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Technische Universität Graz Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik Vorstand: Univ.-Prof.Dipl.-Ing.Dr.techn. H. Eichlseder Fragen zu Kraftstoffen und Antrieben Dozentenvorlesung im Rahmen der Lehrveranstaltung „Ausgewählte Kapitel der Verbrennungskraftmaschine“ Vortragender: Univ.-Doz.Dipl.-Ing.Dr.techn. Wolfgang Wachter Sommersemester 2019

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Technische Universität Graz Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik

Vorstand: Univ.-Prof.Dipl.-Ing.Dr.techn. H. Eichlseder

Fragen zu Kraftstoffen und Antrieben

Dozentenvorlesung im Rahmen der Lehrveranstaltung „Ausgewählte Kapitel der Verbrennungskraftmaschine“

Vortragender: Univ.-Doz.Dipl.-Ing.Dr.techn. Wolfgang Wachter

Sommersemester 2019

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Wolfgang Wachter: Zukünftige Mobilität – Kraftstoffe und Antriebe

Vorwort

Unsere Mobilität, insbesondere der Individualverkehr, steht vor einem Umbruch. Mehr als

ein Jahrhundert lang war die Verbrennungskraftmaschine mit fossilen Kraftstoffen

buchstäblich der Motor unserer Fortbewegung. Seit langem ist bekannt, dass die

Verfügbarkeit fossiler Kraftstoffe ein Ablaufdatum besitzt. Deshalb wurde nach Alternativen

gesucht. Diese sind vielfältig, auch was die zu ihrem Einsatz notwendige Technologie angeht.

Schon in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde im Wasserstoff eine große

Chance gesehen, weil diese Form der Energie nahezu unbegrenzt verfügbar ist. Dennoch hat

sie sich bis heute nicht durchgesetzt. Auch biogene Kraftstoffe schienen eine Zeit lang die

Lösung des Problems darzustellen; mittlerweile haben sich auch hier signifikante Nachteile

gezeigt. Nun steht die Elektromobilität am Horizont, die Idee des auf den ersten Blick

emissionsfreien und fast lautlosen Fahrens ist faszinierend.

Solange die Probleme der Reichweite, des gewohnt schnellen „Tankens“ und die CO2-

Problematik im Zusammenhang mit der Bereitstellung von elektrischem Strom nicht gelöst

sind, wird es die Verbrennungskraftmaschine als Antrieb geben, sie wird bis auf Weiteres

unsere Mobilität dominieren. Der Elektromotor ist aus vielen Gründen prädestiniert für den

Einsatz in Fahrzeugen. Der dafür notwendige Strom muss nicht unbedingt aus der Steckdose

kommen, Brennstoffzellen können ihn aus verschiedenen Kraftstoffen an Bord eines

Fahrzeuges generieren.

Diesen Fragen wird im vorliegenden Skriptum nachgegangen, welches von der Homepage

des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der TU Graz abrufbar ist:

www.ivt.tugraz.at bzw.

www.ivt.tugraz.at/index.php/de/lehre/skripten.html

Wolfgang Wachter

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Wolfgang Wachter: Zukünftige Mobilität – Kraftstoffe und Antriebe

TU Graz, Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik 1

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Zusammenfassung ...................................................................................................................... 2

1. Einleitung ............................................................................................................................ 3

2. Flüssige und gasförmige Kraftstoffe ................................................................................... 4

2.1 Flüssige Alternativkraftstoffe ...................................................................................... 4

2.2 Gasförmige Biokraftstoffe ........................................................................................... 8

2.3 Methanhydrat .............................................................................................................. 9

2.4 Wasserstoff .................................................................................................................. 9

2.5 OME-Kraftstoffe ......................................................................................................... 11

2.6 LNG ............................................................................................................................ 13

2.7 Power-to-Gas ............................................................................................................. 14

2.8 CO2-Problematik der Kraftstoffe ............................................................................... 15

2.9 Ökologische Aspekte der Biokraftstoffe .................................................................... 21

3. Strom ................................................................................................................................. 25

3.1 Energieaufkommen ................................................................................................... 25

3.2 Technologien zur Energiespeicherung ...................................................................... 26 3.2.1 Pumpspeicherkraftwerke .............................................................................................. 27 3.2.2 Druckluftspeicherkraftwerke......................................................................................... 27 3.2.3 Elektrobasierte Kraftstoffe (OME, EE-Gas) .................................................................... 28 3.2.4 Smart Grids .................................................................................................................... 28

3.3 CO2-Problematik der Kraftwerke ............................................................................... 28

4. Elektroantriebe ................................................................................................................. 32

4.1 Energiebedarf ............................................................................................................ 32 4.1.1 Reichweite, Gewicht und Infrastruktur ......................................................................... 33 4.1.2 Wirkungsgrade .............................................................................................................. 35 4.1.3 Heizung und Klimatisierung ........................................................................................... 37

4.2 Sicherheit ................................................................................................................... 38

4.3 Lärm ........................................................................................................................... 39 4.3.1 Nach außen wirkender Lärm ......................................................................................... 39 4.3.2 Messungen des Innengeräusches ................................................................................. 42 4.3.3 Resümee ........................................................................................................................ 44 4.3.4 Gesetzliche Vorgaben .................................................................................................... 45

4.4 Rohstoffe ................................................................................................................... 46

5. Brennstoffzelle .................................................................................................................. 48

5.1 Funktion und Wirkungsgrade .................................................................................... 48

5.2 Anwendung in Fahrzeugen ........................................................................................ 51

6. Vergleich der CO2-Emissionen von Antrieben .................................................................. 53

7. Mobilität mittelfristig ........................................................................................................ 60

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Zusammenfassung

Die Thematik der Kraftstoffe wird eingehend behandelt. Hier wird auch auf die synthetischen

Kraftstoffe auf der Basis von fossilen Kohlenwasserstoffen und aus Biomasse eingegangen.

Die Herstellung von Wasserstoff und die Möglichkeit der Erdgasgewinnung aus

Methanhydrat werden behandelt.

Im Zusammenhang mit der Elektromobilität werden Aspekte der Bereitstellung von

elektrischem Strom, dessen Speicherung und dessen CO2-Belastung beleuchtet.

Der Energiebedarf von Elektrofahrzeugen wird untersucht. Ergebnisse von Lärmmessungen

werden vorgestellt. Brennstoffzellen-Fahrzeuge weisen ebenfalls einen Elektroantrieb auf.

Ihre Vor- und Nachteile werden skizziert.

Schließlich werden die CO2-Bilanzen von Fahrzeugen anhand von Life-Cycle-Analysen

betrachtet. Zusammenfassend wird die Frage der mittelfristigen Mobilität erörtert.

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1. Einleitung

Jede technische Entwicklung ist in einem gewissen Ausmaß mit politischen Vorgaben verknüpft. Ende 2018 hat die Europäische Union die Emission von CO2 aus PKW weiter limitiert. In einigen Ländern Europas wird erneuerbare Energie wie Windkraft, Fotovoltaik oder Wasserkraft an Bedeutung gewinnen. Wenn die Elektrifizierung der Mobilität den Vorstellungen der Politik folgt, das heißt einen signifikanten Anteil am PKW-Bestand erreicht, wird auch die Kernkraft wieder Auftrieb bekommen. Derzeit sind viele der überregionalen Stromnetze in Europa an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Mit zunehmender Elektrifizierung des Verkehrs wird sich dieses Problem verschärfen. Die öffentliche Diskussion, die derzeit im Zusammenhang mit Elektroautos geführt wird, ist einseitig. Sie konzentriert sich vor allem auf zwei Punkte: Die Reichweite von derzeit realistischen 150 bis 200 km (abgesehen von einigen wenigen, teuren Autos mit sehr schweren Batteriesätzen) muss signifikant vergrößert werden. Mit Elektroautos kann man (lokal) emissionsfrei fahren. Manchmal wird auch die Energieautonomie ins Treffen geführt, also die Unabhängigkeit von Importen fossiler Kraftstoffe beispielsweise. Eine seriöse Herangehensweise an diese Problematik muss sich mit den Alternativen zu fossilen Kraftstoffen ebenso beschäftigen wie mit den Problemen der Bereitstellung von elektrischem Strom. Dazu gehören die damit verbundenen Emissionen und die Möglichkeiten, die elektrische Energie so zu speichern, dass sie kurzfristig abgerufen werden kann. Im Rahmen dieser Vorlesung werden biogene Kraftstoffe, Wasserstoff und elektrischer Strom behandelt. Dabei liegt der Fokus auf den Umweltauswirkungen, insbesondere der Emission von CO2. Auf die Problematik der Reichweite wird ebenso eingegangen wie auf die Potenziale, regenerative Energieformen bereitzustellen.

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2. Flüssige und gasförmige Kraftstoffe

Flüssige und gasförmige Kraftstoffe haben den Vorteil, dass sie sowohl in herkömmlichen Verbrennungskraftmaschinen als auch – mit gewissen Einschränkungen – in alternativen Antrieben wie Brennstoffzellen verwendet werden können. Flüssige Alternativkraftstoffe wie Biokraftstoffe weisen ähnliche physikalische und chemische Eigenschaften auf wie konventionelle Treibstoffe, so dass sie ohne oder mit nur geringfügigen Anpassungen der Motoren eingesetzt werden können. Sie haben zudem den Vorteil, dass sie mit fossilen Kraftstoffen in praktisch jedem Verhältnis gemischt werden können. Die Auswirkungen auf die Umwelt hängen maßgeblich von der Herkunft und den landwirtschaftlichen Randbedingungen für den Anbau der Pflanzen ab, aus denen die Biokraftstoffe gewonnen werden. Bei den gasförmigen Kraftstoffen in Verbrennungskraftmaschinen hat sich Erdgas (Methan, CH4) durchgesetzt. Die Technologie ist zuverlässig, allerdings ist das Tankstellennetz nicht ganz zufriedenstellend. Methan kann mit vergleichsweise geringem Aufwand in Biogasanlagen hergestellt und gereinigt werden, die Einspeisung in das bereits vorhandene Verteilungsnetz für Erdgas ist problemlos möglich. Die Gewinnung von Erdgas aus Methanhydrat ist aus heutiger Sicht ein Fernziel. Die Vorräte an den Kontinentalhängen der Weltmeere sind riesig. Die für den Abbau erforderliche Technologie wurde bislang allerdings nur im Labormaßstab erprobt. Nach wie vor große Hoffnungen werden auf Wasserstoff gesetzt. Der Rohstoff Wasser ist nahezu unbeschränkt verfügbar. Problematisch sind die Herstellung und die Verfügbarkeit. Aus Sicht der Umwelt vertretbar ist die Elektrolyse nur dann, wenn der dafür benötigte Strom regenerativ erzeugt wird. Während die Speicherung an Bord eines Fahrzeuges für vernünftige Reichweiten technisch gelöst ist, stellt das nur in Ansätzen vorhandene Tankstellennetz ein Akzeptanzproblem dar. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde der Einsatz von Wasserstoff in Verbrennungskraftmaschinen favorisiert, nun liegt der Fokus auf dem Einsatz in Brennstoffzellen. Vergleichsweise rasch wäre Wasserstoff in Form von LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier) in für diesen Zweck adaptierten Fahrzeugen einzusetzen. In der Raffinerie wird H2 chemisch an flüssige organische Hydride gebunden. Bei der Betankung wird die mit Wasserstoff beladene Trägerflüssigkeit in den Tank des Fahrzeuges gefüllt und dabei gleichzeitig die entladene Flüssigkeit entnommen, welche zurück in die Raffinerie gebracht wird.

2.1 Flüssige Alternativkraftstoffe

Maßgeschneiderten Kraftstoffen aus Biomasse, Erdgas oder Kohle als Ersatz für Diesel und Benzin wird großes Potenzial zugeschrieben. Die so genannten BTL-, GTL- und CTL-Kraftstoffe1 können die Situation bei den Schadstoff- und CO2-Emissionen deutlich entschärfen. Die Bestandteile dieser synthetischen Kraftstoffe können den Anforderungen moderner Verbrennungskraftmaschinen angepasst werden. Biokraftstoffe der ersten

1 GTL: Gas-to-Liquid

BTL: Biomass-to-Liquid CTL: Coal-to-Liquid

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Generation wie RME (Rapsmethylester, „Biodiesel“), FAE (Fettsäureester) oder Bioethanol hingegen sind nur in sehr eingeschränktem Maß anzupassen. Eine Einteilung der Biokraftstoffe zeigt das nachstehende Bild 2.1.1.

Bild 2.1.1: Einteilung der Biokraftstoffe

Bei der Herstellung von BTL-Kraftstoffen wird Biomasse (Holz, Stroh, Gras, Biomüll, Energiepflanzen) zur Gänze vergast und mit Wasserstoff angereichert („CO-Shift“ über die homogene Wassergasreaktion; Wasser und CO werden in H2 und CO2 übergeführt). Es folgt die Synthese nach Fischer-Tropsch (FT-Synthese) oder nach dem MTG-Verfahren (Methanol-to-Gasoline) mit Methanol als Zwischenstufe. Schließlich wird das Produkt fraktioniert. Es gibt mehrere patentierte Verfahren (z.B. Carbo-V-Verfahren, Bioliq-Verfahren). Die Herstellungskosten betragen je nach Literaturquelle 0,5 bis 1,5 €/Liter. Wenn Wasserstoff zur Anreicherung kostengünstig hergestellt werden könnte (vorzugsweise durch den Einsatz regenerativer Energiequellen), wäre die Produktion wesentlich kostengünstiger. Auf diese Weise könnte Wasserstoff im Verkehr genutzt werden, noch bevor die zur Verwendung reinen Wasserstoffes notwendige, aufwändige Infrastruktur geschaffen ist. Maßgeblich für die Wirtschaftlichkeit ist zudem der Rohölpreis.

BTL-Kraftstoffe (Biokraftstoffe der 2. Generation) sind hinsichtlich ihrer CO2-Bilanz wesentlich günstiger als Biokraftstoffe der 1. Generation (z.B. RME). Diese sind zu rund 50% CO2-neutral, bezogen auf den Anbau, die Herstellung und die Verwendung im Fahrzeug. Der Ertrag liegt bei rund 1500 Liter/ha, während mit BTL-Kraftstoffen rund 4000 l/ha herauszuholen sind. Die Verbrennung von reinem Pflanzenöl in Dieselmotoren erfordert

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deren Umrüstung. Die Adaptierung der Motoren ist nicht erforderlich, wenn das Pflanzenöl zu HVO (hydrotreated vegetable oil) verarbeitet wird. Dabei wird Pflanzenöl in Hydrieranlagen bei 350 bis 450 °C und 48 bis 152 bar unter Zugabe von Wasserstoff hydriert. Die Eigenschaften wie der Siedeverlauf entsprechen fossilem Dieselkraftstoff, während verestertes Pflanzenöl wie RME diesbezüglich wesentlich ungünstiger ist. Der Energiegehalt des jährlichen Pflanzenwachstums auf der Erde entspricht etwa dem fünfzigfachen Energieverbrauch der Menschheit. Im Unterschied zu RME wird bei Biokraftstoffen der 2. Generation versucht, die ganze Pflanze zu verwerten, nicht nur das Öl oder den vergärbaren Zucker. Die Umwandlung von zellulose- und ligninhaltigen Ausgangsstoffen in BTL-Kraftstoffe ist sehr energieaufwendig (Temperaturen bis 1500 °C) und schmälert deshalb die CO2-Vorteile. Betrachtet man die CO2-Bilanz umfassend, nämlich von der Bereitstellung der Anbauflächen bis zur Verbrennung des Kraftstoffes, sehen die Vorteile ernüchternd aus. Wenn Regenwald durch Brandrodung in Ackerland zum Anbau von Energiepflanzen umgewandelt wird, stehen laut einer Studie der Princeton-University2 durchschnittlich 351 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro ha aus verrottender oder verbrennender Biomasse einer Einsparung von beispielsweise 1,8 Millionen Tonnen jährlich durch Bioethanol aus Mais gegenüber. Diese mittlerweile mehrfach zitierte Zahl ist überaus hoch gegriffen und deshalb zu hinterfragen; andere Literaturquellen gehen von >1000 Tonnen CO2/ha im Zusammenhang mit Waldrodung aus. Die grundsätzlich umweltschädigende Wirkung der Brandrodung steht jedenfalls außer Zweifel. Man muss berücksichtigen, dass durch das Abholzen dieser mächtigen CO2-Senken auch Absorptionspotenzial für CO2 verloren geht. Für den Anbau von Palmöl werden Zeiträume zwischen 75 und 600 Jahren angesetzt, bis es zu einem Ausgleich der treibhausrelevanten Effekte durch Rodung kommt (Bild 2.1.2). Eine Schätzung geht davon aus, dass 20 Prozent aller von Menschen verursachten CO2-Emissionen auf die Brandrodung der (Ur)wälder zurückgehen. Wenn holzartige Abfälle und Reststoffe verwendet werden, sind BTL-Kraftstoffe (Biokraftstoffe der 2. Generation) nahezu CO2-neutral. Häufig werden bei den Rodungen auch die Böden zerstört. Die Regenwälder auf der Insel Borneo beispielsweise stehen überwiegend auf morastigen und sumpfigen Torfböden. Nach der Rodung trocknen diese Böden aus, wodurch ebenfalls große Mengen Kohlendioxid und Methan freigesetzt werden. Der Treibhauseffekt von 1 kg Methan wurde bislang mit jenem von 21 bis 25 kg CO2 gleichgesetzt; neuere Forschungen gehen von 30 bis 35 kg aus.

2 Science Express, 7. Februar 2008

www.princeton.edu/~tsearchi/writings/Searchinger_et_al-ScienceExpress.pdf

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Bild 2.1.2: Ausgleich treibhausrelevanter Effekte bei der Rodung von Regenwald Bioethanol der ersten Generation wird auf direktem Weg durch Umwandlung des Fruchtzuckers in Alkohol im Zuge der Gärung gewonnen. Die zweite Generation zeichnet sich dadurch aus, dass Enzyme weitere Bestandteile der Pflanze wie Lignozellulose spalten. Am Ende dieses biochemischen Zerlegungsprozesses stehen gärfähige Zuckerarten. Enzyme sind Biokatalysatoren auf der Basis von Proteinen. Sie setzen die Aktivierungsenergie der jeweiligen Reaktion herab. Mit Hilfe der Gentechnik lassen sich hochgradig spezialisierte Enzyme herstellen. Das gilt auch für die Hefen, welche die Umsetzung von Zucker in Alkohol bewerkstelligen. Durch gentechnisch modifizierte Hefen könnten von der Pflanze produzierte Pentosen fermentiert werden, um die Alkoholausbeute weiter zu steigern. Pentosen sind Monosaccharide, deren Kohlenstoffgrundgerüst fünf Kohlenstoff-Atome enthält. Sie haben alle die Summenformel C5H10O5, aber unterschiedliche Strukturformeln. Auch die kombinierte Erzeugung von Bioethanol und Biogas ist möglich. Die Biomasse wird vor der Verzuckerung und Vergärung einer thermischen Hydrolyse unterzogen. Dabei wird die Struktur der Lignozellulose gelockert, was die Ethanolausbeute erhöht.

