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Fournier'sches Gangrän beim Mann mit anschließender Mesh Graft Transplantation und Narbenbehandlung Fallbeispiel AZW Ausbildungszentrum West Projektarbeit zum Abschluss der Weiterbildung „Wundmanagement“ 2015 Betreuer: DGKP Veith Brüggemann, akad.Experte Intensivpflege vorgelegt von DGKS Manuela Wieser Naflastraße 46 j, 6804 Feldkirch [email protected] Feldkirch, im September 2015

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Fournier'sches Gangrän beim Mann mit anschließender Mesh Graft Transplantation

und Narbenbehandlung

Fallbeispiel

AZW Ausbildungszentrum West

Projektarbeit zum Abschluss der

Weiterbildung „Wundmanagement“ 2015

Betreuer: DGKP Veith Brüggemann, akad.Experte Intensivpflege

vorgelegt von

DGKS Manuela Wieser Naflastraße 46 j, 6804 Feldkirch

[email protected]

Feldkirch, im September 2015

Vorwort

In unserer strukturierten und geplanten Welt wird nicht mit unvorhergesehenen

Ereignissen gerechnet. Wir leben nach westlichen Standards in einem

Industriestaat. Die Konsumgesellschaft lockt immer mit den neuesten Angeboten

und es liegt im Trend, dass man jung, gesund und attraktiv ist. Mit der eigenen

Vergänglichkeit setzt man sich schon aus Prinzip nicht auseinander, bis…

Menschliches Elende

Was sind wir Menschen doch! Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen.

Ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit,

Ein Schauplatz herber Angst, besetzt mit scharfem Leid.

Ein bald verschmelzter Schnee und abgebrannte Kerzen.

Dies Leben fleucht davon wie ein Geschwätz und Scherzen.

Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid

Und in das Totenbuch der großen Sterblichkeit

Längst eingeschrieben sind, sind uns aus Sinn und Herzen.

Gleich wie ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfällt

Und wie ein Strom verscheußt, den keine Macht aufhält,

So muß auch unser Nam, Lob, Ehr und Ruhm verschwinden.

Was itzund Atem holt, muß mit der Luft entfliehn;

Was nach uns kommen wird, wird uns in Grab nachziehn.

Was sag ich? Wir vergehn, wie Rauch von starken Winden.

(Andreas Gryphius, 1637)

… das Unvorhergesehene doch geschieht.

Nun ist heute nicht mehr das Jahr 1637 sondern bereits 2015. Heute haben wir

moderne Krankenhäuser und bestens geschultes Personal. Krankheiten, die noch

vor wenigen Jahren tödlich geendet haben, können nun behandelt werden. Doch

die Gefühle der betroffenen Patienten könnte das Gedicht von Andreas Gryphius

durchaus auch heute noch wiederspiegeln. Der Weg der Genesung ist durch

Angst und Leid begleitet und der eigene Tod manchmal schon zum Greifen nah.

In der Abhandlung dieses Fallbeispieles, geht es um einen 63 jährigen,

alleinstehenden Pensionisten. Vorbestehend sind eine Epilepsie nach cerebralem

lacunärem Defekt und eine Hypothyreose bekannt. Aus früheren

Hautverletzungen haben sich mehrere hypertrophe Narben bei ihm gebildet, was

auf eine gewisse Veranlagung hindeutet. Er lebt bewusst gesund, bis er an einem

Fournier’schen Gangrän erkrankte. Durch ausgezeichnete intensivmedizinische

Betreuung konnte die Infektion rasch eingedämmt und eine weitere

Weichteilschädigung verhindert werden. Schon 3 Wochen nach der

Diagnosestellung wurde durch eine Hauttransplantation ein Wundverschluss

vorgenommen. Bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus dauerte es danach noch

einmal 6 Wochen, inzwischen konnte der Patient aber wieder voll in sein früheres

Leben zurückkehren. Er ist unendlich dankbar für alles, was in den verschiedenen

Krankenhäusern und auch im extramuralen Bereich für ihn getan wurde.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass Haut- und Weichgewebsinfektionen in

der Inzidenzrate hoch sind, und nach Kujath (2007) handelt es sich dabei um die

häufigste, operativ behandelte Erkrankung.

Ich bin bereits seit 20 Jahren diplomierte Krankenschwester und habe vor allem

auf onkologischen und inneren Stationen gearbeitet. Patienten mit solch großen

Weichteilinfektionen wurden aber bisher noch nie von mir behandelt. Im Rahmen

meiner Ausbildung habe ich dieses Fallbeispiel aus meinem Bekanntenkreis

aufgegriffen. So kam ich zum Beispiel das erste Mal mit dem Begriff der

hyperbaren Sauerstofftherapie in einer Druckkammer in Kontakt. Die nahtlose

interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik

Murnau (BGU) Murnau beeindruckt mich noch immer sehr.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ........................................................................................................ 1

2 Methode .......................................................................................................... 3

3 Definitionen ..................................................................................................... 4

3.1 Fournier-Gangrän ...................................................................................... 4

3.2 Hyperbaren Oxygenation (HBO)-Therapie ................................................ 5

3.3 Vakuumtherapie ........................................................................................ 6

3.4 Mesh Graft-Transplantation ....................................................................... 7

3.5 Trockene Wundbehandlung ...................................................................... 8

3.6 Feuchte Wundbehandlung ........................................................................ 9

3.7 Kompressionstherapie ............................................................................... 9

3.8 Narbenbildung ......................................................................................... 10

4 Fallbeispiel Herr L. ........................................................................................ 11

4.1 Chronologische Darstellung der Arztbriefe .............................................. 11

4.2 Anmerkungen zur Behandlung ................................................................ 20

4.3 Übernahme der Verbandswechsel für die Abschlussarbeit ..................... 24

5 Fazit .............................................................................................................. 36

6 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 37

7 Abbildungsverzeichnis................................................................................... 40

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

1 Einleitung

Lebensbedrohliche Krankheitsbilder können durch ein verbessertes

intensivtherapeutisches Management in den letzten Jahren deutlich effektiver

behandelt werden. Ein septischer Schock mit Organversagen in der Folge wird

häufig überlebt. Kritisch kranke Patienten verlassen immer öfters die

Intensivstationen und gelten dabei als genesen. Welche langfristigen physischen

und psychischen Probleme dem Patient dadurch aber entstehen, bleibt offen

(Panknin, 2012).

Mannigfaltige Veröffentlichungen beschäftigen sich mit dem ganzheitlichen Ansatz

in der Behandlung komplexer Wunden. So unterstreichen Moffatt et al. (2008) den

Einfluss psychosozialer Faktoren in der Wundheilung. Die Tragbarkeit der

Verbände, der Umgang mit Angst, Frustration und Schlafmangel beeinflussen das

Leben des Patienten und stellen gleichzeitig eine massive Anforderung an die

betreuende Pflegeperson. Demnach liegt der Schlüssel für eine wirksame und

angemessene Behandlung in dem Verständnis der komplexen Kombination von

Ursachen innerhalb und außerhalb der Wunde. So ist die Wundheilung nicht nur

von den Faktoren, die der Patient individuell mitbringt, abhängig. Dazu zählen

Komorbidität, Allergien, Medikation, psychosoziale Integration, Schmerzen,

Compliance. Es werden auch wundspezifische Faktoren wie Dauer der Heilung,

Wundgröße und -tiefe, der Zustand des Wundbettes, Durchblutung und

Entzündung, Lokalisation und Ansprechen auf die Behandlung beurteilt. Weiteres

ist die Fähigkeit und das Wissen in diagnostischen, therapeutischen und

interventionellen Belangen des medizinischen Fachpersonals maßgeblich. Zu

guter letzt werden noch Ressourcen und Verfügbarkeit, die durch das

Gesundheitssystem und die Einrichtungen vorgegeben sind, aufgezählt.

Komplexe Interaktionen, welche die psychische Reaktion und den Umgang mit der

Situation beeinflussen, sind gänzlich vom Patienten abhängig. Diese werden

durch frühere Erfahrungen und die individuellen Umstände, Werte und

Präferenzen beeinflusst. Die Lebensqualität wird dadurch weit über die offene

Wunde hinaus beeinflusst (Moffatt et al., 2008).

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Körber und Dissemond (2012) betonen, dass Therapieoptionen, die eine

stressfreie Umgebung für einen Verbandswechsel schaffen, nicht nur eine

adäquate Lagerung des Patienten beinhalten, sondern auch lange Wartezeiten

vermieden werden sollten, um die Planbarkeit für den Patienten zu gewährleisten.

Wird der Patient miteinbezogen oder durch verschiedene Medien abgelenkt, kann

dies zu einer Entspannung der Schmerzsituation führen.

In der folgenden Arbeit wurde der Name des Patienten durch „Herr L.“ ersetzt, um

die Persönlichkeitsrechte zu wahren. Alle beteiligten Personen sind damit

einverstanden, dass ihre persönlichen und medizinischen Daten für diese Arbeit

verwendet werden. Deren Einverständnis wurde schriftlich eingeholt.

Damit der Lesefluss nicht unterbrochen wird, ist im Folgenden auf die männliche

Form zurückgegriffen worden, schließt aber die weibliche Form mit ein.

Ein Interessenkonflikt durch genannte medizinische Produkte oder

Behandlungsverfahren besteht nicht.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

2 Methode

Eine wissenschaftliche Literaturrecherche wurde in verschiedenen Online-

Datenbanken in einem Zeitraum vom 23.04.2015 bis zum 28.04.2015

durchgeführt. Dazu wurden die Datenbanken PubMed, Medline (National library of

Medicine) und CINAHL (Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature)

aufgerufen. Um eine möglichst genaue Trefferquote zu erzielen, wurde mit

Kombinationen der Suchstichworte gearbeitet. Die Stichworte waren: Fournier-

Gangrän, hyperbare Sauerstofftherapie, nekrotisierende Fasziitis, Meshgraft,

Vakuumtherapie, Kompressionstherapie, hypertrophe Narben und trockene

Wundbehandlung, moderne Wundbehandlung, ganzheitliche Wundbehandlung,

Lebensqualität und komplexe Wunden.

Der Krankheitsverlauf wurde ab dem zweiten Krankheitstag und weiterführend auf

den stationären Einrichtungen begleitet und beobachtet. Die extramurale

Nachsorge, insbesondere die Wundbehandlung im häuslichen Umfeld des

Patienten wurde ebenfalls in den Beobachtungszeitraum eingeschlossen. Zur

Darstellung der Fallbeschreibung und des Krankheitsverlaufes des Patienten

konnten Arztbriefe, Befundberichte, persönliche Gespräche und Fotos

herangezogen werden.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

3 Definitionen

Folgend werden die wichtigsten Begriffe des Krankheitsbildes des Fournir´schen

Gangrän, die in Zusammenhang mit dem Fallbeispiel stehen, dargestellt und

definiert.

