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Europäische Schriftenreihe „Gesundheit für alle“, Nr. 5

für alle“, Nr. 5 - WHO/Europe · Die Weltgesundheitsorganisation begrüßt Anträge auf auszugsweise oder vollständige Vervielfältigung oder Übersetzung von Veröffentlichungen

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EuropäischeSchriftenreihe„Gesundheitfür alle“, Nr. 5

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Die Weltgesundheitsorganisationbegrüßt Anträge auf auszugsweise odervollständige Vervielfältigung oderÜbersetzung von Veröffentlichungen derOrganisation; entsprechende Anträgeund Anfragen sind zu richten an: WHO-Regionalbüro für Europa (ReferatVeröffentlichungen), Scherfigsvej 8,DK-2100 Kopenhagen Ø, Dänemark.Das Referat erteilt außerdem Auskünfteüber eventuelle Textänderungen,geplante Neuauflagen, Neudrucke undÜbersetzungen.

© Weltgesundheitsorganisation 1998

Die Veröffentlichungen der Weltgesund-heitsorganisation sind gemäß denBestimmungen von Protokoll 2 derAllgemeinen Urheberrechtskonventionurheberrechtlich geschützt. Alle Rechtevorbehalten.

Die in dieser Veröffentlichung benutztenBezeichnungen und die Darstellung desStoffes beinhalten keine Stellungnahmeseitens des Sekretariats der Weltgesund-heitsorganisation bezüglich desrechtlichen Status eines Landes, einesTerritoriums, einer Stadt oder einesGebiets bzw. ihrer Regierungsinstanzenoder bezüglich des Verlaufs ihrer Staats-und/oder Gebietsgrenzen. Die Länder-oder Gebietsbezeichnungen entspre-chen dem Stand bei der Fertigstellungder Publikation in der Originalsprache.

Die Erwähnung bestimmter Firmenoder der Erzeugnisse bestimmterHersteller besagt nicht, daß diese vonder Weltgesundheitsorganisationgegenüber anderen, nicht erwähntenähnlicher Art bevorzugt oder empfohlenwerden. Abgesehen von eventuellenIrrtümern und Auslassungen, sindMarkennamen im Text besondersgekennzeichnet.

Layout: Wendy Enersen

Inhalt

Weltgesundheitserklärung 4

Vorwort 6

Zusammenfassung 8

Warum GESUNDHEIT21? 11

Solidarität für Gesundheit undgesundheitliche Chancengleichheit 14

Bessere Gesundheit für die Menschenin der Europäischen Region der WHO 17

Eine multisektorale Strategiefür nachhaltige Gesundheit 23

Den Schwerpunkt verschieben:ein resultatorientierter Gesundheitssektor 29

Den Wandel zum Nutzender Gesundheit steuern 33

Die Rolle der WHO und ihrer Partnerfür gesundheitliche Belange 36

Der Weg in eine bessere Zukunft 38

CIP-Kurztitelaufnahme der WHO-Bibliothek

Gesundheit21: Eine Einführung zum Rahmenkonzept„Gesundheit für alle“ für die Europäische Region der WHO

(Europäische Schriftenreihe „Gesundheit für alle“ ; Nr. 5)

1.Gesundheit für alle 2.Gesundheitspolitik 3.Prioritäten imGesundheitswesen 4.Regionalplanung 5.Europa I.Serie

ISBN 92 890 7348 9 (NLM Klassifikation: WA 540 GA1)ISSN 1012-7372

Printed in Denmark

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Europäische Schriftenreihe „Gesundheit für alle“, Nr. 5

Eine Einführung zum Rahmenkonzept„Gesundheit für alle“ für die

Europäische Region der WHO

WeltgesundheitsorganisationRegionalbüro für Europa

Kopenhagen

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Auf der 51. Weltgesundheitsversammlung im Mai 1998 von derWeltgesundheitgemeinschaft verabschiedet

1 In der Originalfassungist diese Textstelle nicht

hervorgehoben.

Weltgesundheitserklärung

IWir, die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), bekräftigen unsere Ver-pflichtung auf das in der WHO-Satzung verankerte Prinzip, daß es zu den Grundrechten einesjeden Menschen gehört, sich der bestmög-lichen Gesundheit erfreuen zu können, und damitbekräftigen wir zugleich die Würde und den Wert einer jeden Person und die für alle geltendengleichen Rechte, aber auch das Prinzip, daß alle die gleichen Pflichten und Verantwortlichkei-ten für die Gesundheit haben.

IIWir erkennen an, daß die Verbesserung der Gesundheit und des Wohlergehens der Menschendas Endziel der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung darstellt. Wir fühlen uns den ethi-schen Konzepten von Chancengleichheit, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit und der Ein-beziehung einer die unterschiedlichen Bedürfnisse von Männern und Frauen berücksichti-genden Perspektive in unsere Strategien verpflichtet. Wir betonen, daß es wichtig ist, bei derVerbesserung der Gesundheit der gesamten Bevölkerung soziale und wirtschaftlicheChancenungleichheiten abzubauen. Deshalb muß unsere größte Aufmerksamkeit unbedingtdenen gelten, die unsere Hilfe am dringendsten brauchen, die durch Krankheit belastet sind,gesundheitlich unzulänglich versorgt werden oder von Armut betroffen sind. Wir bestätigenunseren Willen, die Gesundheit zu fördern, indem wir die grundlegenden Determinanten unddie Grundvoraussetzungen von Gesundheit angehen. Wir erkennen an, daß Veränderungenim weltweiten Gesundheitszustand voraussetzen, daß wir der „Politik Gesundheit für alle fürdas 21. Jahrhundert“ durch relevante regionale und nationale Konzepte und Strategien1 Wir-kung verleihen.

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IIIWir verpflichten uns erneut darauf, unsere Gesundheitssysteme, darunter die der öffentlichenGesundheit dienenden Grundfunktionen und -dienste auszubauen, anzupassen und gegebe-nenfalls zu reformieren, um die allgemeine Zugänglichkeit zu Gesundheitsdiensten sicherzu-stellen, die sich auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse stützen, qualitativ gut sind, sichin bezahlbaren Grenzen halten und zukunftsfähig sind. Wir beabsichtigen, die Verfügbarkeitder in der Erklärung von Alma-Ata2 dargelegten und in der neuen Politik weiterentwickeltenGrundlagen der primären Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Wir werden weiterhin dar-an arbeiten, Gesundheitssysteme zu schaffen, die durch bedarfsgerecht gesteuerte öffentlicheund private Maßnahmen und Investitionen in Gesundheit auf die derzeitigen und voraus-sichtlichen künftigen gesundheitlichen Verhältnisse, die sozioökonomischen Gegebenheitenund die Bedürfnisse der Menschen, Gemeinschaften und Länder reagieren können.

IVWir erkennen an, daß in der Arbeit für die Gesundheit alle Nationen, Gemeinschaften, Famili-en und die einzelnen Menschen gleichermaßen voneinander abhängig sind. Als eine Gemein-schaft von Nationen werden wir gemeinsam handeln, um den allgemeinen Bedrohungen derGesundheit begegnen und weltweit das Wohlergehen der Menschen fördern zu können.

VWir, die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation, beschließen hiermit, die in dieserErklärung niedergelegten Rechte und Prinzipien, Maßnahmen und Verantwortlichkeitendurch konzertiertes Handeln, gleichberechtigte Mitsprache und partnerschaftliche Zusam-menarbeit zu fördern und zu unterstützen, und rufen alle Menschen und Institutionen auf,sich die Vision der „Gesundheit für alle“ für das 21. Jahrhundert zu eigen zu machen undgemeinsam danach zu streben, diese Vision zu verwirklichen.

Weltgesundheitserklärung

2 Auf der InternationalenKonferenz über primäreGesundheitsversorgung,Alma-Ata, 6.–12. Septem-ber 1978 verabschiedetund von der 32. Welt-gesundheitsversammlungmit Resolution WHA32.30unterstützt (Mai 1979).

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Die Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO – 51 Länder mit ihren 870 MillionenEinwohnern in einem Gebiet, das sich von Grönland im Norden bis zum Mittelmeer im Südenund den Pazifikküsten der Russischen Föderation im Osten erstreckt – haben beachtlicheFortschritte im Gesundheitsbereich gemacht. Seit 1980 sind diese Länder – trotz vielfältigerUnterschiede – zusammengekommen und haben sich auf einen gemeinsamen Rahmen fürdie gesundheitliche Entwicklung verständigt. Dieses Rahmenkonzept basiert auf einer gründ-lichen Analyse der Gesundheitsprobleme der Menschen in der Region, setzt Ziele für die ge-sundheitliche Verbesserung und beschreibt Strategien, nach denen Länder, Organisationenund die Bürger verfahren können, um überall in dieser weiten Region länderspezifische Kon-zepte in praxisnahe operationelle Programme auf lokaler Ebene umzusetzen.

Dieses Rahmenkonzept ist keine „Eintagsfliege“: es wird nach abgestimmten Indikatoren,die alle Länder anwenden, systematisch beobachtet und in regelmäßigen Abständen aktuali-siert, um sicherzustellen, daß es die Veränderungen in den Ländern und die neuesten wissen-schaftlichen Erkenntnisse, die von der WHO und anderen zuständigen Stellen erfaßt werden,reflektiert.

Vorwort6

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Vorwort 7

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HO/C

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Die jetzige aktualisierte Fassung wurde im September 1998 vom WHO-Regionalkomitee fürEuropa gebilligt und gibt die Agenda bis zur nächsten – für 2005 geplanten – Revision vor. Sieist das Ergebnis eingehender wissenschaftlicher Analysen sowie eines schriftlichenKonsultationsprozesses mit allen 51 Mitgliedstaaten und rund 50 bedeutenden Organisatio-nen in der Region. Sie bietet den Ländern die beste und umfassendste Orientierungshilfehinsichtlich der Formulierung nationaler gesundheitspolitischer Konzepte und der Realisie-rung eines breiten Engagements der Gesellschaft durch praxisnahe Ansätze, die sich in denheutigen pluralistischen und demokratischen Ländern in der Europäischen Region als wir-kungsvoll erwiesen haben.

Die kurze Einführung zu dem Gesamtkonzept soll in allererster Linie Ministerpräsidenten,Gesundheitsministern und anderen Ministern in den Mitgliedstaaten der Region Anregungengeben, welche Schritte eingeleitet werden können, um die gesundheitspolitischen Konzepteund Strategien in den jeweiligen Ländern mit GESUNDHEIT21: Rahmenkonzept „Gesundheit füralle“ für die Europäische Region der WHO in Einklang zu bringen. Dies wird – mehr als jedeandere Entscheidung, die sie treffen können – dazu beitragen, den Bürgern der einzelnenLänder an der Schwelle zum 21. Jahrhundert mehr Lebensqualität zu ermöglichen.

J.E. AsvallWHO-Regionaldirektor für Europa

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HO/K

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Der Erfolg derGesamtpolitikkann an ihren

Auswirkungen aufdie Gesundheit

gemessen werden

Zusammenfassung8

Ist das gesund? Diese Frage ist zwar einfach, doch äußerst wichtig. Mit dieser Frage könnendie Entscheidungsträger die menschliche Entwicklung entscheidend beeinflussen. An derSchwelle des 21. Jahrhunderts suchen die Menschen in Europa nach einem sozial verantwort-lichen und zukunftsfähigen Entwicklungs- und Wachstumskonzept. Häufig ist hier ein Kom-promiß nötig – eine Konfliktlösung zwischen dem Trachten nach Wohlstand und dem Schutzbzw. der Verbesserung der Gesundheit.

Wie 1998 in der Weltgesundheitser-klärung (siehe Seite 2) ausgeführt, ge-hört Gesundheit zu den Grundrech-ten jedes Menschen. Gesundheit isteine Voraussetzung für Wohlbefindenund Lebensqualität. Sie ist ein Maß-stab zur Messung der Fortschrittehinsichtlich der Verringerung von Ar-mut, der Förderung des sozialen Zu-sammenhalts und der Beseitigungvon Diskriminierungen.

