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In die Welt Sumatra »Insel des Goldes« für die Welt Magazin der Vereinten Evangelischen Mission 5/2010

für die Welt - Startseite - Vereinte evangelische Mission · Frauenarbeit der VEM und BatakSimalungunFrau. »Ich scheue nicht Mühe und Schweiß, steige auf Berge und in Täler,

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In die Welt für die Welt 5/2010

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Sumatra »Insel des Goldes«

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Magazin der Vereinten

Evangelischen Mission 5/2010

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In die Welt für die Welt 5/2010

Edito

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Liebe Leserin, lieber Leser,

kennen Sie die »Insel des Goldes«? Sie gehört zu Indonesien und ist mit 473000 Quadratkilometern Fläche die sechst-größte Insel der Welt. Es ist Sumatra. Früher hatte man ihr wegen des Goldexports diesen Namen gegeben.

Doch von dieser »Goldinsel« kommen immer mal wieder traurige Nachrichten. Etwa die, dass Sumatra wie der ganze Inselstaat seit Jahren von Naturkatastrophen heimgesucht wird. Spätestens seit dem Tsunami am Zweiten Weihnachts-tag 2004 kommt das Erdreich in Indonesien einfach nicht mehr zur Ruhe.

Oder diese: Muslimische Extremisten greifen evangelische Gotteshäuser an. Indonesien ist weltweit das Land mit den meisten Muslimen. Der Islam dort ist traditionell tolerant. Aber die seit Jahrzehnten bestehenden Spannungen zwischen radikal islamischen Strömungen und Christen bedrohen zunehmend die vielerorts guten christlich-musli-mischen Beziehungen an der Basis. Die Vereinte Evangeli-sche Mission und ihre Mitglieder auf Sumatra unterstützen seit Jahren diese engen nachbarschaftlichen Beziehungen.

Indonesien ist nämlich kein islamischer Staat und bekennt sich zur Glaubensfreiheit. Christen machen nur rund acht Prozent der Bevölkerung aus. Davon überwiegen mit rund fünf Prozent die Protestanten. Und: Viele protestantische Kirchen haben ihre Wurzeln in der Arbeit der Rheinischen Missionsgesellschaft, der heutigen Vereinten Evangelischen Mission. So ist der Name Ludwig Ingwer Nommensen bis heute eng mit dem Christentum auf Sumatra verbunden. Jedes kleine Kind kennt den großen rheinischen Missionar (1834–1918), der mit 27 Jahren Ende 1861 nach Sumatra aufbrach. 50 Jahre lang hat er dort missioniert und sichtba-re Spuren hinterlassen. Zahlreiche Schulen, Gesundheits-stationen und Handwerksbetriebe auf Sumatra zeugen bis heute von seinen missionarischen Mühen auf Sumatra. Im

Oktober nächsten Jahres wird dies gefeiert: 150 Jahre Batak-Mission.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Brunhild von Local

» Insel des Goldes« – Sumatra

Fotonachweis: Titel, Seite 3 oben (Heiner Heine / VEM),

Ilse Straube / VEM (Porträt),

Peter Philips (Karte), Annette Lübbers (Seite 3 unten)

Titelbild: Der Ausbilder Manangkas Sigiro vom Berufs­bildungszentrum der GKPS in Pematangsiantar betreut einen Auszubildenden im Bereich der Motorradwerkstatt. Diese Dienstleistung wird externen Kunden angeboten und dient somit zur Finanzierung des Projektes.

> Umeswaran Arunagirinathan

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In die Welt für die Welt 5/2010

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Biblisches Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Brennpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Thema SumatraDer interreligiöse Dialog und die Erschütterung des traditionellen Gleichgewichtes in Nordsumatra . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Missionsgeschichte »Schon sehr früh fingen sie an, ihn ›Vater Bodelschwingh‹ zu nennen.« Bethels besondere Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Thema Sumatra Mission und Kolonialismus in Niederländisch-Indien . . . . . 12

Thema Sumatra»Mamre ist jetzt meine Familie« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Meditation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Stimme des Generalsekretärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

FrauenChinesisch-Rheinische Kirche ordiniert zum ersten Mal eine Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Training & Empowerment»Wir wollen nicht unterrichten, sondern zusammen lernen« VEM organisiert zum ersten Mal Fortbildung für afrikanische und asiatische Kirchenleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

EntwicklungFischer werden zu Bauern Ein Besuch bei 40 umgesiedelten Familien auf Nias . . . . . . . . 22

Porträt Umeswaran Arunagirinathan: »Gewalt ist keine Lösung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Schwesterngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Leben in der VEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Service, Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Inhalt September 2010

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In die Welt für die Welt 5/2010

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Zum Segen für Viele werdenVon Deonal Sinaga

»Unser Leben muss zu einem größtmögli-chen Segen für möglichst viele Menschen werden.« Ein Satz des Pfarrers und Theologen Eka Darmaputera, der in In-donesien sehr bekannt ist. Immer wie-der sagt und lehrt er, was dieser Satz aussagt. In Predigten, Schriften und Vorlesungen hat er viele Christen in Indonesien nicht nur darauf vorberei-tet, wie man in einer multikulturellen, multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft lebt, sondern auch für an-dere ein Segen zu sein. Wie kann Got-tes Segen aus unserem Privatleben und unserem Leben als christliche Ge-meinde an andere Menschen weiterge-geben werden? Für Eka ist diese Frage eine existentielle Frage des Christseins. Jeder Christ muss sich diese Frage stel-len, sie muss ihn begleiten, bewegen, und im täglichen Leben zur Verwirkli-chung kommen.

Um Religionsfreiheit und…Überall – doch besonders in Indonesi-en – ist es dringend nötig, dass Chris-ten darüber nachdenken, was ihre Existenz als Christen in der Gesell-schaft bedeutet. In den vergangenen Jahren mussten Christen in Indonesi-en viele Schwierigkeiten erdulden – bis heute. Auf der einen Seite müssen sie um Religionsfreiheit und Freiräu-me für Gottesdienste kämpfen. Sie be-mühen sich um Genehmigungen für den Bau von Kirchen und Gemeinde-häusern. Nur mit viel Mühe, Geduld und Ausdauer haben sie Erfolg. Auf der anderen Seite möchten sie auch für an-dere Menschen ein Segen sein, und zwar auch für diejenigen, die Vorbe-halte gegen Christen haben; für dieje-

nigen, die eigentlich Christen gar nicht in der Gesellschaft dulden wollen. Das ist ein sehr ernstes und schweres inne-res Ringen.

Der Aufruf des Propheten Jeremia an das Volk Israel hat für die Christen des 21. Jahrhunderts eine große Bedeu-tung. Der Prophet schreibt hier einen Brief an die Gemeinden in der babylo-nischen Gefangenschaft. Diese befin-den sich in einer sehr verzweifelten Situation und haben alle Hoffnung verloren. Daher brauchen sie Zu-spruch, Begleitung und Hoffnung für ihr Leben.

Sie hatten zwar schon Führer, doch es waren falsche Propheten. Sie haben die Gemeinde verwirrt und dadurch nur das Leiden vergrößert. Der Prophet Hananja forderte die Gemeinde auf, gegen die Regierung von Babylon zu rebellieren. Doch Jeremia hat eine völ-lig andere Botschaft.

…Freiräume für Gottesdienste kämpfenDer Prophet Jeremia betont, dass die Gemeinde lernen muss, in Babel, der Stadt ihrer Gefangenschaft, zu leben. Sie sollen Kinder zeugen, Enkel groß-ziehen, sich mehren, Häuser bauen und als eine Gemeinschaft von Glau-benden leben. Jeremia schreibt ihnen, dass sie sich als Teil der dortigen Ge-sellschaft verstehen sollen. Wenn es der Stadt gut geht, so geht es auch ih-nen gut. Sie sollen zu Frieden und Wohlstand der Stadt beitragen. Die Ge-meinde des Herrn wird durch das Zeugnis ihres Lebens wirklich zu Salz und Licht für viele Menschen. Dieser Ruf gilt auch uns als Gemeinde von Christen, als großer Familie der VEM, wo immer wir auch sein mögen. Unse-re Berufung ist, für so viele Menschen wie möglich zum Segen zu werden – indem wir für sie beten, ihnen Frieden wünschen und uns gleichzeitig für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Denn das ist Gottes Plan für einen jeden: Frieden und ein erfülltes Leben.

Dr. Deonal Sinaga ist Studien leiter im Zentrum für Mission und Diakonie in Bielefeld­Bethel.

» Suchet der Stadt

Bestes, dahin ich

euch habe wegführen

lassen, und betet

für sie zum Herrn;

denn wenn’s ihr

wohl geht, so geht’s

auch euch wohl«

Jeremia 29,7

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Mein Kind ist mein ReichtumVon Irene Girsang

Dieses Lied trägt in der Bataksprache den Titel »Anakkonhi do hamoraon di au«. Es ist sehr populär, fast jeder Batak kennt es, vor allem die Batakfrauen. Ibu Simangunsong singt dieses Lied sehr oft. Von ihrem Dorf muss sie 25 Kilometer zurücklegen, um in der Stadt Balige ge-röstete Kartoffelchips zu verkaufen, die sie selbst hergestellt hat. Ihr Leben, ihr Einsatz für ihre Familie kann das Herz be-rühren. Eine starke Frau, die hart arbeitet und ihren Mann unterstützt, um das tägliche Brot zu verdienen. Natürlich gibt es auch viele Batakfrauen, die Erfolg haben, die es geschafft haben, als höhere Beamtin angestellt zu werden oder als er-folgreiche Juristinnen, Strafverteidigerinnen arbeiten. Ande-re wurden sogar in ein Parlament gewählt. Man kann nicht die Augen davor verschließen, dass viele Batakfrauen mit ih-rer Arbeit das Rückgrat für den Unterhalt ihrer Familie sind. Sie mühen sich um einen Teller Reis und um die Ausbildung ihrer Kinder, so wie Ibu Simangunsong, und viele andere.

Das Beispiel von Ibu Simangunsong erscheint vielleicht großartig, aber es ist keineswegs außergewöhnlich. Die Batakfrauen sind Vorbild für alle indonesischen Frauen: Sie wünschen ihren Kindern eine bessere Zukunft, den Besuch einer höheren Schule, ein unabhängiges würdevolles Leben. Ein gut geordnetes Leben. Das ist der Traum der Mütter für ihre Kinder und Nachkommen.

Die Ausbildung der Kinder ist das Maß für den Erfolg einer Familie. Wenn man das Haus einer Batakfamilie besucht, dann hängen in der Regel an den Wänden Fotos der Kinder im feierlichen Talar bei ihrer Studienabschlussfeier. Das ist

Irene Girsang ist Referentin für interregionale Frauenarbeit der VEM und Batak­Simalungun­Frau.

» Ich scheue nicht Mühe

und Schweiß, steige auf

Berge und in Täler,

mühe mich um mein

täglich Brot, lebe nur

von einem Tag auf den

andern, wenn nur mein

Kind sein Ziel erreicht,

denn mein Kind ist

mein Reichtum.«

keineswegs außergewöhnlich. Oft haben die Eltern dieser Kinder keine höhere Schule oder Universität besucht. Umso mehr erhoffen sie sich das für ihre Kinder.