3.1 Fournier-Gangrän

Prof. Jean-Alfred Fournier beschrieb 1883 als erster diese besonders aggressive

Form der nekrotisierenden Fasziitis, er bezog sich dabei speziell auf

Erkrankungen von Männern (Scheer et al., 2009).

Der Chirurg Dr. Pfanner aus Innsbruck beschrieb 1918 ein nekrotisierendes

Erysipel, 1952 prägte Wilson den Begriff der nekrotisierenden Fasziitis. Die

Kriterien zur gültigen klinischen Diagnose wurden von Fisher und Conway 1979

festgelegt (Kujath et al., 2004).

Gekennzeichnet ist diese Erkrankung durch einen aggressiven, rasch

progressiven und fulminanten Verlauf. Die Ausbreitung des Infektes ist genital,

perineal, sowie perianal entlang der anatomisch vorgegebenen Faszienräume zu

erwarten. Nur selten kommt es dabei auch zu einer Muskelbeteiligung. Meistens

ist eine traumatisch verursachte bakterielle Mischinfektion der Auslöser (Kabay et

al., 2008). Heftige Schmerzen im Intimbereich sind ein klinisches Hauptsymptom

(Kujath et al., 2004).

Die Palpation des Infektionsgebietes ergibt ein teigig-sulziges Ödem und

charakteristisch ein subkutanes Gasknistern. Ein rascher progredienter septischer

Krankheitsverlauf ist kennzeichnend (Lampl et al., 2009).

Durch die freigesetzten Toxine wird schnell das Vollbild eines Schocks mit

Multiorganversagen hervorgerufen. Ohne sofortige aggressive Behandlung führt

dies oft zum Tod (Levett et al., 2015).

Die Häufigkeit der nekrotisierenden Fasziitis wird in unseren Breiten mit 1,5

Erkrankungen pro 100.000 Einwohner jährlich erwartet. Die Letalität liegt immer

noch bei 20 – 30 Prozent (Kujath, 2007).

Nach Kamper et al. (2009) ist eine rasche Diagnosestellung mit sofortigem

Therapiebeginn einer der wichtigsten Prognosefaktoren bei der nekrotisierenden

Fasziitis. Auffällige subkutane Gasansammlungen sind in der

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Computertomographie früh erkennbar. Zusätzlich wird die Beurteilung der

gesamten Ausdehnung erleichtert und das operative Débridement kann adäquater

geplant werden.

Um die Letalitätsrate des Fournier’schen Gangräns zu minimieren, ist ein

frühzeitiges, aggressives, chirurgisches Eingreifen unabdingbar (Scheer et al.,

2009).

Eine Second-Look-Operation innerhalb von 24-48 Stunden in Kombination mit

einem Breitbandantibiotikum gehört zur Standardtherapie (Kabay et al., 2008).

Durch die exzessiven Débridements entstehen oft große Weichteildefekte und

Wunden. Lange Krankenhausaufenthalte und lange Rehabilitationen sind dadurch

erforderlich (Levett et al., 2015).

Der hyperbaren Oxygenation wird als begleitende Therapie bei nekrotisierenden

Weichteilinfektionen ein direkter, bakteriostatischer Effekt gegen anaerobe

Bakterien und eine Stärkung der Phagozytoseeigenschaften postuliert (Kujath et

al., 2004).

Die Vakuumversieglung hat sich als Wundverschluss bewährt. Oft liegen noch

tiefe Gewebstaschen vor, welche durch den negativen Druck mit versorgt werden.

Zu Beginn der proliferativen Wundheilungsphase sollte eine plastisch-chirurgische

Rekonstruktion vorgenommen werden (Kujath et al., 2004).

Saubere Wundverhältnisse sind für die Planung der Deckung laut Angel et al.

(2000) unabdingbar.

3.2 Hyperbaren Oxygenation (HBO)-Therapie

Bei der Behandlungsform der hyperbaren Oxygenation wird der Patient in eine

Überdruckkammer verlegt. Diese wird zumeist mit 100prozentigm Sauerstoff bei

einem erhöhten Sauerstoffpartialdruck gefüllt (Lampl et al., 2009).

Die Kombination von Überdruck und Sauerstoffatmung ist dabei entscheidend.

Einzeln angewandt, kann der Effekt jedoch nicht nachgewiesen werden (Lampl et

al., 2009).

Klassische Indikationen der HBO-Therapie sind die Dekompressionserkrankung,

iatrogene Luft/Gas Embolien, spezielle Anaerobier-Infektionen und

Kohlenmonoxidintoxikationen. Zu den Kontraindikationen zählen der unbehandelte

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Pneumothorax, Epilepsie, Schwangerschaft, Emphysem oder thorakale

Operationen sowie Fieber und Hypothermie (Lampl et al., 2009).

Die pathophysiologischen Besonderheiten des Patienten sollten bei der

Indikationsstellung urteilssicher berücksichtigt werden. Die behandelnden Ärzte

müssen grundsätzlich notfall- und intensivmedizinische Fähigkeiten, sowie

immunologische Kenntnisse besitzen (Jaeger et al., 2002).

Die Behandlung wird sowohl in dem Zeitintervall, der Sauerstoffkonzentration und

dem verwendeten Druck dem Patienten angepasst. Ein komplettes

intensivmedizinisches Monitoring ist erforderlich. Die invasive Beatmung eines

Patienten bei respiratorischer Insuffizienz kann ebenfalls erforderlich werden. Ein

Arzt oder eine Pflegeperson ist kontinuierlich bei dem Patienten in der

Druckkammer anwesend. Die Behandlung birgt allerdings auch Risiken und dazu

zählen vor allem Druckschäden im Mittelohr. Bei beatmeten Patienten werden aus

diesem Grunde meist Paukenröhrchen im Trommelfell eingesetzt. Es kann auch

zum Auftreten eines Innenohrschadens oder Zahnschmerzen unter der

Behandlung kommen. Es wird auch von Lungengewebsschäden berichtet, die

einen Husten verursachen, jedoch den Lungenfunktionstest nicht beeinträchtigen.

Platzangst tritt nur bei einer geringen Anzahl der Patienten auf. Trotz all dieser

Nebenwirkungen kann der Benefit dieser Behandlungmethode nicht von der Hand

gewiesen werden (Levett et al., 2015).

3.3 Vakuumtherapie

Als nicht invasives Verfahren ist der vakuumassistierte Wundverschluss ein

geeignetes Mittel zur Förderung der Wundheilung. Kontrollierter, kontinuierlicher,

computergesteuerter Unterdruck wird über Polyurethanschwämme (PU) oder

Polyvinylschwämmen (PVA) auf die Wundoberfläche übertragen. Durch das

Absaugen von Wundsekret und die Reduktion von interstitiellen und

extravaskulären Flüssigkeiten wird eine Verbesserung der Mikrozirkulation

erreicht. Ein positiver Effekt auf die Gewebsproliferation und die lokale

Durchblutung wird erzielt. Die Vakuumtherapie wird als ergänzendes

Therapieverfahren nach chirurgischem Débridement von Horch (2004) positiv

bewertet. Weitere Vorteile sieht er in der Beschleunigung der Wundreinigung und

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

der Abschwellung des Gewebes, die Anregung von Granulation und

Epithelisierung und der Erhalt eines konstanten Wundmilieus. Durch das

geschlossene System werden Kreuzinfektionen verhindert und die

Verbandswechselintervalle werden länger (Horch, 2004).

Die Unterdrucktherapie in der Wundbehandlung hat laut Mazoch und Montgomery

(2015) das Management der Wundheilung revolutioniert. Diese Therapie wird

häufig für die Behandlung komplexer Wunden verwendet. Richtig angewandt kann

sie eine rasche Heilung bewirken, die bakterielle Belastung verringern und das

Einwachsen von Hauttransplantaten beschleunigen.

Auch Vogt et al. (2014) sehen die pumpengesteuerte Unterdrucktherapie als

wichtiges Therapieelement bei akuten, komplizierten und chronischen Wunden.

Vielfältige Perspektiven ergeben sich auch in der rekonstruktiven Chirurgie. Durch

verschiedenste Schwammmaterialien kann eine Verbesserung des

Gewebewachstums und Angiogenese, sowie der Abtransport von Exsudat und

Entzündungszellen positiv beeinflusst werden.

Der weiße PVA-Schwamm ist hydrophil und hat eine variable Porengröße,

wodurch er sich nach Maier et al. (2005) besser für akute Wunden eignet. PU-

Schwämme zeichnen sich durch die hydrophoben Konsistenz und die

gleichmäßige Porengröße aus, dadurch ist das Einsatzgebiet bevorzugt bei

chronischen Wunden zu sehen.

3.4 Mesh Graft-Transplantation

Laut Beier et al. (2010) gehört die Spalt- oder Vollhauttransplantation heutzutage

zu dem Goldstandard beim Verschluss von großen Substanzdefekten der Haut.

Voggenreiter (2009) unterscheidet grundsätzlich zwischen einer Transplantation

von Vollhaut und Spalthaut. Die Transplantate werden bei beiden Techniken ohne

Gefäßversorgung verpflanzt. Die Einsprossung neuer Gefäße dauert einige Tage

und in dieser Zeit werden Nährstoffe und Sauerstoff durch Diffusion

aufgenommen. Eine wesentliche Voraussetzung für ein erfolgreiches Einheilen ist

das Transplantatlager, so sind zum Beispiel Sehnen, Knochen und Knorpel

ungeeignet als Unterlage für ein Hauttransplantat. Die zweite Grundlage ist ein

sauberer Wundgrund ohne Infektionen. Spalthauttransplantate werden aus

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Anteilen der Epidermis und Dermis gewonnen. An der Entnahmestelle bleibt eine

Art Schürfwunde zurück, die bis auf die Basalmembran reicht. Das Transplantat

wird dann weiterverarbeitet: „Hierbei wird der Spalthautlappen durch eine

Messerwalze gitterförmig geschlitzt. Dieses Maschengitter läßt [sic] sich bis auf

die dreifache Größe dehnen“ (Schäffler et al, 2000, S. 1361).