Gute Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaftswachstum.Intersektorale Investitionen in Gesundheit erschließen nicht nur neue Ressourcen für dieGesundheit, sondern bringen auch größeren Nutzen, indem sie langfristig zur wirtschaft-lichen und sozialen Gesamtentwicklung beitragen. Investitionen in ergebnisorientierteGesundheitsversorgung verbessern die Gesundheit und zeigen, welche Ressourcen eingesetzt wer-den können, um den zunehmenden Anforderungen an den Gesundheitssektor zu entsprechen.

Das Rahmenkonzept GESUNDHEIT21 für die Europäische Region der WHO ist durch folgendeHauptelemente gekennzeichnet:

Das konstante oberste Ziel lautet, für alle das volle gesundheitliche Potential zu erreichen.

Es gibt zwei Hauptziele:

� die Gesundheit der Bevölkerung während der gesamten Lebensspanne zu fördern und zuschützen sowie

� die Inzidenz der wichtigsten Krankheiten und Verletzungen zu reduzieren und die aufKrankheiten durch Verletzungen zurückzuführenden Leiden zu mindern.

Drei Grundwerte bilden die ethische Grundlage von GESUNDHEIT21:

� Gesundheit als ein fundamentales Menschenrecht,

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� gesundheitliche Chancengleichheit und Solidarität im Handeln zwischen den Ländernund innerhalb der Länder sowie

� Partizipation und Rechenschaftspflicht des einzelnen wie auch von Gruppen, Institutio-nen und Gemeinschaften in Hinsicht auf eine kontinuierliche gesundheitliche Entwick-lung.

Vier Hauptstrategien für Massnahmen wurden gewählt, ohne sicherzustellen, daß wissen-schaftliche, wirtschaftliche, soziale und politische Nachhaltigkeit die Umsetzung der GESUND-HEIT21 vorantreibt:

� multisektorale Strategien, um sich mit den Determinanten von Gesundheit auseinander-zusetzen und dabei die physischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ge-schlechtsspezifischen Perspektiven zu berücksichtigen und sicherzustellen, daß die ge-sundheitlichen Auswirkungen beurteilt werden,

� auf das Gesundheitsresultat ausgerichtete Programme und Investitionen zur gesundheit-lichen Entwicklung und klinischen Versorgung,

� integrierte familienorientierte und gemeindenahe primäre Gesundheitsversorgung, un-terstützt durch ein flexibles, reaktionsfähiges Krankenhaussystem sowie

� ein partizipatorischer Gesundheitsentwicklungsprozeß, der relevante Partner für die Ge-sundheit auf allen Ebenen – zu Hause, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der örtlichenGemeinde und auf Landesebene – einbezieht und der ein gemeinsames Vorgehen im Ent-scheidungsprozeß, bei der Umsetzung und hinsichtlich der Rechenschaft fördert.

Einundzwanzig Ziele zur „Gesundheit für alle“ wurden vorgegeben, die den spezifischenHandlungsbedarf in der gesamten Europäischen Region beschreiben und die zur Verbesse-rung der Situation erforderlichen Maßnahmen vorschlagen. Sie bilden die „Meßlatte“, mitderen Hilfe die Fortschritte hinsichtlich der Verbesserung und des Schutzes der Gesundheitsowie hinsichtlich der Reduzierung von Gesundheitsrisiken festgestellt werden. Diese 21 Zie-le bilden in ihrer Gesamtheit einen inspirierenden Rahmen zur Gestaltung der Gesundheits-politik in den Ländern der Europäischen Region.

Die GESUNDHEIT21 sollte Bestandteil der gesundheitlichen Entwicklungspolitik jedesMitgliedstaats der Region werden, und ihre Prinzipien sollten von allen wichtigen europä-ischen Organisationen und Institutionen gefördert werden. Das WHO-Regionalbüro für Eu-ropa sollte seinerseits diese Entwicklung konstruktiv unterstützen, indem es folgende fünfRollen einnimmt:

1. als „Gesundheitsgewissen“ zu fungieren, indem es das Prinzip verteidigt, daß Gesundheitein grundlegendes Menschenrecht ist, und fortbestehende bzw. neu auftauchendeProbleme im Zusammenhang mit der Gesundheit der Bevölkerung aufzeigt und bewußtmacht;

Zusammenfassung

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Zusammenfassung10

2. als maßgebliches Informationszentrum für Fragen der Gesundheit und der gesundheit-lichen Entwicklung zu fungieren;

3. in der gesamten Region das Rahmenkonzept „Gesundheit für alle“ zu fördern und dessenregelmäßige Aktualisierung sicherzustellen;

4. aktuelle, wissenschaftlich erhärtete Instrumente zu bieten, die die Länder nutzen können,um an der „Gesundheit für alle“ orientierte Konzepte in konkrete Handlungsansätze um-zumünzen und

5. als Katalysator für Maßnahmen zu fungieren, indem es:

� technische Kooperation mit Mitgliedstaaten anbietet – das kann durch Etablierung einerstarken WHO-Funktion in jedem Land verstärkt werden, um zwischen dem betreffendenLand und der regionalen Gesundheitsorganisation einen Erfahrungsaustausch von beider-seitigem Nutzen sicherzustellen;

� bei den regionsweiten Bemühungen zur Eradikation, Eliminierung oder Bekämpfung vonKrankheiten, die eine große Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen(wie beispielsweise Epidemien übertragbarer Krankheiten und Pandemien wie die mitdem Tabakkonsum zusammenhängenden Krankheiten) eine Führungsrolle wahrnimmt;

� durch Netzwerke in der gesamten Europäischen Region an der „Gesundheit für alle“ orien-tierte Maßnahmen im Verbund mit vielen Partnern fördert;

� die Koordinierung der Nothilfe und der Maßnahmen bei Katastrophen, die die Gesundheitder Bevölkerung in der Region bedrohen, erleichtert.

Diese Broschüre dient als Orientierung über das vollständige regionale Rahmenkonzept „Ge-sundheit für alle“, das im einzelnen in der Veröffentlichung GESUNDHEIT21: Rahmenkonzept„Gesundheit für alle“ für die Europäische Region der WHO (Europäische Schriftenreihe„Gesundheit für alle“, Nr. 6) beschrieben wird.

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PTN

Das 21. Jahrhun-dert kann sehr gutzum ersten Jahr-hundert in derGeschichte derRegion werden, indem der Haupt-fokus der Länderauf der mensch-lichen Entwicklungliegt

„Gesundheit füralle“ ist ein Pro-zeß, der zurschrittweisenVerbesserung derGesundheit derBevölkerungführt – und nichtein abgegrenztesEinzelziel

11Warum GESUNDHEIT21?

Die Agenda für GesundheitDie 870 Millionen Einwohner der 51 Mitgliedstaaten der Europäischen Region stehen an ei-nem historischen Scheideweg. Hinter ihnen liegt das 20. Jahrhundert, dessen erste Hälfte vonzwei verheerenden Weltkriegen ge-kennzeichnet war und das in den letz-ten Jahren von bewaffneten Konflik-ten und einer immer breiteren Kluftim Gesundheitsbereich geprägt wur-de. An der Schwelle des 21. Jahrhun-derts haben die bewaffneten Ausein-andersetzungen jetzt etwas nachge-lassen, und die Gesundheitskrise imöstlichen Teil der Region scheint ih-ren Höhepunkt überwunden zu ha-ben. Das 21. Jahrhundert könntedurchaus zum ersten Jahrhundert inder Geschichte der Region werden, indem sich die Länder hauptsächlich auf die menschliche Entwicklung konzentrieren können.

Die Europäische Region ist eine Region starker Kontraste, in der reiche Länder an die ärmstenNationen angrenzen und in der die armen Nationen mit den Folgen der gesellschaftlichen undpolitischen Veränderungen und des wirtschaftlichen Umbruchs zu kämpfen haben und unterenormen Schwierigkeiten neue Institutionen aufbauen müssen.

Die Europäische Region ist nur ein Teil in einer Welt, in der sich ein tiefgreifender Wandelvollzieht, und in der sich die zunehmende Globalisierung der Märkte, die Kluft zwischen Armund Reich noch verbreitern kann. Der rasche wissenschaftliche Fortschritt und die Weiterent-wicklung der Informationstechnologien führt zu neuen Entwicklungen, deren volles Ausmaßnoch nicht vorhersehbar ist.

Um sich auf diese neue Situation einzustellen, wird ein Modell für die sozialpolitische Ent-wicklung benötigt, in dem die Gesundheit ein Schlüsselfaktor und ein wichtiges Ziel ist. Die„Gesundheit für alle“ bietet einen solchen politischen Rahmen.

Das globale Rahmenkonzept „Gesundheit für alle“Das im Mai 1998 von der Weltgemeinschaft verabschiedete Rahmenkonzept „Gesundheit füralle“ im 21. Jahrhundert zielt darauf ab, die Vision der „Gesundheit für alle“ zu realisieren –das Konzept wurde 1977 auf der Weltgesundheitsversammlung geboren und seit der Konfe-renz von Alma-Ata 1978 zu einer globalen Bewegung. Es setzt die globalen Prioritäten für dieersten beiden Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts und enthält zehn Ziele zur Schaffung der er-forderlichen Voraussetzungen, damit die Menschen in der gesamten Welt das höchstmögliche

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Warum GESUNDHEIT21?12

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HO/V

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„Gesundheit füralle“ bietet einen

ethischen Rahmenfür die Entschei-dungsträger auf

allen Ebenen, umdie Auswirkungen

ihrer Politik auf dieGesundheit zu

beurteilen und umsich bei

Entwicklungs-maßnahmen an

gesundheitlichenErfordernissen zu

orientieren

Gesundheitsniveau erreichen und wahren können. Es ist wichtig zu begreifen, daß es sich beider „Gesundheit für alle“ nicht um ein einzelnes abgegrenztes Ziel handelt, sondern im we-sentlichen um eine Charta für soziale Gerechtigkeit, die einen wissenschaftlich validiertenOrientierungsrahmen zur Verbesserung der Gesundheit bietet und einen Prozeß beschreibt,der zu einer schrittweisen Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung führen wird.

Wie in der von allen WHO-Mitgliedstaaten im Mai 1998 angenommenen Weltgesundheits-erklärung (siehe Seite 2) unterstrichen, hängt die Verwirklichung der „Gesundheit für alle“vom Engagement zugunsten der Gesundheit ab, die dabei als ein fundamentales Recht desMenschen angesehen wird. Dies beinhaltet eine stärkere Berücksichtigung von Ethik undWissenschaft in der Gesundheitspolitik und die Bereitstellung von Forschung und Diensten.Es bedeutet auch die Umsetzung von auf Chancengleichheit ausgerichteten wissenschaftlicherhärteten Konzepten und Strategien, die die Solidarität herausstellen, sowie die Ein-beziehung einer geschlechtsspezifischen Perspektive in solche Entwicklungen. Wie in derWeltgesundheitserklärung ausgeführt, sollte das globale Rahmenkonzept „Gesundheit füralle“ für das 21. Jahrhundert durch regionale und nationale Konzepte und Strategien ver-wirklicht werden, und die GESUNDHEIT21 ist die Antwort der Europäischen Region auf diesesPostulat.