Biokraftstoffe aus Algen versprechen großes Potenzial, da Algen schnell wachsen und dabei vergleichsweise viel CO2 durch Photosynthese binden. Man spricht hier von der 3. Generation von Biokraftstoffen. Erste Versuchsanlagen wurden bereits errichtet. Zuchterfolge auf dem offenen Meer sind noch nicht zu verzeichnen. Ökologisch bedenklich jedenfalls sind die Absichten, CO2 aus Kraftwerken ins Meer zu pumpen, um damit das Algenwachstum zu beschleunigen. Schon jetzt führt der CO2-Eintrag in das Wasser zur Übersäuerung der Weltmeere.

GTL-Kraftstoffe entstehen durch Umwandlung von Erdgas (CH4) in flüssige synthetische Kraftstoffe. Der Prozess gleicht den Verfahren zur Erzeugung von BTL-Kraftstoffen. Schätzungen gehen davon aus, dass 20% des Dieselbedarfes durch GTL ersetzt werden könnten. GTL-Kraftstoffe haben einen höheren Wasserstoffanteil als ihre fossilen Pendants und bieten dadurch einen zusätzlichen CO2-Vorteil. Günstig ist auch, dass bei schwierigen Transportbedingungen für Erdgas der GTL-Kraftstoff an Ort und Stelle erzeugt werden kann; der Abtransport ist wesentlich einfacher als bei CH4.

75 93

600

0

100

200

300

400

500

600

Rodung ohne Feuer Brandrodung Brandrodung Torfwald

Ja

hre

Waldrodung zur Gewinnung von Palmöl

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CTL-Kraftstoffe basieren auf der Entgasung von Kohle. Die weitere Herstellung erfolgt analog jener der GTL- und BTL-Kraftstoffe.

Da das Synthesegas zur Herstellung von flüssigen Kraftstoffen aus allen organischen Substanzen gewonnen werden kann, spricht man auch von XTL-Kraftstoffen. Neben den klassischen Synthesegasen aus Biomasse, Kohle, Erdgas oder Hausmüll ist auch CO2 (z.B. aus kalorischen Kraftwerken) geeignet. Besonders effizient wäre die Verwendung von CO2, wenn in kalorischen Kraftwerken die Verbrennungsluft durch reinen Sauerstoff ersetzt würde, der aus der Elektrolyse stammt; der dort anfallende Wasserstoff wird zur Kraftstoffproduktion benötigt. Die elektrische Energie dazu liefern beispielsweise Windkraftwerke. Man schätzt, dass aus Deutschlands Hausmüll der gesamte Dieselbedarf des Landes in Form von XTL-Kraftstoff hergestellt werden könnte.

2.2 Gasförmige Biokraftstoffe

Biogas kann auch als Ersatz für Erdgas eingesetzt werden. Biogas stammt primär aus Mülldeponien, Kläranlagen und anderen Quellen (z.B. Gülle). Da es bis zu 50% CO2 und Verunreinigungen enthält (hauptsächlich Schwefelwasserstoff, der zu Korrosionserscheinungen führt und SO2-Emission verursacht), müssen diese Substanzen im Zuge der Aufbereitung entfernt werden. Ebenso wie Erdgas kann Biogas in Verbrennungskraftmaschinen direkt eingesetzt werden. Sinnvoll ist dessen Einspeisung in die nahezu flächendeckend vorhandenen Verteilernetze. Nach dem Zwischenschritt der Reformierung, das heißt Abspaltung der Wasserstoffatome vom Kohlenstoffatom, ist auch die Verwendung in Brennstoffzellen möglich. Das CO2 im Biogas kann durch Absorption (Wasser und organische Lösungsmittel) oder Adsorption (Aktivkohle, Membranprozesse) abgeschieden werden. Bei Aufbereitungsverfahren wie Wasserwäsche, Druckwechseladsorption oder Glykolwäsche liegt der Methanschlupf im Bereich von 2%, beim Aminwaschverfahren bei 0,01 bis 0,1%. Erfolgversprechend ist die Aufbereitung mittels Membranverfahren; die Membrane werden durchlässig für CO2, N2, O2, H2 und H2O ausgelegt. Die CH4-Konzentration im „Offgas“ beträgt <1%, die CH4-Reinheit erreicht Werte von 96% (Nachteil: Stromverbrauch und Notwendigkeit, Terpene abzuscheiden). Je nach Art der Bereitstellung von Biogas sind CO2-Einsparungen von bis zu 90% möglich. Biogas ist von allen Alternativkraftstoffen derzeit ökologisch am effektivsten. Einerseits können mit vergleichsweise geringem Aufwand und bei höchstem Wirkungsgrad organische Abfälle verwertet werden, andererseits sind die Flächenerträge um den Faktor 3,5 bis 4,5 höher als bei Biodiesel oder Bioethanol (bei BTL-Kraftstoffen über 2). Zudem ist ein breiteres Spektrum an Pflanzen verwertbar. In der gezielten Vorbehandlung des Substrats liegt noch Potenzial bezüglich CH4-Ausbeute. Da aufbereitetes Biogas problemlos in das Versorgungsnetz für Erdgas eingespeist werden kann, steht diese Infrastruktur zu dessen Verteilung zur Verfügung. Bio-Methan wird in Österreich bereits eingespeist und ist an Erdgas-Tankstellen verfügbar. Diese sind in Österreich in einer nahezu flächendeckenden Anzahl vorhanden. Somit bietet sich Biogas als alternativer Kraftstoff für Motoren mit Fremdzündung an. Die Erdgasversorger sind verpflichtet, eine bestimmte Qualität von Erdgas zu liefern. Deshalb kommt der Aufbereitung von Biogas große Bedeutung zu. Zur Sicherstellung des erforderlichen Heizwertes wird üblicherweise Flüssiggas eingespeist.

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Analog zu Erdgas3 kann auch Biogas verflüssigt werden, man spricht dann von Liquid Bio Gas (LBG). Für den Transport werden vakuumisolierte Behälter verwendet. Der Energieaufwand für die Herstellung von 1 kg LNG beträgt rund 1 MJ; für die Raffination von Dieselkraftstoff setzt man den fünffachen Aufwand an. Flüssiges Biogas kann wie sein Pendant aus Erdgas vorteilhaft in Nutzfahrzeugen und Schiffen zum Antrieb von Motoren verwendet werden. Andere Alternativantriebe sind dort nur sehr bedingt geeignet.

2.3 Methanhydrat

In den Sedimentablagerungen der Kontinentalhänge der Weltmeere ist Erdgas in Form von Hydraten gespeichert. Man geht davon aus, dass die Menge an Methan die Reserven in konventionellen Lagerstätten um ein Vielfaches übersteigt. Aus organischen Überresten von Plankton wurde Methan gebildet. Methanhydrate sind nur bei hohen Drücken (mehr als 35 bar) und niedrigen Temperaturen stabil. Weil das Bodenwasser der Ozeane eine Temperatur zwischen 0 und 4 °C aufweist und ab einer Wassertiefe von 350 m ein ausreichend hoher Druck herrscht, sind die Hydrate in diesen Zonen stabil. Methanhydrate sind eisähnliche Festkörper, die aus Methan und Wasser bestehen. Die Methanmoleküle sind in einem Käfig aus Wassermolekülen eingeschlossen. Technologien zum Abbau von Methanhydrat in industriellem Maßstab sind bislang nicht verfügbar. Man geht davon aus, dass in den Hydratvorkommen der Weltmeere 1000 bis 5000 Gigatonnen Kohlenstoff gebunden sind. Das übersteigt die Kohlenstoffmenge, die jährlich durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern freigesetzt wird, um den Faktor 100 bis 500. Neben den gewaltigen Energiereserven stellen diese Methanlager ein gigantisches Treibhausproblem dar. Wenn die Temperatur der Weltmeere so weit ansteigt, dass die Hydrate instabil werden, gelangt das ausgesprochen klimarelevante Methan in die Erdatmosphäre. Auch wenn die Ausbeutung dieser Lagerstätten technologisch möglich wird, sind damit die Gefahren der unkontrollierten Freisetzung von Methan nicht gebannt, abgesehen von umweltschädigenden Aspekten der Gewinnung.

2.4 Wasserstoff

Wasserstoff dürfte in Zukunft als Kraftstoff selbst oder bei der Herstellung von Kraftstoffen eine größere Rolle spielen als bisher. Seitens der Europäischen Union wurden bereits Initiativen gesetzt (z.B. EU-Richtlinie über eine Strategie für alternative Verkehrsenergieträger), und in Österreich sind Bestrebungen zur Errichtung eines Tankstellennetzes zu beobachten. Die Marktentwicklung spielt dabei eine wesentliche Rolle, das heißt die Einführung von Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb. Darin ist ein großes Hindernis für die Akzeptanz von Wasserstoff-Fahrzeugen zu sehen. Die Kunden warten auf eine flächendeckende Verfügbarkeit von Tankstellen, die Tankstellenbetreiber warten auf eine wirtschaftlich sinnvolle Anzahl von Kunden.

3 Unter Atmosphärendruck flüssig bei -162°C

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Eine Studie des Forschungszentrums Jülich aus dem Jahr 20184 zeigt, dass die Adaptierung des Stromnetzes in Deutschland zur Versorgung von 20 Millionen E-PKW rund 51 Milliarden Euro kosten würde und damit um 11 Mrd. mehr als eine flächendeckende Errichtung von Wasserstofftankstellen zur Versorgung von gleich vielen Brennstoffzellenautos (siehe Bild 2.4.1). Das derzeitige Stromnetz ist zur Versorgung so vieler Elektrofahrzeuge nicht ausgelegt; ähnliche Verhältnisse sind auch in Österreich gegeben.

Bild 2.4.1: Aufwand für Stromnetz bzw. H2-Tankstellen in Deutschland bis 2050 Aktuelle Forschungsergebnisse lassen eine deutliche Verbesserung für die Anwendung von Wasserstoff erwarten, indem H2 chemisch an flüssige organische Hydride gebunden wird (LOHC – Liquid Organic Hydrogen Carrier). Bei der Betankung wird die mit Wasserstoff beladene Trägerflüssigkeit in den Tank gefüllt und dabei gleichzeitig die entladene Flüssigkeit entnommen. In einer Dehydrierungseinheit wird der Wasserstoff für den Verbrauch in einer Brennstoffzelle abgespaltet. Als Trägersubstanz kommen z.B. N-Ethylcarbazol (NEC) oder Dibenzyltoluol zum Einsatz. Pro kg NEC können 53 g H2 chemisch gebunden werden. Das ergibt bei einem H2-Verbrauch von 1 kg/100 km eine Reichweite von 500 km bei einer Tankfüllung von 100 l. Der Gesamtwirkungsgrad (von Strom zu Strom) wird mit 29% bis 38% abgeschätzt. Positiv hinsichtlich der CO2-Emissionen ist diese Technologie dann, wenn der Strom für die Elektrolyse aus regenerativen Quellen bezogen wird. Bild 2.4.2 zeigt den Wirkungsgradvergleich von zwei verschiedenen Brennstoffzellen-Typen mit Wasserstoff aus LOHC und einem Verbrennungsmotor.

4 www.fz-juelich.de/iek/iek-3/DE/Forschung/_Process-and-System-

Analysis/News/InfrastructureAnalysis/_node.html dort Download der Studie als pdf-Datei

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Bild 2.4.2: Wirkungsgradvergleich LOHC mit Verbrennungsmotor Neben den LOHC-Ansätzen wird Wasserstoff für Fahrzeuge wohl ausschließlich in Brennstoffzellen angewendet werden. Forschung und Entwicklung im Zusammenhang mit Verbrennungskraftmaschinen wurden mittlerweile deutlich reduziert bzw. völlig eingestellt. Wasserstoff ist in mehrfacher Hinsicht interessant:

Bei der Umwandlung in Strom entstehen keine Schadstoffe und keine Treibhausgase.

Die Verfügbarkeit des Rohstoffes Wasser ist gesichert.

Die Abhängigkeit von Drittstaaten ist vergleichsweise gering, da bei der Herstellung mittels Elektrolyse nur elektrischer Strom notwendig ist.

Die elektrischen Wirkungsgrade sind, abhängig von der Technologie der Brennstoffzelle, akzeptabel bis sehr gut; sie liegen im Bereich zwischen 35 und 70 %.

Wasserstoff kann in geringen Mengen (≤2% vol.) auch direkt in das Erdgasnetz eingespeist werden. Auf diese Art ist seine Nutzung unter Verwendung bereits vorhandener Infrastruktur möglich. Angestrebt wird bei den Erdgasnetzen eine Wasserstofftoleranz von bis zu 10% vol. Damit könnten nennenswerte Mengen von H2 mit geringem Aufwand verwertet werden. Es existieren konkrete Pläne, Wasserstoff auf Offshore-Windkraftanlagen herzustellen, zu verflüssigen und damit an Ort und Stelle Frachtschiffe zu betanken, die von Wasserstoffmotoren angetrieben werden.

2.5 OME-Kraftstoffe

Das Ziel der „Energiewende“ ist der Ersatz von Kernenergie durch den Ausbau erneuerbarer Energien, mehr Energieeffizienz und weniger Treibhausgas. Bei genauer Betrachtung können dazu auch Verbrennungskraftmaschinen zum Antrieb von Fahrzeugen ihren Beitrag leisten. Die Kraftstoffe müssen dabei möglichst CO2-neutral produziert werden. Das bedeutet, dass man den Kohlenstoff aus CO2 gewinnt, welches bei industriellen Prozessen anfällt, und mit Wasserstoff zu Kohlenwasserstoffen synthetisiert. Der Wasserstoff wird mittels Elektrolyse gewonnen, der dafür notwendige Strom beispielsweise in Wind- oder Solarkraftwerken. Man spricht in diesem Zusammenhang von elektrobasierten Kraftstoffen. Dazu zählt auch Methanol, wenn es aus regenerativen Quellen stammt. Anlagen für Power-to-Methanol (PtM) sind derzeit noch nicht Stand der Technik. Die Gewinnung von CO2 aus der Atmosphäre ist ebenfalls (noch) nicht Stand der Technik. An der Skalierung von Kleinanlagen für die Großserienproduktion wird gearbeitet. Vereinfacht gesprochen wird das CO2 aus der

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Luft gefiltert. Ist die Filtereinheit voll beladen, wird sie auf 100°C erhitzt, das CO2 wird konzentriert freigesetzt und dem Syntheseprozess für Methanol zugeführt. Wegen der Nachteile von Methanol (Toxizität und nicht für alle Anwendungsfälle passende chemische und physikalische Eigenschaften) bietet sich die Umformung in Oxymethylenether5 (OME) mittels eines Syntheseprozesses an. OME sind sauerstoffhaltige Oligomere mit der chemischen Struktur H3C-O-(CH2O)n-CH3 (Bild 2.5.1). Die Eigenschaften dieser farblosen, brennbaren Flüssigkeiten hängen von der Kettenlänge n ab, also von der Anzahl der Oxymethylengruppen CH2O. OME (mit n zwischen 3 und 6) und deren Gemische eignen sich als Dieselkraftstoffkomponenten oder als Alternative zum Dieselkraftstoff6. Der große Vorteil von OME: Sie können aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.

Bild 2.5.1: OME-Molekül mit drei Oxymethylengruppen und 47% Sauerstoff (Masse) Werden reine OME gemischt, können die Eigenschaften des Kraftstoffes den Anforderungen des Motors angepasst werden. Einen Vergleich mit Dieselkraftstoff zeigt die nachstehende Tabelle.

5 Gängige Bezeichnung für verschiedene Molekülstrukturen, für Dieselmotoren primär

Polyoxymethylendimethylether; Dimethylether hat die Strukturformel H3C-O-CH3, dazwischen eingelagert sind die n Oxymethylengruppen 6 Siehe z.B. MTZ 12/2017: „OME als Kraftstoffersatz im Pkw-Dieselmotor“

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Tabelle: Eigenschaften von Dieselkraftstoff und OME

Diesel OME 1 OME 3-6*

Dichte kg/m3 834 867 1068

Heizwert HU MJ/kg 43 22 19

Cetanzahl 53 38 75

Siedebeginn °C 211 42 157

O2-Masse % 0 42 48 *) Publiziertes Beispiel für ein OME-Gemisch

OME 1 ist wegen seiner geringen Cetanzahl und seiner schlechten Schmiereigenschaften wenig geeignet für den Einsatz in Dieselmotoren, das Gemisch OME 3-6 hingegen schon. Wegen des geringeren Heizwertes ist der Verbrauch, ausgedrückt in kg, größer als von Dieselkraftstoff. Das liegt in der Natur der chemischen Struktur (viel Sauerstoff, weniger Kohlenstoff). OME lösen den Trade-Off zwischen Partikel- und NOx-Emission auf, sodass selbst hohe AGR-Raten zu keinem signifikanten Anstieg der Rußemissionen führen. Auch dafür liegt der Grund in der Molekülstruktur. Es ist ein vergleichsweise großer Anteil an Sauerstoff (bis 50 zu Prozent) chemisch gebunden. Darüber hinaus sind im Molekül keine direkten Kohlenstoff-Kohlenstoff-Verbindungen zu finden (deshalb auch die Bezeichnung „C1-Kraftstoffe“). Diese beiden Eigenschaften führen dazu, dass OME ohne Rußemissionen verbrennen können. Das eröffnet die (bei der Verbrennung von Diesel nicht gegebene) Freiheit, den Stickoxidausstoß ohne Rücksicht auf die Partikelemission optimieren zu können, beispielsweise durch hohe AGR-Raten. OME wird als nahezu idealer Kraftstoff mit großem Potenzial angesehen, der ausgeprägt emissionsreduzierend wirkt. Kurzfristig könnten OME-Kraftstoffe konventionellem Dieselkraftstoff beigemischt werden. Besonders vorteilhaft sind sie in Flugzeugen oder Schiffen einzusetzen, wo Speicherbatterien für den elektrischen Antrieb kaum realistisch sind. OME ist preislich mit Dieselkraftstoff konkurrenzfähig, wobei fiskalischen Maßnahmen eine Lenkungsfunktion zukommt. Mitunter wird für OME-Kraftstoffe die Bezeichnung „flüssiger Strom“ verwendet.

2.6 LNG

Verflüssigtes Erdgas (liquefied natural gas) wird als Kraftstoff für LKW und Schiffe an Bedeutung gewinnen. Es wird durch Abkühlung verflüssigt (-161°C Siedetemperatur bei Atmosphärendruck) und in Kryotanks bei Drücken bis zu 20 bar gelagert. Die Reichweite einer Tankfüllung beträgt bei LKW rund 1000 km. Die Dichte liegt bei rund 450 kg/m3 (gasförmig im Normzustand rund 0,7 bis 0,84 kg/m3, je nach Zusammensetzung). Wenn man Biogas verflüssigt, wird der Warentransport bis zu einem gewissen Grad CO2-neutral.

