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Forschungen und Mitteilungen · 2013. 11. 2. · Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs. Herausgegeben durch die Direktion des k. k. Statthalterei-Archives

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Forschungen und Mitteilungenzur

Geschichte Tirols und Vorarlbergs.

Herausgegeben

durch die

Direktion des k. k. Statthalterei-Archives in Innsbruckvon

M. MayrStaatsarchiv-Direktor und Universitäts-Professor.

XI. Jahrgang- 1914

UB Innsbruck

Innsbruck

Verlag der Wagner'schen k. k. Universitäts-Buchhandlung

1914.

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Druck der Wagner'schen Universitäts-Buchdruckerei in Innsbruck.

r \

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Inhaltsverzeichnis.

Abhandlungen:Friedr ich Hegi, Ritter Hans v. Puch, der verbannte Sekretär und Rat des

Erzherzogs Sigismund von Österreich. S. 1.Har tmann Am mann, Die Hexenprozesse im Fürstentum Brixen. S. 9, 75,

144, 227.Franz Graf Taxis, Ein merkwürdiges Archivale. S. 19.Oswald M e n g h i n, Die tirolisch-vorarlbergische Urgeschichtsforschung im

Jahre 1912 (Schluß). S. 59.Richard Heuberger, Die älteren landesfürstlichen Vicedominate in Tirol und

die Anfänge der Hauptmannschaft an der Etsch. S. 66, 123.L. Hornbach, Malerischer Hausschmuck in Tiroler Dörfern. S. 87.Heinr ich Quares ima. Das Tagebuch des Anton Quetta über seine Reise

nach Rom zur Bestätigung der Wahl des Bischofs Bernhard vonCles. S. 139, 203.

M. Mayr, Zur ältesten Geschichte des Schlosses Tirol. S. 167.

Mitteilungen:

Ein Brandunglück in Bludenz 1491. S. 31.Das Ende des Nüssekrieges (1580). S. 31.Zur Seligsprechung des Petrus Canisius. S. 34.Die bemerkenswertesten Arbeiten des Paul Jenewein, obristen Maurermeisters der

Stadt Hall. S. 35.Zur Geschichte Warimberts III. von Thun S. 98.Zur Frau Hitt-Frage. S. 100.Ein gerichtsdienstpflichtiger Hof. S. 101.Die erste Fronleichnainsprozession zu Mariahill in Innsbruck (19. Juni 1767)

S. 102.Altarstein und Opferwiese. S. 178.Ein Schreiben K. Maximilians I. vom Jahre 1500. S. 179.Die Pfleger, Richter und Gerichtsschreiber der Gerichtsherrschaft Hörtenberg-Telfs.

S. 180.

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Ein Kupfer- und Silberbergwerk in St. Bartlmeberg in Montafon ca. 1730. S. 1S2.Zur Erwerbung der halben Herrschaft Bregenz durch Herzog Siegmund. S. 249.Zwei Tafelbilder Michael Waldmanns des jüngeren für die Klosterkirche auf der

Waldrast 1666. S. 251.Die Stiftung einer Schule für Schnan 1701. S. 253.Damaszen Sigmundts Installierung als Pfarrer von Virgen (11. Juni 1804). SS. 255.Chronik von Tirol 1914. S. 36, 105, 185, 256.

Vorarlberg 1914. S. 39, 106, 186, 259.

Literarische Rundschau:

Bücherbespreehungen. S. 40, 108, 188, 262.J u l i u s Red. Übersicht über die Aufsätze historischen Inhalts in den wissen-

schaftlichen Zeitschriften das italienischen Landesteiles. S. 50, 117,197, 265.

Nachrichten. S. 53, 119, 200, 267.Personalien. S. 58, 122, 202, 271.F r a n z W a c h t e r . Tirolisch-vorarlbergische Biographie. S. 1, 21.Register. S. 273.

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Die älteren landesfürstlichen Vicedominate inTirol und die Anfänge der Hauptmannschaft

an der Etsch.Von

Richard Heuberger.

Die Werdezeit der Verwaltungseinrichtungen Tirols sind die JahreMeinhards II. und seiner Nachfolger. Unter Meinhard selbst wurdein genialer Weise für das zu einer Einheit zusammengeschlosseneLand eine moderne beamtenmäßige Zentral- und Lokalverwaltung ge-schaffen, wie sie damals noch kein deutsches Herrschaftsgebiet besaß1).Manche Seiten des Verwaltungswesens dieser Tage sind aber nochnicht aufgehellt. Einer solchen gelten die folgenden Ausführungen.

Wie weiter unten ausgeführt wird, ist der Ursprung des Amtes desLandeshauptmanns von Tirol noch nicht ganz befriedigend erforscht.Noch weniger ist dies der Fall bei dem in der Literatur nur gelegent-lich erwähnten Amte eines Vicedominus, welches sich in Tirol nichtnur in der Verwaltungsorganisation der Hochstifter Trient und Brixen,sondern auch in derjenigen der Grafschaft Tirol zu verschiedenenZeiten und mit verschiedenen Befugnissen findet. Hofviztume undViztume örtlicher Sprengel treffen wir um die Wende des 13. und14. Jahrhunderts im herzoglichen Dienst und später zur Zeit Ludwigsdes Brandenburgers taucht das Amt eines Vicedominus aufs neue

1) Vgl. Kogler im Archiv für österr. Geschichte 90, 419 ff. Stolz ebenda 97,541 ff. und 102, 85 ff., sowie meine Bemerkungen in den Mitteilungen d. Institutsfür österr. Geschichtsforschung 33, 432 ff., sowie ebenda 9. Ergbd. 51 ff., 265 ff.

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auf, dessen Befugnisse sich nunmehr aber auf die ganze GrafschaftTirol ausdehnen. Erst eine genauere Betrachtung der Sachlage ver-mag nun die Frage zu beantworten, ob jene älteren und dieses jün-gere Viztumamt mit einander im Zusammenhang stehen, und wenig-stens einigermaßen einen Einblick in das Wesen dieser Amter zu ge-währen. Wenn dadurch Streiflichter auf den Ursprung des Landes-hauptmannamtes fallen, so ist dies eine Nebenfrucht dieser Unter-suchung.

Der Titel eines Vicedominus erscheint in den verschiedenstenLändern1) und wenn auch, dem Sinne des Wortes entsprechend, dieTräger desselben stets Stellvertreter ihres Fürsten gewesen sind, sowaren doch ihre Befugnisse je nach dem Lande verschieden. Um inder Nachbarschaft Tirols zu bleiben: so war etwa die Stellung einesKärntner oder Krainer Viztums, der an der Spitze der Finanzverwal-tung dieser Gebiete stand2), eine andere als diejenige eines bamber-gischen Viztums, der neben dem Hauptmann und Pfleger in den Be-sitzungen dieses Hochstiftes in Kärnten tätig war3), oder diejenigeeines bayrischen Viztums, dem in erster Linie als Glied der Gerichts-verwaltung im Laufe der Zeit verschieden geartete Befugnisse zu-kamen, von denen noch weiter unten die Rede sein muß.

In der Verwaltungsorganisation Tirols erscheint ein Vicedominatam deutlichsten in den Tagen Ludwigs des Brandenburgers. Darüberbestehen nun, abgesehen von den Urkunden, ein paar erzählendeQuellenzeugnisse und darauf bezügliche Äußerungen in der Literatur.

Einerseits berichtet Goswin von Marienberg, Swiker von Gundel-fingen sei durch List von Herzog Konrad von Teck aus dem Viztumamteverdrängt worden, was der Grund zu der Feindschaft zwischen beiden

1) Vgl. die Belege bei Ducange, Glossarium VI, 811—815, ferner Waitz ,Deutsche Verfassungsgeschichte3 2, I I 19, Ficker, Forschungen zur Reichs- undRechtsgeschichte Italiens II 29 ff. §§ 225, 226.

2) Vgl. Huber-Dopsch, österr. Reichsgeschichte2 70. Auch diese Beamtenerscheinen gelegentlich in den tirolischen Raitbüchern und Urkunden, werdenjedoch stets durch Zusetzung des Namens des Landes genau bezeichnet, so HeinrichGraland von Wasserleonburg, vgl. Cod. Tirol 6 des Reichsarchivs München f. 56(Rechnung des Jacobus prestator de Florencia von 1309 Aug. 7. Tirol): I tem do-mino H[einrico] Gralando vicedomino Carn[iole] marc. 7 pro spadone, oder Ur-kunde Herzog Ottos von 1300 März 4. (Abschrift auf Zettel, als f. 12 in Cod.Tirol. 9 des Reichsarchivs München eingelegt), wo als Zeuge dominus Dietericusplebanus de sancto Vito vicedominus noster per Karinthiam erscheint.

3) Vgl. v. Wretschko, Skizzen zur bambergischen Zentralverwal tung inKärnten, vornehmlich im 14. Jahrhundert , Sonderabdruck aus der Festschrift fürZeumer 1909, 4 ff.

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und in der Folge zur Ermordung des Herzogs gewesen sei1). Fernergibt Goswin ein Verzeichnis der „Vicedomini et capitanei castri Tirol"und zählt der Reihe nach (von 1347 an)2) auf: Volkmar (von Burg-stall), Konrad von Schenna, Friedrich Mautner, Swiker von Gundel-fingen, Engelmar von Villanders, Konrad von Teck, Loterpeck (Al-brecht) von Wolfstein, Heinrich, Pfarrer von Tirol, Ulrich von Matsch,Häl, Bertold von Gufidaun3). Hier sind unter dem etwas dunkelnTitel, der allerdings dem Chronisten als Vinschgauer besonders mund-gerecht war4), die Landeshauptleute gemeint. Huber, der an derHand der Urkunden dieses Verzeichnis nachgeprüft hat, erklärt esim allgemeinen für verläßlich, stellt aber einzelne Irrtümer Goswinsfest, so gerade bei der Nennung Loterpecks, auf die noch zurückzu-kommen sein wird.

Genau war Goswin nicht unterrichtet; das zeigt schon die un-klare Fassung der Überschrift, in der er „Vicedomini“ und „Capita-nei castri Tirol“ zusammenwirft, — ein Ausdruck, der den Landes-hauptmann bedeuten soll, aber dem Sinne nach eher auf den Burg-grafen von Tirol passen würde. Die meisten hier Genannten sind,wie Huber bemerkt, tatsächlich Hauptleute gewesen, wofür Goswin,im Texte meist den Ausdruck „capitaneus terre“, manchmal freilichauch hier „vicedominus“ gebraucht5). Für uns kommen nur diebeiden Fälle mit Swiker von Gundelfingen und Loterpeck in Betracht.