GESUNDHEIT21, die Antwort der Europäischen Region der WHO auf das globaleRahmenkonzept „Gesundheit für alle“Seit ihrer Einführung im Jahre 1980 hat die „Gesundheit für alle“ einen umfassenden Rah-men für die gesundheitliche Verbesserung in der Europäischen Region der WHO geboten unddie gesundheitliche Entwicklung stark beeinflußt. Die nach eingehender Revision nunmehrkonzipierte GESUNDHEIT21 konkretisiert die globalen Wertprinzipien, Ziele und Strategien der„Gesundheit für alle“. Sie reflektiert auch die fortbestehenden Gesundheitsprobleme derRegion sowie die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen einschließlich derMöglichkeiten, die diese Veränderungen eröffnen. GESUNDHEIT21 bietet Entscheidungsträgern

auf allen Ebenen einen ethischen undwissenschaftlichen Rahmen, um dieAuswirkungen ihrer Politik auf dieGesundheit zu beurteilen und umsich bei Entwicklungsmaßnahmen inallen gesellschaftlichen Sektoren vonden gesundheitlichen Erfordernissenleiten zu lassen.

GESUNDHEIT21 baut auf den gemeinsa-men Erfahrungen der europäischenMitgliedstaaten mit ihrem regionalenAnsatz zur „Gesundheit für alle“ auf,

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der in den vergangenen 15 Jahren „Gesundheitsresultate“ in Form von Zielvorstellungen zumEckstein der programmatischen Entwicklung und Programmdurchführung gemacht hat.Nach Aktualisierung der ehemals 38 Regionalziele zur „Gesundheit für alle“ im Lichte derbisherigen Fortschritte und der neuen Herausforderungen definiert GESUNDHEIT21 jetzt21 Ziele für das 21. Jahrhundert. Diese Ziele sind nicht als ein Katalog von Anordnungengedacht, sondern bilden in ihrer Gesamtheit das Wesen der Regionalpolitik. Sie bieten einenHandlungsrahmen für die gesamte Region und Inspirationen für Zielvorgaben auf Länder-und Gemeindeebene.

Warum GESUNDHEIT21?

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Solidarität für Gesundheit und gesundheitliche Chancengleichheit14

Erreichung von mehr Chancengleichheit und Solidarität bei der gesundheitlichenEntwicklung zwischen den Mitgliedstaaten der Region und mehr gesundheitlicherChancengleichheit unter den einzelnen Gruppen in der Gesellschaft

Nivellierung des gesundheitlichen Gefälles zwischen den LändernArmut ist eine wichtige Ursache von schlechter Gesundheit und mangelndem sozialen Zu-sammenhalt. Ein Drittel der Bevölkerung im östlichen Teil der Region – das sind 120 Millio-nen Menschen – lebt in äußerster Armut. Die Gesundheit ist dort am meisten beeinträchtigt,wo die Wirtschaftssysteme nicht in der Lage sind, jedem Bürger ein angemessenes Einkom-men zu sichern, wo die Sozialsysteme zusammengebrochen sind und wo mit den natürlichenRessourcen Raubbau getrieben wurde. Das zeigt sich deutlich an dem ausgeprägten gesund-

heitlichen Gefälle zwischen den west-lichen und östlichen Ländern der Re-gion. Die Säuglingssterblichkeit vari-iert zwischen 3 und 43 Todesfällen pro1000 Lebendgeburten, und die Le-benserwartung bei Geburt beträgtzwischen 79 und 64 Jahre.

Um diese Ungleichheiten zu redu-zieren und die Sicherheit und Kohä-sion der Europäischen Region zu be-wahren, müssen durch wesentlichstärkere gemeinsame Bemühungender internationalen Institutionen,Finanzierungsgremien und Geber-länder Umfang, Synergie und Effizi-enz der Unterstützung zur gesund-heitlichen Entwicklung für die be-dürftigsten Länder erhöht werden.Die „20/20-Initiative“ im Anschluß anden 1995 in Kopen-hagen veranstaltetenUN-Sozialgipfelsollte jetzt volleAnwendung fin-den. Das heißt,daß mindestens20% der gesamtenEntwicklungshilfefür soziale Tätigkeiten

Lebenserwartung beider Geburt in

teilregionalenLänder-

gruppierungender Europäischen

Region, 1970–1996

Ein Drittel derBevölkerung im

östlichen Teil derRegion lebt in

äußerster Armut

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1994

1996

EU

Europäische Region

MOE

Nachfolgestaaten der UdSSR

Ziel 1:Solidarität für die

Gesundheitin der

EuropäischenRegion

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15Solidarität für Gesundheit und gesundheitliche Chancengleichheit

zweckbestimmt werden müssen und daß die Empfängerländer mindestens 20% ihrer natio-nalen Haushaltsmittel (Entwicklungshilfe nicht mitgerechnet) für grundlegende sozialeDienste aufwenden müssen. Durch einen gemeinsamen Input in staatliche Gesundheits-entwicklungsprogramme, die höhere Priorität erhalten und eindeutig auf einem nationalenRahmenkonzept „Gesundheit für alle“ in dem Empfängerland basieren, sollte außerdem dieexterne Hilfe viel besser integriert werden.

GESUNDHEIT21 bietet den praktischen langfristigen Rahmen für Solidarität, damit die Mitglied-staaten in Hinsicht auf die Reduzierung des gesundheitlichen Gefälles ihre eigenen Erfahrun-gen einfließen lassen können. Durch Erfahrungsaustausch kann jeder von jedem lernen undsich an externen Initiativen inspirieren. In jedem europäischen Mitgliedstaat sollte es eineWHO-Länderfunktion geben, um aus den fachlichen Ratschlägen, die sich aus den globalenund regionalen Entwicklungen zur „Gesundheit für alle“ ergeben, Nutzen zu ziehen und umselbst einen Beitrag zu diesem internationalen Wissenspool leisten zu können. Die praktischeOrganisation kann durch verschiedene Mechanismen erfolgen.

Nivellierung des Gesundheitsgefälles innerhalb der LänderSelbst in den reichsten Ländern der Region leben die Wohlhabenden einige Jahre länger undsind seltener von Krankheiten und Behinderungen betroffen als die Armen. Armut ist dergrößte Risikofaktor für die Gesundheit: einkommensbedingte Unterschiede im Gesund-heitszustand – ein Gefälle, das alle Schichten in der Gesellschaft durchzieht – stellen eineernste Ungerechtigkeit dar und reflektieren einige der maßgeblichen Einflußfaktoren auf dieGesundheit. Finanzielle Unterprivilegierung führt auch zu Vorurteilen und sozialerAusgrenzung, mit zunehmender Gewalt und Kriminalität. Außerdem bestehen großeUnterschiede im Gesundheitszustand der weiblichen und männlichen Bevölkerung derRegion.

Einkommens-bedingte gesund-heitliche Unter-schiede stelleneine ernste sozialeUngerechtigkeitdar und reflektie-ren einige derwichtigstenEinflußfaktorenauf die Gesundheit©

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Die Unterschiede im Bildungsniveau haben ähn-liche Auswirkungen in bezug auf die Gesundheits-risiken wie die Zugehörigkeit zu einer bestimmtensozialen Klasse. Da der Bildungsstand eng mit demGrad der Deprivation zusammenhängt, muß eineSchlüsselstrategie darauf abzielen, die finanziellen,kulturellen und sonstigen Barrieren zu beseitigen,die einen gerechten Zugang zu Bildungsmög-lichkeiten verhindern. Das gilt speziell für Frauen,aber auch für bedürftige Kinder und anderebenachteiligte Gruppen. Darüber hinaus ist es auchsehr wichtig, spezielle Programme vorzusehen, da-mit arme Kinder trotz nachteiliger Ausgangs-möglichkeiten gleiche Bildungschancen erhalten.

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16 Solidarität für Gesundheit und gesundheitliche Chancengleichheit

Mehr Chancengleichheit führt auch zu einem Zugewinn an Gesundheit und ist mit gesamt-gesellschaftlichen Änderungen und Anpassungen, höherer Produktivität und nachhaltigemWirtschaftswachstum assoziiert. Bei gleichgroßem nationalen Wohlstand werden diejenigenGesellschaften, die sämtliche Bürger einbeziehen und es ihnen ermöglichen, eine aus sozia-ler, wirtschaftlicher und kultureller Sicht sinnvolle Rolle spielen zu können, gesünder sein alsdiejenigen Gesellschaften, in denen die Menschen mit Unsicherheit, sozialerAusgrenzung und Deprivation konfrontiert sind.

Deshalb ist es unerläßlich, daß die Gesamtpolitik, die sozioökonomischen Un-gleichheiten an der Wurzel anpackt und daß die Finanz-, Bildungs- und Sozial-politik so gestaltet wird, daß eine nachhaltige Reduzierung gesundheitlicherChancenungleichheiten erreicht wird. Alle Sektoren der Gesellschaft müssenVerantwortung für die Verringerung sozialer und geschlechtsspezifischer Be-nachteiligungen sowie für die Minderung der entsprechenden Gesundheitsfolgenübernehmen. Benachteiligte Gruppen müssen durch Schaffung von „Sicherheitsnetzen“ Zu-gang zu sozialer Fürsorge sowie zu einer bedarfsgerechten, akzeptablen und nachhaltigenGesundheitsversorgung erhalten.

Ziel 2:Gesundheitliche

Chancen-gleichheit

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17Bessere Gesundheit für die Menschen in der Europäischen Region der WHO

Wichtige Grund-lagen für diespätere Gesund-heit werden in derpränatalen Phaseund in der frühenKindheit gelegt

Ein guter Start insLeben bedeutet,Eltern undKleinkinder zuunterstützen

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Förderung der Gesundheit während der gesamten LebensspanneIm Verlauf des menschlichen Lebens gibt es eine Reihe kritischer Übergangsphasen: affektiveund materielle Veränderungen in der frühen Kindheit, der Übergang von der Grundschule aufeine höhere Schule, der Eintritt insArbeitsleben, das Verlassen des elter-lichen Heims und der Aufbau einereigenen Familie, Arbeitsplatzwechselund eventuell drohende Arbeitslosig-keit und schließlich das Ausscheidenaus dem aktiven Arbeitsleben. Jededieser Veränderungen kann einenmehr oder minder großen Einschnittim Leben bedeuten und die Gesund-heit beeinträchtigen.

Frühzeitige Investitionen in die Gesundheit machen sich im späteren Leben stets bezahlt.Wichtige Grundlagen für die Gesundheit im späteren Erwachsenendasein werden durch diegenetische Veranlagung in der pränatalen Lebensphase sowie in der frühen Kindheit gelegt.

Ein niedriges Geburtsgewicht ist ein Indiz für Deprivation und erhöhte Risiko-faktoren. Ungünstige soziale Verhältnisse und das Fehlen von emotionaler

Zuwendung im frühen Kindes-alter können sich nachteilig aufdie körperliche und gesell-schaftliche Entwicklung und

die Bildungsmöglichkeiten desKindes auswirken, mit einem grö-

ßeren Risiko schlechter physischer und psychi-scher Gesundheit. Außerdem kann die körperliche,intellektuelle und emotionale Weiterentwicklungim Erwachsenenalter beeinträchtigt werden.

Genetische Beratung und Ernährungsberatung,ein Verzicht auf das Rauchen während der Schwan-gerschaft, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungenwährend der Schwangerschaft und qualifizierteSchwangerenberatung tragen dazu bei, einemniedrigen Geburtsgewicht und kongenitalenAnomalien beim Kind vorzubeugen. Da frühzeitigeInvestitionen in die Gesundheit einen benachteilig-ten Start ins Leben kompensieren und späterFrüchte tragen können, muß in der Politik dafür

Ziel 3:Ein gesunderLebensanfang

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Bessere Gesundheit für die Menschen in der Europäischen Region der WHO18

Investitionen zurSicherung vonBeschäftigung

können der Ge-sundheit nützenund dadurch zu

langfristigerProduktivität

führen

gesorgt werden, daß nicht nur Sicherheitsnetze zur Verfügung stehen, sondern auch Sprung-bretter, um eine frühere Benachteiligung zu kompensieren.