Dieser Vorgang wird als „meshen“ und das daraus folgende Produkt wird als

Meshgraft (deutsch: Maschentransplantat) bezeichnet. Das entstandene Gitter

wird dann an die Wundfläche anmodeliert. Durch diese Oberflächenstruktur kann

Sekret aus der Wunde abfließen und es besteht die Möglichkeit, größere Defekte

zu decken (Schäffler et al, 2000).

Mahmud (2006) schlussfolgert, dass die Fixierung von Spalthauttransplantaten

durch eine vakuumassistierte Pumpe mehr Sicherheit und ein einfacheres

Betreuen der Patienten mit sich bringt. Wundsekret kann durch die

pumpengesteuerte Drainage aufgenommen werden. Vorteile sieht er auch im

Auflegen von Fett-Gaze-Streifen unter dem Schwamm, da es dadurch zu einer

erleichterten Abnahme des Verbandes kommt und das unabsichtliche Entfernen

des Transplantates verhindert wird. Ein leichter Druck beim Auflegen des

Transplantates auf den Wundgrund gewährleistet ein vollflächiges Einheilen des

Transplantates ohne Unebenheiten. Scherkrafteinwirkungen können unter dem

Schwamm verhindert werden. Um die Verschiebung oder Verwerfung des

Meshgraft-Transplantates beim Anlegen des Soges zu verhindern, empfiehlt

Mahmud (2006), den Schwamm mit Hautklammern oder Hautnähten zu fixieren.

3.5 Trockene Wundbehandlung

Im Wesentlichen umfasst diese Wundtherapie Farbstoffe, lokale antimikrobielle

Substanzen, diverse Topika und das Auflegen steriler Kompressen. Diese

genannten Verfahren weisen jedoch deutlich wundheilungshemmende

Eigenschaften auf, sind jedoch noch immer weit verbreitet (Tautenhahn et al.,

2007).

Da ein feuchtes Wundmilieu auch die bakterielle Kontamination der Wunde

begünstigen, wird die trockene Wundbehandlung vielerorts immer noch bevorzugt

eingesetzt (Hauser et al., 2006).

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

3.6 Feuchte Wundbehandlung

Auslösende Ursachen erkennen und behandeln, die Infektbekämpfung,

Maßnahmen zur Reperfusion und letztlich die kontrollierte Deckung gehören laut

Einsiedel et al. (2004) zu den Grundprinzipien der Wundbehandlung.

Interaktive Wundauflagen wie Schaumstoffe, Folien, Hydrokolloide, Alginate und

Hydrogele in Kombination mit bioaktiven Materialien wie Wachstumsfaktoren,

Keratinozytenkulturen oder Spalthaut gehören zu den Verbänden der neuesten

Generation. Die absorbierenden Eigenschaften ermöglichen eine gezielte

Behandlung und eine phasengerechte Wundtherapie. Zusätzlich kann mit

Silberauflagen die bakterielle Belastung der Wunden reduziert werden. Das

Verfahren der Vakuumversieglung hat sich bei größeren Defekten bewährt und

Wachstumsfaktoren setzen in der lokalen Wundbehandlung neue Akzente. Hierzu

zählen Hyaluronsäurederivate und Proteasenmodulatoren in Verbindung mit

interaktiven Wundauflagen. Wundsekret wird durch die Kombination aus

absorbtionsfähigen Auflagen und Semiokklusion adäquat aufgefangen und

dadurch eine feuchte Wundheilung ermöglicht (Tautenhahn et al., 2007).

3.7 Kompressionstherapie

Ein kontinuierlicher Druck zeigt deutliche Auswirkungen auf die Narbenbildung und

die Gewebsmodulation. Durch die lokal erzeugte Hypoxie des Narbengewebes

werden die Mastzellen reduziert und das Wachstum der Fibroblasten angeregt.

Spezielle Kompressionsverbände gibt es mittlerweile für jede Körperregion. Ihre

Anwendung wird aber von Chang und Ries (2001) als aufwendig und unbequem

beschrieben.

Allerdings zeigt sich gerade bei Problemzonen wie an Bauch, Brust und Hals,

dass der erforderliche Druck bei der Kompressionstherapie aufgrund des

Weichteilmantels nicht aufgebaut werden kann. Gegebenenfalls muss hier auf

zusätzliche Schaumstoff-, bzw. Silikoneinlagen zurückgegriffen werden. Zur

wirkungsvollen Therapie von Narben sollte eine Kompressionskleidung jeweils

individuell angepasst werden. Eine ungenau anliegende Kompressionskleidung

wirkt sich insuffizient auf die hypertrophe Narbenheilung aus und aufgrund des

Druckverlustes sollte die Kompressionskleidung regelmäßig ausgetauscht werden.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Nur korrektes und dichtes Anlegen der Kompressionskleidung kann der

durchschnittlich notwendige Wert von 26 mmHg in der Langzeittherapie

gewährleistet werden (Keller et al., 2014).

3.8 Narbenbildung

Der Prozess der Narbenbildung nach einer Verletzung bildet den Abschluss des

Heilungsprozesses. Auch wenn Narben Teil einer intakten Haut sind, können sie

doch kosmetische und funktionale Beeinträchtigungen verursachen. Dies kann für

den Patienten zu psychischen Problemen führen. In unserer westlichen Welt

werden Narben als entstellend empfunden. Deshalb ist bereits der Operateur

gefordert, von Beginn der Behandlung an eine möglichst gute Grundlage für ein

zufriedenstellendes Endresultat zu schaffen. Wenn Narben entstanden sind kann

man sie durch die Behandlung mit verschiedenen Wundauflagen noch nicht-

invasiv beeinflussen. Um die geeignete Behandlung auszuwählen, müssen

verschiedene Kriterien der Narbe berücksichtigt werden. Das Alter der Narbe und

die patientenbezogenen Eigenschaften, wie die Neigungen zur Keloidbildung oder

zur hypertrophen Narbenbildung, müssen berücksichtig werden. Da das

Narbengewebe nach drei Wochen erst 20 Prozent der Stabilität erreicht hat, kann

eine zu frühe Behandlung das Gewebe zusätzlich schwächen. Silikonauflagen

können verwendet werden, um hypertrophe Narben effektiv zu behandeln. Wird

ein Silikonsheet für zehn bis zwölf Tage täglich für 12 Stunden appliziert,

verkleinert sich die Narbe und ein Rückgang der Rötungen kann beobachtet

werden. Vitamin E-haltige Cremen und Salben haben nachweislich einen positiven

Effekt in der späteren Narbenbehandlung, da die freien Radikale im Gewebe

reduziert werden. Eine Narbenkompression unterstützt die Narbenmodulation

zusätzlich (Chang, Ries, 2001).

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

4 Fallbeispiel Herr L.

Die im vorhergehenden Abschnitt dargelegten Definitionen sollen das Verständnis

des folgenden Fallbeispiels unterstützen. Im Fallbeispiel wird der Krankheits- und

Genesungsverlauf eines 63jährigen Mannes mit der Diagnose des Fournier´schen

Gangräns von der Diagnosestellung über die Akuttherapie bis hin zur

extramuralen Wundbehandlung beschrieben. Der Verlauf der

Krankheitsentwicklung und des Genesungsprozesses wurde über einen Zeitraum

vom 27.02. bis zum 21.07.2015 beobachtet und dokumentiert. Nachfolgende

Arztbriefe und Befundberichte sollen einen Überblick über die Entwicklung dieses

Falles aus medizinischer Sicht vermitteln.

4.1 Chronologische Darstellung der Arztbriefe

Vorerkrankungen

1) bekannte Epilepsie nach cerebralem lacunärem Defekt mit hypoxischem

Hirnschaden

2) Hypothyreose

Röntgenbefund Landeskrankenhaus (LKH) Feldkirch, 26/02/2015, Dr. D.

Urbas

[…] seit 2 Wochen Unterbauchschmerzen links, Hodenabszess linksseitig,

Schwellung und Rötung bis in den linken Unterbauch ziehend, Resistenz im li. UB,

sonst Abdomen weich.

CT Abdomen, Abdomen & Becken, mit KM: Ausgedehnte 11 x 5,6 x 11 cm

messende Luft-Flüssigkeitsansammlung im linksseitigen Skrotum, vermutlich in

der Fascia spermatica lokalisiert. Die Luft- und Flüssigkeitsansammlung erstreckt

sich ventrolateralseitig entlang des Funiculus spermaticus in die links

ventrolateralseitige Bauchdecke mit Ausbildung einer kraniokaudal bis 90,

transversal bis 15 und sagittal bis 8,4 cm Durchmesser haltenden Luft- und

Flüssigkeitsansammlung entlang der oberflächlichen Faszie der

Bauchwandmuskulatur. Großflächig infiltrative Veränderungen im angrenzenden

subkutanen Fettgewebe. Deutlich vergrößerte, zum Teil verbackene inguinale

Lymphknoten mit bis zu 1,4 cm im Querdurchmesser. Keine intraabdominelle

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Ausdehnung. Ergebnis: Verdacht auf Fournier’sche Gangrän des Skrotums links

mit großflächiger Ausdehnung entlang der oberflächlichen Faszie der

Bauchwandmuskulatur links. […]

OP Bericht, LKH Feldkirch, 27/02/2015, OA Priv. Doz. Dr. A. Berger

[…] Akutvorstellung von Chirurgie bei klassischem Bild einer Fournie`schen

Gangrän, Ursache initial nicht erkennbar, septisches Bild mit Leberversagen;

Débridement scrotal, suprapubisch / Semicastratio links / Débridement linke

Flanke, Débridement linker Unterbauch.

Die sofortige OP Indikation wird gestellt. Klinisch zeigt sich ein massiv

aufgetriebenes Skrotum, eher linksbetont mit Knistern und subcutaner Ausbreitung

im gesamten Leistenbereich und im linken Unterbauch bis zur Flanke links, auch

rot durchschlagend durch die Haut.

Intraoperativ zeigen sich mehrere Taschen mit übelriechendem Eiter, der bis auf

die Fascie geht. Es werden alle nekrotischen Areale debridiert. Immer wieder

zeigen sich im Bereich der Leiste links und in Richtung Flanke Eitertaschen, wo

sich übelriechender, rahmiger Eiter entleert. Ein Abstrich wird entnommen und die

gesamten nekrotischen Areale debridiert und zur Histologie eingeschickt. Ein

transurethraler Katheder konnte nicht gelegt werden. Intraoperativ wird

ultraschallgesteuert eine suprapubische Blasenfistel angelegt.