Swiker ist, wie Huber zeigt, nur als Hofmeister nachzuweisen,was Jäger im Gegensatz zu Ladurner6) veranlaßt hat, das Vicedominat

1) Goswin, Chronik v. Marienberg, herausg. von B. Schwitzer (TirolischeGeschichtsquellen I.) 137.

2) Die Jahreszahl irrig, vgl. Huber, Geschichte der Vereinigung Tirols mi tÖsterreich 122 A.

3) A. a. 0 . 143; auch gedruckt Eichhorn, episcopatus Curiensis, cod. prob.125 (mit Abweichungen) und Huber, Geschichte der Vereinigung Tirols mi t Öster-reich 121—123 Exkurs I, 2. Ebenda auch Überprüfung der Angaben Goswins.Wenn man Schwitzer a. a. 0 . 141 A. 3 trauen darf, ist dieses Verzeichnis vonGoswin erst später nachgetragen oder rüh r t überhaupt von einem andernSchreiber her.

4) Vgl. über Goswin B. Schwitzer in der Einlei tung zur Ausgabe d. Chronik.Goswins (Tirolische Geschichtsquellen 1) V ff. Im Vinschgau war das churischeVicedominat wohlbekannt, s. u.

6) So Chronik 137: dux de Tekke Ch[onradus] nomine, qui t u n c temporisvicedominus Tyrolis fuit. Vgl. dazu a. a. 0 . 146 (Ulricus junior advocatus deMäths vicedominus in tota terra Athesi) und 149 (Ulrico de Amacia tunc capi-taneo terre) sowie 217 (Ulricus de Amacia capitaneus).

6) Dieser faßt (Archiv für Geschichte und Altertumskunde Tirols II, 29)Swiker als Landeshauptmannschaftsverwalter auf und beruft sich dabei auf „einpaar Urkunden späteren Datums.“

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hier als die Hofmeisterwürde zu erklären 1); Das ist im gegebenenFall wohl sachlich richtig. Aber Goswin hat sicher Swiker nicht füreinen Hofmeister gehalten und deshalb hier eingereiht, denn im ganzenübrigen Verzeichnis erscheint kein anderer Hofmeister. Ob nun Gos-wins unkontrollierbare Angabe richtig ist oder nicht, d. h. ob Swikerneben dem Hofmeisteramte auch das eines Vicedominus bekleidete,ist für uns gleichgiltig. Wichtig ist nur, daß Goswin hier das Vice-dominat dem Landeshauptmannamt gleichsetzt.

Daß aber Goswins Terminologie nicht korrekt ist, zeigt seineNachricht, Loterpeck sei der Nachfolger Herzog Konrads von Teckgeworden2); dies ist nicht richtig. Denn lange nach der ErnennungLoterpecks ist der Herzog noch als Landeshauptmann nachzuweisen.Er blieb in der Hauptmannswürde bis zu seiner Ermordung3). Dem-nach ist das Viztumamt, welches Loterpeck tatsächlich innehatte,nicht identisch mit der Stellung eines Landeshauptmanns. Für dieFrage nach dem Wesen des Vicedominats ist von Goswins Nachrichtennichts zu brauchen. Höchstens könnte man — vorausgesetzt, daß die-Auffassung des Chronisten nicht ganz aus der Luft gegriffen ist —vermuten, daß das Vicedominat ein dem Amte des Landeshauptmannssehr nahestehendes war.

Genaueres sagen über den Fall Loterpeck die Urkunden. Eshaben sich glücklicherweise zwei auf Loterpecks Ernennung bezüg-liche Stücke erhalten, die erwünschten Aufschluß geben. Nach diesenDokumenten, es sind das Ernennungsdekret4) und ein Kundmachungs-patent5), beide zu Tirol am 27. März 1350 ausgestellt — war dasVicedominat das Amt eines Stellvertreters des Landeshauptmanns fürden Fall, daß weder dieser noch der Herrscher selbst im Lande wären.So hat Egger ganz richtig dieses Amt definiert6) und ihm hat sich

1) Geschichte der landständischen Verfassung Tirols II , 108. Kurz vorher (90)ha t t e er i h n al lerdings u n t e r Berufung auf Brandis, Geschichte de r Landeshaupt-leute von Tirol 62, 75—76 (wo aber von einer Landeshauptmannscha l t Gunde l -fingens n i c h t s zu lesen ist) als Hofmeister u n d H a u p t m a n n an der E t sch ange-sprochen.

2) Chronik a. a. O.: Huic successit dictus Loterpekk. Darnach Brandis , Ge-schichte der Landeshaupt leu te von Tirol 76.

3) Huber a. a. O. Haug , Ludwigs V. des Brandenburgers Regierung inTirol II , Forschungen u. Mit tei lungen zur Geschichte Tirols u. Vorar lbergs IV,.31-32.

4) Huber a. a. O. 170, Reg.-Nr. 142.5) Ebenda 170—171, Reg.-Nr. 143. Beide Stücke München, allg. Reichsarchiv;

Fürstenselekt Fasz. 253.6) A. a. O. 386. Allerdings paßt gerade hier diese sonst zutreffende Bestim-

mung nicht, nachdem es sich hier um den Fall Swikers von Gundelfingen han-

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anscheinend Haug angeschlossen, denn der von ihm erwähnte „stell-vertretende Landeshauptmann“ 1) kann nur Loterpeck sein. JägersBericht über die Ernennung Loterpecks übergeht dagegen den TitelViztum mit Schweigen2).

Dieses Viztumamt kann nun aber naturgemäß nicht älter seinals das des Landeshauptmanns. Da dieses letztere, wie unten zu be-sprechen ist, erst zu Anfang der Regierung König Heinrichs nach-weisbar ist, so kann eine Identität zwischen dem bereits im 13. Jahr-hundert erscheinenden Vicedominat und dem gleichnamigen Amte unterMarkgraf Ludwig nicht bestehen. Letzteres kann sich aber auch nichtaus jenem älteren entwickelt haben, da die letzten Erwähnungen desälteren Vicedominates nicht über 1315 hinausgehen und während derganzen späteren Regierungszeit König Heinrichs kein Viztum mehr er-scheint.

Der Ursprung des Viztumamtes der Zeit Ludwigs des Branden-burgers muß vielmehr anderswo gesucht werden. Sehen wir nämlichdie anläßlich der Ernennung Loterpecks ausgefertigten Urkunden an,so deckt sich die darin demselben übertragene Machtfülle mit der-jenigen, welche damals einem bayrischen Viztum zukam.

In Bayern war es bekanntlich nach der ersten Teilung des Her-zogtums (1255) zur Einteilung des Landes in Viztumsprengel ge-kommen. In seinem Amtsbezirk nahm der Viztum, über den Richternund Pflegern stehend, als Vertreter seines Herrn eine der Würde diesesletzteren fast ebenbürtige Stellung ein, indem er nahezu zu allen Maß-nahmen in Rechtspflege und Gerichtsverwaltung befugt war und dieFinanzverwaltung seines Bezirkes leitete3).

Mit dieser vollständigen Stellvertretung seines Fürsten wurde nunauch Loterpeck betraut. Nur insoferne bestand ein Unterschied, in-dem hier im Gegensatze zu dem in Bayern gewöhnlichen Brauchezwischen dem Viztum und dem Landesherrn der Landeshauptmanneingeschoben erscheint. Das erklärt sich aber aus den abweichendenVerhältnissen in Tirol; überdies hatte gerade unter Ludwigs desBrandenburgers Vater, Kaiser Ludwig, in Oberbayern ein ähnlicher

delt , bei dem, wie gesagt, der Titel Vicedominus auf einem Irr tum Goswins be-r u h t . — Korrekt ist auch die Stel lung Loterpecks von Freiberg, Ludwig vonBrandenburg 198, 201 und von Ladurner, Archiv für Geschichte und Alter tums-k u n d e Tirols II, 29 aufgefaßt.

1) Forschungen u . Mittei lungen zur Geschichte Tirols u. Vorarlbergs IV, 22.2) Geschichte der landständischen Verfassung Tirols II , 90.3) Vgl. Riezler, Geschichte Bayerns II , 172—174 und bes. Ed. Rosenthal ,

Geschichte des Gerichtswesens u. d. Venvaltungsorganisation Bayerns I, 275—287.

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Zustand bestanden, indem der Kaiser wegen seiner häufigen Abwesen-heit einen Landeshauptmann ernannte, welcher über den Viztumenstand1). Wenn in Bayern mehrere Viztume mit abgegrenzten Spren-geln walteten, für Tirol aber nur einer eingesetzt wurde, so ist darin,kein Unterschied zu erblicken, denn dem Markgrafen, der mehrereTerritorien beherrschte, war Tirol eben nur ein Verwaltungsbezirk2).Wenn er hier nicht von Anfang an Viztume eingesetzt hatte, so istdas begreiflich. Denn in Tirol war, wie unten ausgeführt, das Hof-vicedominat in das Landeshauptmannamt übergegangen und wennauch während der späteren Zeit König Heinrichs kein Hauptmannmehr ernannt worden war, so war doch die Erinnerung daran leben-diger, als an das verschollene Viztumamt, das man damals nur vonBayern her kannte. Ein Grund, durch Anwendung des Titels Viztumdie provinzielle Empfindlichkeit zu verletzen, lag für Ludwig nicht vor.Tatsächlich finden wir unter Ludwig die Landeshauptleute, namentlich-den Herzog von Teck, in der fast fürstengleichen Stellung, welche dieViztume in Bayern einnahmen. Als aber die Ernennung eines Stell-vertreters des Landeshauptmanns rätlich schien, griff der Markgrafauf den ihm als Wittelsbacher vertrauten und sachlich passendenTitel Viztum zurück. Somit hat dieses jüngere Vicedominat, dessenGeschichte sich an der Hand der Kanzleibücher jener Zeit genau ver-folgen lassen wird, mit dem älteren tirolischen Viztumamt nur denNamen gemein.

