die aufgezeich-neten Daten werden direkt erfasstund durch ein spezielles Computer-programm ausgewertet.

Die etwa hundert Kilogrammschweren Reste des Murchi-son-Meteoriten könnten unser

Weltbild verändern. Dass das Lebennämlich keineswegs auf der Erdeentstand, sondern dass wichtigeBausteine aus dem Weltraum stam-men und durch Meteoritenaufschlä-ge auf die Erde gelangten, zeigendie neuen Untersuchungen einesChemiker-Teams der UniversitätBremen und der Université de Nice-Sophia Antipolis in Frankreich. Die-sen Forschern gelang es zu zeigen,dass der Meteorit so genannte Di-aminosäuren mit sich brachte,denen eine zentrale Funktion beider Entstehung des Lebens zuge-schrieben wird. Diese Ergebnissewollen die Wissenschaftler auch beider Rosetta-Kometenmission derEuropäischen RaumfahrtbehördeESA überprüfen.

Seit Watson und Crick 1953 dieDesoxyribonukleinsäure oder kurzDNA als das genetische Materialidentifizierten und ihre einzigarti-ge, Informationen speichernde Dop-pelhelix entdeckten, gibt es Speku-lationen über den Ursprung derDNA und damit des Lebens. Derzeitherrscht die Lehrmeinung, dassDNA und Eiweiße (Proteine) ausmolekularen Bausteinen zusammen-gebaut sind. Verschiedene Amino-

15

Leben aus der Tiefe des RaumesMeteoriten und Kometen haben wichtige Bausteine des Lebens auf die Erdegebracht. Darauf weisen Studien eines deutsch-französischen Chemiker-Teams hin.Die Forscher machen sich ein neuartiges Analyseverfahren zu Nutze

Um ausreichend Schwung zu gewinnen,muss die Kometensonde Rosetta bei

ihrer Mission dreimal die Erde umkreisen.Nur so kann sie ihre volle Geschwin-

digkeit entwickeln. Der 450 MillionenKilometer entfernte Zielkomet

Churyumov-Gerasimenko soll im Jahr 2014 erreicht werden.

Naturwissenschaften

säuren gelten beispielsweise alsmolekulare Bausteine der Proteine.Dass diese auch in Meteoriten vor-kommen, ist bekannt. Um den Bau-steinen für Leben auf Meteoritenweiter auf den Grund zu gehen,wandte sich die Arbeitsgruppe mitihren internationalen Partnern er-neut dem Meteoriten Murchison zu.

Der Meteorit Murchison war 1969über Australien niedergegangen.Sein Material gilt als „rein“, alsonicht durch irdische Einflüsse ver-ändert. Das Forscherteam setzte beiden Experimenten ein neues, vonihnen entwickeltes Analyseverfah-ren ein. Dafür zerkleinerten sie einGramm des Meteoriten, pulverisier-ten und extrahierten die Probe mithochreinem Wasser. Diese Probeunterzogen sie einer neuartigenAnalyse.

Überraschenderweise konnte mitHilfe dieser Experimente eine zwei-te „neue“ Klasse von Aminosäurennachgewiesen werden. Dabei han-delt es sich um Aminosäuren miteiner zusätzlichen Aminofunktion,so genannte Diaminosäuren. Die-sen Stoffen wird eine zentrale Rollefür die Entste-hung des Lebensbei der chemi-schen Evolutiondes genetischenMaterials zuge-sprochen: Mole-kularbiologischeUntersuchungenlegen nahe, dasssich in der che-mischen Evolution vor der DNAeine andere Nukleinsäure, die sogenannte RNA, ausbildete, unddiese wiederum aus der PNA, einerpeptidischen Nukleinsäure hervor-ging. Das Rückgrat der PNA ist ausDiaminosäuren aufgebaut. So las-sen die Forschungsergebnisse ver-muten, dass im Murchison-Meteori-ten die molekularen Bausteine des

mutmaßlich ersten genetischen Ma-terials, der PNA, vorkommen. Dassdiese „neue“ Klasse von Amino-säuren nicht in Meteoritenprobennachgewiesen werden konnte, liegtan der bislang angewandten Analy-tik. Denn es wurden zur Analysevon Meteoritenproben in der RegelKapillartrennsäulen von 30 bis 50

Meter Längeeingesetzt. DieseSäulen sind inder Regel zulang, um schwer-flüchtige Deriva-te von Diamino-säuren aus derstationären Phasespülen zu kön-nen. Bei den

neuen Studien wurde eine kurze,zwölf Meter lange Säule genutzt.

Diese Erkenntnisse stellen dasbisherige Modell für die Aminosäu-re-Synthese in der chemischen Evo-lution in Frage, wonach Aminosäu-ren in der Atmosphäre der frühenErde gebildet worden sind. In Ko-operation mit Partnern im europäi-schen Ausland gelang an der Uni-

versität Bremen in Vorbereitung auf die Rosetta-Kometenmissionder ESA vor zwei Jahren der Nach-weis, dass Strukturen von Amino-säuren als Bausteine von Eiweißmo-lekülen bereits im interstellarenRaum, also in genau definierten Be-reichen des Weltraums, durchphotochemische Reaktionen spon-tan und fortwährend synthetisiertwerden. Derartige interstellare Eis-partikel lagern sich im Laufe derZeit aneinander und bilden zu-nächst so genannte Kometissimaleund später Kometen. Es wird heutevermutet, dass organisches Materi-al aus Bereichen des InterstellarenMediums über (Mikro-) Meteoritenoder Kometen auf die frühe Erdetransportiert worden sein könnte.Diese Moleküle beteiligten sichwahrscheinlich an ersten biochemi-schen Reaktionen, die für die che-mische Evolution von wesentlicherBedeutung waren.

Das wissenschaftliche Interesserichtet sich nach den Experimentenzur Simulation eines Kometen aufdie direkte Analyse des Kometen-materials mit Hilfe der Kometen-16

forschung 1/2005

Nach der Landung: Harpunen müssendas Landegerät befestigen, da der

Komet kaum eigene Anziehungskräftebesitzt. Ein Bohrer soll Gesteins-

und Bodenproben entnehmen und eine Antenne die Daten an das

ESA-Satellitenkontrollzentrum inDarmstadt übertragen.

Über Australien ist der Meteorit Murchison1969 niedergegangen –sein Material wirdals „rein“ eingestuft

mission Rosetta. Die Sonde soll nundie erhaltenen Ergebnisse durchMessungen von Kometen-Eis bestä-tigen. Nach dem geglückten Start ineiner Ariane-5+-Rakete aus demsüdamerikanischen Kourou in Fran-zösisch-Guayana begibt sie sich aufdie Suche nach den molekularenBausteinen des Lebens. Sie wirdden Zielkometen 67P/Churyumov-Gerasimenko nach aktuellen Pla-

nungen im Jahre 2014 erreichen,sechs Monate lang umkreisen undvermessen, um anschließend dasLandegerät Philae erstmals auf derOberfläche eines Kometenkernsabzusetzen. Nach der Landungeines neuartigen Messgerätes aufder Oberfläche von Churyumov-Gerasimenko soll das Kometenma-terial analysiert werden. Von Inter-esse ist auch hier die Identifizierung

organischer Moleküle wie Amino-säuren und Diaminosäuren, alsoden molekularen Bausteinen biolo-gischer Strukturen.

Neben der reinen Identifizierungorganischer Moleküle könnte dieUntersuchung von Meteoriten undKometen ein weiterführendes Phä-nomen, die so genannte Chiralität,klären. Die Chiralität oder auchHändigkeit beschreibt, dass es beiBiomolekülen zwei Formen vonBausteinen gibt, die ungleich, abersymmetrisch sind. Biomoleküle set-zen sich aus Bausteinen zusammen,die einheitlich entweder aus-schließlich rechts- oder ausschließ-lich linkshändig sind, also genaueine der beiden geometrischen For- 17

forschung 1/2005

Oben: Ein Labor auf der Oberflächedes Kometen: Für Experimente wirdKometenmaterie aus Bohrproben verdampft und in Analysegeräten desLandegeräts untersucht. Auf diesemWege sollen organische Moleküleaufgespürt und identifiziert werden.Das gelbliche Kondensat (links) enthältorganische Moleküle.

Fußball in Stuttgart. HunderteZuschauer warten auf demSchlossplatz auf den Anstoß.

Der Ball ist rot und rund und liegt imMittelkreis des fünf mal siebenMeter großen Spielfeldes. Hinterden blauen und gelben Toren ver-sammeln sich die Mannschaften desTurniers: die Brainstormers Tribotsaus Osnabrück, die CoPS aus Stutt-gart, die FU Fighters aus Berlin unddie AIS-Robots aus Sankt Augustin.Das Besondere an der Begegnungist, dass die Akteure Roboter sind.Roboter in Aktion – Roboterfußballals Attraktion, zum Beispiel beimletztjährigen Wissenschaftssommerin Stuttgart.

Als Forscher zum ersten Mal dar-über nachdachten, die Sportart Fuß-ball als Plattform zu nutzen, um For-schungsergebnisse und Technolo-gie der Öffentlichkeit zu präsentie-ren, ahnten sie noch nicht, welchePopularität diese Idee weltweit er-langen sollte. Heute stellen mehre-re hundert Universitäten, Instituteund Forschungseinrichtungen re-gelmäßig Teams auf, die sich mitanderen Teams aus der ganzenWelt bei Roboterturnieren öffentlichmessen und auf den begleitendenwissenschaftlichen Symposien ihreForschungsarbeiten diskutieren.

Fußball spielen wird als standar-disiertes Szenario benutzt, an demsich Ergebnisse aus Künstlicher In-telligenz, Robotik und anderen For-schungsdisziplinen vergleichen las-sen. Die internationale RoboCupFederation organisiert deshalb seit1997 jährlich stattfindende Welt-meisterschaften und Konferenzen.Dabei werden in den verschiedenenRoboCup-Ligen mit mobilen, berä-

derten oder menschenähnlichen(humanoiden) Fußball spielendenRobotern, mit Rettungsrobotern undsimuliertem Katastrophenmanage-ment sowie mit Robotik in derNachwuchsförderung unterschied-liche Schwerpunkte gesetzt.

In den Ligen, die mit realen Robo-tern umgehen, geht es primär umdie Erforschung von eigenständi-gem Roboterverhalten in einer Um-gebung, die sich dauernd undschnell verändert. Die Roboter sindnicht ferngesteuert und müssenfolglich ihre Umwelt mit ihren eige-nen Sensoren wahrnehmen. Auf derGrundlage der Wahrnehmungentreffen sie sinnvolle Entscheidun-gen über ihre nächsten zielgerichte-ten Aktionen. In der Simulationsligaspielen virtuelle Roboter gegenein-ander, die von so genannten Agen-tenprogrammen gesteuert werden.Sensorische Wahrnehmung stellthier kein Problem dar, dafür stehenStrategien, Lernen von Verhaltens-mustern und Kooperation der Spie-ler im Vordergrund.

Das Regelwerk der Wettbewerbewird schrittweise in Richtung derRandbedingungen verändert, dieeinerseits immer spannendere undschnellere Spiele erzwingen undandererseits für zukünftige Robo-teranwendungen relevant sind.Während vor wenigen Jahren dieRoboCup-Roboter nur mit einerSichtschutzbande und bei genaudefiniertem sehr hellem Kunstlichtspielen konnten, fühlen sie sichheute schon bei natürlicher oderspärlicher Beleuchtung und ohneBande wohl. Darüber hinaus kön-nen sie mittlerweile einen rotenBall sicher von gleichfarbigen Ob-18

forschung 1/2005

men aufweisen. Beispielsweise sindEiweiße (Proteine) ausschließlichaus L-Aminosäuren aufgebaut, wo-hingegen deren Spiegelbilder, dieD-Aminosäuren, in Eiweißen keineVerwendung finden. Auf ähnlicheWeise nutzen sowohl die Kohlenhy-drate als auch die DNA ausschließ-lich D-Zucker und haben keineVerwendung für etwaig vorkom-mende L-Zucker-Einheiten. Einezentrale wissenschaftliche Frage istnun, wann sich zu Beginn der biolo-gischen Evolution entschied, dassder geometrische Unterschied überden biologischen Prozess entschei-det und dass er überhaupt eineRolle spielt. Heute sprechen vieleGründe dafür, dass dieser Symme-triebruch nicht erst auf der frühenErde, sondern bereits im Weltraumstattfand. In diesem Falle solltendiejenigen Moleküle, die wie Ami-nosäuren oder Zucker das Phäno-men der Chiralität zeigen, im Kometenmaterial in Rechts- oderLinksform in ungleicher Mengevorkommen.

