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FRABO-TEAM Reiseseiten EnduRoMania 97 Zwei Stunden sitzen wir hier nun schon an der Rumänischen Grenze bei Oradea fest. Eigentlich hatten wir die Visa schon mit der Anmeldung für die viertägige Enduro-Veranstaltung bezahlt, doch angeblich liegen die Listen mit den Namen der Teilnehmenden am Grenzübergang nicht aus. Niemand blickt hier so richtig durch und wir müssen zähneknirschend ein zweites mal bezahlen. Aber damit nicht genug: Der rumänische Himmel begrüßt uns mit einem Guß. Naß bis auf die Haut kommen wir in Stana de Vale an. Freundlichere Stimmung kommt auf, als uns Initiator Sergio Morariu mit einem rumänischen Zwetschgenwasser herzlich begrüßt und sich erste Gerüchte von herannahenden Ausläufern eines Azorenhochs verbreiten. Als wir uns am anderen Morgen aus unseren Schlafsäcken pellen, herrscht bereits emsiges Treiben. Maschinen werden von Hängern abgeladen und für die kommenden Strapazen vorbereitet; auch wir ziehen grobes Stollenwerk auf, kürzen Übersetzungen und checken unsere Maschinen noch einmal durch. Über schnelle Schotterpisten schrauben wir uns am ersten Tag der EnduRoMania zu einem Stausee in 1200 Meter Höhe, holen uns den ersten Wertungsstempel im dortigen Gasthaus ab und fahren zügig über leicht befahrbare

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FRABO-TEAM Reiseseiten EnduRoMania 97

Zwei Stunden sitzen wir hier nunschon an der Rumänischen Grenzebei Oradea fest. Eigentlich hattenwir die Visa schon mit derAnmeldung für die viertägigeEnduro-Veranstaltung bezahlt,doch angeblich liegen die Listenmit den Namen der Teilnehmendenam Grenzübergang nicht aus.Niemand blickt hier so richtigdurch und wir müssenzähneknirschend ein zweites malbezahlen. Aber damit nicht genug:Der rumänische Himmel begrüßtuns mit einem Guß. Naß bis aufdie Haut kommen wir in Stana deVale an. Freundlichere Stimmungkommt auf, als uns Initiator SergioMorariu mit einem rumänischenZwetschgenwasser herzlichbegrüßt und sich erste Gerüchtevon herannahenden Ausläuferneines Azorenhochs verbreiten.

Als wir uns am anderen Morgenaus unseren Schlafsäcken pellen,herrscht bereits emsiges Treiben.Maschinen werden von Hängernabgeladen und für die kommendenStrapazen vorbereitet; auch wirziehen grobes Stollenwerk auf,kürzen Übersetzungen undchecken unsere Maschinen nocheinmal durch.

Über schnelle Schotterpistenschrauben wir uns am ersten Tagder EnduRoMania zu einemStausee in 1200 Meter Höhe, holenuns den ersten Wertungsstempel imdortigen Gasthaus ab und fahrenzügig über leicht befahrbare

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Waldwege weiter. Unsere Freudeüber die ersten Punkte wird jedochbald vom einsetzenden Dauerregendavongespült.

Die Schlaglöcher der Schotterpistesind kaum noch zu erkennen undauch die Streckenorientierung wirddurch die Witterungsverhältnissenicht einfacher. Am nächstenEtappenziel fahren wir glatt vorbei,finden die unscheinbareWanderhütte erst mit dem zweitenAnlauf; inzwischen völligdurchnäßt.

In einem urigen Bauerndorf fragenwir nach dem Weg zum nächstenZielpunkt und werden von einemangetrunkenen Forstuniformiertenaufgehalten, der uns irgend etwaszu erklären versucht. Verwirrtwollen wir schon Gas geben, als ereinen kleinen Stempel aus seinerTasche zieht.

Ehe uns dämmert, was hier vorsich geht, werden unserePunktelisten bereits abgestempeltund schwankend bewegt er sichwieder in die Dorfkneipe. Obwohlwir den Stempel nun schon haben,fahren wir den Punkt trotzdem anund werden mit einer herrlichenBergtour belohnt, deren Endpunktuns einen grandiosen Blick ins Talbietet.

Die weitere Strecke führt überkleine, kurvigeVerbindungssträßchen von Dorf zuDorf, die das Fahren zu einemErlebnis macht. Die Dörfer sehenaus wie im Bilderbuch; auf denWegen tummeln sich Hühner,Gänse und Enten in Scharen, Küheund Schweine laufen frei herumund selten habe ich so vieleStörche auf einmal gesehen. Hierscheint die Welt noch in Ordnung

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zu sein.