Die Batakfrauen gelten als selbstständig. Weil ihr Leben hart ist, tun sie alles, um die Lebensqualität ihrer Kinder durch Bildung zu verbessern. Die Batakfrauen haben besondere Fähigkeiten, die ihnen die Kraft geben, dieses Leben zu meistern. Wie die Batakfrauen weiterkommen – das ist ein Indikator für den Fortschritt des Bataklandes. Die Frauen übernehmen viele Rollen. Sie sind die Lokomotiven der Ver-änderung, sie ändern das Schicksal ihrer Kinder. Die Kinder werden vor allem von den Frauen beeinflusst. Daher wird der Fortschritt eines Landes von der jeweiligen Stellung und Rolle der Frauen bestimmt. Ein Sprichwort lautet: Lass einen Jungen lernen, dann lernt ein Individuum, lass ein Mädchen lernen, dann lernt eine Generation. Die Frauen der Batak sind starke Frauen. In ihnen verbinden sich Zuverlässigkeit, Fleiß, der Wille, nicht aufzugeben und die Bereitschaft zu lernen. Auch eine Art Kampf auf Leben und Tod. Und was außergewöhnlich ist: Die Quelle ihrer un-erschöpflichen Energie ist die Hoffnung auf eine Zukunft, die besser ist als die Gegenwart. Für sich selbst, aber beson-ders für ihre Kinder. Kein Wunder, dass die Batakfrauen fa-natische Fans jenes Liedes sind, das im Batakland so populär ist. Es wurde gedichtet und vertont von Nahum Situmorang. »Mein Kind ist mein Reichtum…«

Foto: Heiner Heine / VEM

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Von Martin Lukito Sinaga

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Der interreligiöse Dialog und die Erschütterung des traditionellen Gleich gewichtes in Nordsumatra

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Es gibt einen typisch indonesischen Aus-spruch: »verschieden und doch eins«. Wir wissen, dass dies ein traditionelles Erbe der Inselwelt Indonesiens ist. Es grün-det auf dem Prinzip sozialer Harmonie. Nach Meinung von Eka Darmaputera spiegelt dieser Ausspruch »sehr genau die wirkliche Realität des bevölke-rungsmäßig fünftgrößten Landes der Welt – Indonesien«.

Doch wie im Titel dieses Textes ange-deutet ist das traditionelle Gleichge-wicht erschüttert. Um das Erbe zu be-wahren, ist ein Prozess erforderlich, der über jenes »verschieden und doch eins« hinaus führt: Der Rahmen für die Har-monie ist zerbrochen, insbesondere nach dem Ende der Diktatur Suhartos, seit 1998. Heute beansprucht jede Grup-pe eigenen Spielraum und eigene Macht für sich selbst, und dazu scheint jedes Mittel recht zu sein. Das ist ein sehr ernstes Problem, denn die Kräfte der Tradition, die früher dem gemeinsa-men Leben einen Sinn gaben, sind schwach geworden. Zurückgeblieben ist ein Gefühl der Unsicherheit, in fast jeder ethnischen oder religiösen Ge-meinschaft, insbesondere wenn man dem Anderen, Fremden begegnet, den man plötzlich als Nachbarn neben sich hat. So ist die Erschütterung des traditi-onellen Gleichgewichts ein Problem, weil eine ganz neue Grundlage für ein Zusammenleben gefunden werden muss.

Die Erschütterung des traditionellen Gleichgewichtes in Nordsumatra Jedoch gibt es noch einige Reste von Traditionen, in denen die Möglichkeit zu einem Miteinander-Leben steckt. Obwohl diese sehr schwach sind, sind sie wichtige Elemente der lokalen Tra-ditionen und haben die Funktion, die Kommunikation zwischen den Grup-pen zu sichern. Sie bilden strategische Allianzen, sie können sich gründen auf Familienbande (Blutsverwandtschaft oder Verwandtschaft durch Heirat) oder sie sind Verbindungen auf sozia-lem und wirtschaftlichem Gebiet, die das Miteinander stärken können. Es sind auch Solidaritätsgruppen auf reli-giös-moralischer Grundlage entstan-den, die ethnische und religiöse Gren-

Foto: Heiner Heine / VEM

zen überschreiten und sich für ein Mit-einander einsetzen. In der Großstadt Medan gibt es zumehmend Eheschlie-ßungen über ethnische und religiöse Grenzen hinweg. Wie immer man das beurteilen mag, sie können der jeweili-gen Gruppe helfen, sich von vorherr-schenden gegenseitigen Vorurteilen zu befreien.

Doch das Modell des »traditionellen Gleichgewichtes«, wie wir es oben ge-nannt haben, wird nicht nur immer weniger gepflegt, sondern es verliert auch an Kraft und Bedeutung. Alles wird vom Strom der Veränderung er-fasst und dabei gerät auch die Traditi-on unter außerordentlich starken Druck. Die Erschütterung, wenn nicht gar das Zerbrechen des Gleichgewich-tes zeichnet sich heute sehr deutlich ab. Usman Pelly beschreibt den Vor-gang folgendermaßen:

Der Strom der Modernisierung hat nicht nur eine moderne Regierung entstehen lassen, die die Demokratisie-rung auf der Tagesordnung hat, son-dern hat auch habgierige Menschen und eigennützige Gruppen hervorge-bracht, die die Würde des Menschen missachten. Die Regime der »Alten Ordnung« (Orde Lama, Sukarno) und der »Neuen Ordnung« (Orde Baru, Suharto) behandelten die zwischen-ethnischen Beziehungen so wie man »Bambus spaltet«, das eine wird nie-dergetrampelt, das andere hebt man auf. … So auch in Medan bzw. Nord-sumatra: Die chinesisch-stämmigen Menschen sah man als Mittelschicht an und benutzte sie als eine die Macht stützende Gruppe, während alle ande-ren ethnischen Gruppen damit zufrie-den sein mussten, sich ganz unten im Regal zu finden...

Als das Regime der »neuen Ordnung« 1998 zusammenbrach, gab es Zusam-menstöße zwischen ethnischen und religiösen Gruppen. Eigentlich kann man die Zusammenstöße aus soziolo-gischer Sicht als Proteste gegen die Un-gerechtigkeiten ansehen, die man all-zulange ertragen musste und die die Menschen sehr verletzt hatten. Sie wa-ren auch ein Zeichen dafür, dass wäh-

rend der »Neuen Ordnung« die Spielre-geln eines menschlichen Miteinanders schwer verletzt worden waren.

Es gibt auch ein anderes Bild des tradi-tionellen Gleichgewichts in Nordsu-matra, das wirklich einmalig ist: ein negatives Gleichgewicht. Das bedeutet: Das Miteinander-Leben vollzieht sich problemlos, weil es keine Leitkultur gibt. Man könnte dieses negative Gleichgewicht auch als eine Haltung der Indifferenz bezeichnen, als eine Gleichgültigkeit, in der jede Gemein-schaft in ihrer sozialen und kulturellen Isolation lebt, in der Kultur, die sie aus dem Heimatdorf mitgebracht hat.

Dies wurde zum Beispiel vor einiger Zeit in einer Diskussionsrunde in Me-dan zum Ausdruck gebracht, in der es um die Art des Miteinander-Lebens ging:

Lister Brutu, der Vertreter der Pakpak-Ethnie: Ich möchte etwas zu dem Vor-wurf sagen, dass die Chinesen sich ex-klusiv verhalten. In Wahrheit verhal-ten wir alle uns exklusiv, und das liegt daran, dass es nach Edward Brunner hier bei uns keine dominante Kultur gibt. Wir können nicht auf irgend ein Zentrum verweisen. …Man erlebt es ja hier in Medan, die Toba sprechen Toba, die Karo sprechen Karo, die Chinesen sprechen natürlich chinesisch.

Irwansyah Harahap, Dozent an der Universität Nordsumatera: Weil hier eine Leitkultur fehlt, haben die Chine-sen natürlich das Recht, ihre eigene Kultur zu leben. … Warum fällt es uns so schwer zu akzeptieren, dass die Chi-nesen chinesisch sprechen? Da gibt es noch andere Faktoren, nämlich vor al-lem den Faktor Wirtschaft.

Hier geriet man in eine Sackgasse. Als die ökonomische Ungleichheit zur Sprache kam, kamen Zweifel auf. Man dachte an die korrupte Wirtschafts-struktur und verwies auf die zuneh-mende Ausbreitung von Gewalt in der Stadt Medan. Ethnische Gruppen be-gegnen sich oft nur als Schlägertrupps, die von der einen oder anderen Seite angeheuert werden. Das ist eine Folge

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jeglichen Fehlens einer übergreifend gemeinsamen Kultur über ethnische Grenzen hinweg. Es gibt Gruppen, die die Chinesen (meist Christen oder Buddhisten) zwingen, Schutzgelder zu zahlen. Andere wieder zwingen die Malaien (Muslime), ihr Land für den Bau von Geschäften und Büros zu räu-men. Der Staat, in seiner Bürokratie gefangen, verhält sich genau so. Es feh-len letztlich wirkliche Berührungs-punkte für ein Miteinander. Die ge-nannten Gruppen und Gemeinschaf-ten ziehen sich gern in sich zurück und sondern sich ab.

Als Folge der Erschütterung des Gleich-gewichts wird sich vielleicht eine Art von Anarchie einstellen. Wir können das schon jetzt beobachten. Diese An-archie wird fast gleichmäßig in den wichtigsten Regionen unseres Landes aufkommen. Um so wichtiger ist es, dass wir uns bewusst werden, dass konkrete Schritte unternommen wer-den müssen. Es ist notwendig, dass die verschiedenen Gruppen einander be-gegnen. Dabei kann ein Dialog zwi-schen den Religionen, insbesondere zwischen Christen und Muslimen, eine Brückenfunktion ausüben.

Interreligiöser Dialog: Auf der Suche nach einem Miteinander-LebenKönnen Begegnungen, die den interre-ligiösen Dialog zum Ziel haben, dazu beitragen, ein neues Gleichgewicht zwischen den Gruppen zu finden, das so dringend nötig ist?

Der Gedanke eines »Multikulturalis-mus«, der in letzter Zeit immer mehr Boden gewinnt, führt zu einem Be-wusstsein, dass jede vorhandene »Teil-kultur« gleichwertig ist und daher auch das gleiche Lebensrecht hat. Jede Teil-kultur, die in der Gesellschaft existiert und sich entwickelt, fordert und er-wartet Verständnis, Respekt und Aner-kennung. Daraus ergibt sich ein ande-rer Gesichtspunkt, der in einer multi-kulturellen Gesellschaft wichtig ist, nämlich die Notwendigkeit einer Inte-gration. Wie kann eine multikulturelle Gesellschaft, die jede in ihr vorhande-ne Teilkultur als gleichwertig aner-kennt und ihr das Lebensrecht zuge-

Dr. Martin Lukito Sinaga ist Pfarrer der Christlich­Protestan­

tischen Simalungun­Kirche (GKPS). Er arbeitet zurzeit als Grundsatz­referent Theologie und Kirche für den Lutherischen Weltbund in Genf.

steht, sich als eine einheitliche und ganzheitliche Gesellschaft erhalten? Wird sie nicht zerrissen von den jewei-ligen Gruppeninteressen? Wo gibt es den Berührungspunkt, der zur Bildung einer gemeinsamen Plattform führt? Wo ist – um einen muslimischen Be-griff zu gebrauchen – der »kalimatun sawa«, das Grundprinzip, welches die Ganzheit der pluralistischen Gesell-schaft sichert?

Wir können aus den Erfahrungen Ame-rikas lernen. Eka Darmaputera bringt den Gedanken einer »civil religion« in die Diskussion ein, die vielleicht als eine gemeinsame Plattform dienen könnte. In Indonesien, so meint Eka, ist die Pancasila eine Art civil religion. Sie könnte ein Minimalkonsens sein, der eine pluralistische Gesellschaft zusam-men hält. Allerdings lastet noch die bit-tere Erfahrung aus der Zeit des Regimes der Neuen Ordnung auf den Menschen. Damals wurde die Pancasila als ideolo-gische Waffe benutzt, um die Macht des Diktators zu erhalten. Eka Darmapute-ra muss eingestehen, dass daher in wei-ten Teilen der Gesellschaft allein bei dem Wort Pancasila schon zynische Gefühle aufkommen. »Wenn wir diese zynischen Gefühle überwinden könn-ten und in der Lage wären, ganz objek-tiv zu denken, dann wäre es nicht un-vorstellbar, dass unser Weg nach vorn sehr kurz sein kann: Es bleibt nur zu fragen, wie wir die eigentlichen Werte der Pancasila, die lange verschüttet waren, wieder neu entdecken können.«

Die Schritte eines interreligiösen DialogsWenn es so ist, was muss dann gesche-hen? Hinsichtlich eines Dialogs der Religionen in Nordsumatra müssen einige entscheidende Punkte auf die Tagesordnung gesetzt werden, um ein neues Modell des Miteinanders zu er-möglichen:1. Es sollte ein inklusives Verständnis

der Glaubenssätze der Religionen entwickelt werden. Es sollte Raum sein für Selbstkritik an religiösen Vorstellungen, die bislang als Erbe weitergegeben wurden.

2. Das Verständnis von Mission bzw. »dakwah« muss stärker auf die Ent-

wicklung geistlicher Werte gerichtet sein und gleichzeitig konkrete sozia-le Herausforderungen aufnehmen.

