31
Ursachen, Formen und Folgen der Ursachen, Formen und Folgen der „Verbetrieblichung“ „Verbetrieblichung“ gewerkschaftlicher gewerkschaftlicher Interessenvertretungen in Interessenvertretungen in Deutschland Deutschland Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie Seminar: Arbeitspolitik und Arbeitsbeziehungen in Deutschland und Polen Dozent: Herr Dr. Lungwitz Referenten: Torsten Wender & Daniel Frenzel

Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

  • Upload
    geneva

  • View
    50

  • Download
    0

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Ursachen, Formen und Folgen der „Verbetrieblichung“ gewerkschaftlicher Interessenvertretungen in Deutschland. Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie Seminar: Arbeitspolitik und Arbeitsbeziehungen in Deutschland und Polen - PowerPoint PPT Presentation

Citation preview

Page 1: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

Ursachen, Formen und Folgen der Ursachen, Formen und Folgen der „Verbetrieblichung“ gewerkschaftlicher „Verbetrieblichung“ gewerkschaftlicher Interessenvertretungen in Deutschland Interessenvertretungen in Deutschland

Friedrich Schiller Universität Jena

Institut für Soziologie

Seminar: Arbeitspolitik und Arbeitsbeziehungen

in Deutschland und Polen

Dozent: Herr Dr. Lungwitz

Referenten: Torsten Wender & Daniel Frenzel

Page 2: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

GliederungGliederung1. Rechtliche Grundlagen & inhaltliche Strukturen der deutschen Tarifpolitik

1.1 Die tarifpolitische Entwicklung seit Anfang der 90er Jahre in Deutschland

1.2 Die politischen Stellungnahmen zum „Flächentarifvertrag“

2. Begriffsbestimmung „Verbetrieblichung“

3. Ursachen der „Verbetrieblichung“

3.1 Erosion struktureller Macht der Gewerkschaften

3.2 Erosion gewerkschaftlicher Organisationsmacht

3.3 Erosion institutioneller Macht der Gewerkschaften

4. Formen der „Verbetrieblichung“

4.1 Kontrollierte Dezentralisierung

4.2 „Wilde“ Dezentralisierung

4.3 Innovative Tarifpolitik

5. Folgen der „Verbetrieblichung“

5.1 Auswirkungen auf Betriebsräte

5.2 Auswirkungen auf Manager

Literatur

Page 3: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

1. Rechtliche Grundlagen & inhaltliche 1. Rechtliche Grundlagen & inhaltliche Strukturen der deutschen TarifpolitikStrukturen der deutschen Tarifpolitik

Formale Grundlagen des Tarifsystems im Tarifvertrags-gesetz

Tarifvertragsgesetz bestimmt mögliche Tarifvertragsparteien

Gewerkschaften, Unternehmen oder Arbeitgebervereinigungen

Tarifvertragsabschlüsse von Spitzenorganisationen (BDA & DGB) bei Vollmachten

Tarifverträge haben Vorrang vor betrieblichen und indi- viduellen Regelungen

Page 4: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

1. Rechtliche Grundlagen & inhaltliche 1. Rechtliche Grundlagen & inhaltliche Strukturen der deutschen TarifpolitikStrukturen der deutschen Tarifpolitik

Gegenwärtige tarifvertragliche Praxis:

Page 5: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

1. Rechtliche Grundlagen & inhaltliche 1. Rechtliche Grundlagen & inhaltliche Strukturen der deutschen TarifpolitikStrukturen der deutschen Tarifpolitik

Tab. 1: Tarifbindung der west- und ostdeutschen Beschäftigten 1998

(nach: IAB-Betriebspanel 1998)

Anteile der Beschäftigten

in %

Flächen-tarifvertrag

Firmen-tarifvertrag

KeinTarifvertrag

Branche West Ost West Ost West Ost

Landwirtschaft 71,6 24,3 1,6 7,2 26,9 68,5

Baugewerbe 83,0 50,3 3,5 11,8 13,5 37,9

Grundstoff-verarbeitung

75,2 48,8 8,0 9,4 16,8 41,8

Investitions-güter

74,0 40,0 5,9 10,8 20,2 49,2

Verbrauchs-güter

75,9 38,2 7,2 15,3 16,9 46,5

Page 6: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

1.1 Die tarifpolitische Entwicklung seit Anfang 1.1 Die tarifpolitische Entwicklung seit Anfang

der 90er Jahre in Deutschlandder 90er Jahre in Deutschland

Tendenz zur Dezentralisierung und „Verbetrieblichung“ Flächentarifverträge nur noch als Rahmenregelungen

