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(Aus der Universit/~tsklinik fiir 0hren-, Nasen- und Halskrankheiten in Greifswald [Direktor: Prof. Dr. Linck~.) Piir die grunds~ttzliche AbsceStonsillektomie! Von A. Linck. (Eingegangen am 22. Juli 1936.) Uber die Zweckm/~l]igkeit, Niitzlichkeit und Notwendigkeit der Ton- sillektomie bei der Behandlung paratonsill/trer Abscesse ist man sich heute im allgemeinen einig. Auch darfiber, dab mit der Tonsillektomie im akuten Stadium paratonsill'grer Abscesse nicht die Gefahren ver- bunden sind, die man ihr anfgnglich glaubte zusehreiben zu miissen, sind grundsgtzliche Zweifel wohl nicht mehr vorhanden. Nur fiber den Zeitpunkt ihrer Anwendung und darfiber, ob man sieh ihrer grundsgtzlich 0der nur auf besondere Anzeigen hin bedienen solle, herrschen noch ver- sehiedene Meinungen. Die meisten Kliniker und Praktiker, die sieh mit der Frage der Ton- sillektomie bei paratonsill/~ren Abscessen beseh/~ftigt haben, halten an der Incision im akuten Stadium lest. Die Tonsillektomie erkennen sie im allgemeinen nur als Sekund/s an. Sie fordern ihre Anwen- dung einmal nach Bedarf noch im akuten Stadium zur EI'g/~nzung der Incision (frfihe Sekund/~rtonsillektomie); dann aber grunds/~tzlich zur Vollendung des gesamten Heilungsprogramins nach Abklingen der akuten Entzfindungsvorg/~nge (Spi~t- bzw. IntervMltonsillektomie). Die Tonsillektomie yon vornherein unter Verzicht auf die Incision (prim/~re Abscegtonsillektomie) nehmen sie nur in komplizierten oder besonders schweren F/illen in Anspruch, woes ihnen auf eine schnelle und klare therapeutische Entscheidung ankommt, Demgegenfiber stehe ich nach wie vor auf dem Standpunkt, dab die Abscegtonsillektomie unter v611iger Ausschaltung der Incision grund- s/ttzlich prim/~r in allen F/~llen vorgenommen werden mfisse, wo para- $onsilli~re Abscesse klinisch nachweisbar sind oder vermutet werden. Der Unterschied in der therapeutischen Einstellung besteht also heute nur darin, dab die anderen trotz grunds/ttzlicher Hinzunahme der Ton- sillektomie zur Behandlung paratonsill/irer Abscesse die Incision als Vor- operation im akuten Stadium im allgemeinen hicht missen zu kSnnen glauben, w/~hrend ich die Incision neben der Tonsillektomie im Gesamt- programm der Behandlung als v611ig fiberflfissige, oft sogar nachteilige und sch/idliche Sonderbelastung der Patienten ansehe und ablehne. Hiernach gibt es in Wirklichkeit also bei paratonsill/~ren Abscessen gar keine reine Incisionsbehandlung mehr, auch nicht bei den Gegnern Archly f. Ohren-, Nasen- u. I~ehlkopfheilkunde. Bd. 141. 18

Für die grundsätzliche Absceßtonsillektomie

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(Aus der Universit/~tsklinik fiir 0hren-, Nasen- und Halskrankheiten in Greifswald [Direktor: Prof. Dr. Linck~.)

Piir die grunds~ttzliche AbsceStonsillektomie! V o n

A. Linck.

(Eingegangen am 22. Juli 1936.)

Uber die Zweckm/~l]igkeit, Niitzlichkeit und Notwendigkeit der Ton- sillektomie bei der Behandlung paratonsill/trer Abscesse ist man sich heute im allgemeinen einig. Auch darfiber, dab mit der Tonsillektomie im akuten Stadium paratonsill'grer Abscesse nicht die Gefahren ver- bunden sind, die man ihr anfgnglich glaubte zusehreiben zu miissen, sind grundsgtzliche Zweifel wohl nicht mehr vorhanden. Nur fiber den Zeitpunkt ihrer Anwendung und darfiber, ob man sieh ihrer grundsgtzlich 0der nur auf besondere Anzeigen hin bedienen solle, herrschen noch ver- sehiedene Meinungen.

Die meisten Kliniker und Praktiker, die sieh mit der Frage der Ton- sillektomie bei paratonsill/~ren Abscessen beseh/~ftigt haben, halten an der Incision im akuten Stadium lest. Die Tonsillektomie erkennen sie im allgemeinen nur als Sekund/s an. Sie fordern ihre Anwen- dung einmal nach Bedarf noch im akuten Stadium zur EI'g/~nzung der Incision (frfihe Sekund/~rtonsillektomie); dann aber grunds/~tzlich zur Vollendung des gesamten Heilungsprogramins nach Abklingen der akuten Entzfindungsvorg/~nge (Spi~t- bzw. IntervMltonsillektomie). Die Tonsillektomie yon vornherein unter Verzicht auf die Incision (prim/~re Abscegtonsillektomie) nehmen sie nur in komplizierten oder besonders schweren F/illen in Anspruch, w o e s ihnen auf eine schnelle und klare therapeutische Entscheidung ankommt,

Demgegenfiber stehe ich nach wie vor auf dem Standpunkt, dab die Abscegtonsillektomie unter v611iger Ausschaltung der Incision grund- s/ttzlich prim/~r in allen F/~llen vorgenommen werden mfisse, wo para- $onsilli~re Abscesse klinisch nachweisbar sind oder vermute t werden.

Der Unterschied in der therapeutischen Einstellung besteht also heute nur darin, dab die anderen trotz grunds/ttzlicher Hinzunahme der Ton- sillektomie zur Behandlung paratonsill/irer Abscesse die Incision als Vor- operation im akuten Stadium im allgemeinen hicht missen zu kSnnen glauben, w/~hrend ich die Incision neben der Tonsillektomie im Gesamt- programm der Behandlung als v611ig fiberflfissige, oft sogar nachteilige und sch/idliche Sonderbelastung der Patienten ansehe und ablehne.

Hiernach gibt es in Wirklichkeit also bei paratonsill/~ren Abscessen gar keine reine Incisionsbehandlung mehr, auch nicht bei den Gegnern

Archly f. Ohren-, Nasen- u. I~ehlkopfheilkunde. Bd. 141. 18

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der Abscegtonsillektomie. Was heute yon ihnen praktisch Mlgemein gefibt und gefordert wird, ist eine zeitlich in sich getrennte Kombination yon Incision und Tonsillektomie. Wenn die Behandlung auf die Incision tiberhaupt beschrs bleibt, so bedentet das auch ffir die Gegner der Abscel~tonsillektomie eine ungewollte, durch ~uBere Umst~nde herbei- geffihrte therapeutische Halbheit, welche den Ansprfichen der heute anerkannten chirurgischen Therapie und den heute geltenden Grund- s~tzen der Indikationsstellung nicht mehr entspricht.

Unter diesen Umstgnden ist es abwegig und verwirrend, wenn in den Diskussionen immer wieder Incision und Abscel~tonsillektomie einander gegeniibergestellt und miteinander verglichen werden. Das erweckt den Anschein, als wenn die Anh~nger der Incision glaubten und glanben machen wollten, dM~ man mit ihr dasselbe erreichen k6nne wie mit der Abscel]tonsillektomie; oder die Anhgnger der Abscegtonsillektomie mit dieser Operation Mle nur das gleiche therapeutische Ziel erstrebten wie die Anhgnger der Incision mit ihrer Methode. Dem ist aber nicht so. Die Incision ist eine Teiltherapie mit beschrgnkten therapeutischen Zielen und MSgliehkeiten (Entleerung und Entlastung). Die Abseeg- tonsillektomie dagegen soll sein und ist, wie ich das in allen meinen Arbeiten betont habe, eine TotMtherapie mit dan Zielen vollkommener und endgiiltiger Krankheitsbeherrschung.

Auf dieser Grundlage will ich as nunmehr noch einmM versuchen, aine Verst~ndigung fiber den Unterschied in der Indikationsstellung zu erzielen, der zwischen der sogenannten Incisionstherapie und der grund- ss AbsceBtonsillektomie noch besteht, indem ich an der Hand yon Krankheitsrisiko, Operationsgewinn und Operationsrisiko das Fiir und Wider beider BehandlungsverfMlren gegenainander abw~ge.

I . Das Krankheitsrisiko ergibt sich aus der pathologischen Wertigkeit der paratonsills Abscesse. In ihrer Beurteilung zeigt sich ein uniiber- briickbarer Gegensatz. Die Anhs der Incision behaupten und be- weisen mit ihrer Statistik, dab die paratonsill~ren Abscesse ein gut- ~rtiger und harmloser Krankheitszust~nd seien, wghrend ich sie fiir die Schrittmacher der tonsillogenen Sepsis und deshMb f fir einen sehr ernst zu nehmenden Komplikationsvorgang halle. Bei naherem Zusehen stellt sich indessan heraus, dab der Gegensatz nur saheinbar ist. Denn wir meinen, wenn wir yon paratonsill~ren Abscessen sprechen, nieht dasselbe.

Die Anhgnger der Incision meinen die demarkierten, klinisch mani- festierten GroBeiterungen. Und die sind wirklich gutartig. Sie sind so harmlos, dab sic in der Rege] auf einfache Entleerung durch Incision zurfickgehen und racist sogar noch Mler]ei Sonderbelastungen vertragan: weitere Einschnitte, einmaliges oder wiederholtes blindes Quetschen mit der Kornzange, Tamponieren zur Offenhaltung oder zur Blutstillung.