Es erfolgt eine digital-rektale Untersuchung: Das Rektum scheint intakt zu sein. Im

Anschluss daran wird die Wunde in Kochsalz getränkten Tupfern eingepackt. Der

Patient wird anschließend umgehend via Rettungshubschrauber nach Murnau

transferiert, in die Hyperbare Druckkammer.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Abb. 1: Bilderreihe urologische Operation an der li. Leiste und Genitalbereich, 26.02.15 ©A.Berger

Patho-Befund, Mikrobiologie, LKH Feldkirch, 09/03/2015, Dr. S. Blassnig

Befund vom 27.02.2015

Diagnose: […] Haut-Weichteilexzisate mit ausgedehnter phlegmonöser, teilweise

flächenhaft nekrotisierender Subfasciitis- Fourunier´sche Gangrän.

Semikastratioresektat mit ausgedehnter phlegmonöser, teilweise nekrotisierender

Entzündungsinfiltration- Fourunier´sche Gangrän. […]

-Mikrobiologischer Befund (Institut für Pathologie, LKHF)

Detritus +++

Grampos. Kokken in Haufen +++

Grampos. Kokken in Ketten +

Grampos. Diplokokken +++

Gramneg. Kokkoide Stäbchen +++

Gramlabile Stäbchen +

Aerobe Kultur: Enterococcus faecalis ++

Anaerobe Kultur: Actinomyces turicensis ++

Actinomyces neuii ++

Veillonella parvula +

Peptoniphilus spezies ++

Peptostreptococcus species ++

Pilzkultur kein Wachstum […]

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Abschlussbericht HBO-Behandlung, BGU Murnau, 04/03/2015, Dr. H.

Schöppenthau

Behandlungszeitraum: 26. – 28.2.2015

[…] Bei der Notfalloperation im LKHF wurden alle sichtbaren nekrotischen Areale

entfernt. Weiters wurde […] mit Tazobactam begonnen.

Beim Eintreffen zeigte sich ein intubierter und beatmeter Patient. Sedierung mit

Propofol, Remifentanil, Katecholamine per Bolus während des Fluges. Gesamter

Unterbauch und linke Flanke waren großflächig mit Bauchtüchern verbunden.

Kräftige Sekretion. Keine weiteren offensichtlichen Verletzungszeichen.

[…] Erneut eine CT-Diagnostik: Hier zeigte sich ein Zustand nach ausgedehnter

Weichteilresektion Abdominalwand/Inguinalregion und Semikastratio links.

Flüssigkeitsansammlung konnte man nicht nachweisen. Kleinere Lufteinschlüsse

rechts skrotal, links angrenzend an die Adduktoren und perineal möglicherweise

nur postoperativ. Richtung kranial zeigte sich eine vermehrte Imbibierung der

oberflächlichen Muskelfaszie laterodorsal bis etwa Höhe 10. Rippe, im Anschluss

daran diskrete Imbibierung auch bis knapp axillär. Hier ist ein weiteres

Fortschreiten der Gangrän CT-morphologisch möglich.

Laborchemisch Leukozyten 14.300 und ein CRP von 26,7 – erhöhte Nierenwerte

und Zeichen einer Leberinsuffizienz.

Bei diesem Befund wurde eine erneute chirurgische Exploration, ein Debriment

und VAC-Versiegelung der Genitalgegend bis Abdomen/Flanke links durchgeführt.

Durch die Urologen wurde die penile Harnröhre genäht und der rechte Hoden in

die Leiste verlagert.

Postoperativ wurde uns der Patient noch am selben Abend zur adjuvanten HBO-

Therapie angemeldet.

-Druckkammertauglichkeits-Untersuchung:

61-jähriger Patient in red. AZ. Der Patient ist intubiert und kontrolliert beatmet bei

einem adäquaten Gasaustausch. Der Kreislauf musste mit einer geringen

kontinuierlichen Katecholaminzufuhr gestützt werden. […]

Paukenröhrchenanlage war erschwert möglich. […]

15

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Therapie: 4 HBO-Behandlungen nach dem Problemwundenschema TS 240/90

(3x30 Minuten Sauerstoffatmung mit 240 KPa Gesamtdruck, Therapiezeit pro

Behandlung 140 Minuten) […]

Abb. 2: Bilderreihe intraoperative Dokumentation BGU Murnau, 26.02.15 ©A.Lohmar

Abschlussbericht Zentrum für Intensivmedizin, BGU Murnau, 05/03/2015, OA

G. Lohmar

Behandlungszeitraum 28.2. – 05.03.2015

[…] Herr L. konnte noch am Abend des 27.02. extubiert werden, war jedoch in der

Folgezeit pulmonal eingeschränkt, so dass eine supportive NIV-Therapie

durchgeführt wurde. Die Katecholaminunterstützung konnte beendet werden. Die

initial durchgeführte antibiotische Therapie mit Tazobactam und Clindamiycin

konnte nach Erhalt der Wundabstriche mit Nachweis eines Enterokokkus faecalis

auf Tazobactam zurückgenommen werden.

[…] 02.03.2015, Nochmaliges operatives Débridement mit mikrobiologischem

Nachweis des bek. Enterokokkus faecalis und. Vakuumversieglung Genitalgegend

bis in die Flanke links. […]

Ärztlicher Bericht, Urologie LKH Feldkirch, 02/04/2015; TA W. Mathes

Behandlung: 05.03. bis 12.03.2015

[…] Therapie, VAC-Wechsel am 06. Und 09.03.2015 / Konsilium der Plastischen

Chirurgie / Konsilium für HNO. […]

Prozedere: Verlegung ad Plastische Chirurgie zur plastischen Deckung mit

Spalthaut. […]

16

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Konsiliarbericht Plast. Chirurgie, LKH Feldkirch, 09/03/2015, FA Dr. A.

Panzirsch

06.03.2015, Nach Entfernen des VAC-Systems zeigt sich eine insgesamt sehr

saubere Nekrosektomiewunde, die das linke Hemiskrotum und nahezu das linke

Hemiabdomen bis unter den Rippenbogen reichend einnimmt. […] Die Wunde ist

in guter Granulation, lediglich suprapubisch zeigen sich kleine belegte Stellen. Die

Wunde scheint infektfrei.

Heute wird nach Fotodokumentation und Reinigung mit Octenisept erneut ein

VAC-System angelegt. Konsiliarbericht Plastische Chirurgie, Empfehlung zum

Restdebridement und Deckung durch die Plastische Chirurgie in Anästhesie.

Konsiliarbericht HNO, LKH Feldkirch, 06/03/2015, AA Dr. A. Oberauer

Z. n. vorübergehender Paukenröhrchenanlage […] in Murnau für

Druckkammerbehandlung […]. Paukenröhrchen bereits wieder entfernt.

Konsiliarbericht Plast. Chirurgie, LKH Feldkirch, 09/03/2015, FA Dr. A.

Panzirsch

Nach Entfernen des VAC-Systems zeigt sich eine insgesamt sehr saubere

Nekrosektomiewunde […]. Weiterhin gute Granulierungstendenz mit sauberen

Wundverhältnissen. Lediglich im Bereich inguinal linksseitig noch deutlich

Wundsekret. Heute Fotodokumentation.

Wundreinigung mit Octenisept, anschließend erneute VAC-Anlage. Geplante

Übernahme am 12.03.2015 zur operativen Sanierung am 13.03.2015.

Patho-Befund, Mikrobiologie, LKH Feldkirch, 12/3/2015; Dr. H. Dirschmid

[…] Abstrich Oberschenkel, medialer Wundrand

Escherichia Coli +

Enterococcus faecalis +

Corynebacterium species +

Alle angeführten Keime sind auf die laufende Therapie mit Tazonam sensibel. […]

17

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Operationsbericht, LKH Feldirch, 13/03/2015, AA Dr. St. Winsauer

Rückenlage, Desinfektion und steriles Abdecken des Operationsgebietes durch

den Instrumentar. Im Bereich der debridierten Areale erfolgt erneutes Débridement

mittels Versajet bis sich ein schön blutendes Wundbett präsentiert. Anschließend

erfolgt entsprechend der Größe des Weichteildefektes die Abnahme einer

Spalthaut von den Oberschenkeln beidseits. Dort erfolgt eine Verbandsanlage in

typischer Art und Weise. Die Spalthauttransplantate werden gemesht und in den

Weichteildefekt eingeklammert. Abschließend Verbandsanlage mit Bactigras

sowie erneute VAC-Anlage. Intraoperativ Abstrichentnahme ad Pathologie.

Patho-Befund, Mikrobiologischer Befund, 17/03/2015, OA Dr. R. Stockinger

Abstrich […] (13.03.2015), Aerobe /Anaerobe Kultur: […] kein Wachstum. […]

Ärztlicher Bericht, Plast. Chirurgie, LKH Feldkirch, 27/03/2015, FA Dr. A.

Panzirsch

Behandlungszeitraum 12.03. – 28.03.2015

[…] Erneutes Débridement und Defektdeckung mittels Spalthaut-Mesh 1:1,5 vom

Oberschenkel beidseits am 13.3.2015 in ungestörter AN. […]

Es zeigt sich ein unauffälliger Verlauf. Es kam zu einem vollständigen Einheilen

der transplantierten Spalthaut. Diesbezüglich ist lediglich ein trockener

Schutzverband vonnöten. Herr L. ist voll mobilisierbar, erhält Vollkost. […]

Abb. 3: (Bild li.) nach 11 Tagen VAC Therapie, li. Unterbauch, 09.03.15 ©A.Panzirsch

Abb. 4: (Bild re.) 14.p.O.-Tag nach Spalthautransplantation, li. Unterbauch, 28.03.15 ©A.Panzirsch

18

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Konsiliarbericht, Urologie LKH Feldkirch, 24/03/2015, FA Dr. M. Letsch

Problemloser Wechsel des suprapubischen Katheters. Dieser sollte in 4 -6-

wöchigem Abstand durchgeführt werden. Eine Reevaluierung der

Harnröhrensituation kommt frühestens nach kompletter Wundheilung in Betracht.

Im Anschluss ggf. Harnröhren-Rekonstruktion bei Möglichkeit.

Ärztlicher Bericht, Nachsorge Maria Rast, LKH Feldkirch, 30/03/2015, OA Dr.

C. Solti

Behandlungszeitraum 28.03.2015 – 13.04.2015

[…] Zuweisung von der plastischen Chirurgie zur Weiterbehandlung,

Verbandswechsel und Physiotherapie. […]

Während der Behandlung auf der Nachsorgestation konnte er mehr als 2

Kilogramm an Gewicht wieder zunehmen. […]

Kontrolluntersuchung, Plast. Chir, LKH Feldkirch, 10/04/2015, FA Dr. A.