Kritiker fordern Abkehr von starren Flächentarifverträgen

und „Entmachtung des Tarifkartells“

Flexibilisierung der Tarifvertragsbedingungen

Verlagerung des Entscheidungsrechts über Arbeitsverhältnisse und Vergütungsbestandteile von Tarifebene auf betriebliche Ebene Stärkere Öffnung für betriebliche Anpassungen

Page 7: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

1.2 Die politischen Stellungnahmen zum 1.2 Die politischen Stellungnahmen zum FlächentarifvertragFlächentarifvertrag

Michael Rogowski Michael Rogowski (ehemaliger BDI-Präsident):(ehemaliger BDI-Präsident):

„Man müsste Lagerfeuer machen und erst mal die ganzen Flächentarifverträge verbrennen.“

Guido Westerwelle:Guido Westerwelle:„Im Bereich der Lohnfindung muss der flächendeckende Tarifvertrag verschwinden. Wir brauchen eine neue Autonomie der Betriebe.“ Friedrich Merz Friedrich Merz (ehemalige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU):(ehemalige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU):

„Es muss ein gesetzlicher Weg gefunden werden, wie die Betriebe von Kernbestandteilen der Tarifverträge ohne Intervention der Tarifvertragsparteien abweichen können.“

Page 8: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

2. Begriffsbestimmung „Verbetrieblichung2. Begriffsbestimmung „Verbetrieblichung““

„Verbetrieblichung“ ist die zunehmende Verlagerung der Verhandlungen (Regelungsmaterie)

vor allem über Lohn und Arbeitszeiten von der überbetrieblich-tariflichen auf die betriebliche Ebene.

(WSI 1999: 1)

Page 9: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

3. Ursachen für „Verbetrieblichung“3. Ursachen für „Verbetrieblichung“

(1) Notwendigkeit situationsspezifischer Lösungen

Flexibilisierung der Betriebe Betriebsrat von „Normumsetzer“ hin zum „Normsetzer“ Entlohnungssystemen und Arbeitszeitregelungen

(2) Ende Nachkriegsprosperität abnehmende Wachstumsraten, überzyklisch ansteigender Arbeitslosigkeit tiefgreifender Strukturwandel

(3) Verschärfung internationaler Konkurrenz & zunehmende Einbindung weltmarktorientierter Unternehmen in Shareholder-Value-Konzepte

(4) Wiedervereinigung & anschließende sozioökonomische Transformationsprozess

(5) Verlust gewerkschaftlicher Machtressourcen

Page 10: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

3.1 Erosion struktureller Macht der 3.1 Erosion struktureller Macht der GewerkschaftenGewerkschaften

Strukturelle Macht

Institutionelle Macht

Organisations-macht

Gewerkschaft

Page 11: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

3.1 Erosion struktureller Macht der 3.1 Erosion struktureller Macht der GewerkschaftenGewerkschaften

Scharfe weltwirtschaftliche Rezession 1992/1993 Verschlechterung gewerkschaftlicher Rahmenbedingungen

Wettbewerbsorientierte Tarifpolitik

Anhaltende Massenarbeitslosigkeit & politisch bewusste Deregulierung Zunahme prekärer Beschäftigung Ausweitung Niedriglohnsektor

Page 12: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

3.2 Erosion gewerkschaftlicher 3.2 Erosion gewerkschaftlicher OrganisationsmachtOrganisationsmacht

Strukturelle Macht

Institutionelle Macht

Organisations-macht

Gewerkschaft

Page 13: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

3.2 Erosion gewerkschaftlicher 3.2 Erosion gewerkschaftlicher OrganisationsmachtOrganisationsmacht

Gewerkschaftlich geringer Organisationsgrad

Unterdurchschnittliche Präsenz der Gewerkschaften jüngeren Beschäftigten, Frauen, Angestellten Dienstleistungsbereich, im Osten Deutschlands

