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Fortschritte bei Keramik Die anhaltende Nachfrage nach immer mehr Performance treibt die Weiterentwicklung von AUTOMOTIVE-BAUELEMENTEN AUF BASIS VON KERAMIKWERKSTOFFEN voran. AUTOMOBIL- ELEKTRONIK gibt einen Über- und Ausblick. D ass Automotive-Applikationen für Halbleiterhersteller und die Produzenten anderer elektro- nischer Komponenten einen ständig ex- pandierenden Markt darstellen, ist kein Geheimnis. Wenn in den letzten Jahren über diese Absatzchance gesprochen wurde, ging es meist um die Integration von Information und Unterhaltung – die so genannten Infotainment-Applikatio- nen, die beispielsweise in Form von Navi- gationsgeräten und anderen Audio/Vi- deo-Kombination angeboten werden. Gleichzeitig hat jedoch auch der Elek- tronik-Gehalt des Antriebsstrangs zuge- nommen. Jedes durchschnittliche Auto ist heute voller Mikroprozessoren, die mit elektronischen Sensoren, Aktoren und Messwertaufnehmern verbunden sind und viele verschiedene Aufgaben von der Bemessung der eingespritzten Kraftstoffmenge bis zur Klimaautomatik übernehmen. Im Gegensatz zur Welle von Infotain- ment-Geräten und anderen Aftermar- ket-Produkten gelten für sämtliche elek- tronischen Bauteile, die für wichtige Funktionen im Fahrzeuginnern oder im Antriebsstrang zum Einsatz kommen, die gleichen rigorosen Standards, die auch für andere Automotive-Komponenten gelten. Dies setzt ein erhebliches Engagement seitens der Zulieferer voraus. Wegen der hohen Ströme und Spannungen beim Verbrennungsprozess sowie infolge der elektromagnetischen Interferenzen, die in konventionellen Fahrzeugen sowie in künftigen Autos mit Hybridantrieb vor- kommen, stellt ein Kraftfahrzeug eine höchst anspruchsvolle Einsatzumgebung für elektrische Systeme dar. Dennoch ist und bleibt der Automoti- ve-Markt nur einer von vielen Märkten, in denen Elektronik und Halbleiter zum Einsatz kommen. Ebenso wie in den an- deren Märkten erwarten die Kunden re- gelmäßige Verbesserungen der Perfor- mance und des Preisniveaus. Kom- ponenten für diese widrigen Umge- bungsbedingungen müssen deshalb ei- nerseits strengen Standards gerecht wer- den und andererseits die gleichen Kos- tensenkungen und Feature-Verbesserun- BAUELEMENTE 36 AUTOMOBIL-ELEKTRONIK electronica – Sonderausgabe 2008

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Fortschritte bei Keramik Die anhaltende Nachfrage nach immer mehr Performance treibt die Weiterentwicklung von AUTOMOTIVE-BAUELEMENTEN AUF BASIS VON KERAMIKWERKSTOFFEN voran. AUTOMOBIL-ELEKTRONIK gibt einen Über- und Ausblick.

D ass Automotive-Applikationen für Halbleiterhersteller und die Produzenten anderer elektro-

nischer Komponenten einen ständig ex-pandierenden Markt darstellen, ist kein Geheimnis. Wenn in den letzten Jahren über diese Absatzchance gesprochen wurde, ging es meist um die Integration von Information und Unterhaltung – die so genannten Infotainment-Applikatio-nen, die beispielsweise in Form von Navi-gationsgeräten und anderen Audio/Vi-deo-Kombination angeboten werden.

Gleichzeitig hat jedoch auch der Elek-tronik-Gehalt des Antriebsstrangs zuge-nommen. Jedes durchschnittliche Auto ist heute voller Mikroprozessoren, die mit elektronischen Sensoren, Aktoren

und Messwertaufnehmern verbunden sind und viele verschiedene Aufgaben von der Bemessung der eingespritzten Kraftstoffmenge bis zur Klimaautomatik übernehmen.

Im Gegensatz zur Welle von Infotain-ment-Geräten und anderen Aftermar-ket-Produkten gelten für sämtliche elek-tronischen Bauteile, die für wichtige Funktionen im Fahrzeuginnern oder im Antriebsstrang zum Einsatz kommen, die gleichen rigorosen Standards, die auch für andere Automotive-Komponenten gelten.

Dies setzt ein erhebliches Engagement seitens der Zulieferer voraus. Wegen der hohen Ströme und Spannungen beim Verbrennungsprozess sowie infolge der

elektromagnetischen Interferenzen, die in konventionellen Fahrzeugen sowie in künftigen Autos mit Hybridantrieb vor-kommen, stellt ein Kraftfahrzeug eine höchst anspruchsvolle Einsatzumgebung für elektrische Systeme dar.