Ftir die grunds/~tzliehe Abseegtonsillektomie. 257

Ieh habe diese Gutartigkeit und die sie kennzeichnende Toleranz immer sehr bewundert und habe denn aueh nie daran gedaeht, zu be- haupten, dab diese Art der paratonsillS~ren Abseesse in ihrer demarkierten Entwieklungsphase nicht harmlos oder gar gef/~hrlieh sei. Die F/~lle, die ieh seinerzeit in Hamburg 1 vorstellte, um die B6sartigkeit paraton- sillgrer Abseesse zu zeigen und auf die Quelle der tonsillogenen Sepsis hinzuweisen, waren ja denn aueh keine solehen demarkierten mit In- cision fagbaren, sondern getarnte und versteekte Eiterungen mit sehwerem septisehem Krankheitsbild bei siehtbarer Progressivit~t, die ieh dutch primate Abseel~tonsillektomie aufdeekte, beseitigte und heilte. Und die histologisehen Bilder dienten nieht dazu, wie Tonndor/irrtfimlieh annahm, um auf histologisehen Umwegen eine MMignitS.t theoretiseh zu kon- struieren, sondern dazu, um die pathologiseh-anatomisehen Kennzeiehen und Zusammenh~nge der kliniseh festgestellten MMignitgt aufzuweisen.

An solehe und ~hnliehe F~lle denke ieh, wenn ieh fiber die patho- logisehe Wertigkeit paratonsillgrer Eiterungen urteile. Ieh berfieksiehtige dabei die zahllosen ungeheilten F~lle und Rezidive yon ,,erfolgreieh" behandelten GroBabseessen und die zahlreiehen, pl6tzlieh aus zuriiek- gebliebenen AbseeBresten eingetretenen F~lle yon progressiver Sepsis, die vielen heimtfiekisehen paratonsill~ren Kleineiterungen, die nie wesent- fiche klinisehe Erseheinungen maehen und sieh der klinisehen Feststellung entziehen, um pl6tzlieh progressiv zu werden und ein sehweres Krank- heitsbild erzeugen. Die statistisehen Zusammenstellungen der aus- gesueht gutartigen GroBabseesse in ihrer zeitlieh begrenzten Mani- festationsphase sind mir ffir die Beurteilung der pathologischen Wertig- keit paratonsill~rerAbseesse nieht maggebend. Es mfissen dazu Mle mani- festen und nichtmanifesten, aueh die versteekten und getarnten para- tonsills Abseesse in ihren Zusammenh/tngen mit dem tonsill/~ren Ursprungsherd und ihrem gesamten, sieh oft so lange hinziehenden Ent- wieklungsprogramm und dessen mannigfMtigen giinstigen und ungfinstigen Entwieklungsm6gliehkeiten mit herangezogen werden.

Daraus ergibt sieh dann natfirlieh eine ganz andere Statistik. Aber aueh die Gegner derAbseel~tonsillektomie werden mir einr/~umen mfissen, dM~ diese Betrachtungsweise, welehe die eitrigen tonsill~ren und para- tonsill/~ren Entzfindungskomplexe und ihr gesamtes Entwieklungs- programm im Hinbliek auf ihre pathologisehe Wertigkeit pathologiseh- anatomiseh und kliniseh als etwas Ganzes und Unteilbares ansieht, ihre Bereehtigung hat, und dM3 die paratonsill~ren Abseesse, so gesehen, nieht Ms harmlose und gutartige, sondern Ms heimtfiekisehe, gef~hrliehe und bedrohliehe Komplikationen betraehtet werden mfissen.

:Tonndor] erw/~hnt in seinem Wiirzburger Vortrag selbst 18 ]~i~lle, welehe als fertiges Krankheitsbild zu ihm gekommen seien und sieh nieht allm~hlieh ent- wiekelt hgtten, indem in rapidem Verlauf Angina, paratonsill~trer Abseeg, Einbrueh

1 Dezember 1932, Tagung nieders~chsischer tIals-Nasen-Ohren/~rzte. 18"

258 A. Linek:

in die Blutbahn und Metastasen fiberstfirzt einander gefolgt seien. Das sind eben die bSsen F/ille, welche ich im Auge habe, wenn ieh davor warne, paratonsill/ire Abseesse als harmlos anzusehen, und vor denen ieh warne, weil ieh an das iiber- stfirzte Gesehehen yon Anfang an nicht glaube. Gewil~, wenn es ers$ sowei~ ist, dug der schwelende Abseegrest mit seinen gespeicherten und gesteigerten bak- teriellen Energien durch eine akute Inflammation im Tonsillengebiet angefacbt oder yon sich ~us progressiv wird, dann gibt es kein I-Ialten mehr. Dann ist die Katastrophe da, ehe man sich dessen versieht. Abet vorher gibt es bei den meisten derar$igen FMlen, und gab es wohl aueh bei den 18 F/~lIen ~"onndor/s, Phasen der AbseeBentwicklung, we die Lage noch nicht so gef/ihrlieh war und Bin demarkierter, getarnter oder manifester AbseeB Gutartigkeit und Harmlosigkeit vort/iusehte.

Jede Klinik hat fiber zahlreiehe solcher F/file von tonsillogener Sepsis zu ver- ffigen, welche in der heimtfickischen, schMehenden Entwicklung paratonsill/irer Abscesse ihre Vorg/~nge und Ursachen haben. Sie sind aueh in dem statistischen Bericht meiner Klinik 1 erw~hnt worden. Ihre Anzahl finder eine entsprechende Erg~nzung in unseren weiteren Beobachtungen und in meiner Arbeit: ,,Verhiitung der tonsillogenen Sepsis dureh AbsceBtonsillektomie" 2. Daselbst ist auch Bin Teil tier einsehl~gigen Literatur ungefiihr~ (Haymann, Reye, Kissling u. a.).

Tonndor/ ffihrt, um die Harmlosigkeit paratonsill/irer Abseesse zu illustrieren, den Full eines 40j/ihrigen Herrn an, der wegen Sehfittelfrost nach Incision tonsillekto- miert werden sollte. Die Operation wurde wegen /iuBerer Umst/inde zun~ichst verschoben und unterblieb dann ganz, well sich das bcdrohlich erseheinende Krank- heigsbild ganz unerwartet sehnell zurfickbildete. Dieser Fall beweist niehts End- gfiltiges ffir die Gutartigkeit der betreffenden Infektion. Denn, was aus dem naeh offenbarem Infektionsfortschritt klinisch zurfickgegangenen Absceg werden wird, ob es sieh um eine wirkliehe und endgfiltige Heilung gehandelt hat oder nicht, wird erst die Zukunft lehren.

Ein merkwfirdiger Zufall fiigte es, dal3 auf der Tagung in WOrzburg unmittelbar vor dem Vortrage Ton~or/s yon Claus-Berlin Bin Fall gesehildert wurde, der die Gef/~hrliehkeit und Hinterh/iltigkeit paratonsill/trer Abscesse eindrucksvoll be- leuchtet. Ein 21j/ihriger Mann bekam nueh Incision eines purutonsilliiren Abscesses Sehiittelfr6ste und gelangte 4 Tage spiiter mit Symptomen yon beginnendem orbi- talem Infektionsfortsehritt in Behandlung, wobei, um eine Cavernosusthrombose zu verhiiten, eine Ausr~iumung der Orbita vorgenommen werden muBte.

Claus habte auch sehon seinerzeit in Leipzig in der Diskussion best~tigt, dab nueh seinen Erfahrungen gerade die schweren, rapide verlaufenden Fiille tonsillo- gener Sepsis arts para~onsill/~ren Abseessen hervorzugehen pflegten.

Bisher sah man f~lsehlicherweise in den paratonsil l~ren Abseessen fiir sieh abgeschlossene Krankhei t szus t~nde eines einakt igen Krankhei ts - dramas, das im allgemeinen mit spontaner oder operat iv herbeigefiihrter En t l a s tung und l~iiekbildung ein gl/iekliehes Ende nehmen m/isse. Solehe paratonsi l ls Abscesse als abgesehlossene einaktige Kurz- d ramen mug es geben, vielleicht sogar in groger Zahl. Aber auf alle paratonsil l~ren Abseesse trifft das bes t immt nieht zu. Bei vielen, deren Zahl wir heute noch n ieht s~ t i s t i sch erfassen k6nnen, handel t es sieh um ein mehraktiges, in sieh zusammenh~ngendes Krankhe i t sd rama mi t mehr oder weniger langen Zwisehenpausen. Bei keinem manifes ten

1 Speitel: Z. Hals- usw. Heilk. 141}, tI. 3 (1936). - - -~ Line/c: Z. Hals- usw. Heilk. 119, H. 3 (1936).

Ftir die grunds/~tzliche Abscel3tonsillektomie. 259

Krankheitsakt lg[~t sich sagen, ob es der letzte ist, bzw. was der ns bringen wird. Und da es keine klinische MSglichkeit gibt, die Mehrakter yon den Einaktern unter den paratonsill/~ren Abscessen zu unterscheiden, muff man wohl oder/abel in jedem Fall dar~uf gefaBt sein, d~13, sol~nge die Tonsilla mit ihrem kr~nkan Hintergrunde in situ bleibt, nach dam l~iickgang dar entzfindlichen Erscheinungen bzw. der kliniseh eingatra- tenen Heilung immer noch etwas kommen kann, dessen Ende nieht ab- zusehen ist; d. h. man soll, wie ich das an anderer Stelle gesagt habe, nach klinischem Riickg~ng eines paratonsill/iren Abscesses nieht befriedigt ausrufen, nun ist alles gut, sondern mit bangem Zweifel fragen, was wird uns bzw. dem Patienten der n~chste Entziindungssehub bringen ?

Das sind allerdings Vorstellungen und Begriffe, welche man niemals allein durch klinische Beobaehtungen incidierter Abseesse erlangen kann. Denn die eigentliehen pathologisch-anatomisehen Hintergrfinde bleiben dabei stets im Dunkeln; und das um so mehr, als ja die Incision nur bei den mehr oder weniger reifen Abscessan angewandt zu werden pflegt, wobei die vielen kleinen riiekbildungsf~higen und die klinisch getarnten bzw. wenig manifestierten Abscesse naturgem/tg tiberhaupt unberficksichtigt bleiben. Daraus folgt, dai3 unser Denken und Deuten um das Wesen und die pathologische Wertigkeit paratonsilli~rer Abscesse auf unzulgnglichen klinischen Vorstellungen beruhen mug, solange wir nur auf die Ergebnisse einer im Dunkeln angewandten operativen Thera- pie vertrauen. Das zeigt sich praktisch ja auch bei den sogenannten einfachen paratonsill/~ren Phlegmonen, welche als entzfindliches 0dem ohne Eiter aufgefaBt werden, weil sich bei der Incision ins Dunkle kein Eiter, sondern nur Blut entleert und der giickgang trotzdem erfolgt. Und dabei besteht gar kein Zweifel dariiber, dal3 sich fast immer ein kleiner abseits geleganer AbsceB dahinter versteckt.

