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Freunde aus einem fremden Universum

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Nr. 415Freunde aus einem fremden UniversumSie riskieren alles - denn der Kosmos, den sie durchfliegen, ist absolut tödlich für sie ...von Clark Darlton

Im Solsystem, das seit dem »Tag Laurin« um fünf Minuten in die Zukunft versetzt und dadurch das übrigeUniversum unsichtbar und nicht-existent wurde, schreibt man Mitte Dezember des Jahres 3432.Innerhalb des Solsystems herrscht wieder Ruhe, und der Handel mit dem Planeten Olymp, der über dieZeitschleuse getätigt wird, verläuft planmäßig. Allerdings müssen die Terraner höllisch aufpassen, daß dasGeheimnis vom Weiterleben ihres Sonnensystems gewahrt bleibt - nicht nur gegenüber den Großmächten derantisolaren Koalition und den anderen Machtgruppen der Galaxis, sondern speziell gegenüber Ribald Corello,dem Supermutanten, der die Menschheit abgrundtief haßt und der jede sich bietende Gelegenheit nutzt, umseine Gewaltherrschaft weiter auszudehnen.Aber es gibt noch andere Probleme, mit denen sich Perry Rhodan und seine Getreuen auseinandersetzenmüssen Da sind die Accalauries, die seltsamen Antimateriewesen, die in ihren stark geschützten Raumschiffenscheinbar plan- und ziellos die Galaxis durchfliegen und an vielen Orten Angst und Schrecken verbreiten.Accutron Mspoern, einer dieser Accalaurie-Sternenwanderer, der in Raumnot geraten und von den Terranerngerettet worden war, befindet sich seit einiger Zeit im Solsystem. Er hat unter den Menschen echte Freundegefunden und ist in bester Obhut, bis eines Tages das Unglück geschieht!Unachtsamkeit führt zur Katastrophe, und des Accalauries Leben ist besiegelt - es sei denn, die Terraner findenweitere FREUNDE AUS EINEM FREMDEN UNIVERSUM.

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Der Großadministrator sucht Freunde im Kosmos.Accutron Mspoern - Ein Fremder will sich für die Menschheit opfern.Oberstleutnant Reigon Teipler - Kommandant des Spezialraumers ARNO KALUP.Fabel Gonder - Wartungstechniker auf dem Jupitermond Kalisto.Tschui Tang - Kommandant des Leichten Kreuzers PINIMARA.Captain Akim Brodsal - Der Erste Offizier der PINIMARA schaltet die »Festbeleuchtung« ein.Mitare Shban - Ein mutiger und risikofreudiger Accalaurie.

1.

Dienstag, der 18. Dezember 3432Terra-Normal-Zeit Für Staatsmarschall Reginald

Bull begann dieser Tag nicht ganz sowie jederandere. Als stellvertretender Oberbefehlshaber derRaumflotte und Oberkommandierender derExplorerflotte und der Experimentalkommandosmußte er sich zu seinem Leidwesen meist auf derErde aufhalten, und das auch noch in denausgedehnten und modern eingerichteten Büros desterranischen Hauptquartiers. Von hier aus war es ihmmöglich, jederzeit den direkten Kontakt zu seinenKommandeuren in allen Teilen des Sonnensystemsaufzunehmen.

Die Ereignisse der vergangenen Wochen undMonate wirkten nicht gerade beruhigend auf ihn, undes trug durchaus nicht zu guter Laune bei, als ihmkurz vor der Mittagspause drei Besucher gemeldetwurden, die er unter anderen Umständen sicherliebend gern empfangen und als willkommeneAbwechslung betrachtet hätte.

Die drei letzten überlebenden Mutanten, derMausbiber Gucky, der Teleporter Ras Tschubai und

der Telepath Fellmer Lloyd äußerten den Wunsch;zusammen mit Bully zu Mittag zu speisen.

Reginald Bull nickte dem Mann auf demBildschirm zu.

»Also gut, schicken Sie die drei in mein Büro. Ichhabe noch eine halbe Stunde zu tun.«

Wenig später betraten die drei Mutanten denRaum. Gucky watschelte ohne Umschweife auf einender Konferenzsessel zu und ließ sich darin nieder. Erwinkte Bully gnädig zu und vertiefte sich dann in denAnblick der auf dem runden Tisch verankertenNachrichtengeräte.

Ras Tschubai und Fellmer begrüßten ihren altenFreund Bully durch Handschlag und nahmen auf seinZeichen hin ebenfalls am Konferenztisch Platz.

»Ihr entschuldigt, ich muß noch ein paar Dingeerledigen. Essen wir in der Messe oder irgendwo inTerrania? Ich kenne da ein Lokal ...«

»Wir können auch hier essen«, unterbrach ihnGucky.

»Kannst ja etwas bestellen und bringen lassen.Wenigstens sieht uns hier keiner zu.«

»Seit wann hast du Angst in der Öffentlichkeit zuessen?« erkundigte sich Bully etwas verwundert.

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»Du bist doch sonst nicht so schüchtern.«»Es ist nur wegen Ras. Immer kommt er auf die

Idee, exotische Dinge auszuprobieren, und natürlichblamiert er sich dann, weil er nicht weiß, wie siegegessen werden. Letzte Woche bestellte er sichausgerechnet im >Andromeda-Grill< so ein Stückvon einem toten Tier, dessen Name unaussprechbarist. Was soll ich dir sagen - kaum hat er das Zeugheruntergeschlungen, begann es auch schon zuwirken.«

»Zu wirken?« Bully schien seine restliche Arbeitvergessen zu haben. »Wie soll ich das verstehen?«

Gucky warf dem verlegen grinsenden Ras einenschadenfrohen Blick zu.

»Wahrscheinlich enthielt das Fleisch einen Zusatz,der sich unter Einwirkung der Magensäure sofort inAlkohol verwandelte. Jedenfalls hatte Ras im Verlaufvon zehn Sekunden derart einen sitzen, als hätte erzwei Flaschen Venuswein getrunken. Dabei ist erAntialkoholiker. Ich habe mich fast zu Todegeschämt, als er dem weiblichen Bedienungsroboteraufs Hinterteil klopfte und dafür eine SchüsselKompott in den Schoß geschüttet bekam.«

In Bullys Augen trat ein sentimentaler Schimmermit einer deutlichen Spur von Interesse.

»Kompott?« fragte er. »Was für ein Kompott wardas?«

Fellmer Lloyd begann plötzlich zu lachen, bis ihmdie Tränen kamen. Mit Mühe konnte er Bullyaufklären: »Apfelkompott, Bully. Warum?« Bullyverdrehte die Augen. »Kinder, so etwas gibt es heutenoch? Kein synthetisches Zeug?« Guckys Mienewurde würdevoll und ernst.

»Nicht im Andromeda-Grill, mein Freund. Da istalles echt, sogar das Spülwasser. Und das Dingsda,das Ras gegessen hat.« Er warf einen Blick auf dieDatenuhr an der Wand.» Na, was ist? Bekommen wirbald etwas zu essen?«

Bully sah ihn verblüfft an.»Ich dachte, ihr wolltet mich einladen?«»Geizkragen!« konterte Gucky. »Wir essen hier im

Büro. Und zwar auf deine Kosten. Erledige deinenPapierkram, dann wird bestellt.«

Bully ergab sich in sein Schicksal. Mit einemSeufzer beendete er seine bürokratische Tätigkeit undbat um Übersendung der heutigen Speisekarte. Sieflatterte ihm aus dem Minitransmitter direkt auf denTisch. Er nahm sie und gesellte sich zu den dreiFreunden.

»So, und nun werdet ihr mir endlich verraten, wasihr wirklich hier wollt«,, sagte er und überließ ihnendie Auswahl der Speisefolge. »Ihr seid doch nicht nurzum Essen gekommen.«

»O doch«, behauptete Fellmer ernsthaft. »Es warzwar Guckys Idee, aber es steckt keine besondereAbsicht dahinter. Ehrlich gesagt, wir haben ein wenig

unter Langeweile zu leiden in letzter Zeit.«»So, und da bin ich gerade recht?« knurrte Bully

verdrossen. »Und das soll ich glauben?« Er schüttelteden Kopf. »Langeweile ...! Und das, obwohl dieSonne jeden Augenblick zur Nova werden kann. Ihrhabt vielleicht Nerven! Wohl noch nie etwas von derLangzeitwaffe gehört, was?«

»Auch darüber wollten wir mit dir sprechen«,gestand Gucky, als sie das Essen ausgewählt undbestellt hatten. »Da haben vor ungefährzweihunderttausend Jahren so ein paar Heinis ausdem Weltraum einen Todessatelliten auf eineUmlaufbahn um die Sonne gesetzt, und nun beginntdas Ding zu wirken und die Sonne aufzuheizen.; Wassoll das? Warum fanden wir noch nicht heraus,warum sie das taten? Passierte denn überhaupt nichtsin dieser Richtung?«

»Die SUN DRAGON hat es ja versucht«, erinnerteihn Bully. »Aber sie konnte nichts gegen dieTodesspindel ausrichten. Sie kreist noch immer umdie Sonne. Uns wird schon etwas einfallen, hoffeich.«

»Ich auch«, eröffnete ihm der Mausbiber. »Undzwar recht bald. Wir haben die Sonne mit in dieZukunft genommen, und damit auch die tödlicheGefahr. Von einer Evakuierung des Sonnensystemshalte ich nicht viel. Aber wir sollten versuchen, denverdammten Satelliten unschädlich zu machen, undzwar so schnell wie möglich.«

»Sage das Perry«, riet ihm Bully ärgerlich.»Werde ich auch, sobald ich Gelegenheit dazu

erhalte. Wo steckt er überhaupt?«»Auf der ARNO KALUP, einem Schwesterschiff

der ROLIN. Ich nehme an, er tut dort genau das, wasdu von ihm verlangen wolltest. Das Spezialschiffumläuft die Sonne und stellt Untersuchungen an. AnBord befindet sich auch Accutron Mspoern, derAccalaurie.«

»Hoffentlich im Maverick-Cape«, murmelteGucky beunruhigt. »Sonst fliegt der Kahn in dieLuft.«

»Wozu haben wir denn das Ynkelonium?«erinnerte ihn Ras. »Ein dünner Überzug davongenügt, um jede Materie vor einer direktenBerührung mit Antimaterie zu bewahren. Selbst derAccalaurie kann sich gefahrlos auf unseren Weltenbewegen, wenn er sein Maverick-Cape trägt. Ist nurschade; daß wir noch keine Methode entwickelthaben, Anti-Sauerstoff herzustellen. Zum Glückreichen seine mitgebrachten Vorräte noch eineWeile.«

Die Vorräte lagerten auf Kalisto, dem fünftenJupitermond. Dort hatten terranische Techniker eineWohnkuppel für Accutron errichtet, in der er sichohne Schutzanzug aufhalten und sogar Besucheempfangen konnte. Nahrung und-Sauerstoff, beides

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anti-materiell, waren aus dem Rettungsboot in dieWohnkuppel gebracht worden.

Das Essen wurde serviert. Lautlos verschwand derBedienungsroboter wieder, nachdem er auch dieGetränke abgestellt hatte. Die Tür schloß sich hinterihm.

»Dieser sogenannte Todessatellit«, quetschte Raszwischen zwei Bissen hervor, »was soll dereigentlich? Warum wollen die Fremden, daß dieSonne nach zweihunderttausend Jahren plötzlich zurNova wird? Was haben sie davon?«

Bully kaute und gab keine Antwort.»Woher soll der Staatsmarschall das wissen?«

hetzte Gucky.Bully schluckte den Bissen halbzerkaut hinunter.»Ich weiß es natürlich nicht, niemand weiß es.

Aber man kann ja Vermutungen anstellen. Doch wasnützen die? Nichts, rein gar nichts. Wichtig ist, denSatelliten mit der Todesmaschinerie zu vernichten.Damit wäre die Gefahr beseitigt. Und damit basta!«

Er schob ein Stück Fleisch in den Mund undbekundete damit, daß er in den nächsten zweiMinuten beschäftigt war und nicht mehr redenkonnte.

»Der Accalaurie wird uns helfen«, vermuteteFellmer hoffnungsfreudig. »Er hat die Fähigkeitenund die Mittel dazu. Ein uns völlig fremdes Wesen,aus Antimaterie, von - Natur aus ein Feind, und zwarein tödlicher Feind; entpuppt sich als Freund. Werhätte das gedacht?«

»Der gute Wille allein ersetzt noch nicht die Tat«,dozierte Gucky feierlich und fügte hinzu: »Aber duhast recht, Fellmer. Dieser Accutron ist ein feinerKerl, wenn ich mich auch hüten werde, ihm ohneMaverickCape die Hand zu schütteln. Ein Glück, daßman die Übersetzungsgeräte so absichern kann, daßsie zum Übersetzen benutzt werden können. So isteine Unterhaltung mit ihm möglich. Viel haben wir janoch nicht erfahren können, so zum Beispiel: Waswollen sie eigentlich in unserer Galaxis, die doch inihren Augen aus Antimaterie bestehen muß? Und diezweite Frage: Woher kommen sie?«

»Du brauchst mich gar nicht so anzusehen«,murmelte Bully und legte sich eine neue PortionFleisch zurecht. »Ich habe keine Ahnung. Und wennich eine hätte, würde ich den Mund halten.«

Ras beugte sich vor.»Eine andere Frage, wenn wir schon mal so

ungestört beisammen sind: Was macht LordZwiebus, unser Neandertaler?«

Bully kaute in aller Ruhe fertig, dann berichtete er.»Die Ausstrahlungen des seltsamen Satelliten, der

in größter Nähe und mit höchster Geschwindigkeitdie Sonne umläuft, haben ihm arg zugesetzt. Mankönnte sagen, er hat den Verstand verloren.«

»Viel hatte er ja nie«, bemerkte Gucky sarkastisch.

»Genug«, belehrte ihn Bully vorwurfsvoll.»Jedenfalls hat er das Sprechen wieder verlernt, dasdu ihm so mühevoll beibrachtest - was nichtunbedingt als Unglück zu bewerten sein dürfte, wennman deinen Sprachschatz bedenkt. Immerhin ließRhodan ihn durch Atlan zu dem Medizinplaneten derUSO, Tahun bringen. Dort traf er inzwischenwohlbehalten ein. Mehr kann ich euch leider dazuauch nicht mitteilen.«

Eine Weile aßen sie schweigsam und hingen ihreneigenen Gedanken nach. Natürlich hatten die dreiMutanten insgeheim gehofft, doch etwas von Bullyerfahren, zu können. Seit Tagen hockten sie untätigin ihren Wohnungen herum, denn Rhodan hatte ihnenverboten, an der gefährlichen Sonnenexpeditionteilzunehmen, die er diesmal mit der KALUP plante.

Und Warten war genau das, was die drei nichtvertragen konnten. »Wir sollten uns pensionierenlassen«, meckerte Gucky, schob den Teller zurückund griff nach dem Glas Fruchtsaft. »Dann könnenwir wenigstens tun, was wir wollen. Mir hängt derGohshunsee bald zum Hals heraus.«

Ras legte ihm die Hand auf den Arm.»Rede keinen Unsinn, Kleiner. Du liebst deinen

Bungalow und den See. Dir geht nur die Ungewißheitauf die Nerven, das ist alles. Warten wir noch einpaar Tage. Ich bin davon überzeugt, daß sich baldeiniges tun wird. Und dann wirst du dich nach deinenGemüsebeeten im Garten des Bungalowszurücksehnen: Wollen wir wetten?«

Gucky sah auf den Kalender. »Nächste WocheMontag ist Weihnachten - Kinder, ein ganz langesWochenende. Fünf Tage insgesamt!« Er schüttelteden Kopf. »Nein, du hast recht, Ras. Die Feiertagemöchte ich am See verbringen, in aller Ruhe undGemütlichkeit. Ist schon besser, bis dahin passiertnichts.«

Bully nickte befriedigt.»Na also, warum nicht gleich so? Immer diese

Ungeduld der Jugend! Dabeihast du bald anderthalbJahrtausende auf dem Buckel.«

»Man ist immer so alt, wie man sich fühlt«,erwiderte Gucky spitz.

»Ja, ist man«, gab Fellmer ihm recht und schütteteein Glas Wein in sich hinein. »Von der Venus?«

Ras sah ihn verwundert an. »Wer?«»Der Wein«, klärte Fellmer ihn gutmütig auf.Sie blieben noch eine Weile zusammen, aber dann

erklärte Bully kategorisch, daß er noch zu arbeitenhabe und seine wertvolle Zeit nicht mit Faulenzernvertun könne. Er versprach jedoch, sie sofort zubenachrichtigen, wenn etwas geschehen würde, wassie interessieren könnte.

Das schien den drei Mutanten zwar sehr vageausgedrückt, aber sie mußten sich damit zufriedengeben. Sie beschlossen, den Rest des Tages bei

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Gucky zu verbringen.Vielleicht würden sie sogar noch etwas segeln ...

2.

Mittwoch, der 19. Dezember 3432Terra-Normal-Zeit Als fünfter Mond umkreiste

Kalisto den Riesenplaneten Jupiter. EineSpezialgruppe des Solaren Experimentalkommandos,das direkt Reginald Bull unterstand, hatte dieAufgabe erhalten, sich um den Wohnsitz desAccalauries Accutron Mspoern zu kümmern. ImGrunde genommen bildete dieser Wohnsitz eineGefahr für seine Umgebung, denn zumindest diegelagerten Lebensmittelvorräte und dasAtemgemisch des Accalauries bestand ausAntimaterie, auch sein kleines Raumschiff.

Die doppelte Absicherung bestand aus einemÜberzug von Ynkelonium und einer mit Heliumgasgefüllten Energiekuppel, unter der das Haus und dasRaumschiff standen.

Das Element Ynkelonium wurde auf dem PlanetenMaverick gefunden, 10 219 Lichtjahre von der Erdeentfernt. Es war ein überperiodisches Element, dasnur unter dem ständigen Einfluß hohen Druckes undeiner hohen Schwerkraft entstehen konnte. DieSpezialbezeichnung lautete: »Periodischüberwertiges Hochdruckthermo-Element von großerStabilität.«

Es hatte sich herausgestellt, daß dieses Element inForm eines hauchdünnen Überzugs genügte, Materieund Antimaterie an einer explosionsartigenVereinigung zu hindern. Es wirkte neutralisierendund isolierend.

Die Heliumatmosphäre wiederum, die denWohnsitz innerhalb der Energiekuppel einhüllte,bewirkte eine zusätzliche Isolierung, denn bisher wardas Element Helium weder im Körper Accutronsnoch in seinen mitgebrachten Vorräten festgestelltworden, und nur Elemente mit der gleichenOrdnungszahl reagierten heftig beim Kontakt mitAntimaterie.

Trotzdem gab es noch einen drittenSicherheitsfaktor:

Der nächste Stützpunkt desExperimentalkommandos befand sich zweihundertKilometer vom Wohnsitz Accutrons entfernt.

Das war auch der Grund, warum der TechnikerFabel Gonder sich mit einem Gleiter zu seinerArbeitsstätte begeben mußte. Von seinemKommandanten hatte er den Befehl erhalten, dieroutinemäßig angesetzte Überprüfung des atomarenReaktors für die aus Antisauerstoff bestehdndeAtemluft des Accalauries durchzuführen.

Techniker Gonder steuerte den Gleiter selbst, undzweihundert Kilometer bedeuteten keine Entfernung.

Richtig betrachtet, war der Flug sogar eineAbwechslung, denn Kalisto war nicht mehr deratmosphärelose Mond, der er einst gewesen war. Einkünstliches Schwerefeld hielt eine atembareAtmosphäre und ermöglichte sogar einenbescheidenen Pflanzenwuchs an den geeignetenStellen. Künstliche Atomsonnen sorgten fürerträgliche Temperaturen, denn die Sonne war zuweit entfernt, um merkbare Wärme zu spenden. Undauch Jupiter, achtzehn Millionen Kilometer entfernt,gab nicht genug Licht.

Gonder überquerte tiefe Spalten und Schluchten.Dann kamen Gebirge und weite Ebenen, auf denenBuschwälder ihr kärgliches Dasein fristeten. DerMensch fühlte sich erst dann auf einer Welt wohl,wenn es eine Vegetation dort gab. Und war sie nichtvorhanden, so schuf er sie sich.

Weit vor ihm kam die flimmernde Energiekuppelin Sicht. Er verlangsamte den Flug.

Als er hinauf in den Himmel sah, vermißte erwieder die Sterne. Seit das Sonnensystem durch dasZeitfeld ständig fünf Minuten in der Zukunft gehaltenwurde, um eine Eritdek kung zu verhindern, gab eskeine Sterne mehr am Nachthimmel, nur noch dasrötliche Leuchten des Hyperraumes. Lediglich dieSonne und die Planeten waren zu sehen, wenn siegerade auf der richtigen Seite standen.

Gonder landete unweit der Energiekuppel undschaltete den Antrieb aus. Er schloß schon jetzt denHelm und stellte die Atemluftzufuhr ein. Das war ansich auf Kalisto nicht notwendig, wohl aber inwenigen Minuten, sobald er die Kuppel mit demHeliumgas betrat. Selbstverständlich war sein Anzugmit einem hauchfeinen Überzug aus Ynkelonium,dem sogenannten Maverick-Cape, versehen, der ihnvor der Antimaterie schützte.

Er betätigte die Automatik der äußeren Schleuse,als er vor dem Energieschirm stand. Sie verhindertedas Entweichen der Heliumatmosphäre. Wenig späterbetrat er das Haus und glitt mit dem eingebauten Lifthinab in die Kellerräume tief unter der Oberflächevon Kalisto.

Hier befanden sich die technischen Anlagen, derenKontrolle ihm oblag. Eine völlig überflüssigeKontrolle, seiner Meinung nach, aber Befehl bliebBefehl. Alles hier unten war vollautomatisiert undlief bisher reibungslos. Was sollte schon passieren,wenn Roboter, zuverlässiger als Menschen - undnatürlich ebenfalls mit einem Überzug ausYnkelonium versehen - hier nach dem Rechten sahenund jeden technischen Fehler sofort bemerkten undbehoben ...?

Gonder trug einen normalen Schutzanzug. DieFlasche mit der Atemluft hing auf seinem Rücken.Ein Schlauch stellte die Verbindung zum Helm her.Die Ausrüstung gehörte, nicht unbedingt zu den

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modernsten ihrer Art, aber auf Kalisto war das auchbisher nicht notwendig gewesen. Die Umwelt waralles andere als lebensfeindlich.

Zum Schutz gegen Antimaterie waren auch dieAtemluftdruckflasche und der Schlauch mitYnkelonium überzogen worden.

Es gab innerhalb der Kuppel nichts, was nichtderart geschützt gewesen wäre.

Gonder pausierte, als er die Schalthalle erreichte.Ein Blick auf die Kontrollinstrumente überzeugte ihndavon, daß alles in bester Ordnung war. Er hatte esnicht anders erwartet.

Er sah auf seine Uhr. Noch Zeit genug. Vielleichtsollte er jetzt seinen Bericht durchgeben. MajorDuncan wartete sicher schon darauf.

Die Verbindung kam zustande und Gondermeldete, daß mit der Anlage alles in Ordnung sei.Am anderen Ende war sein Freund und Kollege DartMoore.

»Danke, Fabel. Hier auch alles klar. TafleDrei-D-Sendung von Terra läuft gerade. Wenn dudich beeilst, kannst du den Schluß noch sehen,«»Was ist es denn?«

»Na, was schon? Mädchen, sage ich dir, großeKlasse.«

»Soll sie der Teufel holen!« fluchte Gonder undzog wieder die Uhr zu Rate. »Ich kann noch nichtden Rückflug antreten. Zu früh. Zeichne mir denQuatsch doch einfach auf, dann sehe ich ihn mirspäter an.«

»Geht nicht, das Gerät ist besetzt. Für wichtigeMeldungen.«

»Mist!« Gonder hätte beinahe noch ein ordinäresWort gebraucht. »Also gut, dann laß die Puppentanzen und erzähle mir später, wie sie waren.Übrigens werde ich in acht Wochen abgelöst. Dannschicke ich dir eine Karte aus Miami.«

Dart Moore lachte schadenfroh. »Dann mußt dudich aber beeilen, ich werde früher abgelöst, in sechsWochen. Vielleicht treffen wir uns irgendwo.«

Gonder fluchte abermals und schaltete ab.Langsam stand er auf und trat den Rückzug zur

Oberfläche an. Er achtete dabei nicht auf dieLeitungssysteme, die provisorisch angelegt wordenwaren. Es hatte alles sehr schnell gehen müssen,wollte man den geretteten Accalaurie am Lebenerhalten und ihm seine unfreiwillige Gefangenschaftin einer Welt aus feindlicher Materie so angenehmwie möglich machen.