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2.7 Power-to-Gas

Gas aus erneuerbaren Energien wird EE-Gas genannt, der Prozess zur Herstellung Power-to-Gas (PtG). Das Schema von Power-to-Gas zeigt Bild 2.7.1 (Quelle: Aqua & Gas No. 10/2014). Es geht darum, mit Hilfe von Strom Brenngase (Wasserstoff und/oder Methan) zu erzeugen. Diese können bei Bedarf wieder verstromt werden. Der große Vorteil von Methan (CH4) liegt darin, dass dieses Gas in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. Dieses reagiert im Unterschied zum Stromnetz ausgesprochen gutmütig: Ein Überangebot an CH4 wird vom Netz in Form von Druckschwankungen abgefangen. Zudem sind – neben dem Volumen der Transportleitungen – riesige Gasspeicher vorhanden.

Bild 2.7.1: Schema Power-to-Gas (Quelle: Aqua & Gas No. 10/2014) Vergleichsweise einfach ist die Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse. Allerdings ist die Infrastruktur für Wasserstoff noch wenig entwickelt. Deshalb wird in der zweiten Stufe Methan aus H2 und CO2 erzeugt. Dieser Prozess wird Methanisierung genannt. CO2 fällt bei vielen industriellen Prozessen oder in Biogasreaktoren an. Die Kombination der EE-Gaserzeugung mit Biogasanlagen ist aus zweierlei Gründen günstig: Das prozierte Methan kann direkt in das Versorgungsnetz eingespeist werden, und das für den Prozess benötigte CO2 fällt bei der Entstehung von Biogas in größeren Mengen an. Dieses muss vor der Einspeisung des Biogases ohnehin abgetrennt werden. Dieser Schritt kann durch Methanisierung eingespart werden. Das schon vorhandene Methan stört dabei nicht. Der Schwefelwasserstoff hingegen muss entfernt werden. Allerdings ist die Abtrennung von CO2 insofern sinnvoll, als die Speicherung von reinem CO2 zur späteren Erzeugung von CH4

einfacher ist als in einem Gasgemisch mit Methan. In einem Pilotprojekt7 wird das im Roh-Biogas reichlich vorhandene CO2 nicht abgetrennt, sondern reagiert mit dem zugeführten Wasserstoff in einem Wirbelschichtreaktor in Anwesenheit eines Nickel-Katalysators zu CH4.

7 Aqua & Gas No. 7-8/2016

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Die Wirkungsgrade hängen unter anderem davon ab, ob das EE-Gas komprimiert wird oder nicht. Für Wasserstoff reicht die Bandbreite von 55 bis 75%, für Methan von 50 bis 65%. Wenn das Brenngas anschließend bedarfsabhängig wieder verstromt wird, stellen sich weitere Wirkungsgradeinbußen ein, sodass die Effizienz der gesamten Umwandlungskette bei 35 bis 40% liegt (bei Wasserstoff etwas darüber). Mit Kraft-Wärme-Kopplung sind Wirkungsgrade von etwas über 60% (Wasserstoff) bzw. 55% (Methan) darstellbar. Bei diesen Wirkungsgradbetrachtungen ist zu berücksichtigen, dass derzeit keine andere, großtechnisch verfügbare Möglichkeit der Stromspeicherung bekannt ist. Zur Kompression von 1 bar absolut (20°C) auf 200 bar ist bei Wasserstoff Energie im Ausmaß von 8,6% des Brennwertes erforderlich, bei Erdgas nur 2,6%. Innerhalb einiger weniger Jahre wurden in Europa vermehrt Anlagen für EE-Methan oder Wasserstoff entwickelt, die zum Teil in das Erdgasnetz einspeisen.

2.8 CO2-Problematik der Kraftstoffe

Kraftstoffverbrauch und CO2-Emission sind bei gegebenem Kraftstoff direkt proportional. Wie viel Treibhausgas CO2 bei einem bestimmten Verbrauch gebildet wird, hängt vom Kraftstoff ab. Entscheidend ist das Verhältnis von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen. Herkömmliche Dieselkraftstoffe und Benzine bestehen zu rund 85 bis 87 Masseprozent aus Kohlenstoff und zu 13 bis 15 Prozent aus Wasserstoff. Bei Erdgas beträgt das Verhältnis 75:25, bei Rapsmethylester (RME; „Biodiesel“) 77:12; der Rest von 11% ist Sauerstoff. Auf dieser Basis verursacht ein benzinbetriebener Ottomotor etwas weniger CO2 als ein Dieselmotor; Erdgas liegt bei 86% eines Dieselmotors, ausgedrückt in kmol CO2/kg Brennstoff. Die Heizwertunterschiede und der Energieaufwand bei der Herstellung und Verteilung der Kraftstoffe verzerren diese Zahlen etwas. Folgende Werte können für die Umsetzung der Kraftstoffe im Motor angesetzt werden: Dieselmotor: 2,63 kg CO2/l Dieselkraftstoff Ottomotor: 2,32 kg CO2/l Benzin Erdgasmotor: 2,23 kg CO2/kg Erdgas Für einen PKW mit einem Dieselverbrauch von 4 l/100 km ergibt sich eine CO2-Emission von 105 g/km, für einen kleinen PKW mit einem Benzinverbrauch von 3 l/100 km rund 70 g/km, für ein Elektroauto mit einem Antriebsbedarf von 25 kWh/100 km rund 150 g/km für den deutschen Kraftwerksverbund bzw. rund 50 g/km für österreichische Verhältnisse, siehe Bild 2.8.1. Setzt man für Erdgasmotoren eine durchschnittliche CO2-Reduktion von 20% gegenüber Benzin an, lassen sich für kleine PKW CO2-Emissionen im Bereich von weniger als 60 g/km erwarten. Der im Jahr 2011 von Volkswagen vorgestellte Kleinwagen „Up“ mit Erdgasmotor (Hubraum 1,5 Liter, Nennleistung 50 kW, weist einen Erdgasverbrauch 2,9 kg/100 km auf, was einer CO2-Emission 65 g/km entspricht. Durch konsequenten Leichtbau sind weitere Einsparungen möglich, die CO2-Emissionen von weniger als 50 g/km im Erdgasbetrieb ermöglichen. Zum Vergleich und der besseren Übersicht wegen sind in diesem Diagramm auch die CO2-Emissionen von kleinen Elektrofahrzeugen am Beispiel der Kraftwerksnetze von Österreich und Deutschland eingetragen. Auf die im Zusammenhang mit der Stromerzeugung maßgeblichen Randbedingungen wird in Abschnitt 3 eingegangen.

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Bild 2.8.1: CO2-Emissionen von PKW in g/km

Derzeit wird bei den Erdgasmotoren für PKW das Verbrauchs- und CO2-Potential nicht völlig ausgeschöpft, weil die Auslegung meist für bivalenten Betrieb (Benzin und CH4) erfolgt. Bei konsequenter Auslegung der Motoren auf monovalenten Erdgasbetrieb können beispielsweise deutlich höhere Verdichtungsverhältnisse realisiert werden. Damit sind im Vergleich zu einem Benzinmotor gleicher Leistung CO2-Reduktionen um rund 30% möglich. Um den globalen Effekt quantifizieren zu können, müssen die Emissionen von der Quelle bis zum Rad („Well-to-Wheel“) berücksichtigt werden; der CO2-Ausstoß des Fahrzeuges alleine („Tank-to-Wheel“) ist zur Beurteilung des Treibhauseffektes nicht ausreichend. Dies gilt für Elektrofahrzeuge gleichermaßen. Auch die Wirkungsgrade für die Erzeugung und Bereitstellung der Energie sind von Bedeutung. Bild 2.8.2 zeigt einen Vergleich8. Der geringe Aufwand bei der Gewinnung und Verarbeitung von Erdgas (Trocknung und Entschwefelung) spiegelt sich in hohen Wirkungsgraden von rund 90% wieder. Auch fossile Kraftstoffe sind in dieser Hinsicht unkompliziert. Bei biogenen Kraftstoffen spielen die Art des Rohstoffes und das gewählte Herstellungsverfahren eine große Rolle, sodass sich Wirkungsgrade zwischen 15 und 50% einstellen. Die Erzeugung von Strom erfolgt je nach Verfahren bei Wirkungsgraden zwischen 15 und 90%. Wasserstoff kann bei Wirkungsgraden bis 80% aus Methan hergestellt werden, bei der Erzeugung mittels Elektrolyse reichen die Wirkungsgrade bis 75%, wobei der Wirkungsgrad der jeweiligen Stromerzeugung zusätzlich zu berücksichtigen ist. Zu den Erzeugungswirkungsgraden des Wasserstoffs sind noch die Wirkungsgrade für die Verdichtung (ca. 85%) oder Verflüssigung (ca. 70%) hinzuzurechnen.

8 M. Klell und P. Cona: Wirkungsgrade und CO2-Emissionen verschiedener Energieketten, HyCentA TU Graz,

2009

50

150

105

70

50

0

20

40

60

80

100

120

140

160

E-PKW(Kraftwerksnetz Ö)

E-PKW(Kraftwerksnetz BRD)

Diesel: 4l/100 km Benzin: 3 l/100 km PKW klein, Erdgas

CO2 [g/km]

CO2-Emissionen kleiner PKW

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Bild 2.8.2: Wirkungsgrad der Energieerzeugung (Well-to-Tank)

In Bild 2.8.3 sind die CO2-Emissionen für Well-to-Wheel dargestellt (Testverfahren: NEFZ). Die große Bandbreite beim Elektrofahrzeug ergibt sich aus CO2-freiem Betrieb mit regenerativ gewonnenem Strom bis zum Strom aus Braunkohle. Beim Wasserstoffantrieb (H2) in Brennstoffzelle und Verbrennungskraftmaschine wird regenerativ gewonnener Druckwasserstoff aus Erdgas9 angenommen. Elektrofahrzeuge fahren nur dann umweltfreundlich, wenn sie aus regenerativen Stromquellen gespeist werden.

9 Großtechnisch wird Wasserstoff bislang aus Erdgas (CH4) hergestellt. Die dafür notwendige Energie kann z.B.

fossil oder in Zukunft aus regenerativen Quellen bereitgestellt werden.

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Erdgas Benzin-Diesel Biokraftstoffe Strom H2

Wir

kun

gsgr

ad [

%]

Wirkungsgrade Well-to-Tank

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Bild 2.8.3: CO2-Emissionen Well-to-Wheel

Analoge Ergebnisse für Well-to-Wheel (CO2-Äquivalente in g/km) liefert eine Studie von Volkswagen auf der Basis eines VW Golf10 (Bild 2.8.4). Hier ist auch die E-Mobilität abgebildet unter der Voraussetzung, dass die Herkunft des Stroms dem EU-Mix entspricht. Man erkennt, dass der Betrieb mit Power-to-Gas (PtG) signifikant geringere CO2-Äquivalente verursacht als ein E-PKW mit Strom aus dem Kraftwerksverbund der EU. Die Belastung, die durch die Herstellung der Kraftstoffe entsteht (Well-to-Tank), ist separat ausgewiesen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass im Jahr 2016 Braun- und Steinkohle einen Anteil von mehr als 40% an der Stromproduktion Deutschlands hatten; in Österreich ist die Situation wegen der Wasserkraft deutlich günstiger.

10

Publiziert in MTZ 06/2017

0

100

200

300

400

500

600

Kleinwagenelektr.

KleinwagenVKM

Mittelkl. B-Zelle H2

Mittelkl.Hybrid

Mittelkl. VKMH2

Mittelkl. CH4 Mittelkl.Benz./Diesel

Luxuskl.Benzin

CO

2-E

mis

sio

n [

g/km

]

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Bild 2.8.4: CO2-Äquivalente Well-to-Wheel

Die Wirkungsgradkette vom elektrischen Strom (100%) bis zu den Antriebsrädern lässt sich für einen batteriebetriebenen PKW (BEV), einen PKW mit Brennstoffzelle und einen herkömmlichen PKW mit synthetisch hergestelltem Kraftstoff (EE-Fuel) im Sinne eines konservativen Ansatzes wie folgt darstellen11 (Bild 2.8.5):

11

Abgeleitet aus „Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe“, Agora Verkehrswende, Agora Energiewende und Frontier Economics (2018):, www.agora-energiewende.de/fileadmin2/Projekte/2017/SynKost_2050/Agora_SynCost-Studie_WEB.pdf

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Bild 2.8.5: Einzelwirkungsgrade (rote Balken: Verluste in % des eingesetzten Stroms) Der Wirkungsgrad von rund 13% für einen PKW mit flüssigem Kraftstoff aus erneuerbaren Energien scheint auf den ersten Blick gering. Wenn man aber voraussetzt, dass Strom aus erneuerbaren Energiequellen für die Elektrolyse im Überschuss zur Verfügung stehen kann, kommt den Herstellungskosten des Gesamt-Systems die größte Bedeutung zu. Hier schneidet der konventionelle PKW mit EE-Kraftstoff (Kraftstoffe siehe Kapitel 2.5) sehr gut ab. Sowohl die Motoren als auch die Infrastruktur zur Verteilung und Betankung stehen seit langem zur Verfügung.

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2.9 Ökologische Aspekte der Biokraftstoffe

Eine wichtige, aber nicht abschließende Einflussgröße auf die Umweltverträglichkeit von Kraftstoffen ist deren Treibhauspotenzial12, siehe Bild 2.9.1.

Bild 2.9.1: Treibhauspotenzial von Kraftstoffen Es gibt durchaus kritische Stimmen bezüglich der ökologischen Verträglichkeit von Biokraftstoffen. Beispielsweise kann die Rodung von Regenwald zugunsten von Pflanzen zur Kraftstoffgewinnung nicht im Interesse des Klimaschutzes sein. Manche Pflanzen (z.B. Zuckerrüben, Weizen) enthalten vergleichsweise viel Schwefel, der bei der Verbrennung in Form von SO2 freigesetzt wird und diesbezüglich ungünstiger ist als Benzin (gilt aber primär für Biokraftstoffe der ersten Generation). Die Düngung der Felder mit Stickstoff setzt zudem das Treibhausgas N2O (Distickstoffmonoxid; Lachgas) frei, dessen Treibhauspotenzial 310 Mal so hoch ist wie jenes von CO2.

Im Jahr 2007 gab das BUWAL in Bern einen Bericht über die ökologische Bewertung von Biokraftstoffen heraus. Der Bericht ist abrufbar unter http://www.news-service.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/8514.pdf

Zusammengefasst werden folgende Zusammenhänge aufgezeigt:

Bei der Ökobilanzierung von Biotreibstoffen sind sämtliche Umweltbelastungen einzubeziehen. Dazu gehören die Überdüngung und Versauerung der landwirt-schaftlichen Böden, der Biodiversitätsverlust durch Monokulturen, die Nährstoff-auslaugung der Böden durch bestimmte Pflanzenarten, die Emissionen bei Brandro-dungen, die Toxizität von Pestiziden (vor allem bei Anbau in Entwicklungsländern, wo die Umweltstandards niedriger sind als in Europa), die Höhe der Flächenerträge sowie die Schadstoffemissionen selbst.

12

www.e-control.at/konsumenten/oeko-energie/klima-und-umwelt/umweltauswirkungen

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Unter Berücksichtigung dieser Faktoren zeigt sich, dass Diesel, Benzin und Erdgas aus fossilen Quellen unter Umständen weniger umweltschädlich sind als Biokraftstoffe. Hier sind zwar die Umweltauswirkungen des Fahrzeugbetriebes schlechter, aber die Umweltbelastungen zufolge der landwirtschaftlichen Produktion fallen weg.

Es sind die gesamten Treibhausgasemissionen zu berücksichtigen. Die Bereiche landwirtschaftlicher Anbau, Treibstoffproduktion aus den Pflanzen, Transport des Treibstoffes, Betrieb der Fahrzeuge sowie die Bereitstellung und der Unterhalt von Fahrzeugen und Straßen sind einzubeziehen, weil hier Treibhausgase freigesetzt werden.

Beim Anbau sind die wichtigsten Einflussfaktoren die Flächenerträge (hoch bei mitteleuropäischen Zuckerrüben oder brasilianischem Zuckerrohr, niedrig bei mit-teleuropäischen Kartoffeln oder europäischem Roggen). Die Lachgasemissionen und die Brandrodung von Regenwaldflächen schlagen bei bestimmten Biokraftstoffen ebenfalls stark zu Buche. Besonders hervorzuheben sind hier beispielsweise Ethanol aus US-Mais (hohe Lachgasemission) sowie malaysisches Palmöl und brasilianisches Sojaöl (wegen der Brandrodung). Die niedrigsten Emissionsanteile im Sektor Anbau lassen sich bei Verwendung von Biodiesel aus Altspeiseöl oder Methan aus Gülle erzielen.

Die Treibstoffproduktion verursacht im Schnitt deutlich geringere Treibhausgasemissionen als der landwirtschaftliche Anbau. Besonders gering sind die Emissionen bei der Ölgewinnung und Veresterung zu Biodiesel. Die höchsten Emissionen werden bei der Gewinnung von biogenem Methan frei. Der Grund dafür sind Methan- und Lachgasemissionen bei der Nachgärung des Gärrückstandes sowie der Methanschlupf bei der Aufbereitung von Biogas.

Der Treibstofftransport spielt eine untergeordnete Rolle, wenn der interkontinentale Transport mit Tankschiffen oder in Pipelines erfolgt.

Der eigentliche Fahrzeugbetrieb ist CO2-neutral, da das frei gesetzte CO2 beim Pflan-zenwachstum innerhalb kurzer Frist wieder gebunden wird.

Die Treibhausgasemissionen (ausgedrückt als Massenemissionen), die auf die Bereitstellung und den Unterhalt von Fahrzeugen und Straßen zurückgehen, sind bei allen Treibstoffarten gleich hoch. Prozentuell ergeben sich jedoch in Abhängigkeit von der gesamten Treibhausgasemission erhebliche Unterschiede. Bei sehr effizienten alternativen Treibstoffen, wie Biodiesel aus Altöl oder Bioethanol aus Zuckerrohr oder Methan aus Gülle, macht dieser Anteil mehr als die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen aus.

Bei den meisten Biotreibstoffen existiert ein Zielkonflikt zwischen der Minimierung der Treibhausgasemissionen und einer positiven ökologischen Gesamtbilanz. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Großteil der Umweltbelastungen der Biotreibstoffe durch den landwirtschaftlichen Anbau verursacht wird. In der tropischen Landwirtschaft setzt primär die Brandrodung von Urwäldern große Mengen von CO2 frei, bewirkt eine erhöhte Luftbelastung und hat massive Auswirkungen auf die Biodiversität. In den gemäßigten Breiten wirken sich niedrige Flächenerträge, intensive Düngung und mechanische Bearbeitung negativ aus. Besonders schlecht schneidet Alkohol aus mitteleuropäischen Kartoffeln oder europäischem Roggen ab. Vorteilhaft erweist sich die energetische Nutzung von landwirtschaftlichen Nebenprodukten, beispielsweise Melasse oder Zuckerhirse-Stroh. Am günstigsten ist die energetische Nutzung von Abfall- und Reststoffen, wie Molke (für Ethanol) oder Gülle (für die Methanproduktion). Allerdings kommt hier dem Herstellungsverfahren des jeweiligen Kraftstoffes ein hoher Stellenwert zu, um die schon angesprochenen Methanemissionen während der Nachgärung zu minimieren.