Dennoch ist und bleibt der Automoti-ve-Markt nur einer von vielen Märkten, in denen Elektronik und Halbleiter zum Einsatz kommen. Ebenso wie in den an-deren Märkten erwarten die Kunden re-gelmäßige Verbesserungen der Perfor-mance und des Preisniveaus. Kom-ponenten für diese widrigen Umge-bungsbedingungen müssen deshalb ei-nerseits strengen Standards gerecht wer-den und andererseits die gleichen Kos-tensenkungen und Feature-Verbesserun-

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gen bieten, die es auch in anderen Berei-chen gibt.

Vom Infotainment-Segment unter-scheiden sich diese Applikationen auch dadurch, dass die ausgefeilten Lösungen nicht auf die Oberklasse beschränkt sind, denn elektronische Systeme sind inzwi-schen wesentliche Bestandteile aller Mo-delle der Automobilhersteller. Von der allgegenwärtigen ECU im Antriebsstrang bis zu den Komfort und Sicherheitsfunk-tionen im Fahrgastraum wird auf der Komponenten-Ebene über die gesamte Produktpalette hinweg der gleiche Ent-wicklungsstand vorausgesetzt. Viele Märkte werden von diesen Entwicklun-

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ebenso anzuführen wie Ultraschall-Sen-soren für Einparkhilfen und Mikrowel-len-Filter im Navigationssystem. Es gibt noch viele weitere Beispiele dafür, wie keramische Komponenten die Leistungs-fähigkeit von Kraftfahrzeugen verbes-sern. Die gegenwärtigen Entwicklungs-vorhaben sind zahlreich und decken eine Vielzahl von Anwendungen ab.

Dass beispielsweise monolithische Mehrschicht-Kondensatoren inzwischen die Automotive-Applikationen dominie-ren, ist größtenteils der Entwicklung auf dem Materialsektor zu verdanken. Am weitesten verbreitet ist X7R, aus dem et-wa 80% der im Automotive-Bereich ver-

gen sowie von den Veränderungen pro-fitieren, die es in der Produktion von ke-ramischen Bauelementen und Baugrup-pen gegeben hat. Die Verbesserungen bei den Methoden und Werkstoffen zur Her-stellung keramischer Bauteile geben den Halbleiterherstellern die Möglichkeit, den Anforderungen des Automotive-Markts gerecht zu werden, woraus frei-lich auch andere Märkte ihren Nutzen ziehen.

Keramik-Anwendungen im Auto Man findet keramische Bauelemente in-zwischen überall im Kraftfahrzeug. Klopfsensoren für den Motor sind hier

Aufbau eines LTCC-Moduls von Murata

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wendeten Mehrschicht-Keramikkon-densatoren hergestellt werden, während die übrigen 20 % auf COG-Kondensato-ren entfallen.

Beide Arten kommen in Filter-Appli-kationen zum Einsatz, während X7R au-ßerdem in großem Umfang Kopplungs und Entkopplungszwecken dient. COG-Kondensatoren wiederum werden kom-men auf Grund ihrer hohen Stabilität in eng tolerierten Abstimm und Timing-Schaltungen sowie zur Temperaturkom-pensation zum Einsatz.

Höhere Kapazitäten bis über 100 μF Keramik-Kondensatoren stellen einen interessanten Kompromiss zwischen Größe, Kapazität, Stabilität und Durch-bruchspannung dar – durchweg Größen, bei denen es sich um Parameter des Di-elektrikums handelt. Das verwendete Keramikmaterial entscheidet über die Di-elektrizitätskonstante, die sich wiederum auf andere erwähnte Parameter aus-wirkt. Durch neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Keramikwerkstoffe ha-ben die Dielektrizitätskonstanten sowie die für eine bestimmte Kondensatorgrö-ße erreichbaren Kapazitäten drastisch zugenommen. Kondensatoren lassen sich deshalb mit weniger Schichten und folglich mit geringerer Dicke herstellen.

Dank dieser Entwicklungen bei den Werkstoffen steigen auch die Kapazitäten der Keramik-Kondensatoren. Die Ver-fügbarkeit von Versionen mit einer Kapa-zität von 47 μF bedeutet, dass anstelle von Aluminium oder Tantal-Elkos jetzt unpolarisierte Keramik-Kondensatoren zum Einsatz kommen können, was die Bestückung erleichtert. Nach Einschät-zung von Murata wird es außerdem bald Keramik-Kondensatoren mit bis zu 100 μF geben, denen schon in naher Zu-kunft noch höhere Kapazitätswerte fol-gen werden.

