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Picavi: Die Brille als Computer Mal eben aus Tausenden Produkten eine Bestellung zu bedienen, das ist im Lager die Aufgabe der inzwischen so genannten „Picker“. Um die dafür nötigen Informationen zu erhalten, muss jeder Lagerist einen Computer mit Scanner bei sich tragen. Das geht auch einfacher, dachte sich Picavi-Gründer und Intralogistik-Experte Dirk Franke. Und entwickelte die erste vernetzte Datenbrille mit Scanner speziell für Picker. Die haben seitdem alle Informa- tionen direkt vor ihren Augen und damit beide Hände frei. Arbeit neu gedacht Wie können wir unsere Arbeit besser machen? Drei deutsche Familienunternehmer haben dafür die passenden Produkte erfunden. Sie zeigen beispielhaft, dass wir unsere Arbeitswelt gesünder und zugleich effektiver gestalten können Deutsche Bank_results

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Page 1: FOTOS: ESYLUX GMBH - db.com · beschreibt. Franke hatte 2013 mit Risikokapital ein Start-up gegründet mit einer einzigen Idee: Warum sollte man nicht Google Glass, die gerade

Picavi: Die Brille als ComputerMal eben aus Tausenden Produkten eine Bestellung zu bedienen, das ist

im Lager die Aufgabe der inzwischen so genannten „Picker“. Um die dafür

nötigen Informationen zu erhalten, muss jeder Lagerist einen Computer mit

Scanner bei sich tragen. Das geht auch einfacher, dachte sich Picavi-Gründer

und Intralogistik-Experte Dirk Franke. Und entwickelte die erste vernetzte

Datenbrille mit Scanner speziell für Picker. Die haben seitdem alle Informa -

tionen direkt vor ihren Augen und damit beide Hände frei.

Arbeit neu gedachtWie können wir unsere Arbeit besser machen? Drei deutsche Familienunternehmer haben dafür die passenden Produkte erfunden. Sie zeigen beispielhaft, dass wir unsere Arbeitswelt gesünder und zugleich effektiver gestalten können

Deutsche Bank_r e s u l t s

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 Das Arbeitszeitmodell des steinzeitlichen

Jägers und Sammlers war ziemlich über-

schaubar: Bei Tageslicht wurde gearbeitet

und gejagt, dämmerte es, kam die Gemeinschaft

zur Ruhe und sammelte sich am Feuer. Gesteuert

wurde dies durch das Licht, und so tickt die innere

Uhr des Menschen bis heute. Unsere Körperfunk-

tio nen werden vom Auf und Ab der Helligkeit ge-

steuert, „zirkadian“, also rund um den Tag, nennen

das die Fachleute. Viel kaltes blaues Licht am Vor-

mittag macht uns munter, das warme rötliche Licht

von Abendsonne und Feuer lässt uns entspannen.

Heute leben und arbeiten wir in künstlich be-

leuchteten Räumen. Und das Licht ist zwar hell,

aber, so das Ergebnis umfassender Forschung,

es ist für den menschlichen Rhythmus meist das

falsche: „Die Beleuchtung unserer Arbeitsplätze

reicht häufi g nicht aus, um die innere Uhr auf den

24-Stunden-Rhythmus zu synchronisieren“, so die

Kritik einer von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz

und Arbeitsmedizin in Auftrag gegebenen Studie.

Bürolicht mit Natureffekt

Falsches Licht bedeutet: müde am Morgen, halb

wach in der Nacht. „Licht ist ein Leistungsfaktor“,

weiß auch Oliver Segendorf, Geschäftsführer beim

Ahrensburger Leuchtenproduzenten Esylux. Er hat

deshalb ein biologisch wirksames LED-Lichtsystem

entwickelt, das sich im Tagesverlauf genauso dyna-

misch verändert wie natürliches Licht: vormittags

kalt und hell, abends warm und rötlich. Und das zu-

sätzlich abhängig vom Wetter. Wer dann noch mag,

kann sich sogar die Lichtkurven bestimmter

Sehen, was in Kisten verborgen ist – dank Picavi-Datenbrille können die Picker in den Lagern auf Scanner und Computer verzichten

Ein Arbeitsplatz für Beratungsprofi s

Bankkunden erwarten heute auch am Telefon echte Kompetenz. In den neuen Deutsche Bank

Beratungscentern sitzen deshalb keine Callcenter-Kräfte, sondern langjährige All-

rounder, die den vollen Service bieten. Für sie entwickelten die Gestalter eine diskrete,

zugleich aber auch teamfähige und kommunika-tive Bürowelt für die Beratung auch am Feier-

abend, denn geöffnet ist bis 20 Uhr, samstags bis 15 Uhr – erreichbar unter Tel. 069 910-10000