3. In der religiösen Unterweisung sollen Traditionen und Glaubens-inhalte der jeweils anderen Religion in ein gemeinsames Curriculum ge-fasst und vor allem im formalen Bil-dungswesen vermittelt werden.

4. Es sollte eine Haltung aktiver Tole-ranz gefördert werden. Eine Tole-ranz, die sich gründet auf Verständ-nis, Respekt und Anerkennung der Traditionen anderer Religionen und anderer Glaubensüberzeugungen.

5. Die Einmischung der Politiker in die Religion muss radikal beendet wer-den, indem die Ebenen von Religion und Politik streng getrennt werden.

Diese fünf Punkte bilden eine »strategi-sche Tagesordnung«, die allerdings ei-ner weiteren Untersuchung und Aus-arbeitung zur Lösung der anstehenden Probleme bedarf. Doch es müssen mindestens drei strategische Schritte genannt werden, die bei jedem Dialog eingefordert werden sollten: Erstens, die Entwicklung eines multireligiösen Curriculums als eines Mittels, die reli-giösen Werte inklusiv in ihrer Komple-xität darzustellen, damit die jeweils andere Tradition respektiert werden kann. Zweitens, eine Untersuchung von Grundprinzipien, die zu einer ge-meinsamen Grundlage für die Ord-nung eines Miteinander-Lebens in ei-ner komplexen Gesellschaft dienen können. Drittens, eine Zusammenar-beit, die einen multireligiösen Charak-ter hat und bei gemeinsamen Aktio-nen die ethnischen Grenzen über-schreitet und alle Strömungen einbe-zieht. So wird ein Raum in der Öffent-lichkeit geschaffen, der einen Prozess von Demokratisierung und Multikul-turalismus fördert.

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In die Welt für die Welt 5/2010Fotos: © Archiv- und Museumsstiftung der VEM

» Schon sehr früh fingen sie an, ihn ›Vater Bodelschwingh‹ zu nennen.« Bethels besondere Mission

Von Thorsten Altena

Es war ein ganz einzigartiger Geist, der die Evangelische Missionsgesellschaft für Deutsch-Ostafrika (EMDOA), die spätere Bethel-Mission, prägte: Ein Geist, der Identität stifte-te. Ein Geist, der das Band bildete, das »Heimat« und »Missi-onsfeld« trotz tausender Kilometer eng miteinander ver-knüpfte. Und er war es vor allem auch, der die Bethel-Missi-on von anderen zeitgenössischen Missionsunternehmun-gen unterschied und ihr damit einen besonderen Charakter verlieh. Verantwortlich hierfür war die für die damalige Zeit ungewöhnliche Verbindung der äußeren mit der Inneren Mission, die in Bethel, jener ostwestfälischen »Stadt der Barmherzigkeit«, die sich als gesellschaftlicher Gegenent-wurf zu den allgemeinen Säkularisierungstendenzen ver-stand, ihren Kristallisationspunkt fand. Letztlich verant-wortlich zeichnete hierfür jedoch vor allem ein Mann – Friedrich von Bodelschwingh (1831 – 1910). Er drückte, auch weit über seinen Tod hinaus, wie wohl kein zweiter der Mis-sionsgesellschaft seinen Stempel auf.

Homogener MitarbeiterstammTatsächlich war es für die damaligen Zeitgenossen kaum nachvollziehbar, warum sich ausgerechnet eine in der Inne-ren Mission etablierte Persönlichkeit wie Friedrich von Bodelschwingh der 1885 ursprünglich als Deutsch-Ostafri-kanische Missionsgesellschaft (ab 1887 EMDOA) in Berlin ins Leben gerufenen Unternehmung annahm. War sie doch schon bald in schwere personelle, finanzielle und missions-praktische Probleme geraten, sodass sie vor dem Ende ihrer ostafrikanischen Missionsunternehmungen auf Sansibar und in Daressalam stand. Vor allem aber haftete ihr gerade seitens der traditionsreichen Missionsgesellschaften der durchaus begründete Ruf an, eher der kolonialen Begeiste-rung denn dem eigentlichen Missionswerk Rechnung zu tragen. Ohne Frage war auch Bodelschwingh ein großer Be-fürworter des Erwerbs deutscher »Schutzgebiete«, aber er lehnte aus theologischen Motiven eine nationalistische Kolonialmission ab, wie sie von den kolonialfreudigen Gründern der Gesellschaft in Berlin favorisiert worden war. Mission war für ihn vielmehr zunächst ein Ratschluss Gottes und ein unerlässlicher Liebesdienst an den Nichtchristen so-wohl in den Kolonien als auch in Deutschland selbst. Dass die EMDOA zum Zeitpunkt seiner Hilfe einen ausgespro-chen kolonialen Ruf besaß, störte ihn daher nicht, zumal für

ihn vaterländische Gesinnung und christlicher Sinn keine Gegensätze bildeten. Und so erklärte er sich im Frühjahr 1890 bereit, ihr in den Bethelschen Anstalten ausgebildete Krankenpfleger zur Verfügung zu stellen.

Bodelschwinghs Eingreifen bedeutete tatsächlich eine Zäsur in der Geschichte der Missionsgesellschaft. Denn in den folgenden knapp 25 Jahren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 wuchs das Missionswerk in Deutsch-Ostafrika (D.O.A.) zusehends: Im Juli 1890 errichte-te man eine Missionsstation in Tanga, von wo aus man in den folgenden Jahren auch im rückwärtigen Digoland Fuß fasste; Ende Mai 1891 wurde mit Mlalo (Hohenfriedeberg) die erste von insgesamt acht Stationen in den Usambaraber-gen gegründet; im August 1907 ließ man sich mit Dsinga erstmals in Ruanda, im Nordwesten der Kolonie, nieder so-wie schließlich im Juni 1910 östlich davon, in Bukoba am Victoriasee.

Dass es soweit kommen konnte, hing mit Bodelschwinghs Bereitschaft zusammen, vom ersten Augenblick an nicht nur das personelle, sondern vor allem auch das ideelle Po-tential Bethels gezielt in den Dienst der äußeren Mission zu stellen. Neben der ab Mai 1890 kontinuierlichen Bereitstel-lung von Kräften der Inneren Mission (hauptsächlich aus dem Betheler Diakonenhaus Nazareth) ergriff Bodel-schwingh aber vor allem auch erfolgreich Maßnahmen, die auf die Anwerbung und Ausbildung von langfristig tätigen Missionaren abzielten. Dabei brach er sowohl im Hinblick auf die Personalauswahl und -führung als auch hinsichtlich der Ausbildung bewusst mit Methoden der älteren Missi-onsgesellschaften und schuf so einen homogenen Mitarbei-terstamm, der bei seiner Arbeit in Afrika dauerhaft von den in Bethel erfahrenen Eindrücken geprägt blieb.

Dabei beruhte Bodelschwinghs Einfluss auf die Missionare weniger auf seiner offiziellen Position – erst 1906 wurde er zum Vorsitzenden des Missionsvorstands der EMDOA ge-wählt, obwohl er diesem bereits seit 1890 angehört hatte – als vielmehr auf einer informellen Grundlage, die ihren Rückhalt in seiner Persönlichkeit hatte. In diesem Zusam-menhang war es von großer Bedeutung, dass in den Bethel-schen Anstalten ein auf persönlichen Beziehungen beru-

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Friedrich von Bodelschwingh

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hendes und auf Bodelschwingh zentral zulaufendes Famili-enprinzip vorherrschte. Dieses drückte sich einerseits in der unangefochtenen Autorität des Anstaltsleiters aus, anderer-seits aber auch in der üblichen, gegenseitigen Anrede mit dem geschwisterlichen »Du«. Wie ein Übervater stand Bodel-schwingh an der Spitze der verschiedenen Bethelschen Ein-richtungen, denen wiederum jeweils »Hauseltern« vorstan-den, die ihm verantwortlich waren. Das untere Ende dieser Hierarchie und den Kern der Betheler Zionsgemeinde bilde-ten die in den Häusern lebenden und von Diakonissen und Diakonen betreuten Menschen. Eben dieses auf Bodel-schwingh sich konzentrierende Familienprinzip wurde durch ihn von Anfang an wie selbstverständlich auf das Mis-sionswerk und seine Mitarbeiter übertragen und bildete so einen wichtigen Eckpfeiler des eingangs erwähnten beson-deren Geistes der EMDOA.

Zum Funktionieren dieses auf das Missionswerk projizierten Familiengedankens trug maßgeblich bei, dass Bodel-schwingh ohne Zweifel eine Persönlichkeit mit außeror-dentlich großem Charisma war. Er überzeugte und begeis-terte die einzelnen Missionskandidaten vor allem durch eine exemplarisch vorgelebte, tiefempfundene Frömmig-keit, die sich in seinem gleichermaßen willensstarken wie demutsvollen Auftreten und Habitus vorbildhaft widerspie-gelte und dazu beitrug, dass sich auch Bodelschwingh und die späteren Missionare schon früh mit dem brüderlichen »Du« anredeten und er von ihnen »Vater Bodelschwingh« ge-nannt wurde. Während in anderen Missionsgesellschaften die Anrede der Komiteemitglieder als »Väter« durch die Mis-sionare jedoch stärker ihre untergeordnete Position unter ein strenges Regiment ausdrückte, besaß die für Bodel-schwingh übliche Anrede als »Vater« durch die EMDOA-Mis-sionare eine Konnotation, mit der sie gleichermaßen ihren Respekt wir ihr Vertrauen ihm gegenüber ausdrückten, wel-ches er ihnen seinerseits aber auch selbst entgegenzubrin-gen bereit war. So konnte trotz der vergleichsweise kurzen Ausbildungszeit eine Harmonisierung der Missionare in Richtung einer geschlossenen Mitarbeiterschaft und eine starke ideelle Bindung an Bethel im Allgemeinen sowie an den Anstaltsleiter im Besonderen erreicht werden.

Bereits bei der Rekrutierung der Missionare, die sich sowohl in ihrer Form als auch im Hinblick auf die durch sie ange-sprochene Klientel anders gestaltete als bei den übrigen Mis-sionsgesellschaften, wird das deutlich. So war die sonst übli-che starke Beteiligung der Komitees bei der Personalauswahl im Falle der EMDOA nicht gegeben. Vielmehr fand die An-werbung der Kandidaten häufig durch Bodelschwingh auf-grund persönlicher Kenntnis selbst statt oder aufgrund von Empfehlungen, die ihm bekannte Pfarrer aussprachen. Von vornherein wurde so bereits für ein Mindestmaß an persön-licher Beziehung zwischen Anstaltsleiter und Missionsaspi-rant gesorgt, was dem Funktionieren des Familienprinzips zweifelsohne zuträglich war. Zudem entstammten die Kandi-daten für den Missionsdienst – abweichend von anderen Missionsgesellschaften – eher den gehobenen sozialen, bil-

dungsbürgerlichen Schichten der Bevölkerung. Dieser Um-stand ist vor allem damit zu erklären, dass die EMDOA kein eigenes Missionsseminar im klassischen Sinn besaß, in dem sie über mehrere Jahre hinweg Missionare hätte ausbilden können. Vielmehr bestand in Bethel seit 1888 für Kandidaten der Theologie, die die Arbeit der Inneren Mission kennenler-nen wollten, ein Konvikt. Bodelschwingh hatte damals mit der Konviktgründung die Absicht verfolgt, angehenden Theologen neben ihrem theoretischen Bildungsgang auch die Krankenpflege, in diesem Fall an den in Bethel betreuten Epilepsiekranken, zu vermitteln. Als nun mit seinem Eintritt in die EMDOA die Frage nach der Errichtung eines Missions-seminars nach Art der etablierten Gesellschaften drängend wurde, dieses aber aus finanziellen und organisatorischen Gründen nicht zu realisieren war, wurde das Konvikt im No-vember 1890 für die Ausbildung von Missionaren erweitert. Bei der Rekrutierung ihres Missionspersonals griff die Gesell-schaft – also faktisch Bodelschwingh – daher ausschließlich auf examinierte Theologiestudenten zurück, die nun in dem Konvikt eine mehrmonatige Zusatzausbildung als Vorberei-tung für den Missionsdienst erhielten. Da jedoch die Verwal-tung der EMDOA bis zu ihrem Umzug nach Bethel 1906 zu-nächst in Berlin verblieb, beschränkten sich aufgrund dieser räumlichen Trennung von Führungsgremium einerseits und Ausbildungsstätte andererseits die Kontakte der Missions-kandidaten mit der Berliner Leitung hingegen auf ein Mini-mum. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass sich der inoffizielle Name Bethel-Mission bereits lange vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges bei den Angehörigen der Gesellschaft durchgesetzt hatte, obwohl die entsprechende offizielle Umbenennung erst Ende Oktober 1920 erfolgte.