Die Politik sollte danach trachten, die Voraussetzungen für ein stützendes familiäres Umfeldzu schaffen, in dem Kinder erwünscht und Eltern befähigt sind, ihre Rolle zu übernehmen.Eltern müssen die Mittel und die Befähigung haben, ihre Kinder aufzuziehen und für sie ineinem sozialen Umfeld zu sorgen, das die Rechte des Kindes schützt; durch Schaffung einerkinderfreundlichen Umwelt und gesundheitsfördernder Einrichtungen für Kinder muß dieörtliche Gemeinschaft Familien unterstützen. Die Mitarbeiter der Gesundheits- und Sozial-dienste müssen geschult werden, Fälle von Kindesmißbrauch zu erkennen und entsprechendzu handeln.

Wenn Unfälle, Folgen des Drogenkonsums und ungewollte Schwangerschaften reduziert wer-den sollen, müssen Politik und gezielte Programme Kindern und jungen Menschen helfen,sich ohne weiteres für eine gesunde Lebensweise entscheiden zu können. Deshalb sollten allewichtigen politischen Entscheidungen des öffentlichen Sektors dahingehend über-prüft werden, daß sie keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit derKinder und Jugendlichen, ihrer Familienangehörigen und Betreuer haben. Inder Bildungs- und Beschäftigungspolitik müssen die Voraussetzungen dafürgeschaffen werden, daß junge Menschen die bestmögliche Ausbildung erhal-ten und den für sie am besten geeigneten Arbeitsplatz finden können. Sexualer-ziehung und Beratungsmöglichkeiten für junge Menschen sowie Zugang zu

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Kondomen reduzieren das Risiko vonungewollten Schwangerschaften und sexuellübertragbaren Krankheiten, einschließlich HIV-Infektionen.

Ein gesundes Arbeitsleben. Sowohl die Quantitätals auch die Qualität der Arbeit haben einen starkenEinfluß auf viele gesundheitsbezogene Faktorenim Erwachsenenalter, einschließlich Einkommen,soziale Netzwerke und Selbstwertgefühl. Investi-tionen zur Sicherung von Beschäftigung könnender Gesundheit dienen und somit eine langfristigeProduktivität ermöglichen. Streß am Arbeitsplatzund Arbeitsplatzunsicherheit führen zu erhebli-chen (nicht ohne weiteres sichtbaren) Kosten fürdie Industrie und Belastungen für die betroffenenArbeitnehmer. Wenn diese Faktoren bei Analysender wirtschaftlichen Leistung berücksichtigt wür-den, erhielte man ein realistischeres Bild. Gezieltere

Ziel 4:Gesundheit

jungerMenschen

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19Bessere Gesundheit für die Menschen in der Europäischen Region der WHO

Maßnahmen sind erforderlich, um ein gesünderes Arbeitsumfeld durch bessere Gesetzge-bung, Standards und Durchführungsmechanismen zu fördern. Die Unternehmen sollten sichfür das Konzept eines „gesunden Unternehmens oder Betriebs“ mit folgenden drei Elementenentscheiden: Gesundheitsförderung für die Mitarbeiter, möglichst gesundheitsförderlicheProduktgestaltung und schließlich Übernahme von sozialer Verantwortung durch Unterstüt-zung der örtlichen Gemeinde oder landesweiter Gesundheitsprogramme.

Altern in Gesundheit. Die Gesundheitspolitik sollte die Menschen darauf vorbereiten – durchsystematisch geplante Gesundheitsförderung und Gesundheitsvorsorge während der gesam-

ten Lebensspanne – bis ins Alter gesund zu bleiben. Soziale, Bildungs- undBeschäftigungsmöglichkeiten können zusammen mit körperlicher Betätigung

die Gesundheit, das Selbstwertgefühl und die Unabhängigkeit älterer Men-schen sowie ihren aktiven Beitrag zum Gesellschaftsleben erhöhen. Innovati-ve Programme zur Bewahrung der Körperkraft und zur Korrektur von Seh-und Hörschäden sowie Bewegungseinschränkungen bevor diese zur Abhän-

gigkeit führen, sind ein besonders wichtiger Aspekt. Gesundheits- und Sozial-dienste auf Gemeindeebene sollten häusliche Dienste zur Unterstützung alter

Menschen im Alltagsleben sicherstellen und die Erfordernisse und Wünsche alter Menschenin bezug auf Wohnunterkunft, Einkommen und andere Faktoren, die ihre Autonomie undsoziale Produktivität verbessern, sollten stärker berücksichtigt werden.

Ziel 5:Altern in

Gesundheit

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20 Bessere Gesundheit für die Menschen in der Europäischen Region der WHO

Verringerung der Inzidenz und Prävalenz von Krankheiten und anderen Ursachen fürschlechte Gesundheit oder Tod auf den niedrigstmöglichen Stand

Verringerung von Gesundheitsstörungen und VerletzungenEntscheidungen in bezug auf Investitionen in die Gesundheit stellen eine Herausforderungfür alle Länder dar. Wie auch immer man vorgeht, der Ansatz sollte auf einer Einschätzungder Belastungen und volkswirtschaftlichen Kosten infolge von vorzeitigen Todesfällen und

Tabak ist für über14% aller Todes-fälle verantwort-

lich und verursachtder Region Kostenin Höhe von mehr

als 100 Mrd.US-Dollar jährlich

Behinderungen basieren. Herz-Kreislauf-Krank-heiten sind in nahezu jedem Mitgliedstaat die häu-figste Todesursache, Krebserkrankungen stehen anzweiter Stelle. In vielen Ländern kommt nach wievor der Säuglings- und Müttersterblichkeit großeBedeutung zu. Weitere wesentliche Beeinträchti-gungen der Gesundheit sind auf psychische Probleme(die für nahezu 10% der gesamten volkswirt-schaftlichen Krankheitskosten verantwortlich sind),Verletzungen und Gewalteinwirkung (pro Jahr übereine halbe Million Todesfälle und eine der Haupt-todesursachen bei jungen Menschen) sowie auf dieWiederkehr bereits vergessener Krankheiten wieMalaria, Tuberkulose und Syphilis zurückzuführen.

Die Verringerung dieser Kosten und Leiden erfor-dert einen integrierten Ansatz zur Gesundheits-förderung, Krankheitsprävention, klinischen Be-handlung und Rehabilitation.

Psychische Gesundheit. Die Verbesserung der psychischen Gesundheit – und vor allemeine Verringerung der Selbstmordraten – setzt voraus, daß der Förderung und dem Schutzder psychischen Gesundheit während der gesamten Lebensspanne, vor allem in den sozialund wirtschaftlich benachteiligten Gruppen, Aufmerksamkeit gewidmet wird. Gut konzi-pierte Gesundheitsprogramme für das Lebens- und Arbeitsumfeld können der Bevölkerungein Zusammengehörigkeitsgefühl vermitteln, zum Aufbau und zur Erhaltung ge-genseitig stützender sozialer Beziehungen beitragen und helfen, mit belasten-den Situationen und einschneidenden Ereignissen im Leben fertig zu wer-den. Die Selbstmordraten können drastisch verringert werden, wenn dieGesundheitsfachkräfte geschult werden, Depressionen frühzeitig zu erken-nen und wenn angemessene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung ste-hen. In vielen Ländern müssen die großen psychiatrischen Anstalten durchein ausgewogenes gutes Netz von Abteilungen für akute psychiatrische Fällein Allgemeinkrankenhäusern einerseits sowie ein sorgfältig geplantes Netz von

Ziel 6:Verbesserung

der psychischenGesundheit

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21

Einrichtungen und Möglichkeiten zur primären Gesundheitsversorgung andererseits ersetztwerden.

Streß am Arbeitsplatz ist ein wichtiger Faktor in bezug auf die großen gesundheitlichenUnterschiede, krankheitsbedingten Fehlzeiten und vorzeitigen Todesfälle im Zusammenhangmit dem Sozialstatus. Bessere Arbeitsbedingungen werden dazu führen, daß die Mitarbeitergesünder sind, was wiederum die Produktivität erhöht. Arbeitslosigkeit ist eine ernste Bedro-hung für die psychische und physische Gesundheit. Da eine unbefriedigende Tätigkeit oderein unsicherer Arbeitsplatz ebenso schädlich wie Arbeitslosigkeit sein können, genügt es fürdie Erhaltung der physischen oder psychischen Gesundheit nicht allein, einen Arbeitsplatz zuhaben, sondern die Qualität der Arbeit ist ebenso wichtig.

Übertragbare Krankheiten. Die Verringerung übertragbarer Krankheiten erfordert einenintegrierten Ansatz, der Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention und Patienten-behandlung miteinander kombiniert. Die Verbesserung und Erhaltung der Grundhygiene,

Wasserqualität und Lebensmittelsicherheit ist genauso wichtig wie nachhaltigeund effiziente Impfprogramme und gut organisierte Therapiepläne. Die Bemü-

Bessere Gesundheit für die Menschen in der Europäischen Region der WHO

Syphilisinzidenz inLändergruppen inder EuropäischenRegion, 1990–1996

Nachfolgestaaten der UdSSR

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1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

Jahr

hungen in bezug aufübertragbare Krank-heiten können aufdie Eradikation, Eli-

minierung oder Be-kämpfung von Krank-

heiten ausgerichtet sein. Innerhalbdes Zeitrahmens der GESUNDHEIT21sollten Poliomyelitis, Masern undNeugeborenen-Tetanus in der Regionausgerottet sein (die beiden erstge-nannten Krankheiten im Zuge derglobalen Eradikationstätigkeiten) undkongenitale Röteln, Diphtherie, Hepa-titis B, Mumps, Pertussis und invasiveErkrankungen durch Haemophilusinfluenzae sollten durch Impfung wir-kungsvoll bekämpft werden. Außer-dem sind strikte, koordinierte Maß-nahmen nötig, um die Präventions-und Therapieprogramme für Tuber-kulose, Malaria, HIV/Aids und sexuellübertragbare Krankheiten zu intensi-vieren.

Ziel 7:VerringerungübertragbarerKrankheiten

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22 Bessere Gesundheit für die Menschen in der Europäischen Region der WHO

Nichtübertragbare Krankheiten. Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebserkrankungen, Diabe-tes, chronisch obstruktive Lungenkrankheiten und Asthma zusammengenommen verursa-chen die größten Gesundheitsprobleme in der Region. Diese Probleme könntengrößtenteils bewältigt werden, wenn alle Länder – sowohl auf Länderebeneals auch in örtlichen Gemeinden – ein integriertes Programm zur Reduzie-rung der häufigsten Risikofaktoren für viele dieser Krankheiten realisierenwürden. Zu diesen Risikofaktoren gehören Rauchen, ungesunde Ernäh-rung, Bewegungsmangel, hoher Alkoholkonsum und Streß. Mit demCINDI-Konzept, das jetzt in jeder örtlichen Gemeinde in allen Mitglied-staaten umgesetzt werden sollte, verfügt die Europäische Region über einengroßen Erfahrungsschatz bei der Durchführung derartiger integrierter Pro-gramme. Darüber hinaus müssen in vielen Mitgliedstaaten die diagnostischen und therapeu-tischen Einrichtungen und Rehabilitationsdienste in bezug auf diese Krankheiten – ein-schließlich der Akutversorgung – verbessert werden. Ein wichtiger Teil solcher Bemühungensollte darin bestehen, die Selbstbehandlung nachhaltig zu unterstützen und die Gesundheits-fachkräfte für diese Aufgabe entsprechend zu schulen.

Gewalt und Unfälle. Eine Reduzierung der auf Gewalteinwirkung und Unfälle zurückzufüh-renden Verletzungen erfordert in vielen Ländern eine bessere Notfallversorgung und striktereDurchsetzung wohlbekannter Präventionsmaßnahmen, die Unfälle imStraßenverkehr, am Arbeitsplatz und im Haus verhüten können. HöherePriorität muß Problemen des sozialen Zusammenhalts sowie denwichtigsten Verletzungsursachen – darunter auch Gewalt in der Fa-milie – mit besonderem Akzent auf Alkoholkonsum (siehe nachste-hend) beigemessen werden.