Aus den Kometenmessungenwollen die Wissenschaftler die je-weiligen Anteile an chiralen Mole-külen kalkulieren. Daraus könntensich weit reichende Aussagen überdie Theorien zur ersten asymmetri-schen Synthese treffen lassen: Wer-den dieselben chiralen Überschüssefür L-Aminosäuren und für D-Zu-cker, wie wir sie von Biomolekülender Erde her kennen, auch in derMaterie des Kometenkerns ent-deckt, so gälte dies als ein starkesIndiz für den Transfer erster Mole-küle aus dem Weltall auf die früheErde. Das würde darauf hindeuten,dass Meteoriteneinschläge die chemische Evolution angestoßenhaben könnten. Ein solches Ergeb-nis würde darüber hinaus die Theo-rie stützen, die besagt, dass die ers-ten asymmetrischen molekularenBausteine der DNA im Weltraumentstanden sind.

PD Dr. Uwe J. MeierhenrichUniversität Bremen und Universitéde Nice-Sophia Antipolis

Das Projekt wird von der DFG durch das Pro-gramm „Eigene Stelle“ gefördert. WeitereInformationen unter www.chiralitaet.deund www.unice.fr/lasi/.▼

Ingenieurwissenschaften

Fußball für dieWissenschaftAutonome Roboter faszinieren nicht nur die Zuschauer, auch Grundlagenforscher profitieren von den Wettkämpfen um den „RoboCup“

jekten jenseits des Spielfeldesunterscheiden.

Im Rahmen des Schwerpunktpro-gramms „Kooperierende Teamsmobiler Roboter in dynamischenUmgebungen“ werden Fußballspielende Roboter als Demonstra-tionsanwendung und Testfeld fürForschungsprojekte im Bereich derKünstlichen Intelligenz und der mobilen Robotik benutzt. Das The-menspektrum umfasst dabei die Erforschung von Verfahren, Kom-ponenten und Entwicklungswerk-zeugen, die für mobile Roboter-teams erforderlich sind, die sich indynamischen Umgebungen selbst-ständig und zielgerichtet bewegensollen. Der RoboCup bietet mit sei-nen realen und simulierten Roboter-ligen ein ideales Szenario hierfür.

Denn er ermöglicht zum einen denVergleich der erzielten Forschungs-ergebnisse und zum anderen die Er-probung der Konkurrenzfähigkeitder Ergebnisse in der weltweitenRoboCup-Gemeinschaft, die inten-siv an Fragestellungen autonomer,mobiler Roboter forscht.

Die Umwelt in Echtzeit wahr-zunehmen, blitzschnell Ent-scheidungen zu treffen, im

Team zu planen oder zu handelnsind Kernfragen, deren Bearbeitungfür zukünftige technische Anwen-dungen in vielen Bereichen rele-vant sind. Zugleich spielen so ge-nannte Kontrollarchitekturen fürRoboterverhalten eine zentraleRolle, die es dem Roboter sowohlgestatten, schnell und sicher aufseine Sensorwahrnehmungen zureagieren, als auch längerfristigeund weitsichtige Aktionen zu pla-nen und auszuführen. Das Spek-trum der Aktionen reicht von derkoordinierten Steuerung komplexerBeinbewegungen eines Roboter-hundes bis hin zur Planung von op-

timalen Fahrwegen für beräderteRoboter. Die Untersuchung vonLern- und Evolutionsverfahren mitBlick auf die Grundfähigkeiten ein-zelner Roboter oder für die automa-tisierte Erzeugung von kooperati-vem Verhalten für ein Team von Robotern bildet einen weiterenThemenschwerpunkt. Die Frageder Übertragbarkeit von Fähigkei-ten, die in der Simulation erlerntwurden, auf reale Roboter, ist in diesem Zusammenhang ein be-sonders interessanter Aspekt.

Neben den hoch spezialisiertenForschungsarbeiten zu den einzel-nen Fragestellungen steht imSchwerpunktprogramm in beson-derer Weise die Zusammenarbeitzwischen den Forschergruppen an14 Standorten im Vordergrund. Sohaben sich die in der Liga der vier-beinigen Roboter aktiven deut-schen Teams bereits zu einem Nationalteam, dem German Team,formiert. Die Einzellösungen derbeteiligten Universitäten wurdenmiteinander verglichen, die bestenTeilsysteme ausgewählt und an- 19

forschung 1/2005

Anpfiff zum RoboCup: Die Fußball spielenden Roboter stellen ihr Können

bei den German Open unter Beweis. Das Turnier dient als Szenario, um

Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz

und der mobilen Robotik zu messen.

schließend zu einem neuen Systemzusammengefügt. Die enge Zu-sammenarbeit zahlt sich aus: DasGerman Team wurde bei den Robo-Cup Weltmeisterschaften 2004 inLissabon Weltmeister. Auch die FUFighters konnten einen Weltmeis-tertitel in der Liga der kleinen Robo-ter mit nach Hause nehmen. Unddie Zusammenarbeit zwischen denverschiedenenLigen soll nochverstärkt wer-den. Ligen über-greifend sollendie besten Einzel-ergebnisse zu-sammengeführtwerden. Hierbietet sich auchfür RoboCupTeams, die bisher nur in der Simula-tionsliga aktiv sind, die Möglich-keit, ihre Forschungsergebnisse aufrealen Robotern zu demonstrieren,beispielsweise auf der modularenRoboterplattform VolksBot, die alsflexible und beliebig erweiterbareBasis für Roboterexperimente zurVerfügung steht.

Im Rahmen des Schwerpunktpro-gramms veranstaltet das Fraunho-fer Institut für Autonome Intelligen-te Systeme seit 2001 jährlich die RoboCup German Open. Mit Unter-stützung der DFG und in Koopera-tion mit dem Heinz Nixdorf Mu-

seumsForum wurden im April 2004bereits die vierte German Open ver-anstaltet. Über 150 RoboCup Teamsaus 13 Nationen mit mehr als 600aktiven Teilnehmern haben an die-sem nach den jährlichen Weltmeis-terschaften größten RoboCup-Wett-bewerb teilgenommen. Wie in denJahren zuvor wurden erneut mehre-re tausend Besucher nach Pader-

born gelockt. RoboCup-Wett-bewerbe sindnicht nur ein For-schungswettstreitvon Universitä-ten, sondern stel-len sich immermehr als attrakti-ve Publikums-veranstaltungen

heraus, bei der Wissenschaft haut-nah erlebbar wird. Gerade für Kin-der und Jugendliche haben Ex-perimente mit Robotern einen be-sonderen Reiz, was durch die stetigwachsende Teilnehmerzahl beimRoboCup Junior von Jahr zu Jahrdeutlicher wird. Dem RoboCupkommt damit eine wichtige Rollebei der Förderung des wissen-

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schaftlichen Nachwuchses zu. Er istnicht nur Demonstrationsszenariofür Roboterforscher, sondern ein Instrument für attraktive interdiszi-plinäre technische Ausbildung inSchulen, Universitäten und Betrie-ben. Roboter können sich selbst undihre Umgebung wahrnehmen unddabei selbstständig Wissen ansam-meln und strukturieren. In wenigenJahren werden sie in der Lage sein,selbst bei komplexen Anforderun-gen in Echtzeit sinnvolle Verhal-tensentscheidungen zu treffen. Ro-boter, die in unbekanntem Geländesystematisch Umweltdaten erfas-sen, in zerstörten Gebäuden nachÜberlebenden suchen oder Trans-portaufgaben in belebten öffent-lichen Räumen übernehmen, wer-den Techniken erfordern, die nurdurch die enge Zusammenarbeitvon Forschern mehrerer Disziplinenentwickelbar sind. Die bislang er-zielten Forschungsergebnisse lie-fern für diese zukünftigen Anwen-dungen nicht nur der Service-Robo-tik wichtige Grundlagenbeiträge.

Es bleibt abzuwarten, ob das vi-sionäre Ziel der RoboCup Federa-tion, im Jahr 2050 mit einem Teamvon humanoiden Robotern den am-tierenden Fußballweltmeister zuschlagen, realistisch ist. Ob dies ge-lingen wird oder nicht – auf demWeg dorthin werden nicht nur zahl-reiche Ergebnisse für die Robotikerzielt, sondern mit dem RoboCupauch diejenigen Nachwuchswis-senschafter ausgebildet, die dashoch gesteckte Ziel eines Tages re-alisieren können. Sicher und abseh-bar ist heute schon: Zum zehnjähri-gen Bestehen des RoboCup im Jahr2006 wird Deutschland erstmalsauch Austragungsort einer Robo-Cup-Weltmeisterschaft sein. Siewird parallel zur FIFA-Weltmeister-schaft vom 13. bis 19. Juli in Bremenstattfinden.

Prof. Dr. Thomas ChristallerDr. Ansgar BredenfeldFraunhofer Institut für AutonomeIntelligente Systeme St. Augustin

Die DFG fördert die Studie im Rahmen desSchwerpunktprogramms „KooperierendeTeams Mobiler Roboter in dynamischen Um-gebungen“

www.ais.fraunhofer.de/dfg-robocupwww.robocup-german-open.de ▼

Kein Eingriff am Laptop mehr möglich: Dieautonomen Roboter agieren eigenständig.Sie müssen die Umwelt mit ihren Sensorenwahrnehmen und sinnvolle Entscheidungentreffen.

RoboCup-Wettbewerbemachen Wissenschafthautnah erlebbar und bieten der Forschungeine wichtige Plattform

Was Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler zumForschen brauchen, was

aber allzu oft fehlt, hat GottfriedWilhelm Leibniz schon 1679 er-kannt: „Gelegenheit, Gönner, Mittelund die Freiheit von lästigen Statu-ten“. Genau das gibt der Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsge-meinschaft (DFG) seinen Preisträ-gerinnen und Preisträgern. An dieWorte des Universalgelehrten er-innerte die Historikerin und dies-jährige Preisträgerin Professor Bar-bara Stollberg-Rilinger. In ihrerDankesrede bei der Preisverleihungim Leibniz-Saal der Berlin-Bran-denburgischen Akademie der Wis-senschaften hob sie im Namen allerneun Preisträger hervor: „Es gibt inder deutschen Wissenschaft nichts,wofür man dankbarer sein könnte.“

Mit einem weiteren Hinweis be-legte Stollberg-Rilinger, wie sehr

die Situation zu Leibniz’ Zeiten derheutigen ähnelt. So mahnte der For-scher und frühe Politikberaterschon 1671, dass der Verlust der„besten Ingenia an andere Potenta-ten ein unwiederbringlicher Scha-den ist, denn Ingenia sind mehr zuachten als Gold, Eisen, Waffen oderanderes.“ Ein Umstand, der heuteals „brain drain“ bezeichnet wirdund nicht minder brisant ist als vor300 Jahren. So nannte DFG-Präsi-dent Ernst-Ludwig Winnacker inseinem Grußwort das Problem derinternationalen Wettbewerbsfähig-keit der deutschen Wissenschaft alseines der derzeit vordringlichstenund wichtigsten. Er warnte vor demScheitern der beiden Programme„Pakt für Forschung und Innova-tion“, der den großen Forschungs-organisationen ein jährliches finan-zielles Wachstum von drei Prozentgarantieren soll, und der „Exzel-

lenzinitiative des Bundes und derLänder“, die den Hochschulen inden kommenden sechs Jahren 1,9Milliarden Euro zur Verfügung stel-len soll. Er forderte Bund und Län-der auf, an den Verhandlungstischzurückzukehren, und drang erneutauf die Entkopplung der Födera-lismus-Debatte von der Umsetzungder beiden Programme.

