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Frankfurter Allqemeine Zeitung, 23. Mai 2012 .Der Mythos von der unternehrnerischcn 'Universität -Seit Jahren wird den Hochschulen eingeredet und reden sich manche ' selber ein, ihr Vorbild seien Firmen. Natürlich nur erfolgreiche Firmen. Doch die Empirie sieht anders aus. Von Stefan. Kühl Ohne Ballsport keine Universität: Die Indiana Hoosiers gegen die Ohio State Buckeves im Colleoe-Rnslcethnll Rn'n 0", _.._'''o~. nnnon

Frankfurter Allqemeine Zeitung, 23. Mai 2012 .Der ......2012/05/23  · Frankfurter Allqemeine Zeitung, 23. Mai 2012.Der Mythosvonder unternehrnerischcn 'Universität-SeitJahren wird

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Page 1: Frankfurter Allqemeine Zeitung, 23. Mai 2012 .Der ......2012/05/23  · Frankfurter Allqemeine Zeitung, 23. Mai 2012.Der Mythosvonder unternehrnerischcn 'Universität-SeitJahren wird

Frankfurter Allqemeine Zeitung, 23. Mai 2012

.DerMythos von derunternehrnerischcn 'Universität

-Seit Jahren wird den Hochschulen eingeredet und reden sich manche 'selber ein, ihr Vorbild seien Firmen. Natürlich nur erfolgreiche Firmen.Doch die Empirie sieht anders aus. Von Stefan. Kühl

Ohne Ballsport keine Universität: Die Indiana Hoosiers gegen die Ohio State Buckeves im Colleoe-Rnslcethnll Rn'n 0", _.._'''o~. nnnon

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Die Karriere des Begriffs der un-ternehmerischen Universität istbeachtlich. Nachdem dieser Be-griff von dem Hochschulfor-

scher Burton Clark Ende der neunzizerJahre in die hochschulpolitische Disk~s-sion eingebracht wurde, haben ihn Hoch-schulpolitiker in verschiedenen Ländernaufgegriffen. Es hat fast eine gewisse Tra-gik, dass der Name des innovativen ameri-kanischen Hochschulforschers heute vor-rangig mit diesem Begriff verbundenwird, obwohl dieser vielleicht nur das Er-gebnis der Einflüsterung eines an einemverkaufswirksamen Titel interessiertenVerlags gewesen ist.

Andere stimulierende Konzepte Clarkswie das der sich aus hochschulpolitischeinflussreichen Professoren zusammenset-zenden "akademischen Oligarchie" oderder .Auskühlungsfunktion von Hochschu-len", die darin besteht, überambitionierteJugendliche sanft mit ihrem Schicksal, Mit-telmaß zu sein, vertraut zu machen sinddemgegenüber weitgehend in den Hinter-grund getreten.

Aber die "unternehmerische Universi-tät", die nach unterschiedlichen Logikenfunktionierende Organisationstypen wie"Firma" und "Hochschule" kombiniertwar offensichtlich so griffig, dass er soforteine ganze Reihe von feurigen Befürwor-tern und fast ebenso viele heftige Gegnermobilisieren konnte. Gerade für Bildunzs-politiker, die an Universitäten vorran~iaderen Funktion als Personalzubrinzer fü~die Wirtschaft schätzen, schien diebunter-nehmerische Universität ein griffiges Kon-zept zu sein, mit dem sie ihre Vorstellun-gen von einem Umbau der staatlichenHochschulen vorantreiben konnten. DieAssoziationen des Wortes mit Innovations-kraft, Kundennähe und Wettbewerbsfähig-keit war zu verlockend.

.Kritiker konnten den Begriff einfachvon den Promotoren übernehmen undmussten die Entwicklung lediglich negativbeschreiben. Das Konzept wurde zum An-lass genommen, eine neoliberale Ver-schwörung an den Hochschulen zu identi-fizieren, die Bildung zu einer Ware ma-chen und Studierende zu Kunden degene-rieren will. Eine transnational organisier-te Wissenselite - gruppiert um die McKin-seys dieser Welt - würde, so der Verdacht,mit dem Konzept der unternehmerischenUniversität bewährte Lehr- und Lernma-delle zerstören. Vorbereitet durch wirt-schaftsnahe Lobbyorganisationen, würde,so die Befürchtung, ein "autoritär-neolibe-raler Umbau der Hochschulen" auf breiterFront einsetzen.

Die Frage, auf welcher Ebene zentraleFragen der Wissenschaft und Erziehunzentschieden werden und entschieden we;den sollten, wird so in das bekannte Kon-fliktschema von Kapitalismus-Befürwor-tern und Kapitalismus-Skeptikern ge-presst. Aber die Frage, was eine unterneh-merische Universität jenseits einer eingän-gigen, aber unterschiedlich auslegbarenMetapher eigentlich sein soll, blieb selt-sam unterbelichtet.