Gonders Atemschlauch blieb an einerhervorstehenden Leitung hängen und wurdebeschädigt.

Der Sauerstoff strömte aus. Gonder bemerkte esnicht, aber auch dann, wenn er es bemerkt hätte, wärejede Hilfe für ihn zu spät gekommen.

Der Sauerstoff strömte nur langsam aus dem

Schlauch, und es dauerte etliche Sekunden, ehe erKontakt mit dem Antisauerstoff der vorhandenenAccalaurie-Atemluft erhielt. Wäre Gonder dasMißgeschick außerhalb des Hauses in derHeliumatmosphäre der Kuppel zugestoßen, so hättensich keinerlei Konsequenzen daraus ergeben.

Der Austausch der gegensätzlichen Partikelnwurde mit einer schwachen Explosion eingeleitet, dieFabel Gonder gegen eine Kontrolltafel schleuderte.Dabei riß der Atemschlauch vollends ab, und diesmalwurde der gesamte Sauerstoffvorrat abrupt frei.

Die Detonation war verheerend. In Wirklichkeithandelte es sich um eine regelrechte Kettenreaktion,denn die zweite Explosion zerstörte sowohl amSchutzanzug wie auch an den meisten Geräten imKeller das Maverick-Cape. Die dünneYnkeloniumschicht wurde abgerissen undabgeschmolzen. Eisen kam mit Antieisen in Kontakt,organische Verbindung wie Eiweiß mit Antieiweiß.

Das alles erlebte Fabel Gonder schon nicht mehr.Die zweite Explosion tötete ihn auf der Stelle. Er

selbst bot den direkten Anlaß zu dieser Explosion,denn auch sein Körper bestand aus Elementen, die inAntiform reichlich in dem Haus vorhanden waren.

Ein Atompilz kletterte langsam in die künstlichgehaltene Atmosphäre Kalistos empor, ehe er sich ineine ausgeglühte Wolke verwandelte, die allmählichverwehte und sich dabei ausbreitete. Unter ihr bliebein Krater zurück, der sich mit glutflüssigem Gesteinfüllte.

Das Haus des Accalauries existierte nicht mehr.Und mit ihm wurden auch die lebensnotwendigen

Vorräte aus Antimaterie vernichtet.

*

Zweihundert Kilometer entfernt registrierten dieempfindlichen Aufzeichengeräte des, Stützpunktesdie Schockwelle. Dart Moore, der immer noch seinenDienst versah, gab sofort Alarm. Eine Explosion aufKalisto war genauso ungewöhnlich wie einErdbeben.

Zwanzig Minuten später wußte Major Duncan,was geschehen war, Wenn er sich dieZusammenhänge auch nur in etwa zusammenreimenkonnte. Fest stand jedenfalls, daß Accutron MspoernsHeim zerstört worden war, und daß er, MajorDuncan, die Verantwortung für das Unglück zutragen hatte.

Der Gleiter glitt am Rand des riesigen Kratersvorbei, auf dessen Grund noch immer die flüssigeLava brodelte. Es bestand keine Hoffnung, auch nurein einziges Gramm Antimaterie zu retten. Duncanhatte keine Ahnung, wieviel Vorrat an Antisauerstoffder Accalaurie in seinem Raumanzug noch bei sichführte, aber sehr lange konnte er bestimmt nicht

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reichen.Und niemand kannte eine Möglichkeit,

Antisauerstoff herzustellen. Major Duncan ließ denGleiter wenden und flog zum Stützpunkt zurück.

Er sah auf die Uhr.Gleich Mitternacht Terrazeit.Vor ihm lag die schwere Aufgabe, Rhodan von

dem Ereignis Meldung zu erstatten.Er wünschte sich in diesem Augenblick, nie

geboren worden zu sein ...

3.

Donnerstag, der 20. Dezember 3432Terra-Normal-Zeit Äußerlich unterschied sich die

ARNO KALUP nicht von ihrem SchwesterschiffROLIN. Auch im Innern waren die gleichenUmbauten vorgenommen worden. Auf der Zelleeines fünfhundert Meter durchmessendenSchlachtkreuzers hatten die Techniker eineSpezialeinheit aufgebaut, die dazu ausersehen war,ersten Kontakt mit den antimateriellen Intelligenzenaufzunehmen. Die Hauptschleuse bestand aus reinemYnkelonium, und jeder Gegenstand, der in das Schiffgelangte, konnte in einem flüssigen Bad ausYnkelonium mit einer entsprechenden Schutzschichtüberzogen werden.

So auch ein Accalaurie, der damit gegen normaleMaterie abgesichert wurde und keine Gefahr mehrlief, zu explodieren.

Perry Rhodan hatte einige Stunden geschlafen, alsihn der Kommandant des Schiffes über Interkomwecken ließ. Rhodan wußte, daß der Oberstleutnantdas niemals gewagt hätte, wenn keine gewichtigenGründe vorlägen.

Es war kurz nach Mitternacht. Erdzeit natürlich.Hier an Bord spielte das keine Rolle, wenn dieRuhepausen auch im Rhythmus der Erdrotationeingehalten wurden.

Rhodan kleidete sich an und ließ sich von denLiften und Gleitbändern in die Kommandozentralebringen. Dort erwartete ihn Oberstleutnant ReigonTeipler mit ernstem Gesicht. Der dunkelhaarige unddrahtige Mann mit dem ausgeglichenen Gemütschien sich in Sorge zu befinden.

»Gut, daß Sie kommen. Es ist etwas geschehen.«Rhodan setzte sich.»Dachte ich mir, Teipler. Und was?«Der Kommandant holte tief Luft. »Die

Wohnkuppel des Accalauries wurde zerstört.«Rhodan blieb ganz ruhig sitzen, aber sein Gesicht

wurde zu einer steinernen Maske. InSekundenschnelle begriff er, was diese Meldung zubedeuten hatte. Mit dem ersten echten Kontakt, dendie Menschen mit einem Accalaurie hattenvornehmen können, war eine neue Entwicklung

eingeleitet worden. Zwei Intelligenzarten, von Grundauf verschieden und ohne geringste gemeinsameExistenzgrundlage, hatten versucht, sich gegenseitigihren guten Willen zu beweisen. Der Antimateriellehatte den Menschen geholfen, nachdem diese ihmdurch seine Rettung gezeigt hatten, wieviel ihnen an,einer freundschaftlichen Kontaktaufnahme ohneBedingungen lag. Accutron Mspoern hatte Vertrauengefaßt und die Bemühungen seiner neuen Freunde,ihm den Aufenthalt in der physisch feindlichenUmwelt zu erleichtern, anerkennen müssen. Er hattesich revanchiert, indem er ihnen den Weg zu demTodessatelliten aus der Vergangenheit zeigte.

Nun stand der zweite und entscheidende Vorstoßin dieser Richtung bevor.

Und nun passierte das! »Wie war das möglich?«Der Kommandant deutete zum Bildschirm.»Die Meldung stammt von Major Duncan,

Experimentalkommando Kalisto. Einer seinerMänner kontrollierte die technischen Anlagen derWohnkuppel. Was wirklich geschah, weiß niemandund wird wohl niemand je erfahren. Es gab eineatomare Explosion. Auch das kleine Raumschiff desAccalauries wurde dabei restlos zerstört.«

Rhodan nickte.»Und mit ihm die letzten Reserven an

Antisauerstoff. Damit ist Accutron Mspoern verloren,wenn wir keinen Ausweg finden. Sein Schutzanzugverfügt natürlich über eine Regenerierungsanlage,aber soweit ich informiert bin, ist sie lediglich in derLage, für acht weitere Tage Antisauerstoff zuproduzieren. Dann ist es aus damit. Wir haben alsoacht Tage, um uns etwas einfallen zu lassen.« Er sahden Kommandanten fest an. »Geben Sie mir eineDirektverbindung mit Terrania, technischesVersuchslabor. Legen Sie das Gespräch in meineKabine und sorgen Sie dafür, daß alleNebenleitungen abgeschaltet werden. Ich kommespäter zu Ihnen zurück.«

Ohne die Antwort des Kommandanten abzuwarten,ging Rhodan in seine Kabine und setzte sich. Erstützte den Kopf in die Hände und versuchte, füreinige Sekunden völlig abzuschalten. Die Nachrichtvon Kalisto war ein Schlag, den er nicht so schnellverwinden konnte. Sie war schlimmer als eineverlorene Raumschlacht.

Das seltsame Wesen, der Accalaurie, bedeutete fürRhodan eine Art Botschafter, und noch weit mehr alsnur das. Von ihm würde es vielleicht abhängen, obzwei mächtige galaktische Völker eines TagesFreunde oder erbitterte Todfeinde sein würden.Rhodan hätte es kaum zu definieren vermocht, aberer hatte das merkwürdige Intelligenzwesen bereits insein Herz geschlossen.

Er wußte jetzt nicht, wie er ihm die schlechteNachricht übermitteln sollte, die einem Todesurteil

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gleichkam. Doch bevor er das tat, wollte er hören,was die Wissenschaftler ihm zu sagen hatten.Vielleicht hatten ih re Versuche schon ein Ergebnisgezeigt. Vielleicht bestand Hoffnung, baldAntisauerstoff künstlich herzustellen: Das wäre dieRettung für den Accalaurie gewesen.

Der Interkom summte.Das Gespräch von Terrania. Rhodan kannte den

Mann persönlich, dessen Gesicht auf dem Bildschirmerschien. Ohne Einleitung fragte er ihn nach demStand der Dinge in den Labors.

Der Wissenschaftler schüttelte den Kopf.»Wir sind noch keinen Schritt weitergekommen,

Sir, tut mir leid. Selbst der Versuch, die atomarenTeilchen natürlichen Sauerstoffs umzupolen,scheiterte an spontanen Zerfallsreaktionen. Sicher istes möglich, Antisauerstoff herzustellen, aber seineLebensdauer beträgt nur den Bruchteil einerSekunde. Wenn es uns gelingen sollte, den Zerfall zukontrollieren und damit aufzuhalten, wären wir einenguten Schritt weiter.«

»Keine Aussicht?«»Vorerst noch nicht, Sir. Vielleicht in Wochen

oder Monaten, aber auch das ist unsicher.«Rhodan nickte ausdruckslos. »Danke, Derfinger.

Ich setze mich später noch einfinal mit Ihnen inVerbindung. Arbeiten Sie weiter, noch intensiver alsbisher. Es ist wichtig. Lebenswichtig, Derfinger.«

»Sie können sich auf uns verlassen, Sir.«Als der Bildschirm dunkel wurde, blieb Rhodan

noch einige Minuten bewegungslos sitzen. Ihmblieben acht Tage, acht kurze Tage, und kein Tagmehr. Er hatte keine andere Wahl, als das demAccalaurie mitzuteilen.

Vielleicht wußte Accutron Mspoern einenAusweg.

Rhodan bat den Kommandanten, Accutron zu ihmbringen zu lassen. Er wollte mit ihm allein sprechen,ohne Zeugen.

Dann schloß er die Augen und wartete.

*

Accutron Mspoern besaß Einen kugelförmigenKörper und war etwa anderthalb Meter groß. Diebeiden Laufbeine saßen an der Seite des Körpers,hinten war das dritte Stützbein. Die beiden langenArme endeten in feingliedrigen Händen mit je fünfFingern. Der Kopf wirkte wie eine Halbkugel, weil ermit der unteren Hälfte in der Schulterpartieeingebettet lag. Vier Augen ermöglichten es demAccalaurie, nach allen Seiten zugleich zu sehen.

Als Accutron von den Terranern gerettet wurde,befand sich in seiner Begleitung ein seltsamerRoboter, der in seinem Aussehen an eine bauchigeFlasche mit dünnem Hals erinnerte. Es stellte sich

später heraus, daß dieser Roboter eine Art Hofnarrwar, der seinen Herrn auf Schritt und Tritt begleiteteund ihm in Notfällen psychischen Beistand leistete.Lobbyhuvos, so lautete sein Name, war unbewaffnetund absolut harmlos.

Er betrat Rhodans Kabine zusammen mitAccutron.

Für eine Sekunde mußte Rhodan daran denken,was geschehen würde, wenn der Überzug ausYnkelonium an einer einzigen Stelle nicht starkgenug war. Die Explosion würde die KALUP atomarvernichten.

Accutron und sein Roboter waren lebendeAtombomben.

»Sie wollen mich sprechen?« fragte der Accalaurieüber den Translator und gab seinem Roboter einenWink, sich ruhig in der Ecke des Raumesaufzustellen. »Ich stehe Ihnen selbstverständlichwieder zur Verfügung, wenn Sie erneut Ihre Sonneanfliegen. Und ich glaube, daß wir auch einen Wegfinden werden, den gefährlichen Todessatellitenunschädlich zu machen.«

Rhodan bat seinen Gast, Platz zu nehmen. Als dasgeschehen war, sagte er:

»Wir haben beide festgestellt, daß grundsätzlichverschiedene Lebewesen sehr wohl freundschaftlicheKontakte unterhalten können, Accutron. Wir könnenuns gegenseitig bei der Lösung unserer Problemebehilflich sein. Ich muß gestehen, daß wir schonheute tief in Ihrer Schuld stehen. Um so schwererfällt es mir, Ihnen eine schlechte Nachrichtübermitteln zu müssen. Es tut mir leid, Accutron.«

»Sprechen Sie, ich bin auf alles gefaßt. Haben Siewieder einen Zusammenstoß mit Angehörigenmeines Volkes gehabt?«

»Schlimmer, Accutron, denn es betrifft Siepersönlich. Ein Unglücksfall zerstörte IhreWohnkuppel auf dem Jupitermond. Auch Ihr Schiffund damit Ihre Sauerstoffvorräte fielen derKatastrophe zum Opfer. Es ist uns bis heute nochnicht gelungen, Antisauerstoff herzustellen. Siewissen, was das bedeutet.«

Der Accalaurie blieb ruhig sitzen. Ihm war keineGemütsbewegung anzumerken. Mit zwei Augen saher Rhodan starr an.

»Es bedeutet, daß ich innerhalb dieser Frist einenneuen Vorrat an Atemluft erhalten muß, wenn ichnicht sterben will. Es bedeutet aber auch, daß wirversuchen müssen, Kontakt mit Schiffen meinesVolkes aufzunehmen. Und diese Frist beträgt achtTage Ihrer Zeit? Das ist nicht viel.«

»Es ist sehr wenig«, bestätigte Rhodan ernst. »DieAuffrischungsanlage in Ihrem Raumanzug arbeitetacht Tage, und auch das nur, weil Sie einenentsprechenden Vorrat an Antisauerstoff bei sichführen, der wieder erneuert werden kann. Was also

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Page 9: Freunde aus einem fremden Universum

schlagen Sie vor?«Der Accalaurie schien es nicht so, eilig zu haben.»Wie konnte das auf Kalisto geschehen? War es

wirklich nur ein Unglücksfall?«»Dafür kann ich garantieren, Accutron. Die

Männer dort sind absolut zuverlässig. Vielleicht wareiner von ihnen ein wenig leichtsinnig oder eben nurunvorsichtig. Wenn die Atemmaske undicht war, undwenn Sauerstoff in Ihre eigene Atmosphäre gelangte,mußte es zu einer Reaktion kommen. Wir werden nieerfahren, wie es wirklich geschah, denn der Mann isttot.«

»Ich glaube Ihnen«, sagte der Accalaurie einfach.»Ich glaube Ihnen auch, daß Ihre Sorge echt ist. Unsverbinden ähnliche Gefühle. Bevor wirweitersprechen und nach einer Lösung suchen, mußich Ihnen etwas mitteilen.«

»Ja?«Der Accalaurie zögerte eine Sekunde, dann sagte

er:»Ich habe das Geheimnis Ihres Sonnensystems

entdeckt und weiß, daß es von einem Zeitfeldumschlossen und damit für Lebewesen der normalenExistenzebene unentdeckt bar geworden ist. Ich weiß,daß Sie ständig um fünf Minuten in die Zukunftversetzt sind.«

Rhodan sah ihn forschend an. »Und wie konntenSie das herausfinden?«

»Es war nicht schwer. Vergessen Sie nicht, daß ichein Wissenschaftler und Techniker meines Volkesbin. Das dunkelrote Flimmern an der Grenze desZeitschirms und das Fehlen der Sterne gaben mir denentscheidenden Hinweis. Aber ich glaube, Sie habendas bereits gewußt. Trotzdem bemühten Sie sichimmer um mich, und ich weiß, daß Sie michtrotzdem freigelassen hätten, wenn sich dazu dieGelegenheit geboten hätte. Irre ich mich?«

»Natürlich nicht, Accutron, wenn ich auchhinsichtlich unserer Forschungen auf Sie und IhrWissen angewiesen bin. Ohne Sie hätten wir denTodessatelliten wahrscheinlich niemals entdeckt. Ichbin Ihnen also zu großem Dank verpflichtet. Um somehr bedauere ich nun das, was geschehen ist. Wirmüssen an Ihre Rettung denken. Eine einfacheLösung wäre, Kontakt mit Ihren Leutenaufzunehmen.«

»Wie wollen Sie die Accalauries davonüberzeugen, daß eine Kontaktaufnahme für beideSeiten ungefährlich ist?«

»Das weiß ich noch nicht.«»Sie werden es auch niemals wissen, denn es gibt

nicht einen einzigen Kommandanten unseres Volkes,der es wagen würde, freiwillig mit Ihnen oder einemanderen Wesen dieser Galaxis direkte Verbindungaufzunehmen. Es hat schon zuviele Mißverständnisseund Tote gegeben.«

Rhodan schüttelte den Kopf. »Trotzdem muß esversucht werden, und auch Sie können mich nichtdavon abhalten. Es geht um Ihr Leben, und nicht nurdas. Es geht um die friedliche Zukunft unserer beidenVölker.« Rhodan sah den Accalaurie plötzlich mitneuem Interesse an. »Zum ersten Male haben Sieeben indirekt zugegeben, daß Sie nicht aus dieserGalaxis stammen, Accutron.« »Habe ich das?«

»Ja. Sie sagten, daß Ihre Leute keinen Kontakt zuden Intelligenzen dieser Galaxis aufnehmen würden.«

»Das stimmt. Aber ich hätte noch hinzufügenmüssen: zu keinen Intelligenzen aller Galaxien, dieSie kennen oder erblicken können.«

Rhodan stockte der Atem. Er beugte sich einwenig vor und bemühte sich, ruhig zu bleiben.

»Was soll das heißen, Accutron? Ich glaube, wirsollten nun keine Geheimnisse mehr voreinanderhaben. Sie wissen alles über uns, aber wir wissennichts über Sie und Ihr Volk. Von wo kommen Sie?«

»Sie würden es doch nicht verstehen, aber ich willtrotzdem versuchen, es Ihnen zu erklären. - Siehaben, recht: Wir sollten Vertrauen haben, viel mehrVertrauen. Sie haben immer vermutet, und das weißich genau, daß wir, die Accalauries, aus eineranderen Galaxis kommen. Natürlich tun wir auchdas, aber wesentlich ist, daß wir auch aus einemanderen Universum stammen, aus einem in IhrenAugen antimateriellen Universum. Dieses ganzeUniversum -- so groß wie das Ihre, ist aus dieserIhnen feindlichen Materie aufgebaut. UnsereForscher fanden einen Weg, die Grenzen zwischenden beiden Universen zu überwinden. So gelangtenwir hierher. Das ist alles.« Rhodan schwieg. DieNeuigkeit kam für ihn so überraschend, daß er imAugenblick keiner Antwort fähig war. Ein anderesUniversum aus Antimaterie ...! Das war mehr, als ersich jemals hatte vorstellen können. Aber selbst wennes dieses andere Universum gab, woraus mußte dieGrenze bestehen, die eine direkte Verbindungverhinderte? Denn wenn diese beiden Universenjemals Kontakt erhielten, mußte es das Ende fürbeide sein. Und damit das Ende des Lebensüberhaupt. Eine Explosion von unvorstellbarenAusmaßen würde alles vernichten, was es je gegebenhatte.

Warum hatten die Accalauries diese gefährlicheGrenze überschritten? War es wirklich nur der Drangdes Forschens gewesen, die intelligente Neugierde,die Sucht nach Wissen?

Oder steckte eine bestimmte Absicht dahinter,vielleicht die Suche nach etwas, das es in ihremUniversum nicht gab?

Welche Bedeutung würde das überperiodischeYnkelonium für die Accalauries spielen? Konnte esdazu beitragen, die scheinbar unüberwindlichenGegensätze beider Universen zu überbrücken?

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»Ich will Ihnen von meinem Volk berichten«,sagte Accutron in die Stille hinein und unterbrachRhodans Gedankengänge. »Ursprünglich existiertenwir in energetischer Form, bis wir es verstanden, indie Atmosphäre der Planeten einzudringen undautarke Gebilde wurden. Damit wurden wir auchstofflich stabil, behielten jedoch einige der, früherenFähigkeiten, wie zum Beispiel die bewußt gesteuertePhotosynthese. Wir können uns noch immer durchreine Energie ernähren, wenn es sein muß. Was meinVolk angeht, so könnten Sie es als >Baum<bezeichnen.«

»Baum?«Das Übersetzungsgerät irrte sich nicht.Der Accalaurie wiederholte:»Als Baum. Unser Volk ist ein Baum. Aber

betrachten Sie den Begriff bitte nur als Symbolik,doch ich kann mir keine bessere vorstellen. DerStamm des Baumes - das sind unsere energetischenVorfahren. Sie sind niemals gestorben, sondernexistieren gespeichert weiter, bis zum Ende derEwigkeit. Ein Kollektivwesen jenseits von Raum undZeit, ohne jede Körperlichkeit, jedoch mit demenergetischen Bewußtseinsinhalt einer ganzen Rasseversehen. Jeder Stamm gliedert sich in Äste, und :alsÄste möchte ich jene Accalauries bezeichnen, diekörperlich existieren, jedoch niemals dasHeimatuniversum verlassen dürfen. Sie sind diewichtigsten Bestandteile des ganzen Baumes.«

Rhodan blieb stumm. Er versuchte noch immer,die symbolhafte Sprache in verständliche Begriffe zuübertragen. Es war nicht einfach.