Der Parlamentarische Staatsse-kretär im Bundesministerium fürBildung und Forschung, Ulrich Kas-parick, der die kurzfristig erkrankteBundesministerin Edelgard Bul-mahn vertrat, nannte in seiner Rededen globalen Wettbewerb um ex-zellente Wissenschaftler als Haupt-grund dafür, die Kräfte im BereichBildung und Forschung bündeln zumüssen. Er forderte die Länder auf,ihre Blockade des „Pakts für For-schung“ und der „Exzellenzinitiati-ve“ zu beenden.

Der Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Jan-Hendrik Olbertz, derfür die Kultusministerkonferenzsprach, betonte, er verstehe ange-sichts der finanziellen Situation inder deutschen Forschung, wennHochschulen und Forschungsein-richtungen kein Verständnis für die

Leibniz-Preise 2005

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„Die Freiheit vonlästigen Statuten“Schon Gottfried Wilhelm Leibniz wusste, was Wissenschaftler zum Forschen brauchen – Höchst-dotierter deutscher Förderpreis in Berlin verliehen

forschung 1/2005

Zusammen mit DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker, dem Kultusminister von Sachsen-Anhalt,Jan-Hendrik Olbertz, und dem Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Ulrich Kasparick, stellen sich die Leibniz-Preisträger dem Fotografen.

immer noch ruhenden Mittel auf-brächten. Er nannte als wichtigesZiel der Föderalismusdiskussioneine klare Kompetenzverteilung, diedie Wettbewerbsfähigkeit Deutsch-lands stärke. Besonders angesichtsder derzeitigen Diskussion bietetdas Gottfried Wilhelm Leibniz-Pro-gramm der DFG den Preisträgern„märchenhafte“ Bedingungen, wieWinnacker unterstrich. Neun derdiesjährigen Preisträger erhieltenjeweils 1,55 Millionen Euro für For-schungsarbeiten in einem Zeitraumvon fünf Jahren und können sienach den eigenen Bedürfnissen fle-xibel einsetzen. Eine der Preisträge-rinnen, Professor Stefanie Dimme-ler, lässt in Absprache mit der DFGden Preis ruhen, weil es noch offeneFragen im Zusammenhang mit eini-gen Publikationen aus ihrem Insti-tut gibt. Diese Fragen werden der-zeit im Einvernehmen mit allen Be-teiligten geklärt.

Ziel des 1985 eingerichteten Pro-gramms ist es, die Arbeitsbedingun-gen herausragender Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler zuverbessern, ihre Forschungsmög-lichkeiten zu erweitern, sie von ad-ministrativem Arbeitsaufwand zuentlasten und ihnen die Beschäf-tigung besonders qualifizierterNachwuchswissenschaftler zu er-leichtern. Aus 130 Vorschlägenwurden für das Jahr 2005 folgendeWissenschaftler als Leibniz-Preis-träger ausgewählt:

Peter B. Becker (46). Der Bioche-miker beschäftigt sich mit der Dy-namik von Chromatin-Strukturen,also mit Verpackungszuständen derin meterlangen Fäden vorliegendenDNA, die in eine winzige Zelle ein-gepasst werden müssen. Peter Be-cker geht der Frage nach, wie dieVerpackung der DNA mit der Re-gulierung von Genaktivitäten zu-sammenhängt. Diese Forschungs-ergebnisse sind von großer Bedeu-tung für das Verständnis der Gen-aktivitäten bei der Entstehung vonKrebs oder der embryonalen Ent-wicklung.

Immanuel F. Bloch (32). Der Phy-siker entwickelte 1999 gemeinsammit anderen Wissenschaftlern den„Münchner Atomlaser“. In diesemExperiment wurden erstmals Bose-Einstein-Kondensate genutzt, um

einen kontinuierlichen Strahl kohä-renter Materiewellen auszusenden.Ein weiterer Forschungsschwer-punkt von Bloch ist die Manipula-tion von ultrakalten Bose-Gasen mitHilfe eines Gitters aus Lichtwellen.Mit Laserstrahlen hat er dabei erst-mals ein Bose-Einstein-Kondensatso verändert, dass es in einen neuenMateriezustand überführt wurde,den so genannten Mott-Isolator-Zu-stand. Dieser Materiezustand hatneue Eigenschaften, die unter an-derem für die Entwicklung vonQuantencomputern genutzt wer-den.

Jürgen Gauß (44). Sein Arbeits-gebiet ist die Theoretische Quan-tenchemie, die in der chemischenForschung eine immer bedeutende-re Rolle spielt. Experimentelle Unter-

suchungen werden dabei mit quan-tenchemischen Rechnungen kom-biniert, um experimentelle Daten zubestätigen, deren Auswertung zuerleichtern beziehungsweise erst zuermöglichen oder um zusätzlicheErkenntnisse zu gewinnen. Hier hatGauß grundlegende methodischeBeiträge geleistet und in leistungs-fähige Computerprogramme um-gesetzt, die inzwischen weltweitvon vielen Arbeitsgruppen genutzt werden.

Günther G. Hasinger (50). DerRöntgenastronom wies im Jahr 2002mit seinem Team zum ersten Mal ineiner fernen Galaxie das bevorste-hende Verschmelzen zweier super-massiver „Schwarzer Löcher“ nach.Seine Untersuchungen des Rönt-genhintergrunds halfen nachzuwei-22

forschung 1/2005

sen, dass diese diffuse Strahlungunter anderem von unzähligenleuchtkräftigen Galaxien auf dieErde trifft. Seine Forschung zur Ent-stehung von Galaxien hat maßgeb-lich dazu beigetragen, dass massiveSchwarze Löcher in den Galaxie-

zentren als Keime für deren Ur-sprung verstanden werden.

Christian Jung (48). Der Agrar-wissenschaftler beschäftigt sich mitder Züchtungsforschung an land-wirtschaftlichen Kulturpflanzen.Dabei setzt er Methoden der mole-kularen Pflanzengenetik ein, umdurch gezielte genetische EingriffePflanzen schädlingsresistent zu ma-chen. Ihm gelang es, ein Resistenz-Gen zum Schutz von Zuckerrübengegen Fadenwürmer (Nematoden)zu bestimmen.

Axel Ockenfels (35). Der Volks-wirt untersucht das Verhalten vonMenschen bei ökonomischen Ent-scheidungen, genauer gesagt dieFrage, welche strategischen und ra-tionalen Parameter diese Entschei-dungen beeinflussen. Mit Hilfe

der Spieltheorie hat Ockenfels ein Verhaltensmodell entwickelt, dasscheinbar widersprüchliche ökono-mische Entscheidungsmuster er-klärt und vorhersagt. Ein Schwer-punkt seiner Arbeit sind Internet-und Auktionsmärkte. Seine jüngs-ten Arbeiten beschäftigen sich mitder Erforschung der Marktarchitek-tur und versprechen nicht nur eingroßes Potenzial für die Grundla-genforschung, sondern auch für dieOrganisation moderner Märkte.

Wolfgang Peukert (46). Der Che-mieingenieur befasst sich damit, diephysikalischen und chemischenGrundlagen der Wechselwirkungzwischen Partikeln zu verstehenund diese mit dem Ziel anzuwen-den, bestimmte Produkteigenschaf-ten zu erhalten. Ein Schwerpunktseiner Arbeit ist die Erforschungund Beschreibung von Partikeln imSubmikronbereich. Die Arbeitenvon Peukert legten die Grundlagenfür die gezielte Herstellung von Pro-dukteigenschaften und damit fürdie Anwendung.

Barbara Stollberg-Rilinger (49).Das Interesse der Historikerin giltden politischen und kulturellen Be-wegungen in Europa im 17. und 18.Jahrhundert. Sie untersucht nebenden großen ideen- und verfas-sungsgeschichtlichen Entwicklun-gen auch sozial- und kommunika-tionsgeschichtliche Innovationen.Ihre aktuellen Forschungsarbeitenkonzentrieren sich auf die Frage,wie die Ordnung der Stände undRänge in der frühen Neuzeit durchsymbolisches Handeln – beispiels-weise Rituale und Zeremonien –konstituiert wurde.

Andreas Tünnermann (41). Seinebahnbrechenden Arbeiten zur Ent-wicklung von Hochleistungs-Faser-lasern schafften die Grundlage fürdie Fertigung einfacher, kompakterund robuster Laser mit hoher Strahl-qualität. Sie machten es möglich,mit Faserlasern sowohl kontinuierli-che Laserausgangssignale hoherLeistung als auch ultrakurze Pulsehöchster Strahlqualität zu erzeu-gen. Die Arbeiten von Tünnermanneröffnen neue Möglichkeiten fürden Einsatz moderner Laserfasern,von der Grundlagenforschung überdie Materialentwicklung bis hin zurBiophotonik. 23

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Oben links: Philipp Bohnen, Violine, undNicolas Altstaedt, Violoncello, sorgen fürden musikalischen Rahmen. Die Ansprachevon DFG-Präsident Ernst-LudwigWinnacker findet Aufmerksamkeit beiMedien (oben) und Zuhörern (unten links):Staatssekretär Ulrich Kasparick, AntonetWinnacker, die DFG-VizepräsidentenGerhart Eigenberger und Frank Steglichsowie der Präsident der Leopoldina Volkerter Meulen (v.l.). Umringt von Gratulanten:Die Leibniz-Preisträger Peter Becker (rechts)und Barbara Stollberg-Rilinger (links), dieauch die Dankesrede hielt.

Bremen, 9. November 2004. Aufdiesen Tag haben die Wissen-schaftler der Arctic Coring

Expedition lange gewartet. 32 Geo-logen, Paläontologen, Chemiker,Mikrobiologen und Vertreter weite-rer Disziplinen aus zehn Nationentreffen sich an diesem Morgen imSedimentkernlager des IntegratedOcean Drilling Program (IODP) ander Universität Bremen. Der zwei-stöckige Klinkerbau am Europaha-fen war einst Lagerhalle für Tabak,Baumwolle und Stückgut. Inzwi-schen ist er zur geowissenschaft-lichen Schatzkammer mutiert. „Inunseren Hochregalen lagern gut 75 Kilometer Sedimentkerne – er-bohrt am Grund des Atlantiks, desMittelmeers und des südpolaren

Ozeans; säuberlich zerteilt in je ein-einhalb Meter lange Abschnitte,verpackt in weißen Kunststoffbe-hältern“, sagt Professor GeroldWefer, Direktor des DFG-For-schungszentrums Ozeanränder.

Vor kurzem sind neue, besonderswertvolle 340 Meter Meeresablage-rungen hinzugekommen: Sie wur-den im August und September 2004während einer sechswöchigen Ex-pedition unweit des Nordpols er-bohrt. „Mit dieser Arctic Coring Ex-pedition haben wir es erstmals ge-schafft, in nennenswerter MengeSedimentkerne im zentralen Nord-polarmeer zu gewinnen“, sagt Ex-peditionsleiter Jan Backmann, Geo-logieprofessor an der UniversitätStockholm.

Tromsö, 7. August 2004. Um Mit-ternacht heißt es für die „Oden“„Leinen los!“. Von Nordnorwegenbricht der 108 Meter lange, 31Meter breite und 24 000 PS starkeschwedische Eisbrecher gen Nord-pol auf. In seinem Kielwasser folgtdie „Vidar Viking“. Der 84 Meterlange Schlepper, der sonst Ölbohr-inseln versorgt, war in den Wochenzuvor zu einer polaren Bohrplatt-form umgerüstet worden. Mitt-schiffs steht jetzt ein 34 Meter hoherBohrturm. 19 Wissenschaftler ausacht Nationen, darunter auch Mit-arbeiter des Fachbereichs Geowis-senschaften der Universität Bremensowie des Alfred-Wegener-Institutsfür Polar- und MeeresforschungBremerhaven, sind in Tromsö an24

Als der Nordpolnoch eisfrei warBei einer Expedition ins zentrale Nordpolarmeer wurden Sedimentkerne erbohrt.Diese geben überraschende Auskünfte über das Auf und Ab der Klimaentwicklung –und spiegeln einschneidende Umweltveränderungen wider

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Naturwissenschaften

Bord gegangen. Gut sechs Wochenwerden sie in der weißen Einödeverbringen.