Beim Ortsvorsteher von LuncaCernii de Jos erhalten wir unserenächsten Stempelpunkte und tastenuns wieder in unwegsamereBergregionen vor. Erneuteinsetzender Regen erschwert dieFahrt auf den schlammigen Wegen.Da die topographischenWanderkarten nicht immer eineeindeutige Entscheidungshilfesind, müssen wir Schäfer undWaldarbeiter nach dem rechtenWeg fragen, wobei dieKommunikation oftmals mehr mitHänden und Füßen stattfindet.Trotzdem verfahren wir uns häufigin Holzabräumwegen, die meistals Sackgasse enden und uns fastverzweifeln lassen. Schmale Wege,seichte Bachdurchquerungen undserpentinenartige Viehtriebpfadeprägen die Strecke. Doch bis zumRuschita-Paß haben wir mit allennur erdenklichen natürlichen"Unwegbarkeiten" zu kämpfen.Am Ende unserer Kräfte legen wireine Rast ein, nehmen dieEinladung der hervorgekommenenSonne zu einem erfrischenden Badim eisigen Gebirgsbach an. Die amWegesrand in Hülle und Füllewuchernden Himbeeren versüßenuns die Erholungspause.

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Schlimmer als bisher wird es wohlnicht mehr werden, das glaubenwir jedenfalls. Die nächsteBiegung, bzw. das, was hinter ihrliegt, überzeugt uns jedoch vomGegenteil: Ein Bergsturz versperrtuns die Weiterfahrt. Der Weg istmeterhoch von einerSchlammlawine verschüttet, esscheint kein Durchkommenmöglich. Nach kurzer Erkundungeinigen wir uns dann doch aufeinen Versuch, das Hindernisirgendwie zu überwinden. Unsbleibt eigentlich auch gar keineandere Wahl, da der Rückweg voneiner tief verschlammtenSteilauffahrt abgeschnitten wird,die nun ein unüberwindbaresHindernis darstellt. Inschweißtreibender Arbeit beginnenwir, den schmalen Bachlauf vonBaumstämmen und Wurzelwerk zubefreien und Untiefen mitFelsbrocken aufzufüllen, umplötzliche Tauchversuche zuvermeiden.

Eine Maschine nach der anderenwuchten wir mühevoll durch daspräparierte Bachbett undbezwingen so nach mehrstündigerKnochenarbeit dann doch nochdiese Passage. Erschöpft erreichenwir schließlich das Bergbau-Städtchen Ruschita, wo es in dereinzigen Kneipe Bier vom Faß gibtund Geschichten von den "gutenalten Zeiten", als man hier nichtschlecht vom Blei- undMarmorabbau lebte. Jetzt sind dieBergwerke verlassen, dieMaschinen verrottet. Nur noch dieüberall am Wegrand aufgetürmtenMarmorblöcke sind Zeugen einerehemals regen Industrie. Die ganzeStadt macht einen trostlosen undverarmten Eindruck. Wir stockenunsere Vorräte für das Abendessen

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auf, erstehen einen Brocken Käseund zwei Brotlaibe - mehr gibt dasLebensmittelangebot von Ruschitanicht her. Den Ruschita-Paßerreichen wir dann doch noch vorEinbruch der Dunkelheit, wo wirvon einer Frau und deren Sohn mitheißem Kaffee herzlich empfangenwerden. Sie zelten während derVeranstaltung hier im Wald undverteilen Stempel an dieEnduristen. Während wir uns amLagerfeuer aufwärmen und unsereKlamotten trocknen, erzählen sieuns Geschichten von Wölfen undBären, die es hier in den Karpatennoch geben soll.

Am anderen Morgen irren wir weiter durch dieBergwälder, verfolgen zwischenzeitig die in denweichen Waldboden geprägten Stollenabdrückeanderer Enduristen, die uns schließlich zurCaprioru-Hütte führen, dem nächstenCheckpoint auf unserer Route.

Daß die vielen Sackgassen und Umwege dieSpritreserven empfindlich schrumpfen lassen,wird uns auf den weiteren Kilometern bewußt.Mehrmals haben wir schon von den größerenTanks Benzin in die kleineren umgefüllt, alsauch deren Pegel ein Umschalten auf Reserveerfordert. Gerade noch rechtzeitig erhalten wirNachschub von einem hilfsbereiten Rumänen,der mit einem Gartenschlauch einige Liter ausseinem Wagen für uns abzapft. Damitüberbrücken wir die Distanz zur nächstenTankstelle und erreichen noch am selben Tagden nächsten Punkt am Surduc-See, der vieleeinheimische Touristen zum Baden anlockt.

