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Rezensionen 289 rapie" durch Ambroise Pare (mit Kauterisations- verzicht und schonender Wundbehandlung nach Geschofientfernung und Wundreinigung) und Bartolommeo Maggi (der einerseits als ein ,,Neuerer in der Schufiwundenbehandlung", an- dererseits durch Schiefiversuche auch als ,,ein fru- her Vertreter des wissenschaftlichen Experiments" gelten kann). Antyllos, ein griechischer Arzt und Chirurg, uber dessen Leben fast nichts bekannt ist und der zwischen dem spaten ersten und der Mitte des vierten nachchristlichen Jahrhunderts gelebt ha- ben durfte, war Gegenstand der lichtbildgestiitz- ten Ausfuhrungen von Gerasimos Varelis und Mi- chael Sachs, jeweils Frankfurt am Main. Varelis analysierte dessen Schriften, die nur in Fragmen- ten (meist bei Oreibasios) iiberliefert sind und un- ter denen die Werke iiber Chirurgische Eingriff;. und Uber Arzneien besonders hervortreten, aber auch zahlreiche weitere Bereiche wie allgemeine Hygiene, Diatetik, Bider, Sport und anderes be- handelt werden. Beziiglich der Chirurgie finden sich bei Antyllos uber allgemeine Vorschriften hinaus auch detailliert die Techniken der Ein- griffe. Dieser resezierte unter anderem Knochen und Gelenke, legte eine Tracheotomie bei Erstik- kungsgefahr nahe und verfugte beispielsweise iiber eine erfolgversprechende Chirurgie von Ab- szessen, Fisteln und Aneurysmen. Bei der Unter- suchung seiner Schriften akzentuierte Sachs vor allem deren ,,Bedeutung fur die Entwicklung der operativen Chirurgie" und ging in diesem Zusam- menhang ausfiihrlich auf Aneurysma-Operatio- nen nach Antyllos ein, der bereits zwischen ,Er- weiterungs-Aneurysma' und ,Aderrin-Aneu- rysma' unterschied und aus dessen Beschreibun- gen der Operationstechnik nachdrucklich die praktischen Erfahrungen in der Durchfuhrung derartiger (wie anderer) Eingriffe sprechen. Die gehaltenen Vortrage sollen 2001 in Band 20 der W'rzburger medizi~historjsc~en Mitteilungen veroffentlicht werden. Josef Domes Anschrift des Verfassers: Dr. Josef Domes, Institut fur Geschichte der Medizin der Universitat Wiirz- burg, Oberer Neubergweg 10 a, D-97074 Wiirzburg Rezensionen Friedrich DebudFranz Gustav Kollmann/Uwe Porksen (Hrsgg.): Deutsch als Wissenschaftssprache im 20. Jahrhundert. Vortrage des Internationalen Sympo- sions vom 18./19. Januar 2000. (Akademie der Wissenschaften und der Literatur [Mainz], Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse 2000, Nr. 10) Stuttgart: F. Steiner 2001 (ausgegeben 15. Marz 2001, 0 2000). 314 SS., DM 79,-; ISBN 3-515-07862-2. In einer Zeit, in der auf einem in Deutschland stattfindenden und von einer deutschen Organisa- tion finanzierten Symposium zu einem Thema aus der deutschen Wissenschaftsgeschichte ein deutscher Wissenschaftshistoriker seine Frage an den deutschen Referenten in unbeholfenem Eng- lisch stellt, ist es mehr als iiberfallig, sich naher und auf breiter Basis - und mit internationalen Referenten - mit dem Problem ,,Deutsch als Wk- senschaftssprache im 20. Jahrhundert" zu beschaf- tigen. Dies tat dankenswerterweise die Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz Anfang des Jahres 2000 unter Leitung der Her- ausgeber - kritisch und keineswegs nationali- stisch, wenn auch die Liebe zur ausdrucksstarken und prazisen deutschen Sprache in den meisten Beitragen nicht geleugnet wurde. Die Herausge- ber wurden zu dieser nach hinten und nach vorn 0 WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim 2001 blickenden Bestandaufnahme angeregt durch die Diskussion zu einem Vortrag, den der Kieler Ger- manist Friedrich Debus unter dem litel ,,Ent- wicklungen der deutschen Sprache in der Gegen- wart - und in der Zukunft?" am 25. April 1998 vor der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse der Mainzer Akademie gehalten hatte. Die Referate sind jeweils bearbeitet (teilweise erweitert) und mit Belegstellen in Fufinoten ver- sehen, ohne in der Regel jedoch den Sprechstil aufzugeben. Sie sind jedem zur Lekture zu emp- fehlen, der sich der allgemeinen Wissenschafts- sprache ,bad English' oder seiner eigenen Mutter- sprache zu bedienen pflegt oder zwischen beiden noch schwankt - oder sich iiberhaupt iiber das Problem der sprachlichen Wiedergabe wissen- schaftlicher Ergebnisse Gedanken macht; und das sollte jeder Wissenschaftler, also auch Wissen- 0170-6233/01/0412-0289 $10.00+.25/0