Einmal ein echter Manager und nichtnur Verwalter oder Akademiker sein!Eine Organisation wird erst dann zum Un-ternehmen, wenn sie sich auf eine sehrspezifische Weise finanziert. Einfach ge-sagt: Unternehmen finanzieren sich, an-ders als die meisten anderen Typen vonOrganisationen, über den Verkauf von Pro-dukten oder Dienstleistungen an ihre Kun-den. Das unterscheidet sie von Verwaltun-gen, Armeen oder staatlichen Universitä-ten, die sich maßgeblich über Zwangsabga-ben der Bürger an den Staat finanzieren;von Vereinen, die sich über Beiträge ihrerMitglieder finanzieren, oder von sozialenEinrichtungen, die von der Alimentierungaus öffentlichen Mitteln abhängen.

Erst aufgrund dieser Refinanzierungs-weise ergibt sich, so das Argument desSoziologen Sven Kette, für Unternehmeneine eigene Form von Autonomie. WeilUnternehmen in ihrer Existenz "nur" da-von abhängen, dass sich ihre Produkte amMarkt verkaufen, können sie stärker alsVerwaltungen, Schulen oder Universitä-ten über ihre Belange selbst entscheiden.Aber diese Autonomie bedeutet natürlichauch, dass Unternehmen grandios schei-tern können, wenn sich keine zahlungs-kräftigen Abnehmer für ihre Produkteoder Dienstleistungen finden lassen.

Es gibt in einigen Ländern Fachhoch-schulen und Universitäten, die aufgrund

ihrer Form der Finanzierung wie Unter-nehmen funktionieren. Statt sich, wie an-dere Unternehmen, über den Verkauf vonWaschpulvern, Schnaps oder Personen-schutz zu refinanzieren, generieren solcheUnternehmen ihre Einnahmen dann ebenkomplett über den Verkauf einer mehroder minder guten akademischen Ausbil-dung an ihre Kunden.

Aber um eine solche Umstellung ihrerRefinanzierung von einer Alimentierungdurch staatliche Zwangsabgaben auf eineFinanzierung über den Verkauf vonDienstleistungen geht es den Hochschu-len, die sich als unternehmerische Univer-sität bezeichnen, gerade nicht. Die Refi-nanzierung von Organisationen über denVerkauf von Produkten und Dienstleistun-gen scheint ein Modell zu sein, das sich beialler Kapitalismuskritik bei Maschinen-bauern, Speiseeisproduzenten und Friseur-salons bewährt hat. Aber es scheint nachdem grandiosen Scheitern vieler Privati-sierungen besonders in Großbritannienund den Vereinigten Staaten einen weitge-henden politischen Konsens zu geben,dass nicht -jeder existierende Organisa-tionstypus auf eine Refinanzierunz überden Verkauf von Produkten oder Dienst-leistungen umgestellt werden sollte. Undbei Stadtverwaltungen, bei der Polizeioder bei Umweltschutz behörden kannman vermutlich auch ganz froh sein, dasssie sich - jedenfalls in den sozenannten zi-vilisierten Ländern - nicht Über den Ver-kauf von Dienstleistungen finanzieren,sondern über nicht näher spezifizierteZwangsabgaben in der Form von Steuern.Vermutlich kann man auch bei Hochschu-len argumentieren, dass ein zentralerGrund für ihre Leistungsfähigkeit in For-schung und Lehre darin besteht, dass siesich nicht maßgeblich über den Verkaufvon Dienstleistungen an ihre Kunden defi-nieren.

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Wenn Hochschulen sich gleichwohl als"unternehmerische Hochschule" bezeich-nen oder - was häufiger vorkommt - Hoch-schulen von hochschulpolitischen Lobby-organisationen dieses Konzept eingeflüs-tert wird, dann geht es um die Ubernahmevon Managementinstrumenten, die sichvermeintlich in Unternehmen bewährt ha-ben: Kennziffern sollen in der Organisati-on erhoben, Zielvereinbarungen abge-schlossen, ein übergreifendes Qualitätsma-nagement eingeführt, Kundenbefragun-gen durchgeführt, das Controlling ver-stärkt und die Leistungsanreize intensi-viert werden. Mit Hilfe von Organisations-beratern übernehmen Universitäten danndiese Managementinstrumente aus derUnternehmenswelt, häufig ohne sich überdie ungewollten Nebenfolgen zu informie-ren, die sie in Unternehmen produziert ha-ben. Aber mit einer grundlegendenUmstellung der Finanzierungslogik vonUniversitäten hat dieses Kopieren vonManagementstrategien nichts zu tun.