Ziel 8:Verringerung

nichtüber-tragbarer

Krankheiten

Ziel 9:Verringerung

von auf Gewaltein-wirkung und

Unfälle zurück-zuführendenVerletzungen

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23Eine multisektorale Strategie für nachhaltige Gesundheit

Schaffung einer nachhaltigen Gesundheit durch eine stärker gesundheitsförderndenatürliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Umwelt für die Menschen

Determinanten von GesundheitGesundheit entsteht durch gesamtgesellschaftliches Handeln. Viele der größten gesundheit-lichen Belastungen gehen zwar auf Risikofaktoren wie Rauchen und zu wenig Bewegung

zurück, die wichtigsten Ursachen sind jedoch Armut und sozioökonomischeBenachteiligung. Bemerkenswert ist, daß in Gesellschaften mit gleichem

Einkommensniveau, aber weniger ausgeprägten Verteilungsun-gerechtigkeiten der soziale Zusammenhalt normalerweise besser ist,

Viele der größtengesundheitlichenBelastungen gehenauf ähnlicheRisikofaktorenzurück, unterdenen Armut undsozioökonomischeBenachteiligungbesonders ent-scheidend sind

multidisziplinäres und sektorübergreifendes Kon-zept der gesundheitlichen Entwicklung ist somiteffektiver, effizienter und kostenwirksamer als ge-trennte, vertikale Ansätze einzelner Sektoren.

Allerdings entscheidet der Gesundheitssektornicht allein über Erfolg oder Mißerfolg. Grundle-gende gesundheitliche und wirtschaftliche Fort-schritte lassen sich auch mit durchdachten Kon-zepten für Bildung, Beschäftigung, Industrie-struktur, Besteuerung und Sozialpolitik erzielen.

Die gesunde Wahl leichter machenUmweltsteuern fördern Gesundheit, weil sie dazubeitragen, Verschmutzung zu verringern. Sie ver-lagern die steuerliche Belastung von und Erspar-nissen auf die ineffiziente und gefährliche Nutzungvon Energie und Ressourcen und tragen damit zu

Fahrrad fahren undLaufen verschaffenden Menschenmehr Bewegung,verursachenweniger tödlicheUnfälle, stärkendie sozialenKontakt-möglichkeiten undbelasten die Luftweniger mitSchadstoffen

Umweltsteuernfördern Gesund-heit, weil sie dazubeitragen,Ver-schmutzung zuverringern

daß man dortweniger Gewalt-verbrechen fin-

det und eine nied-rigere Sterbeziffer

antrifft. Letzteres gilt vor allem fürdie Sterbefälle aufgrund von Herz-krankheiten. Daraus ist zu schließen,daß eine aufgeklärte Wirtschaftspoli-tik, soziale Unterstützung und gutezwischenmenschliche Beziehungeneinen wichtigen Beitrag zur Gesund-heit leisten können. Ein integriertes,

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Ziel 10:Eine gesundeund sicherenatürlicheUmwelt

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Eine multisektorale Strategie für nachhaltige Gesundheit24

Tabak- undZigarettenkonsum in

Frankreich,1975–1997

110

105

100

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90

85

80

75

Mit dem Evin-Gesetz von 1991 wurden die Tabakwerbung unddas Rauchen in öffentlichen Gebäuden völlig verboten, der Ein-zelhandelspreis von Tabakprodukten wurde angehoben.

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1975

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1985

1987

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1991

1993

1995

1997

Evin-Gesetz

Quelle: DUBOIS, G.La nécessaire

internationalisation de la luttecontre le tabagisme.

Bulletin de l’Académienationale de médecine,182: 939–953(1998).

einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum bei. Die Beseitigung gesundheitsschädlicher Altla-sten ist teuer. Wenn man dagegen von Anfang an in sauberere Produktionsprozesse investiert,verhindert man Umweltverschmutzung und macht diese Prozesse effizienter, was sie wieder-um rentabler macht. Die Industrie kann also, wenn sie umdenken lernt, Ressourcen freiset-zen, die nicht nur der Gesundheit nützen, sondern auch die Rentabilität erhöhen!

Die Handels- und Landwirtschaftspolitik sollte weiterhin auf die Förderung derGesundheit eine sichere Versorgung mit bedarfsgerechten Nahrungsmitteln undden Schutz der Gesundheit ausgerichtet werden. Vor allem in den Risikogruppenwürde eine gesündere Ernährung und Verringerung der Fettsucht zu einem be-trächtlichen gesundheitlichen Zugewinn führen. Das setzt steuerpolitische,agrarpolitische und handelspolitische Konzepte voraus, die die Versorgung mit Obst und Ge-

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müse verbessern und den Konsumvon fettreichen Nahrungsmitteln, vorallem in den Bevölkerungsgruppenmit niedrigem Einkommen, reduzie-ren. Um einer Gesundheitsgefähr-dung durch kontaminierte Lebens-mittel vorzubeugen, sollten in der ge-samten Nahrungskette hygienischeinwandfreie Verfahren beim Umgangmit Lebensmitteln angewendet wer-den. Es ist wichtig, daß die politischenEntscheidungsträger – das gilt spe-ziell für den Bereich Ernährung undLebensmittelsicherheit – die Koope-ration zwischen dem Privatsektor undfreien Sektor stärken.

Wenn man Fahrrad fährt, läuft unddie öffentlichen Verkehrsmittel be-nutzt, statt das Auto zu nehmen, för-dert man die Gesundheit, weil mansich mehr bewegt und die sozialenKontaktmöglichkeiten stärkt. Außer-dem passieren auf diese Weise wenigertödliche Unfälle, und die Schadstoff-belastung der Luft verringert sichebenfalls. Die Subventionierung desöffentlichen Verkehrs und die Ab-schaffung steuerlicher Anreize für

Ziel 11:Gesünder

leben

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25Eine multisektorale Strategie für nachhaltige Gesundheit

Firmenwagen können den Wandel entscheidend vorantreiben. Es hilft auch, wenn man mehrBusspuren, Fahrrad- und Fußgängerwege anlegt und verhindert, daß zu dicht besiedeltestädtische Vororte und Supermärkte auf der grünen Wiese entstehen, weil beides dazu bei-trägt, daß mehr Auto gefahren wird.

Rauchen ist die größte Gesundheitsgefahr in der Europäischen Region. Die Umsetzung der1988 verabschiedeten Tabak-Charta von Madrid und des Aktionsplans für ein tabakfreies Eu-ropa wird zu gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Gewinnen führen. Durch Erhöhung

der Steuern auf Tabakerzeugnisse steigen die staatlichen Einnahmen, au-ßerdem werden Menschenleben gerettet. Strengere Regelungen in be-

zug auf Tabakprodukte und bessere Therapie- und Beratungs-möglichkeiten zur Raucherentwöhnung, gepaart mit mehr „rauch-freien Zonen“ und einem Verbot der Werbung und des Sponsernvon Tabakprodukten, wird den jährlich geforderten Tribut von biszu 2 Millionen Toten, mit denen man in den nächsten 20 Jahren

rechnet, reduzieren.

Durch wirkungsvolle gesetzgeberische Maßnahmen ist der Tabak-konsum einzuschränken. Fünf Jahre nach Einführung des Evin-Gesetzes in Frankreich – dasein Werbeverbot für Zigaretten, Rauchverbote in öffentlichen Einrichtungen sowie Preiserhö-hungen vorgesehen hat – ging der Zigarettenkonsum um 16% zurück.

Alkoholbedingte Folgeschäden, u. a. Unfälle, stellen in Europa ein ungeheures gesundheit-liches Problem dar. Die wissenschaftliche Beweislage zeigt deutlich, daß sich mit Maßnahmenzur Steuerung des Alkoholkonsums signifikante gesundheitliche und wirtschaftliche Vorteileerzielen lassen. In der Europäischen Charta Alkohol (Paris, 1995) und im EuropäischenAktionsplan Alkohol werden die wichtigsten Public-Health-Strategien und Therapieansätzedargelegt. Dazu zählen die Besteuerung alkoholischer Getränke, die Kontrolle der direktenund indirekten Werbung sowie therapeutische Maßnahmen bei Alkoholmißbrauch. AlleMitgliedstaaten sollten sicherstellen, daß ihre Politik und ihre Programme mit diesen in derAlkohol-Charta angeführten Strategien voll in Einklang stehen.

In der Europäischen Region sind schätzungsweise 1,5 bis 2 Millionen Menschen stark drogen-abhängig. Drogenkonsum beeinträchtigt die Gesundheit direkt, trägt darüber hinaus aberauch, vor allem im südlichen und östlichen Teil der Region, zu einer massiven Verbreitungvon HIV-Infektionen und Hepatitis bei. Behandlungs- und Präventionsmethoden wurden imLaufe der Zeit verbessert und die Substitutionstherapie für Opiatabhängige stößt mittlerweileauf breitere Akzeptanz. Gesellschaften, die es schaffen, Drogenabhängige in ein umfassendesund innovatives Leistungsnetz einzubinden, gelingt es nachweislich äußerst erfolgreich, ge-sundheitsschädliches Verhalten einzudämmen sowie sozialfeindliches und kriminelles Ver-halten unter den Drogenabhängigen zu begrenzen.

Ziel 12:Verringerung derdurch Alkohol,

Drogen und Tabakverursachten

Schäden

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26 Eine multisektorale Strategie für nachhaltige Gesundheit

Gesundheit in „Settings“ fördernDie Erfahrungen der letzten zehn Jahre haben in der Europäischen Region deutlich gemacht,daß man den einzelnen Menschen, ganze Gruppen und die Gesellschaft als solche am besteninformiert, unterstützt und dazu bringt, ein gesünderes Leben zu führen, wennman systematisch dort ansetzt, wo die Menschen leben, arbeiten und spielen.

Die meisten Menschen verbringen den größten Teil ihrer Zeit zu Hause. Bei derStadt- und Flächenplanung sollte der Wohnbereich so gestaltet werden, daß einnachhaltiger Schutz der Gesundheit und der Umwelt gefördert wird. Das Zu-hause ist der Ort, an dem die Kernzelle der Gesellschaft, die Familie, ihre eigeneGesundheitspolitik – durch Verzicht auf das Rauchen, durch Sicherheitsvorkeh-rungen und eine gesunde Ernährung – betreiben kann. Hausärzte und für die Betreuung derFamilie geschulte Pflegefachkräfte können hier gute Multiplikatoren zur Ausprägung desGesundheitsbewußtseins sein.

In Vorschuleinrichtungen können die Kinder sich die Grundwerte einer gesunden Lebenswei-se aneignen, den Umgang mit anderen Menschen und die Arbeit im Team lernen und erfah-ren, wie man z. B. Unfälle verhindert und sich gesund ernährt.

In der Schule sollten Schüler, Lehrer und Eltern – in Zusammenarbeit mit gemeindenahenEinrichtungen und unterstützt von Gesundheitsberatern – gemeinsam ihre gesundheitlichenMöglichkeiten durchsprechen, Interventionsprogramme planen und die Ergebnisse auswer-ten. Beispielsweise sollte man bei Kampagnen zur Förderung des Nichtrauchens alle dreiGruppen einbeziehen, weil dies die wichtigsten Elemente des sozialen Systems, das einen Ein-fluß auf das Verhalten hat, stärkt. Alle Kinder sollten das Recht auf den Besuch einer gesund-

Alle Kinder solltendas Recht auf den

Besuch einergesundheitsför-dernden Schule

haben

heitsfördernden Schule haben, diegesundheitsbezogene Themen in ei-nem übergreifenden Ansatz behan-delt. Dadurch wird möglich, die physi-sche, soziale und emotionale Gesund-heit der Schüler, Studenten, Mitarbei-ter, Familien und der Bevölkerung ge-nerell durch das Schulsystem zu för-dern.