Accutron fuhr nach einer kurzen Pause fort:»Wir sind die Blätter, die letzten Instanzen der

Familien, die Raumfahrer, die Forscher, dieVerzweifelten und Glücklichen. Wir überqueren dieGrenzen und sind die Sucher. Wir haben mentalenKontakt untereinander, auch wenn uns Lichtjahretrennen, aber es gelingt nicht immer, einem anderenBlatt mitzuteilen, in welcher Gefahr man sichbefindet. Der Tod eines Blattes aber wird denanderen Blättern immer bekannt werden. Es ist, alsbliebe ein Stromstoß aus.«

Das war eine sehr reale Mitteilung; die auchRhodan erfassen konnte. Er fragte:

»Warum hilft man Ihnen jetzt nicht?« »Man wirdmich suchen, denn kein Todesimpuls ging von miraus. Wäre ich durch Berührung mit Materie diesesUniversums gestorben, hätte ich mein gesamtesBewußtsein ausgesendet, und es wäre von denanderen empfangen worden. Man wüßte also, daß ichtot bin. Aber das ist niemals geschehen. ImGegenteil: ich lebe. Aber wie sollte jemals einanderes Blatt einen Impuls von mir empfangen, selbstwenn ich ihn bewußt steuern könnte? Ich halte michfünf Minuten in der Zukunft auf. Unsere Impulse

überwinden den Raum, aber nicht die Zeit.«Auch das schien Rhodan eine logische Erklärung

zu sein.»Sie sind also für Ihr Volk verschollen?«»Auf unerklärliche Art und Weise verschollen,

ganz richtig. Niemand kann Kontakt zu mirherstellen, aber jeder weiß, daß ich noch lebe. Es hatkeinen Todesimpuls gegeben. Wo also stecke ich?«

»Fünf Minuten in der Zukunft«, sagte Rhodantrocken. »Aber das läßt sich ändern. Accutron. Wennes Ihnen hilft, werden; wir das Zeitfeld durchstoßenund in die Gegenwart zurückkehren. Dann könnenSie Kontakt zu den Ihren aufnehmen und sieunterrichten. Man wird Ihnen helfen.«

»Wie denn? Niemand wird es wagen, in unsereNähe zu kommen.« »Wir werden einen Weg finden,sie zu überzeugen. Wir haben die Mittel, den Kontaktgefahrlos zu gestalten, das weiß nun niemand besserals Sie selbst. Vergessen Sie nicht, Accutron, daß wirjedes Risiko eingehen müssen, Ihr Volk von unserenguten Absichten zu überzeugen. Wenn Sie alsverschollen gelten, wird man annehmen, wir hieltenSie in guter Isolation gefangen. Es wäre für beideSeiten besser, wenn man die Wahrheit erführe. Ichschlage also vor, daß ich Sie mit der KALUP durchdie Temporalschleuse in das Normaluniversum unddamit in die Gegenwart zurückbringe. Dort muß esuns dann innerhalb von acht Tagen gelingen, einSchiff Ihres Volkes aufzuspüren, es anzuhalten unddie Besatzung zu überreden, Sie an Bord zu nehmen.Es gibt keine andere Möglichkeit für Sie, wenn Sienicht ersticken wollen. Glauben Sie mir - es istsinnlos. Niemand würde mich aufnehmen, such wennich ihn darum bitten würde. Ich lebe bei Ihnen, denTerranern, und die Berührung mit Ihnen hat keineExplosion zur Folge. Logischerweise muß mein Volkannehmen, daß ein Unglück geschieht, wenn ich zuihnen ins Schiff komme. Ich glaube nicht, daßjemand eine Erklärung akzeptierest könnte.«

»Aber das Ynkelonium, Accutron. Es ist doch derbeste Beweis.« »Leider nicht unbedingt«, erwiderteder Accalaurie mutlos. »Kein Kommandant wird dieEnergieblase öffnen, um mich einzulassen. Selbstwenn er die Eigenschaften des Ynkeloniums kennt,so mag er vielleicht annehmen, daß es nach derBearbeitung nicht mehr die ursprünglichenFähigkeiten besitzt.«

»Wir werden es versuchen«, sagte Rhodanunbeirrt. »Auf keinen Fall werde ich tatenloszusehen, wie Sie ersticken. Machen Sie sich keineSorgen, Accutron noch nicht. Acht Tage können einesehr lange Zeit sein.«

»Viel zu lang, wenn man in einem Raumanzugsteckt und sparsam atmen muß. Da haben Sie leiderrecht. Ich fürchte, das halte ich nicht aus. Ich möchteetwas tun, für Ihr Volk und auch für mich. Darf ich

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Ihnen einen Vorschlag machen und Sie bitten, ihnnicht gleich abzulehnen, sondern darübernachzudenken?«

Rhodan nickte.»Gut. Was ist das für ein Vorschlag?«»Ich sage es Ihnen morgen, nicht jetzt. Ich muß ihn

überdenken und feststellen, ob sich das Opfer lohnt.Leiten Sie inzwischen Ihre eigenen Maßnahmen ein.Wir sehen uns morgen hier in Ihrer Kabine wieder;dann teile ich Ihnen mit, wozu ich mich entschlossenhabe.«

»Sie verlieren zuviel Zeit.«»Nicht dann, wenn Sie sie inzwischen gut nutzen.«Rhodan stand auf und wartete, bis sich auch der

Accalaurie erhoben hatte. Der Spielroboter trippeltezur Tür und öffnete sie.

»Ich werde sie nutzen«, versprach Rhodan.Während Accutron in seine eigene Kabine

zurückkehrte, nahm Rhodan abermals Kontakt mitTerrania auf. Diesmal ließ er eine Verbindung zuReginald Bull herstellen. Als er das vertraute Gesichtdes alten Freundes auf dein Bildschirm sah, verspürteer Erleichterung und faßte neuen Mut. Sie würden esschon schaffen.

Er unterrichtete Bully von den Geschehnissen undbat ihn, die drei Mutanten sofort über denMaterietransmitter zur KALUP in Marsch zu setzen:

»Ich benötige sie dringend, Bully. Mache ihnendas klar.«

»Keine Sorge, die kommen schneller, als dudenkst. Waren noch vorgestern bei mir und habensich beschwert, daß man sie pensioniert hat. Es seiüberhaupt nichts los, meinten sie.«

»Da irren sie sich gewaltig. Also her mit ihnen.Und dann noch etwas: Ich benötige eine, direkteHyperfunkverbindung zu den eingeweihtenKommandeuren der Flotte. Gib Vorsorge-Alarm. Wirmüssen in den nächsten Tagen ein Schiff derAccalauries aufbringen, sonst sehe ich keine Chancefür Accutron Mspoern. Alles klar soweit?«

»Wird schnellstens erledigt. Du kannst dieVerbindung gleich abwarten. Ich mache das von hieraus.« »Gut - und vielen Dank.«

»Gern geschehen, Chef.«Nachdem der Bildschirm erloschen war, blieb

Rhodan noch lange in seiner Kabine sitzen.Er fühlte sich auf einmal sehr einsam.

4.

Freitag, der 21. Dezember 3432Terra-Normal-Zeit Der Städtekreuzer PINIMARA,

kugelförmig und einhundert Meter durchmessend,stand zehntausend Lichtjahre vom Sonnensystementfernt. Der Kommandant, Major Tschui Tang, einkleiner, schwarzhaariger Chinese, dem man eiskalte

Entschlossenheit und absolute Furchtlosigkeitnachsagte, übergab seinem Ersten Offizier dasKommando.

»Suchen Sie weiter, Captain, vielleicht, haben Siemehr Glück. Und wecken Sie mich, wenn Sie so eineLeuchtblase erwischen.. Nichts eigenmächtigunternehmen, klar?«

Capfain Akim Brodsal nickte gelassen.. »Klar,Chef. Ich wecke sie. Aber wenn man die verrücktenDinger sucht, findet man sie ja doch nicht.«»Persönlicher Befehl des Chefs!« erinnerte derKommandant seinen Ersten sachlich und verschwandaus der Zentrale.

Akim Brodsal nahm hinter den HauptkontrollenPlatz und richtete sich auf eine ereignislose undlangwellige Wache ein. Er warf einen Blick inRichtung der Orterzentrale, wo drei Offiziere damitbeschäftigt waren, die Instrumente ständig zuüberwachen und neu einzurichten. Über vieleLichtjahre hinweg würden die Taststrahlen ein soauffälliges Objekt wie einen Accalaurie orten undregistrieren.

Bis jetzt jedoch war das nicht geschehen.Captain Brodsal begriff nicht ganz, warum man

auf einmal so dringend einen Accalaurie benötigte.Bisher hatten alle Befehle gelautet, so einem Dingaus dem Weg zu gehen, und zwar so schnell wiemöglich. Jede Kontaktaufnahme war strengstensuntersagt gewesen. Und nun- sollte auf einmal genaudas Gegenteil versucht werden.

Natürlich blieb, der direkte Kontakt noch immerverboten, aber wer auch immer einem Schiff derAccalauries begegnete, sollte versuchen, es zumBleiben zu bewegen und sofort das Oberkommandoder Flotte benachrichtigen.

Akim Brodsal seufzte.Na ja, das sollte nicht seine Sorge sein. Befehl war

Befehl, und solange ein Befehl nicht, gerade völligsinnlos und, verrückt war, mußte er ausgeführtwerden. Der Haken war nur: Wer sollte entscheiden,ob ein solcher Befehl sinnlos und verrückt war?

Dieser hier kam ihm ziemlich verrückt vor.Der Gedanke an Befehle brachte ihn auf ein

anderes Thema. Natürlich gehörte Major Tang nichtzu den eingeweihten Kommandeuren. Weder er nochein Mitglied seiner Besatzung wußte, daß Rhodan dasSonnensystem um fünf Minuten in die Zukunftversetzt und damit unsichtbar gemacht hatte. Aber siewußten, daß Rhodan noch lebte, sonst hätten sie janiemals Befehle von ihm erhalten können.

Aber das war auch alles, was sie wußten.Und damit wußte auch Captain Akim Brodsal

nicht mehr.Zwei Stunden später kam Leutnant Kher von der

Ortung zu ihm. »Sir, wir haben einen Impuls. Scheintsich um eins der gesuchten Objekte zu handeln.

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Entfernung siebenundachtzig Lichtjahre. Ich gebeIhnen das Bild auf den Schirm, dazu die Daten.«

Der Erste Offizier wurde plötzlich hellwach. Dochbevor er den Kommandanten weckte, wollte er sichdavon überzeugen, daß die Ortung stimmte.

»Her mit dem Bild, Leutnant! Aber schnell!«Es handelte sich einwandfrei um die Energieblase

eines Accalauries. Ihr Durchmesser betrug allerdingskeine fünf Kilometer, sondern höchstens zwei.Vielleicht ein kleineres Erkundungsschiff derAntimateriellen. Aber das spielte keine Rolle.Accalaurie blieb Accalaurie; ob groß oder klein.

Major Tang erschien wenig später in derKommandozentrale, ruhig und gelassen wie immer.Ohne ein Wort zu sprechen, überzeugte er sichdavon, daß man ihn nicht umsonst geweckt hatte.Dann gab er seine Befehle, ließ den Kurs ändern undbereitete den Linearflug vor. Anhand der errechnetenDaten war es ihm möglich, die PINIMAR so dicht andas Ziel heranzuführen, daß ihr Eintauchen in denNormalraum für den Accalaurie überraschenderfolgen mußte.

Gleichzeitig ließ er den Sender mit demdazwischengeschalteten Translator vorbereiten. Eswar wichtig, Funkkontakt mit dem Accalaurieaufzunehmen, ehe dieser verschwinden konnte.

Das Schiff ging in den Linearraum, und als esMinuten später in das Einstein-Universumzurückkehrte, hatte es eine Entfernung vonsiebenundachtzig Lichtjahren hinter sich gebracht.

Die leuchtende Energieblase des Accalauries standdicht vor der PINIMAR, zum Greifen nahe.

Die Funksendung begann.In atemloser Spannung verfolgten die Offiziere

das, was sich unmittelbar vor ihnen im Raumabspielte. Die Geschwindigkeit des Accalauries lagknapp unter Licht und veränderte sich nicht. DiePINIMAR folgte dem Fremden mit gleicherGeschwindigkeit. Die Entfernung betrug knapp zehnLichtsekunden.

Wenn es überhaupt möglich war, daß normaleFunkwellen die Energieblase durchdrangen, dannmußten die Insassen des leuchtenden Schiffes dieSignale jetzt empfangen können. Der Translator hättesie außerdem in für die Fremden verständlicheSymbole übertragen. Trotzdem geschah nichts, wasauf eine Bereitwilligkeit zum Kontakt hindeutete.Ohne Kursänderung flog der Accalaurie weiter,einem unbekannten Ziel entgegen.

Major Tschui Tang bewies eine unerhörte Geduld.»Captain, wenn Ihnen die Sache zu langweilig

wird, können Sie jetzt Ihre Freiwache nehmen. Spätersind Sie vielleicht froh, ausgeschlafen zu haben. Ichleite die Aktion hier schon.«

Brodsal nickte.»Geht in Ordnung, aber ich wäre Ihnen dankbar,

wenn Sie die Sendung auf Interkom legten. Dannkann ich die Geschehnisse in meiner Kabineweiterverfolgen. Aber wenigstens liege ich dabeiflach.«

Tang grinste und gab die Erlaubnis dazu. Dannwidmete er sich wieder dem Panoramaschirm undbetrachtete die unverändert vor ihm herumfliegendeLeuchtblase des Accalaurie-Schiffes.

Die Funkstationen hatten inzwischen auf Empfanggeschaltet, aber außer den üblichen Störgeräuschenblieben die Lautsprecher stumm.

Eine entsprechende Meldung ging an dasOberkommando der Flotte, wo sich inzwischenähnliche Berichte beängstigend häuften.

Accutron Mspoern schien recht zu behalten:Kein Accalaurie legte Wert darauf, mit den

Terranern Kontakt aufzunehmen.

*

Rhodan wartete geduldig, bis der Accalaurie vonsich aus die Unterre dung wünschte. Abermalsempfing er das seltsame Wesen aus Antimaterie inseiner Kabine.

»Ich habe nachgedacht«, eröffnete AccutronMspoern das Gespräch. »Darf ich, bevor ich meinenVorschlag unterbreite, die Ergebnisse lhrerbisherigen Kontaktversuche erfahren?«

Rhodan nickte.»Bisher verliefen sie alle negativ, so daß ich

immer mehr zu der Auffassung gelangen muß, daßSie recht haben. Kein Accalaurie reagiert positiv aufunsere Funkzeichen. Wir haben Translatorendazwischengeschaltet. Unsere Aufforderung mußalso verstanden werden. Es hat keine Zwischenfällegegeben, die Anlaß zur Sorge gäben, aber es stehteinwandfrei fest, daß Ihr Volk keinen Kontaktwünscht.«

»Ich wußte es. Dic Furcht ist zu groß. Niemandweiß etwas von dem Element Ynkelonium, dasSchutz gewährt. Wir haben nur noch sechs Tage Zeit.Oder wir haben eben keine Zeit mehr, wenigstensnicht dafür, mich zu retten. Wollen wir die restlichenTage nicht nutzbringender verwenden?«

Rhodan sah den Accalaurie befremdet an.»Ich verstehe nicht, wie Sie das meinen, Accutron.

Drücken Sie sich bitte deutlicher aus.«»Ganz einfach. Rekapitulieren wir, was geschah.

Ich nahm an der Sonnenexpedition teil und konnteIhnen ein wenig helfen, die Gefahr zu entdecken. Alsdie SUN DRAGON in den Bereich derWahnsinnsimpulse geriet, die vom Todessatellitenausgestrahlt wurden, blieb ich als einziger derBesatzung gesund und unbeeinflußt. Die Impulsekonnten mir nichts anhaben. Es waren aber geradediese mechanisch ausgesandten Impulse, die jede

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weitere Erforschung verhinderten. Ich habe auchdarüber nachgedacht und bin zu einem Entschlußgekommen.«

Er machte eine Pause, in der Rhodan seinen Gasterwartungsvoll anblickte. Dieser fuhr schließlich fort:

»Als energetischer Abkömmling einer kosmischenUrwolke bin ich in der Lage, mich innerhalb einerSonnenatmosphäre zu bewegen. Ein Mensch kanndas nicht. Ich schulde Ihnen Dank, nichtumgekehrt.Lassen. Sie mich einen Teil dieser Schuld abtragen;indem Sie mir die Erlaubnis geben, die Expeditionder SUN DRAGON zu wiederholen, und zwar ohnemenschliche Besatzung. Ich werde den Satelliten inder äußeren Chromosphäre wiederfinden, und dannwerde ich ihm ansteuern. Die Wahnsinnsimpulsekönnen mich nicht, zur Umkehr bewegen. Sobald ichnahe genug herangekommen bin, werde ich die SUNDRAGON verlassen und vorher auf automatischenHeimatkurs setzen. Ich selbst werde mich zu demTodessatelliten katapultieren. Das Maverick-Cape istleicht abzustreifen. Wenn ich den Satelliten berühre,bestehe ich aus Antimaterie. Er wird zerstört werden.Restlos und für alle Zeiten. Mein Leben hat danneinen Sinn gehabt.«

Rhodan ah Accutron lange und sehr bewegt andann schüttelte er den Kopf.

»Lieber Accutron, ich danke Ihnen für IhrAngebot. Es überzeugt mich nur noch mehr davor,daß unsere beiden Völker eines Tages eng inFreundschaft verbunden sein werden. Aber dazu istIhr Opfer nicht notwendig. Wir werden Sie retten,verlassen Sie sich darauf. Den Satelliten erledigenwir mit einer anderen Methode.«

»Hören Sie, Perry Rhodan, nehmen Sie keineRücksicht auf ein Leben, das ohnehin verloren ist ...«

»Wer sagt das denn? Außerdem wollen wir dasProblem doch einmal ganz nüchtern betrachten. Wiesollte ich später einmal, wenn ein Kontakt zwischenuns und Ihrem Volk hergestellt ist, Ihr Opfer erklärenkönnen? Jeder wird glauben, ich hätte Sie dazugezwungen., Nein, mein lieber Accutron, daraus wirdnichts. Sie bleiben hier auf der KALUP, und wirwerden in den nächsten sechs Tagen einenAccalaurie finden, der uns glaubt. Wir müssen einenfinden, oder die Existenz der intelligenten Rassen imUniversum scheint sinnlos zu sein.«

»Sie haben schon alles getan, was getan werdenkonnte.«

»Noch nicht, Accutron. In der Zwischenzeitwurden hundert Schutzanzüge mitYnkeloniumüberzug hergestellt, bestimmt fürAccalauries, die den Kontakt mit uns wagen. Diesehundert Schutzanzüge gehören nun zu unsererAusrüstung. Wir haben also jederzeit bei einerBegegnung mit Schiffen Ihres Volkes dieMöglichkeit, an Bord zu gehen oder Besucher zu

empfangen. Es gibt eine einzige Schwierigkeit dabei:die Kommandanten dieser Schiffe müssen davonüberzeugt werden, daß es ungefährlich ist.«

»Ich bin gespannt, wie Ihnen das gelingt«»Ich auch, ehrlich gesagt; Aber weiter: ich habe

eintausend Tonnen reines Ynkelonium an Bord derKALUP bringen lassen. Sie sind als Geschenk für IhrVolk gedacht, und gleichzeitig - alsVertrauensbeweis. Denn aus dem Element lassen sichMaverick-Capes herstellen. Damit erhalten IhreForscher Gelegenheit, jede unserer Welten gefahrlosbetreten zu können.«.

Der Accalaurie war sichtlich beeindruckt.»Ich danke Ihnen für Ihre Absicht, wenn ich auch

nicht an ihre Verwirklichung glauben kann. Siebeweist mir, daß - unsere beiden Völker Freunde seinkönnten, und ich hoffe, daß es auch eines Tages derFall sein wird. Aber bis dahin bin ich tot.«

»Sie werden dann leben«, widersprach Rhodanlebhaft. »Und bei Ihrem Volk werden Sie dann ingroßen Ehren stehen. Denn Sie waren der ersteAccalaurie, der Kontakt zu uns aufnahm und dieFreundschaft zwischen uns ermöglichte.«

»Es wäre schön, wenn Sie recht behielten.«

*

Da sie vorerst noch zur Untätigkeit verdammtwaren, vertrieben sich die drei Mutanten die Zeit aufihre Art. Mit Rhodans Erlaubnis hatten sie dieKALUP verlassen und sich das Verladen derYnkeloniumblöcke angesehen. Jeder von ihnen wogeine Tonne. Einzeln wurden sie im zwei Kilometerentfernten Lager in einen kleinen Transmittergeschoben, wo sie nach einem Knopfdruck spurlosverschwanden. In der gleichen Sekundematerialisierten sie im Laderaum der KALUP.

»Ist ja ganz interessant«, knurrte Gucky nach einerWeile: »Aber auf die Dauer finde ich es langweilig.Was können wir denn noch anstellen?«

Fellmer Lloyd sagte:»Rhodan hat gerade eine Unterredung mit

Accutron: Mir tut der arme Kerl leid. Hoffentlichkönnen wir ihn retten.«

»Wenn die Brüder nicht immer verschwindenwürden, wäre das ja einfach. Ich fürchte, es bleibtmal wieder alles an mir hängen.«

Ras Tschubai grinste und klopfte dem Mausbiberauf die Schulter. »Armer Schutzengel der Terraner.Sicher bleibt es wieder an dir hängen. Ich bin nurgespannt, wie.« »Ich auch«, gab Gucky zu. »Also,was tun wir? Perry sagt, vor morgen starten wirnicht.«

»Wir könnten ja die Temporal schleuse aufsuchenund einen Blick durchs Zeitfenster in dieVergangenheit werfen. Unsinn, ich meine- natürlich

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die Gegenwart.« Fellmer schüttelte den Kopf: »Mankommt schon ganz durcheinander.«

»Oder wir gehen ins Kino«, schlug Ras vor.»Alles, nur das nicht!« protestierte Gucky.Fellmer war überrascht.»Du bist doch sonst so dafür. War- um heute

nicht?«»In letzter Zeit produzieren die einen Blödsinn,

daß es nicht mehr auszuhalten ist. Da waren mir diehub sehen abstrakten Schnulzen schon lieber. ZweiStunden nur Farben und Symbole - das wären nochZeiten! Und so spannend!«

»Möchte wissen, was daran spannend war?«murmelte Ras.

Gucky geriet in einen richtigenBegeisterungstaumel.

»Mensch, ist doch klar. Da sitzt du so imHalbdunkel herum, und vor dir erscheinendreidimensionale Farben und Muster in der Luft,verändern sich dauernd, bewegen sich undverschwinden dann wieder. Jetzt hast du zumBeispiel eine grüne Pyramide. Sie wiegt sich im Tanzhin und her, zerfließt in Kreise und formt sich neu.Und dann, ganz plötzlich und völlig überraschendpassiert es. Nun?«

Ras starrte Gucky gespannt an. »Was passiert?Nun rede doch schon, Kleiner ...«

Gucky grinste von einem Ohr zum anderen.»Siehst du, wie spannend es ist? Habe ich doch

recht gehabt.«»Was passiert, will ich wissen«, fragte Ras

ungeduldig.»Die Pyramide wird plötzlich rot«, klärte Gucky

ihn auf.Ras fiel richtig in sich zusammen und schnappte

nach Luft. Hilfesuchend sah er Fellmer Lloyd an.»Kannst du mir erklären, was daran so spannend

sein soll?«Fellmer nickte.»Sie hätte ja auch blau werden können. Oder

violett.«Ras schüttelte den Kopf.»Die Geschmäcker sind verschieden, zum Glück.

Ich jedenfalls bin mehr für die ganz modernen Filme,wie sie jetzt gemacht werden. Die haben sogar eineHandlung, mit Anfang und Ende.«

Gucky rümpfte die Nase. »Moderner Quatsch.Also gehen wir nun ins Kino oder nicht?« Fellmermeinte:

»Damit wir uns hinterher nur streiten? Liebernicht. Wie wäre es mit einem kühlen Trunk? KeinBedarf vorhanden?«, Gucky warf einen letzten Blickauf den Transmitter, in dem eben wieder ein Blockaus Ynkelonium verschwand.

»Durst haben wir immer. Wohin?« Es gab genugKantinen und Messen in den unterirdischen Anlagen

des Merkur, und die drei Mutanten brauchtenniemand um Erlaubnis zu fragen. Sie genossen eineSonderstellung, die ihnen niemand streitig machenkonnte. Sie fanden ein gemütliches Restaurant nebeneinem Hangar, übergingen die - neugierigen Blickeder dienstfreien Techniker, nickten eine freundlicheBegrüßung und bestellten ihre Getränke.

»In drei Tagen ist Weihnachten«, sagte Fellmerplötzlich, und es klang richtig wehmütig.

»Wird ein langes Wochenende«, bestätigte Guckyund suckelte an seinem Fruchtsaft. »Morgen istSamstag, dann Sonntag. Heiliger Abend fällt auf denMontag, und dann erst kommen die beiden Feiertage.Und ausgerechnet bei so einer einmaligen Anordnungmuß dem Accalaurie die Luft ausgehen. Dabei hatteich mich so auf den Kurzurlaub gefreut.«

»Angeber!« knurrte Ras verblüfft. »Vor zweiTagen hast du aber ganz anders geredet. Da sah esganz so aus, als wolltest du vor Langeweile sterben.Und nun auf einmal ...«

»Jeder hat das Recht auf Meinungsänderung«,unterbrach ihn der Mausbiber schnell. »Ich habe ebendavon Gebrauch gemacht.«

Sie stritten sich noch eine Weile, dann kehrten siedurch einen kurzen Teleportationssprung in dieKALUP zurück. Die Techniker, die zu diesemZeitpunkt in dem Restaurant saßen, starrten vollerVerblüffung und ziemlich fassungslos auf denplötzlich unbesetzten Tisch, auf dem die leerenGläser standen und ein Geldschein lag.

»So ein Lauser!« stellte schließlich ein Spezialistfür Positronik fest. »Ohne sich zu verabschieden ...«Inzwischen rematerialisierten die drei Mutanten aufeinem Korridor der KALUP und schlenderten ihrenKabinen zu. Unglücklicherweise begegneten siedabei dem Roboter Lobbyhuvos, dessen Aussehenallein bereits genügte, bei Gucky einen Lachkrampfhervorzurufen.

»Kinder, den lassen wir musizieren!« schlug erbegeistert vor. »Er soll ja eine ganze Jazzbandersetzen, wenn man auf den richtigen Knopf drückt.«

»Der hat keine Knöpfe«, machte ihn Lloydaufmerksam. »Aber wir brauchen nur einenTranslator, dann klappt es: Holst du schnell einen?«

Gucky teleportierte und war Sekunden späterwieder zurück. Er überreichte Ras dasÜbersetzungsgerät und versperrte dem harmlosenRoboter den Weg.