Staatliche Hochschulen können immernoch nicht pleitegehen, weil ihr Erfolgnicht von dem Verkauf von Produkten ab-hängt, sondern davon, wie viel Geld siebei den Verhandlungen mit ihren Ministe-rinnen und Ministern herausholen. Aberallein schon die Einführung der Manage-mentinstrumente aus der Unternehmens-welt zieht Effekte nach sich, wie wir sieaus typischen Unternehmen seit über hun-dert Jahren kennen. Eine sestärkte Zentra-le der Universität fordert immer mehr Be-richtspflichten ein, was zu den aus Unter-nehmen. bekannten Bürokratisierungsef-fekten führt. Es werden immer mehr Stabs-steIlen geschaffen, die von den operativenLeistungserbringern in den Dezentralennur als Teil eines rasant wachsenden Was-serkopfs betrachtet werden. Die Kontrol-len der Zentrale werden verstärkt wasw!e wir aus der Organisationsfors~hungWissen, das eigentlich motivierte Perso-nals demotiviert, das dann wiederum überPrämienzahlungen, Auszeichnungen undLehrdeputatsnachlasse motiviert werdenmuss.

Nur dadurch, dass die Ministerien mit"ihren" Universitäten Zielvereinbarungenüber Studierendenzahlen, Absolventen-quoten oder einzuwerbende Drittmittel ab-schließen, werden sie noch lange nicht zuUnternehmen. Schließlich kommen die zu-sätzlichen Gelder, die Universität von ih-ren Ministerien als Prämienzahlung fürein erfolgreiches Drittmittelgeschäft er-hält, genauso wie ein großer Teil der Dritt-mittel selbst aus Steuermitteln. Insofernsind Erfolge in diesem Geschäft eben gera-de nicht Ausdruck davon, dass eine Uni-versität am Markt bestehen kann, sondernvielmehr davon, dass eine Universität inder Lage ist, sich an den politischen Rah-menvorgaben zu orientieren.

Wir sollten den Begriff der "unterneh-merischen Universität" deshalb für dieHochschulen reservieren, die sich maßgeb-lich über den Verkauf von Dienstleistun-gen refinanzieren. Dabei reicht es nichtaus, wenn Hochschulen fünf Prozent ihrerEinnahmen aus staatlich angeordnetenStudiengebühren generieren oder einenkleinen Teil ihres Personals über den Ver-kauf von Gutachten, Forschungspatentenoder Beratungsleistungen finanzieren.Schließlich wird das Bundespräsidialamtja auch nicht zum Unternehmen, wenn esin seinem Amtssitz Münzen mit den Por-träts der BundespräSidenten verkauft oderfür ihre jährlichen Gartenpartys Lizenzenfür den Alkoholausschank meistbietendversteigert.

Bei dieser Engfassung des Begriffs derunternehmerischen Universität fällt dannein nahezu paradoxer Aspekt auf. Geradefür die Universitäten, die sich nicht wieUnternehmen über den Verkauf vonDienstleistungen finanzieren, sondernjäluliche Zuwendungen durch den Staat er-halten, scheint die Verwendung des Begrif-fes der unternehmerischen Universität be-sonders attraktiv zu sein. Durch das Kopie-ren der Semantik - und dann weiterge-hend auch der Managementinstrumente -von Unternehmen hoffen sie, eine Dyna-mik suggerieren zu können, die sie sich alsEmpfänger von Steuergeldern anschei-nend selbst nicht zutrauen.

Interessanterweise sind die Universitä-ten jedoch, die sich weitgehend über denVerkauf von Ausbildungen und Abschlüs-sen an Studierende finanzieren und inso-fern eine Beschreibung als Unternehmenverdienen würden, äußerst zurückhaltenddamit, sich selbst als "unternehmerischeUniversität" zu beschreiben. Vermutlichwürden sie sogar viel dafür geben (undvielleicht auch bezahlen), um in der Öf-fentlichkeit nicht als an der Wirtschaft aus-gerichtete Unternehmen, sondern als ander Wissenschaft ausgerichtete Universitä-ten wahrgenommen zu werden.Stefan Kühl lehrt Soziologie an der Universität Bie-lefeld. Gerade ist sein Buch "Der Sudoku-Effekt.Hochschulen im Teufelskreis der Bürokratie" im Bie-lefelder transcript-Verlag erschienen.

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Unternehmertum als politischerGehorsam?

Das Problem bei der ungeprüften Über-nahme von Managementinstrumentenaus der Wirtschaft ist, dass sie vielleichtfür di~ am Modell der Fließbandprodukti-on orientierten und auf den Ausstoß stan-dardisierter Produkte geeichten Unterneh-men sinnvoll sein mag, dass sie aber fürdie Steuerung der Arbeit an Universitätenungeeignet sind. Wissenschaftliche Er-kenntnisse lassen sich schwer planen, dieLernfortschritte von Studierenden lassensich nur schwer steuern, und Wissenschaft-ler werden nicht unbedinzt besser wennsie mehr Geld bekommen~Desweg~n bre-chen Sich hier - noch viel stärker als in Un-ternehmen - die Steuerunzsvorstellunzend

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er Zentrale an der alltäclichen Arbeitdie in den Dezentralen ei~er Universitätoder einer Fachhochschule verrichtetwird. '