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38 personalSCHWEIZ April 2017 Werte & Kompetenzen E mpirische Studien zeigen, dass Altru- isten sowohl ausgesprochen schlech- te als auch sehr gute Leistungsbilanzen aufweisen können. Stellt man sich die Frage, worin sich erfolgreiche von nicht erfolgreichen Altruisten unterscheiden, so erweist sich, dass eine ganz bestimm- ten Form des Gebens ausschlaggebend ist – sowohl für das Gelingen übergrei- fender Kooperation als auch im Hinblick auf den persönlichen Wirkungsgrad und die Beeinflussung anderer. Unser Artikel zeigt auf, inwiefern Empathie, Freude am Geben und absichtslose Unterstützung die wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft sind. Kooperation nach innen und aussen «Bin ich eigentlich falsch, wenn ich helfe und meine Kollegen unterstütze?», fragt ein Mitarbeitender im vertrieblichen Aus- sendienst seinen Chef, nachdem dieser ihn nach seinem «Zeitmanagement» gefragt hat. Hintergrund sind die kom- plexen Probleme, die in dem Technolo- gieunternehmen zwischen Aussendienst und technischem Support bestehen. Die Techniker haben die Aufgabe, das Pro- dukt vor Ort beim Kunden zu implemen- tieren. Häufig gibt es hier Mängel in der Prozessqualität: Den Technikern fehlen Informationen, die Leistung beim Kunden stimmt nicht und die Frustration ist ent- sprechend gross. Unser Aussendienstmit- arbeiter ist sehr motiviert, hier nach innen zu unterstützen. Freilich kostet ihn dies viel Zeit, die ihm an anderen Stellen fehlt. Das Unternehmen hat das Problem er- kannt und investiert neben der Behebung Führung Altruismus und Erfolg Flache Hierarchien, Matrix-Strukturen, komplexe übergreifende Projekte und interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern gleichermassen eine gute Kooperation und eine ausgeprägte Bereit- schaft aller Beteiligten, uneigennützig andere zu unterstützen. Von Tobias Heisig und Alexander Wittwer Kann auch zu Erfolg führen: altruistisches Verhalten.

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Werte & Kompetenzen

Empirische Studien zeigen, dass Altru­isten sowohl ausgesprochen schlech­

te als auch sehr gute Leistungsbilanzen aufweisen können. Stellt man sich die Frage, worin sich erfolgreiche von nicht erfolgreichen Altruisten unterscheiden, so erweist sich, dass eine ganz bestimm­ten Form des Gebens ausschlaggebend ist – sowohl für das Gelingen übergrei­fender Kooperation als auch im Hinblick auf den persönlichen Wirkungsgrad und die Beeinflussung anderer. Unser Artikel zeigt auf, inwiefern Empathie, Freude am Geben und absichtslose Unterstützung

die wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft sind.

Kooperation nach innen und aussen

«Bin ich eigentlich falsch, wenn ich helfe und meine Kollegen unterstütze?», fragt ein Mitarbeitender im vertrieblichen Aus­sendienst seinen Chef, nachdem dieser ihn nach seinem «Zeitmanagement» gefragt hat. Hintergrund sind die kom­plexen Probleme, die in dem Technolo­gieunternehmen zwischen Aussendienst

und technischem Support bestehen. Die Techniker haben die Aufgabe, das Pro­dukt vor Ort beim Kunden zu implemen­tieren. Häufig gibt es hier Mängel in der Prozessqualität: Den Technikern fehlen Informationen, die Leistung beim Kunden stimmt nicht und die Frustration ist ent­sprechend gross. Unser Aussendienstmit­arbeiter ist sehr motiviert, hier nach innen zu unterstützen. Freilich kostet ihn dies viel Zeit, die ihm an anderen Stellen fehlt.

Das Unternehmen hat das Problem er­kannt und investiert neben der Behebung

Führung

Altruismus und ErfolgFlache Hierarchien, Matrix-Strukturen, komplexe übergreifende Projekte und interdisziplinäre

Zusammenarbeit erfordern gleichermassen eine gute Kooperation und eine ausgeprägte Bereit-

schaft aller Beteiligten, uneigennützig andere zu unterstützen.