»Warte mal, du Flasche«, sagte er ohneHintergedanken, den Lobbyhuvos sah ja in der Tateiner Flasche sehr ähnlich. »Wo steckt denn deinHerr und Meister, unser aller Freund Accutron?«

»Er schläft«, gab der Roboter deutlich zurück,wobei seine eigene Stimme allerdings durch denTranslator übertönt wurde. »Ich besorge ihm einerfrischendes Getränk, denn wenn er erwacht,

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wünscht er immer zu trinken.«Fellmer sagte erschrocken: »Lieber Himmel,

hoffentlich eine Antilimonade, sonst fliegen wir allein die Luft!«

»Das Getränk stammt aus unseren eigenenVorräten«, beruhigte Lobbyhuvos den Telepathen.»Es ist ungefährlich.«

Gucky drängte sich vor.»Kommst du mit in unsere Kabine, wir wollen

deine Musik hören.« »Aber mein Herr ...«»Der schläft doch, wie du selbst gesagt hast. Und

so schnell wird er ja auch nicht aufwachen, wenn duihn nicht störst. Also, wie ist es mit der Musik?«

»Ihr liebt Musik wirklich?« vergewisserte sich derRoboter.

»Und wie!« versicherte Gucky. »Wir sind all.,besondere Musikliebhaber und echte Kennerberühmt.«

Der Roboter überwand seine Bedenken.»Also gut, aber nur die Zeitspanne, die ihr als

halbe Stunde bezeichnet. Was soll ich spielen?«Sie schoben ihn mit vereinten Kräften in Fellmers

Kabine.»Ist egal, Lobby, wenn's nur laut ist.« Gucky

schloß die Tür. »Und was ganz modernes, natürlich.«Der Roboter hielt in seinen Bewegungen inne.»Wir haben keine moderne Musik. Unsere Kunst

ist viele tausend Jahre alt und blieb unverändert. Ichfange an.«

»Wir bitten darum«, sagte Gucky und setzte sichauf Fellmers Bett. Zehn Sekunden später schlug derKadett Meisenkrattler Alarm und gab über dennächsten Interkomanschluß bekannt, in der Sektionder Gästekabinen müsse eine schmerzhafte Seucheausgebrochen sein. Er habe schreckliche Hilfeschreievernommen.

Als die Sanitäter in Fellmers Kabine stürzten,sahen sie Ras, Fellmer und Gucky auf Bett undSesseln herumsitzen und mit verzückter Miene aufdie Geräusche lauschen, die Lobbyhuvos mit seinenSpielarmen und Musikinstrumenten von sich gab.

Fluchtartig verschwanden sie wieder und sorgtendafür, daß Kadett Meisenkrattler über die Vielfaltintergalaktischer Harmonien aufgeklärt wurde.

Gucky war noch drei Stunden später völlig taub..

5.

Samstag, der 22. Dezember 3432Terra-Normal-Zeit Dem Start ging ein Blick

durchs Zeitfenster voraus.Zu diesem Zweck war es unnötig, daß Rhodan und

Reigon Teipler die KALUP verließen. Sie blieben inder Kommandozentrale- und ließen sich eineSendung der im Normalraum verankertenKamerasatelliten vorspielen. Durch die

Temporalschleuse hindurch gelangte die Sendungfünf Minuten in die Zukunft, so daß man hierjederzeit beobachten konnte, was: »draußen« und inder relativen Gegenwart geschah.

Rhodan war nicht überrascht über das, was er sah.Aus allen Teilen der Milchstraße kamen die

Forscher und Wissenschaftler, meist späteNachkommen ehemaliger terranischer Kolonisten,und versuchten herauszubekommen, wohin dasSonnensystem verschwunden war. Es gab keinevernünftige- Erklärung für dieses Phänomen, undjeder schien bemüht, zumindest einen Hinweis zuentdecken.

Auf dem großen Panoramaschirm waren imAugenblick sieben fremde Schiffe zu erkennen, dieallem Anschein nach den Merkur suchten. Mit Hilfevorhandener Daten und technisch vollkommenerKomputer war es sicherlich nicht schwierig gewesen,die Position des Planeten genau zu errechnen. Dummfür die Suchenden war nur, daß sie aus derherausgefundenen Position nichts vorfanden, wasauch nur entfernt an Merkur erinnerte.

Denn Merkur befand sich fünf Minuten in derZukunft, stabil gehalten und nicht einzuholen. Undmit ihm weitere acht Planeten und ihre Sonne.

»Wie sollen wir da unbemerkt durchkommen?«fragte Teipler skeptisch.

»Ablenkungsmanöver«, erwiderte Rhodan kurz.»Ich werde das veranlassen. Halten Sie nur dieKALUP jederzeit startbereit. Es muß dann alles sehrschnell gehen. Sind wir mal draußen, besteht keineGefahr mehr, denn wir können ja auch aus demLinearraum aufgetaucht sein. Wichtig ist nur, daßniemand die Temporalschleuse findet undversehentlich hineinfliegt.«

Der Kommandant deutete auf dieKontrollmechanismen der Navigationskomputer.

»Die Daten sind gespeichert, Sir. EineLinearetappe genügt, um uns ans Ziel zu bringen.Bleibt es bei Sol-Wega, Entfernung siebzehn.Lichtjahre?«

»Ja. Das ist-ein Ort zwischen den beiden Systemenohne weiteren Bezugspunkt. Die Richtstrahlen allerHypersender sind darauf eingerichtet und wirerhalten somit alle Informationen aus erster Hand.«

Nach einem letzten Blick auf den Panoramaschirmerhob sich Rhodan und ging zur Funkzentrale, umdas geplante Ablenkungsmanöver einzuleiten. Dannkehrte er zu Teipler zurück.

»Halten Sie sich bereit, Kommandant. Der Hangarist frei. Die Temporalschleuse ebenfalls. Wir wartennur auf Vollzugsmeldung der Einsatzflotte. EineStaffel Jäger und drei Schlachtkreuzer werden soüberraschend auftauchen, daß die fremden Schiffenicht wissen, ob sie aus dem Linearraum kamen oderschon immer da waren. Den Augenblick der

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Verwirrung müssen wir nutzen.«Teipler nickte schweigend. Er war es gewohnt,

Befehle von Rhodan entgegenzunehmen und dieseauch prompt durchzuführen. Er stellte keine Fragen,besonders nicht in einem so klaren Fall wie demvorliegenden.

Das Signal kam zehn Minuten später.Auf dem Panoramaschirm, der noch immer mit der

Sendestation der Zeitschleuse verbunden war,konnten die beiden Männer kurz zuvor einerstaunliches Schauspiel verfolgen. Drei der fremdenSuchschiffe standen ganz in der Nähe und nahmenvermutlich Koordinatenmessungen vor. Rhodan undTeipler konnten sich vorstellen, wie dieKommandanten die Ergebnisse der Berechnungenverzweifelt mit den Angaben auf den Sternkartenverglichen und sich den Kopf darüber zerbrachen, woMerkur wohl geblieben sein mochte.

Dabei waren sie keine halbe Lichtsekunde vondem zeitverschobenen Planeten entfernt.

Dann waren plötzlich drei riesige Kugelraumerund eine Staffel Raumjäger da und schwärmten aus.Sie zeigten keine Angriffsabsichten, aber sieirritierten die Kommandanten der fremden Schiffe. Indieser Überraschungssituation kam das Signal.

Teipler leitete das Startmanöver ein; und vondiesem Augenblick an verlief alles weitereautomatisch. Die KALUP erhob sich und stieg hinaufzur Oberfläche des Merkur. Mit geringerGeschwindigkeit drang sie dann in dieTemporalschleuse ein und flog durch denFarbenkorridor. Jeder merkbare Farbwechsel brachtesie eine Minute weiter in die Vergangenheit zurück,bis sie die Gegenwart erreichte.

Ohne Übergang befand sie sich plötzlich zwischenden eigenen Einheiten, die das Ablenkungsmanöverdurchführten.

Und dann setzte sie sich ab und nahm Fahrt auf.Niemand achtete auf sie.

*

Das Solare Expeditionsschiff FERRANIA gerietdurch einen reimen Zufall in die Suchaktion °Rhodans: hinein. Es durchstreifte einen relativunbekannten und wenig besiedelten Sektor deröstlichen Milchstraße, als Major Cheque der Alarm -erreichte. Der Kommandant überging in seinemÜbereifer die Tatsache; daß ihn dieser Alarm imGrunde gar nichts anging, da er nur für dieEinsatzflotte bestimmt war. Captain Mounthouse,sein Erster, Offizier, schloß sich rückhaltlos seinerMeinung an, ebenfalls der leitende WissenschaftlerDr. Geiseler.

»Gerade in dieser Gegend haben sich öfterAccalauries gezeigt«, sagte Dr. Geiseler aufgeregt.

»Es wäre doch gelacht, wenn, wir; nicht einen vonihnen solange festhalten, bis die Spezialschiffe derFlotte eintreffen.

Außerdem interessieren mich die Antimateriellenrein wissenschaftlich.«

»Darum geht es jetzt nicht«, belehrte ihn MajorCheque ernst. »Verzeihung, worum geht es denn?«fragte der Wissenschaftler erstaunt.

»Ähem«, knurrte der Kommandant verwirrt.»Ehrlich gesagt, das weiß ich auch nicht recht. Esging aus dem Befehl nicht hervor. Ein Accalaurie sollzum Verbleiben aufgefordert werden, das ist alles.Der Zweck der Aktion wurde nicht bekanntgegeben.«

»Brauchen wir auch nicht zu wissen«, half derErste Offizier seinem Kommandanten, »Wir haltenuns an unsere Befehle.«

Dr. Geiseler sah sich um seine Bedeutungbetrogen; wagte aber keinen Einwand mehr. Gegendie beiden Offiziere kam er ja doch nicht an.Hauptsache für ihn war; daß Jagd auf einenAccalaurie gemacht werden sollte.

»Hoffentlich finden wir bald einen«, sagte er undschwieg dann. Am 22. Dezember, nachmittags, unddrei Tage vor Weihnachten, gab die Orterzentrale derFERRANIA Alarm. Auf den Bildschirmen war eineder geheimnisvollen Leuchtblasen erschienen. DieEntfernung betrug nur drei Lichtjahre. Das Schiff derAccalauries, denn nur um ein solches konnte es sichhandeln, flog offensichtlich einen Stern an, der imKatalog als ACO/ICO-51 bezeichnet wurde. Erwurde von drei Planeten umkreist, die zwar überreiche Vorkommen an Erzen und strahlendenElementen verfügten, jedoch unbewohnt waren.

»Was die da suchen ...?« knurrte Chequeverwundert.

»Na, was wohl?« meinte Dr. Geiseler bissig.»Metalle, was sonst?« Wieder war es CaptainMounthouse, der seinem Vorgesetzten zu Hilfe kam:

»So, Erze? Und was wollen Sie damit anfangen?In die Luft fliegen, was?«

Dr. Geiseler schwieg verbittert. Cheque ließ dieFERRANIA Kurs auf den Accalaurie nehmen undleitete selbst das kurze Linearmanöver ein. Als dasSchiff in den Normalraum zurücktauchte, stand dieleuchtende Energieblase, sie hatte einen Durchmesservon fünf Kilometern, keine hunderttausend Kilometerentfernt und bewegte sich auf den zweiten Planetendes Systems zu.

»Senden Sie Funksprüche«, befahl derKommandant dem Ersten Offizier. »Unverschlüsselt.Weiß der Teufel, ob sie das verstehen.«

»Vielleicht schalten Sie einen Translatordazwischen«, schlug Professor Gallde vor, einKollege Dr. Geiselers. »Und dann sagen Sie ihnen;sie sollten warten, bis ein Schiff der Flotte eintrifft.«

Cheque lachte kurz auf.

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»Und Sie meinen wirklich, die täten, was wirsagen?«

»Man kann es immerhin mal versuchen, Major.«Und Major Cheque versuchte es, allerdings auf

seine Art.Im Direktflug näherte er sich dem Accalaurie, der

seine Geschwindigkeit stark herabgesetzt hatte. Ausder großen Antenne strahlten die Funkimpulse in alleRichtungen und mußten von dem Accalaurieaufgefangen werden, falls der Energieschirm dasnicht verhinderte. Aber er reagierte nicht.

Das versetzte Cheque einigermaßen in Wut., »Demwerden wir es zeigen!« schimpfte er und ernteteeinen anerkennenden Blick seines getreuenMounthouse. »Notfalls halten wir ihn mit Gewaltfest.«

Professor Gallde wagte den Einwand:»Und wie, wenn ich fragen darf?« Darauf wußte

Major Cheque allerdings noch keine Antwort..Nicht daß er dumm gewesen wäre, dieser Major

Cheque, er wurde in den Unterlagen alshervorragender Offizier bezeichnet und besaß sogareinige Tapferkeitsmedaillen. Leider hatten derartigeMedaillen nichts mit Umsicht und besondererIntelligenz zu tun. Und leider wurde ein Schiff derExplorerflotte nur in direktem Forschungseinsatz voneinem Wissenschaftler befehligt.

Der Accalaurie ging in eine Umlaufbahn. Dichthinter der Leuchtblase flog die FERRANIA mitgleichbleibender Geschwindigkeit weiter, wobei siesich langsam aber stetig dem Accalaurie näherte.Immer noch wurden Funkimpulse ausgestrahlt.

Falls der Antimaterielle die Absicht gehabt hatte,Landeboote auszuschleusen, so verzichtete erangesichts der Nähe eines terranischen Schiffesdarauf. Er verhielt sich abwartend. Und gerade daspaßte Major Cheque nicht Er beschleunigte weiterund glitt näher an die Leuchtblase heran. Inzwischenwar über Hyperfunk eine entsprechende Meldung anden nächsten Stützpunkt der Flotte abgegangen. DieBestätigung kam wenige Minuten später. ZweiSchlachtkreuzer befanden sich auf dem An flug.

»Bevor die kommen, sollten wir den Leuchtfritzenfestgenagelt haben«, schlug Captain Mounthouse vor.

Ehe Geiseler und Gallde protestieren konnten,nickte Cheque.

»Sehr richtig, und wir fangen gleich damit an.«Die FERRANIA ging noch näher an den

Accalaurie heran, ohne daß dieser in irgendeinerForm reagierte. Dann glitt das terranische Schiff miteinem eleganten Manöver vor den Bug des fremdenSchiffes und wurde langsamer. Es versperrte denWeiterflug und blockierte die Umlaufbahn.

Immer mehr näherte sich der leuchtendeEnergieschirm dem terranischen Forschungskreuzer.In der Kommandozentrale protestierte Dr. Geiseler

formell gegen den Irrsinn, den Major Cheque inseinem übersteigerten Ehrgeiz praktizierte. Es halfnichts. Der Kommandant ließ sich nicht von demVorhaben abbringen, den Accalaurie in eigener Regiezustellen.

»Was wollen Sie denn, Doktor? Ich versuche demAccalaurie nur zu zeigen, daß wir einen Kontaktwünschen. Wenn er nicht auf Funksprüche reagiert,müssen wir es eben anders versuchen.«

»Aber doch nicht so! Er wird die Aktionmißverstehen.«

»Seine eigene Schuld.«Dr. Geiseler gab es auf. Er verließ die

Kommandozentrale und ging in seine Kabine, umsich aufs Bett zu legen. Er begann zu ahnen, woraufer sich eingelassen hatte, als er sich freiwillig zurExplorerflotte meldete.

Professor Galldes Gedanken verliefen in ähnlichenBahnen, und er war sich seiner Ohnmacht vollaufbewußt. Cheque war ein Offizier; und als solcherkaum für wissenschaftliche Argumente zugänglich.Daß er sich aber auch logischen Schlüssen sturwidersetzte, wollte dem Professor nicht in den Kopf.Er redete solange auf den Major ein, bis dieserseinem Ersten einen Wink gab.

»Schaffen Sie mir den Eierkopf vom Hals,Mounthouse. Wenn ich gewußt hätte, daß dieFERRANIA ein Irrenhaus ist, hätte ich dasKommando niemals angenommen.«

So kam es, daß die beiden Wissenschaftler In ihrenKabinen starben, während der Kommandant und seinErster Offizier das Verhängnis früh genug erkannten,um zumindest für wenige Sekunden ihren Irrtumeinsehen zu können.

Es half ihnen allerdings nichts mehr.Als die FERRANIA die flimmernde Energieblase

an ihrer Peripherie berührte; verwandelte sie sich imBruchteil einer Sekunde in einen glühendenFeuerball, der mit unveränderter Geschwindigkeitdurch das Vakuum glitt und sich langsam ausdehnte.

Der Schutzschirm des Accalauries brachzusammen. Das wesentlich kleinere Schiff änderteseinen Kurs, nahm blitzartig Geschwindigkeit aufund verschwand wenig später im Linearraum.

Als die herbeigerufenen Schiffe der Flotteeintrafen, fanden sie nur drei Planeten und eineSonne vor.

Und eine schwach radioaktiv strahlende Wolke.

6.

Sonntag, der 23. Dezember 3432Terra-Normal-Zeit Seit achtzehn Stunden stand die

ARNO KALUP, siebzehn Lichtjahre von der Erdeentfernt, im Schnittpunkt der einfallendenHyperfunksignale. Ein Komputer speicherte alle

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aufgefangenen Informationen und ordnete sie nachihrem Wichtigkeitsgrad. Bis zur Stunde gab es nureine einzige Meldung, die ihrer Dringlichkeit wegendirekt an die Kommandozentrale weitergeleitetwurde.

Rhodans Gesicht blieb ausdruckslos, als er von derVernichtung der FERRANIA hörte. Der detaillierteBericht stammte von dem Kommandanten einesKreuzers, der zur Unglücksstätte geeilt war. Eskonnte kein Zweifel daran bestehen, daß es sich umeinen Unfall handelte. So sehr Rhodan denZwischenfall auch bedauerte, so erleichtert war erauch wieder über die Tatsache, daß dem Accalauriealler Wahrscheinlichkeit nach nichts geschehen war.Es ging in erster Linie darum, jedes Mißverständniszu vermeiden.

Accutron Mspoern besaß noch für vier TageAtemluft.

Die Untätigkeit begann an Rhodans Nerven zuzerren, aber es wäre beim Stand der Dinge völligsinnlos gewesen, wenn er sich selbst an denKontaktversuchen beteiligt hätte. Er konnte nichtüberall zugleich sein, aber wenn irgendwo in derGalaxis die entscheidende Begegnung stattfand,würde die KALUP in kürzester Zeit dort sein.

Das allerdings mußte in den nächsten vier Tagengeschehen.

Wenn einer der ungewissen Zukunft mitGelassenheit entgegenblickte, dann war es derHauptbetroffene selbst: Accutron Mspoern. Er ließsich nur selten außerhalb seiner spezielleingerichteten Kabine blicken, sondern lag meist aufseinem Bett und lauschte der seltsamen Musik seinesRoboters. Er bewegte sich so wenig wie möglich, umLuft zu sparen.

Rhodan hatte einige Stunden geschlafen und warin die Kommandozentrale zurückgekehrt. Er ließ sichdie inzwischen eingetroffenen Meldungen vorspielenund fand seine Befürchtung bestätigt. Es hatte wiedermehrere Sichtungen von Accalauries gegeben, aberin jedem Fall hatten die Antimateriellen auf dieAnnäherungsversuche der Terraner nicht reagiert,sondern waren jeder Begegnung ausgewichen.

Oberstleutnant Reigon Teipler sagte:»Ich verstehe nur nicht, warum der Accalaurie

nicht versucht, mentalen Kontakt zu seinem Volkaufzunehmen. Hat er nicht behauptet, diesogenannten Blätter wären dazu in der Lage?Schließlich halten wir uns in der Gegenwart auf,nicht in einer anderen Zeitebene.«

»Ich glaube, wir dürfen das mit dem mentalenKontakt nicht so wörtlich nehmen und auf keinenFall mit Telepathie verwechseln. So wie ich esverstanden habe, senden die Accalauries ihrengesamten Geistesinhalt in Form einesEnergieimpulses nur dann aus, wenn sie sterben.«

»Accutron sprach von einem ständigen Kontakt,Sir«, erinnerte der Kommandant. »Er sagte, siewüßten stets vom anderen, wo er sich aufhält.«

»Wenn das so wäre, müßte es eine logischeErklärung dafür geben, daß Accutron sich nicht anunseren Kontaktversuchen beteiligt. Warum nicht,wenn er dazu in der Lage ist? Will er nicht gerettetwerden?«` Rhodan schüttelte den Kopf. »Ich binsicher, daß er es einfach nicht kann. Vielleicht ändertsich sein Benehmen, wenn wir selbst ein Schiff derAccalauries sichten und versuchen, Kontakt mit ihmaufzunehmen.«

»Sie meinen also, daß auch die Entfernung einewichtige Rolle spielt?« »Ja. Zumindest: wäre das eineErklärung.«

Ein Offizier der Orterzentrale näherte sich demKommandanten. In der Hand hielt er eine Notizfolie.Teipler sah ihn fragend an.

»Ja, was ist?«»Neue Sichtungen, Sir. Die Entfernungen sind

unterschiedlich und bisher konnte auch kein direkterKontakt hergestellt werden. Es sieht so aus, alserhöhe sich die Tätigkeit der Accalauries.«

»Sie meinen, die leuchtenden Energieblasentauchen immer öfter auf?« »So ist es, Sir.«

»Sie dürfen nicht vergessen«, wandte Rhodan ein,»daß wir nach ihnen suchen und hier alleentsprechenden Meldungen sammeln. Es ist durchausmöglich, daß nicht ein Schiff der Accalauries mehr inunserer Milchstraße vorhanden ist. Wir sollten unshüten, falsche Schlüsse zu ziehen.«

Als der Offizier in die Orterzentralezurückgegangen war, nahm Rhodan die Notizfolieund las sie durch. Er legte sie auf den schmalenKontrolltisch zurück.

»Es wird sich bei vielen Beobachtungen umdieselben Schiffe handeln«, vermutete er. »Wir habenkeine Möglichkeit, sie zu unterscheiden, außerdemwissen wir nicht, wie schnell sie sein können. Mitanderen Worten: wenn hundert Sichtungsergebnissevorliegen, kann es sich möglicherweise immer umdasselbe Schiff der Accalauries handeln. Das aberläßt eine weitere Schlußfolgerung zu: derKommandant dieses Schiffes muß inzwischen zu derÜberzeugung gelangt sein, daß wir einen Kontakt mitihm wünschen.« »Nur ein einziger Accalaurie, Sir?«Rhodan lächelte.

»Natürlich handelt es sich bei meiner These umden Idealfall, ich bin überzeugt, daß ich übertreibe.Aber ich bin auch genauso überzeugt, daß es sich beihundert Beobachtungen keineswegs um hundertverschiedene Fremdschiffe handelt. Wenn wir Glückhaben, ist einer der Accalauries inzwischen soneugierig geworden, daß er das Risiko eingeht,positiv auf einen Kontaktversuch zu reagieren.«

»Es wäre zu wünschen«, stimmte Teipler zu.

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*

Die PINIMARA hatte ihren Standort nurgeringfügig verändert.

Der Chef der Ortung, Leutnant Kher, hatte alleHände voll zu tun. Laufend gingen Sichtmeldungenanderer Schiffe ein, und fast erschien es wie einWunder, daß sie selbst inzwischen keinemAccalaurie mehr begegnet waren.

Nur fünfhundert Lichtjahre entfernt wurde dieROMA von drei leuchtenden Energieblasenregelrecht eingekreist, ohne jedoch von innenernsthaft bedrängt zu werden. Der Kommandant hatteversucht, durch offene Funksprüche Kontaktaufzunehmen, jedoch keine Antwort erhalten, Ehesich die zehntausend Lichtjahre entfernte KALUPmit ihrer Spezialausrüstung in Marsch setzen konnte,waren die drei Accalauries plötzlich spurlosverschwunden.

Sie konnten selbst im Linearraum nicht geortetwerden, was die Vermutung zuließ, daß sie dieGrenze zum »anderen Universum« überschrittenhatten.

Major Tang, der Kommandant der PINIMARA,schüttelte verärgert den Kopf, Man hatte ihn natürlichnicht voll informiert, aber die wenigen Einzelheiten,die offiziell bekanntgeworden waren, genügten injeder Beziehung, um die abenteuerlichsten Gerüchteaufkommen zu lassen.

Seine Laune besserte sich auch dann nicht, als derErste Offizier kam, um ihn abzulösen.