Die galagentlicha Abscegtonsillektomie in ausgews Fs und die groBen chirurgisehen Eingriffe bei klinisch bareits vorhandenar oder angenommener Sepsis genfigen nicht, um die traditionellen Illusionen fiber das Wesen der paratonsill~ren Abscesse zu beseitigen. Denn bei diesen Eingriffen handelt as sich ja stets um Zust~nde, welehe bereits augerhalb des gew6hnlichen EntwicMungsprogramms gelegen sind, um dessen Aufkl/~rung es sich gerade handelt und handeln mug, wenn die pathologische Wertigkeit der paratonsill/~ren Abseesse im Mlgemeinen riehtig gestellt werden soll. Deshalb bilden aueh die gelegentlichen pathologisch-anatomisehen Befunde bei Sektionen keine ausreiehende Erg/inzung der bei der Ineisionstherapie gewonnenen fiberlieferten Vor- stellungen. Es bedarf schon sehr miihevoller und exakter Pr/~parationen und mikroskopischer Untersuchungen (Dietrich), u m charakteristische Einzelaussehnitte aus dem Entwicklungsprogramm zu erlangen und unsere Kenntnisse und Vorstellungen fiber das Wesen der paratonsilli~ren Ab- seesse zu kl/~ren und zu f6rdern.

260 A. Linek:

Was hier und sonst gelegentlich in Einzelausschnitten bei kompliziert bzw. t6dlich verlaufenen, am Ende des Entwicklungsprogramms an- gelangten Fs an klaren Vorstellungen gewonnen wurde, vermag die grundss Absce6tonsillektomie miihelos in ganzen Serien in allen Stadien der Abscel3entwicklung zu erlangen. Da gibt es keine klinisehen Illusionen mehr. Da sieht man die paratonsill~ren Abseesse wie sie wirk- lich sind. Und man lernt dabei ihre pathologische Wertigkeit ganz anders beurteilen. Man erkennt, dag das, was man im allgemeinen klinisch als Riickgang und Heilung ansieht, oft durchaus nicht identiseh ist mit einer wirklieh anatomischen Ausheilung. Man findet Sehwarten bei seheinbar ganz frisehen Abscessen und scheinbar frisehe Abseesse zwi- sehen und hinter schwartigem Gewebe als Beweis dafiir, dab es sich um nie riehtig geheilte fortsehwelende alte und nur akute exacerbierte Entziindungen handelt. Man lernt die Variationen der Absceglokali- sationen kennen und die Verschiedenheit des Abseeginhalts. Man sieht diffuse und abgekapselte, uni- und mu]tilokul~re Abseesse; man sieht glatte und zerkliiftete granulierende W~nde und solche yon briichiger mi6farbener oder gar nekrotiseher Besehaffenheit; und man vermag zu erkennen, wenn hinter dem entleerten Absceg noeh ein weiterer ver- steckter Muskelabsee6 vorhanden ist. Kurz, man sieht die pathologiseh- anatomisehe Wirk]ichkeit unmittelbar und unverhiil|t in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit und ist nieht mehr allein auf die mittelbare triigerisehe Beurteilung durch klinisehe MaBnahmen und Schlugfolgerungen an- gewiesen, welehe die pathologiseh-anatomischen Vorggnge nach alten verallgemeinernden und konventionellen Magst/~ben geben und darum verf/tlschen. Die Wirklichkeit aber lehrt, dag es sieh bei den paratonsil- 1/tren Abseessen um eine ernste Komplikation handelt, wo kliniseh un- iibersehbar Heilung und schleiehendes Fortschwelen, Stillstand und Fortschritt der Infektion als dunkle Schicksalslose dicht nebeneinander liegen und fiir den Verlauf entseheidend werden k6nnen.

I I . Der Operationsgewinn ist das mehr oder weniger grol3e und giinstige Ergebnis der operativen Behandlung im Hinbliek auf die zu erfiillende therapeutische Aufgabe. Diese heiftt bei paratonsills Abseessen heute nicht mehr ,,einfaehe Entlastung durch Eiterentleerung", sondern ,,Total- heilung", die Durehbruehskomplikation und den tonsill~ren Ausgangsherd umfassend. Die dabei heute zu diskutierenden ehirurgischen Behandlungs- verfahren sind : die zweizeitige Kombinationsbehandlung mit Incision und Tonsillektomie und die einzeitige prim/~re Abseegtonsillektomie. Es ist nun zu entseheiden, ob der Operationsgewinn bei beiden Verfahren der gleiehe ist, oder ob er bei einer von beiden gr66er oder geringer ist.

1. Bei der zweizeitigen Kombination von Incision und Tonsillelctomic ist der ganze Operationsgewinn in erster Reihe davon abMngig, ob der vorangehende erste Operationsakt die erforderliche Entlastung und den zun/~chst beabsiehtigten klinischen Riiekgang bringt oder nieht.

Fiir die grundsi~tzliche Abscegtonsillektomie. 261

Naeh den Berichten dreier groger Kliniken, die sieh auf die Erfahrungen bei reifen grogcn Abseessen beziehen (Elsiisser-Wiirzburg, Tonndor/- Dresden und Lange-Leipzig), darf man mit der Incision, was ihre ent- lastende und vorl~tufig heilende Wirkung anbelangt, im allgemeinen zufrieden sein. Tonndor] sagt, dab die Gefahr iiberstanden sei, wenn der AbseeB reehtzeitig entleert wiirde. Trotzdem ist es spriehw6rtlieh in der faeh/trztliehert und allgemeinen Praxis sowohl, wie aueh im Publikum, dab es oft nieht leieht sei, einen paratonsill~ren Absceg mittels Incision glatt und ausreiehend zu entleeren. Das zeigt ja auch die h~ufige Wieder- holung der Incision in der gleiehen Abscegperiode. Es ist durehaus keine Seltenheit, dab derselbe Abseeg zwei- und dreimal, mitunter aueh noch hs ineidiert und ebensooft mit der Kornzange erweitert werden mul3, bis dann endlieh die vom Arzt und noch mehr vom Patienten ersehnte Entlastung und Rfiekbildung erfolgt. In seiner Statistik be- richter Tonndor] selbst, da6 unter den ibm zur Behandlung fiberwiesenen Abscessen vide tiefgelegene Abscesse sieh befanden, welche draugen bereits, mitunter wiederholt, vergeblich angegangen waren. Das gleiche haben wir in der Greifswalder Klinik feststellen k6nnen, wo unter den eingelieferten paratonsills eine nicht unbetrs Anzahl bereits einmal oder mehrmals vergeblieh ineidiert worden war. Das- selbe wird an allen Kliniken der Fall sein, und wenn man nut iiberall regelm~gig und sorgfs die Vorgesehiehte in dieser Riehtung prfifen wollte, so wiirde man erstaunt sein, wie oft in Wirklichkeit derartige Versager der Incision in der Praxis vorkommen.

Fiir die Unzuverl/~ssigkeit der Incision bei der Entleerung des Eiters spreehen ja auch die h~ufigen Beriehte und Beobaehtungen, daft ein Tampon zur Offenhultung und Drainage des Abscesses eingefiihrt werden muBte. Sehliel31ieh bezeugen die Unzufriedenheit der Autoren aueh die versehiedenert Bemfihungen, die entlastende Wirkung mit an- deren Methoden besser und zuverl~ssiger zu erreiehen. Am Wege dieser Entwicklung liegen die quere Ltiftung des oberen Pols yon Killian, die breite seitliche Abl6sung der Tonsfllen mit Tamponade der Abseegh6hle von Lautenschlgger und vor ~llem die AbsceBtonsillektomie yon Winclcler, der sic lediglich dazu angegeben hat, groBe und reife paratonsills Ab- scesse yon vornherein radikal und endgiiltig zu entleeren. Das gleiche ist bei der von Levinger angegebenen partiellen, auf die obere Hs der Tonsille besehr~nkten AbsceBtonsillektomie der Fall.

Aus allem geht hervor, dal3 d~s Vertrauen in die Zuverl~ssigkeit der entlastenden Wirkung bei der Incision par~tonsills Abseesse und d~mit d~s Vertrauen in diese Methode selbst schon li~ngst nieht mehr so tiberm~gig grog ist, weder bei den praktizierenden Faeh/~rzten noeh bei den Allgemeinpraktikern, die so oft gezwungen sind, die Incisionsversager nach den Kliniken zu iiberweisen. Man braucht also diese ~rztliehen Kreise wirklich nicht erst an derIneision irre zu machen, was Tonndor[ durch sein Eintreten fiir diese Methode sorglich verhiiten will. Sehliel~lich ist ja auch die yon den Anh~ngern der Incision selbst, fiber groBe Be'-

262 A. Linck:

denken hinweg zugegebene und cingeftihrte frilhe Sekund/~rtonsillektomie ein Beweis dafiir, wie ,,reformbediirftig" d~s zweizeitige Verfahren ihnen erschien, und wie wenig selbst mit den versehiedenen Empfehlungen besonderer Schnitt- fiihrung bei der Incision zu erreiehen ist. Es ist gewiB nicht ohne praktische Bedeu- tung, wie man bei paratonsill~ren Abscessen die Incision ~nbringt und durchffihrt, namentlich hinsichtlich der Tiefe und der Breite; nur ist nlit dem yon :Tonndor! zitierten orakelhaften Aussprueh Lexers, die Incision miisse so grog wie n6tig und so klein wie m6glich sein, praktisch in Anwendung auf die paratonsill~ren Abscesse gar nichts anzufangen. In Wirklichkeit ist auch der Grund ftir die meisten Versager bei der Incision nicht in der Methode und ihrer Durchfiihrung zu erblicken. Der Grund liegt viel tiefer, n/~mlich im Wesen der paratonsill/tren Abseesse und in dem Wesen der Ineisionsbehandlung i~berhaupt. Die Incision ist heute die primitivste Form der Eiterentleerung bei der Therapie paratonsill~rer Abseesse. D~mit h/ingt es auch zusammen, dab die Incision in ihrem Anwendungsbereich auf die gr6Beren reifen Abseesse mit liquidem Eiter beschrankt bleiben muB, und dag alle diejenigen Abscesse, welche abseits liegen, sieh nie zu groBen manifcsten Abscessen ent- wickeln und start liquidem Eiter, brSekeliges, kriimeliges oder nekrotisehes Zerfalls- material enthMten, yon ihr therapeutisch iiberhaupt nieht erfagt werden k6nnen.

