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Königs Erläuterungen und Materialien Band 466 Erläuterungen zu Franz Kafka Ein Bericht für eine Akademie von Margret Westerwinter

Franz Kafka...Franz Kafka: Leben und Werk Vorwort Vorwort ber 1917 in der von dem jüdischen Philosophen Martin Buber herausgegebenen Monatsschrift Der Jude.2 Entstanden ist der Bericht

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Page 1: Franz Kafka...Franz Kafka: Leben und Werk Vorwort Vorwort ber 1917 in der von dem jüdischen Philosophen Martin Buber herausgegebenen Monatsschrift Der Jude.2 Entstanden ist der Bericht

Königs Erläuterungen und MaterialienBand 466

Erläuterungen zu

Franz Kafka

Ein Bericht für eine Akademie

von Margret Westerwinter

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Page 2: Franz Kafka...Franz Kafka: Leben und Werk Vorwort Vorwort ber 1917 in der von dem jüdischen Philosophen Martin Buber herausgegebenen Monatsschrift Der Jude.2 Entstanden ist der Bericht

Über die Autorin dieser Erläuterung:Margret Westerwinter, geb. 1972, studierte Germanistik, Me-dienwissenschaft, Komparatistik und Anglistik an der Universi-tät Paderborn, an der sie im Fach Komparatistik promoviert.Sie lebt und arbeitet als Lektorin und Autorin in Hamburg.

1. Auflage 2007ISBN-978-3-8044-1838-7© 2007 by Bange Verlag, 96142 HollfeldAlle Rechte vorbehalten!Lektorat: Oliver Pfohlmann und Hannelore PiehlerTitelabbildung: Franz Kafka Herstellung: Pia Mankopf, NeuenmarktDruck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugäng-lich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entspre-chenden Nutzung für Unterrichtszwecke!

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1.1 Biografie

1. Franz Kafka: Leben und Werk

Inhalt

Vorwort ....................................................................... 5

1. Franz Kafka: Leben und Werk ................................. 91.1 Biografie ....................................................................... 91.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund .................................. 221.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken .................................................. 28

2. Textanalyse und -interpretation ............................. 332.1 Entstehung und Quellen ............................................. 332.2 Inhaltsangabe ............................................................. 392.3 Aufbau ....................................................................... 472.4 Personenkonstellation und Charakteristiken ................ 512.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen .................... 602.6 Stil und Sprache .......................................................... 612.7 Interpretationsansätze ................................................. 692.7.1 Biografischer Ansatz: Kafka als Künstler und Junggeselle ............................. 692.7.2 Assimilationsansatz: Rotpeter ein assimilierter Jude? ... 742.7.3 Philosophischer Ansatz: Freiheit oder Ausweg? ........... 782.7.4 Intertextuelle Bezüge und der Blick auf Kafkas Quellen ....................................... 85

3. Themen und Aufgaben ............................................ 90

4. Rezeptionsgeschichte .............................................. 95

5. Materialien ..............................................................101

Literatur ...................................................................107

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1.1 Biografie

1. Franz Kafka: Leben und Werk4

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1.1 Biografie

1. Franz Kafka: Leben und Werk �

Vorwort

Vorwort

Vorwort

Am 29. November 1922 schreibt Franz Kafka an seinen Freund Max Brod:

„Von allem, was ich geschrieben habe, gelten nur die Bücher: Urteil, Heizer, Verwandlung, Strafkolonie, Landarzt und die Er-zählung: Hungerkünstler … Wenn ich sage, dass jene 5 Bücher und die Erzählung gelten, so meine ich damit nicht, dass ich den Wunsch habe, sie mögen neu gedruckt und künftigen Zeiten überliefert werden, im Gegenteil, sollten sie ganz verloren gehen, entspricht dieses meinem eigentlichen Wunsch. Nur hindere ich, da sie schon einmal da sind, niemanden daran, sie zu erhalten, wenn er dazu Lust hat.“�

Dass Brod dem Willen seines Freundes zuwiderhandelte, ist be-kannt: Kurz nach dem Tod Kafkas am 3. Juni 1924 begann er, nach und nach dessen Nachlass zu veröffentlichen, darunter die berühmten Romane Amerika (später unter dem von Kafka ur-sprünglich vorgesehenen Titel Der Verschollene publiziert), Der Prozess und Das Schloss. Brod sorgte so maßgeblich dafür, dass Kafkas Rang als einer der bedeutendsten Autoren der Weltlitera-tur begründet werden konnte. Für die Interpretation der vorlie-genden Erzählung ist aufschlussreich, dass sie zu den wenigen Texten des Prager Autors gehört, die seinem eigenen strengen Urteil standhielten und deren Veröffentlichung auf eigenes Be-treiben hin stattfand. Denn Ein Bericht für eine Akademie ist Teil des 1920 im Kurt Wolff Verlag erschienenen Erzählbandes Ein Landarzt. Ihre Erstveröffentlichung erfolgte bereits im Novem-

� Zitiert nach: Kafka, Ein Landarzt, S. 355 f. Sämtliche Kafka-Zitate wurden in Orthographie und Interpunktion den Regeln der neuen Rechtschreibung angepasst.

