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Die Berliner Charité richtet die erste Professur für alternative Medizin ein
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21. Mai 2008, 04:00 Uhr
Von Sandra Schweitzer
Forschung mit Nadeln und BlutegelnDie Berliner Charité richtet die erste Professur für alternative Medizin ein
Berlin - Was haben glühende Nadeln, Homöopathie-Kügelchen und Blutegel an einer
Spitzenuniversität zu suchen? Seit gestern gibt es in Deutschland die erste Professur
zur Erforschung der Alternativmedizin - an der Berliner Charité. Das Ziel:
Naturheilverfahren wie Homöopathie und Traditionelle Chinesische Medizin mit
wissenschaftlichen Mitteln auf den Grund zu gehen.
Denn trotz fehlender wissenschaftlicher Belege für deren Wirksamkeit vertrauen
immer mehr Deutsche der Heilkraft homöopathischer Kügelchen oder chinesischer
Kräuter - mehr als 60 000 Ärzte verordnen in Deutschland regelmäßig Präparate aus
Homöopathie oder Naturheilkunde.
Gesponsert wird das Projekt mit einer Spende der Karl und Veronica Carstens-
Stiftung, die sich der Förderung von Projekten aus dem Bereich der Alternativmedizin
verschrieben hat. Mit einer Million Euro finanzieren die Mäzene die Professur sowie
zwei Lehrstellen für die kommenden fünf Jahre.
Die deutschlandweit erste Professorin für Alternativmedizin wird Claudia Witt, die
bereits seit vielen Jahren sich mit komplementären Heilmethoden auseinandersetzt.
In Deutschland ist dies die erste Professur für alternative Heilverfahren, die sich
ausschließlich der Forschung widmet. Denn "nur durch erstklassige Forschung
können die Therapien langfristig gesichert und in die Patientenversorgung integriert
werden", sagt der Geschäftsführer der Stiftung.
Alternative Heilmethoden sind heutzutage immer beliebter, mittlerweile fast 60
Prozent greifen auf Methoden wie etwa Akupunktur oder Homöopathie zurück. " Es
sind oft Personen mit einer besseren Körperwahrnehmung", sagt Professorin Witt.
Vor allem die jüngeren Patienten mit chronischen Krankheiten wenden sich von der
klassischen Medizin ab, um alternativen Therapien zu vertrauen.
Doch trotz ihres Siegeszuges kranken die komplementären und alternativen
Heilmethoden an einem Problem: Obwohl reichlich angewendet, werden sie noch
immer in der europäischen Medizinszene nicht für voll genommen - die
wissenschaftlichen Beweise für ihre Wirksamkeit fehlen. Beispiel Akupunktur: Die
Therapie bezahlt bei manchen Leiden inzwischen sogar die Kasse. Trotzdem sind
die Wirkmechanismen nur zum Teil bekannt. Ist es eine Placebo-Therapie? Dieser
Verdacht ließ sich bisher nie völlig ausräumen - die Überlegenheit der Nadeln
gegenüber einer Scheinakupunktur konnte nur zum Teil bewiesen werden.
Einer der Gründe für die Krankenkassen, von den jährlich rund 90 Milliarden Euro,
die die Deutschen für Akupunktur ausgeben, nur vier Milliarden Euro zu erstatten.
So freut sich Witt schon heute, "diese große Lücke zwischen Therapierealität und
wissenschaftlichen Kenntnisstand zu schließen". Für die kommenden Jahre sind
umfangreiche Forschungsprojekte geplant: Die Wirksamkeit von Qigong bei
chronischen HWS- Schmerzen, der Vergleich zwischen Scheinakupunktur und
Akupunktur oder die Langzeitbeobachtungsstudien zur Homöopathie. Die Forscher
wollen die Haut von Kindern mit Neurodermitis beobachten, die entweder
konventionell oder mit Homöopathie behandelt worden sind.
Ziel der Studien ist vor allem eine Erkenntnis: Profitiert der Patient? Das zu
erforschen und anschließend verständlich zu vermitteln ist eine Herausforderung:
"Denn was in den Studien herausgefunden wird, ist oft statistisch sehr komplex", sagt
Professorin Witt.