Das Viztumamt der Zeit der Meinhardiner hat nun bereits La-durner gekannt3) und hat diese Vicedomini als Landeshauptleute auf-gefaßt. Die von ihm vertretene Anschauung, die Ausdrücke Vice-dominus, Provisor terrae und Capitaneus terrae bezeichneten denLandeshauptmann, hat sich Ladurner aber nur durch die Annahmegebildet, daß, wie bei Goswin, der in den Urkunden Ludwigs desBrandenburgers auftretende Vicedominus und folglich auch der Viztumder älteren Zeit als Landeshauptmann aufzufassen sei. Diese Theoriefällt durch den oben erbrachten Nachweis in sich selbst zusammen,daß Goswins Sprachgebrauch ungenau und der Vicedominus aus derZeit Ludwigs von Brandenburg nicht der Landeshauptmann ist. Um-

1) Riezler a. a. O. 528. Rosenthal a. a. O. 287.2) Unter Markgraf Meinhard III. scheint es dann aber tatsächlich auch in

Tirol zeitweilig zur Einsetzung von mehreren Viztumen (Hauptleute und Pflegerder Herrschaft Tirol oder Vicegerenten genannt) gekommen zu sein, vgl, Brandis,Landeshauptleute 89, Huber, Vereinigung 123,

3) Die Landeshauptleute von Tirol im Archiv für Geschichte und Altertums-kunde Tirols II, 1—40.

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somehr ist die Hereinziehung des älteren Vicedominats abzulehnen,die nur auf Wortgleichheit beruht.

Ganz unhaltbar ist natürlich die Auffassung der Provisores terraeals Landeshauptleute. Die volle Konsequenz daraus hat auch Ladurnernicht zu ziehen, gewagt, sonst hätte er für die Jahre 1312—1315zehn Landeshauptleute nebeneinander zu verzeichnen gehabt1). — Na-türlich soll mit dem hier Gesagten nicht die Möglichkeit geleugnetwerden, daß etwa auch einmal ein wirklicher Landeshauptmann un-eigentlich mit den erwähnten Ausdrücken bezeichnet worden seinmag, ein Beispiel bietet ja Goswin. Nur die grundsätzliche Auffassung

jedes Vicedominus u. s. w. als Landeshauptmann soll abgelehnt werden.Freilich, wenn Ladurners Beweisgründe auch nicht stichhaltig sind,

so kann er doch sachlich recht haben und deshalb muß zunächstauch das dargelegt werden, was sich betreffs jenes älteren Vicedomi-nats feststellen läßt.

Für dieses ist es nun charakteristisch, daß von Anfang an meh-rere Vicedomini nebeneinander nachweisbar sind. Bei Angaben, diesich auf Trientner Gebiet beziehen2), läßt es sich freilich nicht mitSicherheit entscheiden, ob es sich dabei nicht um die dort allgemeineingebürgerten Wirtschaftsbeamten3) handelt, denn die landesfürst-liche Verwaltung bediente sich in Südtirol durchaus der dort üblichenEinrichtungen.

Ganz ähnlich steht es bei Erwähnungen im Gebiete des Vinsch-gaus. Wenn hier von einem Vicedominat die Rede ist, so ist dabeian das im folgenden erwähnte bischöflich-churische Amt zu denken,zu dessen Wirkungskreis ja auch der Vinschgau zählte. Auch nichtnäher bezeichnete Viztume sind wohl als churische Beamte zu be-

1) Vgl. da rüber meine Bemerkungen in der Zeitschrift d. Ferdinandeums III,56, 263 ff.

2) 1290 Jul i 10 verrechnet Ulrich von Coredo (Cod. Tirol. 8 des ReichsarchivsMünchen, f. 43 ' ) : Item dominis Vlrico inveni e t Jacobo vicedominis pro expensisfactis in Ripa libr. 20. 1291 März 22. ra i ten die M a u t n e r in Riva (Cod. Tirol. 8des Reichsarchivs München, f. 9'): I tem libr. 63 sol. 7 p ro (expensis get i lgt) pisci-bus missis Tyrol e t expensis factis per mag i s t rum Rudolfum (den Domherrn vonTrient u n d Hofnotar, vgl . Mit tei lungen des Ins t i t u t s für österr. Geschichtsforschung9. Ergbd . 124 A. 2) et vicedominos in pascis p a l m a r u m .

3) Vgl. im folgenden. — W i e später (s. u.) die landesfürstliche Verwal tungdas Hofviztumamt zeitweise dem auch in der Finanzverwaltung tätigen Proto-notar übertrug, so hatte man auch bereits in Trient das Viztumamt mit dem desKämmerers kumuliert, vgl. Mitteilungen des Instituts für österreich. Geschichtsf.9. Ergbd. 174 A. 3.

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Die älteren landesfürstlichen Vicedominate in Tirol etc. 73

trachten1), denn mir ist kein Fall bekannt, in dem ein gräflich tiro-lischer Viztum für Vinschgau ausdrücklich als solcher bezeugt wäre.Wenn auch gelegentlich bei Zusammenstellung von Steuern nach Ein-hebungsbezirken der Vinschgau als solcher genannt wird2) und auchetwa einmal von „den Ämtern im Vinschgau“ die Rede ist3), so istes doch gerade im Hinblick auf das Hofvicedominat, dessen Einfluß-sphäre sich, wie im folgenden ausgeführt, gerade über den Vinschgauerstreckte, unwahrscheinlich, daß ein eigenes Viztumamt Vinschgaubestand.

Aber auch die übrigen, freilich sehr spärlichen Quellenstellenlassen mehrere Vicedomini nebeneinander erkennen, welche sichtlichnicht gleichgestellt waren. Am häufigsten erscheint der Vicedomi-nus curie, auch Vicedominus Tirolis oder Tirolensis genannt. Indieser Würde tritt, wenn man von einem nicht sicher deutbarenRegest absieht4), noch in der Zeit Herzog Meinhards II. der ProtonotarRudolf von Isny auf. Dieser Mann, ein Schwabe von Geburt, späterPfarrer in Mals und Notar Meinhards, wurde in der Folge Vorstandder herzoglichen Kanzlei und Hauskaplan auf Tirol5). Mit diesenWürden vereinigte er dann das Amt des Hofviztums, das er nach-weislich schon 1292 innehatte6) und erst in seinem Testamente 1306zurücklegte7). Ihm folgte auch im Hofviztumamte sein vermutlicherNachfolger in der Kanzleileitung, der Notar oder Protonotar Laurenz,

1) So etwa in Urkunde König Heinrichs von 1332 Mai 23 Tirol (Mohr, Codexdiplomaticus Rhaetiae III Nr. 20, Foffa, Münstertal Nr. 23, danach Zeitschrift d.Ferdinandeums III, 16, 116—120).

2) Vgl. Stolz, Archiv für österr. Geschichte 102, 288 A. 1.3) So erwähnt die Urkunde König Heinrichs für Vogt Egno von Matsch von

1319 Janua r 21 Tirol (Cod. 389 des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien f. 40Nr . 120) die Ämter Laas , Kastelbell und Glurns als „unseriu a m p t in demVinskew.“

4) Regesta boica IV 176: Meinhardus comes Goriciae e t Tyrolis KristanumVullarium judicem olim de Bozano procuratorem suum generalem nominat. 1282März 12 supra castrum Tyrol prope domum dominorum Tarantorum. DiesemRegest nach kann es sich hier auch um Bestellung eines Vertreters in einer be-s t immten Angelegenheit handeln.

6) Vgl. Mitteilungen des Instituts für österr. Geschichtsforschung, 9. Ergbd.

143—146.6) Vgl . die ebenda 145 A. 3 gedruckte Zeugenreihe des Notariatsinstruments

von 1292 November 25 ober Schloß Tirol (Or. Innsbruck, Statthaltereiarchiv,Schatzarchiv 1855).

7) Vgl . sein ebenda als Beilage VI gegebenes Testament von 1306 April 7Tirol. (Or. Innsbruck, Statthaltereiarchiv, Schatzarchiv II , 160). E rwähn t auchvon Ladurner , Archiv für Geschichte und Alter tumskunde Tirols II , 26—27.

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wohl ein Laie1). Dieser verzeichnete seine Ernennung zum Hofviztumeigenhändig in zwei Raitbüchern. Aus diesen beiden Notizen gehthervor, daß er das Vicedominat wahrscheinlich bald nach Rudolfsvon Isny Tod2) im Mai 1306 zunächst auf ein Jahr erhielt und daßihm nach Ablauf desselben das Amt aufs neue verliehen wurde3).Doch war Laurenz nur mehr eine kurze Wirksamkeit beschieden, daer eineinhalb Jahre nach dieser zweiten Verleihung bereits starb4).

Dann kam dieses Amt dem Zuge der Entwicklung nach5) auchin die Hände von Landherren; denn Werner von Tabland, der 1313als Vicedominus König Heinrichs genannt wird6) kann nur Hofviztumgewesen sein, da das nordtirolische Vicedominat damals in den Händenseines Kollegen im Landpflegeamt, Konrad Helblings, lag. Wie diesesAmt unter den außergewöhnlichen Verhältnissen der Jahre 1312—1315sich in das eines Hauptmanns an der Etsch wandelte, wird unten zusagen sein.

1) Ebenda 146—147.2) Wohl 1306 April 10; ebenda 146 A. 4.3) Laurenz notiert auf einem in Cod. Tirol. 4 des Reichsarchivs München auf

einem auf der Innenseite des Vorderdeckels aufgeklebten Zettel: Anno dominiM°CCC°VI1° (korr. aus VI°) die veneris XVII0 (korr. aus?) commissum est michiLaur[encio] offcium vicedominatus; und in Cod. 277 des Innsbrucker Staatsarchivsauf f. 1 ' : + C. Anno domini M°CCC°VII° (korr. aus VI°) die veneris XXVI° (korr.aus ?) maii commissum est mihi officium vicedominatus. Die zweite Verleihung fälltdemnach wohl auf den 26. Mai 1307. Die andere Angabe (17. Mai) ist wegendes dazu nicht stimmenden Wochentages, der sonst wohl auch korrigiert wordenwäre, weniger wahrscheinlich; ist übrigens wohl nur durch unvollkommene Kor-rektur der ursprünglichen Tagesziffer entstanden. Die erste Verleihung war, wieersichtlich, an einem Freitag im Mai 1306 erfolgt. In Betracht kommen der 6.,13., 20. oder 27. dieses Monats. Der Art der Korrektur nach hat am meistenWahrscheinlichkeit der 13. Mai für sich.

4) Vgl. Mitteilungen des Inst i tuts für österreichische Geschichtsforschung9. Ergänzungsband 147 A. 5, Forschungen und Mitteilungen z. Geschichte Tirolsund Vorarlbergs VI, 64.