»Wir müssen es anders anfangen, Captain, wennwir ein zweites Mal so einem Ding begegnen. HaltenSie die Augen offen, und wecken Sie mich sofort,wenn Sie etwas bemerken. Verändern Sie denStandort wie bisher nur alle zwei Stunden um einenLichtmonat. Richtung weiterhin Eastside. SammelnSie die eingehenden Meldungen.«

»Schon in Ordnung, Chef. Sie können ruhigschlafen gehen.«

»Hm«, knurrte Tang und ging mit fast zierlichenSchritten zur Tür. »Wollen hoffen, daß es dabeibleibt. Und lassen Sie sich inzwischen etwaseinfallen. Mit normalen Funksprüchen locken wirkeinen Accalaurie aus der Reserve.«

Da hat er recht, dachte Captain Akim Brodsal, alser allein vor den Kontrollen saß. Man sollte es wirklich einmal ganz anders versuchen. Optischvielleicht.

Wie wäre es mit einem hübschen Weihnachtsbaumzum Fest? Captain Brodsal mußte lächeln, als erdaran dachte, daß morgen Heiliger Abend war.

Es war ein etwas wehmütiges Lächeln.

*

Das Schiff war fünfhundert Meter lang und hattedie Form eines an beiden Enden gleichmäßigabgerundeten Eies. An der dicksten Stelle betrug derQuerdurchmesser etwa dreihundertfünfzig Meter.

Das Schiff war in eine leuchtende Energieblasegehüllt, deren Durchmesser fünf Kilometer betrug.Diese Energieblase schützte zuverlässig vor demKontakt mit der Materie dieses Universums.

Kommandant Mitare Shban galt als einer dertapfersten »Blätter« seines Familienastes. Immerwieder war er mit seinem Schiff in das unheimlicheUniversum vorgedrungen, das aus feindlicherMaterie bestand. Bevor die Wissenschaftler denSchutzschirm entwickelt hatten, war ein solchesVorhaben glatter Selbstmord gewesen. Heute war dasRisiko längst nicht mehr so groß. Nur bei Welten mitextremen Gravitationsverhältnissen konnte esgeschehen, daß der Energieschirm zusammenbrachund keinen Schutz mehr gewährte.

Shban war nicht nur ein mutiger und fähigerKommandant, er galt auch als hervorragenderWissenschaftler. Er kannte seinen Auftrag undwußte, daß von einem positiven Ergebnis dasWeiterbestehen seines Volkes abhing: Niemandkonnte für alle Zeiten isoliert leben.

Shban kannte die Forschungsergebnisse seinesVolkes. Er hatte alle Berichte früherer Expeditionengelesen und wußte, daß sein Universum »anders«war. Es paßte nicht finden Rahmen der normalenExistenzebene. Es war in der Tat antimateriell. Unddamit hatte er das Problem von Grund auf erfaßt: Sie,die Accalauries, waren nicht normal, Sie warenanders.

Seit vielen Jahren schon versuchten sie nun, eineMöglichkeit der gefahrlosen Kontaktaufnahme mitden »normalen« Intelligenzen der anderen Universenzu finden. Bisher vergeblich. Immer wieder war es zuverhängnisvollen Begegnungen gekommen, an denenkeiner der daran Beteiligten die Schuld trug.

Sein Schiff hatte eine Besatzung von dreihundertAcealauries, fast alles nur Techniker undWissenschaftler. Sie alle gehörten zu den besten»Blättern« ihres »Astes«, und damit waren sie diewertvollsten »Blätter« des »Stammes«, also ihresVolkes.

Sie suchten etwas, das sie selbst nicht kannten.Wenn sie etwas kannten, dann nur die erhoffteWirkung, die nur in der Theorie existierte. Aber esmußte sie geben, sonst wäre der Sinn allen Daseinsverloren, der Sinn jeder Existenz, wo auch immer.

Die vielen Begegnungen mit den verschiedenenRassen dieses fremden Universums hatten ergeben,daß es friedliebende und kriegslüsterne Völker gab.Die erste Kategorie überwog. Und wenn jemandangriff, so stand nicht fest, ob es aus purerAngriffslust oder aus Furcht vor dem Fremden,

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Unverständlichen geschah. Denn noch niemals wares bisher gelungen, einen direkten Kontakt zu denIntelligenzen dieser fremdmateriellen Galaxisherzustellen.

Mitare Shban hatte sich vorgenommen, das zubewerkstelligen. Das Wohl seines Volkes war mehrals sein Leben oder das seiner Mannschaft.

Er saß allein in der Kommandozentrale seinesSchiffes, das mit einfacher Lichtgeschwindigkeitdurch das fremde Universum eilte. In der Nähestanden keine Sonnen, und der Raum war frei vonSchiffen.

Muße zum Denken für Mitare Shban.Seit Jahrunderten - oder waren es Jahrtausende ...?

- hatten die Accalauries (sie nannten sich natürlichanders) angenommen, die einzigen intelligentenLebewesen des Universums zu sein. Dann fanden sieandere und nahmen Kontakt zu ihnen auf. Sie bliebendie beherrschende Rasse und die intelligenteste.

Bis ein genialer Wissenschaftler eines. Tagesentdeckte, daß es nicht nur andere Galaxien, sondernandere Universen gab. Der Übergang zu diesenanderen Universen war nur unter besonderenUmständen möglich. Eine Grenze aus Raum und Zeitmußte überwunden werden.

Doch alle diese anderen Universen bestanden ausFremdmaterie.

Das eigene war in ihnen eingebettet.Und das war das Problem!Falln Srp, der Physiker, kam in die

Kommandozentrale und sah auf den Bildschirm. Ersetzte sich erst, nachdem ihm Shban die Erlaubnisdazu erteilt hatte.

»Unsere Mission ist bald beendet, Shban.«»Aber wir haben die uns gestellte Aufgabe noch

nicht erfüllt.«»Wir haben es versucht.«»Ja, und wir leben noch. Weißt du, wieviel von uns

starben?«»Ihre Zahl ist nicht abzuschätzen, Es müssen sehr

viele sein.«»Soll ihr Tod umsonst gewesen sein?«Falln Srp sah wieder auf den ovalen Bildschirm.»Du willst noch nicht zurückkehren, Shban?«»Täten wir es, würden wir unserem Volk einen

schlechten Dienst erweisen. Unsere bisherigenBegegnungen mit den Kugelschiffen zeigeneindeutig, daß wir es zwar mit vorsichtigen, aberkeineswegs feindlich eingestellten Lebewesen zu tunhaben. Sie kennen die Raumfahrt, und ihreIntelligenz ist der unserigen ebenbürtig. Vielleichtkönnen sie uns helfen.«

Diesmal protestierte Srp energischer.»Warum sollten sie das? Solange sie nicht in

unserem und wir nicht in ihrem Universum gefahrlosleben können, kann niemand dem anderen etwas

streitig machen wollen. Es gäbe keinen Grund fürFeindseligkeiten.«

»Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, Srp.Es sollte schon allein das wissenschaftliche Interessesein, das uns den echten Kontakt mit den Fremdenwünschen läßt. Du weißt, daß wir ihreFunksendungen endlich empfangen und speichernkönnen. Wir sind dabei, ihre Sprache zu erlernen.Sollte auch das unnötige Mühe gewesen sein? Undhast du die Empfehlung des Baumes vergessen?Sagte er nicht: Die letzte Erkenntnis ist alles, dasLeben des Blattes nichts ...?«

»Nichts habe ich vergessen, Shban, aber unsereZeit ist abgelaufen. Wir sind schon zu langeunterwegs und sollten zurückkehren, um anderenwagemutigen Blättern die Bewährungsprobe zuermöglichen. Wir haben viele Erkenntnisase aufdieser Reise in das fremde Universum gewonnen -nicht die letzten, zugegeben, aber viele undwertvolle. Zusammen mit denForschungsergebnissen der anderen Schiffe ergibtsich ein Bild von der Struktur der Welt, das wireinzeln gar nicht übersehen können. Was wissen wirschon vom Aufbau der Universen? Was wissen wirvon der Aufgabe der Galaxien, die wie Sandkörner indiesen Universen verstreut wurden? Haben wir dasGeheimnis des Zeitstroms je restlos ergründenkönnen? Nein. Aber das hat nichts damit zu tun, daßwir fristgemäß zu unserem Volk zurückkehrenmüssen.«

Mitare Shban deutete auf ein seltsam anzusehendesInstrument unter dem ovalen Bildschirm.

»Die Frist ist noch nicht abgelaufen, Srp, da irrstdu. Wir haben noch Zeit. Und wir werden sie nutzen...«

Ein Signal ertönte. Shban schaltete dieSprechanlage ein. Die Orterzentrale meldete sich.

»Kommandant, wir haben Kontakt zum Schiff RorLkos. Es will die Suche gemeinsam mit unsfortsetzen. Wie lautet Ihr Befehl?«

»Wir warten hier auf Lkos.«Falln Srp erhob sich und ging zur Tür. Bevor er

den Raum verließ, sagte er:»Wir müssen später noch einmal darüber sprechen,

Mitare Shban.« Der Kommandant des accalaurischenSchiffes gab ihm keine Antwort mehr.

Er ließ die Komputer den Kurs zur nächsten Sonneberechnen.

7.

Montag, der 24. Dezember 3432Terra-Normal-Zeit Accutron Mspoern teilte

Rhodan mit, daß seine Atemluft schlechter gewordensei und nur noch für zwei Tage reichte. Er stand nichtmehr vorn Bett auf und ließ sich die Speisen von

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Lobbyhuvos bringen. Noch einmal bat er eindringlichdarum, nicht sinnlos hier sterben zu müssen, sonderndurch seinen Tod der Mannschaft einen Diensterweisen zu dürfen.

Rhodan lehnte das abermals ab. Über dieHyperantenne strahlte er erneut den Befehl aus, einSchiff der Accalauries zu stellen und es solangefestzuhalten, bis die KALUP eintraf. Da alleVersuche, durch Funk Kontakt mit denAntimateriellen aufzunehmen, gescheitert waren,empfahl Rhodan neue Methoden. Er schlug vor, dieFremden durch Leuchtsignale auf sich aufmerksamzu machen und warnte gleichzeitig davor, denEindruck eines Angriffs zu vermitteln.

Rhodan wußte selbst, wie vage seine Anordnungwar.

Mit gemischten Gefühlen wartete er dieGeneralbestätigung der Relais-Stationen ab. SeinTagesbefehl, wenn man es so nennen wollt, warweitergeleitet worden. Wenn die Kommandeure derFlotte nicht gerade schliefen, mußten sie jetzthandeln und ihre Anordnungen weitergeben. Eskonnte nur noch Stunden dauern, bis das erste Schiffder Accalauries entdeckt wurde.

»Übernehmen Sie jetzt«, bat Rhodan denKommandanten Reigon Teipler. »Ich bin in meinerKabine. Unterrichten Sie mich, wenn eineKontaktmeldung eintrifft.«

Er ließ sich Zeit, in seine Kabine zu gelangen.Einen Augenblick überlegte er, ob er AccutronMspoern aufsuchen sollte, aber dann verzichtete erdarauf. Es gab keinen Trost für den Accalaurie, derim Gegenteil wieder darauf bestehen würde, sich fürdie Terraner zu opfern.

Zehn Meter, bevor er die Tür zu seiner Kabineerreichte, lief ihm der Mausbiber über den Weg.Unter dem linken Arm trug er einflaches Paket, daser fest an sich drückte, als er Rhodan erblickte.

»Hallo«, sagte er und wollte sich vorbeidrücken.Rhodan hielt ihn fest.»Wo, treibst du dich wieder herum?«Er deutete auf das Paket, »Was hast du denn da?«Gucky schob den, geheimnisvollen Gegenstand

hinter seinen Rücken. »Och ... überhaupt nichts,Perry.« »Seit wann packt man nichts` so sorgfältigein, Kleiner?«

Das Paket war höchstens zwei Zentimeter dick,maß aber sonst etwa dreißig mal fünfzig Zentimeter..

»Frage., mich bitte nicht, sonst verdirbst du mirden. Spaß. Hast du vielleicht Angst, ich hätte einenKomputer geklaut? Der paßt hier bestimmt nichtrein.«

Rhodan ließ sich von der burschikosen Art nichtablenken.

»Raus mit der Sprache, Gucky, sonst muß ichnachsehen. Ich liebe keine Geheimnisse. Auch nicht

zwischen dir und mir.«»Ich auch nicht, wirklich nicht. In ein paar Stunden

weißt du, was hier drin ist. Übrigens stammt es nichtaus dem Schiff. Ich habe es von der Erdemitgebracht. Schließlich denke ich weiter als diemeisten Menschen. Nun, kann ich gehen?«

Rhodan musterte ihn einige Sekunden mitforschenden Blicken, aber es gelang ihm nicht, dengeringsten Gedankenfetzen Guckys zu empfangen.

»Na, von mir aus zieh weiter. Und entschuldigemeine natürliche Neugier. Ich werde mich einesTages für deine Standhaftigkeit revanchieren.«

»Das wäre aber hübsch«, murmelte Gucky wenigüberzeugt und drückte sich an Rhodan vorbei. Insicherer Entfernung blieb er stehen und sah zurück.»Übrigens ist heute Weihnachten«, fügte er hinzu,und eine Sekunde später war er um die.Korridorbiegung verschwunden.

Rhodan mußte sich eingestehen, daß er das fastvergessen hätte. Weihnachten! Auch imfünfunddreißigsten Jahrhundert hatte dieses Festseine Bedeutung noch nicht verloren. Einige der altenGebräuche waren allerdings naturbedingtenVerhältnissen zum Opfer gefallen. So gab es zumBeispiel, auf der Erde noch den Weihnachtsbaum,aber nur einen einzigen für jede Stadt oderAnsiedlung. Er wurde auf einem öffentlichen Platzaufgestellt und konnte dort bewundert werden. Wereinen Baum zu Hause im Wohnzimmer haben wollte,mußte das Videogerät einschalten. Der spezielleingerichtete Weihnachtskanal zeigte den Baum dreiTage.

Als Rhodan die Tür hinter sich verschlossen hatte,gingen seine Gedanken zurück ins zwanzigsteJahrhundert. Damals hatte es noch genugTannenbäume in den irdischen Wäldern gegeben,wenn sich auch manche warnende Stimme erhobenhatte, wenn im Dezember das große Schlagenbegann. Später ersetzten künstliche Bäume dieausgeraubten Forstungen. Aber sie waren nur einNotbehelf. Genauso wie die ausgestrahlten Bilder aufdem Schirm des Videogerätes.:

Heiliger Abend, und einige Kabinen weiter warteteein intelligentes Lebewesen aus einem anderenUniversum auf einen Tod.

Rhodan setzte sich.Gab es denn wirklich keinen anderen Ausweg, als

den Versuch zu unternehmen, ein Schiff derAccalauries zu stellen - oder wie immer man esnennen wollte? Seit fünf Tagen wurde das vergeblichversucht, warum sollte es ausgerechnet in denverbleibenden zwei Tagen gelingen?

Vielleicht wäre es vernünftiger, MspoernsVorschlag noch einmal zu überdenken. DerAccalaurie konnte den Todessatelliten vielleichtwirklich vernichten, und sein Tod hätte einen Sinn.

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Nein!Rhodan wußte, daß er das niemals zulassen würde.

Auch der Zweck, der die Mittel heiligte, besaß seineGrenzen.

Wie weit ließen sie sich stecken? Es klopfte an dieTür. Rhodan ging und öffnete sie.

Ras Tschubai stand auf dem Korridor.»Störe ich, Chef?« »Unsinn, Ras. Kommen Sie.«Der Teleporter setzte sich in den Sessel. Er

wartete, bis auch Rhodan Platz genommen hatte.»Ich wußte nicht, ob Sie schliefen Wirklich, es ist

nicht so, wichtig ... « »Was ist, Ras?«»Heute ist Heiliger Abend ... «Rhodan nickte.»Ich weiß. Teipler wird jedem Besatzungsmitglied,

ein Geschenk überreichen lassen. Wir haben darangedacht; als wir auf Merkur warteten. Es ist so üblichin der Flotte.«

»Natürlich, es ist so üblich. Das war es schonimmer. Aber ich mag nicht an Weihnachten denken,wenn nebenan, jemand stirbt. Verstehen Sie das?«

Rhodans Gesicht wurde ernst und etwas müde.»Und ob ich das verstehe! Aber ich sehe keinen

Ausweg. Wir müssen warten und hoffen. Noch zweiTage lang.«

»Und dann?«Rhodan gab keine Antwort: Er sah an Ras vorbei,

zum ersten Mal in seinem langen Leben ohneHoffnung und Zuversicht; Weihnachten im Jahr3432. »Trotzdem werden wir heute an derMannschaftsfeier teilnehmen«, sagte er schließlich.

Sie fand in den Messen statt, und Rhodan nahmsich die Zeit, überall zu erscheinen, wenn auch nurimmer für wenige Minuten. Sein Erstaunen war echt,als ihm Gucky abschließend das flache Päckchenüberreichte, das er Stunden zuvor in seiner Handgesehen hatte. Gespannt öffnete er es.

Es war ein Bild. Das dreidimensionale und farbigeBild eines verschneiten Tannenbaums in einemirdischen Wald..

Er legte dem Mausbiber die Hand auf, dieSchulter.

»Vielen Dank, Kleiner. Wo hast du das denn her?«»Bully besorgte es mir. Freust du dich darüber?«»Sehr. Ich werde es in meiner Kabine aufhängen.

Aber ...«, Rhodan war richtig verlegen, » ... ich habenichts für dich.«

Gucky grinste.»Wie wäre es mit einer Sonderration

Spargelspitzen?«

*

Auf der PINIMARA verlief das Fest ganz anders.Kommandant Oberstleutnant Tschui Tang wußte

zwar, daß der Kontakt mit einem Schiff derAccalauries hergestellt werden sollte, aber er hatte

nicht die geringste Ahnung,: warum das geschehensollte. Jedes Mitglied der Mannschaft erhielt eins derlängst bereitliegenden Päckchen, die seit Jahren fürdiesen Zweck vorbereitet und an alle Schiffe verteiltworden waren.

Das Fest war zur Routine geworden, und lediglichCaptain Akim Brodsal machte eine Ausnahme.Zusammen mit einigen Technikern hatte er währenddes Normalfluges durch das Einstein-Universum dasSchiff verlassen und an der Außenhülle farbigeLampen angebracht, die er während der offiziellenFeier unter Strom setzte. Gleichzeitig schickte er eineautomatisch gesteuerte Sonde mit einerAufnahmekamera aus.

Die PINIMARA erschien auf allenInterkomschirmen, und sie sah aus wie eine farbigerstrahlende Christbaumkugel. Um sie herum standendie Sterne der Galaxis, meist weißleuchtend, abermanche von ihnen ebenfalls grün, rot oder blau.

Ein wunderbares Bild, das die unvorstellbareEntfernung zur heimatlichen Erde vergessen ließ.

Major Tang zeigte sich tief beeindruckt und vergaßsogar, seinen Ersten Offizier wegen der umgangenenDienstvorschrift zu rügen. Im Gegenteil: Er sprachihm ein Lob aus und ordnete seinerseits an, daß dieLampen blieben.

Wenigstens vorerst.Er ahnte in diesem Augenblick noch nicht, daß

diese Weihnachtsbeleuchtung über das Schicksal vonUniversen entscheiden würde.

8.

Dienstag, der 25. Dezember 3432Terra-Normal-Zeit An Bord des

Accalaurie-Schiffes begann dieser Tag wie alleanderen, wenn man von der an und für sichbedeutungslosen Begegnung mit Ror LkosForschungskreuzer absah. Sie trafen sich in der Näheeines gelbgrünen Doppelsternes, den zwei Planetenumkreisten. Beobachtungssonden berichteten wenigspäter dem Kommandanten Mitare Shban, daß beidePlaneten unbewohnt waren.

Falln Srp, der von Gewissensbissen geplagt wurde,erbot sich, in einer Energieblase zur Oberfläche deszweiten Planeten abzusteigen, da die Meßwertehochperiodische Elemente anzeigten.

Shban gab die Erlaubnis und forderte seinen ErstenPhysiker auf, Proben der verschiedenenGesteinsformationen in der Spezial-Energie-Taschemitzubringen. Sie würden bei späteren Experimentenmit der feindlichen Materie eine besondere Rollespielen.

Srp blieb noch lange genug an Bord des Schiffes,um Ror Lkos Bericht zu hören. Der andereAccalaurie behauptete, eine intensive Bemühung der

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Intelligenzen dieses Universums bemerkt zu haben,Kontakt mit den »Blättern des ehrwürdigenStammes«, aufzunehmen. Er versicherte, daß es sichdabei zweifellos um den Versuch einer friedfertigenKontaktaufnahme handelte, der man sich nur durchschleunige Flucht entziehen könne, wollte man nichtdas Opfer der gegensätzlichen aufgeladenen Materiewerden.

Srp stieg in seine Energieblase und begann denAbstieg.

Die erste direkte Berührung mit der Atmosphäredes fremden Planeten bestätigte ihm, daß dieAbsicherung durch die Energieblase intakt war.Nichts passierte. Die Isolierung war perfekt.

Der Physiker ließ das winzige Raumschiff weiterabsinken und näherte sich der Oberfläche, diegewaltige Unebenheiten aufwies. DieMeßinstrumente bestätigten, daß die Schwerkraftdurchaus in normalen Grenzen blieb und von denAntigravfeldern der Blase neutralisiert werdenkonnte. Die ebenfalls isolierten Greifinstrumentefunktionierten einwandfrei.

Eine breite und tiefe Spalte zwang Srp zu einerKursänderung. Er landete schließlich auf einer mitGesteinsbrocken übersäten Ebene und begann mitseiner wissenschaftlichen Arbeit.

Inzwischen besuchte Ror Lkos seinen KollegenMitare Shban auf dessen Schiff. Sie tauschten ihreErfahrungen aus, und beide kamen dann zu demErgebnis, daß es den Terranern, wie sich dieIntelligenzen dieser Galaxis in erster Linie nannten,wirklich auf einen friedlichen Kontakt ankam.

Das aber war vorerst unbegreiflich.Jeder solche Kontakt mußte mit einer

physikalischen Katastrophe enden.Es war Mitare Shban, der dieser Ansicht

widersprach.»Ror Lkos, ich habe lange mit meinem

Chefphysiker gestritten, und ich bin weder seinernoch vollständig Ihrer Meinung. Es muß eineMöglichkeit geben, die Materie unseres Universums,das in der Tat eine Ausnahme darstellt, umzupolen.Nein, protestieren Sie jetzt nicht, sondern lassen Siemich aussprechen. Alle unsere Atome besitzenelektrische Ladungen, die genau umgekehrt liegenwie in diesem Universum. Bei Kontakt entsteht einspontaner Austausch in Form einer verheerendenExplosion mit Energiefreigabe. Wenn es gelingt,etwa in der Form eines Magnetischen Feldes, unsergesamtes Universum einfach umzupolen, gäbe esdiese Gefahr nicht mehr. Diese universelleUmpolung müßte natürlich nicht nur denMakrokosmos, sondern auch den gesamtenMikrokosmos betreffen. Ein gewaltiges UniversumFeld, ähnlich dem Magnetfeld eines Planeten mitTrabanten, muß umzupolen sein. Eine Theorie,

zugegeben, aber eine durchaus reale; finde ich.« RorLkos blieb skeptisch.

»Ich weiß nicht, Mitare Shban, ob Sie da nicht zuweit gehen. Was Sie sagen, ist blanker Wahnsinn undundurchführbar. Sicher, Sie sind der bessereWissenschaftler, aber auch ich habe studiert, bevorman mir ein Schiff anvertraute. Wir suchen einElement, das isoliert und das den direkten Kontaktzwischen den Materien der beiden Universenverhindert. Ich finde, das ist eine reale Lösung. AberIhre ...?«

»... ist nicht weniger real, Lkos. Wir habenherausgefunden, daß gewisse Typen von Sonnen sichselbst umpolen, und zwar in regelmäßigenZeitabständen. Sie verändern innerhalb wenigerSekunden ihr elektrisches Magnetfeld. Der Nordpolwird zum Südpol und umgekehrt. Wenn wir dieUrsache dieser natürlichen Umpolung entdecken,ließe sich auch die elektrisch-atomare Ladung derMaterie eines ganzen Universums umkehren.«

»Eine erschreckende Theorie, Mitare Shban. Ichwage es nicht, an ihre Verwirklichung zu denken. Siekönnte unseren Untergang zur Folge haben.«

»Sie könnte uns aber endlich auch aus unsererIsolierung herausreißen, Ror Lkos. Jedenfalls werdeich meine Idee dem Rat des Baumes vortragen, undsollte ich jemals Kontakt zu den Intelligenzen diesesUniversums erhalten, werde ich auch mit ihnendarüber sprechen.«

Ein Mitglied der Besatzung störte dieUnterhaltung. Der Accalaurie gab bekannt, daß FallnSrp mit seinem. Landeboot die Oberfläche desPlaneten erreicht hatte.