Panzirsch

[…] Die Spalthaut ist zu 100 Prozent eingeheilt, lediglich im Bereich der

Inguinalfalte und der linken Flanke zeigen sich kleinste hypergranulierende

Stellen, diese werden lapisiert. Die Abnahme am rechten Oberschenkel ist bland

abgeheilt. Die Abnahme am linken Oberschenkel etwas instabil, hier Eosin,

Adaptic, anschließend Tupfer, Idealbandage. Eine Kompressionshose nach Maß

wird verordnet.

Kontrolluntersuchung, Urologie, LKH Feldkirch, 21/04/2015, Dr. T. Eismann

[…] Suprapubischer DK Wechsel. Die Einstichstelle im Bereich der plastischen

Deckung ist reizlos. Kein Fieber oder Schüttelfrost. Insgesamt gestaltet sich die

Einlage der suprapubischen Blasenfistel erschwert. Bereits die Entfernung war

trotz entleertem Block nur auf starken Zug hin möglich. Dies war für den Patienten

recht schmerzhaft. Anschließend war die Einlage des suprapubischen

Blasenkatheters initial nicht möglich. Es erfolgte bei stark ausgeprägten

Schmerzen die Applikation von Novalgin 1g iv. Anschließend konnte über Draht

19

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

ein zentral offener Ch. 10 Katheter mit Block 5 ml problemlos eingelegt werden.

Anschließend entleert sich klarer Urin. […]

Kontrolluntersuchung, Plast. Chir, LKH Feldkirch, 24/04/2015, FA Dr. A.

Panzirsch

Das Transplantat zeigt sehr erfreuliche Verhältnisse, lediglich im Bereich der

Inguinalfalte noch die kleine hypergranulierende Stelle, hier jedoch nur

erbsengroß, heute wiederum Lapisierung. Die Abnahme am Oberschenkel auch

deutlich besser, während heute insgesamt sehr trockene Verhältnisse, im distalen

Bereich noch einige daumennagelgroße verkrustete Stellen, wo die Krusten noch

nicht gelöst werden können. Am Oberschenkel wiederum Adaptic-Tupfer,

Gekalast, Idealbandage. […]

Kontrolluntersuchung, Plast. Chir, LKH Feldkirch, 08/05/2015, FA Dr. A.

Panzirsch

Das Transplantat ist nun vollständig abgeheilt, eine Kompressionshose wurde

angepasst. Im Bereich der Abnahmen nun auch stabile Verhältnisse, lediglich an

einer Abnahme zeigt sich im proximalen Anteil noch eine kleinfingernagelgroße

deepithelialisierte Stelle, hier Versorgung mittels Curapor. […]

Kontrolluntersuchung, Urologie, LKH Feldkirch, 26/05/2015, Dr. N. Durakovic

[…] Noch liegende suprapubische Blasenfistel. Im mitgebrachten

Miktionsprotokoll hat er seit ca. 2 Wochen bei Spontanharnmengen zwischen 200

und 300 ml keinen Restharn mehr. In unserer Untersuchung ebenfalls

restharnfreie Miktion möglich.

Deshalb wird wie schon geplant die suprapubische Blasenfistel entfernt. […]

Kontrolluntersuchung, Urologie, LKH Feldkirch, 11/06/2015, Dr. R. Nägele

[…] Eine schmerzfreie Miktion ist möglich. […] Der Patient fragt, ob der rechte

Hoden, welcher sich in der rechten Leiste befindet, verlagert werden muss.

Nach Rücksprache mit OA B. kann der rechte Hoden jedoch in der rechten Leiste

bleiben. Der Hoden stört nicht weiter und wird dort belassen. […]

20

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

4.2 Anmerkungen zur Behandlung

Nachfolgend werden die persönlichen Beobachtungen und Eindrücke geschildert,

die während der Fallbegleitung des Patienten gemacht wurden. Spezielles

Augenmerk wird bei dieser Darstellung auf die psychologische Situation des

Patienten und die weiterführende Wundbehandlung gelegt.

Von Beginn der Beobachtungen an wurden nicht nur die Wunden betrachtet,

sondern der Mensch mit seinen Bedürfnissen. Die Aufgabe einer professionellen

Pflegefachkraft sollte immer ganzheitlichen Aspekten folgen. Erst wenn die

Grundbedürfnisse eines Menschen erfüllt sind, kann er genug Energie

mobilisieren, um gesund zu werden. Aus diesem Grund wurde schon während

des Krankenhausaufenthaltes für eine adäquate Schmerztherapie und

Ernährungstherapie gesorgt. Durch oftmaliges erneutes Beschreiben aller

geplanten Schritte, konnte Herr L. auch seine Ängste abbauen, da er auf das

Kommende vorbereitet war. Alleine durch die Gespräche, die während der

Hausbesuche mit Herrn L. geführt wurden, konnte sein Lebensmut und sein

Selbstvertrauen gestärkt und er sanft in die Welt eines Gesunden zurück geholt

werden. Der Grad der Anspannung kann bei ihm sehr einfach anhand seiner

Sprachstörungen gemessen werden. Fühlt er sich wohl, redet er in normalem

Tempo – hat er Angst, stammelt er nur noch einzelne Wörter. Er fühlt sich in einer

klar strukturierten Umgebung mit fest eingehaltenen Terminen am wohlsten.

Seine Angst, die Rettungsmänner nachts zu stören, hatte Herrn L. dazu bewogen

über viele Stunden immer wieder kalt zu duschen, damit er die unerträglichen

Schmerzen lindern konnte. Erst als es morgens hell wurde hat er die Rettung

informiert, zu diesem Zeitpunkt hatte er schon Anzeichen einer Sepsis. In der

Ambulanz hat er sich dann geschämt über die massiven Schmerzen im

Intimbereich zu sprechen, was seine Behandlung anfangs noch einmal verzögert

hatte.

Die Notfallversorgung im Landeskrankenhaus Feldkirch lief danach äußerst

schnell und reibungslos ab.

21

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Aufenthalt im BGU Murnau

Die Behandlung im BGU Murnau war so umfassend und weitsichtig, dass man

dies nur mit großer Bewunderung und Respekt erwähnen kann. Der Besuchs-

Betreuungs-Dienst auf der Intensivstation, der die Angehörigen auf die Situation

des Patienten psychologisch vorbereitet, ist ein Hinweis, für das

hochprofessionelle Vorgehen in dieser Institution.

Beobachtungen auf der Urologie, LKH Feldkirch

Behandlungszeitraum: 05.03. bis 12.03.2015

Die Ernährung ist durch mangelnden Appetit des Patienten nicht ausreichend, es

wird deshalb mit Resource Protein® begonnen.

Die Zeit bis zur plastischen Deckung war für Herrn L. durch Schmerzen und

Ängsten geprägt. Vor allem für die Verbandswechsel werden keine zusätzlichen

Analgetika verabreicht. Durch seine Vorerkrankungen ist er im schnellen Erfassen

und Zurechtfinden von neuen Situationen vorbestehend beeinträchtigt. Durch das

Durchgangssyndrom nach den Narkosen war er zusätzlich verlangsamt. Herrn L.

kann sich nicht erinnern, dass er über eine Paukenröhrchenanlage informiert

wurde. Er leidet unter Tinitus und weiß nicht weshalb.

Er, aber auch die betreuende Pflege, mussten viel Energie aufbringen, diese

schwierige Zeit zu überstehen.

Die Vakuumversieglung wird jeweils mit einem schwarzer Schwamm und 75 mm

Hg unter kontinuierlichem Sog angebracht.

Beobachtungen auf der Abteilung für Plastische Chirurgie, LKH Feldkirch

Behandlungszeitraum: 12.03. – 28.03.2015

Nach der Deckung war er völlig unvorbereitet, dass seine Wundflächen sich

verdoppeln werden. Die Entnahmestellen waren sehr schmerzhaft Diese Zeit

beschreibt er selbst als absoluten Tiefpunkt.

Auch bei den Verbandswechseln auf dieser Station wurden, trotz der Bitte des

Patienten, keine zusätzlichen Analgetika verabreicht.

Nach der Meshgraft Transplantation muss Herr L. sich selbst die beiden

Oberschenkel täglich mit zwei Föhnen für 20 Minuten kalt föhnen. Dies übersteigt

22

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

seine Kräfte bei Weitem, er hat zu diesem Zeitpunkt 15 Kilogramm abgenommen.

Für die Behandlung des kalten Föhnens konnte keine fundierten Studien gefunden

werden. Die verordnete Rückenlage auf der Weichlagerungsmatratze für 10 Tage

wird von ihm als äußerst unangenehm empfunden.

Vor allem die Spalthaut-Entnahmestellen am linken Oberschenkel sezernieren

noch stark. Hier wurden drei Bahnen mit jeweils einer Breite von 7 cm und einer

Länge von 19 cm entnommen. Alle vier Entnahmestellen werden täglich mit

Vaseline® eingecremt. Zum Ende der Behandlungszeit zeigen sich noch

nässende Stellen an beiden Oberschenkeln und in der linken Leiste. Blutige

Krusten und granulomatöse Hypertrophien sind auf etwa fünf Prozent der

Wundfläche zu finden. Einige zur Hypertrophie neigende Stellen sind bereits an

den Wundrändern, an der Flanke und in der Leiste zu sehen.

Der Patient leidet massiv unter dem Gefühl entstellt zu sein und sagt, dass er sich

„vor sich selbst ekelt“. Zum Ende der Behandlung auf der Plastischen Chirurgie

überwindet er sich, mit einem Spiegel die Wunden an den Oberschenkeln

anzusehen. Vorher hatte er nicht den Mut dazu. Die Wunde an seinem

Unterbauch kann anfangs gar nicht ansehen, erst Ende März kann er ein Foto

davon anblicken, da er dazu mehr Abstand hat.

Beobachtungen auf der Nachsorgestation „Maria Rast“, Schruns

Behandlungszeitzeitraum: 28.03. – 13.04.2015

Auf der Nachsorgestation in Maria Rast wurde Herr L. sehr ganzheitlich behandelt.

Er konnte Mut fassen und Kräfte sammeln für die erste Zeit zuhause. Immer

wieder erzählt er mit strahlendem Gesicht von den vielen netten Gesprächen mit

dem kompetenten Personal und der wertvollen Hilfestellung, die ihm geboten

wurde.

Eine intensive Physiotherapie konnte begonnen werden, der Therapeut kam

zweimal täglich zu ihm. Nach kurzer Zeit waren schon kurze Gehstrecken mit

einem Rollator über den Gang möglich. Gegen Ende der Behandlung in Maria

Rast kann er Gehstrecken von ca. 10 Minuten ohne Hilfe bewältigen.