Friedrich Debus/Franz Gustav Kollmann/Uwe Pörksen (Hrsgg.): Deutsch als Wissenschaftssprache im 20. Jahrhundert. Vorträge des Internationalen Symposions vom 18./19. Januar 2000

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Rezensionen 289

rapie" durch Ambroise Pare (mit Kauterisations- verzicht und schonender Wundbehandlung nach Geschofientfernung und Wundreinigung) und Bartolommeo Maggi (der einerseits als ein ,,Neuerer in der Schufiwundenbehandlung", an- dererseits durch Schiefiversuche auch als ,,ein fru- her Vertreter des wissenschaftlichen Experiments" gelten kann).

Antyllos, ein griechischer Arzt und Chirurg, uber dessen Leben fast nichts bekannt ist und der zwischen dem spaten ersten und der Mitte des vierten nachchristlichen Jahrhunderts gelebt ha- ben durfte, war Gegenstand der lichtbildgestiitz- ten Ausfuhrungen von Gerasimos Varelis und Mi- chael Sachs, jeweils Frankfurt am Main. Varelis analysierte dessen Schriften, die nur in Fragmen- ten (meist bei Oreibasios) iiberliefert sind und un- ter denen die Werke iiber Chirurgische Eingriff;. und Uber Arzneien besonders hervortreten, aber auch zahlreiche weitere Bereiche wie allgemeine Hygiene, Diatetik, Bider, Sport und anderes be-

handelt werden. Beziiglich der Chirurgie finden sich bei Antyllos uber allgemeine Vorschriften hinaus auch detailliert die Techniken der Ein- griffe. Dieser resezierte unter anderem Knochen und Gelenke, legte eine Tracheotomie bei Erstik- kungsgefahr nahe und verfugte beispielsweise iiber eine erfolgversprechende Chirurgie von Ab- szessen, Fisteln und Aneurysmen. Bei der Unter- suchung seiner Schriften akzentuierte Sachs vor allem deren ,,Bedeutung fur die Entwicklung der operativen Chirurgie" und ging in diesem Zusam- menhang ausfiihrlich auf Aneurysma-Operatio- nen nach Antyllos ein, der bereits zwischen ,Er- weiterungs-Aneurysma' und ,Aderrin-Aneu- rysma' unterschied und aus dessen Beschreibun- gen der Operationstechnik nachdrucklich die praktischen Erfahrungen in der Durchfuhrung derartiger (wie anderer) Eingriffe sprechen.

Die gehaltenen Vortrage sollen 2001 in Band 20 der W'rzburger medizi~historjsc~en Mitteilungen veroffentlicht werden. Josef Domes

Anschrift des Verfassers: Dr. Josef Domes, Institut fur Geschichte der Medizin der Universitat Wiirz- burg, Oberer Neubergweg 10 a, D-97074 Wiirzburg

Rezensionen

Friedrich DebudFranz Gustav Kollmann/Uwe Porksen (Hrsgg.): Deutsch als Wissenschaftssprache im 20. Jahrhundert. Vortrage des Internationalen Sympo- sions vom 18./19. Januar 2000. (Akademie der Wissenschaften und der Literatur [Mainz], Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse 2000, Nr. 10) Stuttgart: F. Steiner 2001 (ausgegeben 15. Marz 2001, 0 2000). 314 SS., DM 79,-; ISBN 3-515-07862-2.