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Gut schneidet auch die Vergasung von Holz ab, wenn die Methanproduktion in einem geschlossenen Prozess möglich ist (Minimierung des Methanschlupfs).

Die Produktion von Biotreibstoffen benötigt große Anbauflächen. Es könnte sich hier in Zukunft ein Nutzungskonflikt abzeichnen (Wachstum der Weltbevölkerung, Wirtschaftsaufschwung in den Schwellenländern, Produktion anderer Biomaterialien wie Faserpflanzen oder Proteinprodukte).

Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass durch die Nutzung heute unproduk-tiver Anbauflächen eine Deckung von 20 – 50 % des Weltenergiebedarfs durch Bioenergie möglich wäre.

In die Überlegungen ist auch einzubeziehen, dass bei steigender Nachfrage nach Erdöl und Erdgas Reserven ausgebeutet werden, die bislang uninteressant waren und die höhere Umweltbelastungen zur Folge haben (z.B. Gewinnung aus Ölsanden, Fracking).

Die Wahl der entsprechenden Pflanzen bietet noch Potenzial zur Optimierung der Treibstoffherstellung aus Biomasse. Die Verarbeitung von Pflanzen mit hohem Nährwert ist unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren nicht optimal (z.B. hoher Dünger- und Pestizidverbrauch).

Einen wesentlichen Einfluss besitzen die Kraftstoff-Produktionstechnologien. Biokraftstoffe der ersten Generation schneiden deutlich schlechter ab als solche der zweiten Generation, wo sämtlicher Kohlenstoff, der in der Biomasse enthalten ist, energetisch genutzt wird. Wenn Anlagen zur Produktion von Biotreibstoffen der zweiten Generation in industriellem Maßstab verfügbar sind, wird sich eine deutliche Verbesse-rung der Umweltbilanz ergeben, vor allem in Kombination mit den geeigneten Pflanzen.

XTL-Kraftstoffen wird das größte Potenzial beigemessen, Diesel aus Erdöl ersetzen zu können.

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Die ökologische Relevanz ist in folgendem Diagramm (Bild 2.9.2) in Form von Umweltbelastungspunkten pro Personenkilometer zusammengefasst:

Bild 2.9.2: Umweltbelastungspunkte je Personen-Kilometer

Im diesem Kontext sind auch andere Möglichkeiten zur Herstellung alternativer Energien zu prüfen. Interessant ist hier die Frage, wie viel Energie aus einer bestimmten Fläche Ackerlandes gewonnen werden kann. Gemäß einer Studie aus dem Jahr 2007 ist Wasserstoff aus Wind- und Photovoltaikanlagen hinsichtlich des Flächenertrages Biokraftstoffen deutlich überlegen. Zudem können solche Anlagen auch auf Brachflächen und überbauten Flächen wie Hausdächern (gilt für Photovoltaik) errichtet werden.

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3. Strom

Mit der Entwicklung von batteriebetriebenen Fahrzeugen hat elektrischer Strom noch mehr an Bedeutung gewonnen. Die Antriebsenergie, die bislang aus fossilen Kraftstoffen gewonnen wird, muss den Elektrofahrzeugen über die Kraftwerksstrukturen und die Hochspannungsnetze zur Verfügung gestellt werden. Zu berücksichtigen ist der bessere Wirkungsgrad der Elektromotoren gegenüber den Verbrennungskraftmaschinen. Die Probleme der Bereitstellung (inklusive der Netzkapazitäten), der Speichermöglichkeiten oder der CO2-Belastung des Stroms dürfen in einer Diskussion, die den Kriterien der Objektivität gerecht werden will, nicht vernachlässigt werden.

3.1 Energieaufkommen

Die Herkunft der Energie im österreichischen Kraftwerksnetz zeigt das folgende Bild 3.1.1. Diese Daten sind öffentlich zugänglich13. Österreich importiert mehr Strom, als ausführt wird; im Jahr 2017 betrug der Import 29.362 GWH, der Export 22.817 GWh. Für Pumpspeicherung wurden 5.545 GWh aufgewendet. Die Stromaufbringung (=verwendeter Strom) gibt die E-Control mit 100.185 GWh für 2017 an.

Bild 3.1.1: Herkunft des Stroms in Österreich, Jahr 2014

Charakteristisch für Österreich ist ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Strom aus Wasserkraft. Die Kraftwerkskapazitäten in Österreich müssten um rund 20 bis 25%

13

www.e-control.at/documents/20903/388512/Statistikbroschuere_2018.pdf/7dee68bb-b2eb-16d5-9124-c5de5907a25d

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ausgeweitet werden, um den zusätzlichen Strombedarf für Elektrofahrzeuge14 zu decken, jene für regenerative Energien (inklusive Wasserkraft) um mehr als 30%. Der Anteil aus Wind, Photovoltaik und Geothermie müsste auf das Sechs- bis Siebenfache erhöht werden, wollte man den zusätzlichen Bedarf nur aus diesen Quellen decken. Die Kraftwerksstrukturen der einzelnen EU-Mitgliedsländer sind sehr heterogen. In Deutschland beispielsweise stammten im Jahr 2008 rund 80% des erzeugten Stromes aus fossil befeuerten Kraftwerken oder aus Kernkraftwerken. Der von der deutschen Regierung beschlossene Ausstieg aus der Kernkraft hat die Situation verändert, der Ausstieg aus der Kohle (wie 2019 beschlossen) wird weitere Veränderungen bringen. Die prozentuelle Aufteilung für das Jahr 2017 zeigt Bild 3.1.215. In der nächsten Dekade werden weitere Zuwächse an Windenergie erwartet, da die Regierung der Bundesrepublik Deutschland das Ziel verfolgt, bis 2030 in Offshore-Anlagen 20 bis 25 GW Leistung zu installieren. Da sich diese Kraftwerke auf Nord- und Ostdeutschland konzentrieren, müssen neue Hochspannungsleitungen gebaut werden.

Bild 3.1.2: Anteile an der Netto-Stromproduktion der BRD im Jahr 2017

3.2 Technologien zur Energiespeicherung

Aus Wind und Solarenergie erzeugter Strom fällt diskontinuierlich an. Es sind deshalb Technologien notwendig, um den Strom über längere Zeiträume zu speichern bzw. um ihn bei Bedarf abrufen zu können. Im Rahmen dieser Vorlesung werden die heute bekannten Möglichkeiten im Interesse einer ganzheitlichen Betrachtung kurz besprochen.

14

siehe Abschnitt 4.1: realistischer Bedarf 13 bis 15 Mrd. kWh/a 14

www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/news/2018/stromerzeugung-in-deutschland-2017-solar-und-windenergie-uebertreffen-erstmals-kohle-und-kernenergie.html

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3.2.1 Pumpspeicherkraftwerke

Pumpspeicherkraftwerke eröffnen die Möglichkeit, im Netz verfügbaren, aber momentan nicht benötigten Strom zu nutzen, indem Wasser mittels Pumpen in ein geodätisch höher gelegenes Speicherbecken gefördert wird. Bei Bedarf wird dieses Wasser über Turbinen abgearbeitet, der Strom wird ins Netz eingespeist. Ältere Pumpspeicherkraftwerke besitzen Umwälzwirkungsgrade von rund 75%, moderne Anlagen bis zu 80%. Im Umwälzwirkungsgrad sind die Wirkungsgrade der Pumpe, Turbine und des Generators sowie die Strömungsverluste der Triebwasserführung (vom Unterwasser zum Speicher und zurück) enthalten. Diese Technologie ist an topographische Randbedingungen gebunden. Mit dem Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken rechnete man mit einer verstärkten Nachfrage bei Regelstrom, der von Pumpspeicherkraftwerken zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Berechnungen der E-Control wurden in Österreich im Jahr 2012 lediglich 250 GWh zu Spitzentarifen benötigt (>1000 €/MW), die tatsächlich (billiger) gelieferte Menge lag aber bei 4500 GWh, was die Wirtschaftlichkeit derartiger Anlagen in Frage stellt. So gesehen stehen sie in Konkurrenz zu den geförderten Tarifen für Solar- und Windstrom. Ähnliche Verhältnisse sind in ganz Europa gegeben. Die notwendige Kraftwerkskapazität für Pumpspeicher wird auf rund 4600 MW geschätzt, die vorhandenen Kapazitäten liegen mit 12000 MW weit höher.

3.2.2 Druckluftspeicherkraftwerke

Bereits 1978 wurde ein Druckluftspeicherkraftwerk errichtet. Dabei wird elektrischer Strom zur Verdichtung von Luft verwendet, welche in großen, unterirdischen Speichern (z.B. Kavernen in aufgelassenen Salzstöcken) gelagert wird. Bei Bedarf wird die komprimierte Luft beispielsweise über eine Gasturbine abgearbeitet. Da der Wirkungsgrad sehr gering ist, fand diese Technologie bislang keine Verbreitung. Nun gehen die Überlegungen in Richtung adiabater Druckluftspeicherkraftwerke, d.h. die beim Verdichten abgeführte Wärme wird zwischengespeichert, um sie bei der Expansion wieder zuzuführen. Adiabate Druckspeicherkraftwerke setzen bestimmte geologische Gegebenheiten voraus, die auch für die Speicherung von fossilem Erdgas im Sinne einer Vorratshaltung notwendig sind. Deshalb kann hier ein Nutzungskonflikt entstehen. Es laufen derzeit auch Projekte, um die Windenergie direkt zum Verdichten der Luft ohne die Zwischenstufe Strom einzusetzen.

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3.2.3 Elektrobasierte Kraftstoffe (OME, EE-Gas)

Gas aus erneuerbaren Energien wird EE-Gas genannt. Auf die Ausführungen in Abschnitt 2.7 wird verwiesen.

3.2.4 Smart Grids

Der aus dem englischen Sprachgebrauch stammende Begriff „smart grid“, also ein „intelligentes Stromnetz“ bedeutet die Vernetzung und Steuerung von Stromerzeugern, Speichern, elektrischen Verbrauchern und Netzbetriebsmitteln in Stromnetzen. Derzeit sind Pumpspeicherkraftwerke die einzige im großtechnischen Maßstab verfügbare Technologie zur Speicherung. Hinzu kommen beispielsweise dezentrale Speicher wie Fahrzeugakkumulatoren. Man argumentiert damit, dass die Elektrofahrzeuge nur eine geringe Zeit in Betrieb seien und deshalb während ihrer Stehzeiten Strom in den Akkus speichern und bei Bedarf ins Netz abgeben könnten. Im Sinne einer einfachen Abschätzung soll davon ausgegangen werden, dass ein Elektrofahrzeug mit einer Energiemenge von 50 kWh beladen wird, was unter Berücksichtigung eines Wirkungsgrades von 25% 20 Litern an fossilem Kraftstoff entspricht und einem verbrauchsgünstigen PKW mit Verbrennungskraftmaschine eine Reichweite von 500 km ermöglichen würde. Wenn eine Ladestation eine Anschlussleistung von 10 kW besitzt, ergibt sich ohne Berücksichtigung von elektrischen Effekten eine Ladezeit von 5 Stunden. Für die Stromnetze in Haushalten wird mit weit geringeren Ladeleistungen zu rechnen sein. Es ist deshalb fraglich, ob die Fahrzeughalter bereit sein werden, bereits geladene Energie zur Verfügung zu stellen, weil dies die potenzielle Reichweite erheblich schmälern könnte und weil zusätzliche Lade- und Entladezyklen die Lebensdauer der Akkus schmälern.

3.3 CO2-Problematik der Kraftwerke

Die Bereitstellung von Strom aus Kraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, ist mit den Klimaschutzzielen nicht vereinbar. Es sind deshalb zusätzliche erneuerbare Ressourcen zu erschließen. Das Potenzial in Österreich zeigt Bild 3.3.1.

Bild 3.3.1: Potenzial für erneuerbare Energie in Österreich (Quelle: E-Control)

3,5

max. 1,6

0,5

max. 1,8

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

Wasserkraft Windkraft Biomasse fest Energiepflanzen

El. E

nerg

ie in

Mrd

. kW

h/a

Potenzial erneuerbare E-Quellen Ö 2008

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Die Ausschöpfung dieses Potenzials wird nicht einfach sein. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie beispielsweise, die ein Verschlechterungsverbot für Gewässer beinhaltet, stellt eine nicht zu unterschätzende Hürde beim Ausbau heimischer Wasserkraft dar. Das Potenzial der Energiepflanzen steht in Konkurrenz zu anderen Nutzungsmöglichkeiten; immerhin ist für die maximal möglichen 1,8 Mrd. kWh eine Anbaufläche von 0,5 Millionen ha abzuschätzen. Unabhängig von der Art der Energiegewinnung müssen die Hochspannungsnetze zur Verteilung des Stroms ausgebaut werden. Der Aufwand, um die dafür erforderlichen Genehmigungen zu erhalten, ist nach derzeitigem Stand der Rechtslage beträchtlich (aufwändige Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren – UVP). In dieser Hinsicht hat die EU-Kommission reagiert. Sie will die Planung und Genehmigung wichtiger Stromtrassen in der EU künftig auf drei Jahre verkürzen. Damit will die EU-Kommission den Ausbau beschleunigen, damit die anvisierte Energiewende und die Umstellung auf erneuerbare Energien gelingt.

Die Einsparung von CO2 durch alternative Energiequellen ist überwiegend teuer, wie das folgende Bild 3.3.2 zeigt. Während Windkraft gemäß einer Aufstellung der E-Control GmbH mit 60 bis 135 Euro/(t CO2) vergleichsweise günstig ist, muss bei Biogas mit 130 bis 310 Euro/t gerechnet werden. Am kostengünstigsten ist der Kauf von Emissionszertifikaten; die Sinnhaftigkeit hingegen ist bei globaler Betrachtung in Frage zu stellen.

Bild 3.3.2: Durchschnittliche Kosten der CO2-Reduktion 2017 (Quelle: E-Control GmbH)

Langfristig bieten sich Offshore-Windkraftanlagen, Gezeitenkraftwerke oder Solarkraftwerke in der Wüste an, wo riesige Brachflächen bei gleichzeitig hoher Strahlungsdichte praktisch das ganze Jahr zur Verfügung stehen. Prototypen auf der Basis von Parabolrinnenkollektoren mit Latentwärmespeichern zur Ermöglichung eines Nachtbetriebes und Dampfturbinen gibt es bereits. Allerdings begeben sich die Industrieländer Europas damit wiederum in eine Energieabhängigkeit von Drittländern.

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Aufgrund der von der EU beschlossenen Lenkungsmaßnahmen wird die nominelle Leistung aus Windkraft- und Solarenergieanlagen zunehmen. Diese zeichnen sich durch einen geringen Anteil an gesicherter Leistung aus. Zur Sicherstellung der Stromversorgung bedarf es deshalb konventioneller Kraftwerke. Die Vorhaltung solcher Kraftwerkskapazitäten ist aber mit hohen Kosten verbunden. Anzustreben ist jedenfalls eine Speicherung der Energie, sodass Stromerzeugung und Stromverbrauch zeitlich entkoppelt werden können. Länder wie Österreich sind aufgrund ihrer topographischen Randbedingungen für Pumpspeicherkraftwerke geeignet. Hier kann immer dann, wenn beispielsweise Windkraftwerke im Netz nicht benötigten Strom liefern, Wasser in Speicher gepumpt werden, um es bei Bedarf (z.B. zur Abdeckung von Lastspitzen) abzuarbeiten. Durch die Pumpspeichertechnik lassen sich die Kosten für die Vorhaltung konventioneller Erzeugungskapazitäten reduzieren. Pumpspeicherkraftwerke stellen die derzeit flexibelste Speichertechnologie zur Bereitstellung von Regelenergie dar. Adiabate Druckspeicherkraftwerke werden als ähnlich kostengünstig angesehen, allerdings gibt es hier noch keine großtechnischen Erfahrungen.

Ein noch zu wenig genutztes Potenzial liegt im Bereich der Energieeinsparung. Verhältnismäßig kostengünstig ist beispielsweise die Wärmedämmung von Gebäuden. Hier ist die CO2-Einsparung pro eingesetztem Euro wesentlich höher als im Bereich des Verkehrs. Das nachstehende Bild 3.3.3 zeigt den Vergleich der spezifischen CO2-Emission für unterschiedliche Kraftwerkstypen. Die angegebenen CO2-Emissionen stellen Mittelwerte dar. In Österreich beträgt laut Stromkennzeichnungsbericht 2010 die durchschnittliche CO2-Belastung des Stroms rund 195 g/kWh16, für 2018 gibt die E-Control im Stromkennzeichnungsbericht einen Wert von 64 g/kWh an17 (ausschließlich auf die Erzeugungsanlage bezogener Wert; der Großteil der erfassten Elektrizitätswerke gibt eine Belastung von 0 g/kWh an). Zum Vergleich: In Deutschland liegt man im Jahr 2017 bei 489 g/kWh18. Grundsätzlich weisen Angaben zur CO2-Belastung eine gewisse Bandbreite auf, weil die Berechnung nicht nach einheitlichen Standards erfolgt. Teilweise wird nur die Erzeugung selbst bilanziert, andere Berechnungsmethoden inkludieren auch die Vorketten. Mitunter werden zum Beispiel CO2-Zertifikate norwegischer Wasserkraftwerke berücksichtigt, was dann zu einem sehr niedrigen Ergebnis führt.

16

www.e-control.at/de/marktteilnehmer/oeko-energie/berichte-und-studien/berichte/stromkennzeichnungsbericht 17

www.e-control.at/documents/20903/388512/e-control-Stromkennzeichnungsbericht-2018.pdf/ddefad7a-219f-9360-0806-b26458b0ff6b 18

https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/entwicklung-der-spezifischen-kohlendioxid-4

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Bild 3.3.3: Spezifische CO2-Emissionen in g/kWhel

150

800

1000

35 24 40

0

200

400

600

800

1000

1200

Erdgas GuD Steinkohle-KW Braunkohle-KW AKW Windpark Wasser-KW

CO

2 [

g/k

Wh

] Spezifische CO2-Emissionen

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4. Elektroantriebe

Im Zusammenhang mit Elektroantrieben sind die Problemfelder der Reichweite, des Gewichtes, der Wirkungsgrade, der Sicherheit und der Lärmemissionen zu berücksichtigen. Auch die Verfügbarkeit der Rohstoffe und die bei deren Gewinnung entstehenden CO2-Äquivalente und andere Aspekte spielen eine Rolle bei der Gesamt-Bilanz. Auf den Vergleich der CO2-Emissionen mit herkömmlichen Antrieben wird in Abschnitt 6 eingegangen. In Fahrzeugen mit Brennstoffzelle liefert diese den elektrischen Strom für den Antrieb. Diese Thematik wird in Abschnitt 5 behandelt.