Rund 3–5% des Bruttosozialprodukts(BSP) könnte eingespart werden,wenn man ein gesundes und sicheresArbeitsumfeld schafft. Das Ziel solltenicht nur lauten, die Expositiongegenüber Gefahren zu mindern,©

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Ziel 13:Settings zur

Förderung derGesundheit

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Konzepte oderProgramme, diesich auf die Ge-sundheit auswir-ken könnten,sollten einerGesundheitsver-träglichkeitsprüfungunterzogen werden

Eine multisektorale Strategie für nachhaltige Gesundheit

sondern auch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer stärker in die Gestaltung eines sicheren undgesünderen Arbeitsumfelds einzubinden sowie Streß abzubauen. Eine Unternehmenskulturmuß gefördert werden, die Teamarbeit und offene Debatten begünstigt, da davon auszugehenist, daß eine Verbesserung der Gesundheit aller Mitarbeiter und bessere Arbeitsbeziehungenzu einer höheren Arbeitsmoral und Produktivität beitragen.

Auf Gemeinde- und Stadtebene – und gestützt auf die Athener Erklärung von 1998 – solltesich das Modellnetz Gesunde Städte auf jede Stadtgemeinde in allen Mitgliedstaaten erstrek-

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ken. Es sollte die politische Führung,den Gesundheitssektor wie auch an-dere Sektoren und wichtige nicht-staatliche Organisationen in einestrukturierte, permanente Partner-schaft einbinden, die durch einen lo-kalen Plan zur „Gesundheit für alle“Fragen der Lebensweise, Umwelt undGesundheit als Gesamtkomplex auf-greift. Der Mensch und seine Lebens-umwelt sollte zentrale Bedeutung beider Städteplanung erhalten. Stadter-neuerungsprojekte, die sich auf dieVerbesserung der Lebensqualität inder Stadt, eine Eindämmung der Wasser-, Energie- und Materialverschwendung sowie dieUmsetzung von Programmen zur Mülltrennung, Abfallaufbereitung und Wiederverwertungkonzentrieren, können zukunftsbeständigere Städte als Resultat haben.

Rechenschaftspflicht für die gesundheitlichen Konsequenzen des HandelnsEin wirkungsvoller Ansatz zur gesundheitlichen Entwicklung setzt voraus, daß alle Sektorender Gesellschaft für die gesundheitlichen Auswirkungen ihrer Politik und Programme Verant-

wortung übernehmen und den Nutzen, den sie selbst aus der Förderung unddem Schutz der Gesundheit ziehen, erkennen. Deshalb sollten alle sozialenund wirtschaftlichen Konzepte oder Programme und alle Entwicklungs-projekte, die sich auf die Gesundheit auswirken könnten, einerGesundheitsverträglichkeitsprüfung unterzogen werden.

Rechenschaftspflichtig sind auch die Spitzenpolitiker, die Grundsatz-konzepte entwerfen, Ressourcen zuweisen und Gesetzesvorlagen einbrin-

gen. Mechanismen wie gesundheitspolitische Audits, Haftung für gesund-heitliche Schäden und öffentlich zugängliche Berichte über Gesundheitsverträglichkeits-prüfungen können sicherstellen, daß der öffentliche Sektor wie die Privatindustrie öffentlichfür die gesundheitlichen Auswirkungen ihrer Politik und ihres Handelns einstehen müssen.

Ziel 14:MultisektoraleVerantwortung

für dieGesundheit

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28 Eine multisektorale Strategie für nachhaltige Gesundheit

Rechenschafts-pflichtig sind auch

die Spitzen-politiker

Die Länder sollten nach Möglichkeit auch sicherstellen, daß ihre Entwicklungshilfe und ihreAußenhandelspolitik der Gesundheit in anderen Ländern nicht schaden und daß sie mög-lichst weitgehend zur Entwicklung von benachteiligten Ländern beitragen. Eine engere Zu-sammenarbeit der Länder sowie die Erarbeitung und Umsetzung von internationalen Verhal-tensregeln und regulatorischen Mechanismen können diese Probleme auf ein Mindestmaßbeschränken.

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Ausrichtung des Gesundheitssektors auf die Sicherung eines größeren Zugewinns anGesundheit, von Chancengleichheit und Kostenwirksamkeit

Integration der GesundheitsversorgungDas Gesundheitswesen kostet viel Geld und zählt zu den wichtigsten Arbeitgebern der Region.In vielen Ländern des östlicheren Teils der Region wird heute zu wenig für das Gesundheits-wesen ausgegeben. Zugleich sprechen die steigenden Zahlen älterer Menschen, die zuneh-mende Armut und die Einführung neuer Geräte und Verfahren dafür, daß alle Mitgliedstaatenkünftig mehr Geld für die Gesundheit bereithalten müssen; das heißt, wenn die Länder soweitermachen wie bisher. Zum Glück gibt es jedoch Lösungen, die es ermöglichen, die Quali-tät und zugleich die Kostenwirksamkeit von Gesundheitssystemen zu verbessern. Sie erfor-dern häufig nicht einmal größere Investitionen, sondern setzen nur die Bereitschaft voraus,die Gesamtstruktur des Systems zu festigen und den Managementschwerpunkt auf Public-Health-Programme und die Patientenversorgung zu verlagern.

Viele Mitgliedstaaten brauchen einen besser integrierten Gesundheitssektor, beidem die Primärversorgung sehr viel stärkeres Gewicht erhalten sollte. Den Kern

dieser Versorgung sollte eine gut ausgebildete, für die Betreuung der Familiezuständige Pflegefachkraft bilden, die einer begrenzten Anzahl von FamilienBeratung zu Fragen der Lebensweise anbieten, die Familie unterstützen undhäusliche Pflege leisten kann. Für spezialisiertere gesundheitliche Leistungen

sollte der Hausarzt zuständig sein, der sich gemeinsam mit der Pflegefachkraftund den zuständigen kommunalen Behörden über die Gesundheitsprobleme in

der Gemeinde verständigen würde. Jeder Bürger hätte das Recht, sich seinen Arzt und seinePflegefachkraft auszusuchen. Zu den Aufgaben des Pflege-/Ärzteteams würde es auch gehö-ren, die Eigenfürsorge der Bürger aktiv zu unterstützen. Ein gesundheitspolitisches Konzeptund Programm für die Gemeinde sollten sichern, daß die verschiedenen Sektoren und nicht-staatlichen Organisationen in die Förderung gesünderer Lebensweisen und in die Schaffungeiner gesünderen Umwelt sowie eines effizienten Gesundheits- und Sozialwesens in der Ge-meinde einbezogen werden.

Mit diesem Vorgehen würde man Krankheiten und Verletzungen weitaus besser verhüten undsichern können, daß alle Patienten, die eindeutig nicht im Krankenhaus versorgt werdenmüssen, rechtzeitig und effektiv behandelt werden. Pflegeheime und ähnliche Langzeitein-richtungen sollten eine sehr viel stärkere „häusliche Atmosphäre“ ausstrahlen und in kom-munaler Regie betrieben werden.

Die spezialisierte Versorgung, die weitgehend im Krankenhaus erfolgt, sollte die primäreGesundheitsversorgung deutlich unterstützen und sich ausschließlich auf die diagnostischenund therapeutischen Funktionen konzentrieren, die im Rahmen der Primärversorgung nichtsinnvoll erfüllt werden können. Werden diese Prinzipien beherzigt und erhält die flexible

Den Schwerpunkt verschieben: ein resultatorientierter Gesundheitssektor

Es gibt Lösungen,die es ermöglichen,die Qualität undzugleich dieKostenwirksamkeitvon Gesundheits-systemen zuverbessern

Ziel 15:Ein integrierterGesundheits-

sektor

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30 Den Schwerpunkt verschieben: ein resultatorientierter Gesundheitssektor

Durch die MessunggesundheitlicherResultate lassensich abziehbare

Ressourcenermitteln, mit

denen man denwachsenden

Anforderungen anden Gesundheits-

sektor gerechtwerden kann ©

WHO

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Weiterentwicklung und Einsetzung der Krankenhausdienste in der Krankenhausplanungund im Krankenhausmanagement einen höheren Stellenwert, werden die Krankenhäuserbesser imstande sein, sich den künftigen Herausforderungen der sich wandelnden techni-schen Möglichkeiten und der sich verändernden klinischen Praxis zu stellen. Sie werden dannauch aufgeschlossener auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten reagieren können.

Die Vorteile einer guten GesundheitsversorgungEin großes Problem der strukturellen Gestaltung der Gesundheitssystemevon heute ist die Tatsache, daß man sich bei weitem nicht ausreichenddarum bemüht, genau zu messen, was andere Strategien und Methodenleisten könnten, wenn man versucht, einem bestimmten gesundheit-lichen Problem der Bevölkerung abzuhelfen. Wie sieht die relative Wirk-samkeit der unterschiedlichen Methoden zur Prävention, Diagnose undBehandlung – z. B. von Allergien, Herzkrankheiten, Depressionen – aus,und was kosten sie? Dringend gebraucht wird ein einheitlicheresManagementkonzept – ein Konzept, das das Streben nach besserer Qualitätanstachelt und innovatives Denken belohnt, statt diese Ansätze im Keim zu ersticken.

Die Messung gesundheitlicher Resul-tate auf Bevölkerungsebene und an-hand international vereinbarter Indi-katoren bietet ein einheitliches Kon-zept, mit dem sich der relative Wertvon Gesundheitsförderung, Krank-heitsprävention, Behandlungs- undRehabilitationsprogrammen verglei-chen läßt.

Mit den europäischen Indikatoren zur„Gesundheit für alle“ und der Daten-bank der WHO haben die 51 Mit-

gliedstaaten ein einzigartiges Werkzeug an der Hand, um vergleichen zu können, wie erfolg-reich sie bei ihrem Versuch waren, die Vorgaben der regionalen Ziele zur „Gesundheit für alle“zu erfüllen. Nichtsdestotrotz sollte in den Ländern noch weit mehr dafür getan werden, daßdiese Möglichkeiten auch genutzt und als Instrument der strategischen Entscheidungsfin-dung ausgefeilt und den örtlichen Bedürfnissen angepaßt werden.

Ein wesentliches Problem der Gesundheitsversorgung besteht zur Zeit noch darin, daß dieklinische Versorgung von Patienten mit ähnlich gelagerten Krankheitsbildern in den Län-dern, Regionen, Krankenhäusern und bei den einzelnen Leistungserbringern oft zu ganzunterschiedlichen Ergebnissen führt, und das sogar dann, wenn vergleichbare materielle,

Ziel 16:Qualitäts-bewußtes

Managementder Versorgung

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31Den Schwerpunkt verschieben: ein resultatorientierter Gesundheitssektor

Die Finanzierungder Gesundheits-versorgung sollteVerteilungs-gerechtigkeit undNachhaltigkeitsicherstellen

finanzielle und personelle Ressourcen eingesetzt werden. Diese Unterschiede kommen vorallem dadurch zustande, daß diese Resultate unbekannt bleiben, weil keine Daten erhobenwerden. Die Patientenversorgung birgt bisher noch nicht erkannte große Möglichkeiten dererheblichen Verbesserung ihrer Qualität und Kostenwirksamkeit. Bisher bemühte man sichallerdings erst in wenigen Fällen systematisch darum sicherzustellen, daß eine solche Mes-sung der gesundheitlichen Resultate zum Praxisalltag gehört.