Der angesprochene gehobene soziale Hintergrund der ange-henden Missionare und der Umstand, dass sie wie Bodel-schwingh selbst Theologie studiert hatten, führten dazu, dass man sich auf einem vergleichbaren geistigen, geistli-chen wie sozialen Niveau befand, was beinahe zwingend ei-nen freieren, weniger auf äußeren Druck basierenden Füh-rungsstil zur Folge hatte. Während die Kandidaten anderer Missionsgesellschaften von den Komitees normalerweise als noch formbar angesehen und entsprechend behandelt wur-den, erkannte Bodelschwingh bei den Missionsanwärtern der EMDOA prinzipiell an, dass sie bereits in theologischer, lebenspraktischer und gesellschaftlicher Hinsicht ein grund-sätzliches Rüstzeug besaßen und hier keiner größeren Be-einflussung bedurften. Er gestand den Kandidaten daher in geistiger Hinsicht nicht nur von vornherein einen relativ

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großen Freiraum zu, sondern er nutzte diesen gerade be-wusst zur Vermittlung von Werten: Fest integriert in den Anstaltsbetrieb Bethels und in die dortige Zionsgemeinde, erhielten die zukünftigen Missionare während ihrer Ausbil-dung im Konvikt und in einzelnen Pflegeeinrichtungen ihr missionarisches und geistiges Rüstzeug und verinnerlichten so ein bestimmtes Ethos. Neben der Vermittlung von theore-tischem Wissen und der Aneignung von handwerklichen Fähigkeiten wurde letzteres vor allem durch den Dienst an den Kranken mit der »blauen Schürze«, der diakonischen Arbeitskleidung, erreicht. Die hinter der kombinierten theo-retischen und praktischen Ausbildung stehende Absicht Bodelschwinghs war dabei eindeutig. So stellte der lang-jährige Missionsinspektor Walther Trittelvitz (1870 – 1958) rückblickend fest: »›Dienen‹ sollten nach seiner Meinung die jungen Theologen lernen, das war nach seiner Meinung das Wichtigste für sie«.

Gerade der Arbeit wurde durch Bodelschwingh eine beson-dere Geltung beigemessen. Sie hatte in Bethel nach seiner Auffassung eine therapeutische Funktion für die dort leben-den epileptisch Kranken, da ihnen durch leichte Arbeiten das Bewusstsein gegeben werden sollte, nicht Ausgestoßene, sondern schaffende und damit wertvolle Mitglieder der Ge-sellschaft zu sein. Jeder, auch der Schwächste der Anstaltsbe-wohner, war deshalb dazu angehalten, seinen Beitrag, und sei er auch noch so gering, zu leisten. Arbeitserziehung war nach dieser Auslegung im wahrsten Sinne des Wortes Diako-nie am Nächsten, der karitative Dienst an Armen und Hilfs-bedürftigen. Wirtschaftlicher Gewinn aus den Arbeitsleis-tungen der behinderten Menschen spielte dementsprechend nur eine untergeordnete Rolle; von weitaus größerer Bedeu-tung war vielmehr die immaterielle, moralische Funktion, die man der Arbeit zuschrieb. Da sich dieses Konzept in Deutschland bewährt hatte, vertrat Bodelschwingh die Auf-fassung, dass seine Arbeitsmaxime auch für die Mission in D.O.A. eine Anwendung finden könne. Dabei setzte er, wie auch bei der erwähnten Ausbildung der Missionare, schema-tisch die behinderten Menschen in den Anstalten mit den Einheimischen in den Missionsgebieten gleich: »Gerade wie für unsere Epileptischen«, konstatierte Bodelschwingh in ei-ner pointierten Darlegung seiner Gedanken, »so ist auch für unsere lieben Schwarzen die Arbeit, selbst wenn sie nach irdischem Rechenexempel keinen Gewinn brächte, ein not-wendiges Erziehungsmittel, und unsere getauften Christen müssen in diesem Stück allen anderen Eingeborenen weit vorangehen. Christentum und ausdauernder Fleiß müssen ihnen als etwas innig Zusammenhängendes geschildert und Faulheit als Laster vorgestellt werden, das niemals mit einem wahren Christenleben sich vereinigen kann«.

Die Umsetzung dieser Überzeugungen zeigte sich in D.O.A. sowohl in der täglichen missionarischen Praxis, in der die Erziehung zur Arbeit eine zentrale Rolle spielte, als auch da-rüber hinaus in Krisenzeiten, wie beispielsweise vor dem Hintergrund einer Hungersnot im ostafrikanischen Usam-baragebiet bei der Ethnie der Waschamba 1898/99. Bei die-

ser Gelegenheit beschränkte sich der Versuch, eine Erzie-hung zur Arbeit zu betreiben, nicht nur auf die einheimi-schen Christen, sondern auch andere Waschamba wurden dabei entsprechend im missionarischen Sinn beeinflusst, da sich im Verlauf der Katastrophe viele Hungeropfer, Christen wie Nichtchristen, an die Missionsniederlassungen der EMDOA wandten, um gegen Arbeit auf den Stationen Le-bensmittel zu erhalten. Allerdings war der Ansturm der Hilfesuchenden so groß, dass weder genügend Arbeit noch Nahrung für alle vorhanden war. Um trotzdem das notwen-dige Geld durch Spenden aufzubringen, verfiel Bodel-schwingh gemäß seinem Standpunkt »Nichts geben ohne eine entsprechende Gegenleistung« auf die Idee, die Spen-denfreudigkeit der deutschen Missionssympathisanten durch die Koppelung von humanitärer Absicht und missio-narischem Arbeitsethos zu stimulieren. Dabei sollte das in Deutschland gesammelte Geld allein den Hungernden zu-kommen. Voraussetzung aber für die Unterstützung durch die EMDOA war, dass die Afrikaner Steine für den geplanten Bau einer Kirche sammelten.

»Brot für Steine«Es ist sehr wahrscheinlich, dass Bodelschwingh bei dieser Aktion von einem Vorbild aus dem Betheler Anstaltsbetrieb inspiriert war: Beim Bau der Betheler Zionskirche, die 1883/84 auf einem Hügel oberhalb der Anstalten errichtet wurde, waren alle Besucher des Baugrundstücks gehalten, in jeder Hand einen Stein mit hinaufzunehmen oder aber eine Schubkarre hinunterzufahren. Neben Anklängen an das Ar-beitsethos kam in dieser von Bodelschwingh gegebenen An-weisung vor allem auch zum Ausdruck, dass die Errichtung der Zionskirche als Gemein-schaftsbau der gesamten Ge-meinde angesehen wurde. Auch diesen Gedanken mag Bodelschwingh im Hinblick auf den geplanten Kirchbau im Missionsgebiet verfolgt haben, als er die Spenden-aktion 1899 ins Leben rief.

Es kam bei der Umsetzung dieser Idee, die Bodelschwingh sinnfällig »Brot für Steine« betitelte und die bei den Missio-naren große Zustimmung fand, zwar nicht zu einer Übervor-teilung oder gar Ausbeutung der Einheimischen, und zwei-fellos leistete die EMDOA einen wichtigen humanitären Bei-trag zur Eindämmung des allgemeinen Nahrungsmangels im Usambaragebiet in dieser Zeit, denn die Spendenbereit-schaft der deutschen »Missionsfreunde« übertraf alle Erwar-tungen. Doch wird gerade an diesem Beispiel auch deutlich, wie sehr Bodelschwingh und die Missionare von ihren in der Inneren Mission verwurzelten Überzeugungen Bethel-scher Prägung beeinflusst waren und diese konsequent in der Missionspraxis umsetzten.

Dr. Thorsten Altena ist Historiker und Gymnasiallehrer in Dortmund.

Kirchgang in Hohenfriedeberg

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23 Studierende der Abteilung Außereuropäische Geschichte der FernUni Hagen begaben sich Mitte Mai auf die Spuren der Rheinischen Mission auf Sumatra. Thema der 14-tägi-gen Forschungsreise: Mission und Kolonialismus in Niederländisch-Indien. Die Studenten zwischen 29 und 74 Jahren haben 22 Referate gehalten, über ein Dutzend Vorträge ge-hört und mit Einheimischen und untereinander diskutiert. Und: 57 verschiedene Orte in Indonesien besucht, an denen vor knapp 150 Jahren die Mission begann. Prof. Dr. Rein-hard Wendt, der Leiter der Abteilung Außereuropäische Geschichte der FernUni Hagen, Dr. Jürgen Nagel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Neuere Europäische und Außereuropäische Geschichte der FernUni Hagen, Irene Girsang, Frauenreferentin der VEM, und Julia Besten, Geschäftsführerin der Archiv- und Museumsstiftung der VEM, ha-

ben die Exkursion geleitet.

Mission und Kolonialismus in Niederländisch-IndienEine Exkursion mit Studenten der FernUniversität Hagen

Von Julia Besten und Irene Girsang

»Wir hatten jeden Tag von morgens neun bis abends um sieben volles Pro-gramm, das war schon sehr anstren-gend. Dafür habe ich aber auch un-glaublich viel gelernt und Eindrücke gesammelt, die für mein weiteres Stu-dium enorm wichtig sind«, resümiert Eva Langenmair, eine der Studentin-nen der Forschungsreise.

Themenbezogene Referate vor Ort»Mission und Kolonialismus in Nieder-ländisch-Indien« – zu diesem Thema hatte die Archiv- und Museumsstif-tung der VEM bereits wiederholt Ver-anstaltungen gemeinsam mit Profes-sor Wendt im Wuppertaler Missions-haus der VEM organisiert. In mehreren Modulen befassten sie sich einerseits mit verschiedenen Aspekten der Ge-

schichte der Gesellschaft, sowie dem Selbstverständnis, Auftrag und der Ar-beit ihrer Missionare auf Sumatra. An-dererseits wurden Möglichkeiten und Grenzen wissenschaftlicher Arbeit in der Nutzung der Archive und Samm-lungsbestände thematisiert. Neben der unmittelbaren Arbeit mit den Quellen und Objekten in den Archiven der Stif-tung in Wuppertal haben die Studie-renden sozusagen als Höhepunkt eine Exkursion nach Sumatra gemacht. Die Frauenarbeit der Rheinischen Mission auf Sumatra damals und heute war da-bei ein Schwerpunkt der Reise.

Jakarta, die Hauptstadt Indonesiens auf der indonesischen Insel Java, war die erste Station. Hier stand die Besichti-gung des Nationalarchivs (Lesesaal, Ar-

chive, Restaurationsstätte) auf dem Pro-gramm und ein reges Gespräch über Aufgaben, Herausforderungen und Ver-antwortung von staatlichen und kirch-lichen Archiven. In Jakarta wurde ins-besondere der Themenschwerpunkt Kolonialismus unter verschiedenen As-pekten beleuchtet. So führte etwa Jesu-itenpater Adolf Heuken in die Architek-tur und historische Entwicklung der Stadt Jakarta ein. Ein Besuch des alten niederländischen Friedhofs »Taman Prasasti«, wo neben Kolonialfamilien auch indonesische Künstler und Musi-ker begraben sind, zeugt ebenso von den alten kolonialen Spuren wie der Hafen von Jakarta. Hier hatte die Verei-nigte Niederländische Ostindien-Kom-panie VOC aktiven Handel betrieben. Ein Referat zum Thema VOC und der Gewürzhandel sowie der Besuch der al-ten Speicherstätten führten die Teilneh-mer in die damaligen Handelsaktivitä-ten ein. Die Referate, die themenbezo-gen vor Ort mit anschließender Diskus-sion gehalten wurden, gehörten zum Konzept der Reise und sind bei allen gut angekommen. Diese wichtige Erfah-rung könnten die Studierenden nur vor Ort machen, so Professor Wendt. Und Michael Clerc, Student im Bachelor-Studiengang Kulturwissenschaften, be-stätigt das: »Ich hatte mich in meinem Referat mit der Geschichte Jakartas, dem ehemaligen Batavia, beschäftigt und ganz andere Bilder vor Augen als die, die sich dort heute bieten.«

Ortswechsel. Medan, die Hauptstadt Nordsumatras. Die Forschungsgruppe besucht das historische Institut der

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Themenbezogene Referate vor Ort gehören zum Konzept der Reise, hier im Bild ein Referat zur VOC vor dem Bahari Museum am Hafen von Jakarta.