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1.1 Biografie

1. Franz Kafka: Leben und Werk6

Vorwort

Vorwort

ber 1917 in der von dem jüdischen Philosophen Martin Buber herausgegebenen Monatsschrift Der Jude.2

Entstanden ist der Bericht des Affen Rotpeter im April 1917, also während des Ersten Weltkriegs, in einer der fruchtbarsten Schaffensphasen des Autors. Zu dieser Zeit wohnte Kafka allein in einer Wohnung im Schönborn-Palais auf der Kleinseite Prags und arbeitete in einem von seiner Schwester Ottla gemieteten Häuschen in der Alchimistengasse in der Altstadt. Seine Lebens-situation hatte sich zu diesem Zeitpunkt etwas entspannt: Neben der Erleichterung, die Kafka durch seine veränderte Wohn- und Arbeitssituation empfand, die ihn aus der Enge der elterlichen Wohnung befreite, hatte sich des Weiteren seine Beziehung zu der Berliner Angestellten Felice Bauer vorübergehend wieder zum Positiven gewendet. Auch von der Krankheit, die sein Le-ben bereits im Alter von 40 Jahren beenden sollte, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nichts; die ersten Symptome seiner Tuberkulose machten sich erst vier Monate später bemerkbar.

„Nein, Freiheit wollte ich nicht. Nur einen Ausweg; rechts, links, wohin immer; ich stellte keine anderen Forderungen; sollte der Ausweg auch nur eine Täuschung sein; die Forderung war klein, die Täuschung würde nicht größer sein. Weiterkommen, weiter-kommen!“ (S. 54)

Mit diesen Worten kommentiert der Affe Rotpeter – der Er-zähler und Protagonist in Kafkas Erzählung Ein Bericht für eine Akademie – im Rückblick seine Gedanken während seiner Ge-fangenschaft im Käfig auf dem Hagenbeckschen Dampfer, der ihn nach Hamburg brachte. In diesem kurzen Zitat finden sich bereits in konzentrierter Form Motive und Thematik dieser Er-zählung, deren Rezeptions- und Deutungsgeschichte facetten-

� Vgl. Koch, S. �75.

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1.1 Biografie

1. Franz Kafka: Leben und Werk �

Vorwort

Vorwort

reich ist. Im Zusammenhang mit der Interpretation von Werken Kafkas taucht dabei immer wieder der Begriff des „Kafkaesken“ (meist als Adjektiv „kafkaesk“ gebraucht) auf. Ein Ausdruck, der vor allem die charakteristische Grundstimmung des Be-drohlichen, Undurchschaubaren und Rätselhaften von Kafkas Texten beschreiben soll – und zugleich die Schwierigkeiten, sie zu interpretieren. Ein Brief an seine Verlobte Felice Bauer vom 10. Juni 1913 verrät, dass Kafka seine Texte auch selbst nicht endgültig zu deuten vermochte. Dort schreibt er über seine Er-zählung Das Urteil:

„Das ‚Urteil’ ist nicht zu erklären. (…) Die Geschichte ist viel-leicht ein Rundgang um Vater und Sohn, und die wechselnde Gestalt des Freundes ist vielleicht der perspektivische Wechsel der Beziehungen zwischen Vater und Sohn. Sicher bin ich dessen aber auch nicht.“�

Übertragen auf die vorliegende Erzählung heißt dies: Eine rich-tige oder falsche Interpretation gibt es nicht. Es gibt lediglich verschiedene, mehr oder weniger plausible Perspektiven, von denen aus man sich Kafkas Texten nähern kann. In diesem Sinne arbeitet auch die vorliegende Interpretationshilfe, in der keine Wertung der einzelnen Ansätze vorgenommen wird.Will man Kafkas Erzählung Ein Bericht für eine Akademie deu-ten, eröffnet sich dem Leser eine Fülle möglicher Ansätze. Die Erläuterung will einen repräsentativen Querschnitt aufzeigen und schöpft dabei aus einer Vielzahl von Materialien, darunter Kafkas Briefe, seine Tagebücher sowie sein übriges literarisches Werk. Daneben werden biografische Arbeiten über Kafka, zeit-geschichtliche und kulturhistorische Bezüge und auch einschlä-

