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204 Beton- und Stahlbetonbau 105 (2010), Heft 3 Persönliches Fritz Wenzel zum 80. Geburtstag Am 8. Februar 2010 feierte Fritz Wenzel seinen 80. Geburtstag; am 12. Februar 2010 fand aus diesem Anlass, veranstal- tet von seinem alten Büro, ein Festkollo- quium statt mit dem Thema „So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig“, der Devise des Jubilars und Richtschnur sei- nes Handels als Ingenieur bei der Repa- ratur und Instandsetzung historischer Bauwerke. Angereist waren Bauinge- nieure, Architekten, Kunsthistoriker und andere am Thema interessierte Fachleu- te von Universitäten und Hochschulen, staatlichen und kirchlichen Bauämtern, den Denkmalämtern mehrerer Bundes- länder, Vertreter verschiedener Baufir- men, aber auch Bauherren, mit denen Fritz Wenzel in der Vergangenheit zu- sammengearbeitet hat. Die Kollegen und Mitarbeiter aus Forschung und Lehre an der Universität Karlsruhe wa- ren anwesend und diejenigen aus der Praxis aus den „Büros für Baukonstruk- tionen“ aus Karlsruhe, Dresden und Schwerin. Die Vorträge des Kolloquiums, das von Ralph Egermann geleitet wurde, und ebenso die Aufsätze in der Festschrift, für die Rainer Barthel, Ordinarius für Tragwerksplanung an der TU München, als Herausgeber und Mitautor verant- wortlich zeichnet, machen deutlich, dass das Zusammenspiel von Forschung und Lehre an Universität und Hochschule mit gezielter Erprobung und Umsetzung der Ergebnisse in die Praxis zu vorbild- lichen Lösungen bei der Erhaltung und Sicherung historisch bedeutsamer Bau- werke zu führen vermag. Fritz Wenzel wurde 1930 in einem kleinen schlesischen Dorf nahe der da- maligen polnischen Grenze geboren, be- endete seine Schulzeit nach der Flucht aus dem Osten in Wolfenbüttel, studier- te 1951–1957an der Technischen Hoch- schule Braunschweig Bauingenieur- wesen und begann sein Berufsleben in einer mittelständischen Ingenieurbau- firma. 1959 kehrte er an die TH Braun- schweig zurück, wurde wissenschaft- licher Assistent von Klaus Piepers am Lehrstuhl für Hochbaustatik, promo- vierte 1963 über die Druckverhältnisse in Silozellen und wurde 1964–1967 Büroleiter bei Klaus Pieper. Im Herbst 1967 erhielt er als Nach- folger von Georg Lewenton den Ruf auf den Lehrstuhl „Baustatik für Architek- ten“ an der Universität Karlsruhe (TH), der später in „Institut für Tragkonstruk- tionen“ umbenannt wurde. Hier im Ba- dischen begannen, während noch am Lehrstuhl über Silodrücke geforscht wurde, die ersten Arbeiten zur Siche- rung bedeutender historischer Bauten, zuerst gemeinsam mit Klaus Pieper, dann, nach der Gründung des eigenen Ingenieurbüros 1968, unter eigener Ver- antwortung. Zu den ersten Arbeiten ge- hörten die Sicherung und Umgestaltung des Dachwerks über dem Langhaus und den Seitenschiffen des Mittelzeller Münsters auf der Insel Reichenau, die Reparatur und Instandsetzung von Bal- thasar Neumanns Abteikirche in Neres- heim, die Sicherung der Stiftkirche in Herrenberg und die Instandsetzung des Langhausdaches des Freiburger Müns- ters. 1970 wurde Fritz Wenzel Prüfinge- nieur für Baustatik, die Aufgaben wur- den mehr und die Mitarbeiterzahl wuchs. Das Büro wurde zu vielen Bau- aufgaben des Landes herangezogen und machte sich einen Namen besonders im Bereich der Altbauerhaltung. Gleichzei- tig wuchs der Lehrstuhl aus kleinen An- fängen zu einem der innovativsten Orte der Karlsruher Architekturfakultät. Auf der Grundlage der dort stattfin- denden Forschungen und den Erfahrun- gen in der Praxis