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staatlichen Medan Universität Uni-med. Dessen Leiter, Dr. Ichwan Azhari, und seine Mitarbeiter begrüßten die Gruppe mit einem großen farbigen Banner auf dem Campus. Eigens für den Besuch hatten sie eine Ausstellung über die Rheinische Mission auf Suma-tra erstellt. Auch auf wissenschaftli-cher Ebene ist Missionsgeschichte in Indonesien präsent. Kolonialismus, Mission und Batak-Identität – über diese Themen diskutierten die Teilneh-merinnen und Teilnehmer immer wie-der lebhaft. Der Besuch von Tabak-, Kautschuk- und Ölpalm-Plantagen, Gespräche und Referate vor Ort runde-ten den kolonialhistorischen Schwer-punkt der Reise ab.

Die Batak-Identität wurde an verschie-denen Orten immer wieder unter-schiedlich beleuchtet. Die Gruppe nahm die Batak-Kultur allenthalben als eine sichtbare und dominante Kultur wahr: Etwa in einem Referat über »Ver-lorene Traditionen. Die Kultobjekte der Batak zwischen Mission, Kunst und Kommerz«, wo es um sehr konkrete weltliche Fragen ging. Oder aber beim Besuch des Karo-Batak-Dorfes Dokan, der die Reisegruppe unmittelbar in die gelebte Batak-Kultur einführte.

Auch der interreligiöse Dialog, die Be-gegnung mit anderen Religionen, wur-de thematisiert. Verschiedene Mosche-en, Hindu- und Buddhistentempel wur-den besichtigt und Gespräche machten die Vielschichtigkeit der Religionen in Indonesien deutlich. Außergewöhnlich waren die Besuche zweier inkulturati-

ver Kirchen. Die Auseinandersetzung von lokaler Kultur und Christentum, das vorsichtige »Sich-Annähern« im Baustil der Kirchen und in der Begeg-nung der Menschen sieht man an vie-len Stellen erfolgreich umgesetzt.

Auf den Spuren von NommensenDas »alte« Missionsgebiet der Rheini-schen Mission war auch Thema der Ex-kursion. Bildung und medizinische Versorgung war von Anfang an ein Schwerpunkt der Arbeit der damaligen Rheinischen Missionsgesellschaft (RMG) gewesen. So stand nicht nur die nach dem berühmten Missionar Nommen-sen benannte kirchliche Hochschule in Pematangsiantar und das Pastorense-minar der Christlich-Protestantischen Toba-Batakkirche (HKBP) in Sipaho-lon auf dem Programm, sondern auch das HKBP-Krankenhaus in Balige. Über die Rolle der Batakfrauen in Kirche und Gesellschaft wurde lebhaft mit Di-akonissen in Balige diskutiert. Zwei der Diakonissen, die 1952 ein Stipendium von der RMG für ihre weitere Ausbil-dung in Deutschland erhalten haben, sprechen noch fließend Deutsch. Und es blieb nicht verborgen, dass sie lange Zeit in Tübingen gelebt haben. Denn jeden Satz beenden sie noch heute mit dem Wort »gell«.

Im Missionsgebiet auf Sumatra wan-delt man gezwungenermaßen immer auch auf den Spuren von Nommensen wie die von ihm gebaute Kirche in Huta Dame. Dort referierte ein Teilneh-mer über Leben, Werk und Wirkung Nommensens. Auch zur Pilgerstätte

»Salib Kasih« (»Kreuz der Liebe«) – zur Erinnerung an Nommensens Missi-onstätigkeit – kommen Menschen aus aller Welt, um zu beten. Die Bedeutung des »Apostel der Batak« Ludwig Ingwer Nommensen für die Missionsgeschich-te steht außer Zweifel.

Aber auch andere Missionare werden in Ehren gehalten. Zum Beispiel auf dem Missionsfriedhof hinter einer Kir-che in Sipaholon. Es ist die Ruhestätte von Missionsarzt Dr. Johannes Winkler und anderen Missionaren und Missio-narinnen. Viele Erwachsene und über 100 Kinder begrüßen die Forschungs-gruppe mit lautem Gesang und leisem Gebet. Einige Exkursionsteilnehmer sind bewegt. Andere irritiert. Denn die meisten Exkursionsteilnehmer kann-ten die Vereinte Evangelische Mission bislang nur durch Literatur und wis-senschaftliche Arbeiten. Einige von ih-nen sind Atheisten und der Mission gegenüber sehr kritisch eingestellt. Wie die VEM vor Ort arbeitet und wie sich mögliche Vorurteile abbauen lassen – das haben die Forschungsreisenden der FernUniversität Hagen jetzt in Indone-sien erlebt. Sie konnten ihre Kenntnisse über die Geschichte der Rheinischen Mission auf Sumatra im Kontext des Kolonialismus auf die Orte übertragen und erfahren, wie sich Geschichte bis heute in vielen Bereichen auswirkt.

Fazit der Exkursion: Das Pilotprojekt, so die einhellige Meinung der Organi-satoren, sei ein voller Erfolg gewesen. Man kann nur wünschen, dass es nicht bei einem Pilotprojekt bleibt.

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Inkulturative Kirche Franz von Assisi im Karo­Batak­Stil in Berastagi

Fotos: Julia Besten / © Archiv- und Museumsstiftung der VEM

Jesuitenpater Adolf Heuken

Über 100 Kinder begrüßen die Forschungsgruppe mit lautem Gesang und leisem Gebet.

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»Mamre ist jetzt meine Familie«, erklärt Sato Hulu (22). Das Heim Mamre mit rund 70 Kindern bis zum jungen Erwachsenenalter ist sein Zuhause geworden. Er stammt von Nias, einer der 1700 Inseln Indonesiens, vor der Küs-te der großen Insel Sumatra ge-legen. Sechs Geschwister teilten mit ihm und den Eltern das ein-fache Holzhaus, drei Stunden Fußweg zur nächsten Stadt. »Kein Handyempfang« nennt er als Merkmal für die Abgelegen-heit. »Weil Gott wohl gesehen hat, dass alle meine großen Geschwister nach der Grund-schule als Bauern arbeiteten, hat er ein Ehepaar geschickt, das dafür gesorgt hat, dass ich hier sein und weiter zur Schu-le gehen kann«, fasst er seine Geschichte zusammen.

Alle müssen mit anpackenMamre ist eine Einrichtung der Christlich-Protestantischen Kirche in Indonesien (GKPI), einer Mitgliedskirche der VEM. Ein Teil der Kosten wird auch durch Patenschaften der Kin-dernothilfe getragen. Als Sato elf Jahre alt war, wurde er durch Vermittlung seines Pfarrers in Mamre aufgenommen. Erst sollte er in ein Heim auf Nias, aber das war voll belegt. In der Regel kämen die Kinder eher aus der näheren Umgebung in Nordsumatra, wird uns erklärt, und man versucht, die Ver-bindung zur Heimat zu stärken. Oft sind Krankheit oder Tod der Eltern Auslöser der Aufnahme in die neue Familie. Hier auf dem weitläufigen Gelände am Rande der Stadt Pema-tangsiantar in Nordsumatra leben alle langjährig zusammen – Kinder wie Mitarbeitende. Und an Festen oder einfach zum täglichen Feierabend gesellen sich ehemalige Mamre-Kinder dazu. Sei es der Verlobte der diakonischen Mitarbeiterin, der sonst die zwei Stunden Fahrt entfernte Ölplantage des Heims betreut. Oder der Architekt, der den Speisesaal gebaut hat, mit seiner Frau und den kleinen Söhnen. Oder die junge In-donesierin, die nach Deutschland ging, dort Krankenpflege lernte und einen Deutschen heiratete und während ihres Ur-laubs Mamre besucht. Sie ist natürlich die absolute Ausnah-

me, aber wie die anderen »Großen« eine Identifikationsfigur und verstärkt das Familiengefühl.

Wenn die Kinder in ihren je nach Schule unterschiedlichen bunten Schuluniformen nach Hause kommen, laufen sie an den Häusern der Nachbarn entlang, deren Baumaterial von flach geklopften Blechkanistern, Palmwedeln bis hin zu Be-ton mit den beliebten korinthischen Säulen vom wechseln-den Budget der Besitzer kündet. Dann biegen sie in den gro-ßen Hof von Mamre ein, mit festen Gebäuden, Grünflächen und Blumenbeeten. Hier ist viel Platz und Ruhe vom Auto- und Mopedlärm, dem ständigen Hupen. Sato spielt mit den Kleinen: »Volleyball oder Fußball, sie entscheiden«. Der Le-bensstandard ist besser als im Durchschnitt, aber alle müssen mit anpacken, nur eine Köchin hilft beim Kochen. Die Älteren sind die großen Brüder und Schwestern der Kleinen, sie sind für die Versorgung bis hin zum Wäschewaschen mit der Hand für je ein Kind zuständig. Zusätzlich haben sie ihre Dienste in der Küche, im Speisesaal, beim Putzen, im Garten. Fernsehen ist rationiert, lieber sollen sie Bücher aus der neu eingerichte-ten Bibliothek lesen. Um sie für alle Lebensumstände fit zu machen, gibt es eine Kochstelle auf offenem Feuer, einen Gas- und einen Elektroherd. Die Mädchen lernen nähen, die Grö-ßeren dürfen an den Computer. Verschiedene Berufsfach-schulen in der Stadt werden besucht. Den Tagesablauf prägt die Glocke. Aber es wird nicht auf die Minute geachtet, die Stimmung ist entspannt, zumal an schulfreien Tagen.

»Mamre ist jetzt meine Familie«

Von Katharina Weyandt

Ein Besuch im Heim Mamre der Christlich-Protestantischen Kirche in Indonesien

Sato Hulu Die VEM­Freiwillige Wiebke Mohme ist für die Kinder und Jugendlichen eine Freundin geworden.

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Der Lebensstandard ist besser als im DurchschnittDie Schweine im Stall sind mehr als ein willkommener Fleischlieferant und eine Attraktion für die Kinder. In Satos Heimat Nias ist die Schweinezucht und das Essen von Schweinefleisch der Mittelpunkt des traditionellen Kults, und auch bei den Batak, dem Volk des Landes rund um Mamre, ist ein Fest ohne gebratenes Schwein nicht denkbar. Weil im Islam Schweine unrein sind, sind die Borstentiere geradezu ein christliches Symbol in der mehrheitlich musli-mischen Umwelt geworden.

Andachten und Singen, Bibellesungen im Speisesaal und Gottesdienstbesuche prägen den Alltag. Feste wie Weihnach-ten und Ostern werden mit Aufführungen von Theater- und Chorstücken begangen. Wenn Patar, ein musikalisch begab-

ter Jugendlicher für sich allein an der E-Orgel im Saal sitzt, erklingen viele den Deutschen vertraute Choralmelodien – Folge der langjährigen Beziehungen, sowohl auf der Ebene der Kirchen als auch durch die spezielle Partnerschaft Mam-res zum Kirchenkreis Kleve und der Kirchengemeinde Bonn-Beuel. Besonders innig ist die Verbindung mit der Abiturien-tin Wiebke Mohme aus Bad Oeynhausen, die bis August ihr Freiwilliges Jahr dort verbrachte. Sie hat nicht nur Englisch unterrichtet und war Mitarbeiterin, sondern ist auch Freun-din und Bezugsperson geworden. Hier wird die Partnerschaft und Verbundenheit in dem einen Gott für alle erlebbar.

Katharina Weyandt arbeitet als freie Journalistin in Chemnitz.

Die Schweine im Stall sind eine Attraktion für die Kinder.

Die Älteren sind die großen Schwestern der Kleinen. Zusätzlich haben sie ihre Dienste unter anderem in der Küche.

