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Samstag, 24. Oktober 2009 SOR Seite 23 LOKALES Brief aus Ecuador (II) „Mein Spanisch wird immer besser“ Mittlerweile bin ich knapp zwei Monate hier in Ecuador. Die vorgeschriebenen 40 Spa- nisch-Stunden habe ich auch knapp bis zur Hälfte mit Ma- nuel (unserem Lehrer, der im- mer ins Haus kommt) abgear- beitet. Auch ich, der ich mich als gänzlich untalentiert be- trachte beim Erlernen einer an- deren Sprache, stelle Fort- schritte fest. Vor allem mein Wortschatz hat sich um einiges erweitert. In Sachen Sprechen kommt es mir immer so vor, dass ich meist immer irgendwie in der Lage bin, das zu sagen, was ich sagen will. Das größere Problem liegt darin, dass ich oft einfach nicht verstehe, was man von mir will. Um einiges schneller würde ich wohl ler- nen, wenn ich in eine Gastfa- milie umziehen würde – was eventuell in ein paar Monaten der Fall sein könnte. Das bringt mich auf die jetzi- ge Wohnsituation. Mittlerweile sind wir in unserer Wohnung nur noch zu viert: Drei „Zivis“ und eine ecuadorianische Stu- dentin (es wird also schon auch ein wenig Spanisch gespro- chen). Vor kurzem ist der vierte „Zivi“ ausgezogen, in eine gut- situierte Gastfamilie. Jetzt zur Arbeit. Nachdem sämtliche Kinder eingetroffen und eingeteilt waren, wurden auch wir unseren Klassen bzw. Gruppen zugeteilt. Ich arbeite seitdem in der Gruppe Pre-Ba- sica mit jetzt zwölf Kindern von 4 Jahren aufwärts. Es sind vier Kinder „especial“ (Kinder mit einer Behinderung) in mei- ner Gruppe. Aber dazu später noch mehr. In meiner Gruppe läuft der Alltag wie folgt ab: Vormittags haben die Kinder regelmäßig unterschiedlichen „Unterricht“, immer für 30 bis 45 Minuten. Mal geht es in den Musikraum, mal ist Computer- unterricht angesagt und mal kommt eine Englischlehrerin ins Haus und versucht, den Kindern Farben und Zahlen beizubringen (mit unterschied- lichem Erfolg, wenn man be- denkt, dass hier teilweise noch Probleme mit der eigenen Mut- tersprache bestehen). Vor dem Essen müssen alle die Hände waschen und dann ab in den Speisesaal. Das Essen ist bescheiden, auch für ecua- dorianische Verhältnisse: Zu- erst gibt es eine Suppe, dann die Hauptspeise, also Reis mit irgendetwas anderem. Ab- schließend noch Obst oder Fruchtsaft. Ab 12.30 Uhr bin ich, also Tío (Onkel) Florian, al- lein, denn meine Tía, mit der ich im Übrigen glücklicherwei- se sehr gut auskomme, hat jetzt eine halbe Stunde Mittagspau- se. Jetzt heißt es streng zu sein, denn in dieser Zeit muss das Essen beendet werden, und wenn möglich sollten sich alle Kinder die Zähne geputzt ha- ben. Das ist nicht so einfach, denn es handelt sich hier größ- tenteils um sehr langsame Es- ser, welche schnell abgelenkt sind. Das hat mich vor allem in der ersten Zeit einiges an Ner- ven gekostet. Jetzt weiß ich, wer am langsamsten ist und somit als erstes das Essen bekommt, und habe mir auch schon ein wenig Respekt verschafft, so dass es meist klappt. Allerdings hängt das Ganze auch sehr stark davon ab, was es denn zu essen gibt. Gibt es Fleisch, ist dieses meist sehr zäh und ver- längert somit die Kauzeit der Kinder um einiges. Um kurz nach 13 Uhr wer- den bereits zwei der Kinder von ihren El- tern abgeholt, wobei es mir ein wenig ein schlechtes Gewissen be- reitet, wenn ich noch allei- ne bin, die Kinder sich die Zähne noch nicht ge- putzt