Von Tobias Heisig und Alexander Wittwer

Kann auch zu Erfolg führen: altruistisches Verhalten.

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Werte & Kompetenzen

technischer und prozessualer Themen massiv in die Kooperationsbereitschaft seiner Mitarbeitenden. Sowohl die Ar­beit beim Kunden als auch die interne Zusammenarbeit sollen durch intensive Kooperationsbeziehungen gekennzeich­net sein. Die übergreifende Zusammen­arbeit erhält damit einen altruistischen Charakter: Im Zentrum soll das Geben stehen – nicht das Nehmen. Eine richtige Strategie?

Geben und Nehmen

Adam Grant hat in seinem Buch Give and Take (2014) an einem Beispiel aufgezeigt, dass Verkäufer sich im Jahresumsatz deutlich unterscheiden – je nachdem, ob sie eher Geber, Matcher oder Nehmer sind. Geber sind diejenigen Personen, die vor allem das Gegenüber im Blick haben und dieses absichtslos unterstüt­zen. Nehmer sind diejenigen, die in erster Linie auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und ihr Vorgehen diesem Anspruch unterordnen. Als Matcher werden solche Personen bezeichnet, die eine Balance aus Geben und Nehmen anstreben. Er­gebnis: Der Jahresumsatz von Gebern im Vergleich zu Nehmern und Matchern war um das Zweieinhalbfache niedriger. Das Wohl ihrer Kunden lag den Altruisten wohl derart am Herzen, dass sie die Sorge hatten, durch aktiven Verkauf ihren Kun­den etwas «aufzuschwatzen». Überra­schend war jedoch, dass Geber auch am anderen Ende des Leistungsspektrums auftauchten, nämlich bei denjenigen Verkäufern, die am produktivsten waren. Diese fuhren im Durchschnitt deutlich mehr Jahresumsatz ein als ihre Kollegen, die den Nehmern und den Matchern zu­zuordnen waren.

Auch Nathan Podsakoff hat in einer Meta analyse an der University of Arizona gezeigt, dass die Hilfsbereitschaft von Mitarbeitenden mit positiven Unterneh­mensergebnissen erstaunlich stark kor­reliert. Ein hoher Anteil an altruistischem Verhalten geht mit einem Mehr an Ren­tabilität, Produktivität, Effizienz und Kun­denzufriedenheit einher. Ausserdem wa­ren in solchen Unternehmen die Kosten niedriger und die Mitarbeiterfluktuation geringer. Warum ist das so? Altruistische Mitarbeitende fördern die Kooperation und das effiziente Lösen von Problemen.

Indem sie von sich selbst absehen und für den anderen da sind, werden der Zusam­menhalt und eine kooperative Unterneh­menskultur gestärkt. Beides wirkt sich nicht nur positiv nach innen aus, sondern spricht gleichermassen Lieferanten und Kunden an.

Altruist nicht gleich Altruist

In der Praxis lassen sich somit folgende Kooperationsstile unterscheiden (vgl. Abbildung): Zunächst der Altruist I (ge­ringere Erfolgsaussicht): Dieser läuft Gefahr, mit dem Gegenüber gänzlich zu verschmelzen, gibt gerne und bedin­gungslos und stellt die eigenen Interessen vollständig zurück. Oft wird der andere dadurch wenig aktiviert und verbleibt in seiner Komfortzone. Wenn der Geber dann immer mehr hilft, nennen wir das «Macherfalle». Davon abzugrenzen ist der Taker (mittlere Erfolgsaussicht). Die­ser gibt nicht absichtslos, sondern um zu nehmen, und handelt unter strategischen Gesichtspunkten. Beim Gegenüber kann so leicht ein Gefühl der Ausbeutung ent­stehen. Schliesslich der Matcher (höhere