4.1 Energiebedarf

Laut „Energiestatus Österreich 2015, Entwicklung bis 2013“19 beträgt der energetische Endverbrauch für den gesamten Inlandsverkehr in Österreich 33,1% des Bruttoinlandsverbrauches an Energie, somit also rund 472 PJ. Davon entfallen rund 141.000 TJ auf den PKW-Verkehr, was 39,1 Milliarden kWh oder dem Energieinhalt von rund 4,2 Milliarden Litern an fossilem Kraftstoff entspricht20. Der Verkehr weist im Zeitraum von 1990 bis 2013 die mit Abstand markanteste Zunahme des Energieverbrauches aus. Somit ist klar, dass einerseits hoher Bedarf besteht, dagegen etwas zu unternehmen. Andererseits ist es gerade hier sehr schwierig, weil große Energiemengen zu substituieren sind. Geht man von einem durchschnittlichen Wirkungsgrad von 25% bei der Umwandlung von Kraftstoff in Antriebsenergie eines PKW aus, so müssten ohne Berücksichtigung elektrischer Wirkungsgrade rund 10 Milliarden kWh an elektrischem Strom aufgewendet werden, wenn sämtliche PKW heutiger Bauart elektrisch angetrieben würden. Elektrofahrzeuge werden jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit mit schmaleren und damit verbrauchsgünstigeren Reifen ausgestattet sein als heutige PKW sowie andere, wahrscheinlich verbrauchsschonendere Komfortfunktionen (z.B. Klimaanlagen) besitzen. Die genannten theoretischen 10 Milliarden kWh für die reine Antriebsenergie könnten so auf 8 bis 9*109 kWh reduziert werden. Im Gegenzug ist zu berücksichtigen, dass auch bei den Lade- und Entladevorgängen der Akkus und im elektrischen Antriebsstrang Verluste entstehen sowie Selbstentladung im Stillstand auftritt. Ferner müssen die Fahrgastzellen in der kalten Jahreszeit beheizt werden. Die theoretischen Zahlen sind in Bild 4.1.1 dargestellt. Mit Berücksichtigung elektrischer Verluste und der zur Beheizung oder Klimatisierung notwendigen Energie scheinen 13 bis 15 Milliarden kWh jährlich realistisch, kleine Fahrzeuge vorausgesetzt.

19

Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft BMWFW 20

Gesamter Kraftstoffverkauf 2013 in Österreich knapp 2,2 Milliarden Liter Benzin und etwa 7,5 Milliarden Liter Diesel

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Bild 4.1.1: Energiebedarf PKW in Österreich, Jahr 2013

4.1.1 Reichweite, Gewicht und Infrastruktur

Die Reichweite und die Zeit, die zur Betankung eines Elektrofahrzeuges notwendig ist, werden maßgeblich die Akzeptanz dieser Technologie bestimmen. Die derzeit 150 bis maximal 300 km (ausgenommen einige wenige, teure Fahrzeuge mit großen Akku-Sätzen) und eine Ladedauer von mehreren Stunden müssen als erster Entwicklungsschritt angesehen werden. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Reichweite von Elektrofahrzeugen mit Batterie unter realen Bedingungen in Städten erheblich geringer ist als von den Herstellern angegeben21. Kabinen- und Scheibenheizung sowie Klimatisierung des Fahrzeuges führen zu weiteren Verschlechterungen. Eine Temperatur von 21°C im Fahrzeuginneren bei einer Außentemperatur von 32°C ergibt im Neuen Europäischen Fahrzyklus eine Abminderung um 25%, im New York City Cycle (NYCC) um 50%. So sinkt zum Beispiel die versprochene Reichweite von bis zu 200 km auf reale 60 km im NYCC.

Aus heutiger Sicht sind Reichweiten von zumindest 500 km notwendig. Da eine Reiseunterbrechung von mehreren Stunden zur „Betankung“ des Fahrzeuges keine Akzeptanz finden wird, muss neue Infrastruktur geschaffen werden. Das wirft die Frage der elektrischen Ausstattung solcher Tankstellen auf. Nehmen wir zum Vergleich eine gut frequentierte, konventionelle Tankstelle mit einem Tagesumsatz von 20.000 l Kraftstoff. Unter Vernachlässigung elektrischer Verluste und einem Gesamtwir-kungsgrad von 25% für konventionelle PKW ergibt sich ein Antriebsenergiebedarf von 50.000 kWh/d. Wenn die Akkupakete rund um die Uhr aufgeladen werden, muss eine durchschnittliche Leistung von rund 2,1 MW zur Versorgung der Ladestationen aufgebracht werden. Hinsichtlich der Ladetechnik werden unterschiedliche Ansätze verfolgt: Von Wechselstrom über Gleichstrom bis zu induktivem Laden. Letztere Technik ist im Vergleich zur konventionellen Ladung mittels Wechsel- oder Gleichstrom teuer. Die Wirkungsgrade sind nur dann gut, wenn Primärspule (im Boden eingelassen) und Sekundärspule (im Unterboden

21

G. K. Fraidl et al.: „Der Range Extender im Praxiseinsatz“, 31. Int. Wiener Motorensymposium, 2010

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des Fahrzeuges) genau positioniert werden. Selbst bei guter Ausrichtung von Fahrzeug und Primärspule sowie geringem Ladespalt entstehen Verluste von 5 bis 10%. Schnellladungen reduzieren die „Betankungszeit“ auf einen Bruchteil herkömmlicher Beladung, allerdings ist die elektrische Anschlussleistung derart hoch, dass sie für Haushaltsnetze nicht in Frage kommt. Zudem leidet die Lebensdauer der Batterien. Ende Dezember 2018 hat VW eine Schnellladestation vorgestellt, die im Prinzip wie eine „Powerbank“ für Smartphones funktioniert. Sie ist mobil, kann aber auch fest ans Stromnetz angeschlossen werden. Die Ladekapazität liegt bei bis zu 360 kWh und ermöglicht im autarken Betrieb das Laden von bis zu 15 E-Autos insgesamt, davon bis zu vier gleichzeitig. Dank Schnellladetechnologie soll ein Ladevorgang durchschnittlich nur 17 Minuten dauern. Unterschreitet der Energieinhalt des eingebauten Batteriesatzes 20 Prozent, wird die Ladesäule gegen eine volle ausgetauscht. Ein ebenfalls wichtiges Kriterium stellt das Gewicht der Akkus dar. Die heute verfügbare Leistungsdichte von rund 150 Wh/kg bedarf einer Steigerung auf das Zehnfache für vernünftige und konkurrenzfähige Energiespeicher22. Für den durchschnittlichen, im realen Verkehr erzielbaren Stromverbrauch von 25 kWh/100 km (inklusive Entladeverluste) ist für eine Reichweite von 500 km bei heutiger Speichertechnologie eine Akkumasse von rund 830 kg erforderlich, für zukünftige Batterien möglicherweise rund 83 kg. Diese Reichweite kann von einem herkömmlichen PKW vergleichbarer Größe mit einer Tankmasse von ungefähr 30 kg erbracht werden, siehe Bild 4.1.2.

Bild 4.1.2: Speichermasse für 500 km Reichweite

22

Derzeit wird an verschiedenen Konzepten geforscht, beispielsweise an der Lithium-Sauerstoff-Technologie oder Silizium-Luft-Batterie, von denen Energiedichten von 1000 Wh/kg erwartet werden (derzeit noch Grundlagenforschung). Von einer Lithium-Schwefel-Batterie wird eine Kapazität von mehr als 400 Wh/kg berichtet. Kohlenstoffbatterie aus Japan: Ladezeit um den Faktor 20 verkürzt, leistungsstabil für 3000 Ladezyklen.

30

830

83

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

Benzintank Lithium-Ionen-Akku Akku zukünftig?

Sp

eic

he

rma

ss

e

[kg

]

Speichermasse für 500 km Reichweite Verbrauch ~4 l/100 km bzw. 25 kWh/100 km

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Der reale Verkehr bedingt neben langsamen Lade- und Entnahmephasen auch kurzzeitige Leistungsspitzen, wofür Fahrzeugbatterien nicht optimal geeignet sind. Hier werden mittelfristig dynamische Leistungsspeicher erforderlich, beispielsweise Superkondensatoren23 (elektrochemische Doppelschichtkondensatoren) mit einer Energiedichte von bis zu 20 kWh/m3. Zur Erhöhung der Reichweite gibt es – neben besseren Batterien – alternative Lösungsansätze. Range Extender und „On-Board-Energiewandler“ arbeiten mit flüssigen oder gasförmigen Zusatzkraftstoffen. Letztere bestehen entweder aus einem kleinen, methanbetriebenen Verbrennungsmotor inklusive Gasbrenner zur Heizung oder einer Brennstoffzelle. Durch Verwendung von Biogas oder aus Windkraft erzeugten Wasserstoffs wäre eine umweltfreundliche Betriebsweise sichergestellt. Modellrechnungen zeigen, dass bei gleichen Kosten wie für ein reines Elektrofahrzeug die Reichweite erheblich gesteigert werden kann. Die teuren Batterien können deutlich kleiner und damit leichter und billiger ausfallen. Ein anderer Lösungsansatz geht in Richtung intelligenter Navigationssysteme, welche die Routen energieeffizient planen und den Fahrer zur verbrauchsschonender Fahrweise erziehen sollen („driver education“). Diese Art der Navigation hätte bei konventionellen Antrieben ebenfalls positive Effekte.

4.1.2 Wirkungsgrade

Bei den bisher getätigten Abschätzungen wurde vereinfachend angenommen, dass die Energieumsetzung (Laden und Entladen der Akkus, Leistungselektronik und E-Motor) verlustfrei erfolge. Aufgrund des Innenwiderstandes der Batterien und der Kabelwiderstände steigen die Verluste bei großer Energieentnahme (Beschleunigungsphasen) und bei großer Einspeisung (starke Verzögerung mit Rekuperation). Auch bei kalten Außentemperaturen stellen sich signifikante Verschlechterungen ein. Schließlich stellt sich noch die Frage, wie sich die Wirkungsgrade mit zunehmender Nutzungsdauer der Batterien entwickeln. Auch hier ist nach den bisherigen Erfahrungen mit kleinen Elektrofahrzeugen eine Einbuße zu erwarten. Für Li-Ionen-Akkus darf mit folgenden Kenndaten gerechnet werden:

23

In Kraftwerken bereits realisiert; Kosten derzeit rund 320 Euro/kW, Reduktion auf die Hälfte möglich; guter Wirkungsgrad zwischen 80 und 95%

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Tabelle: Eigenschaften von Li-Ionen-Akkus in der Praxis24

Lebensdauer kalendarisch 10 Jahre (passive Alterung)

Max. Energieinhalt Praxis 95% bezogen auf Nennkapazität

Aktive Alterung bis End of Life (EOL): bei Vollladung 3000 Lade- u. Entladezyklen bei Teilladung 3600 Lade- u. Entladezyklen

Kapazität 80% der Nennkapazität bei EOL

Selbstentladungsrate 4,5% pro Monat

Min. Energieinhalt vor Wiederaufladung 20% der Nennkapazität

Reichweitenminderung Winter 25% der Nennkapazität

Schnellladung bis 30 Minuten Dauer: Reichweitenminderung 30% bis End of Life Minderung Anzahl Lade- u. Entladezyklen 30% bis End of Life

Daraus ist in Abhängigkeit von täglicher Fahrstrecke und Anzahl der Aufladungen die Nutzungsdauer des Akkus abzuleiten Bei vergleichsweise langen täglichen Fahrstrecken und damit notwendiger zweimaliger Aufladung sinkt die Lebensdauer drastisch. Anzumerken ist, dass während der kalten Jahreszeit die täglich mögliche Fahrstrecke deutlich sinkt. Um Bauraum und Gewicht zu sparen, bieten sich hochdrehende Elektromotoren an, kombiniert mit Getrieben. Wenn diese Maschinen auf einen guten Wirkungsgrad im Teillastbereich optimiert werden, lassen sich wesentlich größere Last-Drehzahl-Bereiche mit gutem Wirkungsgrad darstellen als mit sogenannten High-Torque E-Maschinen, die für den Betriebspunkt des höchsten Drehmoments optimiert wurden.

Die publizierten elektrischen Wirkungsgrade von Elektrofahrzeugen weisen eine beachtliche Bandbreite auf. Eine Gesamteffizienz von 50 bis 75% scheint realistisch zu sein, abhängig von der Außentemperatur. Für die kleinen und leichten Elektrofahrzeuge, die im Rahmen des Flottenversuches „VLOTTE“ im Bundesland Vorarlberg eingesetzt wurden, lag der Durchschnittsverbrauch (Fahrbetrieb mit Ladeverlusten) bei 24 bis 27 kWh/100 km bzw. bei 18 kWh/100 km ohne Ladeverluste. Eine Studie25 zeigt den Stromverbrauch und die Reichweite unter verschiedenen Bedingungen auf. Es wurde ein ECO-Test definiert, der eine Fahrstrecke von 35,5 km in einem Mix aus Fahrten innerorts, außerorts und auf der Autobahn repräsentiert. Das Ergebnis zeigt Bild 4.1.3.

24

W. Ospelt: „Projekt P148: e-PKW oder Erdgas-PKW?“, e5-Landesprogramm für energieeffiziente Gemeinden, Marktgemeinde Thal bei Graz, Dezember 2011 25

Batterieelektrische Fahrzeuge in der Praxis, TU Wien, 2012

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Bild 4.1.3: Verbrauch im Eco-Test (Quelle: Gehringer, TU Wien)

4.1.3 Heizung und Klimatisierung

Bereits mit der Entwicklung verbrauchsoptimierter Verbrennungskraftmaschinen zeigte sich ein Defizit an Heizleistung, das bei PKW eine Bandbreite zwischen 400 und 2000 W einnimmt, bei Vollhybriden rund 3500 W (siehe Bild 4.1.4). Hier sind elektrische Zusatzheizungen Stand der Technik. Bei Elektrofahrzeugen rechnet man mit einem Heizleistungsbedarf von bis zu 6000 W. Elektroautos mit kleinem Verbrennungsmotor zur Ausdehnung der Reichweite („Range Extender“) und Hybridfahrzeuge lassen sich mittels eines Brennstoffwasserheizgerätes problemlos konditionieren. Bei reinen E-Fahrzeugen könnten sich brennstoffbetriebene Luftheizgeräte mittelfristig durchsetzen. Allerdings muss der Fahrer bei derartigen Lösungen (fossilen) Brennstoff tanken. Elektrische Hochvolt-Lufterhitzer und Hochvolt-Wasserheizer schränken die Reichweite merklich ein. Ähnliches gilt für Klimaanlagen. Auch wenn gewisse Komforteinbußen gegenüber PKW mit VKM akzeptiert werden, ist doch mit einer Leistungsaufnahme von rund 1000 W zu rechnen.

Bild 4.1.4: Heizleistungsdefizit

0 10 20 30 40 50 60

VW Polo Blue Motion Diesel Eco-Test +20°C

VW Eco-Test, Temp. -20°C (inkl. Kaltstart)

Mitsubishi i-MiEV Eco-Test +20°C

Mitsubishi Eco-Test, Temp. -20°C

Mercedes A-Klasse E-Cell Eco-Test +20°C

Mercedes Eco-Test, Temp. -20°C

Smart El. Drive Eco-Test +20°C

Smart Eco-Test, Temp. -20°C

Verbrauch [kWh/100 km]

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Diese Problematik zwingt zu neuen Lösungsansätzen. Um die Heizleistung zu verringern, könnten Flächenheizungen eingesetzt werden, die sich sitzplatzindividuell ansteuern lassen. Je näher die beheizbare Fläche am Insassen positioniert ist, desto geringer kann deren Temperatur sein und desto geringer ist der Energieaufwand. Man denkt hier beispielsweise an beheizte Sitze oder Türverkleidungen. Dennoch kann auf eine konventionelle Heizung nicht verzichtet werden, da die kalte Außenluft konditioniert werden muss. Wärmepumpen nutzen einen Teil der Umgebungswärme. Durch ihren Einsatz könnten Heizung und Klimatisierung energieeffizienter erfolgen. Wenn es gelingt, die Temperaturbedingungen im Auto schon vor dem Einsteigen der Passagiere zu verbessern, benötigt man während der Fahrt weniger Energie. Unter dem Stichwort „Vorkonditionierung“ könnten Lösungen wie Heizung im Stand (an einer Steckdose), verbesserte thermische Isolierung der Kabine, Standlüftung unter Nutzung der natürlichen Konvektion („Kamineffekt“) oder solar betriebene Standlüftungen umgesetzt werden. Das Problem besteht unter anderem in beschränktem Bauraum, zusätzlichem Gewicht und höheren Kosten.

4.2 Sicherheit

Im Zusammenhang mit leistungsfähigen Stromspeichern an Bord eines Fahrzeuges ergeben sich auch sicherheitstechnische Aspekte26.

Ein elektrischer Kurzschluss nach einem Unfall oder bei der Bergung ist um Größenordnungen gefährlicher als bei ausfließendem Kraftstoff: o Lichtbogen mit Plasmabildung (t >3000°C) o keine Akkukühlung mehr o Selbstentzündung des Lithiums27

Für eine kontrollierte Akku-Entladung fehlt der Feuerwehr (noch) entweder die Ausrüstung oder die Zeit: o die sichere Entladung eines 20 kWh-Akkus in 1 Minute erfordert ein

Leistungspotenzial des Aufnahmegerätes von 1,2 MW o wenn man eines mit 12 kW zur Verfügung hat, dann dauert die Entladung 100

Minuten.

26 W. Ospelt: e-PKW oder/und Erdgas-PKW: Die Lösung des Mobilitätsproblems? 8. Österreichischer

Biogaskongress, 28. November 2012, Linz 27

Video z.B. www.youtube.com/watch?v=8ifIigrYhrk&feature=youtu.be

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4.3 Lärm

4.3.1 Nach außen wirkender Lärm

Im Zuge eines langfristig angelegten Flottenversuches mit Elektrofahrzeugen in Vorarlberg („VLOTTE") wurden Schallpegelmessungen im Stadtgebiet von Bregenz durchgeführt28. Der Bericht ist abrufbar unter: www.vorarlberg.at/vorarlberg/wirtschaft_verkehr/wirtschaft/maschinenbauundelektrotec/start.htm

Eine rund 250 m lange Teststrecke am Hafen wurde für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Es kamen 20 Elektrofahrzeuge sowie 20 PKW mit Verbrennungskraftmaschinen (VKM) zum Einsatz. Dabei handelte es sich Fahrzeuge unterschiedlicher Masse (von Kleinwagen bis zu Geländefahrzeugen) mit Otto- und Dieselmotoren. Die Flotte der E-Fahrzeuge bestand auskleinen, vergleichsweise leichten Modellen mit einer Masse von rund 1000 bis 1100 kg. Jeweils 10 Autos bewegten sich pro Richtungsfahrbahn auf der Teststrecke. Zunächst kamen die Elektromobile zum Einsatz, wobei drei Versuchsreihen durchgeführt wurden: Fahrgeschwindigkeit 30 km/h konstant, 50 km/h konstant sowie simulierter Stop-and-Go-Verkehr. Die Fahrer wurden vor Versuchsbeginn instruiert. Anschließend wurden die gleichen Fahrzustände mit den konventionellen PKW absolviert. Der Messpunkt war rund 15 m vom Mittelstreifen zwischen den Richtungsfahrbahnen entfernt. Vor Beginn der Messreihen wurde das ortsübliche Umgebungsgeräusch erfasst, welches durch den Verkehr auf der Seestraße charakterisiert war, welcher einen energieäquivalenten Dauerschallpegel Leq von rund 62 dB(A) verursachte. Während einer Phase ohne jeglichen Verkehr (zur Zeit der Vorbereitung der Messserien) betrug der Leq der Umgebung 48 bis 49 dB(A).

