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B~DBICH ADOLF WILLERS 1883-1959 1 F'RIEDRICH AUOLF WILLEM 1883 - 1969 Am 29. Januor 19W3 jiihrt eiah ZULU hundertsten Male der Ueburtstag von FIUEDBIOH ADOLF ~VILLERS. Fur die Zeitschrift fur Angewandte Mathematik und Mechanik (ZAMM), uw die er sich auDerorderitliche Verdienste er- worben hat,, ist diem Tag ein willkonimener AnlaD, seinein Andenken ein Sonderheft zu widmen uncl niit don dariti veriiffentlichten Arbeiteu euni Ausdruck zu bringen, dtlB min M'irken bis in die Gegenwart aumtrahlt. Ein Jahr nach winem Tode aiu 5. Januar 1969 hat die ZAMM sein Leben und Wirken bereits in einem Sonderheft {M-1 (19CjO)l uusfiihrlich gewurdigt urid bei dieser Gelegenheit auch das umfangreiche Verzeichnis seiner wissenschaftlichen Bucher und Aiifsiitae veroffentlicht. Es mag daher jetet an seinem 100. Ceburtstag geniigen, die wichtigsten Daten seines Lebens iii aIler Kurze aufmzeigen. Ah Bohn des Lehrm, Kantors und Organisten JOHANNES WILL~S in Breniervorde geboren, studierte YREW BICH ADOLE' WILLE~~Y, nachdem er in Northeilu und Stade seine Schulbildungerhalten hatte, in Jena und Gottiiigen Mathematik und Physik mit dem Ziel der Auebildungfiir das Lehramt an hoheren Schulen. Hier schlol er eich vor allein den Professoren ERNST WIECHERT und CARL RUNGIG an. Bei clem Letatgenannten yromovierte er 1906 nit der vielbeacliteten Dissertation ,,Die Torsion eines Rotationskoryere urn eeiw Achse", die sei- nun :rtrplitereii wissenschaftlichen Arbeitsstil bereits deutlicli erkemen lieu. Im Jahre 1907 beendete er das Stu- dium init deli1 8taatwxamen fur deli hoheren Schuldienst,, dooh blieb er wahrend der folgendeii Jahre, in denen er iiii Hchuldienst tatig war, der Universitat und der Forschung - zeitweise ah Assistent arbeitend - innig verbunden. Neine ersten Veroffentlichungcnverraten ein breit gefiichertes Interesse an den veraahiedenartigsten Anwendungen der Mathematik und an Methoden zur Losung der dabei anfallenden Aufgaben. Von entscheidender Bedeutung diirfte die Arbei t an dew uiufangreichen Artikel ,,Numerische und graphische Quadratur und Integration gewohn- licher urid yartieller Differentialgleichungen" gewcsen sein, den er zusammen mit seinem Lehrer CARL ~~UNGE fur die Enzyklopiidic der Matheniatieehen Wissenschaften (Ud. 11, 3. Ted, 1. Halfte, 5.47-176, Leipzig 1915) verfaDt hat. Dieaer Arbeit folgten bald - in Forin von Aufsiitzen und Goschenbandchen - cigene Darstellungen dieses wvichtigen Teilgebietes der Yraktischen Analysis und iiii Jahre 1928 sein iiberaus bedeutsaniee und fiir die damalige Zeit neuartigea und sich durch groDe Vollstiindigkeit ausseiohnendes Buch ,,Methoden der Yraktischen Analysis", das uber Jahrzehnte hinweg malgebend gewesen ist, in den Jahren 1960 und 1967 in verbesserter und erweiterter Form seine 2. und 3. Auflage erfathren hat und sogar 1971 noch einmal aufgelegt worden ist. F. A. WILLEM hatte sich 1923 - bis dahin stiindig im Schuldienst tiitig - an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg habilitiert, erhielt danach verschiedene Lehrauftriige an Berliner Hochschulen und wurde 1 1. angew. Math. u. Menh., Ed. 68, H. 1

FRIEDRICH ADOLF WILLERS 1883–1959

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Page 1: FRIEDRICH ADOLF WILLERS 1883–1959