Erfolgsaussicht): Ihm kommt es auf eine Balance von Geben und Nehmen an. Ein Verhaltensmuster, das sowohl in vielen Führungs­ als auch Verkaufsansätzen eine grosse Rolle spielt. Der Matcher gibt zunächst gerne und ist hilfsbereit, achtet aber sehr genau darauf, was und wie viel er dafür zurückbekommt. Wenn der Matcher ein gutes Gespür für seinen Gesprächspartner hat und Geben und Nehmen passend dosiert, nehmen beide Partner dies als «gerecht» wahr. Schliess­lich begegnen wir noch einer bestimmten Spielart des Altruisten, die wir Altruist II nennen. Der Altruist II gibt ebenso gerne und hat ebenso viel Empathie wie der Al­truist I. Jedoch betrachtet er die Perspekti­ve und den Kontext des Gegenübers sehr stark unter «objektiven» Erfolgsgesichts­punkten. In der Folge tritt er im Interesse des Gegenübers auch konfrontativ auf und berät den anderen so, dass dieser für sich den richtigen Weg findet. Der Nutzen des anderen wird also nicht nur aus der subjektiven Sichtweise des Gegenübers abgeleitet (Empathie), sondern ebenso sehr aus den gegebenen Kontextbedin­gungen, die für diesen erfolgswirksam

Typologie Give & Take

Altruist II

Altruist I

Matcher

Geben + Empathie + Mitleid + Verschmelzung: Geben ist Selbstzweck

Geben ist strategisch und geplant: Geben, um zu nehmen

Geben und Nehmen müssen sehr ausgeglichen sein:Geben, um zu bekommen

Geben ist uneigennützig und berücksichtigt den Kontext des anderen: Geben, um den anderen in seinem Tun zu unterstützen

Taker

Erfo

lg

hoch

niedrigTypen

Altruist I Taker Matcher Altruist II

� A I

� T

� M

� A II

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MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG

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Werte & Kompetenzen

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sein können (Kontextkompetenz). Die Zusammenarbeit kann deshalb mit einem engagierten Beratungs­ und Coaching­prozess verglichen werden, in dem der andere aktiviert und die oben genannte Macherfalle vermieden wird.

Konsequenzen für Führung, Verkauf und Zusammenarbeit

Die Erfolgsfaktoren in der Kooperation beziehen sich auf die Fähigkeit, in der Zusammenarbeit positive Impulse auszu­lösen. Menschen mit hoher Kompetenz in diesem Bereich gelingt es gut, durch die Art ihrer Kooperation Nutzen und Zufrie­denheit zu stiften. Die Zusammenarbeit wird auch im unternehmerischen Sinne produktiv, weil objektive Zielbestimmun­gen miteinfliessen. Erfolgreiche Führung ist insofern mit jeder Form von «Egotrip» unvereinbar. Führung wird vielmehr zur Dienstleistung am anderen und am Un­ternehmen.

Menschen mit einem starken Statusbe­dürfnis und einem ausgeprägten Ego entsprechen damit nicht den Führungs­anforderungen in der Gegenwart und der Zukunft. Ebenso im Verkauf: Strategien

wie «Dealen», «Hardselling» oder auch verkäuferisches Andienen sterben gera­de den Tod des Handlungsreisenden. In Zeiten hohen verkäuferischen Drucks im Markt sind echte Lösungen gefragt, die mit Engagement, Kompetenz und dem aufrichtigen Willen verkauft werden, dem Kunden wirklich zu helfen. Verkau­fen wird dabei zu einem Prozess, den der Kunde und der Verkäufer in Kooperation gemeinsam tun. Im Zentrum der Zusam­menarbeit stehen die gemeinsame Ziel­setzung und der Antrieb, den Kollegen oder die Kollegin persönlich in diesem Sinne erfolgreich zu machen. Das Gra­vitationszentrum von Kooperation bildet die «big opportunity» (John Kotter in: Accelerate, 2015), also die gemeinsame Geschäftschance und das gute Leben des anderen – im begründeten Vertrauen dar­auf, dass dieses sich auch für den Geben­den positiv auswirkt.

Gute Kooperation

Folgende Erfolgsfaktoren lassen sich da­mit für gute Kooperation identifizieren:

1. Freude am Geben: Fähigkeit und Be­reitschaft, Freude dabei zu empfinden, andere zu unterstützen und ihnen bei der Bewältigung von Aufgaben und beim Lösen von Problemen zu helfen.

2. Empathie: Fähigkeit, sich gut auf an­dere Menschen einstellen und ihre Gefühle in der Kommunikation be­rücksichtigen zu können. Dies erzeugt Offenheit und Resonanz.