Die systematische Messung von Behandlungsergebnissen der klinischen Versorgung, für dieinternational standardisierte Qualitätsindikatoren benutzt und deren Resultate in Datenban-ken eingegeben werden, wo die Nutzer ihre Ergebnisse mit denen anderer Kollegen verglei-chen können, stellt ein unentbehrliches neues Instrument für die laufende Weiterentwick-lung der Qualität der Patientenversorgung dar. Eine solche Messung der gesundheitlichenAuswirkungen kann als erster Schritt im Prozeß der Weiterentwicklung der Versorgungs-qualität, wenn zugleich stärkeres Gewicht auf eine wissenschaftlich fundierte medizinischePraxis gelegt wird, zur Entwicklung neuer Instrumente der Technologiebewertung und zueffektiveren und effizienteren diagnostischen und kurativen Interventionen führen. Damitläßt sich feststellen, was funktioniert, was notwendig ist und was nicht gebraucht wird. Daswiederum erlaubt ein wissenschaftliches Herangehen an vielversprechende neue Interventio-nen und die Einschränkung nicht notwendiger Verfahren, Arzneimittel und Geräte. Außer-dem kann man auf diese Weise feststellen, welche Ressourcen man anderweitig einsetzenkönnte, um einigen der wachsenden Anforderungen an den Gesundheitssektor gerecht zuwerden, die sich dadurch ergeben, daß die Bevölkerung älter wird und laufend immer kompli-ziertere Technologien ihren Weg in die Gesundheitsversorgung finden.

Ressourcen für die GesundheitsversorgungDie Finanzierung der Gesundheitsversorgung sollte Verteilungsgerechtigkeit und Nachhal-tigkeit sicherstellen. Unabhängig vom gewählten System müssen die Regierungen dafür sor-

gen, daß das System die umfassende Gültigkeit und allgemeine Zugäng-lichkeit gewährleistet und zugleich die Gesamtkosten eindämmt. Wie

auf der 1996 in Ljubljana abgehaltenen Konferenz über Gesund-heitsreformen in Europa deutlich wurde, läßt die Finanzierungoder Erbringung eines gesellschaftlichen Guts wie Gesundheits-versorgung keinen Raum für die ungehinderte Entfaltung desMarktes. Außerdem haben sich auf den einzelnen Bürger oder die

Finanzierungsträger ausgerichtete Marktmechanismen in Hinsichtauf Verteilungsgerechtigkeit und Effizienz als weitaus weniger erfolg-

reich erwiesen als Maßnahmen, die sich auf Krankenhäuser und andereAnbieter von Gesundheitsversorgung richten. Vergütungssysteme für die Erbringer von pri-märer Gesundheitsversorgung, die eine Pro-Kopf-Pauschale, die freie Anbieterwahl und dieEinzelleistungsvergütung miteinander verbinden, fördern die Möglichkeiten, das System sozu steuern, daß man eine qualitativ gute, kostenwirksame Ressourcennutzung erzielt. Man

Ziel 17:Finanzierung des

Gesundheits-wesens undRessourcen-zuweisung

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32 Den Schwerpunkt verschieben: ein resultatorientierter Gesundheitssektor

Für die Arbeit vonPublic-Health-

Fachkräften mußes ein klares

Mandat und einezweckgerechte

Infrastrukturgeben

erreicht damit, daß Nutzer und Anbieter zufrieden sind und der Schwerpunkt der Versorgungauf Gesundheitsförderung und präventiven Leistungen liegt.

Die Ausbildungsgänge für Erbringer von Gesundheitsversorgung und Manager sollten sichauf die Prinzipien des Rahmenkonzeptes „Gesundheit für alle“ gründen. Die Fach- undManagementqualifikationen müssen auf allen Ebenen und in allen Sektoren verbessert wer-den, wobei das Schwergewicht darauf liegen muß, gesundheitliche Resultate zu erzielen unddie Maßnahmen darauf auszurichten.

In den meisten Mitgliedstaaten müssen Infrastruktur und Funktionen der Public Health inÜbereinstimmung mit GESUNDHEIT21 ausgebaut und modernisiert werden. Gesundheits-fachkräfte müssen in ihrer Aus- und Fortbildung nicht allein auf ihre fachliche Arbeit vorbe-

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reitet werden, sondern auch imstandesein, in allen Sektoren andere zumHandeln zu befähigen, als Mittler undals Fürsprecher der Gesundheit undvon bevölkerungsbezogenen Maß-nahmen aufzutreten. Die Studiengän-ge von Berufsgruppen wie Architek-ten, Ingenieuren, Volkswirten, Jour-nalisten und Soziologen müssen dasnotwendige Wissen, die Motivationund das praktische Können vermit-teln, um multisektorale gesundheit-liche Maßnahmen zu unterstützen.

Ziel 18:Qualifizierung von

Fachkräften fürgesundheitliche

Aufgaben

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Schaffung einer breiten gesellschaftlichen Bewegung für die Gesundheit durch inno-vative Partnerschaften, integrierende Konzepte und auf die neuen Realitäten inEuropa zugeschnittene Managementprozesse

Neue ordnungspolitische SteuerungsmöglichkeitenIn der Europäischen Region ist es jetzt mehr denn je erforderlich, daß die Bevölkerung dieZukunft gemeinsam gestaltet. „Governance“ (Ordnungspolitik) ist das System, durch das eineGesellschaft die Angelegenheiten unterschiedlicher Sektoren und Partner regelt, um ihreübergeordneten Ziele zu erreichen – ein Prozeß, durch den widersprüchliche oder unter-

schiedliche Interessen auf einen Nenner gebracht werden und kooperative Maß-nahmen getroffen werden können. Dieses System beinhaltet formelle Insti-tutionen als Erfüllungsgehilfen und informelle Regelungen, denen dieBürger und Institutionen zugestimmt haben. In der heutigen Europä-ischen Region vollzieht sich in vielen Ländern ein Wandel hinsichtlichder Rolle der Zentralregierung. Deshalb umfaßt ein an der „Gesundheitfür alle“ orientierter Steuerungsmechanismus nicht nur Regierungen,

sondern auch NGOs, die Bürger und den Privatsektor bei Gesundheits-entwicklungsplänen.

Die Rolle der Forschung und InformationIn vielen Ländern sollten die Gesundheitskonzepte und -programme eindeutiger auf wissen-schaftlichen Nachweisen basieren. Konzepte und Strategien zur Gesundheitsforschung soll-ten auf Prinzipien und Erfordernissen der „Gesundheit für alle“ basieren, und zwar in einemausgewogeneren Verhältnis zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung.

Den Wandel zum Nutzen der Gesundheit steuern

Die Anwendungdes vorhandenenWissens hätteeinen großenEinfluß auf diegesundheitlicheVerbesserung

Kommunikation und Kooperationzwischen der Wissenschaftlergemein-schaft und Entscheidungsträgern zurAnwendung neuer Erkenntnisse übergesundheitliche Entwicklungen müs-sen in vielen Ländern intensiviert wer-den. Wenn sämtliche vorhandenenErkenntnisse darüber, welche ge-sundheitsbezogenen Ansätze funktio-nieren und welche nicht funktionie-ren, uneingeschränkt angewendetwürden, hätte dies großen Einfluß aufdie Verbesserung der Gesundheit undden Schutz der Umwelt. Jedes Landsollte über einen Mechanismus verfü-gen, um jedes Jahr systematisch auf-zuzeigen, welche internationalen © W

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Ziel 19:Forschung und

Wissen zurFörderung derGesundheit

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34 Den Wandel zum Nutzen der Gesundheit steuern

oder nationalen Forschungserkenntnisse über neue erfolgreiche Methoden vorliegen. So-dann sollte entschieden werden, welche Veränderungen aufgrunddessen im Gesundheits-sektor des betreffenden Landes vorgenommen werden sollten.

Nationale und lokale Gesundheitsinformationssysteme sind eine Voraussetzung für die Ent-wicklung und Verlaufsbeobachtung einer effizienten und gerechten Gesundheitspolitik.Durch systematische Evaluierung und Begleitüberwachung wird festgestellt, ob die Zielvor-gaben erreicht werden und welchen Bereichen zusätzlich Beachtung geschenkt werden muß.Gesundheitsinformationen sollten für Politiker, Manager, Gesundheitsexperten und andereFachkräfte sowie für die breite Öffentlichkeit relevant und leicht zugänglich sein. Auf allenEbenen setzt eine gute, gesundheitsförderliche Ordnungspolitik Transparenz, Rechenschafts-pflicht und Anreize für eine stärkere Beteiligung voraus.

Die Nutzung der Ressourcen und Fachkompetenz der Medien und des Kommunikations-sektors, speziell des Internets und Fernsehens, bietet eine hervorragende Gelegenheit, alleBürger über die individuelle und kollektive Bedeutung der Gesundheit zu informieren, aufzu-klären und davon zu überzeugen.

Es ist wichtig, die ethischen, wissenschaftlichen und sozialen Implikationen der Forschungauf dem Gebiet der Medizintechnik, insbesondere der Genforschung, zu beobachten und zubeurteilen. Genforschung kann die präventiven und therapeutischen Möglichkeiten erheblichverbessern, doch sollten dabei die Würde des Menschen, Autonomie und Gerechtigkeit beach-tet werden. Durch Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Debatte über Gentechnologie kannsichergestellt werden, daß demokratische Entscheidungen die Grundlage für künftige poli-tische Entscheidungen bilden.

Konzepte zur „Gesundheit füralle“ und PartnerDie „Gesundheit für alle“ ist ein inte-grierter zukunftsorientierter konzep-tueller Rahmen zur Prioritäten-setzung, Festlegung von Strategienund Mobilisierung von Ressourcenfür gesundheitsbezogene Maßnah-men in der gesamten Gesellschaft.Eine nationale Politik mit konkretenZielen auf der Grundlage der Wert-prinzipien der „Gesundheit für alle“ist der Schlüssel zur Motivation und

Vorgabe eines konzeptuellen Rahmens und Handlungsrahmens für Maßnahmen in Landes-regionen, Städten und Kommunen sowie Settings wie z. B. Schule und Arbeitsplatz. Durch

Ziel 20:Mobilisierung

von Partnern fürgesundheitliche

Belange

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35Den Wandel zum Nutzen der Gesundheit steuern

Das Rahmen-konzept „Gesund-heit für alle“ bietetOrientierungs-hilfen und erleich-tert die Umsetzungin die Praxis

Festlegung von Wertprinzipien, Zielen und diesbezüglichen Strategien bie-tet das Rahmenkonzept „Gesundheit für alle“ Orientierungshilfen und er-leichtert die Umsetzung in die Praxis. Bei der Planung nationaler Kon-zepte und Programme ist es besonders wichtig, diejenigen, die diese Po-litik umsetzen sollen, dafür zu gewinnen, d. h. beispielsweise hochrangi-ge Entscheidungsträger in Gesundheitsministerien und anderen Res-

sorts, nationalen Vereinigungen der Gesundheitsberufe, Universitätenund Gemeindeverbänden. Ein breiter Konsultationsprozeß vor der Verab-

schiedung durch das Parlament ist ein sehr guter Weg, breite Unterstützung inder gesamten Gesellschaft zu sichern. Ähnliche Prinzipien sollten für die Programme zur„Gesundheit für alle“ auf subnationaler und lokaler Ebene gelten, wie beispielsweise von denVerbundpartnern der europäischen Netzwerke Regionen für Gesundheit und GesundeStädte demonstriert.

Wenn alle Partner dazu ermutigt werden, die in der GESUNDHEIT21 dargelegten gesundheit-lichen Wertprinzipien zu übernehmen, werden dadurch die Handlungen von Organisationen,Unternehmen und Familien wie auch des einzelnen beeinflußt. Ein Schwerpunkt sollte aufden Aufbau von Netzwerken, Allianzen und Partnerschaften für Gesundheit auf nationaler,regionaler und lokaler Ebene gelegt werden, ferner auf die Befähigung der Bevölkerung zumHandeln. Durch Aufzeigung und Berücksichtigung der gegenseitigen Vorteile durch Investi-tion in die Gesundheit können alle Sektoren gewinnen.