In Bild 4.3.1 ist das Ergebnis des Versuches dargestellt. Aus dem Diagramm ist abzuleiten, dass die Elektrofahrzeuge im Stationärbetrieb mit nahezu konstanter Geschwindigkeit um rund 3 bis 4 dB leiser sind als die mit VKM ausgestatteten Fahrzeuge. Bei diesem Ergebnis ist zu berücksichtigen, dass letztere zum Teil deutlich größer waren als die Elektrofahrzeuge. Bei 30 km/h ist der Unterschied etwas deutlicher als bei 50 km/h. Hier dürfte der Effekt des bei der geringeren Geschwindigkeit etwas leiseren Abrollgeräusches der Reifen einfließen; es dominiert der Antriebsmotor. Ein signifikanter Unterschied zeigt sich im Stop-and-Go-Betrieb, wo die Elektrofahrzeuge um 8 dB leiser sind als das hier verwendete Fahrzeugkollektiv mit VKM. Ferner fällt auf, dass der stockende Verkehr von Elektrofahrzeugen einen geringeren Leq verursacht als die Konstantfahrt mit 30 km/h. Herkömmliche VKM werden bei kurzen Stopps im unteren Leerlauf betrieben und emittieren im Unterschied zu Elektromotoren auch in dieser Phase Schall.

28 Wolfgang Wachter: Schallpegelmessungen an Elektrofahrzeugen („VLOTTE“), Oktober 2009

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5862 63

54

6266

0

10

20

30

40

50

60

70

E 30 VKM 30 E 50 VKM 50 E St&G VKM St&G

Leq

dB

(A)

Bild 4.3.1: Gegenüberstellung von Elektrofahrzeugen und herkömmlichen PKW

Die Messwerte der Vorbeifahrten wurden einer Frequenzanalyse unterzogen. Die Ergebnisse zeigen die folgenden Bilder in Form einer Darstellung von linearen Schallpegeln über den jeweiligen Terz-Mittenfrequenzen. Sowohl die Elektrofahrzeuge als auch jene mit VKM zeigen im tiefen Frequenzbereich dominante Schallpegel, die Elektrofahrzeuge auch bei höheren Frequenzen (je nach Geschwindigkeit bei 300 bis 1.000 Hz). Bei den Vorbeifahrten der Elektroautos war dieses Phänomen in Form eines tonhaltigen Geräusches („Singen“) subjektiv wahrnehmbar. Die Verhältnisse bei 50 km/h zeigt Bild 4.3.2, jene für den stockenden Verkehr Bild 4.3.3. Bei 30 km/h sind die Ergebnisse ähnlich wie bei 50 km/h.

Bild 4.3.2: Terzanalysen bei 50 km/h, konstante Geschwindigkeit

20

30

40

50

60

70

80

1,00 10,00 100,00 1000,00 10000,00 100000,00

Sch

allp

eg

el

lin

. [d

B]

Frequenz in Terzen [Hz]

Spektrale Analyse, 50 km/h

50 km/h VKM

50 km/h El.

50 Hz

1000 Hz

25 bis 50

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Bild 4.3.3: Terzanalysen für stockenden Stadtverkehr

Die Darstellung linearer Messwerte gibt nicht das subjektive Hörempfinden des Menschen wieder. Tiefe Frequenzen werden deutlich schlechter wahrgenommen als hohe, wie die nachfolgende A-Bewertungskurve gemäß Bild 4.3.4 zeigt, welche das menschliche Hörvermögen nachbildet. Man erkennt, dass beispielsweise bei 100 Hz nahezu 20 dB vom Messwert abgezogen werden müssen, um den Höreindruck wiederzugeben.

Bild 4.3.4: A-Bewertung von Schallpegeln

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

1,00 10,00 100,00 1000,00 10000,00 100000,00

Sch

allp

eg

el lin

. [d

B]

Frequenz in Terzen [Hz]

Spektrale Analyse, Stop & Go

St&Go VKM

St&Go El.

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4.3.2 Messungen des Innengeräusches

Es stellt sich die Frage, inwieweit sich der im urbanen Umfeld gemessene Effekt der Lärmentlastung durch Elektrofahrzeuge im Innern der E-PKW abbildet. Deshalb wurden Ende 2011 Messungen in zwei Fahrzeugen durchgeführt29. Einerseits kam ein Citroen C-Zero mit 49 kW elektrischer Leistung (Baujahr 2011, <3.000 km) zum Einsatz, andererseits ein Skoda Fabia 16V mit 55 kW-Benzinmotor (Baujahr 2005, Laufleistung 131.000 km). Während das Elektrofahrzeug neu war, zeigte der Skoda bereits deutliche Gebrauchsspuren und gelegentliche Klappergeräusche. Das Mikrophon war jeweils zwischen Fahrer und Beifahrer auf Schulterhöhe und ca. 30 cm vor dem Körper positioniert. Die Messfahrten wurden unmittelbar nacheinander vorgenommen. Die Fahrzeuge fuhren im realen Verkehr mit. Die Versuche setzten sich aus einer Stadtfahrt in Bregenz und einer kurzen Fahrt auf einer dreispurigen Autobahn zusammen. Es herrschten sehr ähnliche Verkehrsverhältnisse, sodass sich praktisch identische Fahrdauern für beide PKW ergaben. Die graphischen Auswertungen der Versuche zeigen Bild 4.3.5 in Form des energieäquivalenten Dauerschallpegels Leq und Bild 4.3.6 in Form der leisesten 5% (L95) der Messzeit. Die Strecke „Stadt zwischen Ampeln“ war gekennzeichnet durch vergleichsweise scharfe Beschleunigungen und Schub- bzw. Standbetrieb. Auch auf der Autobahn waren Schubphasen zu verzeichnen. Diese machen sich vor allem im L95 bemerkbar. Da das Elektrofahrzeug bei Schubbetrieb kaum Antriebsgeräusche verursacht, ist der L95 auch bei Autobahnfahrt etwas geringer als im PKW mit Benzinmotor. In der Stadt machen sich vor allem die Standphasen (0 km/h) beim E-Mobil positiv bemerkbar.

Bild 4.3.5: Vergleich des Innengeräusches (Leq)

29 Wolfgang Wachter: „Elektroantrieb oder Verbrennungsmotor – vergleichende Schallpegelmessungen an

PKW“, 15. Kunststoff-Motorbauteile-Forum, Jänner 2012, www.vorarlberg.at/vorarlberg/wirtschaft_verkehr/wirtschaft/maschinenbauundelektrotec/start.htm

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Bild 4.3.6: Vergleich des Innengeräusches (L95) An Ausschnitten aus den Pegelschrieben sollen einige Besonderheiten gezeigt werden. In Bild 4.3.7 ist der geringe Schallpegel bei stehendem E-Fahrzeug zu sehen; hier wirkt nur das Umgebungsgeräusch von außerhalb des Fahrzeuges ein. Das auffällige Blinkergeräusch wurde bei der Analyse ausgeblendet.

Bild 4.3.7: Elektrofahrzeug im Stadtverkehr

Standphase Blinker ausgeblendet

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In Bild 4.3.8 sind die A-bewerteten Schallpegel bei Autobahnfahrt zu sehen.

Bild 4.3.8: Elektrofahrzeug auf der Autobahn

Bild 4.3.9 zeigt den Pegelschrieb für den PKW mit Benzinmotor im Stadtverkehr. Es fällt auf, dass in Standphasen der minimale Schallpegel um rund 5 dB über jenem des Elek-trofahrzeuges bleibt.

Bild 4.3.9: PKW mit Benzinmotor im Stadtverkehr

4.3.3 Resümee

Wenngleich die Anzahl der Fahrzeuge vergleichsweise gering war, sind aus den Ergebnissen der Schallpegelmessungen anlässlich der Fahrversuche folgende Schlüsse zu ziehen:

Die hier zum Einsatz gekommenen Elektrofahrzeuge sind bei konstanten, vergleichsweise geringen Geschwindigkeiten, wie sie in Städten typisch sind, um 3 bis 4 dB leiser als ein repräsentatives PKW-Kollektiv mit Verbrennungskraftmaschinen (Otto- und Dieselmotoren).

Je geringer die Geschwindigkeit, desto dominanter das Geräusch des Antriebsmotors. Bei höheren Geschwindigkeiten ist in zunehmendem Maße das Abrollgeräusch der Reifen bestimmend.

Den deutlichsten Unterschied ergab der Stop-and-Go-Verkehr, wo sich die Elektrofahrzeuge um 8 dB leiser zeigten als die PKW mit VKM.

Im Stop-and-Go-Betrieb sind Elektrofahrzeuge leiser als bei Konstantfahrt mit 30 km/h, weil bei stehendem Fahrzeug kein Schall emittiert wird.

110 km/h, laute Fahrbahn ausgeblendet 130 km/h

zwischen Ampeln mit Standphasen

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Der Effekt der unterschiedlichen Fahrzeugmassen und –größen kann aus den Messwerten nicht abgeleitet werden.

Der subjektive Höreindruck im Stop-and-Go-Verkehr der Elektrofahrzeuge war angenehm. Das im realen Straßenverkehr immer anzutreffende Hochdrehen von Motoren mit Auspuffanlagen, die nicht dem Zustand der Fahrzeugtypenprüfung entsprechen, war bei den hier gemessenen Elektrofahrzeugen aus technischen Gründen nicht möglich30.

Im Innenraum war das neue Elektrofahrzeug im Stadtverkehr um 2 bis 3 dB leiser als ein älterer PKW mit Benzinmotor31. In Phasen mit längeren Stehzeiten an Ampeln fällt der Unterschied deutlicher aus, weil hier beim E-Mobil kein Motorengeräusch einwirkt. Im Stand dringen die Geräusche von außerhalb des Fahrzeuges in das Innere und bestimmen dort den Schallpegel. Um diesen Effekt zu minimieren, müssten die akustischen Dämmeigenschaften der Außenbauteile deutlich verbessert werden. Das freilich ist mit den heute bekannten Werkstoffen aus Gründen des Fahrzeuggewichtes kontraproduktiv.

Bei Autobahnfahrten waren keine signifikanten Unterschiede im energetisch gemittelten Innengeräusch festzustellen. Hier dominieren Abroll- und Strömungsgeräusche. Allerdings zeigten die leisesten 5% der Messzeit (Basispegel L95) Vorteile für das Elektromobil, weil in den Schubphasen, die auch auf der Autobahn zu verzeichnen waren, das Motorengeräusch weitestgehend wegfällt.

4.3.4 Gesetzliche Vorgaben

Mit der Regelung Nr. 13832 wurden für die Vorwärtsfahrt bis 20 km/h Mindestschallpegel definiert: 50 dB(A) bei 10 km/h, 56 dB(A) bei 20 km/h. Bei Rückwärtsfahrten ist ein Schallpegel von mindestens 47 dB(A) einzuhalten. Die Position des Messmikrophons ist dem nachstehenden Bild 4.3.10 zu entnehmen. Bei der Vorwärtsfahrt wird eine spektrale Zusammensetzung in Form von Mindestschallpegeln in Terzbändern vorgegeben; innerhalb dieser Terzbänder ist Spielraum für den Hersteller vorgesehen, sodass alternative Klänge realisiert werden können. Darüber hinaus muss eine Frequenzverschiebung zur Anzeige von Beschleunigung und Verzögerung realisiert werden. Der maximal zulässige Schallpegel bei Vorwärtsfahrt liegt bei 75 dB(A) in 2 m Abstand von der Fahrzeug-Längsachse.

30

Es ist bekannt, dass namhafte Ausrüster am „Sounddesign“ von Elektrofahrzeugen arbeiten, um diesen beispielsweise das Geräusch eines konventionellen Sportwagens zu verleihen. Es wurden auch Wettbewerbe zum Sounddesign von Elektrofahrzeugen gestartet. 31

S. Pischinger berichtet am 32. Internat. Wiener Motorensymposium 2011, dass das Innengeräusch in einem Elektrofahrzeug auf der Basis des Fiat 500 bei Volllast um bis zu 12 dB leiser ist als bei einem herkömmlichen Fahrzeug. 32

Regelung Nr. 138 der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) — Einheitliche Bestimmungen für die Genehmigung geräuscharmer Straßenfahrzeuge hinsichtlich ihrer verringerten Hörbarkeit [2017/71], EU-Amtsblatt L 9/33 vom 13.1.2017

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Bild 4.3.10: Position des Messmikrophons

4.4 Rohstoffe

Für die Produktion der Batterien werden vor allem die gefragten Rohstoffe Lithium und Kobalt benötigt, daneben auch Graphit, Kupfer oder Mangan. Europa und insbesondere Deutschland als wichtiger Hersteller von PKW sind praktisch zur Gänze auf Importe angewiesen. 70 Prozent des Graphits weltweit gewinnt man in China, ein Großteil davon wird im eigenen Land gebraucht, gelangt also nicht in den Export. Rund 60 Prozent des global benötigten Kobalts kommen aus dem Kongo. Die Demokratische Republik Kongo gilt als politisch instabil, das Schwermetall Kobalt wird dort unter Einsatz von Kinderarbeit und sehr niedrigen Umweltstandards gefördert. In der Umgebung der Minen sind häufig Böden und Gewässer verseucht und die Menschen krank. Wälder wurden für den Bergbau abgeholzt. Die Nachfrage nach Kobalt steigt. Man geht davon aus, dass sie im Jahr 2025 bei etwa 155.000 Tonnen liegen wird. 2016 betrug die Jahresproduktion ca. 123.000 Tonnen. Würden weltweit ausschließlich batteriebetriebene Elektroautos fahren, wären laut den Berechnungen von Analysten das 19-Fache der derzeitigen Kobalt-Fördermenge und das 29-Fache der heutigen Weltjahresproduktion von Lithium notwendig. Schon jetzt ist der Rohstoff Kobalt sehr begehrt, Engpässe und Preisexplosionen zeichnen sich ab. Deshalb wird an der Entwicklung von Batterien ohne Kobalt gearbeitet.

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Ähnlich wie bei Kobalt sieht es auch beim strategischen Leichtmetall Lithium aus. Lithium gilt als Rohstoff der Zukunft, es wird für Batterien von Elektroautos, Akkus von Mobiltelefonen oder in der Medizintechnik verwendet. Lithium wird nur in wenigen Ländern abgebaut, und es gibt nur wenige Anbieter. Zwei Länder, nämlich Australien und Chile, lieferten im Jahr 2016 drei Viertel der weltweiten Fördermenge von knapp 40.000 Tonnen. Die Reserven in den Minen weltweit werden auf rund 16 Millionen Tonnen geschätzt, die globalen Vorkommen insgesamt auf knapp 54 Millionen Tonnen. In letzter Zeit ist der Weltmarktpreis für Lithium extrem gestiegen. In Chile wird Lithium im Salar de Atacama im hohen Norden des Landes gefördert. Die drei Salzseen der Atacama-Wüste bilden ein riesiges Lithium-Reservoir. Zur Gewinnung wird das stark mineralhaltige Grundwasser, die Salzlake, zum Verdunsten in riesige, künstlich angelegte Becken gepumpt. Das wirkt sich direkt auf die Wasserreserven aus. Das ist insofern problematisch, als die Atacama-Wüste zu den trockensten Gebieten der Erde zählt. Die Förderung der Lake aus dem Grundwasser führt dazu, dass der Grundwasserspiegel sinkt und nicht nur die Flussläufe, sondern auch Wiesen und Feuchtgebiete austrocknen. Ursprüngliches Weideland geht verloren, dort nistende seltene Vogelarten sind bedroht. Die zahlreichen Lagunen, die dieses Ökosystem kennzeichnen, werden drastisch verändert. Die ansässige, zum Großteil indigene Bevölkerung leidet unter Wassermangel. Negativ für die Umwelt sind auch die Staubwolken, die bei der Lithium-Förderung entstehen. Dieser Staub enthält große Mengen an Mineralien, insbesondere Lithiumcarbonat, welche in Ortschaften, auf Weideflächen und in Schutzgebiete gelangen. Der Staub bringt Gesundheitsprobleme mit sich und verschmutzt Böden und Gewässer. Kupfer profitiert ebenfalls von der zunehmenden Elektromobilität, weil für Batterien auch dieses Metall benötigt wird. Jedes Elektroauto braucht ungefähr viermal so viel Kupfer wie ein herkömmlicher PKW. In den kommenden Jahren rechnen Experten mit einer 8- bis 10-fachen Steigerung der Nachfrage. Für rund 45% der Kupfernachfrage ist China verantwortlich. Aus diesen kurzgefassten Betrachtungen sind folgende Schlüsse zu ziehen:

Die Verfügbarkeit von Rohstoffen, primär für die Produktion von Batterien, wird merklich geringer. Ohne Kobalt beispielsweise lassen sich keine Lithium-Ionen-Akkus herstellen und damit (derzeit) keine batteriebetriebenen Elektrofahrzeuge.

Die Preise für die Rohstoffe sind zum Teil bereits massiv gestiegen, ein Ende dieser Entwicklung zeichnet sich nicht ab.

Gemessen an den Umweltschäden im Zusammenhang mit der Rohstoffgewinnung sind Elektroautos mit Batterien nicht umweltfreundlich.

Dass Kinder in den Kobaltminen arbeiten, gilt als unstrittig. Das ist zwar kein technisches Problem, sehr wohl aber ein ethisches.

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5. Brennstoffzelle

Die Brennstoffzellen-Technologie stößt in letzter Zeit vermehrt auf Interesse. Neben der Anwendung in Fahrzeugen ist sie auch für die Energieversorgung von Wohnhäusern interessant.

5.1 Funktion und Wirkungsgrade

Das Prinzip der Brennstoffzelle (BZ) laut nachstehender Gleichung ist denkbar einfach und hinsichtlich der Umwelt ausgesprochen unproblematisch. Pro mol Wasserstoff wird eine Energiemenge von 286 kJ freigesetzt: 2H2 + O2 2H2O + elektrische Energie + Wärme Das Funktionsschema ist in Bild 5.1.1 dargestellt33.