Fotos: Heiner Heine / VEM

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»Unser Leben muss zu einem größtmöglichen

Segen für möglichst viele Menschen werden.«

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Foto: Heiner Heine / VEM

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Im Juni 1910 machten der Diakon Ernst Döring und eine Gruppe afrikanischer Christen Rast auf einem schönen Hügel mit Aussicht über den riesigen Viktoriasee, bevor sie ihre Reise zu einer Station der Bethel-Mission in Ruanda fortsetzten. Der Ort gefiel ihnen und sie beschlossen, dort eine logistische Basis für zukünfti-ge Reisen zu errichten. Von dieser kleinen Station aus wur-den Kontakte zu mehreren bereits bestehenden christlichen Gruppen geknüpft, die aus der Missionsarbeit einheimischer Händler entstanden waren. Aus den – ab 1910 – gemeinsa-men Bemühungen der Neuankömmlinge und der Einheimi-schen erwuchs dann die Evangelische Kirche von Buhaya. Heute stellt die Kirche zwei Mitglieder der VEM – die Nord-west-Diözese (NWD) und die Karagwe-Diözese (KAD) der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania.

Dynamische, unabhängige KircheIm Lauf der hundert Jahre ist diese kleine Kirche auf dem ersten Breitengrad südlich des Äquators zu einer dynami-schen, unabhängigen Kirche geworden, obwohl sie auch Teil der größeren tansanischen lutherischen Kirche ist. Der Er-folg der Missionsarbeit wurde vom 14. bis 20. Juni in Bukoba und vom 21. bis 27. Juni in Karagwe gefeiert.

Viele Mitchristen aus Schweden, den USA, Dänemark und Deutschland kamen, um auf die gemeinsame Arbeit zurück-zublicken und Gott dafür zu danken. In den zahlreichen Grußworten aus dem Ausland priesen viele Missionsorgani-sationen, die mit der KAD und der NWD zusammenarbeiten, Gott für diese Zusammenarbeit und die Gelegenheit, ge-meinsam Mission zu treiben. Die Mitglieder der NWD und KAD freuten sich sehr, ihre ehemaligen Missionare und Lei-ter begrüßen zu können, und gedachten derjenigen, die be-reits zum Herrn gegangen sind. Als Zeichen der Erinnerung und der Dankbarkeit eröffneten Gemeinden in den beiden Kirchen verschiedene Gebäude und Projekte. Sowohl in Bu-koba als auch in Karagwe war eine Person besonders prä-gend gewesen, Pastor Gunnar Ljungmann aus Schweden, der zu der Zeit, als die Kirche von den Missionsorganisatio-nen unabhängig wurde, lange Zeit Leiter der Kirche war. Später arbeitete er als gewöhnlicher Missionar unter afrika-nischer Leitung. Als die KAD gegründet wurde, wählten ihn

die Mitglieder der KAD als ihren ersten Bischof. Leider ge-stattete ihm die Kirche von Schweden aus unerklärlichen Gründen nicht, diese Aufgabe zu übernehmen. Er wurde als »erster gewählter Bischof von Karagwe« geehrt. Auch der Präsident von Tansania nahm an den Feierlichkeiten teil und lobte die Kirche für ihr ausgedehntes soziales Wirken.

Die VEM präsentierte sich sehr stark. Viele Leute von der VEM aus Deutschland, einschließlich mehrerer Partner-schaftsvertreter, waren zugegen. Auch die Moderatorin Regine Buschmann und der Vorstandsvorsitzende von Be-thel, Pastor Wolf, waren dabei. Ein Kuriosum war ein Gene-ralsekretär, der zwar wie einer der NWD-Pastoren gekleidet war, dem aber ein Sitzplatz unter den ausländischen Gästen zugewiesen wurde. Besonders aufregend und faszinierend war jedoch, dass die Führer von sieben asiatischen Mit-gliedskirchen der VEM zugegen waren! Die VEM unterschied sich grundlegend von allen anderen anwesenden Missions-gesellschaften. Ja, wir sind anders. Wir sind eine Gemein-schaft von Kirchen in drei Kontinenten. Das war für alle deutlich zu erkennen.

Dr. Fidon Mwombeki ist Generalsekretär der Vereinten Evangelischen Mission.

100 Jahre Evangelium auf dem ersten Breitengrad südlich des ÄquatorsVon Fidon Mwombeki

Die Vorsitzende der VEM, Diakonin Regine Buschmann, Dr. Fidon Mwombeki, Generalsekretär der VEM, und Pastor Christopher Mbuga, stellvertretender Generalsekretär der Nordwest­Diözese und Leiter des Huyawa­Projektes (v.l.)

Foto: Fidon Mwombeki / VEM

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Seit den Zeiten der Gründung durch die Rheinische Mission und seit mehr als einem Jahrhundert waren alle Pas-toren der CRC Männer, die einträchtig mit »kirchlichen Mitarbeitenden« und »Lehrenden« beiderlei Geschlechts zu-sammenarbeiteten. Im Zuge der Verän-derungen in der Gesellschaft hat sich allmählich ein Anstieg der Zahl gebil-deter und kompetenter Frauen in un-seren Kirchen ergeben und die Gleich-berechtigung der Geschlechter im kirchlichen Dienst hat einen hohen Stellenwert. Daher wird es immer mehr erwartet, dass auch Pastorinnen in der Gemeindearbeit tätig sind.

Keine Diskriminierung aufgrund des GeschlechtsObwohl es unter den Theologen noch Kontroversen um die Frauenordinati-on gibt, sind doch die Pastoren und die Kirchenleitung der CRC kürzlich über-eingekommen, gegen die Vorurteile über Frauen in kirchlichen Ämtern an-zugehen. Außerdem sind die Erfahrun-gen, die andere Kirchen in Hongkong mit Pastorinnen machen, überwiegend positiv.

Dennoch könnte es zu diesem Thema bei manchen Kirchenmitgliedern noch einige Missverständnisse und Fragen geben. Daher sind noch entsprechende

Siu-ling Ho ist die erste ordinierte Pastorin der Chinesisch-Rheinischen Kirche in Hong-kong (CRC). Am 30. Mai wurde sie in einem Festgottesdienst ordiniert. Siu-ling Ho schloss ihr Studium 1994 ab und begann ihren kirchlichen Dienst bereits im gleichen Jahr. Trotz kontroverser theologischer Diskussionen entschloss sich die CRC einmütig zu diesem Schritt – auch wegen der vielen positiven Erfahrungen anderer Hongkonger Kirchen in der Arbeit mit Frauen als Pastorinnen.

Erklärungen notwendig, um sie von der Sache zu überzeugen. Ebenso er-forderlich ist die Einhaltung des ord-nungsgemäßen, von den Statuten der CRC-Synode festgelegten Verfahrens, nach dem zunächst auf der Vollver-sammlung die Satzung geändert und dann ein Antrag für die Ordination von Pastorinnen verabschiedet werden muss.

Die CRC hat es sich zum Leitprinzip ge-macht, dass es bei der Beförderung

Leon Chau ist Geschäftsführer der Chinesisch­Rheinischen Kirche in Hongkong.

Chinesisch-Rheinische Kirche in Hongkong ordiniert zum ersten Mal eine FrauVon Leon Chau

kirchlicher Mitarbeitender oder der Ordination zum Pfarramt keine Diskri-minierung aufgrund des Geschlechts geben darf. In den Kriterien für die Or-dination sollten eine gute Kenntnis des christlichen Glaubens (dazu zählen auch die Bedeutung lutherischer Theo-logie und die Strukturen und Traditio-nen der CRC), die bisherige Leistung im kirchlichen Dienst und/oder in der Synode sowie andere nachgewiesene Verdienste Berücksichtigung finden.

Gute Kenntnis des christlichen GlaubensNach einer relativ langen Phase der Konsultation, nach Gesprächen auf unterschiedlichen Ebenen sowie dem notwendigen Bewilligungsverfahren hat die Synode der CRC den 30. Mai 2010 als Datum der Ordination ihrer ersten Pastorin bekanntgegeben. Siu-ling Ho versieht ihren Dienst nun in der ältesten rheinischen Gemeinde in Hongkong (The Chinese Rhenish Church Hong Kong). Nach ihrem theo-logischen Examen 1994 begann sie im selben Jahr mit ihrer Arbeit in dieser Gemeinde, in der sie zuvor Diakonin gewesen war und in der sie nun auch weiterhin arbeiten wird. Schwerpunk-te ihrer Arbeit werden die seelsorgerli-che Begleitung von Erwachsenen und die Verkündigung des Evangeliums sein. Wir freuen uns darauf in Zukunft, eine stetig wachsende Zahl von Pasto-rinnen zu ordinieren.

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Siu­ling Ho

Foto: VEM-Bildarchiv

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Neun Bischöfe aus Indonesien, Ruanda, Botsuana und der Demokratischen Republik Kongo fanden sich zu einer Fortbil-dung für Kirchenleitungen bei der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal zusammen. Auf dem Programm des dreiwöchigen Leadership Trainings standen Personalführung, Organisationsentwicklung und Projektmanagement, aber auch die Begegnung mit deutschen Kirchenleitungen.

Sie sind hervorragend ausgebildete Theologen und charis-matische Kirchenführer. Allerdings wird von Bischöfen auch verlangt, dass sie ebenso gute Manager sind. Sie haben Visi-onen, wie ihre Kirche gestaltet werden könnte. Aber es be-darf bestimmter Strategien, damit diese Träume auch Wirk-lichkeit werden können. »Visionen dürfen nicht nur auf der Leitungsebene bestehen, denn wenn ein Kirchenführer geht, stirbt auch die Vision«, sagte Jered Kalimba, Bischof der Shyogwe-Diözese in der Anglikanischen Kirche von Ruanda. Er hat selbst leidvoll erfahren müssen, wie schnell sich kirchliche Leitungsstrukturen ändern können, wenn sich die politischen Verhältnisse in einem Land wandeln. Eine Vision müsse an der Basis ankommen und von den Gemein-degliedern getragen werden, meinte Kalimba und fand da-mit breite Zustimmung unter seinen Kollegen.

Aus guten Pastoren …Der Workshop, der in eine Diskussion über dieses Thema mündete, befasste sich mit der Entwicklung von Strategien zur Umsetzung einer Idee in konkrete Projekte. »Ist die Visi-on realistisch oder utopisch?« – »Wie gewinnt man Mitstrei-ter und die nötigen Mittel?« – solche und ähnliche Fragen erörterten die Teilnehmer. Zudem ging es um Budgetaufstel-lung, Öffentlichkeitsarbeit und Evaluation. Die Verzahnung der verschiedenen Ebenen, Transparenz und ständiges Mes-sen an der Wirklichkeit waren in den Augen der Bischöfe schließlich die wesentlichen Kriterien für den Erfolg eines Vorhabens.

Aus guten Pastoren ebenso gute Kirchenmanager zu ma-chen ist das Ziel der neuen Abteilung Training & Empower-ment innerhalb der VEM. Nach dem Willen der Vollver-sammlung soll sie die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln. »Kirchenleitende unserer Partnerländer in Asien

und Afrika können zusammen mit den deutschen Kirchen-leitungen Führungsstil und Führungsverhalten lernen«, er-läutert Abteilungsleiter Dr. Robinson Butarbutar. Strategien dazu werden gemeinsam erarbeitet und trainiert. Daneben ist die Abteilung auch für akademisches Missionsstudium zuständig und sie betreut die 96 Stipendiaten der VEM. Außerdem bietet sie Fortbildung für Frauen an der Basis und in Führungs positionen an. So findet in diesem Jahr in den Philippinen ein einmonatiges Seminar für Frauen statt. »Frauen müssen gestärkt werden, damit sie in kirchliche Leitungspositionen kommen«, betonte Butarbutar.