Integrative und partizipatorische Planung hat indessen Implikationen für diejenigen Regie-rungen, die noch nicht zu einem derartigen holistischen Ansatz bereit sind. InstitutionelleReformen und Mechanismen sind vielleicht noch in einer Reihe von Mitgliedstaaten erforder-lich, um die Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Konzepten und Plänen zu fördern, dieDezentralisation der Strukturen zu erleichtern, die unterschiedlichen Sektoren einzubezie-hen und eine bessere Koordination auf Regierungsebene zu erreichen.

Ziel 21:Konzepte undStrategien zur„Gesundheit

für alle“

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36 Die Rolle der WHO und ihrer Partner für gesundheitliche Belange

Die Europäische Region der WHO hat in den zahlreichen Organisationen, die die Länder beideren Bemühungen unterstützen können, eine hervorragende Ressource. Die Hauptaufgabeder Weltgesundheitsorganisation ist: auf eine Verbesserung der Gesundheit hinzuarbeiten.Die Europäische Union, eine integrierende Organisation mit ausdrücklichem Mandat fürmultisektorale gesundheitsbezogene Maßnahmen, verfügt über ein beachtliches Potential,zur Entwicklung beizutragen. Der Europarat ist eine wichtige Kraft, um sicherzustellen, daßdie grundlegenden ethischen Werte verteidigt werden. Die Organisation für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liefert ihren Mitgliedstaaten wichtigeWirtschaftsanalysen. Diese und andere wirtschaftliche und politische Gruppierungen lei-sten – zusammen mit verschiedenen Organisationen der Vereinten Nationen, wichtigenInvestitionsbanken und internationalen sowie nichtstaatlichen Organisationen – einen Bei-trag zur „regionalen Ordnungspolitik für Gesundheit“.

Ihrer Satzung entsprechend hat die WHO ein besonderes Mandat, engere Zusammenarbeitzur Verbesserung der Gesundheit, sowohl auf internationaler Ebene als auch in ihrer Arbeitzur Unterstützung einzelner Länder, zu fördern. Bei Erfüllung dieser Aufgabe muß sie denRealitäten der Europäischen Region an der Schwelle zum 21. Jahrhundert Rechnung tragen,ferner der Notwendigkeit, eine Kooperation mit verschiedenen Partnern auf der Basis des ge-genseitigen Vertrauens, eines partnerschaftlichen Geistes unter Gleichrangigen sowie desRespekts für die jeweils spezifischen Aufgaben zu etablieren.

Auf dieser Basis arbeitet das Regionalbüro für Europa eng mit dem WHO-Hauptbüro in Genfsowie mit anderen Regionalbüros zusammen, ebenso wie mit seinen europäischen Partnern,um zu ermöglichen, daß die europäischen Mitgliedstaaten größtmöglichen Nutzen aus demgroßen Erfahrungsschatz und Handlungspotential aufgrund der globalen Natur der WHOziehen können.

Vor diesem Hintergrund hat das Regionalbüro für Europa hinsichtlich der Erfüllung seinerAufgaben in den einzelnen Ländern fünf Rollen zu spielen:

1. Als „Gesundheitsgewissen“ der Region, um anhaltende oder neu auftauchendeGesundheitsprobleme zu identifizieren und herauszustellen, schützt das Regionalbüro diePrinzipien der Gesundheit als ein Recht des Menschen, fördert die Gesundheit regionsweitund tritt für Chancengerechtigkeit zwischen und in den Ländern ein. Es schützt die Ge-sundheit der Risikogruppen und der Armen und erhellt Konzepte oder Praktiken, die derGesundheit nützen bzw. schaden.

2. Als Zentralstelle für gesundheitsbezogene Informationen und Gesundheitsentwicklungunterhält und aktualisiert das Regionalbüro die regionalen Systeme zum Monitoring undzur Evaluation der „Gesundheit für alle“ (die nächsten Standortbestimmungen werden2001 bzw. 2004 durchgeführt) und dient als ein Zentrum für Informationen über den

Die WHO hat einbesonderes Man-dat, eine engere

Zusammenarbeitzur Verbesserung

der Gesundheit zufördern

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37Die Rolle der WHO und ihrer Partner für gesundheitliche Belange

Gesundheitszustand, die Gesundheitsdeterminanten, Gesundheitssysteme und gesund-heitlichen Entwicklungen in der Region. Dabei trachtet das Regionalbüro danach, seineKooperation mit dem WHO-Hauptbüro und mit seinen Hauptpartnern in der Region –insbesondere der Europäischen Kommission, der OECD und anderen Organisationen derVereinten Nationen – zu optimieren, um die Entwicklung von Überwachungssystemenund anderen Gesundheitsinformationssystemen zu fördern, die die Datensammlung undBerichterstattung für die Mitgliedstaaten erleichtern und dabei den technischen Anforde-rungen in bezug auf Standardisierung und Berücksichtigung der Erfordernisse der An-wender Rechnung tragen.

3. Durch Analyse und Förderung von Konzepten zur „Gesundheit für alle“ wird das Regional-büro Mitgliedstaaten, Organisationen und ihren Netzwerken Orientierungshilfen in bezugauf die gesundheitspolitische Entwicklung auf allen Ebenen geben. Das Regionalbüro wirdgesundheitspolitische Untersuchungen vornehmen, das regionale Rahmenkonzept„Gesundheit für alle“ fortschreiben und ihre nächste Aktualisierung im Jahr 2005 sicher-stellen.

4. Als Lieferant von wissenschaftlich validierten Werkzeugen und Leitlinien zur Umsetzungtheoretischer Konzepte in praktische Maßnahmen wird das Regionalbüro innovativeWerkzeuge, Ansätze und Methoden für die gesundheitliche Entwicklung aufzeigen. Daswird erreicht durch Monitoring internationaler Forschungsergebnisse, durch Untersu-chung praktischer Erfahrungen in Mitgliedstaaten und erforderlichenfalls durch Förde-rung oder Durchführung spezieller vorrangiger Studien.

5. Als Initiator zum Handeln kommen dem Regionalbüro folgende vier Funktionen zu:

� technische Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten,� Führungsrolle bei Bemühungen zur Ausrottung oder Bekämpfung von Krankheiten, die

die größte Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen, beispielsweise beiEpidemien übertragbarer Krankheiten und Pandemien wie z. B. auf das Rauchen zurück-zuführende Krankheiten, ferner Verletzungen und Gewalt,

� Koordinierung von Maßnahmen mit seinen Partnern durch Kooperationsnetze in ganzEuropa sowie

� Koordinierung und Unterstützung der Notfallvorsorge und Soforthilfe bei Katastrophen,die die Gesundheit der Bevölkerung in der Region bedrohen.

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An der Schwelle zum 21. Jahrhundert haben wir eine hehre Verpflichtung zum Handeln, umdie Gesundheit der 870 Millionen Einwohner der Region zu verbessern. GESUNDHEIT21 bietetden Rahmen zur Annahme dieser Herausforderung durch Anwendung der besten Strategien,die aus den gemeinsamen Erfahrungen Europas während der letzten 10–15 Jahre hervorge-gangen sind.

Es handelt sich hier nicht um eine ferne Vision außerhalb – nein, es ist möglich! Die Erfah-rungen haben gezeigt, daß Länder mit ganz unterschiedlichen politischen, sozialen, wirt-schaftlichen und kulturellen Voraussetzungen Konzepte zur „Gesundheit für alle“, die dieGesundheit hoch oben auf der politischen Agenda ansiedeln sollen, entwickeln und umsetzenkönnen – und wenn sie dies tun, profitieren sie von einer grundlegenden Veränderung zumBesseren. Die wichtigste Herausforderung für die 51 Mitgliedstaaten in der Region bestehtnun darin, das neue regionale Rahmenkonzept „Gesundheit für alle“ als inspirierendeLeithilfe bei einer gegebenenfalls erforderlichen Aktualisierung ihrer eigenen Konzepte undZiele zu nutzen.

In der gesamten Region haben zahlreiche örtliche Gemeinschaften große Initiative und Vor-stellungskraft gezeigt, um die Ideen der „Gesundheit für alle“ zur Sensibilisierung der Men-schen zu nutzen, ihre Gesundheit zu fördern und zu schützen. Die dynamische, rasch expan-dierende Gesunde-Städte-Bewegung hat ein hervorragendes Potential zur systematischen,nachhaltigen und innovativen Mobilisierung örtlicher Gemeinschaften in jedem Mitglied-staat demonstriert. Außerdem gibt es hervorragende Beispiele dafür, wie der öffentlicheSektor und der Privatsektor die Möglichkeiten für gesundheitliche Zugewinne sondieren.Tausende Gesundheitsfachkräfte und viele ihrer Berufsorganisationen haben innovative An-sätze eingeführt, um die Versorgungsqualität zu verbessern und um in engerer Zusammenar-beit mit anderen Sektoren neue Wege aufzuzeigen, diesen Herausforderungen zu begegnen.

Klar fokussiertes, engagiertes Handeln ist jetzt nötig, um die Vision der „Gesundheit für alle“zu einer praxisnahen und zukunftsfähigen Realität in jedem der 51 Mitgliedstaaten der Regionwerden zu lassen. Die Erfahrungen, das Know-how sowie ein Großteil des Instrumentariumszur Beeinflussung der Determinanten von Gesundheit sind vorhanden – nun ist eine starkeFührungsrolle und der politische Wille gefordert, um die Möglichkeiten aufzugreifen und zunutzen.

Der Weg in eine bessere Zukunft

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ISBN 92 890 7348 9 SFr. 15,–

GESUNDHEIT21 kann Regierungsministern, Bürgermeistern, Unternehmensdirektoren,kommunalen Entscheidungsträgern, Eltern ebenso wie dem einzelnen Bürger helfen,Handlungsstrategien zu entwickeln, die zu einer demokratischeren, sozialverantwortlichen und nachhaltigen Entwicklung führen. Gesundheit ist einemächtige politische Plattform.

Diejenigen, die die GESUNDHEIT21 umsetzen, werden in der Lage sein:

• aus einer besseren gesundheitlichen Chancengleichheit Nutzenzu ziehen

• die Gesundheit und Produktivität während der gesamtenLebensspanne zu verbessern

• die Belastungen und Kosten infolge vonGesundheitsstörungen und Verletzungen zu reduzieren

• aus multisektoralen Maßnahmen neue Ressourcenzu erschließen

• aus einer qualitätsorientierten, kostenwirksamenGesundheitsversorgung Nutzen zu ziehen

• sich mit gesundheitlichen Belangen und denDeterminanten von Gesundheitauseinanderzusetzen.

Das WHO Regionalbürofür Europa

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) isteine 1948 gegründeteSonderorganisation derVereinten Nationen, diesich in erster Linie mitinternationalen Gesund-heitsfragen und deröffentlichen Gesundheitbefaßt. Das WHO-Regionalbüro für Europaist eines von sechsRegionalbüros, dieüberall in der Welteigene, auf die Gesund-heitsbedürfnisse ihrerMitgliedsländer ab-gestimmte Programmedurchführen.

Mitgliedstaaten

AlbanienAndorraArmenien AserbaidschanBelgienBosnien-HerzegowinaBulgarienDänemarkDeutschlandEstlandFinnlandFrankreichGeorgienGriechenlandIrlandIslandIsraelItalienJugoslawienKasachstanKirgisistanKroatienLettlandLitauenLuxemburgMaltaDie ehemaligejugoslawischeRepublik Mazedonien

MonacoNiederlandeNorwegenÖsterreichPolenPortugalRepublik MoldauRumänienRussische FöderationSan MarinoSchwedenSchweizSlowakeiSlowenienSpanienTadschikistanTschechische RepublikTürkeiTurkmenistanUkraineUngarnUsbekistanVereinigtes KönigreichWeißrußland

WeltgesundheitsorganisationRegionalbüro für Europa

Scherfigsvej 8DK-2100 Kopenhagen ØDänemarkTelefon: +45 39 17 17 17Telefax: +45 39 17 18 18Telex: 12000 who dkE-Mail: InternetBenutzer ID: [email protected]: http://www.who.dk