5) Vgl. Egger, Geschichte Tirols I, 3 3 6 - 3 3 7 .6) 1313 Jul i 20, vgl. Ladurner im Archiv für Geschichte u. Altertumskunde

Tirols II, 27 ; derselbe erscheint als Hevenhere, Vicedom König Heinrichs, i neiner Urkunde vom gleichen Tage (Archivberichte aus Tirol IV, 448 Nr. 368)erwähnt?

(Schluß folgt.)

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Die älteren landesfürstlichen Vicedominate inTirol und die Anfänge der Hauptmannschaft

an der Etsch.Von

Richard Heuberger.(Schluß.)

Über die Befugnisse des Hofviztumamtes läßt sich nicht viel inErfahrung bringen. Daß das Wesen desselben in einer Stellvertreter -schaft für den Landesfürsten bestand, sagt der Name. In Vertretungdes Landesfürsten ermächtigt der Hofviztum Notare zur Aufnahmevon Zeugenaussagen1). Die finanziellen Seiten des Amtes meint wohldas Testament Protonotar Rudolfs, wenn es das Vicedominat unterjene Ämter rechnet „quibus pauperes vexabantur“2). Die Notizenin den Raitbüchern zeigen den Hofviztum vorwiegend mit finanziellenAufgaben beschäftigt. So empfängt er Gelder und sendet sie an denLandesfürsten3), erhält Summen für die Bedürfnisse des herzog-

1) Notariatsinstrument von 1313 Juli 20 Bozen, Archivberichte IV 448 Nr. 368:Hevenhere, Vicedom König Heinrichs, ermächtigt auf Bitte Reinbrechts von Payers-perch den Notar Volchmar, die Zeugenaussagen in seinem Rechtsstreit gegenRitter Rupert aus Passeier aufzunehmen. Hier erscheint der Hofviztum nichtin Vertretung des Fürsten als Partei, sondern in Vertretung des Landesherrn;denn derartige Ermächtigungen wurden regelmäßig von richterlichen bezw. Ver-waltungsbeamten des Landesfürsten erteilt.

2) Vgl. Mitteilungen des Instituts für österr. Geschichtsforschung, 9. Er-gänzungsband 387—389, Beil. VI.

3) Vgl. Raitung der Zöllner an der Töll und im Lueg von 1308. März 26Tirol (Cod. Tirol. 4 des Reichsarchivs München, unfoliiertes Blatt zwischen f. 39und 40): Item marc. 10 mihi Laur[encio], quas misi domino meo in vallem Eni.

Forschungen, X. 10

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R. Heuberger.

lichen Hofes1) und weist Spenden an2). Doch ist bei dem damalsnoch durchgängig in der landesfürstlichen Verwaltung herrschendenBrauch, die Beamten ohne Rücksicht auf ihren ordnungsgemäßenWirkungskreis zu verwenden, und dem Umstande, daß die eben ge-nannten Vicedomini curie nebenbei noch Kanzleivorstände undFamiliaren der Herzoge waren, nicht klarzustellen, ob sie diese Ge-schäfte in ihrer Eigenschaft als Hofviztume erledigten; auch sinddiese Verrichtungen so allgemeiner Natur, daß sich wohl von jedembeliebigen Hofmann die Ausführung derartiger Aufträge nachweisenließe. Darauf, daß der Hofviztum eine übergeordnete Stellung zummindesten gegenüber den Beamten des Burggrafenamtes einnahm,scheint es zu deuten, wenn gelegentlich in Rechnungen aus diesenGerichten der Name des jeweiligen Inhabers des Hofvicedominats no-tiert wurde3), wie auch die Zusammenstellung mit Amtleuten die Ver-mutung eines Subalternverhältnisses der letzteren nahelegt4). Auchdie Bemerkung im Testament Rudolfs von Isny5), er habe im Burg-grafenamt und im Vinschgau Nutzungen gehabt, kann ebenso wie aufdie Bezüge des Protonotars6) auf die des Hofviztums gehen. DieRaitungen der Inhaber des Hofvicedominates ergeben auch keine An-haltspunkte; wohl sind Rechnungen Rudolfs von Isny und Laurenz'erhalten; aber gerade die Rechnungen des letzteren zeigen, daß dieseRaitungen nicht mit dem Viztumamt als solchem zusammenhängen.Denn Laurenz legte schon als einfacher Notar, wie viele seiner Kol-legen Rechnung7). Vielleicht waren die Viztumsraitungen in einem

1) Vgl. den Posten in der gleichen Raitung (wie vorige Anmerkung): Itemdederunt ad expensas dominorum et dominarum inclusis assignatis domino Al-berto de Camiano, Laur[encio] vicedomino marc. 31 (libr. 5 getilgt) sol. 15.

2) Vgl. Raitung Volkmars, Richters zu Marling, von 1309 Juni 8 Tirol (Cod.Tirol. 6 des Reichsarchivs München f. 32): Item domine ducisse spadonem unumdatum Flachspergerio pro marc. 12 per literas Laur[encii] quondam vicedomini.

3) So in Raitung der Pröpste von Riffian, Bernhard u. Jenlin von Aichach, von1309 Aug. 14 Tirol (Cod. Tirol. 6 des Reichsarchivs München f. 5 7 ' ) : . . . in racionepreterita facta anno CCCVIII. die primo augusti tum Laurencio vicedomino . . . .

4) Vgl. die Aufzeichnung über die „expedita de phantlosa per dominumLaurentium vicedominum et officiales“ in Cod. 4 des Reichsarchivs München ein-geklebtes Blatt zwischen f. 2 ' und 3, erwähnt in Zeitschrift des FerdinandeumsIII, 42, 162 Nr. 310.

5) S. o. S. 123 A. 2.6) Vgl. Mitteilungen des Instituts 9. Ergänzungsband 150—151.7) (1297) Mai 5 Gries (Cod. 278 f. 15, Innsbruck Statth.-Archiv), 1298 Febr. 21

(ebenda f. 17), (1298) Juli 12 (ebenda f. 18), 1300 Dez. 30 (ebenda f. 20'), 1301März 13 (ebenda f. 23), 1302 Mai 7 (ebenda f. 23). Die von ihm verrechnetenSummen, bezogen meist von südtirolischen und von Zentralbeamten, bewegen

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Die älteren landesfürstlichen Vicedominate in Tirol etc. 125

jetzt verlorenen Sonderraitbuch enthalten, wie deren geführt wurden1)Laurenz machte sich dann noch — teilweise eigenhändig — währendseines Vicedominates Aufzeichnungen finanzieller und verwaltungs-technischer Natur in einem Raitbuch, das daher später als das „Viz-tumraitbuch der Grafschaft Tirol“ bezeichnet wurde 2). Doch gestattendiese Notizen über verschiedene Verleihungen, Verpfändungen undandere Verwaltungsakte keinen Schluß auf die Stellung des Schreibers,der diese Aufschreibungen eben in seiner Eigenschaft als Kanzleimit-glied fertigte. Über die territoriale Ausdehnung des Amtssprengelsdes Hofviztums läßt sich nichts ermitteln. Die Bezeichnung diesesBeamten als Vicedominus Tirolensis oder Tirolis zeigt, wie ja auchdie gewöhnliche Benennung, daß das Hofviztumamt ein Amt an derZentrale war3) Doch ist es bei der allgemeinen Lage des Schwer-punktes der Verwaltung und dem gewöhnlichen Aufenthalt des Hofesin Südtirol begreiflich, daß das Hofvicedominat hauptsächlich für dasLand an der Etsch von Bedeutung war. Tatsächlich finden sich nahezualle Erwähnungen dieses Beamten in südtirolischen Raitungen; wenner in nordtirolischen Rechnungen genannt wird, mangelt selten derZusatz „Tirolensis“, was sich übrigens aus der Sachlage erklärt4).

sich zwischen 160 und 1579 Mark, die Ausgaben, meist nicht näher begründetsind, soweit spezifiziert, meist Zahlungen an das herzogliche Gesinde oder auf Be-fehl der Herzoge an Gläubiger. Betreffs Rechnungen Rudolfs von Isny vgl. Mit-teilungen des Instituts für österr. Geschichtsforschung, 9. Ergänzungsbd. 172 A. 5.Vgl. betreffs Verwendung der Notare im Verwaltungsdienst ebenda 9. Ergänzungs-band 170—174.

1) Vgl. Mitteilungen des Instituts für österr. Geschichtsforschung, 9. Er-gänzungsband 113.

2) Repertorium des Schatzarchivs (Innsbruck. Statth.-Archiv) VI. 359: Ainraitpüch, darynn sein registriert der ämbter in das vizt mbambt der graf-schafft Tirol gehörig raittungen und bestännd auch müntzverschreibung an Meranalles bey regierung hertzog Otten und seins brüders künig Hainrichen circa annum1300. Elenda III, 1517: Im lädl raitt ngen ligt ain register, darauf steet underannderm geschriben vicztumbambt raitpuech Tyrol, darinn sein registriert etlichbrief, wie hertzog Otto von Kärndten die münnz an Meran verlassen hat 1306.Es ist das der Cod. 277 des Statth.-Archivs Innsbruck, früher unter Nr. 382 imHaus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. Beschreibung bei Böhm, Handschriften desHaus-, Hof- und Staatsarchivs 134 Nr. 382 und in Mitteilungen des Instituts f.österr. Geschichtsforschung, 9. Ergänzungsband 331. Die Angabe des Repertoriums,es seien Rechnungen der zum Tiroler Viztumamt gehörigen Ämter, ist irrig. Derjüngere Teil des Codex (vgl. Beschreibung), auf den allein sich der Titel beziehenkann, enthält keine Raitungen von Ämtern.

3) Vgl. als Seitenstück Mitteilungen des Instituts für österr. Geschichts-forschung 9. Ergänzungsband 108—109, 143.

4) Vgl. z. B. Cod. 4 des Reichsarchivs München f. 28 (Rechnung des RichtersCristan zu Imst von 1308 Jan. 4 Tirol): Item domino Laur[encio] notario et

10*

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126 R. Heuberger.

Verliehen wurde das Hofvicedominat wie die übrigen Ämter1)nicht als Lehen, sondern in der Form einfacher Übertragung auf be-stimmte oder unbestimmte Zeit. Die erwähnten Notizen, welche sichLaurenz betreffs seiner Ernennung machte, zeigen, daß er ursprung-lich auf ein Jahr, später wohl auf länger ernannt wurde; denn erblieb bis zu seinem Tod im Viztumamt2) und notierte nach der Er-nennung von 1307 keine weitere mehr. Ein Bestallungsbrief hat sich— derartige Ernennungen erfolgten damals meist schriftlich3) — nichterhalten.