Hiernach steht fest, dab der Operationsgewinn aus der Entlastung und Entleerung im akuten Stadium der Abscesse, weleher die Voraus- setzung bildet fiir den Operationsgewinn iiberhaupt, bei dem kombinierten zweizeitigen Behandlungsverfahren dutch die Voroperation (Incision) in anatomiseh geeigneten F~llen befriedigend sein kann und auch sehr h/~ufig ist. Vielfach ist aber dieser Gewinn nut untcr Sehwierigkeiten und oft tiberhaupt nicht zu erlangen bzw. er kann nur durch eine tIilfs- operation (fr~he Sekund~rtonsillektomie bzw. sckundgre Abscegtonsill- ektomie) herbeigeftihrt werden, was dann eine erzwungene vorzeitige Beendigung des therapeutischen Programms bedeutet.

Der zweite Operationsakt des kombinierten zweizeitigen Behandlungs- verfahrens, die sp~te Sekund/ir-bzw. Intervalltonsillektomie, pflegt, wenn die Incision die Lage in der gewtinschten Weise vorbereitet hut, die Aufgabe der Totalheilung restlos zu erfiillen und damit einen vollen Operationsgewinn zu erzielen - - sofern sic zur Ausfiihrung kommt. Sic vermag ihrer Aufgabe nieht gerecht zu werden, wenn, was meistens der Fall ist, dutch /tugere Umst/~nde (Ausbleiben der Patienten) die Fort- setzung und Beendigung des zweizeitigen Behandlungsverfahrens ver- hindert wird. Damit ist dann in den betreffenden zahlreichen F/~llen der Operationsgewinn aueh des gelungenen ersten Operationsaktes iiber- haupt in Frage gestellt (Rezidive leichtcrer und schwerer Art, pl6tzliche Exacerbation, tonsillogene Sepsis aus Abscel3resten). Bei den nicht als demarkierte Grogeiterung manifestierten abseits gelegenen und ldeinen Abscessen, die sich der Incision als erstem Operationsakt zu entziehen pflegen, kommt in der gegel auch ein Operationsgewinn durch den zweiten Akt nicht in Betraeht.

Alles in allem ist der Operationsgewinn im Sinne einer zuverl~ssigen Totalheilung bei dem zweizeitigen Behandlungsverfahren (Incision und Tonsillektomie) besehr/tnkt auf einen Tell paratonsills Abscesse, auf

Fiir die grunds/~tzliche Abscefltonsillektomie. 263

welehen die n6tige Gunst anatomiseher Verh/tltnisse und /~uBerer Um- sti~nde zutrifft. Ieh glaube aber nieht, dab dieser Teil der begfinstigten F/tlle im Verh~ltnis zu den mit nieht befriedigendem oder negativem Operationsgewinn behandelten und auf diesem Wege fiberhaupt nieht behandlungsfS~higen F~llen sehr grog ist. Er wird und kann aueh nieht grSl3er werden, solange die Tonsillektomie bei der Indikationsstellung auf die zeitlieh naehgeordnete und sonst nur gelegentliehe Hilfsrolle besehrs bleibt.

2. Die einzeitige primiire Absce[3tonsillektomie vereint das Prinzip der Entlastung und der endgfiltigen und zuverl/issigen Ausheilung durch Beseitigung des tonsill/~ren Ausg~ngsherdes in einer einheitlichen chirurgiseh-therapeutischen MaBnahme. Die Aufgabe de r TotMheilung wfirde also auf diesem Wege restlos erftillbar sein und damit der Operations- gewinn als hohe und sichere Chance in der Hand des Operateurs liegen, sofern diese einzeitige Operation m6glieh und teehniseh leieht und voll- kommen ausffihrbar ist.

DaB dies tatsachlieh der Fall ist, darf heute nieht mehr bezweifelt werden und wird aueh yon den Gegnern der Abseel3tonsillektomie nieht mehr bezweifelt. Selbst Tonndor[ hat gesagt: ,,Es ist zweifellos richtig, dab die Abscegtonsillektomie teehniseh leiehter vor sieh geht, als man es sich vorgestellt hatte". Jeder, der sieh eingehender mit der Abscel3ton- sillektomie besehaftigte und mit ihrer Ausffihrung Erfahrungen gesammelt hat, weil3, dal] sie in der Hand des gefibten Operateurs zu den leichtesten Operationen geh6rt, die wir in unserem Faeh fiberhaupt t~aben, und dab sie sehr viel einfaeher und leiehter ist als die Sekund~rtonsillektomie nach erfolgter Ausheilung.

Es liegt im Wesen dieses Operationsverfahrens und seiner zeitliehen Anwendung, dag man mit ihm paratonsill~re Entzfindungsvorgi~nge der Therapie erschlieBen kann, welehe mit dem zweizeitigen Verfahren nicht zu erfassen sind 1. Es besteht also die M6gliehkeit, auch die kleinen ab- seitigen und getarnten, kliniseh zweifelhaften Abseesse und die sogenannten Phlegmonen in allen Stadien ihrer Entwieklung der Totalheilung zuzu- ffihren. Und dam1 ist es bei dieser Methodik unm6glich, dab die Pa- t ienten sich der Beendigung und restlosen Durehffihrung der Behandlung irgendwie entziehen k6nnen und den Operateur zur I-Ialbheit in der Therapie zwingen. D~s bedeutet eine Erweiterung des Heilverfahrens

in der Therapie paratonsill/irer Abseesse und eine ungehemmte Auswir- kungsm6gliehkeit, wie sie auf keinem anderen Wege seh6ner und besser, radikaler und leiehter zu erlangen ist, und wie man sie anf~tnglieh bei der Einfiihrung der AbseeBtonsillektomie aueh nieht f fir m6glieh gehalten und in Erw~gung gezogen hat. Winkler selbst hat ja yon vornherein jede Erweiterung ihres Anwendungsbereiehs fiber die groBen und reifen paratonsill/~ren Abscesse hinaus abgelehnt. Er hat sogar direkt davor

1 Linc~: Arch. Ohrenheilk. 131, 310.

264 A. Linek:

gewarnt, die Operation im Stadium der unreifen Abseesse und bei phlegmon6sen Zustgnden vorzunehmen. Die Erfahrung hat gezeigt, daB diese Warnung Winklers, die mit dem damaligen und inzwisehen 1/ingst iiberholten Stande der Erkenntnis folgeriehtig zusammenhing, unbereehtigt war. Es ist darum falseh, sieh im I-Iinbliek auf die Indikationsstellung heute noeh auf ihn zu berufen.

Die Erfahrung hat dann weiter gezeigt, dab die AbseeBtonsillektomie, weil sie eine sehnelle und vollkommene ehirurgisehe Beherrsehung des gesamten Entzfindungskomplexes gestattet, ihre therapeutisehe Wirkung zur Erlangung einer Totalheilung aueh in solehen F~llen entfalten kann, wo die Infektion nieht mehr v611ig auf das AbseeBgebiet besehr~nkt ist, sondern sieh sehon im Vormarseh auf die Naehbarsehaft befindet (Linelc, Phase 2 der Abseegentwieklung) 1. Nur dort, wo die Infektion bereits die M6gliehkeit zu ungehemmter Ausbreitung gefunden hat, ist dieAbseegtonsillektomie allein nieht mehr imstande, eine Heilung herbei- zufiihren. Hier liegen die Grenzen ihrer therapeutisehen Leistungs- f~higkeit. Aber es h~ngt mit der sehnellen und radikalen Wirkung der Abseegtonsillektomie und der M6gliehkeit ihrer Anwendung bei allen Formen und Stadien paratonsill~rer Abseesse urs~ehlieh zusammen, dab der Operationsgewinn, der dureh sie zu erlangen ist, fiber die vollkom- menste kurative Wirkung noeh hinausgeht und dureh eine weitgehende Prophylaxe erggnzt wird, sofern ihrer Anwendung keine kiinstliehen Sehranken gesetzt werden.

Aus dieser Gegenfiberstellung der beiden heute geltenden Operations- verfahren bei der Behandlung paratonsill/~rer Abseesse, unter kritiseher Beriieksiehtigung ihrer therapeutisehen Leistungen und ihrer Leistungs- grenzen, geht hervor, dab die Entseheidung hinsiehtlieh des Operations- gewinns zuungunsten des zweizeitigen Operationsverfahrens (Incision und Tonsillektomie) und zugunsten der einzeitigen prim/~ren AbseeB- tonsillektomie ausfallen muB.

111. Das Operationsrisilco ergibt sieh aus den unmittelbaren und mittelbaren Gefahren des Eingriffs f fir Leben und Gesundheit und aus der mit dem Eingriff verbundenen subjektiven Belastung des Patienten.

1. Bei dem zweizeitigen Behandlungsver/ahren birgt jeder Eingriff Ifir sieh ein Operationsrisiko. Die AnhS~nger dieses Verfahrens meinen aller- dings, dies Gesamtrisiko sei nieht nennenswert, und das ist ja aueh mit der Grund, warum sie an diesem Verfahren so festhalten. In Wirkliehkeit liegen aber die Verh~ltnisse in dieser Hinsieht nieht so fibernl~gig gfinstig.