Demographische Entwicklung der Mitgliederorganisation

Verschärfte Tarifkonkurrenz Etablierung eigenständiger Tarifparteien (z.B. Pilotenvereinigung

Cockpit, Marburger Bund)

Page 14: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

3.3 Erosion gewerkschaftlich institutioneller 3.3 Erosion gewerkschaftlich institutioneller Macht Macht

Strukturelle Macht

Institutionelle Macht

Organisations-macht

Gewerkschaft

Page 15: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

3.3 Erosion gewerkschaftlich institutioneller 3.3 Erosion gewerkschaftlich institutioneller MachtMacht

Differenzierte und abnehmende Tarifbindung 62% der deutschen Beschäftigten unter tariflichen

Bestimmungen Tarifbindung im Westen deutlich höher als im Osten

Zunahme Dezentralisierung und tarifloser Zustände

Rückgang allgemeinverbindlicher Tarifverträge

Page 16: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

4. Formen der „Verbetrieblichung“4. Formen der „Verbetrieblichung“

Optionen von Betriebs- und Tarifpolitik:

Kontrollierte Dezentralisierung „wilde“ Dezentralisierung

Weitere: Kontrollierte Differenzierung durch konditionierte

Wahlmöglichkeiten Betriebliche Tarifpolitik durch Ergänzungstarifverträge Zweistufig angelegte Tarifpolitik

Kern der Veränderungen tarifpolitischer Praxis zielt dabei auf Kern der Veränderungen tarifpolitischer Praxis zielt dabei auf Differenzierung und Dezentralisierung der TarifpolitikDifferenzierung und Dezentralisierung der Tarifpolitik

Page 17: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

4.1 Kontrollierte Dezentralisierung (1)4.1 Kontrollierte Dezentralisierung (1)

Erlaubt betriebliche Abweichungen von tarifvertraglichen Regelungen

Flexibilisierung Differenzierung Absenkung

Instrument: Öffnungsklauseln & Härtefallklauseln

Page 18: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

4.1 Kontrollierte Dezentralisierung (2)4.1 Kontrollierte Dezentralisierung (2)

Öffnungsklauseln & Härtefallklauseln:

Öffnungsklauseln: Bestimmung im Tarifvertrag, die zulässt, dass

ergänzende Regelungen eines Firmentarifvertrages/ Betriebsvereinbarungen gelten können

Härtefallklauseln: Tarifliche Sonderregelung, die es erlaubt,

Lohnzahlungen bei wirtschaftlicher Notwendigkeit zu verringern oder auszusetzen

Page 19: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

Beispiele für Öffnungsklauseln

Bankgewerbe:Absenkung Wochenarbeitszeit, ertragsabhängige Sonderzahlung

Bauhauptgewerbe:Absenkung der Tarifvergütung um 10 % (Ost), Kürzung Weihnachtsgeld (West)

Druckindustrie:Betriebe mit bis zu 35 AN, Kürzung der Sonderzahlung von 95 auf 60 %

Page 20: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

Inhaltliche Regelungsbereiche

Flexibilisierung der Arbeitszeit Dauer, Lage, Verteilung der Arbeitszeit werden verstärkt an

saisonale, produktspezifische und konjunkturelle Erfordernisse angepasst

Lohnkürzungen durch Härte- und Revisionsklauseln Lohnzahlungen bei wirtschaftlicher Notwendigkeit

verringert oder ausgesetzt

4.1 Kontrollierte Dezentralisierung (3)4.1 Kontrollierte Dezentralisierung (3)

Page 21: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

4.1 Kontrollierte Dezentralisierung (4)4.1 Kontrollierte Dezentralisierung (4)

Abkommen zur Beschäftigungssicherung Erlaubt Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich,

dafür Arbeitsplatzgarantie, d.h. Ziel: Kündigungen vermeiden

Förderung von Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit Lohnkürzungen, Mehrarbeit ohne Zuschläge zum

Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, d.h. Ziel: Standortsicherung

Page 22: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

4.2 „Wilde“ Dezentralisierung (1)4.2 „Wilde“ Dezentralisierung (1)