Neben diesen Vicedomini curie sind aber auch loka le Viz tumenachweisbar. In Ulten bestand ein Viztumamt, das mit der dortigenPropstei zusammenfiel4). Während dieses Amt aber nur einen lokalenWirtschaftssprengel umfaßte und demgemäß — an die benachbartentrientisch-stiftischen Viztumämter erinnernd — nur örtliche Bedeutunghatte, stellten die Viztumämter im Inntale mehrere Gerichte zusammen-fassende größere Verwaltungseinheiten dar. Hier erscheint von 1308bis 1311 als Vicedominus des Oberinntals Heinrich von Hirschberg5),bereits im folgenden Jahre aber Konrad Helbling als Vicedominus desganzen Inntales6). Später scheint dieses Amt eingegangen zu sein,

vicedomino Tirolensi libr. 40; oder ebenda f. 26' (Rechnung Heinrichs von Hirsch-berg, Richters zu Landeck, von 1308 Jan. 2 Tirol): Item domino Laur[encio] no-tario et vicedomino Tyrolensi libr. 50 pabuli mod. 10. In Nordtirol war nochein anderer Viztum tätig s. u. S. 126 ff.

1) Vgl. Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichtsforschung 9. Er-gänzungsband 105. So verlieh auch König Heinrich dem Heinrich von Annen-berg das Burggrafenamt auf ein Jahr von kommendem St. Johannstag zu Sonn-wend an unter den gleichen Bedingungen, zu denen er es bisher innegehabthatte, (ca. 1326 Juni). Cod. 391 des Haus- Hof- und Staatsarchivs in Wienf. 22 Nr. 42.

2) S. o. S. 74.3) S. o. S. 69.4) In Urkunde Graf Meinhards II. von 1266 Okt. 16 Tirol (Stuttgart, geh.

Haus- und Staatsarchiv, Weingarten, tirolischer Besitz) erscheint unter den Zeugenneben Propst Arnold von Ulten ein H[einricus] vicedominus de Vltimis.

5) In Rechnung des Richters Cristan zu Imst von 1308 Januar 4 (Cod. Tirol.4 des Reichsarchivs München f. 29'): Item dedit ad expensas domini H[einrici]vicedomini avene st[richmaz] 6, vini pac[eidam] 1, pastus 31. Spätere Erwäh-nungen s. u. S. 128.

6) 1312 Oktober 29 Hall in Zeugenreihe: Chuonrad der Helblinch, vicztumund rihter ze Insprucke (Chmel, Der österr. Geschichtsforscher II, 356—359). InRechnung des Jacob und Arthes [von Florenz] über den halben Zoll in Innsbruckvon [1318 März 3 Meran] in Cod. Tirol. 11 des Reichsarchivs München f. 26:Item dederunt per unam literam domini Chunradi Obuli [ = Helbling] predicti inanno CCC°XIII° ad refectionem pontis ibidem [= Innsbruck] marc. 25 libr. 6

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Die älteren landesfürstlichen Vicedominate in Tirol etc. 127

denn es wird nicht mehr erwähnt. Erst in den Zwanzigerjahren des14. Jahrhunderts wird ein Pfleger im Inntal genannt, als welcher Sei-fried von Rottenburg erscheint1). Dieses Amt wurde aber 1329 vondiesem Landherrn zurückgelegt2) und während der weiteren Regierung

ipso existente vicedomino terre vallis Eni. 1313 Januar 21 wird bei der Jahrtag-stiftung der Frau Gerwig von Matrei unter deren Beiräten Konrad Helbling, desLandes Viztum und Richter zu Innsbruck, genannt. Der Titel „des Landes Viz-tum“ soll, — wenn er wirklich in dieser Form im Original steht, — in der imGebiete des Viztumamtes im Inntal ausgestellten Urkunde wohl den Viztum imInntal bezeichnen. 1313 Juli 15 Innsbruck, in Urkunde der zehn Landpfleger(Innsbruck Statth.-Archiv, Schatzarchiv 8454, Regest Schönachs in Davidsohns For-schungen zur Geschichte von Florenz II, 339 Nr. 110) erscheint unter den Aus-stellern : Chvnrad Helblinch von Strasfride, viztům in dem Inntale.

1) Als solcher genannt 1320 Juli 25, Regesta Boica VI, 43; 1325 Juni 30,Archivberichte aus Tirol III, 6 Nr. 8; 1326 August 24, Regesta Boica VI, 203;1328 Juli 25, Archivberichte aus Tirol III, 41 Nr. 204; 1329 März 20, Arch. f.Gesch. u. Altertumsk. Tir. IV, 5 9 - 6 0 ; 1329 April 16, Regesta Boica VI, 290;1329 Oktober 15, Cod. 391 f. 72'—73 Nr. 174 (Wien, Haus-, Hof- und Staats-archiv), 1329 November 10, ebenda f. 77' Nr. 187. In demselben Kodex f. 32—33Nr. 73 ist bei Eintragung einer undatierten Urkunde von ca. 1326 November 18—Dezember 12 vom Schreiber nach dem Namen Seifrieds von Rottenburg dasWort phl[eger] begonnen, aber wieder getilgt worden. Weitere Belege Archiv f.Gesch. u. Altertumskde. Tir. IV, 27-29.

2) Regest dieser Urkunde nach Schatzarchiv-Repertorium. II, 1128 (InnsbruckStatth.-Archiv): Ladurner, Archiv für Geschichte u. Altertumskunde Tirols II, 411Nr. 494. Die Urkunde, die sich im Haus-, Hof- und Staatsarchiv befindet undderen Abschrift ich meinem Freunde Dr. J. K. Mayr verdanke, ist am 16. April1329 ausgestellt und lautet: Ich Seyfrid von Rotenburch, phleger in dem Intal,vergihe an disem offen prief und tun chunt allen den, die in sehent oder hörentlesen, daz ich mit meinem herren dem edeln chünich Hainr[ich] von Pehaim undhertzog in Chärinden, graf ze Tyrol und ze Görtz geraittet han auf ain gantzesende von geriht, von urbor, von stiuwern und von allen amptern, die ich vonim inne gehabt han und von chost, von zerung, von laistung, von rossen undmaydenn, von potenlon und von allen sachen hintz auf disen hiutigen tach, alsodaz er mir nihtes schuldich ist beliben noch ich im, und sint alle prief und hant-vest ledich, als mein raytung sprichet, deu ich iezo getan han und sage auchin und sein erben für mich und für mein erben fürbaz ledich gar und gantz-leichen, darumb daz er mich gelediget hat hintz Volchmaren von Purchstal umbtausent march, darumb im mein herre Ratenberch versetzt hat und eingeantworthat den gelt, der darzu gehört, als deu hantvest sprichet, deu Volchmar vonmeinem herren darumb hat. Darüber gibe ich disen prief, versigelten mit mei-nem insigel, der geschriben ist, do man zalt von Christes gepurt dreuzehen hun-dert jar und danach in dem neun und zwaintzegisten jar an dem palmtag. —Or. Perg. (20.5 X 15.5 cm) Siegel Seyfrids von Rotenburch an Pergamentstreifenangehängt. — Leider läßt sich daraus aber nichts über den Charakter des vondem Rottenburger verwalteten Pflegamts im Inntale erschließen.

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128 R. Heuberger.

König Heinrichs anscheinend nicht mehr besetzt. Später wurde esallerdings mehrmals wieder aufgegriffen1). Dieses Pflegeamt dürftewohl eine Neuaufnahme des früheren Viztumamtes im lnntale sein.Ob es noch weitere Viztumämter gegeben und etwa vor 1312 dastirolische Unterinntal unter einem Viztum gestanden, auch in Süd-tirol neben dem Hofviztum ein anderer lokaler Viztum etwa in Vinsch-gau gestanden habe, läßt sich quellenmäßig nicht entscheiden. Mankönnte aus der Gliederung des Landes bei Steueraufzeichnungen aufExistenz von weiteren Viztumämtern schließen2), aber das vollständigeSchweigen der Quellen spricht eher dagegen.

Der territoriale Umfang dieser Inntaler Viztumämter hat somit. gewechselt. Dem Vicedominus des Oberinntals unterstanden die sechsoberinntalischen Gerichte Pfunds, Laudegg, Landeck, Imst, Petersbergund Hertenberg. Das geht ausdrücklich aus einer Urkunde der Kö-nigin Elisabeth hervor, die vier dem Viztum des Oberinntals unter-gebene Amtleute nennt3). Da nun der damalige Vicedominus selbstRichter von Landeck war und überdies an Stelle des verstorbenenRichters von Imst dieses Gericht verwaltete4), standen damals tat-sächlich nur vier Amtleute unter ihm. Auch eine Urkunde KönigHeinrichs dieser Zeit faßt die „iudices vallis Eni superioris“ — anerster Stelle ist Heinrich von Hirschberg genannt — als eine Einheitauf5). Demnach reichte das Gebiet des Oberinntaler Viztums bis andie Melach. Da 1312 bereits ein Viztum des Inntals und zwar alssolcher ein Richter von Innsbruck auftritt, so fand 1311/12 die Ver-einigung des ganzen Inntals unter e inem Viztum statt. Diese Schaf-fung einer größeren Verwaltungseinheit, welche ganz Nordtirol um-

1) Ladurner a. a. O. 24—25, Goswin v. Marienberg 202, 203.2) Vgl. Stolz im Archiv für österr. Geschichte 102, 288; einer dieser Steuer-

bezirke deckte sich mit dem Viztumamt Oberinntal.3) Nos Elizabeth quondam Romanorum regina presentibus profitemur, quod

strenuus vir H[einricus] de Hiertzberg, vicedominus in valle Eni superiori, e tquatuor officiati sui substituti pro expensis noatris factis in Stamps exposueruntsubnotata Insuper prefati vicedominus et officiati excrediderunt a monachisin Stamps Que omnia ad nostras expensas recognoscimus pervenire harumtestimonio literarum. Datum in Stamps anno domini M°CCC°XI° die beatiJohannis baptiste. 1311 Juni 24 Stams. Or. Pap. Litera clausa, ursprünglich m i trotem Siegel der Königin verschlossen, der ganze Text durchgestrichen. Als f. 70im Cod. Tirol. 6 des Reichsarchivs München eingeklebt.