…gute Kirchenmanager machenThema des ersten Leadership Trainings auf dieser Grund lage waren die Herausforderungen, die sich für die europäischen Kirchen in einer zunehmend säkularen Gesellschaft stellen. Die Kirchen in Asien und Afrika erwarten, dass sie in den nächsten Jahrzehnten vor ähnlichen Problemen stehen werden. Daher wurde ihnen die Gelegenheit geboten, den deutschen Kollegen bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen. Es gab Treffen mit den Kirchenleitungen der Evan-gelisch-Reformierten Kirche, der Evangelischen Kirche von

» Wir wollen nicht unter richten, sondern zusammen lernen«VEM organisiert zum ersten Mal Fortbildung für afrikanische und asiatische Kirchenleiter

Von Marion Unger

Präses Nikolaus Schneider (1. Reihe 3. von links) empfing die Bischöfe aus den VEM­Partnerkirchen zu einer Begegnung mit der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Fotos: Marion Unger / VEM

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Kurhessen-Waldeck, der Evangelischen Kirche von Westfa-len und der Evangelischen Kirche im Rheinland. Ein Besuch in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel vervoll-ständigte das Programm.

In der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten sah VEM-Generalsekretär Dr. Fidon Mwombeki die Aufgabe der Mis-sionsgesellschaften in der heutigen Zeit. »Wir wollen nicht unterrichten, sondern zusammen lernen«, unterstrich er in seiner Grußadresse an die Teilnehmer des Seminars. »Sie sind alle gute Theologen«, wandte er sich an die Kirchenfüh-rer und fuhr fort: »Wenn sie eine große Kirche leiten müssen, brauchen sie Fertigkeiten, die sie nicht gelernt haben.« Die VEM wolle mit ihrem Leadership Training Leitungskompe-tenzen vermitteln. Das erste Seminar sei ein Versuch. Mwombeki ermunterte die Teilnehmer, den Organisatoren ihre Erfahrungen zurück zu spiegeln und das Programm im gegenseitigen Austausch weiterzuentwickeln.

»Die Basis muss überzeugt werden…Dazu ließen sich die Bischöfe nicht lange bitten. »Ich weiß, wie man predigt und ich weiß, wie man sich als Seelsorger um die Gemeinde kümmert«, sagte Bachaki Noko, Vize-Bi-schof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Botsuana und bekannte: »Was ich nicht weiß, ist, wie eine Verwaltung effektiv arbeiten muss oder wie man ein Budget aufstellt.« Diese Fertigkeiten seien aber unbedingt notwendig, um eine Vision in die Tat umzusetzen. So wie ihm ergehe es vielen Pastoren in der Gemeindeleitung. »Es ist Aufgabe von kir-chenleitendem Handeln, Menschen Fähigkeiten zu vermit-teln, damit sie ihre guten Ideen auch umsetzen können«, be-kräftigte Noko. »Es nützt nichts, wenn der Bischof Visionen in

seinem Kopf hat, wenn diese Ideen nicht an der Basis an-kommen«, fügte Totuku Bolombo, Präsident der Kirche der Vereinigten Evangelischen Gemeinden am Lulonga (CADE-LU) in der Demokratischen Republik Kongo, hinzu. Bolombo sieht in einer gut organisierten Kommunikation und einer Vernetzung der kirchlichen Ebenen das Erfolgsrezept für die Umsetzung guter Ideen. »Die Basis muss überzeugt werden und das geht nur mit Transparenz«, betonte Bolombo.

…und das geht nur mit Transparenz«Starkes Interesse an den Problemen europäischer Kirchen prägte die Begegnung mit der Kirchenleitung der Evangeli-schen Kirche im Rheinland. Präses Nikolaus Schneider be-grüßte die Gäste nach dem Gespräch mit Vizepräsident Christian Drägert und Oberkirchenrat Klaus Eberl sowie den nebenamtlichen Mitgliedern Renate Brunotte und Marion Unger und Vertretern der Ökumene-Abteilung im Landes-kirchenamt der rheinischen Kirche. Es gab einen regen Mei-nungsaustausch über die Stellung von Kirche in der Gesell-schaft, über Fragen der Bildung, Medien- und Öffentlich-keitsarbeit sowie Diakonie und Jugendarbeit. Klaus Eberl charakterisierte die Lage der evangelischen Kirche in Deutschland als die einer gefährdeten Kirche. Sie erfahre aber Trost aus den biblischen Texten, die ähnliche Situatio-nen thematisierten. Er erläuterte die Leitvorstellung »Missi-onarisch Volkskirche sein« und die Hoffnung, mit ihrer Hilfe Menschen neu für Kirche zu gewinnen.

Einmal im Jahr will die VEM künftig Kirchenleitungen aus den Partnerländern zum Leadership Training nach Wupper-tal einladen. Intensive und lebhafte Diskussionen, bei denen auch viel gelacht wurde, prägten das kollegiale Klima und zeugten von einer guten Stimmung unter den Teilnehmern. Mit einem Schuss Selbstironie problematisierten die Bischö-fe die Länge des Seminars. Präsident Bolombo brachte es auf den Punkt: »Bischöfe denken immer, ihre Kirche ginge zu-grunde, wenn sie längere Zeit abwesend sind. Aber das stimmt nicht. Jesus Christus sorgt dafür, dass sie weiter be-steht – mit oder ohne Bischof.«

Marion Unger arbeitet als freie Journalistin.

Seine Freude über das gelungene Leadership­Training in Wuppertal drückte der Bischof der

Butare­Diözese der Anglikanischen Kirche in Ruanda, Nathan Gasatura, aus.

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22 In aller Regel bleiben Fischer eben Fischer, wie die Jünger Jesu am See Genezareth, die freilich später Wanderapostel wurden. Bauern bleiben Bauern, säen und ern-ten auf ihrem Grund und Boden. In Sirombu, im Westen der indonesischen Insel Nias, wurden Fischer zu Bauern. Der Tsunami 2004 fegte alles dahin: Es gab viele Tote an dieser Westküste, ver-endetes Vieh, Häuser und Kirchen wurden weitgehend zerstört. Ostern 2005 folgte ein schweres Erdbeben, das erneut viel vernichtet hat und auch den Westen der Insel nicht verschonte. Sirombu wurde eine tote Stadt und blieb es bis heute.

Stolze HausbesitzerBereits 2006 kam der dringliche Vor-schlag auf, die »gestrandeten Fischer« umzusiedeln und ihnen an einem an-deren Ort eine neue Existenz anzubie-ten. Zögerlich gestaltete sich die Um-setzung dieses Vorhabens, und erst Ende 2009 / Anfang 2010 konnte die Siedlung eröffnet werden. Die Kosten beliefen sich auf 53 000 Euro, die von der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) getragen wurden. Ein engagier-tes Team begleitet die 40 umgesiedel-ten Familien vor Ort.

Ich hatte Gelegenheit, das Projekt an ei-nem anderen Ort in der Stadt Sirombu im April 2010 kennen zu lernen. Pfarrer Fomaso Mendröfa von der Leitung der Christlich-Protestantischen Kirche auf Nias (BNKP) begleitete mich.

Die Siedlung hat 40 Häuser mit jeweils 48 Quadratmetern. Davon haben 30 Häuser den gleichen Grundriss und

Fischer werden zu BauernEin Besuch bei 40 umgesiedelten Familien auf Nias

Von Ulrich Beyer

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Den notwendigen Hausrat und Möbel wie Betten, Schränke und Stühle müssen die Familien nach und nach selbst kaufen.

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wurden mit Mitteln der VEM für die BNKP fertig gestellt. Zehn wurden von einer javanischen Kirche (GKJ) mit Gel-dern des Lutherischen Weltbundes fi-nanziert und ebenfalls der Niaskirche übertragen. Jedes der kleinen Häuser hat vier kleine Zimmer: ein Wohnzim-mer, eine Küche, zwei Schlafzimmer, ein Bad mit Toilette und eine Wasch-stelle hinter dem Haus, die man sich mit dem Nachbarn teilt. Und einen Brun-nen mit sauberem Wasser. Den notwen-digen Hausrat und Möbel wie Betten, Schränke und Stühle müssen die Fami-lien nach und nach selbst kaufen.

Die Familien bewirtschaften zwei Hek-tar Land, das in kleine Parzellen aufge-teilt ist und nur etwa einhundert Meter von der Siedlung entfernt liegt. Bislang sind Mais, Süßkartoffeln, Gurken und Ananas gepflanzt, und erste Ernten sind bereits eingefahren. Die BNKP strebt einen Zukauf von vier Hektar an, um den Familien mehr Land für die Bewirtschaftung zur Verfügung zu stel-len. Dafür müssten nur etwa 7000 Euro aufgebracht werden.

Stolz zeigte man uns die erst vor kur-zem begonnene Schweinezucht. Der geräumige und saubere Stall hat neun Boxen, sieben für die Mutterschweine, zwei nur für die Ferkel. Eine Mischung aus Mais und Blattgemüse machen das gesunde Futter aus. Wer Nias kennt, weiß um die Bedeutung des Schweins in der dortigen Kultur, das zu allen we-sentlichen Gelegenheiten keinesfalls fehlen darf. Allerdings wird bei stei-gender Produktion eine Maismühle angeschafft werden müssen. Den Be-

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trieb könnten die bereits bestehenden landwirtschaftlichen Kleingruppen übernehmen, die in jeweils zehn Per-sonen zusammengefasst sind.

Im April 2010 ist der Bau eines Kinder-gartens fertig geworden. Aber seine Tore sind noch nicht offiziell eröffnet. Auf ihm ruhen große Hoffnungen. Denn die Kinder im Alter von dreiein-halb bis fünf Jahren sind die Zukunft der neuen Siedlung. Die dreieinhalb Jahre alten Kinder bilden die Spiel-gruppe, die Vier- und Fünfjährigen den »klassischen Kindergarten«. Dieser hat drei Räume für die Kinder, einen wei-teren für die beiden Kindergärtnerin-nen nebst Toiletten. Den Kindern feh-len noch Spielsachen und Lernmittel. Zwei Erzieherinnen stehen bereit, mit den Kindern zu leben, zu spielen, zu lernen, zumal die Regierung grünes Licht für deren Anstellung gegeben hat. Jede Kindergärtnerin hat ein eige-nes Haus, damit sind dann alle Häuser der Siedlung vergeben.

Die Siedlung muss mit Leben gefüllt werdenDer Schweinestall hat etwa 42 000 Euro, der Kindergarten ungefähr 38 000 Euro gekostet. Die Finanzierung haben der Landkreis Ludwigsburg in Verbindung mit der dortigen Diakonie und Caritas getätigt. Treibende Kraft war Diakon Horst Krank, der sich uner-müdlich für das Gelingen dieser und weiterer Projekte des Wiederaufbaus eingesetzt hat. Eine Kirche darf nicht fehlen. Die neue Kirche ist geräumig: Podium, Abendmahlstisch und Bänke sind vorhanden. Hier wird regelmäßig sonntags Gottesdienst gefeiert.

Die Siedlung muss nun mit Leben ge-füllt werden. Noch wirkten die Umsied-ler unsicher und starrten auf ihre fast leeren Häuser. Dankbare Gesichter wa-ren freilich auch zu sehen. Allemal, eine neue Existenz will erstritten sein. Fi-scher werden nicht im Handumdrehen Bauern, zumal sie nach Tsunami und Erdbeben für fast vier Jahre unstet und materiell äußerst knapp gelebt haben. Ein Pluspunkt ist die hilfsbereite Beglei-tung der Familien durch das fachlich und menschlich qualifizierte Team. Mit diesem Team an der Seite können die Umsiedler mutig eine Zukunft erschlie-ßen, die Gott ihnen eröffnet hat.

Oberkirchenrat i. R. Dr. Ulrich Beyer hat von 1966 bis 1981 für

die VEM gearbeitet; unter anderem acht Jahre lang als Dozent für Neues Testa­ment an der Theologischen Fakultät der Nommensen­Universität in Pema­tangsiantar / Sumatra. Beyer lebt mit seiner Frau Renate in Bielefeld.

Im April 2010 ist der Bau des Kindergartens

fertig geworden.

Fotos: Ulrich Beyer; Karte: Peter Philips (MediaCompany GmbH)

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Wenn man Umeswaran Arunagirinathan nach seiner Heimat fragt, dann sagt er stolz: Hamburg. Der junge Mann ist der-zeit Assistenzarzt in Eppendorf. Dann und wann fährt er in den Hamburger Stadtteil Mümmelmannsberg. Für alle Bekannten und Freunde, die er auf der Straße trifft, hat der Mann mit dem dunklen Teint und der lustigen Strickmütze ein freundliches Lächeln und eine herzliche Umarmung. Mümmelmannsberg mit seinen Plat-tenbauten mag nicht der schickste Hamburger Stadtteil sein, trotzdem zieht es Umeswaran Arunagirinathan immer wie-der hierhin. Denn hier fand der angehende Herzchirurg den Weg in ein neues Leben, fernab von den Soldaten seiner Kindheit, die aus Hubschraubern heraus auf fliehende Men-schen schossen.