10. August 2004. Nordwestlichvon Franz-Joseph-Land, auf knapp82 Grad nördlicher Breite, treffendie beiden Schiffe auf die „Sovets-kiy Soyuz“. Der atomgetriebene148 Meter lange russische Eisbre-cher vervollständigt den Konvoizum Pol. Seine 75 000 PS sollen si-cherstellen, dass die Expedition ihreZiele erreicht. Im Arbeitsgebiet istmit einer nahezu geschlossenenEisdecke zu rechnen. Durch wech-selnde Winde und Meeresströmun-gen ändern sich Richtung und Ge-schwindigkeit des driftenden Eisesständig. Daher fällt es selbst einemrelativ starken Bohrschiff wie der„Vidar Viking“ schwer, die Positionzu halten. Dies aber ist während derBohrphase unbedingt geboten, weilsonst die Gefahr besteht, dass dasBohrgestänge bricht. An den Bohr-orten werden „Oden“ und „Sovets-kiy Soyuz“ jeweils unweit des Bohr-schiffs in Position gehen, um die rie-sigen, teilweise bis zu vier Meter dicken Eisschollen so weit zu zer-kleinern, dass diese für die „VidarViking“ keine Gefahr mehr dar-stellen.

Wissenschaftliche Bohrungen imNordpolarmeer sind kostspieligeUnterfangen. Deshalb können der-artige Projekte nur im Rahmeneiner internationalen Kooperationwie dem 2003 angelaufenen Inte-grated Ocean Drilling Program

(IODP) durchgeführt werden. Eswird von den USA, von Japan unddem European Consortium on Re-search Drilling (ECORD) getragen. InECORD haben sich 14 europäischeNationen sowie Kanada zusammen-geschlossen. Das Konsortium führtspezielle Bohrkampagnen – etwa inflachen Küstenmeeren oder eisbe-deckten Regionen – durch, die fürdie IODP-Bohrschiffe „Joides Reso-lution“ und „Chikyu“ nicht zu-gänglich sind. Für die technischeDurchführung und Qualitätssiche-rung der wissenschaftlichen Daten-erhebung dieser Unternehmungenzeichnet der ECORD Science Ope-rator (ESO) verantwortlich. Er wirdvom British Geological Survey koor-diniert. Zudem ist die UniversitätBremen einer der drei ESO-Haupt-partner und unter anderem mit demIODP-Bohrkernlager, dem einzigenin Europa, beteiligt. Die 12,5 Millio-nen Dollar teure Arctic Coring Ex-pedition war der erste europäischeBeitrag zum „Integrated Ocean

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Szenen einer Expedition im Nordpolar-meer: Ein Helikopter startet zumEiserkundungsflug. Im Hintergrundist das Bohrschiff „Vidar Viking“ zu sehen. Links: An Bord sind dieWissenschaftler auf Arbeits- und Laborcontainer angewiesen. Unten:Der atomgetriebene Eisbrecher „Sovetskiy Soyuz“ zerkleinert dieEisschollen so, dass sie für das Bohrschiffkeine Gefahr mehr darstellen.

Drilling Program“. Die DeutscheForschungsgemeinschaft ist daranmit 2,25 Millionen Dollar beteiligt.Neben der DFG spielt die Bundes-anstalt für Geowissenschaften undRohstoffe Hannover im IODP-Kon-zert eine wichtige Rolle. Sie koordi-niert die deutschen wissenschaft-lichen Beiträge zum internationalenMeeresforschungsprogramm.

1. September 2004. Das Thermo-meter zeigt minus 5 Grad Celsius.Bei leichtem Nordwind und klaremHimmel kommen die Bohrarbeitengut voran. Mit Hilfe der „Oden“und der „Sovetskiy Soyuz“ kann die „Vidar Viking“ bereits seit 125Stunden auf Position gehalten wer-den. Trotz einer Eisbedeckung von80 bis 100 Prozent ist das Bohrschiffnie mehr als 20 Meter von der Soll-position abgewichen. Die 427 Metermächtige Sedimentschicht auf demuntermeerischen Lomonosov-Rü-cken ist bereits bis auf die letzten 40 Meter durchdrungen.

Die neun Mikropaläontologender Expeditionhaben alleHände voll zutun. Sie küm-mern sich um dieBiostratigraphie,das heißt die Al-tersfolge der er-bohrten Ablage-rungen. Zwarwerden die inKunststoffzylindern befindlichenKerne erst in Bremen geöffnet.Doch aus jedem der 4,5 Meter lan-gen Bohrkerne werden kleine Pro-ben entnommen. Die analysierendie Wissenschaftler auf alle gängi-gen Mikrofossilgruppen, um so zueiner Altersabschätzung des Sedi-ments zu kommen.

Zwei Tage später trifft der Bohrerauf den harten Sandstein des Lomo-nosov-Rückens. Am Sonntag, dem5. September, gegen 14 Uhr, wirdder letzte Bohrkern auf das Arbeits-deck der „Vidar Viking“ gehievt.Die Expedition nimmt wieder Kursauf Tromsö.

November 2004. Knapp zweiein-halb Monate nach dem Ende derExpedition werden im Rahmen der„Onshore Science Party“ die nord-polaren Ablagerungen in Bremenwissenschaftlich untersucht. Über

zwei Wochen lang werden Kernemit einer Gesamtlänge von 340 Me-tern geöffnet. Sie wurden an vierOrten während insgesamt sechsBohrungen gewonnen und umfas-sen einen Zeitraum von 80 Millio-nen Jahren.

Die oberen 160 Meter der Kernedokumentieren den Klimawandelder letzten 15 Millionen Jahre nahe-zu komplett, während die unteren200 Meter das mittlere und älterePaläozen, die Zeit bis vor knapp 56Millionen Jahren abbilden. Aller-dings ist die Sedimentabfolge nichtvollständig. Aus noch ungeklärtenGründen fehlen Ablagerungen ausder Zeit zwischen 15 und rund 35Millionen Jahren vor heute.

Die Untersuchungen ergeben,dass die Klima- und Umweltge-schichte im zentralen Nordpolar-meer mit dem Auf und Ab der glo-balen Klimaentwicklung ein-herging. Dabei spiegeln die Mee-resablagerungen einschneidendeVeränderungen in der Umweltent-

wicklung wider.Mikrofossilienbelegen, dassdas Nordpolar-meer vor unge-fähr 55 MillionenJahren subtro-pisch warm war.Temperaturenvon 20 Grad Cel-sius an der Mee-

resoberfläche sind durchaus vor-stellbar. Damit konnte das welt-weite Temperaturmaximum amÜbergang vom erdgeschichtlichenPaläozän zum Eozän erstmalig ein-deutig im Nordpolarmeer nach-gewiesen werden.

Doch die Kerne warten mit weite-ren Überraschungen auf: Süßwas-seralgen und insbesondere dasmassive Auftreten von Süßwasser-farnen im mittleren Eozän vor 49Millionen Jahren weisen darauf hin,dass, anders als bislang vermutet,die Zufuhr von Süßwasser aus denFlüssen der umgebenden Kontinen-te eine wichtige Rolle im hydrologi-schen Kreislauf des Nordpolarmee-res gespielt hat. Kieselsäure- undkohlenstoffreiche Sedimente immittleren Eozän sprechen für eineim Vergleich zu den heutigen Be-dingungen wesentlich höhere bio-26

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Die erbohrten Kernekönnen den Klimawandelwährend der letzten 15Millionen Jahre nahezukomplett dokumentieren

logische Produktivität im Oberflä-chenwasser. Diese Befunde weisenauf eine hohe pflanzliche Produk-tion im gleichen Zeitabschnitt hin.

Sand und vereinzelte Kiesparti-kel, die möglicherweise mit Meereisund Eisbergen auf das Nordpolar-meer transportiert wurden, tretenwährend der letzten 15 MillionenJahre regelmäßig auf. Das sprichtdafür, dass Meereis im Klimasystemdes Nordpolarmeers in diesem Zeit-raum eine wichtige Rolle spielte.

Besonders spektakulär sindFunde einzelner Kieselsteinchenaus dem mittleren Eozän, der Zeitvor 40 bis 46 Millionen Jahren.Diese müssen mit Eisschollen oderEisbergen vom angrenzenden Fest-land auf das Nordpolarmeer trans-portiert worden sein und weisen aufkalte Klimabedingungen zu einerZeit hin, als sich in der westlichenAntarktis erstmals kontinentale Eis-schilde bildeten. Das ist erstaunlich.Bislang gingen Wissenschaftlerdavon aus, dass die ersten Verei-sungsspuren in der Antarktis weitfrüher als in den hohen nördlichenBreiten auftraten. Müssen wir alsounser Klimaweltbild revidieren?Setzten die Vereisungen in der Ark-tis und Antarktis zeitgleich ein? Bis-lang kann über solche Fragen nurspekuliert werden.

Albert GerdesDFG-Forschungszentrum Ozeanränder an der Universität BremenDr. Jens MatthiessenAlfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft trägtzur Finanzierung des deutschen Beitrageszum IODP bei und fördert die wissenschaft-lichen Untersuchungen durch das Schwer-punktprogramm „Integrated Ocean Drilling/Ocean Drilling Program.“ 27

Ist die Eisdecke durchbrochen, können die Bohrungen beginnen. Im Notfall kann auch ein Helikopter auf dem Wasserlanden. Die Sedimentproben werden bereits im Geolabor des Expeditionsschiffsbegutachtet und mit Hilfe einerFarbskala beschrieben. Auf der Hut:Ein Gewehr zum Schutz vor neugierigenPolarbären

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und 300 Gäste aus Wissenschaft und Politik hatten sich im

geschichtsträchtigen Rudolph-Saaldes Prager Hradschin eingefunden,als der tschechische StaatspräsidentVaclav Klaus gemeinsam mit demneuen EU-Kommissar für Wissen-schaft, Janez Potocnik, den Festaktzur Verleihung der „Descartes-Preise“ der Europäischen Kommis-sion feierlich eröffnete. Mit dem re-nommierten und mit500 000 Euro hoch do-tierten Wissenschafts-preis ehrt die Kommis-sion in jedem Jahrherausragende Leis-tungen in der wissen-schaftlichen Zusam-menarbeit in Europa.

Erstmals verliehenwurde der mit insge-samt 250 000 Euro do-tierte „Decartes-Preisfür Wissenschaftskom-munikation“. Mit demMünchener PhysikerProfessor Dr. WolfgangHeckl und dem briti-schen Zoologen undFilmautor Sir David Attenborough wurdenin der Kategorie „Wis-senschaftler engagierensich in der Kommunika-tion mit der Öffentlich-keit“ zwei herausragende Kommu-nikatoren ausgezeichnet.

Voraussetzung für den Preis isteine vorherige Auszeichnung aufnationaler Ebene. Die DeutscheForschungsgemeinschaft hatte mitWolfgang Heckl den „Communica-tor-Preisträger“ des Jahres 2002vorgeschlagen. Mit diesem Preiswerden herausragende Leistungenin der Vermittlung wissenschaft-licher Arbeit in die Öffentlichkeitausgezeichnet. Auch die von derEU-Kommission eingesetzte Jurydes Descartes-Preises erkannte inWolfgang Heckl „eine dynamischePersönlichkeit, die durch ihre Fä-higkeit, schwierige wissenschaftli-che Zusammenhänge auf unterhalt-same Art und Weise zu vermitteln,breite Anerkennung erfahren hat“.

Insgesamt gingen aus ganz Europa47 Bewerbungen ein, von denensich 19 in einer Endausscheidung inPrag präsentierten.

Wolfgang Heckl wurde 1958 ge-boren und studierte nach dem Abi-tur an der Technischen UniversitätMünchen Physik. Nach der Promo-tion im Fach Biophysik ging er 1989als Postdoktorand zunächst für einJahr nach Kanada an die University

of Toronto und anschließend in dieSchweiz zu Professor Gerd Binnigan das IBM Research Laboratory.1993 schloss er seine Habilitation inPhysik ab und nahm im gleichenJahr den Ruf auf die Professur fürExperimentalphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität Münchenan. 1993 erhielt er den Philipp-Mor-ris Forschungspreis. Seit Oktober2004 ist Wolfgang Heckl neben sei-ner Professur Generaldirektor desDeutschen Museums München.