4) Die letzte Rechnung des R i c h t e r s Christan von Imst lall t 1310 Jan. 22(Kogler, Archiv für österr. Geschichte 90, 499 A.); über die Zehentsteuer von 1311rechnet bereits Heinrich v. Hirschberg für den Verstorbenen ab (s. u. S. 130 A. 2).

5) Gedruckt Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen inBöhmen 1912, Jahrg . L, 628 -629 .

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Die älteren landesfürstlichen Vicedominate in Tirol etc. 129

faßte, geschah wohl kaum ohne Zusammenhang mit den Verwaltungs-ordnungen des Jahres 1312, welche das Landpflegerkolleg an dieSpitze der Finanzverwaltung stellten und Nord- und Südtirol ad-ministrativ trennten1).

Als Inhaber dieses inntalischen bezw. oberinntalischen Viztum-amtes erscheinen nun, wie die obengenannten Namen zeigen, Adelige;außerdem aber waren die Betreffenden auch angesehene Landherrenund Vertrauensmänner des Königs. Heinrich von Hirschberg undKonrad Helbling waren Räte des Königs und von 1312—1315 Mit-glieder des Landpflegerkollegs2): zu den ersten Adeligen im Landeund den fürstlichen Räten zählte auch Seifried von Rottenburg3).Außerdem waren es aber auch Leute, die in längerer Verwaltungs-tätigkeit Gelegenheit gehabt hatten, die Eigenart ihres Gebietes kennenzu lernen. Es scheint Regel gewesen zu sein, mit der Viztumswürdeeinen der Richter des betreffenden Landesteils zu bekleiden: Heinrichvon Hirschberg, Viztum im Oberinntal bis 1311, war etwa seit dem7. September 1299 Richter zu Landeck4), Konrad Helbling, 1312/13Viztum im Inntal, ungefähr seit dem 1. März 1308 Richter von Inns-bruck5). Seifried von Rottenburg vollends, der Pfleger im Inntal1320—29, war bereits ungefähr seit dem 6. Oktober 1300 Richterzu Thaur6); auch das Richteramt zu Rattenberg hatte er inne ge-habt7).

Die Verleihung dieser Viztumämter erfolgte selbstredend durchden Landesfürsten. Heinrich von Hirschberg war durch Königin Annawohl in Stellvertretung ihres Gemahls ernannt worden8). Die Formder Ernennung war vermutlich die gleiche wie beim Hofvicedominatund den andern Ämtern. Über ihre Amtsgebarung legten diese lo-

1) Vgl. meine Bemerkungen in Zeitschrift des Ferdinandeums III, 56, 263

—287 und besonders 266 A. 2. Ebenso unten 135 f.2) Vgl. Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichtsforschung.33,452 A. 3.3) Ebenda.4) Vgl. Archiv für österr. Geschichte 90, 502 A.5) Ebenda 592 A. 2.6) Ebenda 474—475 A.7) Mitteilungen des Instituts f. österr. Geschichtsforschung 33, 451 A. 2.8) Eine undatierte wohl 1318 ausgestellte Urkunde König Heinrichs (Cod.

389 des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien f. 30—30' Nr. 96) sagt: . . daz wir. . . uns verriht und veraint haben mit H [einrich] Hirzperch für sich fürsein hausfrawen . . . umb alle sache und umb alle gült, die wir im oder er unsgelten sol, ez sei von dem geriht ze Landeck, da er unser rihter was, oder vonder phleg der zehen phleger unsers landes, der er ainer was, oder von dem vicz-tum ampt, daz im empholhen het unser sælig hausfrawe chüneginne Anne . . . .

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kalen Viztume Rechnung1). Ihre Aufgaben als Vertreter des Landes-fürsten bestanden wohl im wesentlichen in einer Beaufsichtigung derVerwaltungstätigkeit und der Finanzverwaltung der ihnen untergeord-neten Richter; im Notfall traten sie auch für solche ein2). Darauf,daß die Viztume mit der Finanzverwaltung zu tun hatten, kann esdeuten, wenn in einer Aufzeichnung von 1306 über Einhebung einerSteuer, die nach größeren Talgebieten ausgeschrieben wurde, ein solcherSteuerbezirk Oberinntal war3). Bei der im tirolischen Verwaltungs-system üblichen Verbindung richterlicher und finanzieller Befugnisse4)steht zu vermuten, daß auch dem Hof- und den lokalen Viztumenerstere zustanden, doch hat sich kein darauf bezügliches Zeugnis er-halten5). Hauptsächlich war das Amt in Gegenden wichtig, die demgewöhnlichen Aufenthaltsort der Zentrale fern lagen. Daher lassensich, wie oben gesagt, m. W. nur im Inntale (und in Ulten) Viztumenachweisen6).

Nun erhebt sich noch die Frage, wo diese tirolischen Vicedomi-nate ihre Seitenstücke finden und woran sie historisch anknüpfen. Es

1) Konrad Helbling sagt in einer Urkunde von 1319 Febr. 25 (Cod. 389 desHaus- Hof- und Staatsarchivs in Wien f. 41—42 Nr. 123): . . . . daz ich michbericht han und veraint mit meinem herren dem edelen chunk Heinrich vonPehaim umb alle gulte und umb alle Sache . . . und umb die achthundert march,der er mir schuldich was an meiner lesten raitunge von dem viztumampt in demIntal und von dem gericht ze Insprukke. Diese Stelle schließt übrigens die Mög-lichkeit aus, das Viztumamt im Inntal mit dem Gericht Innsbruck, das auch Gerichtim Inntale hieß (vgl. Stolz in den Erläuterungen zum historischen Atlas der österr.Alpenländer 1/3, 1, 63), zu identifizieren.

2) So rechnet Heinrich von Hirschberg für den Richter von Imst ab: Itemanno et die et loco predicto [1313 Jan. 12 nach dem Wochen-, Jan. 13 nach demMonatstag] dominus Henricus Hirzperch fecit racionem loco et vice domini Chri-stani quondam judicis de Vmst de marc. 360 de judicio in Vmst receptis desteura decimali anno CCC°XI° (Cod. Tirol. 4 des Reichsarchivs München f. 60).1311 war Heinrich von Hirachberg noch Viztum im Oberinntal gewesen.

3) Vgl. Stolz im Archiv für österr. Geschichte 102, 206 A. 1.4) Vgl. Kogler im Archiv für österr. Geschichte 90, 460—462.5) Höchstens die Urkunde von 1313 Juli 20 Bozen könnte auf richterliche

Funktionen im weitesten Sinne gedeutet werden. S. o. S. 123 A. 1.6) Eine Urkunde König Heinrichs von ca. 1316 (eingelegt in Cod. Tirol. 12

des Reichsarchivs München zwischen f. 56'. und 57) für Kammerschreiber Ludwigund dessen Frau, die mit einem Befehl an Viztum, Richter, Amtleute und Försterschließt und sich auf Huben in Apantz und Tal bezieht, gehört wohl nicht hieher.Die Orte liegen vermutlich in K ä r t e n oder Krain. Bei der Erwähnung vonGütern in Wernberg (Kärnten), die „her Wulfinch der viztům“ besaß (UrkundeKönig Heinrichs 1329 Nov. 17 Innsbruck für Konrad Doner in Cod. 391 des Haus-,Hof- und Staatsarchivs Wien f. 78' Nr. 192) kann die Bezeichnung Viztum alsName gebraucht sein oder ein Kärntner Viztum gemeint sein

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wurde bereits oben erwähnt, daß der Titel Vicedominus in den ver-schiedensten Gegenden nachzuweisen ist und Amtleute mit den ver-schiedensten Befugnissen bezeichnet1). Auch in Tirol selber war nundiese Amtsbezeichnung seit langem eingebürgert und hier finden wirdie genauesten Analogien der späteren tirolischen Viztumämter. ImHochstifte Chur, dessen Besitz sich bis an das Stammschloß des TirolerGrafenhauses erstreckte, war der bischöfliche Vicedominus der obersteWirtschaftsbeamte und Verwalter der Zivilgerichtsbarkeit2). In Brixenwurde zu Ende des 11. Jahrhunderts dem ersten Dignitär des Hoch-stiftes, dem Dompropst, der Titel Vicedominus gegeben, daneben aberim 13. Jahrhundert derselbe Titel als gleichbedeutend mit Officialisgebraucht3). Ist hier eine Ähnlichkeit mit den entsprechenden Ein-richtungen der landesfürstlichen Verwaltung Tirols nicht zu verkennen,so finden sich die Ämter des Hofviztums und der lokalen Viztumevollkommen gleich im Bistume Trient durchgebildet4); auch hierfinden wir lokale Vicedomini mit richterlichen und wirtschaftlichenBefugnissen. Wie in der späteren Grafschaft Tirol wurden auch hierortskundige5), dem Ministerialenstand angehörige Männer, welche selberRichter waren6), zu diesem Amt erlesen. Wie in Tirol, so war auchin Trient das Amt in Gegenden, die fern von der Zentrale lagen, vonbesonderer Wichtigkeit7), wie der tirolische Viztum über den Richtern,so stand der Trientner über den Gastalden, auch in Trient trat dierichterliche Tätigkeit gegenüber der wirtschaftlichen in den Hinter-grund. Daneben aber tritt uns am bischöflichen Hofe — entsprechenddem Vicedominus curie oder Tirolensis — als erster Beamter desBischofs und dessen Stellvertreter der Vicedominus curie oder Tri-dentinus entgegen. Als derartige Vicedomini, erscheinen hohe Geist-liche8) und Hofbeamte9), wie ursprünglich in Tirol Hofbeamte (dieProtonotare), deren erster ebenfalls ein Geistlicher war.

1) S. o. 67.2) Vgl . J . G Mayr, Geschichte des Bistums Chur I, 546, 553.3) Vg l . Redlich, Acta Tirolensia I 133 N r . 389, 194 N r . 543, 195 Nr . 546,

195—196 N r . 547, 225 N r . 622, 243 Nr . 675, Sinnacher, Bei t räge zur Geschichteder Kirche Säben-Brixen V, 35, Cod. 277 ( Innsbruck Stat th .-Archiv) f. 32' u. s. w .