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Der letzte Tag der EnduRoManiabeginnt für uns mit starkemJuckreiz. Ganze Armeen vonBlutsaugern haben uns in dieserNacht gepiesackt und daranerinnert, daß wir uns inTranssilvanien befinden.Schleunigst suchen wir das Weite,fahren zügig Richtung Norden zurBurgruine Siria, deren Besuch sichpositiv auf unser Punktekontoauswirkt. Eine Begegnung derbesonderen Art erleben wir dannbei der nächsten Station: DerCurcubata stellt mit seinen ca.1800m Höhe die größte Erhebungder Westkarpaten dar. Nach fast 20km felsiger Serpentinen-Kurvereiüber die Südseite des Berges,kommt der Gipfel in Sicht. Einstählerner Antennenmast und einmehrstöckiger Betonbau drängensich auf dem Gipfelplateau. Hinaufführt eine steile Geröllhalde. Nurwenige hundert Meter trennen unsvom Ziel und es sieht aus unsererPerspektive durchaus bezwingbaraus.

Mit viel Schwung preschen wirdem Abhang entgegen, aber selbstmit langen Anlauf gelingt keinemvon uns die Auffahrt über dassteile Geröllfeld. Wir fühlen uns anHillclimbing erinnert, sehen nachmehreren Versuchen schließlichein, daß wir mit unserenMaschinen keinen Erfolg habenwerden. Woher jedoch die Spurenstammen, die weit oben zu sehensind, bleibt uns ein Rätsel. Zuzweit kraxeln wir los, die zustempelnden Karten in denTaschen. Die scheinbar wenigenMeter ziehen sich enorm in dieLänge, bis wir die Stationerreichen sind wir völlig außerAtem. Da der Haupteingangverschlossen ist und wir nicht

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wieder unverrichteter Dingeabziehen wollen, betreten wir dasGebäude durch einenSeiteneingang und landen direkt inder Küche. Das Essen steht nochdampfend auf dem Herd und ausdem Nebenraum sind Stimmen zuhören. Doch außer einem für zweiPersonen gedeckten Tisch und demaufgedrehten Fernseher entdeckenwir keine Lebenszeichen. Etwasmulmig ist uns schon, als wir unsbeginnen, in dem Gebäudeumzuschauen, ob nicht dochirgendwo jemand zu finden ist. Ineinem großen Raum, dervollgestopft ist mit elektronischenGeräten, Schalttafeln undMonitoren werden wir dannfündig. Zwei Männer sitzen mitdem Rücken zu uns in ihre Arbeitvertieft und schrecken hoch, als sieuns registrieren. Wir bekommenzwar die Stempel, aberargwöhnisch begleitet uns einer derbeiden bis zum Geröllhang undüberzeugt sich davon, daß wir mitden Motorrädern gekommen sind.Zum Glück habe ich meinenFotoapparat rechtzeitig in derTasche verstaut....

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Wieder einmal setzt heftiger Regen ein, als wiruns zum wiederholten Mal auf den Waldwegender Westkarpaten verfranzen. Dazu kommt nochein technischer Defekt an einer der Maschinen -Christoph´s alte XL will bei diesem Wettereinfach nicht mehr weiter und beschließt ihrenDienst zu quittieren. Ausgerechnet jetzt, amletzten Veranstaltungstag, wo wir wieder zumAusgangspunkt der EnduRoMania zurückfahrenwollten, um unsere Stempelkarten abzugeben.Die Fehlersuche verläuft ergebnislos, die Zeitläuft uns davon, um 22:00 Uhr istAbgabetermin. Urplötzlich erwacht die betagteXL dann wieder zum Leben; und ohne uns umdie Ursache zu kümmern, eilen wir Stana deVale entgegen und drücken Sergio gerade nochrechtzeitig die schweißdurchtränkten Stempelkarten in die Hand.

Die Siegerehrung findet am darauffolgendenTag statt, am Abend gibt es ein kleinesFestessen und zum Abschluß Freibier für dieBiertrinker. Bis spät in die Nacht feiern wirnoch, und so manche haarsträubende Geschichtemacht die Runde.

Dieser Bericht erschien so ähnlich auch in der ENDURO 12/99

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