haben (was nur mit mir geht) und laut herum- spielen, wäh- rend ich ei- nem Kind ge- rade auf dem Klo helfe nach dem Es- sen „muss“ immer bei- nahe die Hälfte der Kinder. Dann kommt um ca. 13.10 Uhr meine Tía zu- rück und ich habe Pause. Der Nachmittag verläuft meist ru- hig, mit Basteln oder Malen oder Ähnlichem. Was mir vor allem in der er- sten Zeit immer schwierig vor- gekommen ist und mir auch jetzt immer noch Probleme breitet, ist: Wie verhalte ich mich vormittags und nachmit- tags am Besten den Kindern gegenüber. Denn sie kapieren einfach noch nicht das plötzli- che Umschalten auf die Mit- tagspause hin, und ich will nicht den ganzen Tag streng mit ihnen sein. Jetzt noch kurz etwas über meine Reisen, die ich bereits unternommen habe. Das ist ja ein absolut wichtiger Teil für mich. Einerseits als Ausgleich zur Arbeit und andererseits, weil dieses Land einfach der- maßen viel zu bieten hat und man innerhalb kurzer Zeit überall hinkommt. So war ich bereits in Tena, Canoa, Mindo und Baños. Einmal ging es et- was weiter in den Regenwald, einmal an die Pazifikküste und zweimal war es eine Mischung aus Anden und Regenwald. Was ich hierbei erlebt habe: einfach immer wunderschöne Natur, freundliche Menschen und tolle Erlebnisse. Dazu mehr in meinen nächsten Be- richten. Noch kurz: Kann es sein, dass wir Deutsche ein beson- ders reisefreudiges Volk sind? Überall, wo ich bereits war, ha- be ich Deutsche getroffen. Ich meine, sie sind ja gut für das Land als Touristen. Auch wenn es andere „Freiwillige“ sind, kann man sich immer gut mit ihnen unterhalten, denn man hat ja teilweise gleiche Interes- sen. Aber eigentlich will ich ja alleine sein, ohne dass plötzlich jemand an mir vorbei geht und ich meine Muttersprache ver- nehme. Aber ich denke, da ver- lange ich wohl zu viel. Wun- dernd, wie klein doch diese „Kugel“ (Erde) ist, auf der wir uns befinden, schüttle ich den Kopf und gehe weiter. Florian Rehrl Mehr zu dem Ecuador-Projekt im Internet unter: www.ecuador- connection.org Ein Blick in den Essensraum. Ich stehe rechts hinten mit dem gestreiften T-Shirt, mit „meinen“ Kindern und einer Tía (Tante). Dienst im Ausland leistet Florian Rehrl (20) aus Wolkersdorf/ Kirchanschöring für ein Jahr in Ecuador. Das Jahr wird als Zivildienst ange- rechnet. Der Dienst läuft in Zusammenarbeit mit einer kleinen Organisation aus München namens „Ecuador Connection e.V.“. In einem Kinderdorf in Quito hat der 20-jährige Florian einen betreuenden Job übernommen. Florian wird in unregelmäßigen Abständen über seine Ar- beit mit den Kindern be- richten, aber auch über das Land, die Kultur und über seine Erlebnisse bei den Reisen in diesem interes- santen Land. Ecuador ist eine Republik im Nordwesten Südameri- kas zwischen Kolumbien und Peru und hat 14 Millio- nen Einwohner. 15 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als 1 Dollar am Tag. Nur 4,2 Prozent der Ecuadorianer nutzen das Internet. Amtssprache ist Spanisch. Quito ist die Hauptstadt von Ecuador und liegt 20 Kilometer südlich des Äquators in einem 2.850 Meter hohen Becken der Anden. Sie ist somit nach der bolivianischen Haupt- stadt Sucre die zweit- höchstgelegene Hauptstadt der Welt. Die Altstadt ge- hört zum Weltkulturerbe. Das Spendenkonto: Sparkasse München Stichwort: „Spende an die Ecuador Connection e.V.“ BLZ: 701 500 00 Konto-Nr.: 85 24