Bild 5.1.1: Funktionsschema Brennstoffzelle Den grundlegenden Aufbau zeigt Bild 5.1.2:

Bild 5.1.2: Grundlegender Aufbau einer Brennstoffzelle

33

Quelle: Weiterbildungszentrum Brennstoffzelle Ulm e.V., Ulm

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Die erzeugte Spannung wird an den Elektroden abgenommen und einem Verbraucher zugeführt. Die Elektroden sind durch einen Elektrolyten (Ionenleiter) voneinander getrennt. Die Elektroden selbst sind meist aus Metall, leitfähigen Kunststoffen oder Kohlenstoff gefertigt und mit einem Katalysator (z.B. Platin) beschichtet. Der Elektrolyt ist nur für eine Ionensorte durchlässig, z.B. für Protonen. Dafür kommen beispielsweise gelöste Laugen oder Säuren, Alkalicarbonatschmelzen, Keramiken oder Membranen zur Anwendung. Im praktischen Betrieb werden Zellenspannungen von 0,5 bis 1 V erreicht. Nur im Ruhezustand oder bei kleinen Strömen steigt die Spannung auf mehr als 1 V. Sie hängt vom Brennstoff, von der Qualität der Zelle und von der Betriebstemperatur ab. Um eine höhere Spannung zu erhalten, werden mehrere Zellen zu einem „Stack“ in Reihe geschaltet. Das Absinken der Spannung unter Last (ausgenommen die Hochtemperatur-Schmelzkarbonatbrennstoffzelle, MCFC) wird durch die chemischen und elektrischen Prozesse verursacht. Eine Niedertemperatur-Protonenaustauschmembran-Brennstoffzelle (Proton Exchange Membrane Fuel Cell, PEMFC; oder Polymer Electrolyte Fuel Cell, PEFC) ist wie folgt aufgebaut:

Bipolarplatte als Elektrode mit eingefräster Gaskanalstruktur, beispielsweise aus leitfähigen Kunststoffen (durch Zugabe von zum Beispiel Carbon-Nanoröhrchen elektrisch leitend gemacht)

poröse Carbon-Papiere

Reaktivschicht, meist auf die Ionomermembran aufgebracht. Hier stehen die vier Phasen Katalysator (Pt), Elektronenleiter (Ruß oder Carbon-Nanomaterialien), Protonenleiter (Ionomer) und Porosität miteinander in Kontakt

protonenleitende Ionomermembran: gasdicht und nicht leitend für Elektronen. Anhaltswerte für Wirkungsgrade in Abhängigkeit von der elektrischen Leistung zeigt Bild 5.1.334 (Brennstoffzellenstack, d.h. BZ-Modul, Brennstoffzellensystem und Dieselmotor). Der Wirkungsgrad hängt maßgeblich von der Technologie der Brennstoffzelle ab. Der Gesamtwirkungsgrad wird durch die Vielzahl der eingebauten Komponenten bestimmt. So wird ein Teil der vom Stack erzeugten Energie bereits innerhalb des Systems verbraucht (Reformer, Steuerung). Auch der Elektromotor setzt nur einen Teil des zugeführten Stroms in mechanische Energie um. Da bei der Umwandlung in der Brennstoffzelle auch Wärme freigesetzt wird, ist die Beheizung des Fahrzeuges ohne zusätzliche Energiezufuhr möglich. Darin besteht ein wesentlicher Unterschied zum Elektrofahrzeug mit Batterie. Brennstoffe auf der Basis von Kohlenwasserstoffen (z.B. Methan, Methanol oder Ethanol) müssen vor dem Einsatz in der Brennstoffzelle reformiert werden. Das bedeutet, dass die Wasserstoffatome abzuspalten sind. Dadurch sinkt der Wirkungsgrad des Gesamtsystems. Wenn Kohlenwasserstoffe als Treibstoff eingesetzt werden, leidet darunter auch die Umweltfreundlichkeit, da CO2 ausgestoßen wird.

34

Quelle: Energieagentur NRW, Bernd Höhlein, http://www.brennstoffzelle-nrw.de/index.php?id=38

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Bild 5.1.3: Anhaltswerte für Wirkungsgrade (BZ-Modul = Stack) Ähnliche Ergebnisse zeigt das folgende Bild 5.1.435

Bild 5.1.4: Wirkungsgrad für BZ-Stack und gesamtes BZ-System

35

MTZ 5/2017 (Proton-Motor)

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Der Wirkungsgrad von Brennstoffzellen ist auch bei instationärer Belastung hoch, das heißt im typischen Fahrbetrieb auf der Straße.

5.2 Anwendung in Fahrzeugen

Aus Gründen des Wirkungsgrades ist es sinnvoll, Wasserstoff zu verwenden. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, durch Tiefkühlung (-200°C) verflüssigten Wasserstoff zu tanken oder gasförmigen Wasserstoff auf hohe Drücke zu verdichten. Auch Metallhydride können als Speichermedium verwendet werden. Derzeit gilt in der Fahrzeugindustrie die Druckspeicherung in Tanks mit 700 bar Druck als Stand der Technik. Solche Tanks fassen beim PKW 5 bis 6 kg Wasserstoff. Bei einem Verbrauch von 1 kg Wasserstoff pro 100 km (allgemein anerkannter Anhaltswert36) lässt sich damit theoretisch eine Strecke von 500 bis 600 km mit einer Tankfüllung zurückliegen. Analog zu Elektrofahrzeugen verringert stockender Stadtverkehr die Reichweite, ebenso der Bedarf an Heizung oder Klimatisierung. Die Betankung dauert 2 bis 3 Minuten und ist deshalb konkurrenzfähig mit fossilen Kraftstoffen. Drucktanks haben sich in Crashtests als sicher erwiesen. Es ist sinnvoll, Brennstoffzellen-Fahrzeuge mit einer Hochleistungsbatterie auszustatten. Zusätzlich zur Zwischenspeicherung der Traktionsenergie für Leistungsspitzen kann damit Bremsenergie rekuperiert werden. Die Kapazität der Batterien liegt derzeit bei rund 1,5 bis 1,7 kWh und damit signifikant niedriger als bei vergleichbaren E-PKW (je nach geplanter Reichweite zwischen 30 und 60 kWh für kleinere Fahrzeuge, 100 kWh für große Reichweiten). Für Brennstoffzellenautos als Plug-in-Hybride liegt die elektrische Kapazität des Akkus bei rund 15 kWh. Anhaltswerte zeigt Bild 5.2.1.

Bild 5.2.1: Anhaltswerte für Batteriekapazitäten

36

Toyota gibt für den „Mirai“ einen kombinierten Verbrauch von 0,76 kg/100 km im NEFZ an, Hyundai für den „Nexo“ 0,95 kg/100 km im WLTP-Test (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure), was einer Reichweite ca. 660 km entspricht.

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Derzeit stellt die Verfügbarkeit von Wasserstoff-Tankstellen das größte Problem dar. In Deutschland sind es aktuell etwa 55, in Österreich gibt es sie im Wesentlichen nur in einigen größeren Städten. Aufgrund der geringen Stückzahlen sind die Preise für PKW mit Brennstoffzelle (noch) unattraktiv hoch – derzeit rund 65.000 Euro. Mit Einsetzen der Massenproduktion ist jedoch mit signifikanten Preisreduktionen zu rechnen. Zusammengefasst bieten Brennstoffzellen-Fahrzeuge folgende Vorteile:

Umweltfreundlichkeit bei der Herstellung des Wasserstoffs aus regenerativen Energiequellen wie Windkraft, Fotovoltaik oder Wasserkraft

leiser Betrieb

guter Wirkungsgrad

attraktive Reichweite

kurze Betankungszeiten

vergleichsweise große Unabhängigkeit von Drittstaaten. Im Jahr 2018 wurde ein Sportwagen mit einer Methanol-Brennstoffzelle präsentiert. Die Elektromotoren verfügen über eine Gesamt-Leistung bis zu 600 kW, die Brennstoffzelle liefert 5 bis 10 kW. Der BZ-Wirkungsgrad wird mit 45% angegeben. Mit vollgeladener Batterie und vollem Tank (60 l) soll die Reichweite über 1000 Kilometer betragen. Die Vorteile von Methanol sind die vergleichsweise einfache Handhabung und die Verfügbarkeit. Wird das Methanol via Power-to-Gas hergestellt, ist der Antrieb weitgehend CO2-neutral. In der Diskussion, ob klassische Elektromobilität oder die Brennstoffzelle zu bevorzugen sei, spielt der Wirkungsgrad eine große Rolle. Ökologisch sinnvoll als Primärenergieträger ist nur Strom aus regenerativen Quellen, beispielsweise Windenergie. Eine Well-to-Wheel-Betrachtung weist für batteriebetriebene Elektroautos einen Wirkungsgrad von rund 70% aus, für PKW mit Brennstoffzelle nur 36% (Studie Forschungszentrum Jülich, 201837). Eine reine Wirkungsgradbetrachtung führt zu Plug-in-Hybriden mit Brennstoffzelle. Eine kleine Batterie ermöglicht kurze Fahrstrecken mit hohem Wirkungsgrad, der Wasserstofftank große Reichweiten. Derartige Fahrzeuge sind bereits in der Erprobung, z.B. Mercedes GLC F-CELL. Hinsichtlich der Kosten pro gefahrenem Kilometer wird in der oben zitierten Studie wörtlich Folgendes festgehalten: „Die resultierenden Kilometer-spezifischen Kosten sind bei hohen Marktdurchdringungen für beide Versorgungskonzepte annähernd gleich. Sie liegen im Durchschnitt bei 4,5 €ct/km für das elektrische Laden und bei 4,6 €ct/km für den Wasserstoff. Da die elektrische Erzeugung und Speicherung des Wasserstoffs die Nutzung von sonst nicht nutzbarem erneuerbarem Strom direkt vor Ort ermöglicht, wird die geringere energetische Effizienz des Wasserstoff-Pfades annähernd durch den die niedrigeren Kosten des Überschuss-Strombezugs ausgeglichen.“ E-Autos mit Batterie werden als Übergangslösung gesehen. Überwiegend herrscht derzeit die Ansicht, dass die Zukunft der Brennstoffzelle mit Wasserstoff gehört, allenfalls als Plug-in-Hybrid.

37

www.fz-juelich.de/iek/iek-3/DE/Forschung/_Process-and-System-Analysis/News/InfrastructureAnalysis/_node.html

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6. Vergleich der CO2-Emissionen von Antrieben

Im Sinne einer ganzheitlichen Analyse sind die treibhausrelevanten Emissionen für den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeuges zu betrachten. Das beginnt bei der Herstellung in Abhängigkeit von den eingesetzten Werkstoffen, beinhaltet selbstverständlich den Energieverbrauch während des Betriebes und endet mit der Wiederverwertung bzw. Verschrottung des Autos. Diese Fragestellungen werden in einer Arbeit der Universität Graz aus dem Jahr 2011 im Detail behandelt38. Die Treibhauswirkung ist in CO2-Äquivalenten angegeben39. Die Kernaussage lautet: Damit ein mit Dieselmotor ausgerüsteter PKW die gleich geringe Treibhauswirkung im Gesamtleben hat wie ein E-PKW, darf er einen Normverbrauch von 4,09 l/100 km haben, bezogen auf den österreichischen Strommix. Ein FIAT-Panda mit Erdgasmotor (gleiche Fahrzeuggröße wie der E-PKW, 4 Sitzplätze, konventionelle Heizung, gewohnte Reichweite) dürfte einen Verbrauch von 4,95 kg fossilem Erdgas haben für die gleiche Lifecycle-CO2-Bilanz. Da dieses Fahrzeug aber einen Verbrauch von 3,5 kg/100 km aufweist, ist die CO2-Bilanz deutlich besser als jene des E-Mobils. Die diesen Aussagen zugrunde liegenden CO2-Äquivalente zeigt nachstehende Tabelle (Quelle: G. Bachner). Die Herstellung eines reinen Elektrofahrzeuges (BEV - Battery Electric Vehicle) ist mehr als doppelt so CO2-aufwändig wie ein konventioneller PKW. Das ist auf den Akku-Satz und auf den „Glider“ (Fahrzeugkonstruktion ohne Antrieb) zurückzuführen. Da zur Bewältigung der zugrunde gelegten jährlichen Fahrleistungen unter Berücksichtigung der Lebensdauern vergleichsweise mehr E-Fahrzeuge hergestellt werden müssen, erhöht sich die CO2-Bilanz für den Glider gegenüber konventionellen PKW mit VKM. Für den PKW mit Dieselmotor wurde ein Verbrauch von 6,7 l/100 km angesetzt, für das Fahrzeug mit Ottomotor 7,9 l/100 km. Die Lebenslaufleistung der beiden PKW mit VKM wurde mit je 250.000 km angesetzt, jene des BEV mit rund 150.000 km. Die Treibhausgasbelastung des Stroms in Österreich wurde mit 388,8 g/kWh berücksichtigt. Tabelle: Life-Cycle-CO2-Bilanzen

g CO2-Äquivalent/km

Herstellung Betrieb End of Life Gesamt

PKW-VKM (Diesel) 23,73 206,76 1,46 231,95

PKW-VKM (Otto) 23,73 229,27 1,46 254,47

BEV Ö-Mix 51,89 95,92 3,71 151,52

BEV D-Mix 51,89 158,08 3,71 213,68

BEV China-Mix 51,89 283,31 3,71 338,91

BEV US-Mix 51,89 185,62 3,71 241,22

Die relativen CO2-Lifecycle-Emissionen zeigt Bild 6.1, bezogen auf das mit Batterien ausgestattete und mit österreichischem Strom aufgeladene E-Mobil.

38 Gabriel Bachner: „ Eine vergleichende Treibhausgas-Lebenszyklusanalyse von Automobilen mit elektrischem

Antrieb und Verbrennungskraftmaschine mit einer Anwendung in der Verkehrspolitik“, Karl-Franzens-Universität Graz, 2011 39

Seltene Metalle (Platin und Palladium), Aluminium, Elektronik und Kühlmittel besitzen die größten Emissionsfaktoren für Treibhausgase und tragen somit am meisten zum Treibhauseffekt bei. Materialien zur Herstellung von Akkus (z.B. Lithium Hexafluorophosphat oder Lithiummanganoxid) haben ebenfalls einen vergleichsweise starken Einfluss auf den Treibhauseffekt.

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Bild 6.1: Lifecycle-Emissionen in normierten CO2-Äquivalenten

Aus diesen Daten lässt sich ableiten, welcher Verbrauch an fossilen Kraftstoffen zulässig ist, um die gleiche Life-Cycle-Emission an CO2-Äquivalenten zu erreichen wie batteriebetriebene E-Fahrzeuge. Das Ergebnis ist in Bild 6.2 dargestellt. Im Verbrauch des BEV sind neben den publizierten Fahrverbräuchen die Beleuchtung während 50% der Einsatzdauer, die Beheizung oder Klimatisierung während 30% der Nutzungsdauer sowie ein Wirkungsgrad von 80% für die Aufladegruppe berücksichtigt. Da die CO2-Äquivalente des Herstellungsprozesses mit einfließen, wird die durch Verbrauchsänderungen verursachte Änderung der CO2-Emission nicht linear abgebildet.

4,1

6,1

7,0

10,2

4,9

7,4

8,5

12,3

0

2

4

6

8

10

12

14

Österreich Deutschland USA China

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Die

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10

0 k

m

Strommix

Zulässiger Verbrauch PKW für gleiche Life-Cycle-CO2-Emission wie BEV

Die

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l

Erd

ga

s

Quelle: G. Bachner, Univ. Graz, 2011

Vergleiche Erdgasverbrauch Fiat Panda: 3,5 kg/100 km

Bild 6.2: Zulässiger Verbrauch fossiler Kraftstoffe für gleiches Life-Cycle-CO2

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Anmerkung: Die Treibhausgasbelastung verschiedener Energieträger in CO2-Äquivalenten inkl. Vorkette40 lässt sich mit dem Treibhausgasrechner des Umweltbundesamtes Wien berechnen (www5.umweltbundesamt.at/emas/co2mon/co2mon.html). Die folgende Tabelle zeigt einen Auszug (Status Oktober 2017) Tabelle: CO2-Rechner des Umweltbundesamtes

Eine Studie der TU München41 (Bild 6.3) setzt für die Produktion von Elektrofahrzeugen mit Batterie ein CO2-Äquivalent von 8,6 Tonnen an, für einen PKW mit Dieselmotor 4,9 t. Bei einer CO2-Belastung des Stroms mit 480 g/kWh42 ergibt sich eine Gesamtemission von 16,8 t für eine Laufleistung von 120.000 km. Für das Recycling wurde dabei eine Gutschrift angesetzt. Das Fahrzeug mit Dieselmotor (Verbrauch 4,5 l/100 km) verursacht für dieselbe Distanz (ebenfalls inklusive Herstellung und Recycling) 17,9 t CO2. Allerdings liegt gemäß einem Bericht des Umweltbundesamtes die CO2-Belastung des Stroms in Deutschland bei 576 g/kWh im Jahr 201243. Bei Berücksichtigung dieses Wertes erhöht sich die Lebensdauer-CO2-Emission des BEV von 16,8 t auf 18,7 t und liegt damit über jener des konventionellen Vergleichsfahrzeuges. Ein deutlich positiver Effekt wird erzielt, wenn „grüner“ Strom, das heißt Strom aus regenerativen Quellen (Belastung 20 g CO2/kWh), verwendet wird.

40

z.B. Diesel: 2,44 kg CO2/l direkt, 0,66 kg/l indirekt, Bioethanol 0,01 kg/l direkt, 1,31 kg/l indirekt 41

„Parametrische CO2-Emissionsmodellierung für neue Fahrzeugkonzepte“, ATZ 5/2014 42

Entspricht ungefähr der CO2-Belastung des EU27-Durchschnitts 43

Vergleiche Jahr 2014: bereits 609 g/kWh

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Bild 6.3: CO2-Äquivalente laut einer Studie der TU München Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass in Deutschland die CO2-Belastung des Stroms wegen der Energiewende höher ist. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Institut für Fahrzeugtechnik der TU Graz44. Die Herstellung von Elektrofahrzeugen erfordert hohe Energiemengen, insbesondere wegen der Batterien. Der Aufwand ist praktisch gleich groß wie jener für den Betrieb des Fahrzeuges. Im Unterschied dazu entfallen bei konventionellen PKW ca. 20% des Energieverbrauches auf die Produktion, 80% auf den Betrieb. Entsprechend wirkt sich das auf die CO2-Äquivalente aus. Als Ergebnis der Analyse wird festgehalten, dass Elektrofahrzeuge nur dann einen signifikanten Rückgang der CO2-Emissionen gegenüber herkömmlichen PKW mit Benzinmotor ermöglichen, wenn sie mit Strom aus regenerativen Quellen betrieben werden, z.B. mit Strom aus Österreich. Bei einer CO2-Belastung des Stroms wie beispielsweise in Deutschland sind die Unterschiede gering. In diesem Zusammenhang wurde auch der Effekt des Leichtbaus untersucht. Bekanntlich spart geringe Masse Energie im Fahrbetrieb, insbesondere im städtischen Stop & Go-Verkehr. Dem steht aber der Energieaufwand bei der Produktion gegenüber. Die Schlussfolgerung: Extremer Leichtbau ist nicht unbedingt besser. Unter der Voraussetzung, dass der Strommix in Deutschland im Jahr 2030 eine CO2-Belastung von 314 g/kWel aufweist, wurden die Life-Cycle CO2-Emissionen für ein batteriebetriebenes Elektrofahrzeug mit 250 km Reichweite (BEV), für einen Plug-in-Hybrid-PKW (Batterie für eine elektrische Reichweite von 50 km) sowie PKW mit Otto- bzw. 44 Helmut Brunner: „Individuelle Mobilität und Stadtentwicklung: Platzbedarf und Life Cycle Emissionen“ ÖVK –

Vortrag 2017

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Dieselmotor hochgerechnet, wobei die Nutzungsdauer in km angesetzt wurde45. Das Ergebnis zeigt Bild 6.4. Man erkennt, dass eine Emissionsgleichheit für BEV und Plug-in-Hybrid erst bei rund 120.000 km gegeben ist. Aus diesem Diagramm lässt sich für einen Stromverbrauch von 25 kWh/100 km und einer CO2-Belastung des Stroms in Deutschland von rund 600 g CO2/kWh eine Lebensdauer-Emission (160.000 km) von rund 34 t CO2 für das BEV ableiten. Die Verbesserungen im Kraftstoffverbrauch wurden für das Jahr 2030 auf der Grundlage heutiger Verbräuche abgeschätzt.