4) Vgl . v. Voltelini im Archiv für österr. Geschichte 94, 361—363.5) So w a r der Viztum des Nonsbergs , P e t e r von Malosco, selbst ein Nons-

bergcr (a. a. O.).6) Vgl . a. a. O. das über Pe te r von Malosco Gesagte. Der hier gemeinte

Judex n i m m t freilich eine andere Stel lung ein als der t i rol ische.7) W i e in Tirol n u r Viz tume des Innta l s b e k a n n t sind, so is t in Tr ien t

n u r über den Viz tum im Nonsberg Genaueres feststellbar (a. a. O.).8) Vol te l in i a. a. O. und in Zeitschrift des Ferdinandeums III , 33 , 123—124.9) E in Beispiel in Mit te i lungen des Ins t i tu t s für österr. Geschichtsforschung

V). Ergänzungsband 174 A. 3 .

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Bei der bekannten Art, in welcher die Grafschaft Tirol aus denbeiden Landesbistümern herausgewachsen ist, leidet es wohl keinenZweifel, daß die Einrichtungen des Hof- und des lokalen Viztumamtesnur Spezialfälle der in Südtirol seit jeher bodenständigen Institutiondes Vicedominats sind und daß namentlich der Hof des TrientnerBischofs das Muster für die analogen Einrichtungen des Hofes desbischöflichen Vogtes und Lehenträgers gegeben hat. Möglich ist esallerdings, daß für das Oberinntaler Viztumamt die entsprechendenVerhältnisse des benachbarten Bayern mit seinen lokalen Viztum-ämtern das Muster geboten haben.

Die Bedeutung des Nachweises eines lokalen Viztumamtes imOberinntal, später im ganzen Inntal, und der jüngeren Pflegschaft imInntal liegt darin, daß sich dadurch ein neues Glied jener Kette vonErscheinungen einfügt, welche auf ein zu verschiedenen Zeiten ge-fühltes Bedürfnis deuten, das Land nach größeren Einheiten zu glie-dern, als es die Gerichtsbezirke waren1). Hieher kann man schondie Grafschaftseinteilung rechnen, dann um 1300 die Gruppierung derSteuern nach den größeren Talgebieten — ein solcher Steuerbezirkdeckt sich bezeichnenderweise mit dem damaligen Viztumamt Ober-inntal2) — später die Vierteleinteilung des Landes. Wenn der Um-fang des Vicedominatus vallis Eni superioris gleich demjenigen derGrafschaft im Oberinntale war, beziehungsweise — wenn dieses Ge-biet nicht das einer einzigen Grafschaft gewesen sein sollte3) — dasGebiet zwischen Finstermünz und der Melach erfüllte, so muß einZusammenhang mit jenen älteren Verhältnissen nicht bestanden haben,sondern gleiche Bedürfnisse konnten gleiche Folgen erzeugen. DieVerhältnisse der Jahre, in denen König Heinrich Tirol verließ undhier eine von ihm eingesetzte Landpfleger-Kommission walten ließ,führten zur administrativen Teilung des Landes in zwei Sprengel (Nord-und Südtirol), deren jedem fünf der Pfleger vorstanden4). Damit warauch der Anstoß zur Zusammenfassung des ganzen Inntals untereinem Viztum gegeben. Regelmäßig finden wir dann als die beidenersten aus dem Kolleg Werner von Tabland und Konrad von Helb-ling genannt: ersterer — der Hofviztum, später, wie unten ausge-führt, Hauptmann an der Etsch — steht an der Spitze der fünf Etsch-

l) Dafür und für das Folgende Stolz, Archiv för österr. Geschichte 102,287 ff.

2) Ebenda 288 A. 1.3) Vgl. Stolz in den Erläuterungen zum historischen Atlas d. österr. Alpen-

länder 1/3, 1, 65 und im Archiv für österr. Geschichte 102, 95 ff.4) Vgl. Zeitschrift des Ferdinandeums III, 56, 275) A. 1.

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länder, letzterer, Viztumim Inntal, an derjenigen der fünf InntalerPfleger1). So mündete nun die Einrichtung der Vicedominate in einedas ganze Land umspannende Organisation aus.

Ladurner hat nun, wie oben erwähnt, das Viztumamt dem Amteeines Landeshauptmannes gleichgesetzt2). Es ist daher notwendig,kurz auf die Theorien über die Entstehung dieses Amtes einzugehen.Doch beschränke ich mich dabei auf das über die Landeshauptmann-schaft unter König Heinrich Gesagte, da die Betrachtung des Aufkom-mens dieses Amtes in der folgenden Zeit wieder eine Sache fürsich ist.

Die Annahme des Vorkommens eines Landeshauptmanns imJahre 1224 hat schon Hormayr3) verworfen. Die älteren Anschauun-gen von J. A. Freiherrn v. Brandis4) und F. A. Grafen v. Brandis5)sind durch Ladurners Ausführungen widerlegt worden. Dieser ge-

1) So stellen am 28. September 1314 zu Meran Werner von Tabland, Hein-rich von Schenna und ihre Genossen, die Pfleger an der Etsch, eine Urkunde fürKönig Heinrich aus (Cod. 389 des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien f. 62'Nr. 165); am 21. Dezember 1313 geben Konrad Helbling, Richter zu Innsbruck,Heinrich von Hirschberg, Ulrich von Hertenberg, Konrad Jäger und HeinrichGroppier für sich ( = die Inntaler Pfleger) und ihre Gesellen dem Heinrich vonTratzberg einen Schuldbrief (Innsbruck, Statth.-Archiv, Schatzarchiv 4258) Beioffizieller Nennung des gesamten Landpflegerkollegs stehen in der Regel KonradHelbling und Werner von Tabland als erste (Beispiele Zeitschrift des Ferdinan-deums III, 56, 270 A. 1, 279 A. 1, 285 Nr. II). Nur Ulrich von Rubein, der aberbald aus der Kommission austrat, wurde vor diesen beiden genannt (Beispieleebenda 269 A. 4, 282 Nr. I) und später als Geistlicher der Dompropst von Brixen(ebenda 287 Nr. III). Doch folgen auch hier auf Ulrich von Rubein bezw.den Propst unmittelbar Werner und Konrad. Noch deutlicher spricht sich dieRangordnung in der Reihenfolge der Namen in der von den Pflegern 1313Juli 15 zu Innsbruck ausgestellten Urkunde aus; s.u. S. 135 A. 4). Handelte essich um Vereinbarungen zwischen den fünf etschländischen und den fünf inn-talischen Pflegern, so schrieb Werner von Tabland als Vertreter ersterer an KonradHelbling als denjenigen der letzteren. Ein Beispiel der undatierte in Cod. 286zwischen f. 96' und 97 eingeschaltete Brief (Or. Pap.) betreffs des Verhältnissesder nord- und südtiroiischen Maße. Das Schreiben beginnt: Lieber prüder ChvnratHelblinch. Ich Wernher von Tablat pit dich ze gedenchen, daz ich und alle meinegesellen mit dir ze rate wurden ze Nalls, wie man allen amptleuten daz getraideschatzzen sol, wan wir daz maz pei der Etsch und in dem Intal gen anandergeahtet haben, daz den amptleuten paidenhalp geleich reht geschehe. Dann folgtder Tarif und kurze Bestimmungen.

2) Die Landeshauptleute von Tirol im Archiv für Geschichte und Altertums-kunde Tirols II, 1—40.

3) Sammler V, 50 A. 36.4) Geschichte der Landeshauptleute 20, 53—54.5) Ehrenkränzel 53—54, 125—126.

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langte, indem er eben von vornherein den Vicedominus (curie) alsLandeshauptmann auffaßte, zu dem Ergebnis, die Landeshauptmanns-würde sei unter Herzog Otto aufgekommen. Egger hinwieder fand— vermutlich im Anschluß an Ladurners Annahme — Spuren einesLandeshauptmannamtes bereits unter Meinhard II.1). Jäger endlichwußte, indem er Angaben Kinks ausbeutete2), zu erzählen, daß dasAmt eines Landeshauptmanns eine Frucht der abnormen Zuständeder Jahre 1312-1315 war3).

Diesen verschiedenen Theorien gegenüber wird es gut sein, dasTatsachenmaterial über die Anfänge der Würde eines Landeshaupt-manns anzusehen.

Dieser Beamte wird unter König Heinrich in zwei Urkunden ge-nannt, die beide Kink angeführt hat. In Cod. 389 des Haus-, Hof-und Staatsarchivs Wien f. 3 Nr. 34) ist ein undatiertes aber sicherzu 1315 gehöriges Privileg König Heinrichs eingetragen, worin er demJohann von Remüs zu der ihm zur Frau gegebenen Margarete vonSternberg 300. Mark Berner Heimsteuer und 30 Mark Gewere ver-spricht und Zahlungstermine sowie Sicherstellungen festsetzt. Darinheißt es: und were, daz der amptman in daran soumte5) an derwerunge, sol6) er sin gut an uns selben vordem ze iglichem ziloder an den, den wir ze hauptmanne setzen und lazen an unserrstat in dem lande; wurde im daz verzogen7) oder übervaren, so soler unsern lüten in dem vorgnanten gerichte iriu phant nemen umbals vil, als der sexte tail geziuhet ze allen zilen; und sol mit denphanden niht anders werben noch tun wan swaz wir oder unserhauptman in dem lande danne schaffet und haizet, also daz er gantz-lich gewert werde8). Die andere Belegstelle findet sich in einerUrkunde vom 28. September 1314 Meran. In diesem Stücke9) ver-setzen Werner von Tabland, Heinrich von Schenna und ihre Gesellen,

1) Geschichte Tirols I, 630.2) Akademische Vorleäungen über die Geschichte Tirols 350, 408—409.3) Geschichte der landständischen Verfassung II 23, 28—29.4) Danach Abschrift im Cod. 18 des Statth.-Archivs Innsbruck f. .16'Nr. 60,

nach der Kink a. a. O. und Ladurner a. a. O. zitieren.5) „ou“ undeutlich, weshalb der Abschreiber im Innsbrucker Cod. 18 das

sinnlose „fromte“ schrieb.6) Zweimal geschrieben.7) „zo“ über der Zeile von gleicher Hand nachgetragen.8) Der Satz „also — werde“ von gleicher Hand nachgetragen.9) Cod. 389 des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien f. 62' Nr . 1(35, danach

Abschrift im Cod. 18 des Staatsarchivs Innsbruck f. 35' Nr . 109, nach der Kinkund Ladurner zitieren.