Was zun~ehst die Incision anbelangt, so sind allerdings dureh sie unmittelbare Gefahren im allgemeinen nieht bedingt, sofern der Sehnitt nieht zu welt laterMw/~rts angelegt und nieht etwa sehr~g und seitwS~rts in die Tiefe geffihrt wird. Dann kann niehts Sehlimmes passieren, es sei denn, dab gerade einmal eine Gef~Banomalie im Verlauf der Carotis

1 Linck: Z. Hals- usw. Heilk. 119, H. 3 (1936).

Ftir die grunds~tzliehe Abscegtonsillektomie. 9~65

vorliegt, was wegen seiner ausgefallenen Seltenheit bei dem Abw/~gen des Risikos praktisch nicht in Rechnung gesetzt zu werden braucht. I m allgemeinen bringt es auch sehon eine gewisse gngstliche Zuriickhaltung in dieser ,,stark benachbarten" Gegend mit sieh, dab ein Unheil kaum angerichtet werden kann.

Trotzdem sind Blutungen und Naehblutungen bei Ineisionen nieht selten beobaehtet. Sic waren mitunter so stark, dag zu ihrer Beherrsehung weiterc therapeutisehe Mal~nahmen notwendig waren. Dazu gehSren aueh die zahlreiehen sehweren und zum Tell t6diiehen Nachblutungen arts dem Carotisgebiet, welche bei paratonsillgren Abseessen naeh Incision beobaehtet wurdcn. In der Literatnr sind zahlreiche Fglle erwghnt, wo die Blutung durch Tamponadc und lgngeres Verbleiben yon Klemmen oder dureh gr6ftere Eingriffe yon augen (Unterbindung) gestillt werden mugte. Da die Blutungen oft aus dem Tonsillenparenehym herriihren, wird zur Blutstillung auch die Tonsilloktomie empfohlen und aagewandt. Dabei ist diese verfriihte Vorwegnahme der tiir viel sp/iter angesetzten Operation gerade das, was die Anhgnger des zwcizeitigen Verfahrens und die Gegner dcr Absecgtonsillektomie sonst im Grunde nicht wollen und als gefghrlieh ansehen.

Auch mittelbare Gefahren sind mit der Incision paratonsillgrer Ab- seesse verbunden. So ist nicht zu leugnen, daft bei Incisionen nicht selten auffallende Versehlimmerungen des Zustandes beobaehtet wurden, was ja bei der Methodik, dureh gewaltsame Spreizung der Weiehteilwunde die Entleerung zu f6rdern und damit die entlastende Wirkung des Ein- sehnitts zu nnterstiitzen, nicht gerade verwunderlich ist. Anstat t dag naeh dem Eingriff die erhoffte Erleiehterung eintritt, vergrSftern sich die Schmerzen, das Spannungsgefiihl n immt zn und das Fieber geht, ansta t t abzufallen, in die H6he. Nicht selten treten dabei aueh Sehiittel- frSste auf.

Unter den Fgllen yon progressiver Sepsis, die wir an der Greifswalder Klinik beobaehteten, befinden sieh in iiberwiegender Anzahl Fglle, bei denen diese siehtbarlichen Versehlimmerungen nicht nut nach frustranen, sondern auch nach mehr oderweniger ergiebigen Incisionen auftraten. Ganz kiirzlich wieder kam ein junger Mediziner zu mir, dem ein Faeharzt einen paratonsillgren Abseeft incidiert hat te mit dem Erfolge, daft am ngchsten Tage sehweres Krankheitsgefiihl (410 Temperatur) und SehiittelfrSste sieh einstellten. Und ghnliehe Beobaehtungen werden sicher aueh an allen anderen Kliniken in den zahlreichen Fgtlen gemaeht worden sein, die nach Incision eingeliefert wurden. Jedenfalls ist nicht zu bezweifeln, dag schon die einfaehe Incision paratonsillgrer Abscesse, mit dan pro- grammgftig dazu geh6renden Manipnlationen, als Voroperation des zwei- zeitigen Verfahrens durchaus nicht ohne Gefahrrisiko ist.

Von dem zweiten Moment des Operationsrisikos, der subjektiven Belastung, hSrt man im allgemeinen nichts, wenn yon der Incision

266 A. Linck:

paratonsilli~rer Abscesse die Rede ist. Da hei6t es denn einfach, dal~ nach der Entleerung durch Einschnitt eine glatte Heilung eingctreten sei. Wenn man aber beriicksichtigt, was in Wirklichkeit der glatten Riick- bildung vorausgeht, so sieht die Sache wesentlich anders aus. Man kann es sich ja auch denken, was es fiir den Patienten hei6t, wenn mehrmals, 2 oder mehr Tage hintereinander, im Halse geschnitten und jedesmal das Wundbet t gespreizt wird, wcnn die Absce~hShle tamponiert und der Tampon nach 2 Tagen wieder entfernt wird. Jedenfalls wenn man solche Patienten fragt, wie sie sich bei der Incisionsbehandlung geffihlt hittten, so sagen sic in der Regel, dab es scheu•lich gewesen sei.

Man kann die Schmerzen bei der prim~ren Incision wohl lindern, indem man oberfl~chlich den weichen Gaumen mit Novocain-Adrenalin infiltriert. Aber das widerspricht dem chirurgischen Gefiihl dcr Anh~nger dieser Methode. Auch kann man wohl den Schmerz beim Einsclmitt und bei der Spreizung in Rauschnarkose ausschalten. Damit erhSht man aber wieder das mittelbare Operationsrisiko durch die Gefahr der Aspi- ration. Kurz und gut, das Operationsrisiko der primgren Incision bei zweizeitigem Behandlungsverfahren ist sowohl im Hinblick auf die unmittelbaren und mittelbaren Gefahren als auch hinsichtlich der sub- jektiven Belastung durchaus nicht so gering, wie es immer dargestellt wird.

Bei der Se]cund~irtonsille]ctomie, dem zweitcn Akt des Verfahrens, mull man hinsichtlich des Operationsrisikos unterscheiden zwischen der frfihen Sekundi~rtonsillcktomie und der Spgt- oder Intervalltonsillektomie.

Die erstere, die sich mehr oder weniger unmittelbar an eine unzu- l~ngliche oder blutende oder yon Vcrsch]immerung gefolgte Incision anschlieBt, bringt ganz zweifellos ein sti~rkeres Operationsrisiko mit sich. Sic bedeutet nicht nur fiir den durch das vorangegangene, oft protrahierte Operationsverfahren schon schwer be]asteten Patienten eine weitere Belastung, sondern sic ist, weil sie ein anoperiertes und dadurch aufgeriihrtes Infektions- und Entziindungsgebiet von neuem angreift, mit Gefahren verbunden, we]che sonst nicht zu dem Wesen der Ton- sillektomie gehSren.

Wir sind oft in der Lage gewesen, in solche Fii, lle hinein eine Frfih- SekundSrtonsillektomie vorzunehmen, und haben festgestellt, da6 das erhShte Risiko schon mit der Innenans anf~ngt. Denn meistens sezernier~ die Incisionswunde Eiter oder Btut oder schmieriges Sekret, und man mu~ sich bci der Infiltrationsans sehr in acht nehmen, um nicht Keime in die Title zu spritzen. Ferncr ist die Schnittfiihrung und die LoslSsung der Tonsille erschwert, well man leicht immer wieder in das dutch die Incision angeschnittene vorquellende Tonsillenparen- chym hineinger/it. Nur dem, der mit AbsceBtonsillektomie sehr ver t raut ist, gelingt es, diese K]ippen leicht und schnell zu iiberwinden.

Wir haben dann immcr wieder beobachtet, dal] dcr postoperative Verlauf sich auszeichnet durch anhaltende und starke Schmerzen und

Ffir die grundsi~tzliche AbsceBtonsillektomie. 267

durch linger andauerndes und h6heres Fieber, ~ls wir das bei nicht- vorbehandelten Patienten sahen. Und schliel~lich waren die Migerfolge der Therapie im Sinne des ausbleibenden Erfolges gegenfiber unaufhalt- sam sieh weiter entwickelnder septischer Infektion meistens bei diesen dureh Zwang verfriihten Sekund/trtonsillektomien n~eh vorausgeg~ngener Incision zu linden. Und das deekt sieh durchaus mit den Ergebnissen in der Literat.ur. Ich bin iiberzeugt, wenn man alle F~lle yon Verschlim- merungen durch sogenannte AbsceBtonsi]]ektomie naehpriifte, wiirde es sieh herausstellen, dab sieh darunter in iiberwiegender AnzaM verfriihte Sekund/~rtonsillektomien befinden, vorgenommen auf Grund erzwungener oder voreilig freiwilliger Indikationsstellung. Die chirurgisehe Behand- lungslage ist eben bei anoperierten Eiterungen immer ungfinstiger als bei frischen F/s Das sagt einem das ehirurgische Gefiihl und die chirurgische Erfahrung und Lehre.

Bei der programmii[3igen Spiit- oder Intervall-Tonsillektomie, welche in Abh/s yon dem Willen des Patientert wochen- oder monate- lang nach dem akuten Entziindungsstadium als Abschlug des Heil- verfahrens stattfindet, handelt es sich nicht mehr um ein besonderes Operationsrisiko im Zusammenhang mit vorangegangener Abscel~bildung, sondern um Gefahren und Unbilden, welche stets mit Tonsillektomien verbunden sind. Es gehSrt also nicht hierher, yon diesen zu sprechen. Nur das mug gesagt werden, dab solche Intervalltonsillektomien naeh paratonsill/~ren Abscessen stets die Gefahr in sich tragen, ungewollt und unvorbereitet mit zuriickgebliebenen, ungeheilten und schwelenden Ab- scegresten in Konflikt zu kommen.