Bild 6.4: Lebensdauer-CO2-Äquivalente über Nutzungsdauer Im Jahr 2017 wurde eine schwedische Studie zu ökologischen Aspekten von Elektrofahrzeugen veröffentlicht46. Diese Untersuchung zeigt, dass bei der Produktion der Akkus pro Kilowattstunde Speicherkapazität rund 150 bis 200 Kilogramm CO2-Äquivalente entstehen. Exemplarisch werden zwei handelsübliche Elektroautos verglichen, nämlich Nissan Leaf und Tesla Model S mit Batterien von 30 kWh bzw. 100 kWh. Beim kleinen Fahrzeug Nissan Leaf verursacht die Produktion der Akkus 5,3 t CO2, beim Tesla 17,5 t. Die schwedische Studie folgert, dass ein Fahrzeug mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor acht Jahre gefahren werden kann, bevor es die Umwelt so stark belastet hat wie die Akku-Produktion für ein Tesla Model S. Dabei ist der Stromverbrauch beim Fahren noch nicht berücksichtigt. Bei einem kleineren E- Fahrzeug wie dem Nissan Leaf wären es noch etwa drei Jahre. Als Anhaltswert in der Literatur gilt für die Herstellung eines Elektro-PKW der Kompaktklasse ein CO2-Äquivalent von 11 Tonnen, dabei entfallen rund 5 Tonnen auf die Batterien. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die Batterien im Interesse des Klimaschutzes kleiner werden müssen.

45

ATZ 2018 Jubiläumsausgabe, Seite 38 ff 46

z.B. https://www.shz.de/deutschland-welt/schwedische-untersuchung-akkus-in-elektroautos-belasten-das-klima-id17046871.html

Otto

Diesel

Plug-in-Hybr.

BEV, CO2 314 g/kWh

BEV, CO2 600 g/kWh

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Aus den Daten der schwedischen Studie für die Akkuproduktion abgeleitet ist Bild 6.547. Man erkennt, dass ein optimierter kleiner Leichtbau-PKW mit Erdgasmotor mehr als 20 Jahre lang 17.000 km/a zurücklegen darf, um jene CO2-Emission zu verursachen, die bei der Akkuproduktion für den Tesla S anfällt. Für das Akkupaket eines kompakten E-PKW ergibt sich Emissionsgleichheit nach mehr als 6 Jahren. Die hier angesetzte Kilometerleistung stellt für kleine Fahrzeuge einen konservativen Ansatz dar. Einer Studie aus Deutschland zufolge legen rein batteriebetriebene E-Autos jährlich 10.300 Kilometer zurück, Plug-in-Hybride 13.600 km, herkömmliche PKW im Schnitt 15.400 km. In Österreich werden pro PKW rund 13.000 km jährlich zurückgelegt. Das bedeutet, dass man in Österreich mit einem Diesel-PKW, welcher einen Kraftstoffverbrauch von 5 l/100 km aufweist, 10 Jahre fahren müsste, um den CO2-Ausstoß für die Batterieproduktion des Tesla Model S zu erreichen. Für die Akkuherstellung des Nissan Leaf beträgt das Betriebsäquivalent 3 Jahre.

Bild 6.5: Betriebliche CO2-Emissionen und CO2-Äquivalente der Akku-Produktion Diese Zahlen geben Auskunft über die Treibhausrelevanz der Elektrofahrzeuge, nicht jedoch hinsichtlich anderer Emissionen wie NOx. In Deutschland verursachte der gesamte Verkehr (einschließlich Schwerverkehr) im Jahr 2015 rund 38% aller Stickoxidemissionen (gerechnet als NO2), der Energiesektor rund 25%48, die Wärmekraftwerke (welche Daten gemeldet haben) rund 16%. Das bedeutet, dass die Produktion von elektrischem Strom in Deutschland wesentlich zum Ausstoß dieser Gase beiträgt. Für Österreich weist das Umweltbundesamt für 2015 den gesamten Verkehr als Verursacher von 39,5% der Stickoxidemissionen aus, den Energiesektor mit 8,3%49. Aus den Daten des Umweltbundesamtes lässt sich für den PKW-Verkehr ein Anteil von rund 40% am NOx-Ausstoß des gesamten Verkehrs ableiten.

47

Ansatz: Fahrleistung 17.000 km/a, CO2-Emission Diesel-PKW 131 g/km, optimierter Erdgas-PKW 50 g/km 48

www.umweltbundesamt.de/daten/luft/luftschadstoff-emissionen-in-deutschland/stickstoffoxid-emissionen#textpart-1 49

www.umweltbundesamt.at/aktuell/presse/lastnews/news2017/news_171016/

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Grundsätzlich zeigt sich eine merkliche Verbesserung beim Verkehr, bedingt durch neue Technologien wie SCR und verschärfte Emissionsstandards. Bei steigendem Strombedarf für Elektrofahrzeuge ist eine Verschiebung des Stickoxidausstoßes in Richtung Energiewirtschaft zu erwarten, wenn dieser nicht aus regenerativen Quellen bereitgestellt werden kann (siehe Abschnitt 3). In einer Studie vom Jänner 2012 stellt das deutsche Öko-Institut50 zur CO2-Bilanz von Elektrofahrzeugen fest, dass im Jahr 2030 auf Deutschlands Straßen bis zu sechs Millionen E-Mobile unterwegs sein könnten. Entscheidend sei, welcher Strom zum Einsatz komme. Die Klimabilanz von Elektrofahrzeugen sei nur dann ausgewogen, wenn zusätzliche Kapazitäten erneuerbarer Energien in den Strommarkt gebracht werden. Unter günstigen Voraussetzungen könnten Elektrofahrzeuge im Jahr 2030 rund 5,2 Millionen Tonnen CO2 vermeiden. Dies entspreche einer Minderung der Gesamtemissionen des PKW-Verkehrs 2030 um etwa sechs Prozent. Würden allerdings benzinbetriebene Fahrzeuge bis dahin deutlich effizienter, könnten diese allein die Treibhausgasemissionen des PKW-Verkehrs um 25 Prozent reduzieren. Konventionelle Fahrzeuge mit verbrauchsreduzierten Motoren durchdringen den Markt also wesentlich rascher. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass der Betrieb von Elektrofahrzeugen lokal nicht nur frei von CO2 ist, sondern auch keine sonstigen Emissionen wie NOx oder HC entstehen. Im Sektor Verkehr gilt auch für die CO2-Emissionen die Betrachtungsweise Tank-to-Wheel. Die bei der Produktion und Distribution der Kraftstoffe inklusive elektrischem Strom entstandenen Emissionen werden nicht berücksichtigt. Unter dieser Betrachtungsweise ermittelte CO2-Bilanzen bilden die Realität nicht ab. Das trifft ganz besonders auf jene Länder zu, wo der Strom zu einem Großteil in Kohlekraftwerken erzeugt wird. Eine Untersuchung von AVL aus dem Jahr 2018 zeigt, dass der (theoretische) Ersatz aller PKW-Dieselmotoren durch Ottomotoren den EU-Flottenwert für CO2 von 118 g/km auf 128 g/km erhöhen würde51. Zur Kompensation würde man 7,5% reine Elektrofahrzeuge benötigen oder 23% Plug-in-Hybridantriebe. Um die von der Politik selbst vorgegebenen Klimaziele zu erreichen, ist der Dieselmotor bis auf weiteres unverzichtbar. Berücksichtigt man die CO2-Emissionen bei der Produktion der Fahrzeuge, verschärft sich die Problematik signifikant.

50

www.oeko.de 51

MTZ 7-8/2018

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7. Mobilität mittelfristig

Wie wird mittelfristig die Mobilität zu gewährleisten sein? Der Blick in die Zukunft ist schwierig, da Durchbrüche in der Forschung maßgebliche Weichenstellungen bedeuten können. Halten wir fest,

dass die Reichweite von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen für viele Einsatzzwecke noch zu gering ist und dass die CO2-Belastung des Stroms je nach dessen Herkunft hoch sein kann,

dass signifikante Durchbrüche bei der Speicherdichte von Batterien derzeit nicht zu erwarten sind,

dass Kraftwerke zur Erzeugung von Strom aus regenerativen Energiequellen im Zunehmen sind, maßgeblich beeinflusst durch politische Entscheidungen,

dass deutliche Fortschritte in der Power-to-Gas-Technologie zu verzeichnen bzw. zu erwarten sind,

dass die Einspeisung von Biogas und in geringer Menge von Wasserstoff in die bestehenden Erdgasnetze im Wesentlichen problemlos funktioniert,

dass mit weiteren Fortschritten bei flüssigen Biokraftstoffen der 2. und 3. Generation zu rechnen ist,

dass der konventionelle Verkehr (also PKW mit Verbrennungsmotoren) in den Kerngebieten der großen Städte zusehends limitiert wird (City-Maut, Fahrverbote udgl.),

dass es je nach Verkehrsmittel sicherheitstechnische Einschränkungen bezüglich der Art des Kraftstoffes gibt, abgesehen von Fragen des Gewichts,

dass fossile Kraftstoffe noch länger verfügbar sein werden, nicht zuletzt dank neuer Explorations- und Fördertechniken oder

dass die Umweltstandards, global betrachtet, heterogen sind, ebenso wie die Möglichkeit, modernste Technologie einzusetzen.

All diese Faktoren führen dazu, dass es einen Mix aus verschiedenen Technologien für die Mobilität der nahen Zukunft geben wird. Für den lokal emissionsfreien Verkehr mit geringen Anforderungen an die Reichweite haben batteriebetriebene Elektrofahrzeuge ihre Vorteile, aber auch Fahrzeuge mit Range-Extendern oder Plug-in-Hybride. Für größere Distanzen werden Verbrennungskraftmaschinen (VKM) bis auf weiteres die erste Wahl bleiben, da sie sowohl mit konventionellen als auch mit alternativen Kraftstoffen betankt werden können. Biogas zum Antrieb von VKM hat bei Berücksichtigung aller CO2-relevanten Faktoren erhebliche Vorteile, nur dass die Fahrzeuge lokal nicht emissionsfrei sind. Wasserstoff in reiner Form muss zuerst die Hürden der Verteilungs-Infrastruktur nehmen, bevor er sich als Kraftstoff für die breite Anwendung eignet. Dann hingegen bieten Fahrzeuge mit Brennstoffzellen eine echte Alternative zu Verbrennungskraftmaschinen. Flugzeuge werden noch auf lange Sicht von flüssigen Kraftstoffen abhängig sein. Teure Technologien werden in den hochindustrialisierten Ländern möglich sein, nicht aber in Entwicklungs- und Schwellenländern.

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Aus den hier vorgestellten, einfachen Analysen lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: 1. Die zur Neige gehenden Vorräte fossiler Kraftstoffe zwingen zu Alternativen. 2. Biokraftstoffe zeichnen sich zwar durch eine hohe Energiedichte aus, sie sind aber

bislang nicht CO2-neutral. Dies gilt vor allem dann, wenn die bei der Brandrodung von Regenwäldern versachten Treibhausgase berücksichtigt werden.

3. Synthetische Kraftstoffe auf der Basis von CO2 aus industriellen Prozessen und H2 (aus Elektrolyse mit regenerativ erzeugtem Strom) zeigen gute Eignung für die Verwendung in Verbrennungsmotoren. Sie sind weitgehend CO2-neutral. In OME-Kraftstoffen wird großes Potenzial gesehen, auch hinsichtlich der klassischen Schadstoffe und der Kosten für das Gesamt-System (Herstellung, Verteilung, Fahrzeuge).

4. Elektrofahrzeuge bieten sich vor allem für den Individualverkehr an. Die dafür notwendige Energie darf jedoch nicht aus Kraftwerken stammen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Ansonsten käme es nur zu einer geographischen Verlagerung der Emissionen und zu einer Verschlechterung der CO2-Situation. Der Betrieb von kleinen Elektrofahrzeugen, wie sie derzeit erhältlich sind, verursacht CO2-Emissionen von rund 150 g/km, wenn der Strom aus dem Kraftwerksverbund der Bundesrepublik Deutschland bezogen wird. In Österreich reduziert sich dieser Wert auf rund 50 g/km. Das entspricht der Größenordnung kleiner Autos mit Erdgasantrieb.

5. Unter Berücksichtigung der Life-Cycle-CO2-Äquivalente schwinden die Umweltvorteile der Elektrofahrzeuge. Ein mit Dieselmotor ausgerüsteter PKW darf 4,1 l Kraftstoff pro 100 km verbrauchen, um die gleiche CO2-Bilanz aufzuweisen wie ein E-PKW, der mit österreichischem Strom betrieben wird. In Deutschland dürfte der Verbrauch 6,1 l/100 km betragen, in China 10,2 l/100 km.

6. Alleine die Produktion der Akkus verursacht CO2-Äquivalente, die je nach Größe des Batteriepakets dem Betrieb herkömmlicher PKW für einige Jahre entspricht.

7. Die Reichweite von Elektrofahrzeugen wird in Abhängigkeit vom Erfolg bei der Entwicklung von Energiespeichern in den nächsten Jahren steigen.

8. Als Zwischenlösung könnten Elektrofahrzeuge mit „Range Extendern“, das sind kleine Verbrennungskraftmaschinen zum Antrieb eines Generators, sinnvoll sein.

9. Die Substitution aller PKW in Österreich durch Elektrofahrzeuge würde große Mengen an elektrischem Strom erfordern. Es kann ein Bedarf von rund 9 Milliarden kWh an reiner Antriebsenergie jährlich abgeschätzt werden. Mit Berücksichtigung der elektrischen Verluste und der zur Beheizung oder Klimatisierung notwendigen Energie scheinen 13 bis 15 Milliarden kWh jährlich realistisch, kleine Fahrzeuge vorausgesetzt. Der Inlandsstromverbrauch in Österreich betrug im Jahr 2008 rund 60 Milliarden kWh ohne Verbrauch für Pumpspeicherung und ist steigend (auch ohne Elektrofahrzeuge).

10. Bezogen auf das Jahr 2008 müssten in Österreich die Kraftwerkskapazitäten für regenerative Energien (inklusive Wasserkraft) um rund 30% ausgeweitet werden, um den zusätzlichen Strombedarf für Elektrofahrzeuge zu decken. Der Anteil aus Wind, Photovoltaik und Geothermie müsste zumindest auf das Sechsfache erhöht werden, wollte man den zusätzlichen Bedarf nur aus diesen Quellen decken.

11. Wenn zwei Drittel der privaten PKW-Nutzer in Österreich auf E-Mobile wechseln würden, müssten dafür beispielsweise 17 Pumpspeicherkraftwerke wie Kops 2 oder 2990 Windkraftanlagen mit je 2 MW Leistung gebaut werden.

12. Das Potenzial für zusätzliche erneuerbare Energiequellen in Österreich war 2008 mit 5,7-7,4 Mrd. kWh/a abzuschätzen.

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13. Die Ausschöpfung dieses Potenzials wird nicht einfach sein (EU-Wasserrahmenrichtlinie mit Verschlechterungsverbot für Gewässer, Energiepflanzen in Konkurrenz zu anderen Nutzungsmöglichkeiten, …). Die Substitutionsenergien sind unter Umständen teuer bis sehr teuer (z.B. Photovoltaik).

14. Als Alternative bieten sich Offshore-Windkraftanlagen, Gezeitenkraftwerke oder Solarkraftwerke in der Wüste an. Hier entsteht aber wiederum eine Abhängigkeit von Drittländern.

15. Unabhängig von der Art der Energiegewinnung müssen die Hochspannungsnetze zur Verteilung des Stroms ausgebaut werden. Der Aufwand, um die dafür erforderlichen Genehmigungen zu erhalten, ist nach derzeitigem Stand der Rechtslage beträchtlich (UVP-Verfahren). Die EU-Kommission hat einen Vorschlag vorgelegt, um die Bewilligungsverfahren zu beschleunigen.

16. Energieeinsparung ist unverzichtbar. 17. Elektrofahrzeuge sind speziell bei niedrigen, konstanten Geschwindigkeiten und im

städtischen Stop-and-Go-Verkehr deutlich leiser als PKW mit VKM. 18. Derzeit scheint die Fahrzeugbranche hohe Fertigungskapazitäten für Elektroautos

aufzubauen, die weltweit in Summe die Prognosen für die Verkaufszahlen deutlich übersteigen. Das bedeutet wirtschaftliche Gefahren für die Hersteller. Die Wertschöpfung der Fahrzeugindustrie wird nach ernst zu nehmenden Analysen deutlich geringer, verglichen mit der Herstellung von konventionellen PKW.

19. Viele Hersteller setzen auf Lithiumbatterien. Die größten technisch nutzbaren Lithiumvorkommen befinden sich in Australien, Chile, Bolivien und in Argentinien. Weltweit wurden im Jahre 2016 rund 40.000 Tonnen Lithium produziert, die Reserven in den vorhandenen Minen werden auf rund 16 Millionen Tonnen geschätzt. Die Nachfrage nach Lithium ist in den letzten Jahren sehr stark angestiegen. Daneben wird Lithium bei der Produktion von Akkus für Mobiltelefone, Notebooks sowie anderer Elektronikgeräte benötigt. Eine Abhängigkeit von Drittländern ist jedenfalls gegeben.

20. Das Schwermetall Kobalt wird zum Großteil in der politisch instabilen Volksrepublik Kongo unter Einsatz von Kinderarbeit und geringen Umweltstandards gefördert.

21. China kontrolliert mehr als 90 Prozent der weltweiten Förderung Seltener Erden. Die Drosselung der Exporte um 72 Prozent im Jahr 2010 löste deshalb international Empörung aus. Hier sind weitere Abhängigkeiten gegeben.

22. E-PKW mit Batterien werden vielfach als Übergangslösung gesehen. Auf längere Sicht sind die Voraussetzungen für Autos mit Brennstoffzelle sehr gut; sie können auch als Plug-in-Hybride konzipiert werden. Welche Technologie sich durchsetzen wird, dürfte maßgeblich von der schnelleren Verfügbarkeit der Infrastruktur (Schnellladestellen bzw. Tankstellen) abhängen.