23

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Es werden täglich trockene Verbandswechsel mit Adaptic Non-Adhering® und

Curapor® durchgeführt. Die Kompression der Oberschenkel mittels Ideal®

Bandagen wird von Seiten des Patienten nicht toleriert.

Nach dem plastischen Konsilium wird der linke Oberschenkel täglich zusätzlich mit

Eosin® getupft. Die nässenden Stellen in der Leiste werden täglich mit

Octenisept® gereinigt. Die Verbandswechsel werden als sehr schmerzhaft

empfunden und dauern jeweils etwa 40 Minuten.

Zu Behandlungsende sind noch sezernierende Wundanteile an der Unterseite der

Entnahmestellen des linken Oberschenkels und in der Leistengegend sichtbar.

Zu diesem Zeitpunkt kann Herr L. trockene Narbenanteile selbst mit Mandelöl

massieren. Die Wunde am Bauch kann er inzwischen auch mit einem Spiegel

ansehen. Er fühlt sich immer noch „wie ein Monster“ und kann mit dem neuen

Körperbild noch nicht umgehen. Öfters fragt er nach, ob das Niveaudefizit in der

linken Flanke „von selbst wieder nachwächst“.

Hauskrankenpflege

Behandlungszeitraum: 14.04. - 23.04.2015

Die Verbandswechsel durch die Hauskrankenpflege erfolgen jeden zweiten Tag.

Es wird mit physiologischer Natriumchloridlösung (NaCl 0,9%) gereinigt, kleine

Verkrustungen und Hautschuppen werden mit einer Pinzette abgetragen und

dann, wie von Maria Rast empfohlen mit Bactigras® und Curapor® verbunden.

Die Curapor® werden dachziegelartig übereinander geklebt, nachdem an der

Längsseite der Kleberand abgeschnitten wurde. Auf die weitere Behandlung mit

Eosin® wird nach Rücksprache mit der plastischen Chirurgie verzichtet.

Herr L. ist schon sehr sensibilisiert, er verkrampft sich bei jeder Berührung.

Teilweise atmet er auch nicht mehr aus. Er wirkt eingeschüchtert und sagt, dass er

an die Grenze seiner Belastbarkeit ankommt.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Curapor® nicht gut klebt und er immer

wieder Teile seines Verbandes verliert. Die Wundauflage hat keine Haftung mit

der Wunde, dadurch reibt der Verband mehr, als er schützt.

Die verschiedensten Schwierigkeiten, die beim Bestellen der verordneten

Heilbehelfe und Materialien aufgetreten sind, waren teilweise irritierend.

24

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Besonders schwierig war es, den Bandagisten von dem verordneten

Silikonüberzug für das Druckkissen der Kompressionshose zu überzeugen. Er

wollte viel lieber ein Ziegenleder auf dem viskoelastischen Schaum verarbeiten.

Plastische Kontrolluntersuchung, LKH Feldkirch

Termin am 24.04.2015

Es wird wieder am Oberschenkel mit Eosin® getupft und mit einem

Lapisstäbchen® gearbeitet. Die Fragen von Herrn L. über die Behandlung werden

nicht beantwortet. Für die Behandlung mit Eosin® konnte keine fundierten Studien

gefunden werden.

4.3 Übernahme der Verbandswechsel für die Abschlussarbeit

Nach Absprache mit Herrn L. und den Betreuern vom Ausbildungszentrum West

(AZW) werden ab dem 24.04.2015 die Verbandswechsel und Narbenpflege im

Rahmen meiner Abschlussarbeit übernommen.

Bei unserem ersten Treffen ist Herr L. orientiert, aber verlangsamt. Dies entspricht

seinem gewohnten Gesundheitszustand bei bekannter Epilepsie mit cerebralem

Defekt und hypoxischem Hirnschaden. Insgesamt ist er gut koordiniert, hat keinen

großen Appetit und leidet unter Angststörungen, die seit dem Beginn der

Intensivbehandlung anhalten. Die bisherigen Verbandswechsel hat er als sehr

unangenehm und schmerzhaft geschildert. Er hat auch Angst vor weiteren

Schmerzen, da bei den trockenen Verbandswechseln von den Ärzten die Pflaster

immer in einer schnellen Bewegung herunter gerissen wurden. Auf Verklebungen

mit den darunter liegenden Wunden, wurde nicht eingegangen.

Die größte Schwierigkeit zu Beginn der Wund- und Narbenbehandlung

meinerseits, ist noch gar nicht klar ausgesprochen worden: bei der Nekrosektomie

am 26.02.2015 wurde nicht nur die Faszie im Unterbauch sondern auch das

gesamte Lymphknotenpacket in der linken Leiste entfernt. Die dadurch

resultierende Lymphabflussstörung verzögerte die Narbenreifung und verursachte

immer wieder offene und nässende Erosionen.

25

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Pflegevisite am 24. April 2015:

Herr L. wird ausführlich über die geplante Wundversorgung aufgeklärt und

gebeten, die Pflaster selbst zu entfernen. Er ist überraschend schnell damit fertig.

Er erscheint noch skeptisch, lässt sich dann die Mepilex Border® aber anlegen.

Weiteres wird ihm aufgetragen, die nichtverbundenen Narbenareale zwei Mal

täglich mit Mandelöl über mehrere Minuten zu massieren.

Rechter Oberschenkel: Eine Entnahmestelle, die 7 cm breit und 19 cm lang ist.

Unten und lateral ist die Haut granulomatös und livide verfärbt. Das gesamte Areal

ist sehr trocken und schuppig. Laut Plastischer Chirurgie muss dieser Bereich

nicht mehr verbunden werden.

Reinigung: mit NaCl 0,9%. Diese ist angewärmt, wird als unangenehm

empfunden.

Verband: Wundumgebung mit Cavilonspray®, damit der Verband besser hält.

Pantothensalbe® zur Hautpflege und zwei Stück Mepilex Border® 15 x 15 cm.

Intervall: nächster VW in 3 Tagen.

Die Umgebende Haut ist völlig bland.

Linker Oberschenkel: Drei Entnahmestellen, die jeweils 7 cm breit und 19 cm lang

sind.

Laterale Entnahmestelle: Das Epithelgewebe ist granulomatös, unten fast derb

und zeigt eine Neigung zur Hyperthrophiebildung. die Farbe ist dunkelrot.

Mediale Entnahmestelle: Dieses Hautareal wurde mehrfach mit Eosin® behandelt

und ist himbeerfarben bis dunkelrot. Das Hautepithel ist im oberen Bereich glatt.

Ab der Mitte finden sich derbe, granulomatöse, fast bulbäre Strukturen. Im unteren

Drittel sind noch verkrustete Narben zu sehen.

Nassphase: für 15 Minuten mit NaCl 0,9%, dann Reinigung mit Debrisoft®.

Trockenphase für 5 Minuten.

Verband: Wundumgebung mit Cavilon Spray®, damit der Verband besser hält.

Pantothensalbe® im oberen Anteil zur Hautpflege, auf die Krusten am unteren

Rand wird NuGel® aufgetragen. Mepilex Border® vier Stück, 15 x 15 cm

überlappend.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Intervall: VW in 3 Tagen geplant.

Die umgebende Haut ist völlig bland.

Oberschenkel Innenseite: Diese Hautentnahmestelle ist zufriedenstellend

abgeheilt, teilweise schon Hautfarben, teilweise noch livide verfärbt.

Hautpflege durch den Patienten zwei Mal täglich mit Mandelöl. Diese

Entnahmestelle wird im weiteren Verlauf nicht mehr erwähnt.

Linker Unterbauch: Das Narbenareal verläuft teilweise entlang der Linea alba und

entfernt sich in Richtung cranial von dieser. Die vertikale Ausdehnung ist 17 cm

hoch, in der horizontalen Ausdehnung 19 cm breit und hat eine Dreiecksform.

Inguinal erstreckt sich die Narbe noch für 9 cm caudalwärts. Das Spalthautareal ist

eingeheilt und dunkelrot, am oberen äußeren Rand ist noch eine trockene Kruste.

Das gesamte Areal ist sehr schmerzunempfindlich, er kann

Temperaturunterschiede kaum wahrnehmen. Kälte ist prinzipiell angenehmer.

Laut Plastischer Chirurgie muss dieses Areal nicht mehr verbunden werden. Eine

Kompressionshose wurde schon verordnet und sollte demnächst angepasst

werden.

Der suprapubische Dauerverweilkatheter (DK) wurde im Krankenhaus mit

Schlitzkompressen und Mefix® verbunden.

Abb. 5: Bilderreihe zu Beginn der Wundbehandlung, von li. nach re.: der re. Oberschenkel, der li. Oberschenkel und der li. Unterbauch, 24.04.2015 ©M.Wieser

Pflegevisite am 27. April 2015

Die Mepilex Border® lassen sich erwartungsgemäß einfach und schmerzfrei

entfernen. Herr L. ist sehr froh darüber. Die nicht verbundenen Hautanteile

erscheinen überaus trocken. Herr L. wird instruiert, die Hautpflege dieser

27

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Hautareale weiterhin selbstständig zwei Mal täglich durchzuführen. Anscheinend

verwendet er sehr wenig Mandelöl.

Rechter Oberschenkel: Die Haut erscheint heute rot glänzend

Reinigung: Tupfer und NaCl 0,9%.

Verband: wie zuvor

Linker Oberschenkel

Laterale Entnahmestelle: Die Haut ist dunkelrot glänzend.

Mediale Entnahmestelle: Die Haut ist dunkelrot bis violett glänzend. Die zuvor im

mittleren und unteren Bereich beschriebenen granulomatösen Veränderungen

wirken trocken und krustig. Die zuvor mit NuGel® behandelten Krusten am

unteren Rand sind nun weich und lassen sich problemlos entfernen.

Reinigung: mit NaCl 0,9% (zimmertemperatur) und Debrisoft®. Von den mit

Eosin® behandelten Arealen lösen sich nur noch wenige himbeerfarbene Anteile.

Einige Krusten und Hautschuppen werden mit einer anatomischen Pinzette

abgetragen. Herr L. ist sehr schmerzempfindlich und reagiert auf jede

Manipulation.

Verband: Heute wird auf das NuGel® verzichtet, sonst VW wie zuvor.

Linker Unterbauch: Die obere äußere Ecke ist immer noch etwas verkrustet. Die

Haut ist dunkelrot und wirkt zu trocken.