Seit mehr als zehn Jahren enga-giert sich Heckl für die Vermittlungseiner Forschungsergebnisse in diebreite Öffentlichkeit. Bereits An-fang der 90er Jahre wurde er durchverschiedene Fernsehbeiträge mitseinen rastertunnelmikroskopischenUntersuchungen am menschlichen

Erbgut bekannt, die erstmals eineDarstellung der DNA-Basen alsBausteine des genetischen Codesermöglichten. In zahlreichen Wis-senschaftssendungen hat Hecklseitdem der Öffentlichkeit Einbli-cke in die Welt der Nanotechnolo-gie ermöglicht. In seinen Bemühun-gen um ein besseres Verständnisdieser Technologie nutzt er vielfälti-ge Möglichkeiten der Vermittlung

und will Menschenjedes Alters und jederGesellschaftsschicht an-sprechen. WolfgangHeckl engagiert sich inAusstellungsprojektenund Messen zu natur-wissenschaftlichen The-men und sucht immerwieder den Dialog mitSkeptikern der Wissen-schaft und Kritikern sei-ner Disziplin. Sein Ein-satz für „Public Under-standing of Science“schließt auch die Politikmit ein; hier, wie bei derArbeit mit Jugend-lichen, sieht Heckl seineBemühung um Ver-ständnis und Begeiste-rung für die Wissen-schaft als Investition indie Zukunft. Im Sommer2004 hat sich Wolfgang

Heckl bereit erklärt, den nächstenpan-europäischen Kongress derWissenschaft – EuroScience OpenForum 2006 in München – als Chair-man zu betreuen.

Eine weitere Kategorie des Des-cartes-Preises für Wissenschafts-kommunikation ehrt besonders in-novative Leistungen. Hier wurdender Ungar Professor Peter Csermelyfür ein Projekt, das Schüler in natur-wissenschaftliche Labors bringt,und der Belgier Ignass Verpoest füreine wissenschaftliche Wanderaus-stellung ausgezeichnet.

In der dritten Kategorie „Wissen-schaft im Fernsehen“ ehrte dieKommission den französischenFernsehjournalisten Vincent Lamyfür einen Beitrag über Insekten.

Eva-Maria Streier

Im Dienste der Öffentlichkeit

Hohe Auszeichnung für Wolfgang Heckl

RDescartes-Preis

Wenn ein Wissenschaftler wäh-rend laufender Projekte in ein

anderes Land umzieht, ist es sinn-voll, dass er bewilligte Mittel auchdort einsetzen kann. Damit dies inEuropa flächendeckend möglichwird, haben die unter dem NamenEUROHORCs vereinigten Präsi-denten und Chefs der Förderorga-nisationen in Europa eine entspre-chende Vereinbarung geschlossen.Damit sollen im europäischen For-schungsraum die Mobilität von For-schern erleichtert, vorhandene For-schungsmöglichkeiten erhaltenund der Zeitraum bis zur erfolgrei-chen Einwerbung von Mitteln imneuen Land überbrückt werden.

Der Text des „Letter of Intent“wurde zunächst von den Vertreternvon zwölf Organisationen aus zehnLändern unterzeichnet. Weiteresechs bis acht Unterschriften wer-den folgen. Damit wird ein Prinzipin ganz Europa umgesetzt, das seiteinigen Jahren bereits Gegenstandmehrerer einzelner Vereinbarun-gen der DFG auf Gegenseitigkeits-basis gewesen ist: mit dem bri-tischen Research Council für Natur- und Ingenieurwissenschaf-ten EPSRC, mit der Netherlands Or-ganization for Scientific ResearchNWO und trilateral mit dem Fondszur Förderung der wissenschaft-lichen Forschung FWF in Österreichund Schweizer Nationalfonds SNF.In den Abkommen ist geregelt, dassim Fall des Wechsels eines Wissen-schaftlers/Forschers auf eine Posi-tion in einem der beteiligten Länderdie bewilligende Organisation denRest einer vorhandenen Beihilfe zu-gunsten des Forschers ins Auslandüberträgt („transfer of grants“,„money follows researcher“).

Alle Organisationen erklären mitihrer Unterschrift, dass sie das Prin-zip unterstützen und im Rahmen

ihrer eigenen Möglichkeiten umset-zen wollen. Dabei ist jede einzelneOrganisation frei in der Entschei-dung, in welchen Fällen und in wel-chem Umfang jeweils ein Mittel-transfer in Frage kommt. Für dieDFG haben sich aus der Erfahrungmit den bisherigen Vereinbarungenfolgende Grundsätze herausgebil-det: Voraussetzung für eine Mit-nahme von Mitteln ist eine wirksa-me Bewilligung. Das Prinzip gilt vorallem für die Einzelförderung imNormalverfahren, dazu aber auchin den koordinierten Verfahren –wenn und soweit dies mit dem Ge-samtprojekt zu vereinbaren ist. DasProjekt sollte nach Möglichkeit eine

Restlaufzeit von wenigstens sechsMonaten haben. Hat es noch nichtbegonnen, kann der Transfer aufein Jahr beschränkt werden. DieMöglichkeit eines Transfers vonGeräten und größeren Investitionenist jeweils gesondert zu prüfen.

Wichtig ist, dass die Vereinba-rung der EUROHORCs multilateralzwischen den beteiligten Organisa-tionen abgeschlossen ist. In jedemEinzelfall tritt jedoch allein die je-weils bewilligende Organisation inErscheinung. Beteiligt sind dannauf Seiten des Forschers die beidenUniversitäten beziehungsweise In-stitutionen, zwischen denen derWechsel vollzogen wird.

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QUERSCHNITT

Die Mobilität in Europa fördern Die Spitzen der europäischen Förderorganisationen beschließen eine Vereinbarung zu „Money Follows Researcher“ – Voraussetzung für den Transfer vonMitteln ist eine wirksame Bewilligung – Impulse für den Forschungsraum

Unterstützung für denwissenschaftlichen NachwuchsDeutsch-französische Graduiertenkollegs bieten neue Möglichkeiten für die gemeinsame Doktorandenausbildung

Die Deutsch-Französische Hoch-schule (DFH), die Deutsche For-

schungsgemeinschaft und das fran-zösische Bildungsministerium (ME-NESR) fördern ab dem Studienjahr2004/2005 insgesamt sechs binatio-nale Graduiertenkollegs. Es handeltsich um „deutsch-französische Gra-duiertenkollegs“, bei denen es zumersten Mal gelungen ist, das deut-sche und das französische Konzeptder Doktorandenausbildung inte-grativ zusammenzuführen. Zu-gleich erfolgt erstmalig die Finan-zierung von Graduiertenkollegsdurch Institutionen in beiden Län-dern. Die Stipendien und For-schungsmittel werden an den deut-schen Standorten von der DFGübernommen. Das französische Mi-nisterium wird seinerseits jeder

„École Doctorale“, die an einem Ko-operationsprojekt beteiligt ist, einezusätzliche finanzielle Unterstüt-zung zur Verfügung stellen. DieDFH übernimmt Kosten für Work-shops, Sprachkurse sowie Mobili-tätsbeihilfen für Doktoranden undLehrende.

Diese neu eingerichteten deutsch-französischen Graduiertenkollegssind Teil des DFG-Programms„Internationale Graduiertenkol-legs“. Sie bieten die Möglichkeiteiner gemeinsamen Doktoranden-ausbildung zwischen einer Gruppean einer deutschen Hochschuleund einer Partnergruppe im Aus-land. Die Forschungs- und Studien-programme werden gemeinsamentwickelt und in Doppelbetreu-ung durchgeführt. Für die Dokto-

randen, die in einem dieser Gradu-iertenkollegs eingeschrieben sind,besteht die Möglichkeit eines etwasechsmonatigen Auslandsaufent-halts bei dem jeweiligen Partner.

Im Januar 2004 hatten auf Initiati-ve der DFH die binationale Hoch-schule, die DFG und das französi-sche Bildungsministerium eine ge-meinsame Ausschreibung für dieKollegs beschlossen, die im Mai2004 von der DFH konzipiert undveröffentlicht wurde. Ziel war dieEinrichtung neuer Graduiertenkol-legs, die in Verbindung mit einerÉcole Doctorale ein wissenschaft-lich überzeugendes Kooperations-projekt darstellen, dessen Mehr-wert deutlich erkennbar ist. Mit denjetzt entstandenen Kollegs ist diesesKonzept verwirklicht worden.

Die Einrichtung der deutsch-französischen Kollegs ist ein weite-rer Schritt in Richtung Internationa-lisierung der Forschung und Nach-wuchsförderung. Die Kooperationmit Frankreich auch auf institutio-neller Ebene ist für die DeutscheForschungsgemeinschaft ein Modellfür die bilaterale Zusammenarbeitin Europa.

Die folgenden sechs Projekte wer-den gefördert: Vier neue deutscheGraduiertenkollegs, die in Koopera-tion mit französischen Écoles Docto-rales eingerichtet wurden: Univer-sität Paderborn – Université de Metz:„Geometrie und Analyse von Sym-metrien“; Universität Würzburg –Université Nice: „Interference of Pa-thogens with the Host SignallingMachinery“; Universität Bielefeld –Université Paris I: “Economic Beha-viour and the Interaction Models“;Universität Stuttgart – UniversitéParis VIII: „Sprachliche Repräsenta-tion und ihre Interpretation“.

Eine bereits existierende Koope-ration zwischen einem Graduier-tenkolleg und einer École Doctora-le, inzwischen deutsch-französi-sches Graduiertenkolleg: Univer-sität Konstanz – Université Stras-bourg I – Université Grenoble I:„Soft Condensed Matter“; eineneue, von der DFH finanzierte Ko-operation: Technische UniversitätDarmstadt – Université MontpellierII: „Embedded Systems-on-Chipsfor Ubiquitous Computing Environ-ments”.30

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Forschung über die Grenzender Fächer hinwegDie DFG bewilligt 23 neue Graduiertenkollegs – Derzeit werden insgesamt 270 Kollegs gefördert

■ Die Bedeutung der Biodiversitätfür Stoffkreisläufe und biotischeInteraktionen in temperaten Laub-wäldern, Universität Göttingen■ Viren des Immunsystems, Universität Erlangen-Nürnberg■ Modellierung, Analyse und Simulation in der Wirtschafts-mathematik, Universität Ulm■ Analysis, Numerics and Optimi-sation of Multiphase Problems,Humboldt-Universität Berlin■ Generationengeschichte. Gene-rationelle Dynamik und historischerWandel im 19. und 20. Jahrhundert,Universität Göttingen■ Entwicklung neuer computerba-sierter Methoden für den Arbeits-platz der Zukunft in der Weichteil-chirurgie, Universität Heidelberg■ Proteininteraktionen und -modifi-kationen im Herzen, UniversitätDüsseldorf■ Vertrauenswürdige Software-Systeme – Konstruktion, Zertifizie-rung und Einsatz, Universität Olden-burg■ Seehäfen für Containerschiffe zu-künftiger Generationen: Interaktionvon Schiff, Fluid, Struktur undBoden, Technische Universität Hamburg-Harburg■ Physik an Hadron-Beschleuni-gern, Universität Freiburg■ Von der Zelle zum Organ: Mole-kulare Mechanismen der Organoge-nese, Universität Freiburg■ Visualisation of Large and Un-structured Data Sets. Applications inGeospatial Planning, Modelling and

Die neuen Graduiertenkollegs Engineering, Technische UniversitätKaiserslautern■ Eingebettete Mikrosysteme, Uni-versität Freiburg■ Genetische und immunologischeDeterminanten von Pathogen-Wirt-Interaktionen, Humboldt-UniversitätBerlin■ Orientierung und Bewegung imRaum, Universität München■ Interdisziplinäre Ansätze in denzellulären Neurowissenschaften(InterNeuro), Universität Leipzig■ Zelluläre Mechanismen von Ler-nen und Gedächtniskonsolidierungin der hippokampalen Formation,Freie Universität Berlin■ Geometrie und Analyse von Sym-metrien, Universität Paderborn■ Aero-thermodynamische Aus-legung eines Scramjet-Antriebs-systems für zukünftige Raumtrans-portsysteme, Universität Stutt-gart■ Optische Messtechniken für dieCharakterisierung von Transport-prozessen an Grenzflächen, Techni-sche Universität Darmstadt■ Kunst und Technik. Material undForm in künstlerischen und techni-schen Gestaltungsprozessen, Tech-nische Universität Hamburg-Har-burg■ Interference of Pathogens withthe Host Signalling Machinery, Universität Würzburg■ Economic Behaviour and Inter-action Models, Universität Biele-feld/Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne

der Neuanträge aus den Ingenieur-wissenschaften. Derzeit fördert dieDFG insgesamt 270 Graduierten-kollegs, darunter 34 internationale.Für das Programm der Graduierten-kollegs wendet die DFG im Jahr2004 rund 70 Millionen Euro auf.