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Pfleger bei der Etsch, dem Heinrich von Villanders für 340 MarkBerner Schuld seitens König Heinrichs einige Güter; dann heißt esweiter: und ist der satz geschehen mit unsers herren, dez edelenchunik H[einrichs] willen und auch von sinem geschefte, der uns zeboten sant hern Heinrich dem1) Gralande von Lewenburch, der diwil hauptman in dem lande bei der Ethzl) waz, und heren Wern-hern von Tablat.

Kink hat sich im Anschluß an diese Stellen über das Fehlenweiterer Nachrichten über Landeshauptleute in der Zeit König Hein-richs geäußert und ohne Zusammenhang damit behauptet, daß derVorstand der fünf Landpfleger an der Etsch Hauptmann an der Etschhieß2). Jäger hat dann unbegreiflicherweise diese beiden Angabenkombiniert und ist so zu der Anschauung gelangt, der erste Landes-hauptmann sei der Obmann der fünf Pfleger an der Etsch gewesen,obgleich ihm der Name des Hauptmanns im Lande an der Etsch(Heinrich Graland von Wasserleonburg) sowie der Wortlaut der Ur-kunden sagen mußte, daß der hier als Hauptmann Bezeugte gar nicht,dem Kolleg der Landpfleger angehörte3).

Nun Hegt aber noch ein drittes urkundliches Zeugnis vor, welchesKink und seinen Nachfolgern noch nicht bekannt war, wodurch aberdie ganze Sache ein anderes Aussehen gewinnt. Um die Mitte desJahres 1313 erscheint nämlich Werner von Tabland, der bisherigeHofviztum, als Hauptmann an der Etsch4). Durch diesen Beleg wirdKinks von Jäger übernommene, auf Grund der von ihnen gebrachtenNachweise unrichtige Behauptung — die ja für 1314/15 tatsächlich

2) Wofür er aber keinen Beleg brachte. Vgl . Zeitschrift des FerdinandeumsIII , 56, 266 A. 2, wo aber der Schlußsatz, der sich auf Egger-Ladurner stützt,als unr icht ig zu streichen ist.

3) Vgl. die Listen der Pfleger in Zeitschrift des Ferdinandeums III, 56, 282in Urkunde von 1312 April 13 Gries, 285 in Urkunde von 1312 Juli 16 Zenoburgund 287 in Urkunde von (1313 Mai 31) Laibach.

4) 1313 J u l i 15 Innsbruck (Innsbruck, Statth.-Archiv, Schatzarchiv 8454), Re-gest Schönachs in Davidsohns Forschungen zur Geschichte von Florenz IV, 339Nr. 110. Das Stück beginnt : Ich Wernher von Tablat haup tman pei der Etschund ich Chvnrad Helblinch von Strasfride, vi tztüm in dem Intal, Vlreich von Gorde,Hainrich Hirsperch, Hainreich von Schennan , Vlr ich , r ih ter ze Hertenberch,Chvnrad der J ä g e r , Götschil, r ihter ze Enne, Hainreich Groppier und Jacob vonFlorentze, wir zehen, die von ünsers genædigen herren wegen, dez edeln chünichHainreiches von Behaim, dez landes phlegær sein in dem lande und in der graf-schaft ze Tirol, Daneben wurde Werner aber in Pr ivaturkunden auchnoch um dieselbe Zeit (Juli 20) als Viztum bezeichnet (s. o. S. 123 A. 1), einZeichen, daß der neue Titel noch n ich t eingebürgert war.

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falsch ist — für 1313 als richtig erwiesen: tatsächlich führte derVorstand der fünf etschländischen Pfleger den Hauptmanntitel. Nochmehr: es wird auch Ladurners Annahme, das Landeshauptmannamtsei die Fortsetzung des Vicedominats gewesen, bestätigt. Man wirdfreilich die volle Gleichsetzung beider Ämter, wie sie Ladurner an-genommen hat, fallen lassen müssen, denn der Unterschied ist nichtzu verkennen, daß das Hofviztumamt ein regelmäßiges Hofamt war,während die Hauptmannschaft an der Etsch einer außerordentlichenMaßregel ihr Dasein verdankte und nach Wiederkehr normaler Zu-stände vorläufig wieder einging. Doch war das nur eine durch dieUmstände erzeugte Umbildung und im Grund hat Ladurner dochrichtig gesehen.

Nun ist auch die Entstehung der ersten Hauptmannschaft an derEtsch klar. Als König Heinrich durch die Einsetzung der zehn Land-pfleger am 13. April 1312 tatsächlich auf drei Jahre hinaus die wich-tigsten Geschäfte der Landesverwaltung Tirols in die Hände derPflegerkommission gelegt hatte, wollte er Tirol verlassen1). Tatsäch-lich hielt er sich während der folgenden Jahre meist in Kärnten undKrain auf. Wie oben erwähnt, stand der Hofviztum Werner vonTabland an der Spitze der fünf südtirolischen Pfleger. Da nun aberder landesfürstliche Hof nicht mehr im Lande war, hatte der TitelVicedominus curie seinen Sinn verloren und es wurde dafür der dieSachlage genauer bezeichnende eines Hauptmanns an der Etsch ge-wählt. Der Titel eines Hauptmanns war ja in Tirol nichts unge-wöhnliches. Nicht allein waren Meinhard I. und dessen Sohn Mein-hard II. selbst Hauptleute des Reichs in Steiermark, Österreich undKärnten gewesen2), auch die Landesverwaltung Tirol kannte Haupt-leute: so saß zu Trient ein landesfürstlicher Hauptmann3), ebenso zuPergine, im Nons- und Sulzberg4), zu Tenno5) und zu Ernberg6).Überall aber bezeichnet dieses Wort einen Stellvertreter eines abwe-senden Fürsten7), für Beamte der Landeszentrale wurde es nicht ange-

1) Vgl. Zeitschrift des Ferdinandeums III, 56, 279.. 2) Vgl. Böhmer-Ficker, Regesta imperii V/l, Nr. 3707, 3792, Böhmer-Ficker-

Winkelmann, Regesta imperii V/4 Nr. 11555, 11588, Redlich, Rudolf von Habs-burg 337.

3) Vgl. Kogler, Archiv für österr. Geschichte 90, 682 ff. A. 2.4) Vgl. ebenda 679 A. 1 und 4.5) Vgl. Mayr-Adlwang, Zeitschrift des Ferdinandeums III, 42, 139 Nr. 130.6) Vgl. Ladurner, Zeitschrift des Ferdinandeums III, 15, 25.7) Vgl. als Seitenstück dazu das von Ficker (Forschungen zur Reichs-, und

Rechtsgeschichte Italiens I 354 § 197 über den Gebrauch des Kapitäntitels imsizilischen Reiche K. Friedrichs II. Bemerkte.

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wendet. So war unter den gegebenen Umständen dieser Titel derzweckentsprechendste für das einstige Hofvicedominat.

Aber auch die Beschränkung des Wirkungskreises dieses neuenBeamten auf das Etschland, die schon Ladurner aufgefallen war 1),findet durch die Entstehungsweise des Hauptmannamtes seine Er-klärung. War schon der Schwerpunkt der Tätigkeit des früheren Hof-viztums im Süden gelegen, so war nun durch die Verhältnisse von 1312bis 1315 die Zweiteilung des Landes und Schaffung des ganz Nord-tirol umspannenden Viztumamtes im Inntal der Sprengel des Hofviz-tums noch schärfer begrenzt und es war nur der richtige Ausdruckder Verhältnisse, wenn dieser sich nunmehr Hauptmann an der Etschnannte.

So war nun eine Gleichstellung zwischen dem Hofviztumamt unddem lokalen Vicedominat eingetreten. Dennoch behauptete der Hof-viztum — nunmehr Hauptmann an der Etsch genannt — seinen Vor-rang. Wenn beide Beamte zusammengenannt sind, steht der Haupt-mann voran2) und für die Folgezeit hat allein das Hauptmannamt ander Etsch Bedeutung erlangt. Zunächst freilich hat das einstige Hof-viztumamt gerade durch die Verbindung mit dem außerordentlichenPflegerkolleg den bisherigen Charakter eines regelmäßigen ordentlichenAmtes eingebüßt. Der 1314 im Amte befindliche Hauptmann an derEtsch, Heinrich Graland von Wasserleonburg, der Abkömmling einesin Kärnten und in Südtirol begüterten Geschlechtes3) und langjährigerViztum in Krain4), war nicht mehr Mitglied des Pflegerkollegs undblieb auch nicht lange Hauptmann, denn bereits 1315 war das Amtunbesetzt5) und blieb es auch während der ganzen weiteren Regie-rungszeit König Heinrichs. Erst unter den Nachfolgern dieses Fürstenwurde es — auch unter ungewöhnlichen Umständen — erneuert undbehauptete von nun an seinen Platz in der Reihe der ordentlichenlandesfürstlichen Behörden Tirols.

Warum allerdings nach der Wiederkehr normaler Zustände dasAmt nicht wieder als Vicedominat regelmäßig besetzt wurde, bleibt

1) A. a. O. 24—25. Gerade in den Jahren der Teilung Tirols in die beidenSprengel Inntal und Etschland ha t te letzterer Ausdruck eine noch schärfer be-stimmte Bedeutung.

2) Vgl. die Urkunde von 1313 Juli 15 Innsbruck oben.3) Vgl. Mairhofen, Genealogien des tirolischen Adels, Ausgestorbene Ge-

schlechter Nr. 27, Manuskript im Ferdinandeum W. 13374.4) Eine Erwähnung Gralands als solchen s. O. S. 67 A. 2.5) Vgl. oben S. 134 die Stelle aus der undatierten Urkunde von ca. 1315.

Wenn in Urkunden König Heinrichs ein Amt erwähnt wird, welches besetzt ist,erscheint gewöhnlich die Wendung : N. N. und alle seine Nachfolger.

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138 R. Heuberger.

unklar. Vielleicht hatte man die ursprüngliche Bedeutung desselbenüber der neuen eines außerordentlichen Amtes aus den Augen ver-loren. Wahrscheinlicher ist aber eine andere Erklärung: Denkt mandaran, daß auch der Viztum für Nordtirol nicht mehr erscheint unddie Pflegschaft Seifrieds von Rottenburg im Inntale nur eine vorüber-gehende Episode blieb, so dürfte sich das Verschwinden dieser zwi-schen den Lokal- und Zentralbehörden eingeschalteten Ämter wohlals eine der Erscheinungen darstellen, in denen der Verfall des Ver-waltungswesens unter König Heinrich zum Ausdruck kam.