Reinigung: mit NaCl 0,9%.

Verband: Wundumgebung mit Cavilonspray®, damit der Verband besser hält.

Pantothensalbe® und Mepilex Border® 7 x 10 cm. Auf der transplantierten Haut

hält das Mepilex Border® nicht gut. Mefix-Pflaster® halten gar nicht.

Der suprapubische DK (liegt mitten in der transplantierten Haut) wurde mit

Octenisept® gereinigt und dann mit Schlitzkompressen und Mepilex® verbunden.

Der Verband von der dermatologischen Ambulanz hatte sich heute Nacht gelöst

und war nicht mehr auf der Einstichstelle.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Abb. 6: Bilderreihe nach dem ersten Verbandsintervall, von li. nach re.: der re. Oberschenkel, der li. Oberschenkel und der li. Unterbauch, 27.04.2015 ©M. Wieser

Pflegevisite am 30. April 2015

Rechter Oberschenkel: Die Haut erscheint heute blass rot glänzend, die obersten

2 cm sind schon rosa Farben. Die gesamte Oberfläche erscheint geschlossen. Im

unteren Drittel ist die Haut noch dunkler, teilweise livide verfärbt. Es sind noch

Verhärtungen in der Haut tastbar.

Reinigung und Verband: wie zuvor

Verbandswechsel-Intervall: in 3 Tagen. Herr L. kann nicht überzeugt werden, den

Verband länger zu belassen. Er manipuliert wegen eines störenden Juckreizes

öfters an den Kleberändern der Mepilex Border®, deshalb ist auch eine längere

Haltbarkeit zu bezweifeln.

Linker Oberschenkel

Laterale Entnahmestelle: Die Haut ist rot glänzend, teilweise sind blass rote

Anteile erkennbar. Die gesamte Hautstruktur erscheint geschlossen, es zeigen

sich kleine Hautschüppchen.

Mediale Entnahmestelle: Die Haut ist dunkelrot bis violett glänzend. Die zuvor im

mittleren und unteren Bereich beschriebenen krustigen Veränderungen sind heute

weicher und nicht mehr so derb. Die zuvor beschriebenen Krusten am unteren

Rand sind fast vollständig verschwunden. Es ist lediglich eine ca. 4 x 3 mm große

festsitzende Kruste sichtbar. Die Haut wirkt immer noch instabil und bricht schnell

auf, es sind auch immer wieder nässende Stellen vorhanden.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Reinigung: Nassphase an der medialen unteren Entnahmestelle mit NaCl 0,9%

(nicht angewärmt) und Reinigung mit Debrisoft®. Die restlichen Areale werden nur

mit NaCl 0,9% und Tupfern gereinigt. Es lassen sind nur noch minimale Eosin®

Anteile entfernen. Einige Hautschuppen werden mit einer anatomischen Pinzette

abgetragen. Herr L. ist heute entspannter und hat nicht so viele Schmerzen, er

lobt den Verband.

Verband: Zuerst wurden die Entnahmestellen mit Dexpanthenolsalbe® satt

eingecremt. Dann werden die Wundränder mit Cavilon Spray® behandelt, damit

der Verband besser hält. Da die Wundfläche mit 18 x 20 cm sehr groß ist und der

Verband am Oberschenkel viele Bewegungen mitmachen muss, haben sich die

Verbände aus vier Mepilex Border® Teilstücken bewährt. Die Klebestreifen an den

Verbindungsstellen werden jeweils abgeschnitten. Die komplette Oberfläche des

Verbandes wird dann mit Mefix® Streifen stabilisiert. Damit bleibt viel

Beweglichkeit erhalten.

Linker Unterbauch: Die obere äußere Ecke zeigt heute keine Verkrustungen mehr.

Die Haut ist rot, die Narbe ist in diesem Bereich verdickt und relativ hart.

Reinigung: mit NaCl 0,9% und Tupfer, einige trockenen Hautschuppen können mit

einer anatomischen Pinzette entfernt werden.

Verband: wie zuvor

Der suprapubische DK (liegt mitten in der transplantierten Haut) wurde mit

Octenisept® gereinigt und dann mit Schlitzkompressen 5x5 cm und Mefix®

verbunden. Die Umgebungshaut wurde probeweise ebenfalls mit Cavilon Spray®

behandelt, um ein besseres Haften des Pflasters zu erreichen. Das

Narbengewebe um den Katheder ist hypertroph und verhärtet. Um eine Infektion

zu vermeiden, wird an dieser Stelle auf eine Narbenbehandlung verzichtet.

Leider konnte bisher noch keine Kompressionshose angepasst werden.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Pflegevisite am 03. Mai 2015

Die Entfernung des Verbandes ist schmerzfrei möglich. Sehr angenehm ist auch,

dass nie Klebereste auf der Haut zurück bleiben. Es wurde Herrn L. schon

mehrmals erlaubt, dass er duschen gehen kann, er hat aber Angst vor neuerlichen

Schmerzen und wäscht sich immer mit einem Waschlappen und einem von mir

empfohlenen, im pH-Wert leicht sauren Syndet, die Narbenareale lässt er dabei

vollständig aus. Nach dem Entfernen des Verbandes wird die gesamte

Narbenfläche vorsichtig mit handwarmem Wasser und dem Syndet gereinigt. Die

Nachreinigung erfolgt mit Wasser, danach werden die Narbenflächen trocken

getupft.

Rechter Oberschenkel: Die Haut erscheint heute blass rot, teilweise sind rosa

Stellen sichtbar. Die gesamte Haut ist glänzend, die Oberfläche ist geschlossen,

die obersten 2 cm sind schon komplett rosafarben. Im unteren Drittel ist die Haut

noch dunkler, mit fast violetten Anteile. Es sind noch derbe Anteile tastbar.

Reinigung: mit, im pH-Wert leicht saurem Syndet.

Behandlung: Die Haut wird ca. 2 Minuten mit Mandelöl massiert, auf einen

Verband wird heute verzichtet. Herr L. soll weiterhin zwei Mal täglich mit Mandelöl

massieren.

Linker Oberschenkel

Laterale Entnahmestelle: Die Haut ist rot glänzend, teilweise sind blass rote

Anteile erkennbar. Die gesamte Hautstruktur erscheint geschlossen, es zeigen

sich kleine Hautschüppchen.

Behandlung: Die Haut wird ca. 2 Minuten mit Mandelöl massiert, auf einen

Verband wird heute verzichtet. Herr L. soll weiterhin zwei Mal täglich mit Mandelöl

massieren.

Mediale Entnahmestelle: Die Haut ist dunkelrot glänzend, es sind schon mehrere

Bereiche mit rosa Haut zu sehen. Die zuvor im mittleren und unteren Bereich

beschriebenen krustigen Veränderungen sind komplett verschwunden. Die Kruste

am unteren Rand ist heute nur noch ca. 2 x 3 mm groß. Sie lässt sich aber ohne

gröbere Gewalt nicht entfernen und verbleibt weiterhin.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Reinigung: Mit Syndet und Wasser.

Verband: in gewohnter Art und Weise, jedoch nur noch mit einem Mepilex

Border® 10 x 10 cm am unteren Bereich der Narbe.

Linker Unterbauch: Die Haut an der cranial gelegenen lateralen Seite ist heute

blass rot und geschmeidig. Die Verhärtungen mit einer Tendenz zur Hypertrophie

an dem Übergang zum gesunden Gewebe sind weiterhin durch einen massiven

Niveauunterschied gekennzeichnet.

Auf einen Verband an dieser Stelle wird heute verzichtet. Herr L. soll die Stellen

weiterhin mit Mandelöl zwei Mal täglich massieren. Über die Gefahr einer weiteren

Verhärtung des Gewebes beim Zusammenziehen der Narbe wurde er informiert.

Suprapubischer DK: Da der vorherige Verband wieder nur sehr unbefriedigend

gehalten hat, werden die Wundränder der gesunden Umgebungshaut heute mit

Streifen eines IV 3000® Pflasters beklebt. Der Katheder wird mit 5x5 cm großen

Schlitzkompressen gepolstert. Das Mefix wird dachziegelartig über den

Kompressen und dem IV 3000® angebracht. Das Narbengewebe um den Katheter

ist hypertroph und verhärtet. Um eine Infektion zu vermeiden, wird an dieser Stelle

weiterhin auf jede Narbenbehandlung verzichtet.

Wie sich später herausstellt hält diese Art des Verbandes gut und wurde im

Verlauf so fortgeführt, auf eine weitere Erwähnung des suprapubischen

Verbandswechsels wird daher verzichtet.

Pflegevisite am 06. Mai 2015

So wie vor jedem Hausbesuch wurde Herr L. von mir telefonisch informiert, dass

ich in 20 Minuten komme und dass er duschen gehen kann. Leider hat er immer

noch Angst vor Schmerzen auf den temperatursensiblen Hautarealen. Dafür hat er

die Narbengebiete wie empfohlen morgens und abends mit Mandelöl massiert.

Rechter Oberschenkel: Die Haut erscheint heute blass rot, teilweise sind rosa

Stellen sichtbar. Die gesamte Haut ist glänzend, Oberfläche ist geschlossen, die

obersten 4 cm sind schon komplett rosafarben. Im unteren Drittel ist die Haut

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

noch dunkler, hat teilweise dunkelrote Anteile. Es sind keine Verhärtungen mehr

tastbar. Wenig Hautschüppchen lösen sich.

Linker Oberschenkel

Laterale Entnahmestelle: Die Haut ist rot glänzend, teilweise sind blass rote

Anteile erkennbar. Die gesamte Hautstruktur erscheint geschlossen, die Haut ist

etwas schuppig.

Mediale Entnahmestelle: Die Haut ist dunkelrot glänzend, es sind schon mehrere

Areale mit rosa Haut zu sehen. Die zuvor beschriebene Kruste am unteren Rand

wurde mit dem Verband entfernt. Die Haut ist komplett geschlossen und im

unteren Bereich sind schon ca. 30 Prozent der Narbenfläche rosa.

Verband: auf einen Verband an dieser Stelle wird heute das erste Mal verzichtet.

Linker Unterbauch: Das gesamte Narbenareal ist rosafarben. Die Verhärtungen

mit einer Tendenz zur Hypertrophie an dem Übergang zum gesunden Gewebe

sind weiterhin durch einen massiven Niveauunterschied gekennzeichnet.

Behandlung wie zuvor.

Reinigung und Verband aller Areale: wie zuvor.