Freiwillige berichten: Florian Rehrl (2)

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In dieser Serie wieder-veröffentlichen wir Zeitungstexte unserer Freiwilligen. Hier von Florian Rehrl.

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Page 1: Freiwillige berichten: Florian Rehrl (2)

Samstag, 24. Oktober 2009 SOR Seite 23LOKALES

Brief aus Ecuador (II)

„Mein Spanisch wird immer besser“Mittlerweile bin ich knapp

zwei Monate hier in Ecuador.Die vorgeschriebenen 40 Spa-nisch-Stunden habe ich auchknapp bis zur Hälfte mit Ma-nuel (unserem Lehrer, der im-mer ins Haus kommt) abgear-beitet. Auch ich, der ich michals gänzlich untalentiert be-trachte beim Erlernen einer an-deren Sprache, stelle Fort-schritte fest. Vor allem meinWortschatz hat sich um einigeserweitert. In Sachen Sprechenkommt es mir immer so vor,dass ich meist immer irgendwiein der Lage bin, das zu sagen,was ich sagen will. Das größereProblem liegt darin, dass ich ofteinfach nicht verstehe, wasman von mir will. Um einigesschneller würde ich wohl ler-nen, wenn ich in eine Gastfa-milie umziehen würde – waseventuell in ein paar Monatender Fall sein könnte.Das bringt mich auf die jetzi-

ge Wohnsituation. Mittlerweilesind wir in unserer Wohnungnur noch zu viert: Drei „Zivis“und eine ecuadorianische Stu-dentin (es wird also schon auchein wenig Spanisch gespro-chen). Vor kurzem ist der vierte„Zivi“ ausgezogen, in eine gut-situierte Gastfamilie.Jetzt zur Arbeit. Nachdem

sämtliche Kinder eingetroffenund eingeteilt waren, wurdenauch wir unseren Klassen bzw.Gruppen zugeteilt. Ich arbeiteseitdem in der Gruppe Pre-Ba-sica mit jetzt zwölf Kindernvon 4 Jahren aufwärts. Es sindvier Kinder „especial“ (Kindermit einer Behinderung) in mei-ner Gruppe. Aber dazu späternoch mehr. In meiner Gruppeläuft der Alltag wie folgt ab:Vormittags haben die Kinderregelmäßig unterschiedlichen„Unterricht“, immer für 30 bis

45 Minuten. Mal geht es in denMusikraum, mal ist Computer-unterricht angesagt und malkommt eine Englischlehrerinins Haus und versucht, denKindern Farben und Zahlenbeizubringen (mit unterschied-

lichem Erfolg, wenn man be-denkt, dass hier teilweise nochProbleme mit der eigenen Mut-tersprache bestehen).Vor dem Essen müssen alle

die Hände waschen und dannab in den Speisesaal. Das Essenist bescheiden, auch für ecua-dorianische Verhältnisse: Zu-erst gibt es eine Suppe, danndie Hauptspeise, also Reis mitirgendetwas anderem. Ab-schließend noch Obst oderFruchtsaft. Ab 12.30 Uhr binich, also Tío (Onkel) Florian, al-

lein, denn meine Tía, mit derich im Übrigen glücklicherwei-se sehr gut auskomme, hat jetzteine halbe Stunde Mittagspau-se. Jetzt heißt es streng zu sein,denn in dieser Zeit muss dasEssen beendet werden, und

wenn möglich sollten sich alleKinder die Zähne geputzt ha-ben. Das ist nicht so einfach,denn es handelt sich hier größ-tenteils um sehr langsame Es-ser, welche schnell abgelenktsind. Das hat mich vor allem inder ersten Zeit einiges an Ner-ven gekostet. Jetzt weiß ich, weram langsamsten ist und somitals erstes das Essen bekommt,und habe mir auch schon einwenig Respekt verschafft, sodass es meist klappt. Allerdingshängt das Ganze auch sehr

stark davon ab, was es denn zuessen gibt. Gibt es Fleisch, istdieses meist sehr zäh und ver-längert somit die Kauzeit derKinder um einiges.Um kurz nach 13 Uhr wer-