3. Gegenseitigkeit: Fähigkeit, in der Zu­sammenarbeit eine gute Balance zwi­schen Geben und Nehmen zu erzielen. Das Einfordern von Gegenseitigkeit ist für dauerhafte und stabile Koopera­tion unerlässlich (wohlwollendes «Tit for Tat»).

4. Kontextkompetenz: Fähigkeit, die Si­tuation des anderen rasch zu erfassen und zu erkennen, was im gegebenen Kontext tatsächlich erforderlich und wirksam ist, dem anderen tatsächlich nützt und diesen erfolgreich macht.

Unser mittelständisches Technologieun­ternehmen aus dem obigen Beispiel tut also gut daran, die Kultur von Führung,

Verkauf und Zusammenarbeit in diesem Sinne weiterzuentwickeln. Gerade in ei­nem sehr harten Marktumfeld werden diejenigen Unternehmen gewinnen, denen es am besten gelingt, Kooperati­onsbeziehungen nach innen und aussen dementsprechend zu gestalten.

Fazit

Die zunehmende Komplexität in Orga­nisationen stellt Führungskräfte und Mitarbeitende vor neue und besondere Herausforderungen. Stichworte sind: Ab­teilungsübergreifende Zusammenarbeit, globale/multikulturelle Ausrichtung und die wirksame Vernetzung aller Beteilig­ten. Ausgehend von Forschungsergeb­nissen des amerikanischen Organisati­onspsychologen Adam Grant sind vier Faktoren ableitbar, die eine gelingende und erfolgsorientierte Kooperation kenn­zeichnen: Freude am Geben, Empathie, Gegenseitigkeit und Kontextkompetenz. Wir nennen diese spezifische Form der Uneigennützigkeit Altruismus II in Ab­grenzung zu einem Altruismus, der Ge­fahr läuft, in Selbstaufgabe zu münden. Der Begriff des Helfens ist in den letzten Jahren eher in Verruf geraten – wer möch­te schon in die Helferfalle laufen oder in den Verdacht geraten, ein Helfersyndrom zu haben? Stattdessen ist die Fähigkeit zum Nein­Sagen und zur Abgrenzung von den Erwartungen anderer zum Ideal­bild von Stärke, Souveränität und Erfolg geworden. Daher sollten Unternehmen ihre Mitarbeitenden dafür gewinnen, die Freude am Geben wieder höher zu ge­wichten – im Vertrauen darauf, dass Ge­ben und Erfolg sich nicht ausschliessen, vielmehr sich wechselseitig bedingen.

Autoren

Dr. Alexander Wittwer und Dr. Tobias Heisig sind Geschäftsführer der CEVEYCONSULTING GmbH. Sie beraten Unternehmen darin, Ver­änderungsprozesse erfolgreich zu gestalten, und gehören seit über 15 Jahren zu den ge­fragtesten Trainern für Führung und Vertrieb.

FallbeispielEin junger Mitarbeiter mit gutem Poten zial und viel Ambition liefert eine Arbeit ab, die nicht zufriedenstellend ist: Zum einen wird fachlich eine Überforderungssitua­tion erkennbar, zum anderen hat er sich in diesem Fall nicht besonders viel Mühe ge­geben und etwas schlampig gearbeitet. Zur Illustration seien aus der Führungs­perspektive folgende Grundtendenzen schlaglichtartig skizziert:

• Der Altruist I zeigt viel Verständnis für die Überforderung, erstellt eine Mus­terlösung und erläutert diese ausführ­lich.

• Der Taker erklärt kurz und knapp die Aufgabe mit der Anforderung, zeitnah zu liefern.

• Der Matcher arbeitet schrittweise: Wohlwollend erarbeitet er gemein­sam mit dem Mitarbeiter die einzelnen Schritte, erbittet dann aber auch, dass «step by step» Ergebnisse vorliegen.

• Der Altruist II bestätigt, dass die An­forderung sehr hoch ist. Zugleich arti­kuliert er freundlich und klar, dass er mehr erwartet hätte. Dadurch entsteht Betroffenheit. Erst wenn diese spürbar ist, hilft er sehr engagiert in Form von Tipps und Anregungen.