B ~ D B I C H ADOLF WILLERS 1883-1959 1

F'RIEDRICH AUOLF WILLEM 1883 - 1969

Am 29. Januor 19W3 jiihrt eiah ZULU hundertsten Male der Ueburtstag von FIUEDBIOH ADOLF ~VILLERS. Fur die Zeitschrift fur Angewandte Mathematik und Mechanik (ZAMM), uw die er sich auDerorderitliche Verdienste er- worben hat,, ist diem Tag ein willkonimener AnlaD, seinein Andenken ein Sonderheft zu widmen uncl niit don dariti veriiffentlichten Arbeiteu euni Ausdruck zu bringen, dtlB min M'irken bis in die Gegenwart aumtrahlt. Ein Jahr nach winem Tode aiu 5. Januar 1969 hat die ZAMM sein Leben und Wirken bereits in einem Sonderheft {M-1 (19CjO)l uusfiihrlich gewurdigt urid bei dieser Gelegenheit auch das umfangreiche Verzeichnis seiner wissenschaftlichen Bucher und Aiifsiitae veroffentlicht. Es mag daher jetet an seinem 100. Ceburtstag geniigen, die wichtigsten Daten seines Lebens iii aIler Kurze aufmzeigen.

Ah Bohn des Lehrm, Kantors und Organisten JOHANNES W I L L ~ S in Breniervorde geboren, studierte YREW BICH ADOLE' WILLE~~Y, nachdem er in Northeilu und Stade seine Schulbildung erhalten hatte, in Jena und Gottiiigen Mathematik und Physik mit dem Ziel der Auebildungfiir das Lehramt an hoheren Schulen. Hier schlol er eich vor allein den Professoren ERNST WIECHERT und CARL RUNGIG an. Bei clem Letatgenannten yromovierte er 1906 n i t der vielbeacliteten Dissertation ,,Die Torsion eines Rotationskoryere urn eeiw Achse", die sei- nun :rtrplitereii wissenschaftlichen Arbeitsstil bereits deutlicli erkemen lieu. I m Jahre 1907 beendete er das Stu- dium init deli1 8taatwxamen fur deli hoheren Schuldienst,, dooh blieb er wahrend der folgendeii Jahre, in denen er iiii Hchuldienst tatig war, der Universitat und der Forschung - zeitweise ah Assistent arbeitend - innig verbunden. Neine ersten Veroffentlichungcn verraten ein breit gefiichertes Interesse an den veraahiedenartigsten Anwendungen der Mathematik und an Methoden zur Losung der dabei anfallenden Aufgaben. Von entscheidender Bedeutung diirfte die Arbei t an dew uiufangreichen Artikel ,,Numerische und graphische Quadratur und Integration gewohn- licher urid yartieller Differentialgleichungen" gewcsen sein, den er zusammen mit seinem Lehrer CARL ~ ~ U N G E fur die Enzyklopiidic der Matheniatieehen Wissenschaften (Ud. 11, 3. Ted, 1. Halfte, 5.47-176, Leipzig 1915) verfaDt hat. Dieaer Arbeit folgten bald - in Forin von Aufsiitzen und Goschenbandchen - cigene Darstellungen dieses wvichtigen Teilgebietes der Yraktischen Analysis und iiii Jahre 1928 sein iiberaus bedeutsaniee und fiir die damalige Zeit neuartigea und sich durch groDe Vollstiindigkeit ausseiohnendes Buch ,,Methoden der Yraktischen Analysis", das uber Jahrzehnte hinweg malgebend gewesen ist, in den Jahren 1960 und 1967 in verbesserter und erweiterter Form seine 2. und 3. Auflage erfathren hat und sogar 1971 noch einmal aufgelegt worden ist.

F. A. WILLEM hatte sich 1923 - bis dahin stiindig im Schuldienst tiitig - an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg habilitiert, erhielt danach verschiedene Lehrauftriige an Berliner Hochschulen und wurde 1 1. angew. Math. u. Menh., Ed. 68, H. 1

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2 FBIEDBICH ADOLB WILLERS 1883- 1959