entwickelte Fritz Wenzel eine Forschungseinrichtung, die von 1985 bis 1999 bestand und deren Schwerpunkt in der Untersuchung his- torischer Materialien und Konstruktio- nen lag, Fragen, denen sich die Inge- nieurfakultäten bisher nur in Ausnahme- fällen gewidmet hatten: den Sonderfor- schungsbereich 315 „Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke“. Die Unter- suchungen umfassten ein weites Spek- trum: Holzbau, Metallbau, Mauerwerks- bau, Baustoffkunde, Bodenmechanik und Mineralogie. Eingeschlossen waren selbstverständlich Denkmalpflege und Baugeschichte. Nach der Wiedervereini- gung kamen Forschergruppen der TU Dresden und der TH Leipzig hinzu. Die Arbeitsergebnisse des von der DFG ge- förderten Sonderforschungsbereichs fin- den sich in drei Publikationsreihen wie- der: in 22 Arbeitsheften, 14 Jahrbüchern und sieben Empfehlungen für die Praxis, und darüber hinaus in vielen Einzelver- öffentlichungen der daran beteiligten Wissenschaftler. Die Verbindung zu den Dresdner Kollegen schlug sich 1990 in der Grün- dung des „Weiterbildungs- und Bera- tungszentrums für Denkmalpflege und behutsame Altbauinstandsetzung“ in der „Villa Salzburg“ in Dresden nieder; an der Universität Karlsruhe wurde als Pen- dant das Aufbaustudium Altbauinstand- setzung ins Leben gerufen. Innovative Ingenieurkonstruktionen entstanden während dieser Jahre u. a. mit der Holz- rippenschale auf Baumstützen für das Solebad Bad Dürrheim (1984–1987) und beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche (1992–2005). Der wachsende Ruf, Instandsetzungs- maßnahmen an historischen Bauten minimieren zu können, führte Fritz Wenzel zu vielen Planungs-, Bau- und Untersuchungsaufgaben ins Ausland: nach Pergamon zur teilweisen Wieder- errichtung des Trajaneums, nach Jerusa- lem zur Instandsetzung der Auguste- Victoria-Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg, in die Oase Siwa zur Stabilisie- rung des Ammontempels, zur Geburts- kirche in Bethlehem, der Petrikirche in St. Petersburg, den gesprengten Buddha- Statuen in Bamian und zur Hagia-So- phia in Istanbul. Eine große Rolle spiel- ten bei diesen Aufgaben immer wieder Fragen der Erdbebensicherheit, über de- ren angemessene Lösungsmöglichkeiten und ausgeführte Beispiele der Jubilar seit längerem in internationalen Gre- mien berichtet. 1998 wurde Fritz Wenzel emeritiert. Während seiner Zeit als Hochschulleh- rer entstanden am Institut 29 Promotio- nen; 15 Mitarbeiter sind auf Professo- renstellen an Universitäten und Fach- hochschulen berufen worden. Aus dem Büro hat er sich 2007 zurückgezogen und es den Jüngeren überlassen, die es in seinem Sinne weiterführen mit dem Ziel, die historischen Bauten mit Reparaturen instand zu setzen nach der Devise „So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig“. Als Gutachter bei an- spruchsvollen Sicherungsaufgaben ist er nach wie vor im In- und Ausland tätig. Fritz Wenzel kann auf ein überaus er- folgreiches Arbeitsleben zurückblicken. Ein Grund für diesen Erfolg liegt in der Ausstrahlung, die der Jubilar verbreitet und die denen, die mit ihm zusammen- arbeiten, die Überzeugung vermittelt, dass man sensibel sein kann, aber gleichzeitig auch mutig und selbstbe- wusst, und dass es notwendig ist, die eigenen Gedanken zielstrebig und aus- dauernd zu verfolgen. (Die Festschrift ist erhältlich bei Prof. Dr.-Ing. Rainer Barthel, Technische Universität München, Fakultät für Architektur, Lehrstuhl für Tragwerkspla- nung, Arcisstraße 21, 80333 München, [email protected]) Hartwig Schmidt, Karlsruhe