In einer Zeit, in der auf einem in Deutschland stattfindenden und von einer deutschen Organisa- tion finanzierten Symposium zu einem Thema aus der deutschen Wissenschaftsgeschichte ein deutscher Wissenschaftshistoriker seine Frage an den deutschen Referenten in unbeholfenem Eng- lisch stellt, ist es mehr als iiberfallig, sich naher und auf breiter Basis - und mit internationalen Referenten - mit dem Problem ,,Deutsch als Wk- senschaftssprache im 20. Jahrhundert" zu beschaf- tigen. Dies tat dankenswerterweise die Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz Anfang des Jahres 2000 unter Leitung der Her- ausgeber - kritisch und keineswegs nationali- stisch, wenn auch die Liebe zur ausdrucksstarken und prazisen deutschen Sprache in den meisten Beitragen nicht geleugnet wurde. Die Herausge- ber wurden zu dieser nach hinten und nach vorn

0 WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim 2001

blickenden Bestandaufnahme angeregt durch die Diskussion zu einem Vortrag, den der Kieler Ger- manist Friedrich Debus unter dem litel ,,Ent- wicklungen der deutschen Sprache in der Gegen- wart - und in der Zukunft?" am 25. April 1998 vor der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse der Mainzer Akademie gehalten hatte.

Die Referate sind jeweils bearbeitet (teilweise erweitert) und mit Belegstellen in Fufinoten ver- sehen, ohne in der Regel jedoch den Sprechstil aufzugeben. Sie sind jedem zur Lekture zu emp- fehlen, der sich der allgemeinen Wissenschafts- sprache ,bad English' oder seiner eigenen Mutter- sprache zu bedienen pflegt oder zwischen beiden noch schwankt - oder sich iiberhaupt iiber das Problem der sprachlichen Wiedergabe wissen- schaftlicher Ergebnisse Gedanken macht; und das sollte jeder Wissenschaftler, also auch Wissen-

0170-6233/01/0412-0289 $10.00+.25/0

290 Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 24 (2001)

schaftshistoriker. Manche Anregung fur die eigene Entscheidung wird ihm dabei geboten; denn die Ausfuhrungen sind keineswegs a$chliei3lich riickblickend auf das abgeschlossene, auch in Hinsicht auf die Sprache der Wissenschaft(en) sehr schnellebige Jahrhundert gerichtet (wie etwa der Beitrag von A. Hermann zur Sprache der Physik), sondern versuchen auch, eine abgewo- gene Prognose oder Entscheidungshilfe in der Sprachenfrage fur deutsche Wissenschaftler des bevorstehenden Jahrhunderts zu bieten.

Der Band enthalt folgende Beitrage: Franz Gustav Kollmann: Deutsch als Wissen-

schaftssprache im zwanzigsten Jahrhundert - eine Einfuhrung (S. 11-18). - Hans-Martin Gauger: Warum nicht Englisch? (S. 19-44). - Konrad Adam: Warum lohnt die Erhaltung des Deutschen als Wissenschaftssprache? (S. 45-58). - Ulrich Am- mon: Entwicklung der deutschen Wissenschafts- sprache im 20. Jahrhundert (S. 59-80). - Jurgen Schriewe: Von Latein zu Deutsch, von Deutsch zu Englisch. Grunde und Folgen des Wechsels von Wissenschaftssprachen (S. 81-104). - Joachim Net- telbeck: Deutsch in internationalen Wissenschafts- einrichtungen (S. 105-123). - Gerhard Stickel: Deutsch als Wissenschaftssprache an augeruniver- sitaren Forschungseinrichtungen (S. 125-142). - Hartmut Schmidt: Sprachen der Wissenschaften an der Akademie der Wissenschaften der D D R (S. 143-157). - Heinrich Detering: Deutsch als Sprache der germanistischen Literaturwissenschaft. Erfahrungen und Thesen (S. 159-175). - Cathrine Fabricius-Hansen: Deutsch als Wissenschaftsspra-