»Beenden wir unseren Erfahrungsaustausch«,schlug Shban vor. »Ich habe jetzt Arbeit. Werden Siemit Ihrem Schiff in der Nähe bleiben?«

»Noch ein wenig. Vielleicht sehe ich mir denanderen Planeten an, wenn Sie keinen Einwandhaben?«

»Einverstanden.«Während Ror Lko in sein eigenes Schiff

zurückkehrte, begab sich Mitare Shban zu denBeobachtungsständen und nahm Verbindung zu demgelandeten Falln Srp auf.

*

Auf den Karten war die Doppelsonne verzeichnet.Die beiden dazugehörigen Planeten wurden alsunbewohnt und nicht kolonisierbar eingestuft undwaren daher für eine Besiedlung uninteressant.Leutnant Kher von der Ortung überbrachteKommandant Tschui Tang die Daten.

»Sieben Lichtjahre, sagen Sie?« »Ungefähr, Sir.Und Sie können sich darauf verlassen, daß ich michnicht irre.«

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»Zwei Ortungen?«»Ja, Sir. Es muß sich um größere Einheiten der

Accalauries handeln. Die Energieblasen haben einenDurchmesser von fünf Kilometern.«

»Danke.« Der Kommandant ließ Captain AkirnBrodsal wecken und wartete, bis er in der Zentraleeintraf. Er unterrichtete ihn und fragte: »Was haltenSie davon, Captain? Sie wissen, daß ich selbstwichtige Entscheidungen treffen kann, wenn es seinmuß, aber in diesem Fall halte ich es für besser, wennwir uns beraten. Es hängt zuviel davon ab, daß wirrichtig handeln.«

»Warum richten wir uns nicht nach den Befehlendes Flottenoberkommandos? Die besagen docheindeutig, was wir zu tun haben.«

»Nicht in allen Einzelheiten. Natürlich werden wirüber Hyperfunk sofort die Position der Doppelsonnedurchgeben und hinzufügen, daß wir dort zweiAccalauries geortet haben. Die Frage ist nur, ob wirhier abwarten, oder ob wir zu der Doppelsonnefliegen und versuchen, die Accalauries zum Bleibenzu bewegen. Wir gingen dabei natürlich das Risikoein, daß sie einfach verschwinden.« »Auf der anderenSeite können sie genausogut verschwinden, wenn wirbleiben und sie uns nicht einmal bemerken. Ich bindafür, daß wir den Versuch eines Kontaktesunternehmen. Vielleicht haben wir Glück.« Tangnickte.

»Genau das wollte ich von Ihnen hören, Captain.Wir sind uns also einig?«

»Selbstverständlich, Chef. Wir müssen sie nur vonunseren friedlichen Absichten überzeugen, das istalles. Vielleicht können wir sie hinhalten, bis dieanderen Spezialschiffe der Flotte erscheinen.« Erzögerte einen Augenblick, dann fuhr er fort: »Rhodan...? Wir erhalten laufend Befehle von ihm, aber gibtes ihn eigentlich noch? Das Sonnensystem existiertnicht mehr - so sagt man. Trotzdem gibt es noch dieSolare Flotte und Befehle von Rhodan. Ich verstehedas alles bald nicht mehr.«

»Ich auch nicht«, gab Tang ruhig zurück. »EinesTages werden wir die Wahrheit erfahren. Bis dahinhalten wir uns an die Befehle. Sie kommen über dierichtigen Kanäle, Captain.«

Der Interkom summte. Es war die Orterzentrale.»Sir«, sagte Leutnant Kher aufgeregt, »zwei

Einheiten der Flotte stehen drei Lichtjahre entferntund fragen an, ob wir die Accalauries bemerkt hätten:und was wir zu unternehmen gedächten. Sie wollensich an der Kontaktaufnahme beteiligen.«

Tang verlor für eine Sekunde seine sprichwörtlicheRuhe.

»Kommt gar nicht in Frage; die verscheuchen unsnur die. Leuchtblasen. Sie sollen verschwinden, soschnell wie möglich und in entgegengesetzterRichtung. Ist das Flottenkommando schon

unterrichtet?«»Die Koordinaten wurden durchgegeben. Es traf

noch keine Bestätigung ein.«. »Die warten wir auch nicht ab, Leutnant. Bleiben

Sie trotzdem auf Empfang. Ende.« Er sah AkimBrodsal an. »Dann wäre es wohl soweit. Halten Siedie Daumen, Captain ...«

Die Entfernung zu jener Stelle, an der einst dieEide gestanden hatte, betrugneuntausendsiebenhundertunddreizehn Lichtjahre.Dabei spielten die sieben Lichtjahre bis zurgelbgrünen Doppelsonne keine Ralle mehr. DerNavigationskomputer der PINIMARA hatte dieLineardaten geliefert. Sie wurden in die Automatikgefüttert. Major Tschui Tang legte die Hand auf denFahrthebel. Er sah Brodsal noch einmal an, dann zoger den Hebel vor und leitete den Flug ein.

In atemloser Spannung warteten sie und alle in derKommandozentrale anwesenden Offiziere auf dasZurücktauchen in den Normalraum. Die Doppelsonnewar als winziger Lichtpunkt auf demPanoramaschirm sichtbar geblieben, wuchs aberschnell und wurde rapide größer.

Dann erschienen die anderen Sterne - und diebeiden Leuchtblasender Accalauries:

Tang stoppte die Fahrt fast gänzlich ab und ließ diePINIMARA langsam in Richtung der beidenAccalauries treiben. Er war davon überzeugt, einenfriedlichen Eindruck zu erwecken.

Gleichzeitig begann die Funkzentralen zu senden.Immer wieder ließ Tang über den Translatorversichern, daß er in friedlicher Absicht komme unddaß man eine vorsichtige Kontaktaufnahme wünsche.Er war sicher, daß man seine Funksignale empfingund auch verstehen konnte.

Aber es erfolgte keine positive Reaktion.Im Gegenteil:Einer der beiden Accalauries nahm plötzlich Fahrt

auf und raste dann in Richtung der Doppelsonnedavon. Bevor er sie erreichte, tauchte er imLinearraum unter. Tang verzichtete darauf, ihn durchden Halbraumspürer verfolgen zu lassen.

Er konzentrierte sich ganz auf die verbliebeneLeuchtblase.

Ihr Kommandant schien nicht ganz so ängstlichwie der geflohene zu sein:

Er blieb.Wenig später erkannte Tang auch die Ursache

dafür. Auf der Oberfläche des zweiten Planeten orteteLeutnant Kher eine kleinere Leuchtblase, ein Beibootdes größeren Schiffes.

Der Accalaurie ließ seinen Gefährten nicht imStich.

Tang hob die Fahrt ganz auf, als er sich demAccalaurie bis auf wenige Kilometer genähert hatte.Die beiden Schiffe bewegten sich relativ zueinander

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nun nicht mehr, umkreisten jedoch auf einer stabilenUmlaufbahn den zweiten Planeten der Doppelsonne.

»Sie reagieren nicht auf Funksignale«, knurrteBrodsal enttäuscht. »Vielleicht wollen sie nicht«,:gab Tang zurück, ruhig aber sehr gespannt. »Wirsollten uns eine andere Methode ausdenken.Erwähnte der letzte Tagesbefehl nicht optischeLichtsignale?«

Captain Brodsal schlug sich mit der flachen Handvor die Stirn. »Lieber Gott, daß ich daran nicht gleichdachte! Natürlich, das ist die Lösung! UnsereFestbeleuchtung!« Tang sah ihn forschend an.

»Wie meinten Sie, Captain?«»Die farbigen Lampen an der Hülle, Chef! Die

sehen doch nun wahrhaftig friedlich genug aus.Schalten wir sie einfach noch einmal ein, dannwerden wir ja sehen.«

»Und wenn sie das für einen Angriff halten?«»Bunte Lämpchen, Chef? Ich bitte Sieg es handelt

sich doch um intelligente Lebewesen. Ein Angriffsähe anders aus. Nein, ich bin überzeugt, unsereAbsicht ist nicht mißzuverstehen.«

Tang nickte langsam.»Vielleicht haben Sie recht, Captain. Wir können

es ja versuchen. Aber ein Licht nach dem anderen,nicht alle auf einmal.« Er schüttelte den Kopf. »Hätteauch nie geglaubt, daß ich einmal mit Hilfe einesWeihnachtsbaumes Kontakt mit fremdenIntelligenzen aufnehmen würde.« »Es gibt doch keinschöneres Symbol dazu, Chef:«

*

Falln Srp wurde von dem Auftauchen desKugelraumers völlig überrascht Keine Vorwarnungkam von Shban.

Er war gerade dabei, erste Gesteinsprobeneinzusammeln, als er plötzlich Ror Lkos Schiff mitrasender Beschleunigung davonschießen sah. Es warreiner Zufall, daß er den grellleuchtenden Fleck amHimmel rechtzeitig erkannte, und kaum war dasgeschehen, da war er auch schon verschwunden.

Srp ließ sich nicht stören und arbeitete weiter.Wahrscheinlich hatte Lkos sich entschlossen einanderes System anzufliegen, oder er begnügte sichmit dem ersten Planeten der Doppelsonne.

Er gab erste detaillierte Daten über seinebisherigen Funde durch. Wie immer feindlicheMaterie mit unterschiedlichen Atomgewichten.Keinerlei organische Materie.

Er schrak zusammen, als Shbans Stimme in seinenOhren gellte.

»Srp, sofort mit dem Aufstieg beginnen. EinKugelschiff hat uns überrascht, zeigt aber keineAngriffsabsichten. Das könnte unsere Chance sein.«

Srp war so erschrocken, daß er vorerst keinen Ton

hervorbrachte. Er kannte ja die Ambitionen seinesKommandanten, nur paßte ihm die Tatsache nicht,daß er ausgerechnet jetzt mit einem Beiboot aufeinem felsigen und lebensfeindlichen Planetenhockte. Wenn Shban auch nur die geringsteUnüberlegtheit beging, waren sie alle verloren.

»Wenn ich auftauche, könnte das mißverstandenwerden, Mitare.« »Und wenn ich überraschendflüchten muß, bleibst du dort, was?« Shbans Stimmewurde schärfer. »Du beginnst sofort mit demAufstieg, beeilst dich jedoch nicht sonderlich. DieFremden müssen optisch wahrnehmen, daß wir keineFurcht empfinden, sondern nur vorsichtig sind. Wirerhalten laufend Funksendungen und senden zurück.Aber sie scheinen uns nicht zu empfangen.«

Srp zog die Greifarme der Energieblase ein undverstärkte deren Antigravfeld. Langsam stieg er nachoben, vorbei an den Steilwänden des Gebirges, bis erden höchsten Gipfel unter sich liegen sah.

Über ihm war der Himmel.Die Sonne war inzwischen untergegangen, so daß

er mit dem bloßen Auge das Schiff Shbans erkennenkonnte. Es zog langsam in östlicher Richtung und Srperhöhte seine Geschwindigkeit und veränderte denKurs, damit er das Rendezvous nicht verpaßte.

Als er nur noch hundert Kilometer schräg unterseinem Mutterschiff war, hielt er verblüfft die Luftan. Nicht - weit von der grellweißen Energieblaseentfernt war auf einmal ein anderes Licht, aber es warnicht weiß, sondern erstrahlte in allen Farben desSpektrums und setzte sich aus Hundertenverschiedener Farbpunkte zusammen. Wie einzusammengedrücktes Universum mit nur ein paarDutzend Metern Durchmesser.

Shban sagte über Funk:»Siehst du es, Falln Srp? Es ist das andere Schiff,

und ich glaube, sein Kommandant will uns Zeichengeben. Sie empfangen unsere Funkzeichen nicht, wirwerden die Frequenzen ändern müssen. Aber dasbunte Licht - das ist nicht zu übersehen.«

»Es sieht gut und friedlich aus«, gab Srpwiderwillig zu. »Hoffentlich kannst du mich jetztaufnehmen. Ich bin bald dort.«

Der Physiker Falln Srp mußte zugeben, daß dieFremden indem Kugelraumschiff sehr deutlich undunmißverständlich ihre friedlichen Absichtenkundtaten. Die farbige Lichtsymphonie war eindeutigals Wunsch nach Verständigung anzusehen, darankönnte kein Zweifel bestehen.

Aber das war es nicht, was Srp beunruhigte. Erwußte, wie gefährlich jeder Kontakt mit der Materiedes anderen. Universums sein mußte. Die Fremdenwußten das auch. Warum also setzten sie ihr Lebenaufs Spiel? Nur aus Neugierde? Oder hatten sie einenanderen Grund?

Vielleicht sogar einen sehr zwingenden, der das

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hohe Risiko rechtfertigte?Srp mußte sich auf das Einschleusmanöver

konzentrieren und verlor den buntleuchtendenKugelraumer aus dem Blickfeld. Er atmete erleichtertauf, als er das Beiboot endlich verlassen konnte undeilte, so schnell er konnte, in die Kommandozentralezu Shban.

Der Accalaurie saß vor dem großen Ovalschirmund betrachtete die buntleuchtende Kugel wie einNaturwunder: Ab und zu erloschen einige derfarbigen Lampen, um Sekunden später wiederaufzuflammen. Sie taten das in einem bestimmtenRhythmus, so daß die Absicht nicht mißzuverstehenwar.

»Sie wollen, daß wir antworten«, sagte MitareShban.

Srp gab das zu,, hatte aber seine Absicht nichtgeändert.

»Natürlich wollen sie Kontakt mit uns, das seheich auch. Aber ich halte das noch immer für zugefährlich. Wir sollten verschwinden.«

»Nein, niemals! Wir warten ab, was sieunternehmen.«

»Sie können nicht mehr tun als bisher.«»Ich weiß nicht, Srp. Ich werde das Gefühl nicht

los, daß sie uns etwas von Wichtigkeit mitteilenwollen. Aber sie können es nicht über Funk tun,außerdem wissen sie nicht, wieviel wir verstehen- Siehaben uns mathematische Symbole übermittelt.«

»Ich bleibe bei meiner Meinung: Vorsicht!«»Gut, ich nehme es zur Kenntnis. Aber ich bin der

Kommandant und bestimme, was wir tun werden.Wir bleiben und warten.«

»Ja, du bist der Kommandant, Mitare Shban. Wirbleiben und warten.«

*

Major Tschui Tang nahm eine Wachhaltetablette,nachdem er im Kontrollsessel gesessen hatte. Erwagte es jetzt nicht, seinen Platz in derKommandozentrale zu verlassen. Captain Brodsa1war mit seinen bunten Lämpchen vollauf beschäftigt,und Leutnant Kher versuchte pausenlos,Hyperfunk-Kontakt mit den Relaisstationen derFlotte zu erhalten.

Alle anderen Offiziere waren auf ihren Posten, undTang war vorsichtig genug gewesen, auch denFeuerleitstand voll besetzen zu lassen. Auf keinenFall wollte er ein iko eingehen.

Aber im Augenblick sah alles so aus, als habe derAccalaurie verstanden und warte ab. Das Landebootkehrte in sein Mutterschiff zurück und wurdeeingeschleust. Niemand behinderte es.

Tang erschien, für kurze Zeit in der Zentrale.»Sieht phantastisch aus unsere Christbaumkugel.

Muß einen gewaltigen Eindruck auf dieAntimateriellen machen. Die rühren sich nicht vomFleck.«

»Dafür verschwand der andere wie der Blitz - mußdie Hosen schön vollgehabt haben.«

»Wenn sie Hosen anhaben«, sagte Brodsal undgrinste.

Ehe Tang etwas erwidern konnte, stürzte LeutnantKher aufgeregt in den Raum. Er schwenkte einenFolienzettel in der Hand.

»Die Bestätigung, Sir! Eben erhielten wir sie überHyperfunk«

Tang nahm ihm den Zettel aus der Hand.»Immer mit der Ruhe, junger Mann«, sagte er und

deutete auf einen Sessel. Kher setzte sich und starrteauf den Panoramaschirm. Die Energieblase desAccalauries schien zum Greifen nah. »Also einSpezialschiff, die KALUP. Nie gehört davon.Kommandant ist ein Oberstleutnant Reigon Teipler,der unter Spezialkommando steht. Hm, da bin ichaber gespannt.« Er wandte sich an den Orterchef. »Istdas alles, Leutnant?«

»Bis jetzt schon, Kommandant. Die Funkzentralebleibt auf Dauerempfang. Es sind noch mehrereSchiffe hierher unterwegs gewesen, aber sie wurdenalle von der ARNO KALUP zurückbeordert. Vonhöchster Stelle erging die Anordnung, daß nur dieKALUP den Kontaktversuch mit dem Accalaurieunternehmen darf.«

»So, von höchster Stelle also ...« murmelte Tangunsicher und warf Brodsal einen Blick zu, den diesermit einem Achselzucken erwiderte. »Wieder mal derverschwundene Rhodan, was?«

»Alle entsprechenden. Meldungen trugen seinKodezeichen, Sir«, bestätigte Leutnant Kherverwundert. Für ihn war Rhodan so etwas wie ei neSagengestalt, bei der es nicht viel Unterschiedmachte, ob sie nun körperlich existierte oder nicht.»Auch der Funkspruch, der von der KALUPausging« Tang sah auf den Bildschirm.

»Sie können gehen, Leutnant. Und Sie, Captain,kümmern sich um Ihren kugelförmigenWeihnachtsbaum. Zaubern Sie den Acclauries einpaar hübsche Farben vor. Blinken Sie ihnenfreundlich zu.«

»Wird erledigt«, versprach der Captain und ging.Als Tang allein war, wurden seine ohnehin schon

schmalen Augen noch schmaler.Er begann dumpf zu ahnen, daß ihm einige

Überraschungen bevorstanden.

*

In der letzten Minute des ersten Feiertags am 25.Dezember wurde Rhodan etwas unsanft durch dendiensthabenden Funkoffizier aufgeweckt. Er hatte

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sich gerade zur Ruhe begeben und schlief nachEinnahme einiger Beruhigungsmittel endlich ein. DerGedanke an Accutron Mspoern, der nur noch fürzehn Stunden Luft besaß, machte ihm schwer zuschaffen.

Als der Interkom lange und hartnäckig summte,erwachte er nur langsam: Er wußte, daß man ihn nurin dringenden Fällen wecken würde, trotzdembenötigte er fast eine halbe Minute, ehe er; sichaufraffen und aufstehen konnte..

Er drückte den Knopf unter dem Bildschirm einund wartete, bis das Gesicht des Funkoffizierserschien. »Ja, Leutnant«

»Eine positive Sichtmeldung, Sir. Knappzehntausend LJ, Eastside. Ein Major Tschui Tang,Kommandant der PINIMARA, Städteklasse. Er hatzwei energetische Leuchtblasen geortet und nimmtKurs auf sie. Die Koordinaten sind ...«

»Danke, Leutnant. Geben Sie dem Kommandantendie Koordinaten. Er soll den Linearflug einleiten. Ichbin in fünf Minuten bei ihm in der Zentrale, Ja, undnoch etwas; Es darf keine Zeit verloren werden.Versuchen Sie eine Relaisverbindung zu derPINIMARA herzustellen.« »Jawohl, Sir.«

Rhodan blieb noch zehn Sekunden vor demBildschirm stehen, dann ging er nebenan in denBaderaum, wusch sich mit kaltem Wasser ab und zogsich an. Pünktlich fünf Minuten nach dem Anruferschien er in der Kommandozentrale. ReigonTeipler beendete gerade seine Berechnungen und sahauf, als Rhodan eintrat.

»Wir werden einige Stunden benötigen, Sir. Esliegt an der Strecke. Genauer Anflug zu riskant.«

»Es muß so schnell wie möglich gehen,Kommandant. Accutron hat nur noch für zehnStunden Atemluft. Wie weit, sind Sie?«

»Alles fertig. Automatik läuft bereits. Sehen Sieauf den Bildschirm, Sir. Wir beschleunigen bereits.«

Die Begleitschiffe der KALUP waren schnellzurückgeblieben. Sie verschwinden in der Tiefe desAlls zwischen Erde und Wegasystem. WenigeMinuten, später setzte das Schiff zur erstenLinearetappe an, die es über eine Entfernung vonzweitausend Lichtjahren hinwegbringen würde.Gucky, der von Rhodans Gedanken aus dem Schlafgeweckt worden war, tauchte in derKommandozentrale: auf. Fellmer Lloyd folgte ihmauf dem Fuße.

»Geht's endlich los?« erkundigte sich derMausbiber. »Mir fielen die Feiertage auch schon aufdie Nerven. Immer so 'rumsitzen und nichtstunschrecklich!« Er setzte sich in einen der freienSessel.. »Sichtung?«

»Ja«, erwiderte Rhodan, ohne auf GuckysBemerkung einzugehen. »Nehmen Sie Platz, Fellmer.Zu erklären brauche ich ja wohl kaum etwas,

schließlich sind Sie Telepath.«»Wann werden wir dort sein?« fragte Fellmer

Lloyd. »Accutron hat nur noch für zehn StundenAtemluft.«

»Ich weiß. Das ist auch der Grund, warum wirkeine Sekunde verlieren dürfen. Hoffentlich gelingtes der PINIMARA, die Accalauries solangefestzuhalten. Wie Major Tang das bewerkstelligensoll, weiß ich allerdings auch nicht.«

»Ihm wird schon etwas einfallen«, knurrte Guckyund betrachtete den Panoramaschirm, als hätte ernoch nie in seinem Leben einen gesehen. »Jedemfällt zu Weihnachten etwas ein.« Ein anzüglicherSeitenblick traf Rhodan wie ein Giftpfeil. »Fastjedem!«

Rhodan ignorierte die Anspielung, daß er diesmalin der Tat vergessen hatte, eineWeihnachtsüberraschung für Gucky zu besorgen. Erbeobachtete, wie die KALUP in dasNormaluniversum zurückkehrte, um mit einfacherLichtgeschwindigkeit weiterzufliegen, während dieKonverter sich für den nächsten Sprung erholten.Denn auch bei der Linearetappe handelte es sich umeinen Sprung, ähnlich wie bei den früherenTransitionen. Man legte Strecken zu rück, die inkeinem Verhältnis zu Zeit und meßbarerGeschwindigkeit standen.

Kaum waren sie im Einstein-Universum, meldetesich die Funkzentrale.

»Laufende Sendung von Major Tang, Sir. EinAccalaurie hat es vorgezogen, zu verschwinden. Derandere bleibt. Tang glaubt, daß er zurKontaktaufnahme bereit ist, auch wenn er dieFunksignale nicht beantwortet. Der Erste Offizier hatdie Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet.«

Rhodan starrte genau zwei Sekunden verblüfft aufden Interkombildschirm, dann schnappte er nachLuft.

»Die ... was?« »Weihnachtsbeleuchtung, Sir. Mehrwar dem Funkspruch Tangs nicht zu entnehmen.Jedenfalls reagiert der Accalaurie auf dieseBeleuchtung positiv. Soll ich einen Rückspruchveranlassen, Sir?«

Rhodan überlegte einen Augenblick, dann sagte er:»Ja, geben Sie durch, daß der Chef in drei Stunden

bei der Doppelsonne ist. Und wenn jemand fragensollte, wer der Chef ist, nennen Sie keinen Namen.Tang gehört nicht zu den Eingeweihten. Sagen Sienur, er würde es schon selbst merken.«

»Jawohl, Sir, geht in Ordnung.« »Will ich auchhoffen«, murmelte Gucky, als die Funkzentraleabgeschaltet hatte. »Übrigens, Perry, ich habeAccutron besucht. Er ist zuversichtlich. Ich habe ihmgesagt, daß wir eine Sichtung haben und hinfliegen.Er will selbst mit dem Kommandanten sprechen, alsomit dem Accalaurie, der die Leuchtblase steuert«

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»Wie denn?«»In seinem Raumanzug, den er ja dauernd tragen

muß, ist doch ein Funkgerät. Er behauptet, damitkönne er Verbindung zu seinen Rassegefährtenaufnehmen.«

Rhodan fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.»Vermeide den Begriff >Rasse< und sage >Volk<.

Es gibt auch nach anderthalbtausend Jahren nochimmer Leute, die das Wort nicht hören können.«

Gucky nickte.»Ja ich weiß. Das sind die Leute, die ein verdammt

schlechtes Gewissen haben.«Rhodan nickte zurück. »Genau, mein Sohn.«Gucky machte ein entsetztes Gesicht.»Huch nein! Ich und dein Sohn? Da kann ich

verstehen, daß du das Wort >Rasse< nicht mehrhören willst. Du wirfst ja alle Vererbungsgesetzeüber den Haufen, Pappi«

Rhodan grinste und sah wieder auf denPanoramaschirm, Die gelbgrüne Doppelsonne wardeutlich zu erkennen.