Ich habe in meinen Arbeiten auf diese Gefahr hingewiesen, welche dureh die im Vertrauen auf vSllige AbsceBheilung vorgenommenen Lokalanisthesie bei Intervalltonsillektomien heraufbesehworen werden k6nnenL Dabei habe ich betont, d~B dies Operationsrisiko nicht in Frage kommt, wenn man die Abseesse von vornherein mig primgrer AbsceBtonsillektomie angreift und sich bei der Lokgl- an/~sthesie auf ihr Vorhandensein einstellt. Ob und inwieweit der kiirzere oder lis zeitliche Abstand zwischen AbsceBincision und sekundirer Intervall- tonsillektomie fiir das Operationsrisiko mehr oder weniger ins Gewieht fMlt, vermag ieh nieht zu sagen, well ich selbst darnit keine Erfahrungen gemaeht habe. Bei meiner Einstellung habe ieh entweder yon vornherein tonsillektomiert oder ge- zwungen an anoperierten F/~llen die friihe Sekund/~rtonsillektomie vorgenommen.

Daneben sind subjektive Belastungsmomente bei jeder Intervall- t0nsillektomie nach AbsceBincision zu beriicksichtigen und bei dem Operationsrisiko in Rechnung zu setzen. Fiir den Operateur bestehen sie in Nachdenken und Zweifeln, ob der zeitliche Abstand auch riehtig gew/~hlt sei, sofern nicht die unbeherrsehte, gef/s Krankheitslage nach Incision zur sofortigen Nachoperation zwingt. Fiir den Patienten ergibt sich die subjektive Belastung in jedem Falle des zweizeitigen Verfahrens dadurch, daft er kaum, halb oder noch gar nieht genesen,

1 Linck: Z. tIals- usw. Heilk. 39, H. 3 (1936).

268 A. Linek:

yon neuem unter den Druek und das Leiden einer Operation gesetzt wird. In dem verst/indliehen Streben, sich dem zu entziehen, riskieren ja auch die meisten Patienten, trotz ~rztlicher Warnung, die Gefahr einer erneuten tonsillogenen Komplikation und entziehen sich dem zweiten Eingriff tiberhaupt.

Hiernaeh scheint mir bei eingehender Betrachtung das Operations- risiko bei dem zweizeitigen Behandlungsverfahren doeh nieht so ganz un- erheblieh zu sein, und es bliebe nun zu priifen, wie es sich damit bei der prim/iren Abseeftonsillektomie verh~lt.

2. Das einzeitige Beha.ndlungsve.r]ahren mittels ,primti~'er Absceflton- sillektomie ist hinsichtlieh des Operationsrisikos mit einem Vorurteil be- haftet auf die Welt gekommen. Winckler, ihr geistiger Vater (Kecht 1 erw/~hnt auch Sommer Ms Urheber der Abseegtonsillektomie), hat yon vornherein vor ihrer Mlgemeinen Anwendung gewarnt. Levinyer, der sieh Ms einer der ersten des Verfahrens angenommen hat, wollte zwar seine allgemeine Anwendung einfiihren, forderte aber, wegen der mit der TotMausseh/~lung verbundenen Gefahren, die Beschri~nkung auf die obere Hiilfte der Tonsille und das Intaktbleiben des unteren Pols. Es hat sieh dann abet herausgestellt, dab alle diese Vorurteile und die daraus hervor- gehenden Prophezeiungen unbereehtigt und unbegrfindet gewesen sind.

Seit 8 Jahren habe ich nun an meiner Klinik keinen einzigen Fehlsehlag mit der AbseeBtonsillektomie erlebt, der auf das cinzeitige Operagionsverfahren an sich h/~gte zurfickgefiihr~ werden kfnnen. Dasselbe versiehern die versehiedensgen Autoren, deren Namen ieh in friiheren Verfffentlichungen angeftihrt habe.

Auf der LMpziger Tagung der Sgehsiseh-Thiiring. HMs-Nasen-Ohren/~rzte (M/~rz 1934) /~ul3erten sieh Eckert-MSbius und Meyer-Magdeburg in demselben giinstigen Sinne fiber ihre Erfahrungen. Sei//arth-Hannover tag das vorher schon auf der Hamburger Tagung Nieders/~ehsiseher Hals-Nasen-Ohren~rzte im Dezember 1932. Selbst Tonndor/ hat in Wiirzburg in seinem Vortrag zugegeben, dab die Abseel~tonsillek~omie nieh~ so gef~hrlich sei, Ms man yon vornherein anzunehmen geneigt gewesen sei, und dab es unklug w/~re, das zu leugnen. Er h/tl~ dies Wissen ffir den Operageur ffir wiehtig, der durch die Besonderheit eines FMles gezwungen wfirde, im I-Ioehstadium eines Abscesses zu ektomieren. Dieses Zugest/~ndnis yon seiten eines ausgesproehenen Gegners ist gerade yon ganz besonderer Wiehtigkeit.

Trotzdem sind die Anhanger der zweizeitigen Therapie der Meinung, dab die Abseel3tonsillektomien einen sehweren und gef/~hrliehen und stark belastenden Eingriff darstellen, zu dem bei paratonsill~ren Abseessen im Mlgemeinen weder eine Notwendigkeit noeh eine Berechtigung vor- liegt. Auf der Wiirzburger Tagung hat Tonndor[ seinen ablehnenden Standpunkt sogar mit dem Hinweis bekr~ftigt, dab im FMle eines un- gltickliehen Verlaufs bei Abseel3tonsillektomie kein Chirurge den betref- fenden Operateur in Sehutz nehmen wtirde. Er wiirde ibm bestimmt und mit Recht vorwerfen, ohne zwingende Notwendigkeit, und obwohl eine erprobte und ungef~thrliehe Methode zur Verfiigung st~nde, ein Verfahren angewandt zu haben, welches gegen einen Mlgemein aner-

1 Kecht: Mschr. Ohrenheilk. 69, H. ll.

t~iir die grundsgtzliche Abscel3tonsillektomie. 269

ka nn t en Grundsa tz chirurgischen Hande lns verstoBe. D a m i t wird die p r imare AbsceBtonsi l lektomie gewissermaBen zu e inem kr iminel len Ein- gr i l l ges tempel t , und das is t wohl das Schl immste , was m a n einem opera- r iven Eingriff anhangen kann.

W e n n man aber untersucht , womit ein solches Ur te i l begrf indet wird, so is t man verblfifft t iber die Fadensche in igke i t der Beweisfi ihrung. I n Wirk l i chke i t g ibt es nur immer dieselben , ,berf ihmten" Fal le yon Hay- mann und Haardt, yon denen es in der L i t e r a tu r heiBt, sie seien infolge derAbsceBtons i l lek tomie versch l immer t bzw. zugrunde gegangen. Bei der Nachpr i i fung stel l t sich aber heraus, dab es sich bei Haymann das eine Mal um eine offenbar progressive tonsil logene In fek t ion und das andere Mal um eine frtihe Sekundar tons i l l ek tomie nach Incis ion gehande l t hat , und dab er sein Urte i l fiber den nachtei l igen EinfluB der AbsceBtonsi l lektomie nur im R a h m e n der Wahrsche in l ichke i t auszusprechen vermochte . U n d die Fa l le yon Haardt sind beide keine p r imaren AbsceBtonsi l lektomien, sondern friihe Sekundar tons i l lek tomicn . Hier und in dem einen Fa i l yon Haymann spr ingt also der Pfeil des Vorwurfs yon der AbsceBton- s i l lektomie ab und schnell t zurfick auf das zweizeit ige Verfahren und dessen Anhanger .

Bei unserem Greifswalder Material, das nunmehr bereits 654 ]?alle umfal3t, haben wir aueh gelegentliehe Fehlsehl~ge mit der Absee~tonsillektomie und aueh Todesf~ille beobaehtet. Ieh habe tiber diese F~ille in meiner letzten Arbeit ,,Ver- htitung tonsillogener Sepsis dutch AbsceBtonsillektomie" ausftihrlieh beriehtet und dabei zum Ausdruek gebraeht, dal] aueh bei ihnen yon einer Sehuld der AbseeB- tonsillektomie keine Rede sein kSnne, und dab es sieh nicht um Versehlimme- rungen durch die Operation, sondern um ein Mil]lingen im Sinne des aus- bleibenden Erfolges gehandelt habe. Und dash ing lediglieh damit zusammen, dal~ infolge diagnostiseher l~ehlbeurteilung die AbseeI~tonsillektomie bei bereits bestehender Progressivit~t der Infektion (3. Phase meiner Einteilung) zun~ehst als alleinige Operation angewandt wurde.

Eine wichtige Rolle in der Beweisffihrung der Gegner spie]t die Sta- t i s t ik , we]che ZSIlner 1 aus der Jenae r Kl in ik verSffent l icht hat , wo der pos topera t ive F ieberver lauf nach Incis ion mi t dem nach AbsceBtonsill- ek tomie vergl ichen wurde. Das Ergebnis dieser S t a t i s t i k is t wel ter n ichts als ein Untersch ied in der En t f i eberung und in der HShe der pos topera- r iven Fiebers te igerungen. Nach der AbsceBtonsi l lektomie ha t t e die En t - f icberung in einigen Fa l l en ctwas langer auf sich war ten lassen, und ab uud zu war es auch zu erneuten hSheren Fieberschf iben gekommen. Ho/er h a t diesen Untersch ied an seiner Kl in ik n icht wahrgenommen, wie aus Diskuss ionsbemerkungen Zanges in Wfi rzburg hervorgeht . Bei dem umfangre ichen Mater ia l unserer K l in ik haben wir die Er- fahrung mi t dem F iebe r nach der AbsceBtonsi l lektomie ebenfalls n icht machen kSnnen. Wi r habcn im C~,gcnfeil fes ts te l len kSnnen, dab sich bei allen n icht mi t Incis ion vorbehande l t en Fa l l en der gesamte post-

1 ZSllner: Z. Hals- usw. Heilk. 3~, 509 (1936).

270 A. Linck:

operative Verlauf auch des Fieberabfalls gtinstiger gestaltete als das in der aenaer Klinik beobachtet wurde. Woes bei uns zu einem ungtinstigen und verzSgerten Abfall der Temperaturen und zu erneuten, mitunter auch recht hohen Fieb~rsteigerungen kam, h~ndelte es sich wieder fast immer um Fglle, die kurz vorher ohne gentigende Entlastung incidiert worden waren, also um frtihe Sekundgrtonsillektomien.