1928 als Ordinarius f i i r Matheniatik und Darstellende Geometric an die Bergaksdemie in Preiberg (Sa) berufen. Hier leistete er - auch von der Gegenwart aus gesehen - Beispielhaftes in der interdiszipliniiren Zusammenarbeit mit den ingenieurwissenschaftlichen Instituten. Leider muDte er schon 1934 auf Grund massiver Unstimmigkeiten mit der NS-Studentenschaft diese Tiitigkeit aufgeben und sich vorzeitig emeritieren lassen. I n dieser schwierigen Zeit fand er in dem Dresdener Ordinarius fiir Mathematik EEICII TREFFTZ, der ein aufrechter Demokrat war, einen zuverliissigen Freund. Das fiihrte nicht nur zu einer fruchtbaren wissenschaftlichen Arbeit, die sich in wichtigen gemeinsamen Veroffentlichungen niederschlug, sondern TREFFTZ war damals als Nachfolger von It. v. MISES, der 1921 die ZAMM gegriindet hatte und 1'334 aus Deutschland emigrieren muate, Rerausgeber dieser Zeitschrift und fand in WSTLERS einen wertvollen Mitarbeiter. Als TREFFTZ (geb. 1888) im Jahre 1937 vie1 zu friih verstarb, ubernahni WILLERS die Herausgeberschaft, um sie iiber 22 Jahre hinweg bis zu seinem Tode innezuhaben. Er hjitte diese ver- antwortungsvolle Tiitigkeit nicht ausuben konnen, wenn er nicht die Anwendungen der Mathmatik und - vor allem nach seiner Zusammenarbeit mit TREFFTZ - auch die Mechanik in groler Breite beherrscht hiitte. Er hat die ZAMM in dieser langen Zeit niit auflerordentlichen wissenschaftlichen VerantwortungsbewuDtsein gefiihrt und ihr ein unverwechselbares Gesicht gegeben. Nach dem zweiten Weltkrieg war er es, der die ZAMM als erste niathe- matische Zeitschrift auf deutscliem Boden wieder erstehen lieS, die bei dieser Gelegenheit in den neu gegriindeten Akademie-Verlag der spiiteren Deutschen Deniokratischen Republik ubergefiihrt worden ist.

Wenn seit dem zweiten Weltkrieg bis in unsere Tage hinein alljiihrlich die Vortriige, die auf den GAMM- Tagungen gehalten werden, in der ZAMM veroffentlicht werden, so ist auch dies lebzten Endes seiner Initiative zu verdanken.

Die Rehabilitation von W~LLERS als Hochschullehrer nahm 1939 ihren Anfang, als ihm an der Techriischen Hochschule Dresden die Vertretung des erkranktcn Ordinarius fur Angewandte Mathematik M. LAGALLY uber- tragen wurde. Sie wurde aber erst vollstiindig, als er 1944 zu dessen Nachfolger berufen wurde.

Nach dem zweiten Weltkrieg hat sich F. A. W I L L ~ S um den Wiederaufbau der schwer zerstiirten Teahriischcii Hochschule Dresden und ihrer niathematischen Institute unvergangliche Verdienste erworben, die ihni hohe wissen- schaftliche und staatliche Auszeichnungen und Ehrungen eingetragen haben. Auf sie ist in dem oben erwahnten Nachruf aus dem Jahre 19GO ausfiihrlich eingegangen worden. Sein 100. Geburtstag wird AnlaS sein, auch diese Seite seines bedeutenden Wirkens als Hochschullehrer und Porscher an geeigneter Stelle noch eirimal zu wiirdigen.

fjberblickt man das an Unifang und Vielseitigkeit so reiche Schaffen von WILLERS, so driingt sich der Eindruok auf, daB sein ganzes Leben von dem Bestreben geleitet wurde, den unerschopflichen Fundus an Wissen, den die Mathematiker erarbeitet haben, moglichst umfassend nutzbar zu machen. Als Anwender war damals vor allem an Natur- und Ingenieurwissenschaftler gedacht. Fur diese iniissen dio mathematischen Hilfsmittel aller Art, seien es nun Diagramme, Instrumento, Algorithmen oder Programme, so weit ausgebildet sein, daB sie - auf der Basis einer soliden iuathematischen Grundausbildung - weitgehend ohne stiindigen Kontakt mit dem Mathematiker eingesetxt werden konnen; Hohepunkt dieser Arbeitsrichtung stellen in der Gegenwart die ausgeklugelten Programin- pakete dar. WILLERS hat die Vorstufe dieser Entwicklung zeit seines Lebens durch eigene Beitriige und ubersichts- artikel wie auch in seinen Monographien oder Vortriigen aktiv gefordert und eine grog, Ausstrahlungskraft besessen. I n einem Alter etwa, in dem die Hinwendung x u Neuem kcinc Selbstverstiindlichkeit iriehr darstellt, hat cr die reichen Moglichkeiten, die sich durch das Aufkoiiimen der elektronischen hchentechnik andcuteten, VOII Anfang an in ihren Grundzugen voll erkannt; er hat weitblickend sein Ansehen dafiir eingesetzt, daB an der Techiiischeii Hochschule Dresden gunstige Vorbedingungen fiir entsprechende Entwicklungsarbeiten geschaffen wurden. WILLERS verkiirperte viele Eigenschaften, die auch aus heutiger Sicht von einem Wissenschaftler und Hochschul- lehrer gefordert werden. Die Mathematiker der j ungercn Generation konnen WILLERS an seinein Gedenktage am besten dadurch ehren, dalJ sie danach streben, diesen Forderungen nachzukommen.

1%. HIEINRICH