Und die Datenuhr rückte mit dem großen Zeigereinen Strich weiter vor.

Ein neuer Tag Erdzeit brach an,...

9.

Mittwoch, der 26. Dezember 3432Terra-Normal-Zeit Ein neuer Funkspruch erreichte

die PINIMARA. Als Major Tang etwas von »Chef«hörte, würde er erst recht hellhörig. Tief in seinemHerzen keimte eine Hoffnung auf, von der er zwarwußte, sie aber immer unterdrückt hatte.: Sicher, dasUniversum war groß, viel zu groß für menschlicheBegriffe. Aber die Schiffe wären schnell, und fastnoch schneller waren Gerüchte.

Das Sonnensystem verschwunden, Rhodan tot.So wenigstens wurde behauptet. Beides hatte Tang

niemals nachprüfen können, da ihn immer wieder dieBefehle der Solaren Flotte erreichten und an andereStellen beorderten. Einmal hatte er eineentsprechende Anfrage gewagt, aber die Antwort warmehr als nur vage gewesen. Ihr hatte er nichtsentnehmen können.

Und auch weiterhin erreichten ihn die Befehle.Und nun auf einmal »Der Chef«. Für Tang bestand

kein Zweifel daran, daß mit dem Chef nur PerryRhodan gemeint sein konnte.

Also doch!Ein neuer gigantischer Schachzug des

Unsterblichen? Ein Schachzug, von dem selbst seineFreunde nichts wußten - ein Schachzug zurr Wohleder Menschheit?

Major Tschui Tang sah hinüber zu demAccalaurie, der unverändert den zweiten Planeten dernamenlosen Sonne umlief und wartete. Ebenso

unverändert gab Captain Brodsal seine farbigenSignale, sinnlos zwar, aber mit Methodik. DerAccalaurie mußte merken, daß die Signale keinZufall waren, und da die PINIMARA sonst nichtsweiter unternahm, mußte er weiter folgern, daß manauf etwas wartete.

Er würde neugierig werden, wie jedes intelligenteWesen.

Captain Brodsal kam in die Kommandozentrale.»Herrliche Farbsymphonie, Chef«, gab er bekannt

und setzte sich. »Kann mich ausruhen, denn ich habedie Steuerung an die Automatik angeschlossen, Nunerscheinen alle zwei Minuten dieselben Signale indenselben Farben. Da sieht selbst ein Idiot dieAbsicht.«

»Und der Accalaurie ist bestimmt keiner«,entgegnete Major Tang mit leisem Vorwurf. »WarenSie in der Funkzentrale?«

»Die KALUP ist auf dem Anflug. Sie kann in fünfStunden hier eintreffen. Hoffentlich wird derAccalaurie nicht nervös.«

»Kaum. Wenn er bis jetzt wartet, dann wartet erauch noch länger.« »Wir wollen es hoffen. Der Chefkommt persönlich.«

Captain Brodsal sah Tang fragend an.»Der Chef?«Tschui Tang nickte.

*

Mitare Shban war wirklich nervös, wenn auchnicht wegen der Farbspiele der PINIMARA. Es warFalln Srp, der ihm auf die Nerven ging.

»Ich sage es dir zum letzten Mal, Srp: Ich bin derKommandant dieses Schiffes, und ich bin es, der zubestimmen hat. Ich werde mir niemals die Chanceentgehen lassen, Kontakt mit den Intelligenzen diesesUniversums aufzunehmen, besonders dann nicht,wenn sie ihn offensichtlich wünschen. Und nunmöchte ich dich bitten, dich in deine Kabinezurückzuziehen, ohne mit den anderenWissenschaftlern zu sprechen. Ich hoffe, duverstehst.«

»Natürlich verstehe ich«, erwiderte Srp beleidigt.»Du hast Angst, sie könnten meiner Meinung sein.Das sind sie auch, ohne daß ich mit ihnen spreche.«

»Dann stehe ich eben mit meiner Meinung allein,Srp. Ich habe einen Auftrag, und ich werde ihnerfüllen.«

»Unser Auftrag lautet nicht, Selbstmord zubegehen«

»Er lautet, Rätsel zu lösen, und wie wollten wirdas bewerkstelligen, nähmen wir nicht die Hilfe jenerin Anspruch, die hier zu Hause sind? Vielleichtkönnen sie uns helfen. Sie wollen Kontakt mit uns,obwohl sie genau wissen, wie gefährlich das ist, aber

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es ist eine Gefährlichkeit, die nicht von uns kommt,und nicht von ihnen. Es ist die Natur, die gegen unssteht. Das macht sie und uns zu Verbündeten.Verstehst du das nicht, Srp?«

»Doch das verstehe ich, aber verstehen das auchdie Fremden?«

»Ich nehme an, sie sind so intelligent wie du undich. So, und nun erfülle meine Bitte und laß michallein.« Wortlos ging Falln Srp.

Mitare Shban blieb allein zurück. Die anderenOffiziere in der geräumigen Kommandozentralestörten ihn nicht. Es waren junge und unerfahreneBlätter des Astes, die ihm blindlings vertrauten.

Und er selbst vertraute seinem Intellekt.Die Aufnahmekameras arbeiteten auch durch die

Energieblase hindurch, und er konnte jede Einzelheitaußerhalb klar erkennen, auch die bunten Signale derFremden. Sie hielten sich immer in gleichbleibenderEntfernung, und sie hätten längst ein vernichtendesFeuer auf ihn eröffnen - können, wenn sie dasgewollt hätten.

Vielleicht sollte er ihnen ein Zeichen geben ...?Einer der Offiziere kam an den Kommandostand.»Eine Entzifferung«, meldete er. »Ja?«»Der Kommandant des fremden Schiffes erwartet

noch ein anderes Schiff - soviel konnten wirverstehen. Es wird ein spezielles Kontaktschiff sein,fünfmal so groß wie das, das uns verfolgt.«

Mitare Shban sagte statt jeder Antwort:»Es verfolgt uns nicht, es fliegt mit uns.«Der Offizier entfernte sich wortlos. Es kam also

ein zweites Schiff. Warum? Sicherlich nicht, umdann anzugreifen. Das wäre unlogisch gewesen, undunklug. Ein Spezialschiff, wenn die Übersetzergerätenicht trogen. Nur zu dumm, daß anscheinend dieEnergieblase einen ungestörten Funkverkehrverhinderte. Aber schon das Erlöschen derEnergieblase würde den Fremden zeigen, daß manebenfalls den ersten Kontakt wünschte und Vertrauenhatte.

Es war nur die natürliche Umgebung desRaumschiffes, die auf die Dauer einen Verzicht aufdie schützende Energieblase verbot. Auch imVakuum gab es noch Materie, wenn auch nur weit:verteilt, Atome auf einen Kubikkilometer. Dochwenn sie auf die Hülle aus Antimaterie trafen,verursachten sie kleine Atomexplosionen:

Shban beschloß, es darauf ankommen zu lassen.Die Fremden würden intelligent genug sein, dasZeichen zu verstehen.

*

Fassungslos starrte Major Tang Minuten später aufden Panoramaschirm.

Die leuchtende Energieblase des Accalauries war

verschwunden. Was er sah, hatte seines Wissensnoch nie jemand vor ihm gesehen. Ein Raumschiffaus Antimaterie, eiförmig, fünfhundert Meter lang.Vor ihm umlief es mit unveränderterGeschwindigkeit den Planeten, ein sicheres Zeichendafür, daß mit dem Erlöschen des schützendenSchirms keine böse Absicht verbunden war.

Und dann bemerkte Tang etwas anderes.Immer wieder kam es an der Hülle des anderen

Schiffes zu grellen Lichtblitzen. Sie waren relativklein und kurzlebig, aber zweifellos atomarenUrsprungs. Tang begriff sofort, daß es die imVakuum verteilten Moleküle abwandernderAtmosphäre waren, die auf Antimaterie trafen unddie Explosionen hervorriefen.

Der Accalaurie ging das Risiko einer Explosionein, um ihm zu zeigen, daß er die friedliche Absichtder Terraner verstanden hatte.

Dreißig Sekunden später flammte derEnergieschirm wieder auf. Tang drückte auf, einenKnopf. Captain Brodsal meldete sich.

»Ist es Ihnen möglich, Captain, den Rhythmus derwechselnden Buntbeleuchtung zu beschleunigen;sagen wir mal um fünfzig Prozent?«

»Wechselfolge also eine Minute ....? Ja, istmöglich. Warum?«

»Ich will dem Accalaurie nur zeigen, daß ich seinZeichen verstanden hatte.«

»Er hat ein Zeichen gegeben?« »Das hat er. Mehrdarüber später. Schalten Sie die Festbeleuchtungum.«

»Wird gemacht, Chef. Ich komme dann zu Ihnen.«Wenig später traf erneut ein Funkspruch von der

KALUP ein. Sie hatte sich der Doppelsonne bis auffünfhundert Lichtjahre genähert. Die nächste Etappewürde das Schiff herbringen. Tang ließ antworten,daß die Situation unverändert sei. - Er hoffte, daß esauch so blieb.

*

Wie gebannt sahen Rhodan und die Offiziere inder Kommandozentrale auf den Panoramaschirm derARNO KALUP. Jeden Augenblick mußte dieZielsonne, die Doppelsonne, auftauchen. Aufgrundeines Umfliegungsmanövers war sie während desLinearfluges aus dem Sichtbarkeitsbereich geglitten.

Da stand sie, nah und deutlich! Mitten auf demSchirm.

Etwas seitlich daneben flammte derneutralisierende Energieschirm des Accalauries.Dicht dahinter flog die PINIMARA, bunt strahlendund wie eine Christbaumkugel.

Gucky, der neben Rhodan stand, piepste verblüfftund hielt die Luft an. Dann seufzte er:

»Ein Mann mit Gemüt und Phantasie! Wer hätte

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das gedacht?« Rhodan nickte.»Also das meinte er mit Festbeleuchtung ...!

Ausgezeichnete Idee. Immerhin ist der Accalauriegeblieben, sogar jetzt, wo wir auftauchen. Teipler.Fahrtaufheben beziehungsweise anpassen.Schutzschirm abschalten.« Er wandte sich an denMausbiber: »Kümmere dich um Accutron undunterrichte ihn.«

Gucky verschwand, indem er der Einfachheithalber gleich telepor fierte. Accutron erschrak nichtmehr, denn er kannte den Mausbiber. Aber er wäreauch nicht erschrocken, wenn ein anderer in seinerKabine materialisiert hätte.

Der Accalaurie war ohne Bewußtsein.Gucky holte sofort den Chefarzt der KALUP, Dr.

Lofko, der nach einem kurzen Blick auf dieMeßinstrumente des Raumanzuges ein besorgtesGesicht machte.

»Sauerstoffmangel, klarer Fall. Laut Skala hat ernoch für zwei Stunden Atemluft, aber das istnatürlich nur ein theoretischer Wert. Er wirdersticken, wenn er nicht so bald wie möglich frischenAntisauerstoff zugeführt bekommt.«

»Eine ganze Menge davon gibt es nur dreiKilometer von hier«, sagte Gucky leichtangeschlagen. »So nah ist die Rettung, und wir sindnoch keinen Schritt vorangekommen. Können SieAccutron ins Bewußtsein zurückholen? Ich muß mitihm sprechen.«.

»Leider nicht. Unsere Medikamente bestehen fürihn aus Antimaterie. Sie würden in seinem Körpersofort eine Reaktion, auslösen. Er muß atmen, das istalles.«

»Gut, ich bleibe bei ihm. Gehen Sie Zu Rhodanund berichten Sie ihm, was los ist. Sagen sie ihm, erdarf nicht eine einzige:. Sekunde mehr verlieren,, mitdem Schiff Kontakt aufzunehmen. Ich springe mitAccutron in das Schiff der Accalauries, sobald dieden Energieschirm ausschalten. Das soll Rhodanihnen mitteilen.«

»Hoffentlich verstehen sie das auch«, knurrte Dr.Lofko und schob sich durch die Tür. Er wog gut undgern zwei Zentner. »Sonst müßten wir ihnen dasanders klarmachen.«

*

Mitare Shban hatte die Energieblase wiedereingeschaltet. Der schnellere Rhythmus derFarblichter bewies ihm, daß die Fremden seineAbsicht verstanden hatten. Eine Art Kontakt warhergestellt.

Dann tauchte das zweite, vorher angekündigteSpezialschiff auf.

Es verhielt sich sehr korrekt und stoppte inentsprechender Entfernung ab. Ein wenig später

näherte es sich dem bereits wartenden kleinerenKugelraumer und wurde mit diesem durch einenflexiblen Tunnel verbunden. Nun konnte man ohneSchutzanzug von einem ins andere Schiff gelangen.

Das alles konnte Mitare Shban ungestörtbeobachten, und er wurde auch nicht daran gehindert.Für ihn stand es nach den bisherigen Ereignissen fest,daß die Fremden etwas von ihm wollten. Sie mußtenungemeinen Wert darauf legen, mit einem »Blatt« zusprechen.

Vielleicht benötigten sie Hilfe.Das größere Schiff war mit einer seltsam rötlich

schimmernden Schicht überzogen, die es deutlichvon dem kleineren Schiff unter schied. Shban ahntenatürlich nicht daß es sich um das Maverick-Capehandelte. Den neutralisierendenYnkelonium-Überzug.

Er setzte sich mit seiner Funkzentrale inVerbindung.

»Senden die Fremden?«»Längere Zeit nicht. Aber eben fangen wir wieder

Funksignale auf ...«Der Techniker in der Funkzentrale hörte plötzlich

auf zu sprechen. Er schwieg verdutzt: Shban konnteihr schwer atmen hören.

»Reden Sie weiter! Was ist?«Als die Antwort eintraf, war auch er wie vor den

Kopf geschlagen.»Es ist kein Translator dazwischenaber unsere Sprache. Drüben in dem roten Schiffmuß einer von uns sein, ein Accalaurie, wie sie unsnennen. Und er lebt ...«

»Den Text, schnell! Ich brauche den Text ...«

*

Als Accutron wieder erwachte, sah er über sichGuckys Gesicht.

Der Translator ermöglichte abermals die direkteVerständigung. »Na, das wird aber auch Zeit,Accutron! Du pennst, und nebenan warten deineFreunde auf ein Lebenszeichen- von dir. Willst dudich ihnen nicht vorstellen?«

»Freunde?« Accutron wollte sich aufrichten; sankaber wieder auf das Bett zurück. »Blätter?«

»Ja, bestimmt, ganz grüne. Accalauries nennen wirsie. Drei Kilometer von hier steht eins ihrer Schiffe,bereit, mit uns Kontakt aufzunehmen. Du mußt mitihnen sprechen und ihnen sagen, daß es ungefährlichist.«

»Es ist sinnlos. Es ist viel zu gefährlich.«»Aber doch nicht mit Ynkelonium, Accutron!

Erkläre das den Blättern. Aber bald, sonst bist duverloren.«

»Wir sind alle verloren, wenn ...« »Nun kommschon, Accu, wir gehen in die Schleuse. Von dort aushaben wir eine gute Sicht, und wenn dein

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Blattkollege ein bißchen auf Draht ist, erkennt erdich. Und er sieht dann auch, daß wir beide nichtexplodieren. Vielleicht faßt er dann Vertrauen.«

Accutron erhob sich mühsam. Gucky umfaß te ihnund teleportierte mit ihm in die Vorkammer derHauptausstiegschleuse. Zu seinem Erstaunen wurdeer dort bereits von Rhodan, Fellmer Lloyd und RasTschubai erwartet.

Rhodan sagte:»Ras, Sie holen noch Lobbyhuvos. Vielleicht

brauchen wir ihn. Gucky, Accutron soll senden.«»Also los, Accu! Sende! Und sage deinen

Freunden, daß sie nichts zu befürchten haben. Erkläreihnen kurz, was es mit dem Ynkelonium auf sichhat.«

Accutron gab nun jeden Widerstand auf.Außerdem zwang ihn die erneute Atemnot dazu,endlich auf die Terraner zu hören, die sich so um ihnbemühten. Er spürte, daß sie seine Freunde waren,und vielleicht hing es von ihm ganz allein ab, obbeide Völker eines Tages die gleichen Gefühlefüreinander hegen würden.

Mit einer knappen Handbewegung schaltete er denwinzigen Sender ein. Er hatte nun alle seineBedenken überwunden.

In seiner eigenen Sprache sagte er in das mitYnkelonium überzogene Mikrophon:

»Hier spricht Accutron Mspoern, ein Blatt vomAst der Ehrwürdigen. Ich bin Gast eines Volkes, dasTerraner genannt wird. Sie haben mich gerettet, alsich hilflos durchs All trieb. Sie sind unsere Freunde.Aber es ist ihnen trotz aller technischen Fortschritte,die sogar eine direkte Berührung unserer und ihrerMaterie erlauben, nichtmöglich gewesen, Sauerstofffür mich herzustellen. Ich habe noch für eine StundeAtemluft und bin verloren, wenn ihr mir nicht helft.Mit wem spreche ich? Ich erbitte Antwort undversichere, daß keine Gefahr besteht.«

Rhodan hatte plötzlich selbst das Gefühl, keineLuft mehr zu bekommen, während sie alle in dergroßen Schleuse auf die Antwort warteten ...

*

Der schnell herbeigeeilte Falln Srp sagte verblüfft:»Ein Verlorener - er ist zurückgekehrt. Ich spüre

seine Ausstrahlungen. Und er lebt bei den anderen,den Fremden aus dem unbekannten Universum. Ermuß die Wahrheit sprechen, wenn er behauptet, dieTerraner hätten ein Mittel gefunden.«

»Wir werden ihm helfen, ich habe Vertrauen.Bediene den Sender und gib Antwort. Frage, was wirtun sollen.«

Srp begann zu funken, aber dann warteten er undShban vergeblich auf Antwort und Anweisungen.

Der Empfänger blieb stumm. Srps Mißtrauen

erwachte wieder. »Was soll das bedeuten? Ist allesnur eine Falle? Warum antwortet das Blatt nicht?«

»Würde es welken, spürten wir das. Vielleicht istsein Sender defekt. Versuche es noch einmal.«

Srp gehorchte, aber auch diesmal kam keineAntwort. »Alarmbereitschaft«, ordnete Mitare Shbanan, aber kaum hatte er das getan,: erwartete ihn eineneue Überraschung.

Einer der Nachrichten-Bildschirme leuchtete auf,und auf ihm erschien das Gesicht eines Mannes, dereinen durchsichtigen Raumhelm trug.

Der Helm leuchtete rötlich, genau wie die Hülledes großen Schiffes. Auf der Brust trug er einenkleinen, rechteckigen Kasten, in den er nunhineinsprach.

In dem Lautsprecher des accalaurischen Schiffeswar eine Stimme deutlich zu verstehen, nur etwasverzerrt durch den Translator.

»Ich bin Perry Rhodan, Kommandant diesesSchiffes. Accutron wurde erneut bewußtlos. SeinVorrat an Atemluft geht endgültig zu Ende. HörenSie gut zu, wenn Sie ihn retten wollen. Es bestehtkeine Gefahr für Sie und Ihre Besatzung. Sie habengehört, daß wir ein Mittel gegen die Kontaktreaktiongefunden haben, einen hauchdünnen Überzug auseinem überperiodischen Element. Unser Schiff istdamit überzogen worden, auch alle Gegenstände, diees verlassen. Es kann niemals zu einer Explosionkommen. Wir müssen Accutron Mspoern zu Ihnen anBord bringen, und zwar wird das durch einenTeleporter geschehen. Sonst verlieren wir zuvielwertvolle Zeit. Das aber geht nur dann, wenn Sie Ihreschützende Energieblase abgehalten. Sie kann voneinem Teleporter nicht durchdrungen werden.Gleichzeitig betrachten wir das Abschalten IhresSchutzschirms als Bestätigung Ihres Willens,friedlichen Kontakt mit uns herzustellen. DasAbschalten bedeutet weiter, daß Sie uns das BetretenIhres Schiffes gestatten. Wir warten.«

Mitare Shban saß unbeweglich in seinem breitenSchalensessel und starrte auf den Bildschirm.. Erhatte die Vergrößerung eingeschaltet. Deutlich wardrüben dieser Perry Rhodan zu erkennen; er stand voreinem Interkomgerät. Neben ihm stand einweitererTerraner im rötlich schimmernden Schutzanzug.Dazu eine kleinere Gestalt, die sich über Accutronbeugte, der auf den Boden gesunken war. Ruhig undgelassen stand der Roboter Lobbyhuvos daneben undschien sichtlich zu bedauern, daß er jetzt keine Musikmachen durfte.

»Den Schirm abschalten ...?« murmelte Falln Srpzögernd.

Shban sah ihn mit zwei seiner vier Augen an.»Ja, das ist die Frage. Ich mißtraue den Fremden

nicht, Srp, das ist nicht der Grund meiner Bedenken.Aber ich kann nicht glauben, daß es ihnen gelungen

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ist, das erwähnte Element zu finden. Ich weiß, daßein überperiodisches Element in einer unsererInformationssendungen erwähnt wurde ... das schon.Ist es dasselbe? Was sollen wir tun?«

Falln Srp sah hinüber zu dem anderen Schiff. Er,der stets Bedenken gehabt hatte, sah den Verlorenendrüben bei den Fremden. Er überwand auf einmalsein ganzes Mißtrauen.

»Wir müssen Accutron helfen«, sagte er einfach.Mitare Shban streckte einen Arm vor.»Das wollte ich von dir hören, mein Freund.«

*

Rhodan hatte Major Tang mitteilen lassen, daßerwarten müsse. Er bat ihn, Geduld zu haben und zuverstehen, daß die Kontaktmission im Augenblickwichtiger sei. Fragen würden später beantwortetwerden.

Nach seiner Bildsendung an den Accalaurie hatteer die Außenluke öffnen lassen. Der grelle Schein deraccalaurischen Energieblase blendete ihn derart, daßer den Filter vor die Sichtscheibe seines Raumhelmsschob. Ras Tschubai und Gucky folgten seinemBeispiel. Fellmer Lloyd war in dieKommandozentrale zu Reigon Teiplerzurückgekehrt.

Accutron war noch immer bewußtlos.Sie warteten zehn unendlich lange Minuten, dann

erlosch die Energieblase, und das Schiff derAccalauries wurde sichtbar.

Rhodan nickte Gucky und Ras zu. »Jetzt!« sagteer. »Ich folge in genau fünf Minuten, wenn sich bisdahin die Energieblase nicht wieder aufgebaut hat.Sollte das dennoch geschehen, werde ich warten, bisman sie abermals abschaltet. Das ist für mich dasZeichen, daß man mich erwartet.«

Gucky nahm Accutron und visierte das fremdeSchiff an. Er unterdrückte das Gefühl von Panik undFurcht, das ihn zu beschleichen drohte. Er wußte, inwelche Gefahr er sich begab, aber er vertraute denAngehörigen eines ihm absolut fremden Volkes. Erkannte Accutron und hoffte, alle Accalauries würdenähnlich sein wie er.

Dann sprang er, nachdem Ras, der Lobbyhuvoshielt, ihm zunickte.

*

Mitare Shban hatte alle seine Offiziere, außer FallnSrp, aus der Kommandozentrale geschickt. Er wollteeine eventuelle Gefahr so weit wie möglichverringern. Die Explosion von vier Körpern - odergar nur von zweien - konnte verheerendeVernichtungen anrichten, aber nicht das ganze Schiffzerstören.

Sie erschraken, als aus dem Nichts heraus vierGestalten materialisierten. Die kleinste von ihnentrug Accutron Mspoern, den sie sofort flach auf denBoden legte, vorsichtig und fast behutsam. Dieandere, größere, gab den Spielroboter Accutrons frei.

Sofort zauberte der aus den Taschen seinesSchutzanzuges drei kleine Musikinstrumente hervor,aber Srp nahm sie ihm kurzerhand weg. Gucky warfihm einen dankbaren Blick zu.

Dann bückte er sich und öffnete Accutrons Helm.Ein Schwall verbrauchter Luft drang heraus, wurde

aber sofort von der laufenden Klimaanlage ersetzt.Accutron begann deutlicher und stärker zu atmen.Dann bewegte er sich- und öffnete die Augen.

Einen Moment schien er verwirrt zu sein, aberdann richtete er sich auf. Gucky und Ras konntenalles verstehen, was gesprochen wurde; sie trugenihre eingeschalteten Translatoren auf der Brust.