Ubrigens sclmint es mir ein schiefer Verglcich zu sein, wenn derAblaufdes Fiebers nach eflffacher Incision der Entfieberung nach Abscel3tonsillektomie gegenfibergestellt wird. Wenn man die Art der Entfieberung schon zur Beurteilung des Gefahren- risikos heranzog, so mul3te man wenigstens ihren Ablauf bei Absce•tonsillektomie mit dem bei Incision und Sekundgrtonsillektomie vergleichen. Dabciwfirde bestimmt anch in Jena der Vorteil auf seiten der primaren Abscc~tonsillektomie zu linden gewesen sein. Aul3erdem ist j~ langs~me Entfieberung und gelegentliches erneutes Ansteigen der Temper~tur, selbst wenn das nach der AbsceBtonsillektomie hgufiger beobachtet scin sollte, an sich gar nichts Gef~hrliches und einfach durch die n~tar- liche Reaktion auf die Entfernung der Tonsillc zu erklgren. Wir haben ja auch oft genug bei gewShnlichen Tonsillektomien ohne nachweis.b~re AbsceBvorgange unge- wShnliche Fiebersteigerungen und VerzSgerungcn des Fieberabfalls, und niemand denkt heute d~run, d~raus den Tonsillektomien einen Vorwurf zu machen und ihnen deswegen den Stempel besonderer Gefahrlichkeit aufzuprggen. Und bei den Abscel3- tonsillektomien ist es ja nach den Berichten der Jenaer Klinik auch immer nur bei den Abweichungen im Vcrh~ltcn des Fiebers goblieben.

Atle Bedenken hh~sichtlich der Gefahren, welche durch die Absce[~- tonsillektomie als Eingriff in akut entziindliches Gewebe heraufbeschworen werden k6nnten, sind ja denn auch schon l~ngst widcrlegt, nicht nut durch die praktischen Erfahrungen im gtinstigsten Sinne, sondern vor allem ~uch durch die bemerkenswerten Untersuchungen Ho/ers 1, der gezeigt hat, dal3 der opsonische Index eine Erh6hung im Stadium der Abscel3bildung erf~hrt, wodurch far einen Eingriff, wie die Abscel3tonsill- ektomie, eine g~nz besonders giinstige immunbiologische Voraussetzung geschaffen wird. Damit ist der Legende, dal3 im akuten Absce~stadium der Augenblick flit eine Tonsillektomie besonders ungeeignet und gefahr- drohend sei, aueh theoretisch der Boden entzogen. Es ist offenbar, da~ es fiir eine Tonsillektomie, sofern man sie primgr vornimmt, iiberhgupt keinen gfinstigeren Zeitpunkt gibt aIs den im akuten Stadium der Absce[3bildung.

Um das Operationsrisiko bei der Abscef3tonsillektomie auch gefiihls- ms zu unterstreichen, wird yon ihren Gegnern das sogenannte chirur- gische Geffihl in Anspruch genommen, welches nicht zulasse, da~ in ein akut entziindliehes Gebiet hineinoperiert wiirde. Dem ist entgegenzuhalten, da~ die Allgemeinchirurgen, die doch flit ein derartiges Gefiihl in erster Reihe zusts sind, allt/tglich in akut- entziindliche Gebiete, bei Phlegmonen, bei akuten Appendizitiden, bei Furunkeln, Karbunkeln usw. ohne Bedenken hineinoperieren. Und wir Otologen operieren ja auch ohne Bedenken bei komplizierten und nnkomplizierten akuten Mittelohr-

1 Ho/er u. Motloch." Z. Hals- usw. Heilk. 3~, 390 (1934).

Ffir die grunds~tzliehe AbseeBtonsillektomie. 271

und Nebenh6hlenentziindungen, maehen Antrotomien und Radikalopera- tionen in entziindliehen Gebieten.

In Wirkliehkeit kommt es f/it den ehirurgisehen Erfolg nieht darauf an, ob das Gebiet, in welches man hineinoperiert, akut entziindet ist oder nieht, sondern darauf, dab man den betreffenden Eiterherd sehnell und glatt und endgiiltig beherrseht. Meines Eraehtens miigte eine In- cision mit ihrem mehr oder weniger blinden Vorgehen und der Unsieher- heir der AbsceBbeherrsehung dem ehirurgisehen Gefiihl viel mehr wider- spreehen als eine glatte Abseegtonsillektomie mit genauer l~bersieht und v611iger Beherrsehung des Eiterherdes.

Ein AbseeBgegner hat einmal gesagt, ein Chirurge sehiittele s~eh, wenn er nut yon der AbseeBtonsillektomie h6re. Wenn unser Faeh immer darauf Riieksieht genommen h~tte, wenn ein Chirurge sieh sehiittelte, so w~re aus unserer ganzen Faehehirurgie niehts geworden. ])as ist ja eben das Verdienst unserer groBen Vorbilder, dab sie sieh yon der Allgemeinehirurgie losgel6st haben und auf einem unbeaekert gebliebenen Gebiet der Chirurgie eigene Wege gegangen sind. Sie sind dabei immer im Zusammenhange mit den maggebenden, wenn aueh wandelbaren Grunds/~tzen der Allgemeinehirurgie geblieben, bemiiht, diese auf unser Gebiet in geeigneter Weise zu iibertragen. I)iesen Grunds/~tzen widersprieht die AbsoeB- tonsillektomie in keiner Weise.

Aueh die Lokalan/tsthesie bei der prim/tren AbseeBtonsillektomie ist als gef~hrlieh und unehirurgiseh bezeiehnet worden. Wiederum durehaus ohne Grund. Jedenfalls die Methode, wie ieh sie als die Kombinations- methode yon inner und augen (Infiltrations- und Leitungsan~sthesie) empfohlen habe 1, ist weder gef~hrlieh noeh unehirurgiseh, und wit haben unter den Hunderten yon Patienten, die damit an/~sthesiert wurden, noeh nieht einen einzigen Fall erlebt, wo sie eine Versehlimmerung herbei- gefiihrt oder eine Gefahr fiir den Patienten bedeutet h/~tte. Selbst in den F/tllen, wo man beim Einspritzen yon auBen in den Abseeg hinein- geraten war, was man bei den notwendigen Kontrollaspirationen sofort bemerkt, ist niemals ein Malheur passiert. Man mug nut sofort, wenn man Eiter aus dem Abseeg aspiriert, die Kaniile und die Spritze weehseln und dann Tiefe und Riehtung /tndern. Ieh habe infolgedessen aueh bisher keinen Grund gehabt, das An/~sthesieverfahren, mit dem aueh eine hinl~ngliehe Herabminderung des Sehmerzgeftihls erreieht werden kaml, zu verlassen. Andere Autoren haben andere Methoden der Sehmerz- bet/tuburlg lokal oder allgemein dureh Rauseh. Und jeder ist zufrieden damit und migtraut immer nur der Methode des anderen. Es besteht also aueh kein Grund, da hinein zu reden.

Selbstverst~tndlieh is't das Operationsrisiko aueh bei der prim/~ren AbseeBtonsillektomie abh~ngig von der Teehnik. Genau so, wie das bei dem zweizeitigen Verfahren der Fall ist. Herr Tonndor] ~ hat also

1 Linck: Z. Hals- usw. lteilk. ~9, It. 3 (1936). Tonndor/: Verhandlungen Wfirzburg 19~4.

A r c h l y f. O h r e n - , Nase r t - u . K e h l k o p f h e i l k u n d e . B d . 141. 19

272 A. Linek:

Unreeht , wenn er glaubt, dab sich die Frage der Technik yon der Indi- kat ionsste l lung losl6sen lieBe. Die Technik, die gute oder die schlechte, die Tdbung und Er fahrung mi t dem entsprechenden Eingriff und der Nachbehandlung sind doch stets entscheidend ffir das Gefahrrisiko bei einem operat iven Eingriff. Deshalb konnte ja aueh das ganze Problem der grunds/ttzlichen AbsceBtonsillektomie i iberhaupt erst zur Entwick- lung und zur Er6r te rung kommen mi t dem Hin t e r g r und einer hochent- wickel ten Tonsil lektomietechnik.

Ich weiB z. B. yon einem Fall, wo an einer groBen Klinik eine Abscegtonsill- ektomie deshalb mit dem Tode durch Sepsis endete, weil bei dem betreffenden Patienten nur eine intrakapsula.re Ausr/~umung der Tonsille vorgenommen und der Abseeg retrotonsilli~r zuriickgeblieben war. Der Erfolg dieser Pseudo-AbseeB- tonsillektomie w~r natiirtich eine rapide Verschlimmerung und eine tSdliehe Sepsis. Eine kunstgereehte glatte Operation hatte in dem betreffenden Fall wahrseheinlieh zu einer glatten Heilung gefiihrt.

Mit giieksieht auf die Wichtigkeit der Technik ffir das Gelingen der AbseeB- tonsillektomie ist mir denn aueh schon oft der beunruhigende Gedanke gekommen, es kSnnten sich auf mein wiederholtes Eintreten fiir die AbseeBtonsillektomie mit einem Male alle Faeh~irzte der Praxis und aueh manehe Allgemein~rzte versuehs- weise ihrer bem~ehtigen. Der Erfolg w/ire m6glieherweise zun~ehst eine ver- niehtende Statistik mit anschwellender Mortalit/~t gewesen. Damit w~re eine an sieh riehtige Idee fiir lange Zeit, vielleieht fiir immer, diskreditiert worden. Natiir- liche Hemmungen dem Neuen und Unbekannten gegeniiber haben bremsend ge- wirkt und der Abseegtonsillektomie Zeit gcgeben, sieh langsam das Feld zu erobern. Nur auf diesem Wege kann sie zu einem Siege gelangen, wie ieh ihn ihr wiinsche.