Fritz Wenzel zum 80. Geburtstag

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Page 1: Fritz Wenzel zum 80. Geburtstag

204 Beton- und Stahlbetonbau 105 (2010), Heft 3

Persönliches

Fritz Wenzel zum 80. Geburtstag

Am 8. Februar 2010 feierte Fritz Wenzelseinen 80. Geburtstag; am 12. Februar2010 fand aus diesem Anlass, veranstal-tet von seinem alten Büro, ein Festkollo-quium statt mit dem Thema „So wenigwie möglich, aber so viel wie nötig“, derDevise des Jubilars und Richtschnur sei-nes Handels als Ingenieur bei der Repa-ratur und Instandsetzung historischerBauwerke. Angereist waren Bauinge-nieure, Architekten, Kunsthistoriker undandere am Thema interessierte Fachleu-te von Universitäten und Hochschulen,staatlichen und kirchlichen Bauämtern,den Denkmalämtern mehrerer Bundes-länder, Vertreter verschiedener Baufir-men, aber auch Bauherren, mit denenFritz Wenzel in der Vergangenheit zu-sammengearbeitet hat. Die Kollegenund Mitarbeiter aus Forschung undLehre an der Universität Karlsruhe wa-ren anwesend und diejenigen aus derPraxis aus den „Büros für Baukonstruk-tionen“ aus Karlsruhe, Dresden undSchwerin.

Die Vorträge des Kolloquiums, dasvon Ralph Egermann geleitet wurde, undebenso die Aufsätze in der Festschrift,für die Rainer Barthel, Ordinarius fürTragwerksplanung an der TU München,als Herausgeber und Mitautor verant-wortlich zeichnet, machen deutlich, dassdas Zusammenspiel von Forschung undLehre an Universität und Hochschulemit gezielter Erprobung und Umsetzungder Ergebnisse in die Praxis zu vorbild-lichen Lösungen bei der Erhaltung undSicherung historisch bedeutsamer Bau-werke zu führen vermag.

Fritz Wenzel wurde 1930 in einemkleinen schlesischen Dorf nahe der da-maligen polnischen Grenze geboren, be-endete seine Schulzeit nach der Fluchtaus dem Osten in Wolfenbüttel, studier-te 1951–1957 an der Technischen Hoch-schule Braunschweig Bauingenieur-wesen und begann sein Berufsleben ineiner mittelständischen Ingenieurbau-firma. 1959 kehrte er an die TH Braun-schweig zurück, wurde wissenschaft-licher Assistent von Klaus Piepers amLehrstuhl für Hochbaustatik, promo-vierte 1963 über die Druckverhältnissein Silozellen und wurde 1964–1967Büroleiter bei Klaus Pieper.

Im Herbst 1967 erhielt er als Nach-folger von Georg Lewenton den Ruf aufden Lehrstuhl „Baustatik für Architek-ten“ an der Universität Karlsruhe (TH),der später in „Institut für Tragkonstruk-tionen“ umbenannt wurde. Hier im Ba-dischen begannen, während noch amLehrstuhl über Silodrücke geforschtwurde, die ersten Arbeiten zur Siche-rung bedeutender historischer Bauten,zuerst gemeinsam mit Klaus Pieper,dann, nach der Gründung des eigenenIngenieurbüros 1968, unter eigener Ver-antwortung. Zu den ersten Arbeiten ge-hörten die Sicherung und Umgestaltungdes Dachwerks über dem Langhaus undden Seitenschiffen des MittelzellerMünsters auf der Insel Reichenau, dieReparatur und Instandsetzung von Bal-thasar Neumanns Abteikirche in Neres-heim, die Sicherung der Stiftkirche inHerrenberg und die Instandsetzung desLanghausdaches des Freiburger Müns-ters. 1970 wurde Fritz Wenzel Prüfinge-nieur für Baustatik, die Aufgaben wur-den mehr und die Mitarbeiterzahlwuchs. Das Büro wurde zu vielen Bau-aufgaben des Landes herangezogen undmachte sich einen Namen besonders imBereich der Altbauerhaltung. Gleichzei-tig wuchs der Lehrstuhl aus kleinen An-fängen zu einem der innovativsten Orteder Karlsruher Architekturfakultät.