Seit 1990 fördert die DFG in Gra-duiertenkollegs besonders qualifi-zierte Doktorandinnen und Dokto-randen in allen wissenschaftlichen

Die Graduiertenkollegs der Deut-schen Forschungsgemeinschaft

ziehen immer mehr Antragstelleran. Aus 66 Anträgen wurden jetzt23 Projekte zur Förderung neu be-willigt. Die Antragszahlen sinddamit so hoch wie seit acht Jahrennicht mehr. Das Programm zeigtsich zunehmend für internationaleAntragstellergruppen attraktiv. Er-freulich ist zudem die hohe Anzahl

Die Antarktis gehört nicht nur zuden kältesten Regionen der

Erde, sondern auch zu den am we-nigsten erforschten. Dabei sind diePolargebiete unter anderem Schlüs-selregionen für Untersuchungendes Klimas und seiner Geschichte.Die einzigartigen Lebensräume miteinem weitgehend unberührtenÖkosystem stehen im Mittelpunktder neuen Denkschrift „DeutscheForschung in der Antarktis“ derDeutschen Forschungsgemein-schaft. Die Polargebiete reagiertenaufgrund ihrer Entwicklungsge-schichte und ihrer geografischenLage schon immer schneller auf kli-matische Veränderungen als diegemäßigteren Klimazonen. Da Um-weltveränderungen hier früher er-kannt werden können, haben For-scher sich für Untersuchungen zumglobalen Klimageschehen seit län-gerem auf die Antarktis konzen-triert. Im Zentrum der Denkschriftmit zahlreichen Abbildungen undGrafiken stehen die Entwicklungder Forschung in der Antarktis unddes polaren Südozeans in den ver-gangenen Jahren sowie die Per-spektiven, Strategien und Aufga-ben der zukünftigen deutschen Po- 31

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Jordanien als besondererKreuzungspunkt der KulturenSymposium präsentiert neueste Ergebnisse archäologischerForschung – Bewahrung des kulturellen Erbes

Forschungsfeld Antarktis:Ergebnisse der WissenschaftStand und Perspektiven der deutschen Polarforschung – Die DFG legt eine neue Denkschrift vor

larforschung, die durch neue Tech-nologien und Verfahren ermöglichtwerden. Die Themengebiete um-fassen den Klimawandel, die Ener-gie- und Stoffkreisläufe sowie diephysikalischen und biologischenProzesse in polaren Systemen, derenkomplexe Forschungsfragen inter-disziplinäre Ansätze erfordern. Eineder zentralen Fragestellungen istder Einfluss der Polargebiete aufdas weltweite Wettergeschehenund den globalen Wärmehaushalt.Darüber hinaus gehören auch Mes-sungen zum Abbau der Ozon-schicht über den Polarregionen zuden Themenschwerpunkten derForscher. Die Deutsche For-schungsgemeinschaft unterstütztseit mehr als 25 Jahren die deutschePolarforschung, im Wesentlichendurch das 1981 eingerichtete und2002 neu aufgelegte Schwerpunkt-programm „Antarktisforschung mitvergleichenden Untersuchungen inarktischen Eisgebieten“. Durch diebisherige Förderung der DFG undanderer Drittmittelgeber ist es derdeutschen Polarforschung gelun-gen, im internationalen Vergleicheinen Platz in der Spitzengruppe zuerreichen.

Seit dem achten Jahrtausend vorChristus ist Jordanien ein Kreu-

zungspunkt der Kulturen. Die Ein-flüsse der frühen HochkulturenÄgyptens und Mesopotamiens,aber auch der arabischen Halbinselund des übrigen mediterranenRaums machen Jordanien heute zueinem begehrten Grabungsplatzfür Archäologen. Neueste wissen-schaftliche Erkenntnisse und die

Disziplinen. Jeweils 15 bis 25 vonihnen arbeiten in einem meist inter-disziplinären Forschungs- und Stu-dienprogramm unter der Anleitungvon Professorinnen und Professo-ren, die in Forschung und Lehre be-sonders ausgewiesen sind. Derzeitschließen rund sechs Prozent allerDoktoranden in Deutschland ihrePromotion in Graduiertenkollegsab. Absolventen von Graduierten-kollegs sind in der Regel umfassen-der qualifiziert und durchschnittlichzwei Jahre jünger als andere Dokto-randen. Der Anteil der ausländi-schen Promovenden ist mit 27 Pro-zent an den Graduiertenkollegs fastdreimal so hoch wie im Bundes-durchschnitt.

Bedeutung archäologischer For-schung für die Zukunft des Landesstanden im Mittelpunkt eines vonder DFG und der Generaldirektionder Staatlichen Museen zu Berlinveranstalteten zweitägigen wissen-schaftlichen Symposiums. ZumThema „Jordanien: Neue archäolo-gische Forschungen am Kreu-zungsweg alter Hochkulturen“ tra-fen sich internationale Experten imVortragssaal des Kunstgewerbe-museums im Kulturforum in Berlin.

Im Fokus des Symposiums, andem Wissenschaftler aus Deutsch-land, Jordanien, Frankreich undden USA teilnahmen, stand die viel-fältige Kultur und Geschichte desheutigen Jordanien. Ergebnisse ak-tueller archäologischer Forschungbeleuchteten unter anderem geolo-gische Gegebenheiten wie Erdbe-ben und Wasservorkommen, aberauch die wirtschaftliche Rolle desEisens in der Region. Experten be-richteten über Phänomene wie dieUrbanisierung und die Entwicklungvon Sprachen und Schriften. Nebenausgewählten wissenschaftlichenErgebnissen wurden auch archäolo-gische Methoden und Arbeitswei-sen erörtert. Das abschließende Po-diumsgespräch rückte das Thema„Archäologie in Jordanien – Bewah-rung und Vermittlung des kulturel-len Erbes im Spannungsfeld nahöst-licher Politik“ in den Mittelpunkt.

Den Rahmen für das Symposiumbildete die große Berliner Ausstel-lung „Gesichter des Orients“, diedas Vorderasiatische Museum –Staatliche Museen zu Berlin und dieKunst- und Ausstellungshalle derBundesrepublik Deutschland inBonn veranstalteten. Rund 700 Ob-jekte dokumentierten dabei diewichtigsten Zeitabschnitte der Kul-turgeschichte in dieser Region. DieAusstellung zeigte, dass sich Jorda-nien im Spannungsfeld zwischenden Kulturen Ägyptens und Meso-potamiens zu einem Mittler entwi-ckelt hat.

Was braucht die Forschung inEuropa? Diese Frage stand im

Mittelpunkt einer Veranstaltung,mit der sich die DFG erstmals imEuropäischen Parlament in Brüsselvorstellte. Rund 150 Gäste, darunterzahlreiche Parlaments- und Kom-missionsmitglieder, folgten der Ein-ladung der DFG zu einem Vortrags-und Gesprächsabend, der unter derSchirmherrschaft von Dr. AngelikaNiebler (MdEP) stattfand. Unterdem Titel „Crossing Borders – Re-search Funding in the Heart of Eu-rope“ zeigte DFG-Präsident Profes-sor Ernst-Ludwig Winnacker diePrinzipien, Strategien und Ziele derDFG in der Forschungsförderungund ihrer internationalen Vernet-zung auf. Eine begleitende Ausstel-lung mit Ergebnissen DFG-geför-

derter Forschung stellte die Bedeu-tung von Grenzen und Disziplinenüberschreitender Forschung in denVordergrund.

Zentrales Thema des Abendswaren die Pläne zur Einrichtungeines Europäischen Forschungsra-tes (ERC) und die Rahmenbedin-gungen für eine zukunftsweisendeForschungsförderung in Europa.Forschungskommissar Dr. JanezPotocnik wies in seiner Begrü-

ßungsrede auf den zentralen Stel-lenwert der Forschung für EuropasZukunft hin: „Es ist meine festeÜberzeugung, dass wir im globalenWettbewerb nur dann eine Füh-rungsposition erreichen können,wenn wir Europa als Wissensgesell-schaft und Wissenswirtschaft zügignach vorne bringen.“ Dass dabeiwissenschaftliche Exzellenz undUnabhängigkeit zu den Kernprinzi-pien der europäischen Forschungs-förderung gehören müssen, warauch das Fazit der Podiumsdiskus-sion, bei der deutsche Wissen-schaftler mit Professor Winnackerunter der Moderation von Dr. Jean-ne Rubner (Süddeutsche Zeitung)ihre Erwartungen an den ERC for-mulierten.

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Rahmenbedingungen für einezukunftsweisende ForschungDie DFG präsentiert sich im Europäischen Parlament –Exzellenz als Grundlage der Wissenschaftsförderung

Vermittlung von Wissenschaftin die ÖffentlichkeitDer Münchner Astrophysiker Harald Lesch erhält denmit 50 000 Euro dotierten Communicator-Preis 2005

Der „Communicator-Preis – Wis-senschaftspreis des Stifterver-

bandes“ geht in diesem Jahr an Ha-rald Lesch. Der Münchner Professorfür Astronomie und Astrophysikwird mit 50 000 Euro für herausra-gende Leistungen in der Vermitt-lung seiner wissenschaftlichen Ar-

beit in die Öffentlichkeit ausge-zeichnet. Der Preis wird gemeinsamvon den Präsidenten des Stifterver-bandes für die Deutsche Wissen-schaft und der DFG am 17. Juni2005 in einer Festveranstaltung miteinem Vortrag des Preisträgers imRahmen des Wissenschaftssommersin Berlin verliehen.

Der Communicator-Preis ist inenger Zusammenarbeit zwischenDFG und Stifterverband entstandenund wird in diesem Jahr zum sechs-ten Mal verliehen. Mit diesem Preiswerden Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler ausgezeichnet, diesich nachhaltig und in herausragen-der Weise um die Vermittlung ihrerArbeit in eine breite Öffentlichkeitbemühen. Eine Jury aus Wissen-schaftsjournalisten, Kommunika-tions- und PR-Fachleuten beurteiltdie Bewerbungen nach den Krite-rien Relevanz, Zielgruppe, Origina-lität und Nachhaltigkeit. In diesemJahr gingen 44 Bewerbungen ausverschiedenen Fachgebieten ein,von denen zehn in die engste Wahlkamen. Unter ihnen wählte die JuryHarald Lesch als Träger des Com-municator-Preises 2005 aus.

Im Europäischen Parlament in Brüssel stelltedie Deutsche Forschungsgemeinschafterstmals ihre Arbeit vor. Zur Präsentationgehörte auch eine Podiumsdiskussion, beider deutsche Spitzenforscher im Gesprächmit DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnackerihre Erwartungen an einen europäischenForschungsraum formulierten.

Und damit übereigne ich das letz-te von Max Slevogt geschaffene

Porträt der Deutschen Forschungs-gemeinschaft“. Mit diesen Wortenübergab Rainer Schmidt-Ott, ältes-ter Enkel des früheren königlich-preußischen Kultusministers understen Präsidenten der Notgemein-schaft der deutschen Wissenschaft,Dr. Friedrich Schmidt-Ott, das Por-trät seines Großvaters dem amtie-renden Präsidenten der DeutschenForschungsgemeinschaft, ProfessorErnst-Ludwig Winnacker. Schmidt-Ott stand der Notgemeinschaft, derspäteren Deutschen Forschungsge-meinschaft, von 1920 bis 1934 vor.