Austritt von Unternehmen aus dem Arbeitgeberverband Abtrennung von Unternehmensbereichen (Outsourcing) Ziel: Geltungsbereich überbetrieblicher Tarifverträge

entziehen Inoffiziell durch „Tarifbruch“ möglich (absichtliches

Verletzen des Vertrages) Insbesondere in Ostdeutschland ausgeprägt Am häufigsten bei Klein- und Mittelbetrieben Schlüsselgruppen fordern eigenständige Tarifverträge Beispiel: „Model Viessmann“

Page 23: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

4.3 Innovative Tarifpolitik (1)4.3 Innovative Tarifpolitik (1)

Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA) Trennung von Arbeitern und Angestellten in

Entgeltfragen Ziel: einheitliche/vergleichbare

Leistungsbewertung

Tarifverträge zur Qualifizierung und Weiterbildung Tarifverträge, die besonders auf Qualifizierung

und Schlüsselqualifikationen ausgerichtet sind

Page 24: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

4.3 Innovative Tarifpolitik (2)4.3 Innovative Tarifpolitik (2)

VW-Modellprojekt „Auto 5000“ Von IG Metall und VW 2001 vereinbart Ziel: 5000 Arbeitsplätze schaffen eigenes

Subunternehmen Arbeiter wurden nach Flächentarifvertrag bezahlt

(20% unter Vergütung des Haustarifvertrages von VW)

Page 25: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

5. Folgen der „Verbetrieblichung“ (1)5. Folgen der „Verbetrieblichung“ (1)

Tarifnormen werden zu betrieblich nachverhandelbaren Größen

Allgemeinverbindlichkeit Tarifverträge sinken 1991: 622 Verträge 2008: 463 Verträge

Abnahme der Tarifbindung dadurch Nachlassende Ankerfunktion der

Flächentarifnormen Flexibilisierung der Löhne Niedriglöhne

Page 26: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

5. Folgen der „Verbetrieblichung“ (2)5. Folgen der „Verbetrieblichung“ (2)

Wegfall der Pufferfunktion des Betriebsrats Verändertes Selbstverständnis und neue

Anforderungen an die Gewerkschaften völlig tariflose Zustände

Tarifbindung bloß noch formal Real werden sie durch Arbeitgeber durch andere

Regelungen ersetzt

Page 27: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

5. Folgen der „Verbetrieblichung“ (3)5. Folgen der „Verbetrieblichung“ (3)

Page 28: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

5.1 Meinung der Betriebsräte (1)5.1 Meinung der Betriebsräte (1)

Betriebsräte

stärkt Arbeitgeberposition 67 %

führt zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen

55 %

überfordert 34 %

Bessere Berücksichtigung betrieblicher Gegebenheiten

25 %

stärkt 23 %

„Verbetrieblichung“ aus Sicht der Betriebsräte:

Page 29: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

Verbetrieblichung der Tarifpolitik ist …

Angaben der Betriebsräte in %

3842

6

zu begrüßen

zwiespältig

generellproblematischk.A.

Quelle: WSI Betriebs- und Personalrätebefragung 2002 (3. Befragung)

14

5.1 Meinung der Betriebsräte (2)5.1 Meinung der Betriebsräte (2)

Page 30: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

5.2 Meinung der Manager5.2 Meinung der Manager

Manager weisen eine erheblich höhere Verbetrieblichungsneigung auf als Betriebsräte

Page 31: Friedrich Schiller Universität Jena Institut für Soziologie

LiteraturLiteratur

Müller-Jentsch, W.: Strukturwandel der Industriellen Beziehungen, Wiesbaden, 2007, S. 107-124

Bispinck, R., Schulten, T.: Re-Stabilisierung des deutschen Flächentarifvertragssystems, WSI-Mitteilungen 4/2009

Schmidt, R., Röbenack, S., Hinke, R.: Prekarisierung des kollektiven Tarifsystems am Beispiel der ostdeutschen Metallindustrie, Industrielle Beziehungen 2/2003,

Kohl, H.: Koalitionsfreiheit, Arbeitnehmerrechte und sozialer Dialog in Mittelosteuropa, 2009, S. 28-33, http://library.fes.de/pdf-files/id/06604.pdf