Was bei der einzeitigen AbseeBtonsillektomie das Operationsrisiko dureh subjekt ive Belastung der Pa t i en t en anbelangt , so kann ieh ver- sichern, dal~ nach meinen Er fahrungen die Pa t i en ten ausnahmslos die AbsceBtonsillektornie als kurze, glatte und endgiiltige Beherrsehung und Beseit igung ihres Krankhe i t szus tandes stets als Wohl ta t empfunden haben. U n d ich bin lest davon fiberzeugt, dag jeder einsiehtige Pat ient , dem m a n ehrlieh fiber das beriehtet, was ihm bei der zweizeitigen Methode mit Incision und Sekund/irtonsil lektomie bevorsteht, sagen wird: Lieber will ieh die ganze Gesehiehte sehnell und auf e inmal loswerden, ehe ich mir diese verl~ngerte operative Belas tung gefallen lasse.

Tonndor] hat wiederholt 1 seine Rfieksiehtnahme auf die subjektive Belastung des Patienten mit dem Sprichwort begriindet. ,,Was Du nieht willst, das man Dir tu, das ffig aueh keinem andern zu". Dies Spriehwort paBt nieht auf die zur Dis- kussion stehenden Verh~ltnisse, weil es mit der Betonung des Subjektiven an der auf Objektivit~tt zu griindenden, verantwortungsbewuBten Indik~tionsstellung vorbei- zielt. Ieh m6ehte deshalb einen anderen Mal~stab empfehlen. Man soll bei ailem, was man seinen Patienten zuftigt oder zufiigen will, bedenken, ob man das aueh bei seinen eigenen AngehSrigen, insbesondere bei seinen Kindern, maehen wiirde. Wenn ieh mit diesem Mal?stab die Dinge messe, nm die es hier geht, so glaube ieh versiehern zu kSnnen, daft ieh gegebenenfalls meinen AngehSrigen nieht die zwei- zeitige, in ihrer ersten Phase so unsiehere und uniibersiehtliehe Behandlungs- methode zumuten, sondern an ihnen immer nut die primare Abseel3tonsillektomie vornehmen wfirde.

1 Tonndor]: Hamburg 1932, Leipzig 1934, Wtirzburg 1934.

Fiir die grunds~tzliche AbsceBtonsillektomie. 273

Die Gegeniiberstellung der beiden Behandlungsverfahren im Hin- bliek auf das Operationsrisiko in jeder Form hat also ergeben, dab die einzeitige primgre AbseeBtonsillektomie dasjenige Heilverfahren bei paratonsills Abseessen darstellt, welches die TotMheilung am siehersten vor Gef~hren und ~m wenigsten bel~stend f/Jr den Patienten herbei- zuf~hren vermag und ~lso such in dieser Hinsieht dem zweizeitigen Verfahren mittels Incision und Sekund/~rtonsillektomie iiberlegen ist.

Damit sind s/~mtliehe Fakgoren des Indikationsexempels beriieksichtigt, und mit ihren Werten ist das gesultat einfach zu errechnen. Es spricht in jeder Beziehung zugunsten der prim/iren AbsceBtonsillektomie. Da- nach besteht theoretisch und prakgisch keine Veranlassung und Berechti- gung, der grundsgtzlichen Anwendung der Abscel3gonsillektomie zu widersprechen. Im Grunde handelt es sieh ja dabei aueh um weiter nichts, als um eine Vereinfaehung einer bereits Vorhandenen und an- erkannten ~V[ethode, wobei sieh gleiehzeitig eine Verbesserung ergibt im Hinblick auf Leistung, Anwendbarkei~ und Sicherheit des Erfolges.

Eclcert-Mb'bius 1 hat zwar, als er in der Diskussion in Leipzig ~rotz seiner eigenen guten Erfolge die AbseeBtonsillektomie ablchnte, gefragt, ,,Wozu kompliziert, wenn es such einfach geht ?" Er meinte damals aber offenbar die einfache Incision Ms Vergleichsobjekt. Und da hat er such durchaus reeht, wenn er diese teehnisch fiir cinfach und die AbsceBtonsillektomie fiir komplizierter h~lt. Wenn man dagegen Incision und Sekundiirtonsillektomie mit der AbseeBtonsillektomie vergleieht, so mug die l~rage richtig lauten: ,,Wozu die komplizierte zweizeitige Methode, wenn wir ein einfaehes einzeitiges Verfahren zur Verfiigung haben, das nieht sehleehter, sondern um vieles besser und zuverli~ssiger in seinen Leistungen ist".

T o n n d o r [ bezweifelt die Notwendigkeit der grunds/itzlichen AbseeB- tonsillektomie 2. Notwendigkeiten des Handelns werden immer bestimmt dureh die Ziele und die zu 16senden Aufgaben. Aueh in der chirurgischen Therapie! Notwendig ist bier, was am sehnellsten, schonendsten und ~m sichersten zu dem Ziel fiihrt, das dem Operateur dureh die Aufg~ben der Ther~pie gesteekt ist. Wet bei der Therapie der paratonsillgren Abscesse immer nut an die GroBeiterungen und ihre Entleerung und Ent- lastung im akuten Stadium denkt, wird die grunds~tzliehe Notwendigkeit der Abscegtonsillektomie hie begreifen und niemals zugeben. Das Ziel der chirurgischen Behandlung bei paratonsill/~ren Abscessen ist aber naeh unseren heutigen Erkenntnissen und Begriffen eine TotMtherapie dutch Beseitigung gegenw/~rtiger und zukiinftiger Krankheitsgefahren und die Erfassung aller Abscesse. Dies Ziel wird am schnellsten, sehonendsten und sichersten dutch die prim~re AbsceBtonsillektomie erreieht. Darum ist sic notwendig! Und darum ist es such notwendig, dab man sic grund- s~tzlich und nieht nur gelegentlieh bei besonderen Veranlassungen an- wendet, weil sonst das Prinzip der sehnellen, schonenden und sieheren Totaltherapie durchlSchert wird. Und dazu besteht heute, wie wit gesehen haben, keine Veranlassung mehr.

1 Eelcert-MSbius: Tagg s~ehs.-thiiring. Hals- nsw. Xrzte Leipzig, M~rz 19114. Tonndor[: Verh. Ges. Hals- usw. Xrzte Wiirzburg 19111.

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274 A. Linck.

Es gibt heute iiberhaupt nur mehr einen Grund, den man gegen die grundsittzliche Anwendung der Absceatonsillektomie anftihren kSnnte, niimlieh die ~berzeugung, dab die Tonsillen unentbehrlich far den Patienten seien, und da6 man sic auch bei paratonsill/iren Abscessen dem Patienten erhal~en masse. Dies steht aber in unlaslichem Wider- spruch mit unseren heutigen grundsi~tzlichen Anschauungen, und ich machte nicht glauben, da6 es in diesem Punkte noch einmal zu einer Umw/ilzung unserer Auffassungen kommen kannte.

Trotzdem bin ich mit Ho/er 1 der Ansicht, dab die grunds/itzliche Abscegtonsillektomie zur Zeit praktisch noch nicht allgemein durchgefiihrt werden kann, weil die technisehen Voraussetzungen dazu noeh nicht iiberall gegeben sind. lch bin mir deshalb auch wahl bewugt, dab in der Allgemeinpraxis die Incision paratonsillarer Abscesse wahl einstweilen noch nicht, und an manchen Stellen als Notoperation vielleicht nie, ganz zu entbehren sein wird. Facharzte und Allgemeinarzte, welche sie als einziges Behandlungsmittel bei paratonsill/iren Abscessen gelernt haben, und welche trotz der vielen Versager an ihr nicht irre geworden sind, magen sic daher einstweilen auch ruhig weiter gebrauchen. Daneben aber soll mit den heranwachsenden Generationen van Facharzten und Allgemein- arzten die Erkenntnis van der Unzul/inglichkeit der zweizeitigen Behand- lung mittels Incision und Sekund/irtonsillektomie und van der Leistungs- f/~higkeit und Zuverl/issigkeit der einzeitigen prim/iren Abscegtonsill- ektomie im Hinblick auf die hohe pathologisehe Wertigkeit des zu be- handelnden Krankheitszustandes immer mehr Baden gewinnen, zusam- men mit einer entsprechenden technischen 13bung und Erfahrung. So soll es allm/ihlich zu einer AblSsung der Incision und Sekund~rtonsill- ektomie durch die prim/ire Abscel~tonsillektomie kommen mit dem End- zM, dal] sie zum Grundsa~z erhoben wird, das zweizeitige Verfahren aber nur dart angewandt wird, w o e s aus /~ul]eren Grfinden nieht anders geht. Auf diesem Wege wilrde sich dann organisch ein Fortsehritt i~l unserem Faeh entwickeln, der meines Erachtens unerl/ialieh ist, der nieht aufgehalten werden darf und wohl auch nicht aufgehalten werden kann.

Die Tonsillektomie bei ehronischer Tonsillitis bzw. septoiden Nieren- Gelenk- und IIerzerkrankungen war der Anfang in der modernen Ent- wieklung der radikal-ehirurgisehen Tonsillentherapie. Ihre Anwendung als Sekund~rtonsillektomie bei und naeh Abscessen mit vorausgegangener Incision war der folgerichtige weitere Fortsehritt . Die grundsS~tzliche prim'~re AbsceBtonsillektomie abet ist der t tahepunkt der Entwickhmg. Sie trifft die gef~hrliehste Komplikation der paratonsill/iren Abseesse, die tonsillogene Sepsis, an ihrer Wurzel. Datum kann man auch mit Recht, sagen, da6 erst dutch die grunds/itzliche AbseeBtonsillektomie die thera- peutisehe Sendung der Tonsillektomie ihre Erfallung fin(let.

1 Ho/er: Verh. Ges. dtsch. Hals- usw. Xrzte Wiirzburg 1934, Diskussion.