Die Villa der Familie Schmidt-Ottauf dem Steglitzer Fichtenberg inBerlin erstrahlte noch einmal inaltem Glanz, als zahlreiche Mitglie-der der weit verzweigten FamilieSchmidt-Ott, die zum Teil aus demAusland angereist waren, sowieGäste aus Wissenschaft, Politik undKultur zu der Feierstunde aus An-lass der Schenkung an die DFG undder Auflösung des Hauses zu-sammenkamen. Schmidt-Ott hattebis zu seinem Lebensende im Jahr1956 das Haus bewohnt, in dem voreinem halben Jahr sein jüngsterSohn Dieter im Alter von 99 Jahrenverstarb.

Solche Gesellschaften habe eswährend der Amtszeit Schmidt-Ottsin den 20er Jahren häufig gegeben,so DFG-Präsident Winnacker in sei-ner Ansprache. Im Hause Schmidt-Ott verkehrten unter anderem Al-bert Einstein, aber auch Politikerwie der damalige ReichskanzlerWilhelm Marx, der StaatsministerGustav Stresemann, Kirchenmän-ner wie der frühere Nuntius Pacelliund Wissenschaftler wie der Gehei-me Hofrat Ferdinand Sauerbruch,zitierte Winnacker aus einer Einla-dungskarte vom März 1927. Auchdie Rahmenbedingungen der For-schungsförderung seien gleich ge-blieben. „Es ging damals ums Geld,es ging um internationale Bezie-

hungen, um den wissenschaftlichenNachwuchs und um die Gemein-schaftsförderung“, so der DFG-Prä-sident wörtlich.

Der Münchner Zeithistoriker Pro-fessor Winfried Schulze würdigte inseiner Rede Friedrich Schmidt-Ottals einen Mann, der das deutscheWissenschaftssystem des 20. Jahr-hunderts tiefgreifend beeinflussthabe. Die Organisation der Wissen-schaftsförderung in vom Staat un-abhängigen Körperschaften, vomStaat alimentiert, aber in der Durch-führung ihrer Förderarbeit von gro-ßer Selbstständigkeit, sei sein Ver-dienst. Das Geheimnis seines Er-folges, so Schulze, liege in der Kombination von wissenschaft-licher Neugier, systematischer Her-angehensweise und kommunikativ-organisatorischer Kompetenz, die

ihn zum Dreh- und Angelpunkt desdeutschen Wissenschaftsgeschäftsüber Jahrzehnte gemacht habe.

Das Porträt, 1932 entstanden,zeigt Schmidt-Ott im Alter von 72Jahren, an einer entscheidendenStelle seiner Laufbahn. Persönlichweit von nationalsozialistischemGedankengut entfernt, versuchte erdoch, möglichst viel von dem Wis-senschaftssystem zu retten, das eraufgebaut hatte. Vergeblich: 1934enthoben ihn die Nationalsozialis-ten seines Amtes als Präsident derDFG.

Das wertvolle Kunstwerk wurdeder Deutschen Forschungsgemein-schaft auf einstimmigen Beschlussder Nachkommen Schmidt-Otts zu-gedacht. Es wird seinen Platz in denRäumen der DFG-Geschäftsstelle inBonn finden.

Die Rede von Professor WinfriedSchulze dokumentieren wir in einerBeilage zu diesem Heft.

Eva-Maria Streier

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forschung 1/2005

DFG erhält Slevogt-Porträtihres ersten PräsidentenDas wertvolle Gemälde aus dem Jahre 1932 wurde alsSchenkung der Familie Schmidt-Ott in Berlin übergeben

Ein Bild für die DFG:Das Slevogt-Porträt von Friedrich Schmidt-Ott wird künftig in derGeschäftsstelle an den ersten Präsidenten der Notgemeinschaft derDeutschen Wissenschaft erinnern.

Verleihung des BerndRendel-Preises 2004

Die Deutsche Forschungsge-meinschaft hat zum zweiten

Mal den Bernd Rendel-Preis ansechs Nachwuchswissenschaftle-rinnen und -wissenschaftler ausden Geowissenschaften verliehen.Die mit je 2000 Euro dotierten Prei-se sollen den jungen diplomierten,aber noch nicht promoviertenPreisträgern die Teilnahme aninternationalen Kongressen undTagungen ermöglichen.

Die diesjährigen Preisträger sind:Raik Bachmann, Geoforschungs-zentrum Potsdam; Bodo Bookha-gen, University of California, SantaBarbara; Eva Gebauer, UniversitätTübingen; Yvonne Hamann, Uni-versität Leipzig; Gregor Knorr, Uni-versität Hamburg; Merle KatharinaRichter, Universität Bayreuth.

Der Preis ist nach dem früh ver-storbenen Geologiestudenten BerndRendel benannt. Das Preisgeld wirdaus den Erträgen der Bernd Rendel-Stiftung gestellt, die vom Stifterver-band für die Deutsche Wissenschaftverwaltet werden.

Weitere Informationen zu denPreisträgern www.dfg.de. ▼

Zum 31. Dezember 2004 ist die Lei-terin des DFG-Verbindungsbürosin Moskau, Dr. Doris Schenk, in denRuhestand getreten. Von 1968 bis1976 war sie in der DFG-Geschäfts-stelle Referentin für die wissen-schaftliche Zusammenarbeit mitder Sowjetunion. Nach einer vier-jährigen Tätigkeit an der Deut-schen Botschaft in Moskau kehrte

sie 1980 als Referatsleiterin für dieBeziehungen zu Mittel- und Osteu-ropa sowie der UdSSR zur DFG zu-rück, bevor sie 2002 Leiterin desBereichs für die wissenschaftlicheZusammenarbeit mit den Ländernder ehemaligen UdSSR wurde. Beiihrem Abschied hob DFG-Präsi-dent Professor Ernst-Ludwig Winn-acker das über fast vier Jahrzehntegeleistete „hohe Engagement“ her-vor und würdigte die besonderenVerdienste um die deutsch-russi-sche Kooperation. Neuer Leiter desMoskauer Verbindungsbüros wurdeDr. Christian Schaich, zuvor Refe-rent in der Gruppe „InternationaleZusammenarbeit“ der DFG-Ge-schäftsstelle.

Dr. Karlheinz Schmidt, Leiter derFachgruppe Chemie und Verfah-renstechnik, wird mit der Carl-Duisberg-Plakette ausgezeichnet.Damit würdigt die GesellschaftDeutscher Chemiker seinen Ein-satz für die Förderung europäischerForschungskooperationen. Schmidtkoordiniert unter anderem das eu-ropaweite Chemie-Netzwerk ERA-CHEMISTRY seit seiner Entste-hung im Jahr 2004.

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Europäische Wissenschaft kannund sollte sich „auf Augenhöhe“

in den USA präsentieren. DiesemZiel dient auch eine neue Veran-staltungsreihe, mit der das Verbin-dungsbüro der Deutschen For-schungsgemeinschaft in Washing-ton ein Forum für die deutsche Wis-senschaft in den Vereinigten Staa-ten schaffen möchte. Den Auftaktmachte ein Vortrag des wenigeTage zuvor mit dem „Descartes-Preis für Wissenschaftliche Kommu-nikation“ der Europäischen Kom-mission ausgezeichneten Direktorsdes Deutschen Museums in Mün-chen, Professor Wolfgang Heckl(siehe auch Seite 28). Zum ersten„German Research Forum“ konntedie Leiterin des DFG-Büros, Dr. Ma-rina Koch-Krumrei, im Carl-Schurz-Auditorium der Deutschen Bot-schaft zahlreiche hochrangigeGäste begrüßen, darunter Vertreterder National Academy of Science,

der National Science Foundation,der National Institutes of Health,des Energy und State Departementsowie einer Reihe von Botschaftenund der „AAAS“, der „AmericanAssociation for the Advancement ofScience“.

Heckl stellte „Applikationen undImplikationen der Nanotechnolo-gie“ in den Mittelpunkt seines Vor-trages, der wissenschaftlich an-spruchsvoll, zugleich jedoch allge-meinverständlich einen Streifzugdurch die vielfältigen Anwen-dungsmöglichkeiten der Nanotech-nologie bot. Aufgelockert durch dieEinspielung von kurzen Filmse-quenzen sparte er auch möglicheGefahrenpotenziale und die damitverbundenen Ängste nicht aus.

DFG-Vizepräsident ProfessorJürgen Nehmer erläuterte in seinerEinführung die Intention der neuenVortragsreihe. Vor dem Hinter-grund einer zunehmenden Interna-tionalisierung der Wissenschaftsolle durch renommierte Wissen-schaftler über neue Aktivitäten inDeutschland und Europa informiertwerden. Der anschließende regeMeinungsaustausch bestätigtenicht nur ein großes Interesse ansolchen Informationen, sondern botauch den Rahmen für vielfältige

Kontakte. So wurde WolfgangHeckl spontan um Mitwirkung beider Evaluierung eines neuen ameri-kanischen Großvorhabens gebeten,das sich mit der Darstellung von Na-notechnologie im Museum beschäf-tigt. Eine Fortsetzung der Reihe istfür den Frühsommer geplant.

Eva-Maria Streier

Ein neue Plattform fürden transatlantischen Dialog„German Research Forum“: Auftaktveranstaltung zueiner neuen Vortragsreihe der DFG in Washington

In Washington auf den Weg gebracht:Über den Start einer neuen Vortragsreihe in den Vereinigten Staaten freuensich DFG-Vizepräsident Jürgen Nehmer(links) und der Münchener Physiker undDescartes-Preisträger Wolfgang Heckl, derden Eröffnungsvortrag über Stand und Perspektiven der Nanotechnologie hielt.

Namen und Nachrichten

Doris Schenk Christian Schaich

Die DFG hat zum ersten Mal denUrsula M. Händel-Tierschutz-

preis verliehen. Die Auszeichnungging an Professor Lisa Wiesmüller,Universitätsfrauenklinik Ulm, undProfessor Klaus Otto, MedizinischeHochschule Hannover. Der mit je12 500 Euro dotierte Preis zeichnetWissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler aus, die sich vorbildlichund nachhaltig darum bemühen,den Tierschutz in der Forschung zuverbessern. Dazu gehört insbeson-

dere die Entwicklung von Verfah-ren, die zur Reduzierung, Verfeine-rung und zum Ersatz von Tierversu-chen beitragen.

Lisa Wiesmüller (43) ist Leiterinder Gynäkologischen Onkologieder Universitätsfrauenklinik Ulm.Sie hat ein Testverfahren entwi-ckelt, mit dem Chemikalien, Arz-neimittel und Lebensmittelzusätzein menschlichen Zellkulturen aufihre erbgutschädigende und krebs-erzeugende Wirkung geprüft wer-den können. Das neue Testverfah-ren basiert auf der Auswertung vonFluoreszenz-Signalen, das heißt, es unterscheidet leuchtende vonnicht-leuchtenden Zellen. Andersals bei bisherigen Tests lässt dasvon Lisa Wiesmüller entwickelteVerfahren zuverlässige Rückschlüs-se auf die krebserzeugende Eigen-schaft von Substanzen zu. Die Ar-beiten von Lisa Wiesmüller könntenzukünftig erheblich zur Vermei-dung von Tierversuchen auf diesemGebiet beitragen.

Klaus Otto (51) ist Professor fürExperimentelle Anästhesiologie ander Medizinischen HochschuleHannover. Er beschäftigt sich seitgeraumer Zeit mit der Beurteilungder Narkosetiefe und Schmerzbe-kämpfung bei Tieren während chir-urgischer Eingriffe. Seine Untersu-chungen weisen darauf hin, dassdie in der klinischen und tierexperi-mentellen Praxis verwendeten Pa-rameter Herzfrequenz, Blutdruckund Pupillenreaktion oft nicht aus-reichen, um eine Schmerzwahrneh-mung des Tieres ausschließen zukönnen. Klaus Otto hat daher dieMessung von Hirnaktivitäten perElektroenzephalogramm (EEG) alsweiteres Bewertungskriterium hin-zugezogen. Ziel seiner Arbeit ist,objektive Kriterien für die Bewer-tung des Schmerzempfindens vonTieren bei Operationen zu entwi-ckeln. Eine standardisierte Nar-koseüberwachung mit computerge-stützter EEG-Analyse soll letztlich

die Möglichkeit schaffen, Narkose-und Schmerzmittel so genau zu do-sieren, dass Schmerzen bei den Tie-ren ausgeschlossen werden können.