»Ich danke dir, wer immer du auch bist. Ich dankedir.«

»Mein Name ist Mitare Shban, und das ist FallnSrp. Du bist Accutron Mspoern, der Verlorene?«

»Nicht mehr, Shban. Du hast mein Leben gerettet,nachdem die Fremden es mir bereits einmalzurückgaben. Ich werde dir alles berichten.« Er hobeinen Arm und deutete auf den Bildschirm. »Hast duden Energieschirm wieder eingeschaltet?«

»Ist das notwendig?«»Natürlich nicht, aber es wäre ein Zeichen. Ich

möchte mit dir sprechen, bevor unser FreundRhodan, der Terraner, zu uns kommt.«

Srp drückte auf einen merkwürdig geformtenKnopf. Das Bild auf dem Schirm blieb deutlich undklar, wurde aber von einem fast unmerklichenmilchigen Schleier überzogen.

»Und die beiden dort?«»Sie können hören, was ich zu sagen habe. Ich

bringe euch das Freundschaftsangebot der Terraner,der vorherrschenden Intelligenzform dieser Galaxis.Sie haben sich mit vielen anderen Völkern verbündet,und sie wollen auch, daß wir ihre Freunde sind. Aufeinem Planeten, den sie Maverick nennen, wurde einElement gefunden. Es wurde Ynkelonium genannt,und es ermöglicht den Kontakt zwischen Materie undAntimaterie. Den Beweis für meine Behauptung sehtihr ja vor euch.«

»Ynkelonium - ja, ich weiß. Und es erfüllt dieErwartungen?«

»Tut es das etwa nicht?« Accutron wurdezusehends lebendiger und erholte sich schnell.»Wären wir sonst hier? Seht meinen Schutzanzug.Mit ihm kann ich sowohl im Schiff der Terraner wiehier ungefährdet leben. Nur die Atemluft konntenicht neutralisiert werden, und das wäre mir beinahezum Verhängnis geworden. Ich soll euch mitteilen,daß die Terraner euch einhundert solcher

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Schutzanzüge als Geschenk anbieten. Damit wird esmöglich sein, in Zukunft die Forschungsarbeiten aufden unbewohnten Planeten dieses Universums ohneGefahr fortzusetzen. Wir können die Terraner aufihren Welten und in ihren Schiffen aufsuchen,Botschafter austauschen. Handelsmissioneneinrichten. Für unser Volk beginnt eine neueZukunft. Die Zeit der Isolation ist endgültig vorbei.«

Mitare Shban zeigte sich sichtlich bewegt.»Mein Lebenstraum scheint sich zu erfüllen, bevor

ich in den ewigen Stamm zurückkehre. Ich habeimmer gehofft, ich selbst würde es sein, der unseremVolk den Weg zeigt,«

»Der Unterschied ist gering, Mitare. Wir sindFreunde, du und ich. Zusammen werden wir unseremVolk den Weg zeigen, mit der Hilfe jener, die sichTerraner nennen. Und mit Hilfe meines kleinenRetters, der Gucky genannt wird. Er ist keinTerraner.«

»Ja, das sieht man deutlich«, erkannte Mitare an.Gucky schwieg, grinste aber zufrieden vor sich

hin.»Und noch etwas habe ich euch mitzuteilen«, fuhr

Accutron fort. »Die Terraner bringen euch einweiteres Geschenk: Tausend Tonnen Ynkelonium inForm von Barren. Aus ihnen können MillionenMaverick-Capes hergestellt werden. Tausendeunserer Schiffe können mit der neutralisierendenSchutzschicht überzogen werden. Die Zeit derverlorenen Blätter ist für immer vorbei.«

»Sie schenken es uns?« vergewisserte sich Srpungläubig. »Ohne jede Bedingung?«

»Die Bedingung heißt: Frieden und Freundschaft.«Mitare Shban sagte ernst:»Die letzte Entscheidung kann nicht bei uns liegen,

Accutron, das weißt du genau. Aber wir können demRat des Baumes unseren Vorschlag unterbreiten unddie Geschenke der Terraner als Beweise mitbringen.Ich glaube, ich kenne seinen Entschluß schon,«

»Gut«, sagte Accutron und deutete in Richtung derKontrollen. »Dann gib das Zeichen. Perry Rhodanwird zu uns an Bord kommen, allein und ohneWaffen. Nur mit seinem Raumanzug und demMaverick-Cape.«

Mitare Shban schaltete die Energieblase wieder ab.Und damit leitete er endgültig ein neues Zeitalter

für sein Volk ein.

10.

Donnerstag, der 27. Dezember 3432Terra-Normal-Zeit Die zweite und letzte

Unterredung zwischen Rhodan und den Vertreternder Accalauries fand einen Tag später in deren Schiffstatt. Außer Accutron Mspoern, Mitare Shban undFalln Srp nahmen noch leitende Wissenschaftler und

Techniker des Forschungsschiffes aus demantimateriellen Universum daran teil. In RhodansBegleitung befanden sich Ras Tschubai, FellmerLloyd, Major Tschui Tang und Gucky.

Tang hatte inzwischen seine Überraschungüberwunden.

Nichts hätte ihn mehr überraschen können, als dieBestätigung seiner heimlichen Vermutung. AlsRhodan vor etwa zehn Stunden durch denVerbindungstunnel sein Schiff betrat, hatte er ihnsofort erkannt. Sprachlos hatte er ihn angestarrt, bisRhodan zu ihm ging und ihm die Hand auf dieSchulter legte.

»Nun wissen Sie es, Major Tang, und ich glaube,Sie haben die Wahrheit verdient, Sie und IhreMannschaft. Besonders Captain Brodsal mit seinergrandiosen Festbeleuchtung. Sie beide habenwirklich alle nur denkbaren Tricks aufgeboten, denAccalaurie festzuhalten, bis wir unsere Mission hierbeendet haben, ins Sonnensystem zurückkehren. Dorterfahren Sie alles weitere.«

»Das Sonnensystem?« hatte Major Tang gefragt.»Man redet, es gäbe kein Sonnensystem mehr. Ichhabe sogar Offiziere gesprochen, die selbstnachgeforscht und es nicht mehr an der alten Stellegefunden haben.«

»Es ist noch an der alten Stelle, Major Tang, abernicht mehr in der gleichen Zeit. Sie werden allesbegreifen, sobald Sie auf dem Heimflug sind. Zweimeiner Offiziere von der KALUP werden Siebegleiten und einweisen.« Rhodan hatte zu diesenWorten merkwürdig gelächelt. »Es ist nämlich garnicht so einfach, den Weg nach Hause zu finden.«

Dann war Major Tang eingeladen worden, an derBesprechung mit den Accalauries teilzunehmen.Captain Brodsal übernahm inzwischen dasKommando über die PINIMARA:

»Wir sind Völker verschiedener Universen«,begann Mitare Shban die Unterhaltung, die in einemgrößeren und mit bequemen Möbeln eingerichtetenRaum stattfand. An der Wand befand sich ein ovalerBildschirm, auf dem sowohl die KALUP wie auchdie daran gekoppelte PINIMARA zu erkennenwaren. »Trotzdem ist es nun gelungen, einen direktenund ungefährlichen Kontakt herzustellen. Daseröffnet ungeahnte Perspektiven für unsere beidenZivilisationen.«

Rhodans Gesicht blieb ernst, obwohl er seineFreude über die Entwicklung nicht verbergen konnte.

»Der direkte Kontakt ist dank des Ynkeloniumszwar möglich, aber er ist keineswegs so ungefährlich,wie Sie behaupten. Ich erinnere nur an dieVernichtung der Sauerstoffvorräte Accutrons, weileiner unserer Techniker nicht vorsichtig genug war.Das Ynkelonium ist ein Notbehelf, mehr nicht. Aberich bin davon überzeugt, daß wir in den kommenden

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Jahrzehnten einen sicheren Weg finden werden,unsere Völker zusammenzuführen:«

Ehe jemand antworten konnte, sagte Falln Srp:»Ich glaube, Mitare Shban hat diesen Weg bereits

gefunden.«Rhodans Gesicht drückte ehrliches Erstaunen aus.»Einen sicheren Weg, die von Natur aus

feindlichen Materien gegenseitig abzusichern?«Mitare war sichtlich verlegen. »Nur eine Theorie,

Terraner Rhodan. Ich unterhielt mich mit Srpdarüber. Eine Umpolung unseres Anti-Universums.Ich muß es leider so bezeichnen, denn es ist daseinzige seiner Art, soweit wir feststellen konnten.«

»Es gibt nur ein einziges Universum ausAntimaterie?«

»Ja. Allerdings beinhaltetes einige TausendGalaxien. Doch das spielt keine Rolle. UnserUniversum, eingebettet in Hunderte von anderen, istdas einzige anormale. Darum muß es, falls jemals dieMöglichkeit dazu gefunden werden sollte, umgepoltwerden. Früher nahmen unsere Wissenschaftlereinmal an, alle die uns umgebenden Universen seien>anders<. Sie glaubten, der Maßstab der gesamtenSchöpfung zu sein. Es ist genau umgekehrt, undwenn wir weiterleben woben, müssen wir unsanpassen. Wir sind gewillt, das auch zu tun, und wirwerden Ihnen stets dankbar sein, wenn Sie uns dabeihelfen.«

»Das werden wir tun. Übrigens - wie kann esIhnen gelingen, die Grenze von Universum zuUniversum zu überschreiten? Wir haben niemalsgeahnt, daß es mehrere UniVersen gibt und daß siesomit begrenzt sind.«

Mitare Shban schwieg, weil Accutron Mspoern dieBeantwortung der Frage übernahm..

»Es gibt Dinge, die sich nicht erklären lassen. IhreTechnik, Rhodan, mag erstaunlich und weitfortgeschritten sein, dafür sind wir Ihnen vielleichtauf anderen Gebieten voraus. Wollten wir Ihnen dieNatur der Universen erklären, so stießen wir aufUnverständnis, denn man könnte auch einemzweidimensionalen Wesen keinen Würfelverdeutlichen. Erst recht keine Kugel. Oder würdenSie begreifen; wenn ich Ihnen sage, daß dieUniversen vollkommene Kugeln sind, die aneinandergrenzen, ohne einen Zwischenraum zu bilden? Beieinem Würfel können Sie sich das vorstellen, nichtaber bei einer Kugel. Sie meinen, Kugeln könntenkeine gemeinsame und vollständige Begrenzunghaben - und doch ist es der Fall. Unvorstellbar, nichtwahr?«

Rhodan nickte ratlos.»Allerdings, das muß ich zugeben. Gibt es kein

verständlicheres Beispiel als, Kugeln?«»Die Form der Kugel ist Ursprung und Ende der

Schöpfung«, fuhr Accutron Mspoern ruhig fort. »Sie

läßt sich weder verändern noch vereinfachen. InIhren Augen ist sie ein einfaches geometrischesGebilde, das beweisen Ihre Raumschiffe. Sie allesind Kugeln. Und doch werden Sie es niemalsfertigbringen, fünf dieser Kugeln sozusammenzubringen; daß ihre Hüllen ohne jedenZwischen raum aufeinanderliegen - es sei denn, Sieverändern die Form der Hüllen. Aber dann wären eskeine Kugeln mehr.«

»Was Sie demonstrieren«, sagte Major Tang etwasungeduldig, »ist eine mathematische undnaturwissenschaftliche Unmöglichkeit.«

»In Ihrer Dimension - ja«, gab Accutron zu. »Nichtaber, wenn Sie die vierte Dimension dazunehmen.«

»Die Zeit?« wunderte sich Rhodan. »Nein, nichtdie Zeit. Sie halten die Zeit für die vierte Dimension,aber das ist falsch. Die Zeit ist keine Dimension,sondern ein Zustand, der für alle DimensionenGültigkeit besitzt. Den Hyperraum bezeichnen Sie alsfünfte Dimension, das stimmt. Sie haben bei IhrenBetrachtungen eine Dimension glatt übersprungen -die vierte. Das ist das ganze Geheimnis.« »Es hörtsich einfach an ...«

»Es ist unendlich schwer zu begreifen«, dämpfteFalln Srp den beginnenden Optimismus Rhodans.»Aber eines Tages werden Sie es tun. Die Universensind begrenzt, das All an sich, der Kosmos, wenn Sieso wollen, ist unendlich. Er hört niemals auf. KönnenSie sich das vorstellen?«

Rhodan schüttelte den Kopf. Er war sichtlichbeeindruckt.

»Nein, ehrlich gesagt.«»Und doch ist es so«, bestätigte auch Accutron.

»Vielleicht erhalte ich vom Rat des Baumes einesTages die Erlaubnis, Ihnen die letzten Geheimnisseder Schöpfung zu zeigen. Wir haben sie theoretischerrechnet, und dann bestätigt gefunden. Niemandwies uns den Weg. Aber vergessen Sie nicht dieGeschichte unseres Volkes und seinen Ursprung. Wirwaren eisest eine Energiewolke, und Energie ist derBeginn des Lebens.

Sie ist aber auch das Ende. Es gibt nichts, das sichzum Schluß nicht wieder in Energiezurückverwandelte.«

»Sicher, ein Naturgesetz. Wir kennen es ebenfalls.Aber hat es außer der philosophischen auch einepraktische Bedeutung?«

»Allerdings. Zumindest läßt es uns ahnen, daßeines Tages, wenn die Zeit ausläuft, auch dieUniversen wieder zu Energie werden, denn sieentstanden aus Energie. Zusammenballungen, sonstnichts. Dann, am Ende der Zeit, stoßen Energie undZeit zusammen. Das eine verwandelt sich in dasandere, bis das Überlegene siegt. Niemand weiß, werdas sein wird. Die Zeit ...? Oder die Energie ....?«

»Vielleicht der Raum?« murmelte Fellmer Lloyd

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unsicher.»Glauben Sie wirklich, daß es so etwas wie einen

Raum gibt?« fragte ihn Accutron angriffslustig.»Oder würden Sie sich nicht lieber unsererAuffassung anschließen, daß er nichts anderes als einneutraler Katalysator für die ihn beherrschendenKräfte ist? Vielleicht ist das einfacher zu verstehen,wenn ich Ihnen sage, daß wir natürlich zwischenRaum und dem Nichts unterscheiden sollten.«

Fellmer Lloyd zuckte nur die Schultern.Rhodan kam zu Bewußtsein, daß die Unterhaltung

in Regionen abglitt, in denen er sich nicht sicherfühlen konnte. Sie nahm rein philosophischenCharakter an.

»Gestatten Sie, Mitare Shban, daß ich in denBereich des Praktischen zurückkehre. Darf ich micherkundigen, ob die Umladearbeiten bisherreibungslos verliefen?«

»Wir existieren noch, Terraner Rhodan. Damitdürfte diese Frage wohl zur allgemeinenZufriedenheit beantwortet sein. Doch ich will Sienicht durch Sarkasmus kränken. Sie wissen selbst ambesten, wie dankbar wir Ihnen sein müssen. Ich binüberzeugt, daß gerade mein Schiff eines Tageszurückkehren und Ihnen die Botschaft des Baumesüberbringen wird. Vielleicht auch ein Geschenk ausunserem Universum ...«

»Aber dann bitte mit einem Maverick-Capeversehen«, unterbrach Rhodan lächelnd. »Haben Sieinzwischen die Raum-Koordinaten nachprüfenlassen, die ich Ihnen gab?«

»Der Sektor wurde bereits auf den Kartenverzeichnet. Er scheint leer zu sein.«

»Einst befand sich dort unser Sonnensystem«,erklärte Rhodan und wußte, daß Accutron seinGeheimnis wahren würde. »Jetzt nicht mehr. Ichwerde es Ihnen erklären, wenn wir das nächste Malzusammentreffen. Geheimnis gegen Geheimnis «

»Und wie machen wir uns bemerkbar, wenn wirzurückkehren?« Rhodan lächelte.

»Wir sehen Sie, keine Sorge.. Sie werdenterranischen Schiffen begegnen, die vielleicht vonunserem Abkommen noch nichts wissen. Aber wennSie eine hundert Meter durchmessende Kugelbemerken, die in allen Farben des Spektrumsleuchtet, dann wissen Sie, daß wir Sie erwarten.«

Major Tang rutschte unruhig auf seinemSchalensessel hin und her Vielleicht saß er nurunbequem, denn diese Sitzgelegenheiten waren fürdreibeinige Wesen erdacht worden. Gucky bemerktees und konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen:

»Da haben wir es, Tang. Einmal Weihnachtsmanngespielt - immer Weihnachtsmann! Das haben SieIhrem Ersten Offizier zu verdanken.«

»Seine Idee wird weiterleben«, verteidigte Rhodanden Kommandanten der PINIMARA. »Die

hellstrahlende Festkugel soll für Terraner undAccalauries das Symbol immerwährenderFreundschaft werden.«

»So soll es sein«, sagten Mitare Shban undAccutron Mspoern fast gleichzeitig.

Gucky hob plötzlich seine Arme und zeichnete mitden Händen ein Rechteck in die Luft. Während dieserrätselhaften Demonstration seiner geometrischenKenntnisse starrte er versonnen an diegegenüberliegende wand.

»Was hast du denn?« erkundigte sich Rhodanerstaunt.

Gucky tippte mit einem Finger gegen das imaginärin der Kabine schwebende Rechteck.

»Ich habe soeben eine gemeinsame Flagge fürTerraner und, Accalauries entworfen - SchwarzerUntergrund, in der Mitte eine Kugel, auf die buntePerlen gestickt werden. Darüber steht in großenLettern ...«

*

Als die Verladearbeiten beendet und die hundertRaumanzüge sowie die tausend Barren in denFrachtraum des accalaurischen Schiffes gebrachtworden waren, blieben die drei Einheiten noch einigeStunden in der Kreisbahn um den zweiten Planetender Doppelsonne.

Noch einmal stieg das in einen Energieschirmeingehüllte Boot zur Oberfläche hinab, umGesteinsproben einzusammeln. Inzwischen nahmAccutron Mspoern zum letztenmal Funkverbindungmit Rhodan auf, der das Experiment von der KALUPaus beobachtete.

»Es ist wieder Falln Srp, dessen Arbeit durch unserErscheinen unterbrochen wurde. Diesmal trägt ereinen der neuen Schutzanzüge. Er wird sein Schiffverlassen und sich frei auf einer für unsantimateriellen Welt bewegen. Damit will er Ihnenzeigen, Rhodan, daß er ihnen vertraut.«

»Danke, Accutron. Ich nehme jedoch an, seinVertrauen gilt weniger unseren Versicherungen alsvielmehr Ihrem Wissen.«

»Er wagt es, das ist entscheidend. Wir werden denRückflug antreten, sobald er zurück ist.«

»Auch wir kehren ins Sonnensystem zurück. Ichhabe noch eine Frage: werden Sie die anderenBlätter, also die Kommandanten IhrerForschungsflotte, von den Vorkommnissenunterrichten?«

»Das ist auch eine Entscheidung, die wir dem Ratdes Baumes überlassen müssen. Wenn wir unsWiedersehen, gibt es keine Fragen und Unklarheitenmehr. Bis dahin wollen wir warten und hoffen.«

»Bei uns ist die Lage anders, Accutron, das wissenSie. Ich werde einen strikten Befehl für alle Schiffe

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Page 36: Freunde aus einem fremden Universum

des Solaren Imperiums erlassen. Niemand darf sicheinem Accalaurie nähern, solange er nicht denwahnwitzigen Versuch unternimmt, auf einembewohnten Planeten zu landen. Aber es darf niemalsmehr zu Mißverständnissen kommen. Ich gebe Ihnenalso den Rat, den Entschluß des Baumes so schnellwie möglich zu erwirken.«

»Es wird so geschehen. Viel Glück, Perry Rhodan,und noch einmal meinen Dank für alles, was Sie fürmich getan haben.«

»Sie stehen längst nicht mehr in meiner Schuld.«»O doch, Perry Rhodan. Ich werde sie abtragen,

wenn wir die Gefahr, die Sie Langzeitwaffe nennen,gemeinsam beseitigen. Machen Sie sich keineSorgen.«

Die Sendung wurde abrupt abgebrochen.Das Beiboot kehrte eine Stunde später in sein

Mutterschiff zurück, und dann flammte die grelleEnergieblase wieder auf, wodurch sich dieEntfernung zwischen Terranern und Accalauriesscheinbar jäh verringerte.

Stumm sahen Rhodan, die Offiziere und Mutatenzu, wie sich der leuchtende ovale Lichtfleck langsamin Bewegung setzte und ins All hinausstrebte. Aufdem normalen Panoramaschirm war er noch lange zusehen, wenn er auch immer schneller wurde unddamit kleiner.

Und dann, von einer Sekunde zur anderen, war derAccalaurie verschwunden.

Wortlos erhob sich Rhodan und begab sich mitzwei Navigationsoffizieren der KALUP an Bord derPINIMARA. Er stellte sie Major Tang und CaptainBrodsal vor.

»Leutnant Rudolph und Fähnrich Ragoona werdenSie heimgeleiten, sobald sich unsere Schiffe getrennthaben. Sie werden der Heimatflotte zugeteilt, undeines Tages wird Ihre ausschließliche Aufgabe darinbestehen, Kontakt zu Accalauries aufzunehmen.Alles andere erfahren Sie im Sonnensystem. Bisdahin, meine Herren, darf ich mich verabschieden.«Als Rhodan durch den Korridor zurAusstiegsschleuse ging, erwartete ihn eineÜberraschung, Rechts und links standen Offiziereund Mannschaften der PINIMARA Spalier undsalutierten. Schweigend standen sie da, mitleuchtenden Augen und strahlenden Blicken. DerTotgeglaubte war wieder bei ihnen und zeigte ihnenauch weiter den weg in eine bessere Zukunft.

Rhodan gab den Gruß seiner Männer stumm undbewegt zurück, aber kurz vor Erreichen der Schleusekarr es ihm vor, als habe er hinter sich verhaltenesKichern gehört.

Das war doch nicht möglich! Niemand würde eswagen, heimlich hin, ter seinem Rücken zu lachen.Niemand!

Mit einem Ruck drehte Rhodan sich um - und

blieb stehen, Fünf Schritte hinter ihm stolzierteGucky in seiner Paradeuniform und nahm dieOvationen der PINIMARA-Besatzung entgegen. Mitder rechten Hand gab er den Flottengruß gravitätischzurück, während er mit der linken Hand seinen frischgestriegelten Biberschwanz hielt, als wolle er nichtdarüber stolpern.

Kein Wunder, daß die Leute nur mit Mühe dasLachen zurückhielten. Gucky war so in seineanstrengende Tätigkeit vertieft, daß er RhodansStehenbleiben nicht bemerkt hatte. Er rannteregelrecht in ihn hinein und wäre beinahehingefallen. Sein Gesicht verriet ehrliche Empörung.

»Das hier ist meine Begrüßungsparade!« kreischteer so laut, daß man seine schrille Stimme durch dasganze Schiff hören konnte. »Und ich habe einen soguten Eindruck gemacht. Warum stehst du hierherum?«

Rhodan stellte ihn auf den Boden zurück.»Wollen wir streiten?« Er nickte den Männern zu.

»Was sollen die denn von uns denken? Sie hieltenuns bisher für Freunde.«

Gucky warf den Kopf in den Nacken und sahrichtig schnippisch aus. »Sind wir ja auch, aber esheißt doch auch: Ehre, wem Ehre gebührt.« Erwandte sich an die belustigten Offiziere undMannschaften und fuhr fort: »Weitermachen mit derBegrüßung!«

Er legte die Hand an seine übergroßen Ohren undmarschierte den Rest der Strecke zur Schleuse, ohnesich um Rhodan zu kümmern, der ihm mit einemnachsichtigen Lächeln folgte.

Wenig später trennten sich die beiden Schiffe undnahmen unabhängig voneinander Fahrt auf.

Rhodan fühlte Erleichterung.Nur einen Augenblick dachte er an den

Todessatelliten, der die Sonne umkreiste - dieLangzeitwaffe der Unbekannten aus derVergangenheit.

Na, und wenn schon.Ihm, Rhodan, war es mit Hilfe seiner Freunde

gelungen, eine andere Langzeitwaffe zu schmieden,die eines Tages Früchte tragen würde:

Die Freundschaft mit den Antimateriellen, denAccalauries.

Nur sie war es die jetzt zählte.Perry Rhodan hat eine Brücke von Universum zu

Universum geschlagen und damit etwas erreicht, dassich in näherer Zukunft als äußerst fruchtbringenderweisen dürfte. Doch Ribald Corello, Perry Rhodansärgster Widersacher, ist ebenfalls nicht untätiggeblieben. Corello kennt keine Freunde - er kennt nurergebene Sklaven. Wer in Corellos Bann gerät, istrettungslos verloren - denn Ribald Corello ist DERSUPERMUTANT ...

DER SUPERMUTANT - so heißt auch der nächste

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Perry-RhodanRoman. Verfasser des Bandes ist H. G.Ewers.

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(GERMANY Januar 1981)

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