3 Kafka, Briefe an Felice, S. 396 f.

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1.1 Biografie

1. Franz Kafka: Leben und Werk�

Vorwort

Vorwort

gige literaturwissenschaftliche Arbeiten berücksichtigt. Als Textgrundlage dient die 2003 in der Reihe Suhrkamp BasisBibli-othek – Arbeitstexte für Schule und Studium erschienene Taschen-buchausgabe Das Urteil und andere Erzählungen, die auch den Bericht für eine Akademie enthält.

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1.1 Biografie

1. Franz Kafka: Leben und Werk �

Jahr Ort Ereignis Alter

1. Franz Kafka: Leben und Werk

1.1Biografie�

1883 Prag Geburt Franz Kafkas am 3. Juli als erstes Kind des jüdischen Kaufmanns Hermann Kafka (1852–1931) und seiner jüdi-schen Frau Julie, geb. Löwy (1856–1934). Die Eltern betrei-ben ein Geschäft für „Galan-teriewaren“ (modische Acces-soires).Es folgen fünf Geschwister: Ge-org (1885, stirbt im Alter von 15 Monaten), Heinrich (1887, stirbt im Alter von sechs Mo-naten), Gabriele, genannt Elli (1889–1941), Valerie, genannt Valli (1890–1942), und Ottilie, genannt Ottla (1892–1943). Alle drei Schwestern werden später in Auschwitz ermordet.

1889– Besuch der „Deutschen Volks- 6–101893 und Bürgerschule in Prag“.

Kafka fällt als überdurchschnitt-lich guter Schüler auf.

� Vgl. hierzu Hermes, Franz Kafka, sowie Wagenbach, Kafka.

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1.1 Biografie

1. Franz Kafka: Leben und Werk10

Jahr Ort Ereignis Alter

1893– Besuch des „Staatsgymnasiums 10–181901 mit deutscher Unterrichts- sprache in Prag-Altstadt“ bis zum Abitur. Kafka fasst be- reits zu diesem frühen Zeit- punkt den Entschluss, Schrift- steller zu werden.1896 Bar-Mizwa5 Kafkas am 13. Juni 13 – vom Vater „Konfirmation“ ge- nannt – in der „Zigeuner-Syna- goge“.1900 Triesch Besucht in den Sommerferien 17 bei Iglau in seinen Onkel, den Landarzt Mähren und Siegfried Löwy (1867–1942); Rostok Aufenthalt in der Sommerfri- sche seiner Familie. 1901 Helgoland Nach dem Abitur erste größere 18 Norderney Sommerreise zusammen mit seinem Onkel Löwy.1901– Prag Studium an der (deutschen) Karls- 18–231906 Universität. Wechselt nach zwei Wochen von Chemie zu Jura. In dieser Zeit entstehen Freundschaften zu Max Brod (1884–1968), Oskar Baum (1883–1941) und Felix Weltsch

5 Durch die Bar-Mizwa-Feier (aramäisch: „Sohn des Gebots“) wird ein jüdischer Junge, der das �3. Le-bensalter vollendet hat, in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen.

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1.1 Biografie

1. Franz Kafka: Leben und Werk 11

Jahr Ort Ereignis Alter

(1884–1964). Mit ihnen trifft sich Kafka ab 1905 regelmäßig zu literarischen Lesungen und Diskussionen.1902 Sommersemester: Ausschließ- 19

licher Besuch von Vorlesungen an der Philosophischen Fakultät (Kunstgeschichte, Germanistik, Latein, Griechisch) Wintersemester: Fortsetzung des Jura studiums.

1903 Juli: Kafka legt Erste Staatsprü- 20 fung in Rechtshistorik mit „gu- tem“ Erfolg ab. Salesel bei Juli/August: Verbringt Sommer- Aussig ferien mit der Familie. Dresden August: Erster Kuraufenthalt im Naturheilsanatorium „Weißer Hirsch“.1904 Prag Beginn der Arbeit an Beschrei- 21 bungen eines Kampfes, Erzählun- gen, Skizzen, Prosagedichte.1905 Zuckmantel Juli/August: Aufenthalt im „Sa- 22 (Österrei- natorium Dr. Ludwig Schweine- chisch burg“ wegen Neurasthenie und Schlesien) Schlaflosigkeit.1906 Prag Von April bis September Prakti- 23 kum als „Advokatursconcipient“.

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