Heute wird die Kompressionshose mit einem Schwamm aus viskoelastischem

Material für den linken Unterbauch angepasst. Der Schwamm muss beim

Anziehen vom Patienten selbst platziert werden. Er soll die Hose für mindestens

12 Stunden täglich tragen.

Pflegevisiten im Zeitraum vom 09. - 24. Mai 2015

Herr L. kommt mit der Hose relativ gut zurecht. Zieht sie nach der Grundpflege

morgens an und vor dem Schlafen abends aus. Mit dem Handling des

Druckpolsters, das oft verrutscht und dem suprapubischen DK kommt er gut

zurecht. Verbände wie zuvor.

Der Verbandwechsel wird jeden dritten Tag durchgeführt. Die Entnahmestelle am

Oberschenkel links außen hat immer wieder Bereiche, die leicht nässen und es

bilden sich auch immer wieder granulomatöse Hautbereiche. Teilweise wird bis

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

zum nächsten Kontrolltermin ein kleines Mepilex Border® auf die nässende Stelle

geklebt.

Die begonnene Behandlung mit Mandelöl erfolgt wie zuvor.

Pflegevisite am 26. Mai 2015

Suprapubischer DK wurde von der Urologischen Ambulanz gezogen und die

Einstichstelle trocken verbunden.

Pflegevisite am 28. Mai 2015

Die Blasenfistel ist zur Gänze verschlossen. Das Narbengewebe kann nun hier

auch behandelt werden. Narbenbehandlung mit Mepiform® Narbenpflaster am

Unterbauch. Wechsel in 6 Tagen.

Herr L. hat heute das erste Mal geduscht, deshalb wird auf das Waschen der

Narbe verzichtet. Das Narbenpflaster wird in passende Stücke geschnitten, somit

kann auf die enormen Niveauunterschiede von bis zu 2,5 cm besser Rücksicht

genommen werden. Um eine bessere Haftung zu erreichen, wurde zuvor die

Narbe mit Cavilon Spray® behandelt. Herr L. ist nicht wirklich froh über das neue

Pflaster, er würde gerne gar nichts mehr auf der Narbe haben. Offensichtlich wird

er auch mit dem einmassieren des Mandelöls nachlässiger, die Haut ist vermehrt

trocken und schuppig.

Der Oberschenkel links ist teilweise trocken und wulstig.

Abb. 7: Bilderreihe nach 5 Wochen Narbenbehandlung, von li. nach re.: der re. Oberschenkel, der li. Oberschenkel und der li. Unterbauch, 28.05.2015 ©M. Wieser

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Pflegevisite am 03. Juni 2015

Von den fünf geklebten Mepiform® Teilstücken sind heute noch zwei auf der

Narbe am linken Unterbauch. Herr L. berichtet, dass zwei Pflaster bei der

vorangegangenen Dusche abgegangen sind. An zwei behandelten Stellen zeigt

sich die Narbe deutlich flacher und geschmeidiger. Leider hält das Pflaster am

lateralen Narbenübergang nicht (starke Niveaudifferenz). Zwei neue Stellen in der

Mitte der Narbe und medial unter der ehemaligen Blasenfistel werden für 6 Tage

geklebt. Um eine bessere Haftung zu erreichen, wird die Haut mit Cavilon Spray®

vorbehandelt.

Der untere Rand der medialen Entnahmestelle des linken Oberschenkels wirkt

sehr wulstig, die Farbe dieser Stelle ist wieder eher dunkelrot bis violett. Viele

noduläre Bereiche sind tastbar.

Die Behandlung der unverklebten Narbenanteile mit Mandelöl macht Herr L.

selbst, die Kompressionshose wird täglich für 12 Stunden getragen.

Pflegevisite am 09. Juni 2015

Die zwei Mepiform® Pflaster haben diesmal gehalten. Die Haut unter den

Pflastern ist geschmeidig und weich. Die hypertrophen Anteile sind weicher und

schlanker. Am Unterbauch wird die Behandlung so weiter geführt.

Der unterste Rand der medialen Entnahmestelle des linken Oberschenkels ist

immer noch verhärtet und zeigt eine 8 cm breite wulstige Erhebung. Da die Haut

hier nun stabil genug erscheint, wird an dieser Stelle ebenfalls mit Mepiform®

begonnen.

Insgesamt ist die Haut geschmeidig und weißt keine sichtbaren offenen Stellen

mehr auf.

Pflegevisiten im Zeitraum vom 16. Juni – 03. Juli 2015

Herr L. ist sehr zufrieden mit der Behandlung und den Fortschritten. Er hat

überhaupt keine Schmerzen. Die Pflaster können problemlos entfernt werden. Im

Alltag kommt er gut zurecht. Mepiform® Pflaster werden am linken Unterbauch

und dem unteren Bereich der Narbe am linken Oberschenkel neu geklebt.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

Die übrige Behandlung wurde, wie zuvor beschrieben, alle 6 bis 7 Tage weiter

geführt.

Pflegevisite am 09. Juli 2015

Alle Narbenanteile sind völlig abgeheilt und die Haut ist stabil. Die Farbgebung der

Haut am rechten Oberschenkel ist schon weitgehend normal. Die Narben am

linken Oberschenkel sind noch deutlich dunkler und rosafarben. Das Transplantat

am linken Unterbauch zeigt das beste Ergebnis, die Haut ist weich und hellrosa.

Ab heute wird auf weitere Pflaster verzichtet.

Die Behandlung mit Mandelöl und der Kompressionshose wird von Herrn L.

selbstständig weitergeführt.

Abschließende Pflegevisite am 21. Juli 2015

Die Farbgebung der Narben hat sich weiter normalisiert. Herr L. kommt im Alltag

gut zurecht und kann sein Leben wie vor der Erkrankung bewältigen.

Abb. 8: Bilderreihe nach dreimonatiger Narbenbehandlung, von li. nach re.: der re. Oberschenkel, der li. Oberschenkel und der li. Unterbauch, 21.07.2015 ©M. Wieser

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5 Fazit

Fundiertes Wissen über die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten der

involvierten Personen und ein unbürokratisches interdisziplinäres

Zusammenarbeiten aller Fachrichtungen erscheint für die Behandlung komplexer

Wunden unabdingbar. Eine ganzheitliche Betrachtung aller patientenbezogenen

Faktoren erleichtert dabei die Entscheidungsfindung und erspart Frustration auf

allen Ebenen. Wenn schon zu Beginn der Operation an die zukünftige

Weiterbehandlung gedacht wird, sind die nachfolgenden Schritte leichter plan- und

durchführbar.

Beeindruckend war die schnelle Beruhigung der irritierten Narbenbezirke nach

Beginn der feuchten Wundbehandlung. Schon nach dem ersten Verbandsintervall

war eine deutlich stabilere Ausgangssituation vorzufinden.

Das Arbeiten mit den Silikonverbänden der neuesten Generation ist sowohl für

den Behandelnden, als auch für den Patienten sehr komfortabel. Die Aktivitäten

des täglichen Lebens werden durch diese modernen Auflagen kaum beeinträchtigt

und die Lebensqualität nimmt deutlich zu. Durch die Möglichkeit, die erhältlichen

Präparate zu kombinieren, ergibt sich ein großer Anwendungsbereich. Die

Beschaffenheit ermöglicht längere Verbandswechselintervalle und gewährleistet

dadurch die für die Wunde notwendige Ruhe.

Im Verlauf der Wund- und Narbenbehandlung waren die starken

Farbveränderungen der Narbenareale unter der Therapie mit Mepilex Border®

überraschend. Erst zu einem späteren Zeitpunkt konnte dann eine Erklärung dafür

gefunden werden: durch die Steigerung der Durchblutung und die Anregung der

Angiogenese, die diesem Verbandsstoff eigen sind, wurden die Narben viel

dunkler. Dieser Effekt wurde auch bei den Mepiform® beobachtet, allerdings in

einem viel geringeren Ausmaß. Hautareale, die nur mit Mandelöl und der

Kompressionstherapie versorgt waren, zeigten ein ausgeglichenes Farbergebnis.

Durch die Willensstärke und die Ausdauer von Herr L. ist dieses menschliche

Elend, frei nach dem Gedicht von Gryphius, mit grimmem Schmerz, herber Angst

und scharfem Leid am Ende gut ausgegangen. Herr L. macht wieder seine

täglichen Ausflüge und erfreut sich an den kleinen Glücksmomenten, die sein

Alltag ihm schenkt.

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Fournier-Gangrän Manuela Wieser

6 Literaturverzeichnis

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40

Fournier-Gangrän Manuela Wieser

7 Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Bilderreihe urologische Operation an der li. Leiste und Genitalbereich,

26.02.15 ©A.Berger ............................................................................................. 13

Abb. 2: Bilderreihe intraoperative Dokumentation BGU Murnau, 26.02.15

©A.Lohmar ........................................................................................................... 15

Abb. 3: (Bild li.) nach 11 Tagen VAC Therapie, li. Unterbauch, 09.03.15

©A.Panzirsch........................................................................................................ 17

Abb. 4: (Bild re.) 14.p.O.-Tag nach Spalthautransplantation, li. Unterbauch,

28.03.15 ©A.Panzirsch ......................................................................................... 17

Abb. 5: Bilderreihe zu Beginn der Wundbehandlung, von li. nach re.: der re.

Oberschenkel, der li. Oberschenkel und der li. Unterbauch, 24.04.2015 ©M.Wieser

............................................................................................................................. 26

Abb. 6: Bilderreihe nach dem ersten Verbandsintervall, von li. nach re.: der re.

Oberschenkel, der li. Oberschenkel und der li. Unterbauch, 27.04.2015 ©M.

Wieser .................................................................................................................. 28

Abb. 7: Bilderreihe nach 5 Wochen Narbenbehandlung, von li. nach re.: der re.

Oberschenkel, der li. Oberschenkel und der li. Unterbauch, 28.05.2015 ©M.

Wieser .................................................................................................................. 33

Abb. 8: Bilderreihe nach dreimonatiger Narbenbehandlung, von li. nach re.: der re.

Oberschenkel, der li. Oberschenkel und der li. Unterbauch, 21.07.2015 ©M.

Wieser .................................................................................................................. 35

41

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre, dass die vorliegende Arbeit von mir selbst verfasst wurde und ich

ausschließlich die angegebenen Werke und Hilfsmittel verwendet habe.

Feldkirch, am 09.09. 2015

Manuela Wieser

Verwendung der Projektarbeit

Ich bin damit einverstanden, dass meine Projektarbeit weiteren Personen zur

Verfügung gestellt werden darf.

Feldkirch, am 09.09.2015

Manuela Wieser