Auf der Grundlage der dort stattfin-denden Forschungen und den Erfahrun-gen in der Praxis entwickelte FritzWenzel eine Forschungseinrichtung, dievon 1985 bis 1999 bestand und derenSchwerpunkt in der Untersuchung his-torischer Materialien und Konstruktio-nen lag, Fragen, denen sich die Inge-nieurfakultäten bisher nur in Ausnahme-fällen gewidmet hatten: den Sonderfor-schungsbereich 315 „Erhalten historischbedeutsamer Bauwerke“. Die Unter-suchungen umfassten ein weites Spek-trum: Holzbau, Metallbau, Mauerwerks-bau, Baustoffkunde, Bodenmechanikund Mineralogie. Eingeschlossen warenselbstverständlich Denkmalpflege undBaugeschichte. Nach der Wiedervereini-gung kamen Forschergruppen der TUDresden und der TH Leipzig hinzu. DieArbeitsergebnisse des von der DFG ge-förderten Sonderforschungsbereichs fin-den sich in drei Publikationsreihen wie-der: in 22 Arbeitsheften, 14 Jahrbüchernund sieben Empfehlungen für die Praxis,und darüber hinaus in vielen Einzelver-öffentlichungen der daran beteiligtenWissenschaftler.

Die Verbindung zu den DresdnerKollegen schlug sich 1990 in der Grün-dung des „Weiterbildungs- und Bera-tungszentrums für Denkmalpflege undbehutsame Altbauinstandsetzung“ in der„Villa Salzburg“ in Dresden nieder; ander Universität Karlsruhe wurde als Pen-

dant das Aufbaustudium Altbauinstand-setzung ins Leben gerufen. InnovativeIngenieurkonstruktionen entstandenwährend dieser Jahre u. a. mit der Holz-rippenschale auf Baumstützen für dasSolebad Bad Dürrheim (1984–1987)und beim Wiederaufbau der DresdnerFrauenkirche (1992–2005).

Der wachsende Ruf, Instandsetzungs-maßnahmen an historischen Bautenminimieren zu können, führte FritzWenzel zu vielen Planungs-, Bau- undUntersuchungsaufgaben ins Ausland:nach Pergamon zur teilweisen Wieder-errichtung des Trajaneums, nach Jerusa-lem zur Instandsetzung der Auguste-Victoria-Himmelfahrtskirche auf demÖlberg, in die Oase Siwa zur Stabilisie-rung des Ammontempels, zur Geburts-kirche in Bethlehem, der Petrikirche inSt. Petersburg, den gesprengten Buddha-Statuen in Bamian und zur Hagia-So-phia in Istanbul. Eine große Rolle spiel-ten bei diesen Aufgaben immer wiederFragen der Erdbebensicherheit, über de-ren angemessene Lösungsmöglichkeitenund ausgeführte Beispiele der Jubilarseit längerem in internationalen Gre-mien berichtet.

1998 wurde Fritz Wenzel emeritiert.Während seiner Zeit als Hochschulleh-rer entstanden am Institut 29 Promotio-nen; 15 Mitarbeiter sind auf Professo-renstellen an Universitäten und Fach-hochschulen berufen worden. Aus demBüro hat er sich 2007 zurückgezogenund es den Jüngeren überlassen, die es in seinem Sinne weiterführen mitdem Ziel, die historischen Bauten mit Reparaturen instand zu setzen nach derDevise „So wenig wie möglich, aber soviel wie nötig“. Als Gutachter bei an-spruchsvollen Sicherungsaufgaben ist er nach wie vor im In- und Auslandtätig.

Fritz Wenzel kann auf ein überaus er-folgreiches Arbeitsleben zurückblicken.Ein Grund für diesen Erfolg liegt in derAusstrahlung, die der Jubilar verbreitetund die denen, die mit ihm zusammen-arbeiten, die Überzeugung vermittelt,dass man sensibel sein kann, abergleichzeitig auch mutig und selbstbe-wusst, und dass es notwendig ist, dieeigenen Gedanken zielstrebig und aus-dauernd zu verfolgen.

(Die Festschrift ist erhältlich bei Prof. Dr.-Ing. Rainer Barthel, TechnischeUniversität München, Fakultät fürArchitektur, Lehrstuhl für Tragwerkspla-nung, Arcisstraße 21, 80333 München,[email protected])

Hartwig Schmidt, Karlsruhe