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beschreibt. Franke hatte 2013 mit Risikokapital

ein Start-up gegründet mit einer einzigen Idee:

Warum sollte man nicht Google Glass, die gerade

frisch entwickelte Datenbrille, so umbauen, dass

sie sich im Lager einsetzen lässt? Im privaten Be-

reich fand das etwas ungewohnt aussehende

Wearable keine Akzeptanz. Doch für industriel-

le Anwendungen erkannte Franke von Anfang

an das Potenzial. Und entwickelte in seinem

Unternehmen Picavi eine Software, mit der die

Datenbrille per WLAN permanent im Dialog mit

der Lager-EDV des Kunden steht. Mitgeholfen hat

dabei sein erster Kunde, der Aachener Kosmetik-

produzent Dr. Babor. Der war für seine Mitarbei-

ter im Lager auf der Suche nach einer schnelleren

und einfacheren Wegeführung. Aufgabe dieser

„Picker“ ist es, die Bestellungen zu kommissionie-

ren oder Neuware einzusortieren. Und das sind

mal eben über 6000 verschiedene Artikel in einem

Lager. Bislang erfolgte dies per Handscanner.

Start-up-Unternehmer Franke entwickelte eine

Datenbrille, in die alle nötigen Informationen auf

einem kleinen Display eingelesen werden. Dar-

in erhält der Lagermitarbeiter seinen nächsten

Auftrag (etwa: „Gehe zu …“), Lagerplatz, Name und

Menge der einzusammelnden Produkte.

Mit Datenbrille durchs Hochregal

Die Lageristen haben seitdem beide Hände frei,

die Akzeptanz des neuen Systems ist „extrem

hoch“, sagt Babor-Geschäftsführer Horst Robertz.

Er ist ein Mann, der weiß, dass ein erfolgreicher

Mittelständler schneller sein sollte als die Gro-

ßen, der, wie er es nennt, gern mal „das Ohr auf

die Schiene legt“. Das ist ihm gelungen: Dr. Babor

betreibt seit Mitte 2015 das erste per Datenbrille

betriebene Hochregallager weltweit. Morgens

berechnet der Computer die Wege und Jobs für

jeden Mitarbeiter, und dann geht’s los. Zeiter-

sparnis gegenüber dem Vorgängersystem: rund

18 Prozent. Seit bei Dr. Babor die Picker mit Daten-

brille laufen, geben sich in Aachen Medien und in-

teressierte Unternehmen die Klinke in die Hand.

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Esylux: Die LichtmacherMenschen ins richtige Licht zu setzen, das hat sich Esylux-Geschäftsführer Oliver

Segendorf zur Aufgabe gemacht. Und das ist wichtiger, als viele glauben. Denn das

Kunstlicht, in dem wir leben und arbeiten, ist alles andere als auf den natürlichen

Tagesrhythmus des Menschen abgestimmt. So entwickelten die Esylux-Forscher ein

Beleuchtungssystem, das erstmals automatisch die Schwankungen des natür-

lichen Lichts perfekt abbildet. Die wissenschaftliche Forschung belegt: höhere

Produktivität und besserer Schlaf durch die richtige Beleuchtung.

Städte oder Inseln programmieren. Das Licht

Roms in einem Büro in Schleswig-Holstein? „Ja, das

geht“, sagt Segendorf, er nutzt es selbst.

LEDs mit warmem oder kaltem Licht gibt es in

jedem Baumarkt. Die Innovation liegt darin, dar-

aus eine Leuchtquelle zu bauen, die in wechseln-

der Zusammensetzung kaltes wie auch warmes

Licht bietet. Es ist eine Software- und Steuerungs-

aufgabe, und die hat bislang keiner so markttaug-

lich gelöst wie das Familienunternehmen aus dem

Norden Hamburgs. Seit gerade mal einem Jahr gibt

es das zu kaufen, durch die neuen Leuchtsysteme

hat sich der Spartenumsatz bereits verdoppelt.

„Wir sind die Pioniere“, sagt Segendorf. Für die

Zimmer der Asklepios-Kliniken entwickeln die

Ahrensburger gerade eine eigene Lichtsteuerung,

auch hier dynamisch statt statisch.

Das neue „Biolicht“ ist noch eine sehr junge

Produktreihe des norddeutschen Produzenten in-

telligenter Beleuchtung. Doch es zeigt beispielhaft

die Innovationskraft deutscher Familienunterneh-

men, wenn es darum geht, Leben und Arbeiten in

Zukunft besser zu machen. Mal sind es regelrechte

Entwicklungssprünge wie bei Esylux, und mal liegt

die Innovation in einer kontinuierlichen Evolu tion.

Doch was sie alle verbindet: Entwickelt wird in

Deutschland, denn „German Engineering“ gilt als

weltweites Verkaufsargument.