Eva Labouvie: Andere Umstande.

che in Skandinavien (S. 177-191). - Csaba Foldes: Deutsch als Wissenschaftssprache im ostlichen Mitteleuropa (S. 193-207). -Armin Hermann: Das goldene Zeitalter der Physik (S. 209-227). -Wolf- gang Gerok: Deutsch als Wissenschaftssprache in der Medizin (S. 229-237). - Gerhard Pahl: Deutsch als Wissenschaftssprache in den Ingenieurwissen- schaften: Das Verhaltnis zum angloamerikanischen Sprachraum (S. 239 bis 245). - Gunter Hohne: Deutsch als Wissenschaftssprache in den Ingenieur- wissenschaften. Zur Situation in der ehemaligen D D R und in Osteuropa (S. 247-253). - Hans Hat- tenhauer: Zur Zukunft des Deutschen als Sprache der Rechtswissenscbaft (S. 255-271).

Einleitende Beitrage zur Podiums-Diskussion. Konrad Ehlich: 18 Thesen zum Deutschen als Wissenschaftssprache fur das 21. Jahrhundert (S. 273-275). - Helmut Hesse: Deutsch als Wis- senschaftssprache aus der Sicht eines National- okonomen (S. 277-281). - Stefan Hufner: Der Stellenwert der Muttersprache im 21. Jahrhundert (S. 283-286). - Woifgang Klein: Das Ende vor Augen: Deutsch als Wissenschaftssprache (S. 287 bis 291). - Siegfried Grosse: Deutsch als Wissen- schaftssprache im 20. Jahrhundert. Versuch einer Zusammenfassung (S. 293-297). - Wolfgang Hil- berg: Die babylonische Sprachverwirrung wird ein Ende finden - durch Technik und nicht durch das Diktat einer Einheitssprache (S. 299-308). - Franz Gustav Kollmann: Zusammenfassung und Thesen zum Symposium ,Deutsch als Wissen- schaftssprache im 20. Jahrhundert' (S. 309-31 1).

Fritz Krafft, Marburg

Eine Kulturgeschichte der Geburt. Koln usw.: Bohlau Verlag 1998. 393 Seiten.

Nichts ist fur den Menschen so fundamental, wie geboren worden zu sein, und doch hat es bis in die 1990er Jahre gebraucht, bis sich die Wissen- schaft mit dieser Tatsache beschaftigt hat. Das Thema Geburt und Gebaren wurde insbesondere aus historischer und kulturwissenschaftlicher Per- spektive vernachlassigt, bis erste Ergebnisse aus der Mentalitatsforschung in Frankreich auch fur die deutschsprachigen Lander Forschungsimpulse setzten. Die Historikerin Eva Labouvie benennt denn auch dankbar jene ,,Geburtshelfer,, mit de- nen sie am Institut fur Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart, im ,Ar- beitskreis historische Anthropologie' in Saarbruk- ken und in der ,Arbeitsgruppe Geschichte der Geburt(shi1fe)' am Max-Planck-Institut in Got- tingen zusammengearbeitet hat und von denen sie vielfaltig angeregt wurde.

Die Autorin legt das Hauptaugenmerk ihrer Un- tersuchung auf die landliche Geburtshilfe und Ge- burtspraxis, wobei ihr nicht nur die Veranderungen im Mikrokosmos einer Dorfgesellschaft in den Blick geraten, ,,sondern strukturelle gesamtgesell- schaftliche Entwicklungsprozesse: Im Geschlech- terverhaltnis und Korperverstandnis, in der Akzep- tanz oder Verweigerung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden, befremdlicher Ge- wohnheiten und sich andernder Mentalitaten, im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen wie Nachbarschaft, Patenschaft und Verwandtschaft und der politisch-rechtlichen Partizipation von Frauen in der landlichen Gesellschaft, auf der Ebene des Rituellen und Symbolischen (Taufe, Kindbett, Aussegnung), der Wahrnehmungen und Bedeutungen, des Festbrauchtums oder der popu- laren Magie" (S. 7). Ihre Kulturgeschichte der Ge-

Ber.Wissenschaftsgesch. 24 (2001) 289-300