den bereits zwei der Kindervon ihren El-tern abgeholt,wobei es mirein wenig einschlechtesGewissen be-reitet, wennich noch allei-ne bin, dieKinder sichdie Zähnenoch nicht ge-putzt haben(was nur mitmir geht) undlaut herum-spielen, wäh-rend ich ei-nem Kind ge-rade auf demKlo helfe –nach dem Es-sen „muss“immer bei-nahe dieHälfte derKinder. Dannkommt um ca.13.10 Uhrmeine Tía zu-

rück und ich habe Pause. DerNachmittag verläuft meist ru-hig, mit Basteln oder Malenoder Ähnlichem.Was mir vor allem in der er-

sten Zeit immer schwierig vor-gekommen ist und mir auchjetzt immer noch Problemebreitet, ist: Wie verhalte ichmich vormittags und nachmit-tags am Besten den Kinderngegenüber. Denn sie kapiereneinfach noch nicht das plötzli-che Umschalten auf die Mit-tagspause hin, und ich will

nicht den ganzen Tag strengmit ihnen sein.Jetzt noch kurz etwas über

meine Reisen, die ich bereitsunternommen habe. Das ist jaein absolut wichtiger Teil fürmich. Einerseits als Ausgleichzur Arbeit und andererseits,weil dieses Land einfach der-maßen viel zu bieten hat undman innerhalb kurzer Zeitüberall hinkommt. So war ichbereits in Tena, Canoa, Mindound Baños. Einmal ging es et-was weiter in den Regenwald,einmal an die Pazifikküste undzweimal war es eine Mischungaus Anden und Regenwald.Was ich hierbei erlebt habe:einfach immer wunderschöneNatur, freundliche Menschenund tolle Erlebnisse. Dazumehr in meinen nächsten Be-richten.Noch kurz: Kann es sein,

dass wir Deutsche ein beson-ders reisefreudiges Volk sind?Überall, wo ich bereits war, ha-be ich Deutsche getroffen. Ichmeine, sie sind ja gut für dasLand als Touristen. Auch wennes andere „Freiwillige“ sind,kann man sich immer gut mitihnen unterhalten, denn manhat ja teilweise gleiche Interes-sen. Aber eigentlich will ich jaalleine sein, ohne dass plötzlichjemand an mir vorbei geht undich meine Muttersprache ver-nehme. Aber ich denke, da ver-lange ich wohl zu viel. Wun-dernd, wie klein doch diese„Kugel“ (Erde) ist, auf der wiruns befinden, schüttle ich denKopf und gehe weiter.

Florian Rehrl

Mehr zu dem Ecuador-Projektim Internet unter:www.ecuador- connection.org

Ein Blick in den Essensraum. Ich stehe rechts hinten mit dem gestreiften T-Shirt,mit „meinen“ Kindern und einer Tía (Tante).

DienstimAuslandleistet FlorianRehrl (20) ausWolkersdorf/Kirchanschöring für einJahr in Ecuador. Das Jahrwird als Zivildienst ange-rechnet. Der Dienst läuft inZusammenarbeit mit einerkleinen Organisation ausMünchen namens „EcuadorConnection e.V.“.In einem Kinderdorf inQuito hat der 20-jährigeFlorian einen betreuendenJob übernommen. Florianwird in unregelmäßigenAbständen über seine Ar-beit mit den Kindern be-richten, aber auch über dasLand, die Kultur und überseine Erlebnisse bei denReisen in diesem interes-santen Land.

Ecuador ist eine Republikim Nordwesten Südameri-kas zwischen Kolumbienund Peru und hat 14 Millio-nen Einwohner. 15 Prozentder Bevölkerung leben vonweniger als 1 Dollar amTag. Nur 4,2 Prozent derEcuadorianer nutzen dasInternet. Amtssprache istSpanisch.Quito ist die Hauptstadtvon Ecuador und liegt 20Kilometer südlich desÄquators in einem 2.850Meter hohen Becken derAnden. Sie ist somit nachder bolivianischen Haupt-stadt Sucre die zweit-höchstgelegene Hauptstadtder Welt. Die Altstadt ge-hört zumWeltkulturerbe.

Das Spendenkonto:Sparkasse MünchenStichwort: „Spende an dieEcuador Connection e.V.“BLZ: 701 500 00Konto-Nr.: 85 24