Resonatoren Ein weiteres Beispiel für Gebiete, auf de-nen im Automotive-Bereich andere Technologien von Keramik-Komponen-ten verdrängt werden, sind Resonatoren. Kommen Keramik-Resonatoren an Stel-le von Quarzen zum Einsatz, dann lassen sich Platz, Kosten und Energie einsparen. Dies ist teils der herausragenden Stabili-tät dieser Bauteile zu verdanken, denn diese macht sie zu idealen Kandidaten für CAN-Bus-Applikationen. Dieses Kom-munikations-Protokoll ist überaus jitter-empfindlich. Wie Untersuchungen erge-ben haben, weisen Keramik-Resonato-ren nur eine geringfügige oder gar keine Jitter-Zunahme gegenüber Quarz-Reso-

natoren auf und können problemlos die in CAN-Applikationen maximal zulässige Frequenz-Toleranz von ±1,5 bis ±0,3% einhalten.

Die ungefähr 50-prozentige Platz-ersparnis im Vergleich zu einem Quarz-Resonator kann sich angesichts der gro-ßen Verbreitung dieser Bauelemente zu einer erheblichen Einsparung an Platz und Kosten aufsummieren. Schließlich enthält ein typisches Auto bis zu 70 ECUs, die bis zu 35 Resonatoren benöti-gen. Zunehmend Verbreitung finden die-se Bauelemente auch in schlüssellosen Zugangssystemen, wo sie dank ihrer kür-zeren Anlaufzeit gegenüber Quarz-Oszil-latoren zur Senkung des Energiever-brauchs beitragen.

Piezo-Einspritzung Keramik-Bausteine dienen allerdings nicht nur zur Reduzierung des Kosten-aufwands, des Stromverbrauchs oder des Platzbedarfs. Die besonderen Eigenschaf-ten dieses Bauelemente ergeben im Au-tomotive-Bereich vielmehr auch signifi-kante Verbesserungen der Performance und der Anwenderfreundlichkeit. Dies hat noch deutlichere Ersparnisse zur Fol-ge, was die Auswirkungen auf unsere Umwelt betrifft.

Kraftstoff-Einspritzsysteme auf der Basis von Piezo-Aktoren sind einfacher sowie effizienter und senken den Kraft-stoffverbrauch laut jüngsten Studien um bis zu 15%. Ursache hierfür ist die durch die Piezo-Einspritzdüsen erzielte präzise-re Regelung des Kraftstoff-Luft-Gemi-sches im Brennraum. Das Anlegen einer Gleichspannung zwischen 100 und 200 V an einen 300-mm-Piezo-Aktor kann eine

infoDIRECT www.all-electronics.de Link zu Murata: 312AELeS08

Piezo-Aktor zur Kraft-stoff-Ein-spritzung

Auslenkung um bis zu 40 μm zur Folge haben – genug für die exakte Bemessung des Kraftstoff-Luft-Gemischs. In Benzin-motoren erzielte man mit dieser Technik bei unverändertem Kraftstoffverbrauch eine 20prozentige Leistungssteigerung.

Keramik im Getriebe Dieses Beispiel ist relativ leicht zu verste-hen, wenn man die Eigenschaften von Keramikwerkstoffen und den Piezo-Ef-fekt kennt. Es zeigt außerdem die Belast-barkeit der Keramik und ihre Eignung für noch widrigere Einsatzbedingungen bei-spielsweise direkt im Getriebe.

Hier war es mit Hilfe der LTCC-Tech-nologie (Low Temperature Co-Fired Ce-ramic) möglich, passive und aktive Bau-elemente in Module für Betriebstem-peraturen von mehr als 150 °C einzubau-en. Diese Module können auf Grund ih-rer Eigenschaften einerseits extremen Temperaturen widerstehen, doch ande-rerseits haben sie dank ihrer geringeren Abmessungen auch entscheidende elek-trische Vorteile. Mit nur 5% der Größe entsprechender Leiterplatten zeichnen sich diese Module durch deutlich nied-rigere Streukapazitäten und induktivitä-ten aus, was dieser Technik in leistungs-fähigen Hf-Applikationen zu gleicher Po-pularität verhilft.

EMV und Kommunikation Dies ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie das Eingehen auf die Anforde-rungen der Kunden aus dem Automoti-ve-Sektor auch der übrigen Industrie zu-gute kommt, wobei im Fahrzeug noch gravierendere EMI-Problemen existie-ren. EMI-Filter, eine weitere typische Ap-plikation für Keramik-Komponenten, stellen hier eine ausgezeichnete Lösung dar. An Verbreitung gewinnen in Auto-mobilen außerdem Mikrowellen-Filter auf Keramikbasis für die drahtlose Kom-munikation. Die Entwicklung passiver Bauelemente im allgemeinen sowie von Keramik-Bauteilen im besonderen wird durch die gleichen Nachfragetendenzen auf dem Markt vorangetrieben. Dank ih-rer besonderen Eigenschaften und der fortlaufenden Verbesserungen bei den Werkstoffen dürften keramische Bauele-mente mit der Zeit eine immer wichtige-re Rolle im Automotive-Markt und der gesamte Elektronikindustrie spielen. Reinhard Sperlich ist Sales und Marketing Manager bei Murata in Nürnberg

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