Der Ursula M. Händel-Tierschutz-preis geht auf die Initiative seinergleichnamigen Stifterin zurück. Einbesonderes Anliegen ist für sie derTierschutz in Wissenschaft und For-schung. Dabei zielt ihr Engagementvor allem darauf, das Leiden vonVersuchstieren so weit wie möglichzu begrenzen und die Zahl vonTierversuchen zu reduzieren. Zudiesem Zweck hat Frau Händel derDFG umfangreiche finanzielleMittel zur Verfügung gestellt, mitdenen nun im Rahmen des UrsulaM. Händel-Tierschutzpreises Arbei-ten ausgezeichnet werden können.

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forschung 1/2005

Einsatz für einen besserenTierschutz in der ForschungDFG verlieh zum ersten Mal den Ursula M. Händel-PreisZwei Preisträger mit je 12 500 Euro ausgezeichnet

Euroscience Open Forum 2006 in München

Vom 15. bis zum 19. Juli 2006wird das zweite pan-europäi-

sche Euroscience Open Forum(ESOF2006) in München stattfin-den. Für die Programmgestaltungdieser Konferenz bitten die Organi-satoren um Beiträge. Die Aus-schreibung (Call for Proposals) istoffen vom 15. März bis zum 15. Juni2005. In diesem Zeitraum sindinteressierte Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler eingeladen,Vorschläge für Seminare, Sympo-sien oder Workshops online unterwww.esof2006.org einzureichen.

Die Konferenz ist interdisziplinärausgerichtet und bildet eine euro-päische Plattform, auf der sich For-scher, Journalisten sowie Vertreteraus Politik und Industrie begegnensollen. Im Interesse eines Dialogsmit der Öffentlichkeit wird die Ta-gung mit dem Wissenschaftssom-mer des Jahres 2006 verknüpft.

Initiator von ESOF ist die Organi-sation Euroscience, die das Konzeptin enger Abstimmung mit andereneuropäischen Wissenschaftsförder-organisationen entwickelt hat.ESOF2006 wird zurzeit vom Stifter-verband für die Deutsche Wissen-schaft und der Robert-Bosch Stif-tung gefördert. Träger der Konfe-renz ist Wissenschaft im Dialog.

www.w-i-d.de ▼

Sechs neueForschergruppen

Um die Kooperation bei innovati-ven Forschungsvorhaben zu för-

dern, hat die DFG sechs neue For-schergruppen eingerichtet. For-schergruppen zeichnen sich durchwissenschaftliche Zusammenarbeitin einer überschaubaren Zahl vonEinzelprojekten aus, die höchsteQualität und Originalität auf inter-nationalem Niveau erkennen las-sen. Den neu eingerichteten Grup-pen stehen in den nächsten dreiJahren rund 8,7 Millionen Euro zurVerfügung. Die Forschergruppenim Einzelnen: „Polyedrische Flä-chen: Geometrie und Kombinato-rik“, Technische Universitäten Ber-lin und Darmstadt; „AlgebraischeZykel und L-Funktionen“, Univer-sitäten Regensburg und Leipzig;„Synaptic Inhibition: Molecular Determinants of Inhibitory Neuronswithin Defined Networks“, Univer-sität Heidelberg; „Dynamik von Bodenprozessen bei extremen me-teorologischen Randbedingungen“,Universitäten Bayreuth, Jena undGöttingen; „Veterinary Medicinesin Soils: Basic Research for RiskAnalysis“, Technische UniversitätBerlin; „Geobiologie von Organo-und Biofilmen: Koppelung der Geo-sphäre und Biosphäre über mikro-bielle Prozesse“, Universität Göttin-gen und Technische UniversitätBraunschweig.

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forschung 1/2005

Die Deutsche ForschungsgemeinschaftDie Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist die zentrale Selbstverwaltungsorgani-sation der Wissenschaft. Nach ihrer Satzung hat sie den Auftrag, „die Wissenschaft inallen ihren Zweigen“ zu fördern. Die DFG unterstützt und koordiniert Forschungsvor-haben in allen Disziplinen, insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung bis hinzur angewandten Forschung. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt der Förderung deswissenschaftlichen Nachwuchses. Jeder deutsche Wissenschaftler kann bei der DFGAnträge auf Förderung stellen. Die Anträge werden Gutachtern der Fachkollegien vor-gelegt, die für jeweils vier Jahre von den Forschern in Deutschland in den einzelnen Fächern gewählt werden.

Bei der Forschungsförderung unterscheidet die DFG verschiedene Verfahren: Im Normalverfahren kann jeder Forscher Beihilfen beantragen, wenn er für ein von ihm selbst gewähltes Forschungsprojekt Mittel benötigt. Im Schwerpunktverfahrenarbeiten Forscher aus verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen und Laboratorienim Rahmen einer vorgegebenen Thematik oder eines Projektes für eine begrenzte Zeitzusammen. Die Forschergruppe ist ein längerfristiger Zusammenschluss mehrerer For-scher, die in der Regel an einem Ort eine Forschungsaufgabe gemeinsam bearbeiten. In den Hilfseinrichtungen der Forschung sind besonders personelle und apparativeVoraussetzungen für wissenschaftlich-technische Dienstleistungen konzentriert.

Sonderforschungsbereiche (SFB) sind langfristige, in der Regel auf 12 Jahre angelegteForschungseinrichtungen der Hochschulen, in denen Wissenschaftler im Rahmen einesfächerübergreifenden Forschungsprogramms zusammenarbeiten. Neben den ortsge-bundenen und allen Fächern offen stehenden SFB werden Transregio angeboten, beidenen sich verschiedene Standorte zu einem thematischen Schwerpunkt zusammen-schließen. Eine weitere Variante sind Kulturwissenschaftliche Forschungskollegs, mitdenen in den Geisteswissenschaften der Übergang zu einem kulturwissenschaftlichenParadigma unterstützt werden soll. Eine Programmergänzung stellen Transferbereichedar. Sie dienen der Umsetzung der in einem SFB erzielten Ergebnisse wissenschaft-licher Grundlagenforschung in die Praxis durch die Kooperation mit Anwendern.

Forschungszentren sind ein wichtiges strategisches Förderinstrument der DFG. Sie sol-len eine Bündelung wissenschaftlicher Kompetenz auf besonders innovativen For-schungsgebieten ermöglichen und in den Hochschulen zeitlich befristete Forschungs-schwerpunkte mit internationaler Sichtbarkeit bilden.

Graduiertenkollegs sind befristete Einrichtungen der Hochschulen zur Förderung desgraduierten wissenschaftlichen Nachwuchses. Im Zentrum steht ein zusammenhängen-des, thematisch umgrenztes Forschungs- und Studienprogramm. Graduiertenkollegssollen die frühe wissenschaftliche Selbstständigkeit der Doktorandinnen und Doktoran-den unterstützen und den internationalen Austausch intensivieren. Sie stehen ausländi-schen Kollegiaten offen. In Internationalen Graduiertenkollegs bieten deutsche und aus-ländische Universitäten gemeinsam ein strukturiertes Promotionsprogramm an. Zusätz-liche Förderungsmöglichkeiten für den qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchsbestehen im Heisenberg-Programm sowie im Emmy Noether-Programm.

In den neuen Bundesländern wurden Geisteswissenschaftliche Zentren geschaffen, umdie dortigen Forschungsstrukturen zu verbessern. Sie sind zeitlich begrenzte Einrich-tungen zur Förderung interdisziplinärer Forschung.

Die DFG finanziert und initiiert außerdem Maßnahmen zur Förderung des wissen-schaftlichen Bibliothekswesens, stattet Rechenzentren mit Computern aus, stellt Groß-und Kleingeräte für Forschungszwecke zur Verfügung und begutachtet Anträge aufAusstattung mit Apparaten im Rahmen des Hochschulbauförderungsgesetzes. Aufinternationaler Ebene hat sie die Aufgabe der Vertretung der Wissenschaft in interna-tionalen Organisationen übernommen, koordiniert und finanziert den deutschen Anteilan großen internationalen Forschungsprogrammen und unterstützt die wissenschaft-lichen Beziehungen zum Ausland.

Eine weitere wesentliche Aufgabe der DFG ist die Beratung von Parlamenten und Behörden in wissenschaftlichen Fragen. Eine große Zahl von Fachkommissionenund Ausschüssen liefert wissenschaftliche Grundlagen für Gesetzgebungsmaßnahmen,vor allem im Bereich des Umweltschutzes und der Gesundheitsvorsorge.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist der Rechtsform nach ein Verein des bürger-lichen Rechts. Ihre Mitglieder sind wissenschaftliche Hochschulen, die Akademien derWissenschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Wissenschaftsge-meinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, Einrichtungen der Helmholtz-GemeinschaftDeutscher Forschungszentren, Forschungseinrichtungen von allgemeiner wissen-schaftlicher Bedeutung sowie eine Reihe von wissenschaftlichen Verbänden. Zur Wahr-nehmung ihrer Aufgaben erhält sie Mittel vom Bund und den Ländern sowie eine jährli-che Zuwendung des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft.

Anschriften der AutorenProf. Dr. Thomas ChristallerDr. Ansgar BredenfeldFraunhofer Institut für Autonome Intelligente Systeme (AIS),Schloss Birlinghoven, 53754 Sankt Augustin

Albert GerdesDFG-Forschungszentrum Ozeanränderan der Universität Bremen,– Öffentlichkeitsarbeit –,Postfach 330 440, 28334 Bremen

Dr. Reinhard GrunwaldGeneralsekretär der Deutschen Forschungsgemeinschaft,Kennedyallee 40, 53175 Bonn

Tobias LagatzKatholisch-Theologische Fakultät,Universität Münster,Johannistraße 8-10, 48143 Münster

Dr. Jens MatthiessenAlfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung,Postfach 120161, 27515 Bremerhaven

Prof. Dr. Rainer MatyssekDr. Karl Heinz HäberleDr. Thorsten E. E. GramsDepartment für Ökologie,Wissenschaftszentrum Weihenstephan,Technische Universität München,Lehrstuhl für Ökophysiologie der Pflanzen,Am Hochanger 13, 85354 Freising

PD Dr. Uwe J. Meierhenrich Université de Nice-Sophia Antipolis,Laboratoire Arômes, Synthèses et Interactions,Faculté des Sciences,28, Avenue Valrose,F-06108 Nice Cedex 2, France

Dr. Eva-Maria StreierDirektorin des Bereichs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft,Kennedyallee 40, 53175 Bonn

Abbildungenvon der Hecht IODP (Titel, S. 24-27);Querbach (S. 2, 21-23); Busemann (S. 4/5); Hemke (S. 6 l., 7 r.); Schuck (S. 6/7, 8 u.); Michaelis/TLZ (S. 8 o., 9 r.);Mende (S. 9 l.); Matyssek, SFB 607 (S. 10-14); ESA/AOES Medialab (S. 15,16/17); MPI für Aeronomie, Katlenburg-Lindau (S. 17 r.); Leiden Observatorium(S. 17 M.); SPP 1125 (S. 19, 20); Streier(S. 28, 33); Albustin (S. 32); DFG (S. 34 l.);privat (S. 34 r.); Hüsken (Rücktitel).Anordnungen im Layout: l. = links, r. =rechts, o. = oben, u. = unten, M. = Mitte

Moskau: 1. Ka-zatchij Per.5/2, das ist

die Adresse des Verbindungsbürosin Russland. Von hier aus werden dieKontakte und die Kooperationenzwischen russischen und deutschenWissenschaftlern verstärkt.

D 3004 FWILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim, Postfach 101161, D-69451 Weinheim

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