Das erkannte auch der Unternehmer Dirk

Franke, ein umtriebiger Tüftler und Selfmademan,

der sich selbst als „EDV verstehenden Kaufmann“

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Robertz: „Das Interesse an dem Produkt ist riesig.“

Das kann auch Picavi-Chef Franke bestätigen, der

inzwischen den Innovationspreis-IT der Initiative

Mittelstand erhalten hat und für den Deutschen

Gründerpreis nominiert ist: Die Lagersysteme von

über 30 Kunden hat Picavi inzwischen mit dem

neuen „Pick-by-Vision“-System ausgerüstet.

Über zu wenig Bewegung müssen sich die Ar-

beiter im Lager nicht beklagen. Fast alle Büromen-

schen dagegen schon. „Sitzen ist das neue Rau-

chen“, heißt es inzwischen, die Folgen eines am

Stuhl festgeklebten Büroalltags lesen sich wie ein

Auszug aus den großen Volkskrankheiten. Dauersit-

zen macht krank, weiß auch Helmut Link, geschäfts-

führender Gesellschafter beim schwäbischen Büro-

und Industriestuhlproduzenten Interstuhl. Link

hat dem „Sedentary Lifestyle“, also dem sitzenden

Lebensstil, den Kampf angesagt. Wissenschaftler

der Universität Regensburg haben errechnet, dass

Erwachsene durchschnittlich über die Hälfte ihrer

Lebenszeit komplett im Sitzen verbringen. 40 Pro-

zent aller Deutschen, so die aktuelle Bewegungsstu-

die der Techniker Krankenkasse, verbringen Ihren

Acht-Stunden-Arbeitstag im Büro.

Es ginge auch anders: Stimmt der Arbeitsplatz,

steigt die Produktivität im Büro um fast ein Drit-

tel, hat kürzlich erst das Fraunhofer-Institut für

Arbeitswirtschaft und Organisation ausgerech-

net. Interstuhl, in den Sechzigerjahren gegründet

und inzwischen in dritter Generation geführt, ist

europäischer Marktführer für Bürostühle. Gerade

haben seine Entwickler einen völlig neuen Stuhl

auf den Markt gebracht, es ist ein Sitzmöbel, das

per Smartphone-App seinem Benutzer sogar Feed-

back zum Sitzverhalten gibt. „Wir messen Schritte,

Herzfrequenz, Kalorienverbrauch und Schlaf“, sagt

Link, jetzt sei es an der Zeit, auch mal das Sitzen

auszuwerten. Der intelligente Bürostuhl ist ein

kleiner Ausblick in die Zukunft, ein Thema für das

hauseigenen Forschungs- und Entwicklungs zen-

trum. Das Ziel: ein Stuhl, der sich seinem Benutzer

automatisch anpasst, vergleichbar den Memory-

Sitzen im Auto. Auch der beste Bürostuhl ist nicht

ausentwickelt, mehr adaptive, intelligente Materia-

lien und mehr Sensorik sind die Richtung. Da, sagt

Link, „ist noch eine Menge Potenzial“.

Doch Link weiß, dass selbst der beste Stuhl „kei-

ne Wunder bewirken kann“. Seine Produkte sieht

er deshalb als Teil einer neuen, mobilen Arbeits-

welt mit sich ständig neu defi nierenden Teams

und Projekten. In diesem Verständnis kommt die

traditionell sitzende und isolierte Büroarbeit am

Bildschirm in Bewegung, das intelligent gemachte

Büro ist „ein Ort der Begegnung und Mobilität“.

Und auch wer nur den Papierkorb braucht oder

den Drucker, muss aufstehen und laufen.

Jeder Extraschritt ist wichtig: „Wir brauchen

Bewegung wie Nahrung“, sagt Link. Denn der Jä-

ger und Sammler, das weiß auch ein Bürostuhl-

produzent im 21. Jahrhundert nur allzu gut, steckt

immer noch in uns.

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Selbst das richtigeSitzen wird erfasst und gesteuert

Interstuhl: Der Stuhl denkt mit Ob und wie wir uns im Büro bewegen, ist entscheidend für unsere Gesundheit.

Helmut Link, geschäftsführender Gesellschafter beim schwäbischen Sitz möbel-

produzenten Interstuhl, muss man da nicht überzeugen. Stimmt der Arbeitsplatz,

dann steigt die Produktivität je Mitarbeiter um fast ein Drittel, hat ein

Fraunhofer-Institut erst kürzlich errechnet. Link und seine Mitarbeiter wollen

das Sitzen deshalb neu erfi nden. Jüngstes Ergebnis: ein Bürostuhl, der per

Bluetooth und Smartphone-App das Sitz verhalten misst und kommentiert.

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