»Ich kann keiner Organisation helfen, …Umeswaran Arunagirinathan ist Tamile. Seine Familie stammt aus dem kleinen Ort Puthur im Norden Sri Lankas. Geboren wurde er 1978 mitten im späteren Bürgerkriegsge-biet. Obwohl es in seiner Familie keine »Tamil Tigers« gab, machten die singhalesischen Soldaten wenig Unterschiede zwischen aktiven Kämpfern und unbeteiligten Familien. Zu seinen frühesten Kindheitserinnerungen gehören Gesprä-che über Fluchtmöglichkeiten, die Bilder erschossener Men-schen und die Angst vor kreisenden Hubschraubern. Nach-dem seine ältere Schwester an Nierenversagen gestorben war, fürchteten seine Eltern, nun auch noch den Zweitgebo-renen zu verlieren. »Als tamilischer Junge war ich zweifach gefährdet. Meine Mutter hatte Angst, dass ich bei einem An-griff verletzt oder getötet werden könnte, sie fürchtete auch, dass ich von den Tamil Tigers rekrutiert werden könnte«, er-innert er sich. Umeswaran Arunagirinathan ist zwölf Jahre alt, als seine Eltern endlich seine Ausreise organisieren kön-nen. Ein Schlepper will den Jungen nach Hamburg zu sei-nem Onkel bringen. Die Irrfahrt dauert – mit einem länge-ren Aufenthalt in Afrika – acht Monate. In der Nacht vom 9. auf den 10. September 1991 landet er endlich auf dem Frank-furter Flughafen. Einen Tag später holt sein Onkel ihn in ei-nem hessischen Kinderheim ab und bringt ihn in seine neue Heimat: Hamburg.

Umeswaran Arunagirinathan spricht kein einziges Wort Deutsch, also lernt er, bis ihn der Schlaf überwältigt. Acht Jah-re später erhält er in der mündlichen Abiturprüfung in Deutsch eine glatte Eins. Erst ist er sprachlos, dann springt

er auf und umarmt jubelnd seine Lehrer. Während seines Studiums arbeitet er – unter anderem bei McDonalds. Wäh-rend manche seiner Kommilitonen dort essen, macht er hin-ter ihnen sauber. »Ich habe mich geschämt, fühlte mich ent-würdigt. Aber ich wusste ja, dass es sein musste.« Manchmal hat er Angst, sein Studium nicht zu Ende zu bringen, weil er zu oft Geld verdienen muss. »Es ging ja nicht nur um meinen Lebensunterhalt. Ich musste meine Familie unterstützen und das Geld für meinen Schlepper abbezahlen«, sagt er. Zu den Exil-Tamilen in Deutschland hat er wenig Kontakt und die Tamil Tigers unterstützt er auch im sicheren Deutschland nicht. »Natürlich möchte ich eine weitgehende Autonomie für die Tamilen und natürlich bin ich ein Gegner der singha-lesischen Regierung. Bis heute weiß ich nicht, wie und war-um meine Großmutter starb. Sie war eine gute Frau, die nichts anderes wollte, als dass ihre Familie glücklich ist. Das kann ich nicht vergessen – und auch nicht vergeben. All die jungen Männer, die die Regierung verschwinden ließ, damit sie die Tigers nicht unterstützen konnten. Dennoch kann ich keiner Organisation helfen, die mit Gewalt ihre Ziele durch-setzen will.« Gewalt, davon hat Umeswaran Arunagirinathan zu viel erlebt und die Bilder haben sich tief eingegraben: »Lange Jahre bin ich immer wieder schweißgebadet aus mei-nen Träumen aufgewacht. Nein«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Gewalt ist keine Lösung.«

…die mit Gewalt ihre Ziele durchsetzen will«Derzeit lebt er in einer Wohngemeinschaft auf 18 Quadrat-metern und nennt sein Leben luxuriös. »Ich schätze, was ich habe und ich bin froh, in diesem Land leben zu dürfen. Und für viele Deutsche empfinde ich Dankbarkeit. Sie haben mir in meiner Heimatlosigkeit geholfen und mich vor drohen-den Abschiebungen bewahrt«, sagt er und kramt seinen deutschen Pass aus der Tasche. »Seit August 2008 bin ich jetzt auch offiziell Deutscher. Ich kann und ich werde die-

Umeswaran Arunagirinathan: »Gewalt ist keine Lösung«Von Annette Lübbers

Fotos: Annette Lübbers

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sem Land etwas zurückgeben.« Natürlich vermisst er dann und wann seine eigentlich so paradiesische Insel. Wenn er vom Duft reifer Mangos erzählt oder von den Geräuschen, die der Wind in den Bananenstauden macht. Oder wenn er davon schwärmt, was für ein tolles Gefühl es ist, wenn man sich mit herrlich kühlem Brunnenwasser duscht. Die Tem-pel Sri Lankas vermisst er dagegen kaum. Für seine Gebete braucht der gläubige Hindu keinen besonderen spirituellen Ort. »Ich kann überall und mit jedem beten. Damals in Afri-ka hat mir mein Glaube Hoffnung gegeben, wo es eigentlich keine gab. Wir haben alle zusammen gebetet, jeder zu sei-nem Gott. In Sri Lanka gibt es Hindus, Buddhisten, Muslime und Christen. Die Religionszugehörigkeit hat im Bürger-krieg keine Rolle gespielt.«

Nächstes Jahr lebt Umeswaran Arunagirinathan 20 Jahre in Deutschland. In der ganzen Zeit hat er seine Mutter nur zweimal gesehen, seinen Vater ein einziges Mal. Die Angst um seine Eltern ist immer noch sehr real, auch wenn der Bürgerkrieg in Sri Lanka seit 2009 offiziell als beendet gilt. »Es gibt immer wieder Gründe für meine Angst. Die Bilder

»Ich kann überall

und mit jedem beten.

Damals in Afrika hat

mir mein Glaube

Hoffnung gegeben,

wo es eigentlich

keine gab.«

Umeswaran Arunagirinathan

vom Tsunami werde ich nie vergessen. Zwei Tage konnte ich meine Eltern, die 2004 in Colombo waren, nicht erreichen. Das war furchtbar. Das Wasser kam zwar bis vor ihre Türe, aber zu dem Zeitpunkt hatten die Wellen schon keine Kraft mehr. Mein Bruder war damals schon mit einem Schlepper unterwegs. Wenn er wie so oft am Strand gespielt hätte …« Umeswaran Arunagirinathan bringt den Satz nicht zu Ende. Die Gedanken an seine langsam alt werdenden Eltern stim-men den fröhlichen Mann plötzlich traurig. »Ich hoffe sehr, dass wir uns eines Tages alle wiedersehen. Auch wenn ich einiges hinter mir gelassen habe – etwa das ungerechte Kas-tensystem und die traditionelle Hierarchie zwischen Mann und Frau –, meine Kindheit und meine Kultur habe ich nicht vergessen.«

Annette Lübbers arbeitet als freie Journalistin in Wuppertal.

Zum Weiterlesen: Umeswaran Arunagirinathan »Allein auf der Flucht«, Konkret Literatur Verlag, ISBN 3­89458­241­3, 12,50 Euro

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26 en verbunden zu sein, gegenseitig an unseren Entwicklungen teilzunehmen und füreinander zu beten«, erzählt Ursula Wörmann. Gleichzeitig müssen die Schwesternschaften in beiden Kul-turen gleichermaßen auf neue gesell-schaftliche Trends und Lebenskonzep-te reagieren. Auch das ist ein immer wiederkehrendes Thema: »Als Diako-nissen sind wir von Gott in seine Arbeit berufen«, meint Bonaria Hutabarat, die fließend Deutsch spricht und wöchent-lich mit ihrer Freundin Christel Wes-terhausen von den VEM-Schwestern telefoniert, die lange als Ärztin im Krankenhaus von Balige gearbeitet hat, wo Bonaria leitende Hebamme war. »Aber der Dienst in der modernen Welt hat sich verändert. Viele junge Frauen, die wir ausbilden, wollen be-

Zum dritten Mal haben sich im Juni dieses Jahres 22 Mitglieder von drei Schwestern-gemeinschaften aus Deutschland und Indonesien (VEM, Kaiserswerth und IKADIWA) zum Austausch in unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten getroffen. »Quellen, aus denen wir leben« lautete das Thema des vierwöchigen Workshops, der in Kaiserswerth, Wuppertal, Bethel und Minden stattfand.

»Bei solchen Treffen merken wir deut-lich, wie wir über die Jahre zusammen gewachsen sind, aber wir wollen auch gemeinsam Neues erarbeiten«, meint Ursula Wörmann. Die ehemalige Leite-rin der VEM-Schwesterngemeinschaft war bis zu ihrer Pensionierung 2001 Frauenreferentin der Vereinten Evan-gelischen Mission und hat selbst viele Jahre auf Sumatra gelebt und gearbei-tet. Andere Schwestern, wie die 81-jäh-rige Diakonisse Bonaria Hutabarat etwa, sind den umgekehrten Weg ge-gangen. Sie hat in den 1950er Jahren

ihre Schwesternausbildung in Kaisers-werth und eine Hebammenausbildung in Tübingen gemacht, und ist dann nach Sumatra zurückgekehrt. Eine Di-akonisse der ersten Stunde – 1961 wur-de in Balige die indonesische Diakonis-senschaft IKADIWA gegründet.

»Der Dienst in der modernen Welt hat sich verändert«Trotz der großen Entfernung sind die Beziehungen zwischen den Verbänden gewachsen. »Ich empfinde es als Reich-tum, mit den Schwestern aus Indonesi-

Gemeinschaft als KraftquelleInternationales Treffen von Schwestern aus Deutschland und Indonesien

Von Bettina von Clausewitz

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Schwestern aus Indonesien und Deutschland trafen sich zum dritten Mal zu einem Work­shop.

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rufstätig sein, heiraten und Familie ha-ben. Dafür müssen wir die Strukturen schaffen.«

Über alle Grenzen hinweg…»Quellen, aus denen wir leben« lautete das Motto des Workshops, an dem 22 Schwestern aus der VEM-Schwestern-gemeinschaft, der Kaiserswerther Schwesternschaft und der IKADIWA Diakonissenschaft teilnahmen. Nach Treffen in Wuppertal 2002 und Sumat-ra 2006 war der Workshop, der diesmal federführend von den Kaiserswerthe-rinnen vorbereitet wurde, das dritte internationale Treffen. Auf dem Pro-gramm standen ein mehrtägiger Be-such in Bethel, Minden und Wuppertal – unter anderem in Behindertenein-richtungen, Altenheimen, im Hospiz – ein Treffen mit den Sarepta-Schwes-tern und den Diakonissen vom Mutter-haus Salem-Köslin.

Daneben gab es Besuche in Partnerge-meinden in Lüdenscheid, Meerbusch und Bonn und zum Abschluss als Sight-seeing-Programm eine mehrtägige Reise nach Berlin mit Besuch des Reichstagsgebäudes und der Holocaust-Gedenkstätte. Nachdem die indonesi-schen Schwestern zuvor die Kinder aus

Bettina von Clausewitz arbeitet als freie Journalistin in Essen.

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aftgutbürgerlichen Häusern im Kinder-

garten von Kaiserswerth erlebt hatten, waren sie in der Bundeshauptstadt von der Begegnung mit Bettlern und Obdach losen überrascht. »Als mir das Portemonnaie auf der Straße geklaut wurde, haben sie mich nicht mehr aus den Augen ge lassen und gesagt, dass es bei uns ja fast wie in Jakarta ist«, berich-tet die Organisatorin Ilse Seifert von der Kaiserswerther Schwesternschaft.

…fühlen sich die Schwestern durch ihren Glauben miteinander verbundenFür die Dozentin Risma Siregar, die an der Diakonissenschule in Balige unter-richtet, war die selbstverständliche Wertschätzung von behinderten, de-menten oder sterbenskranken Men-schen in den diakonischen Einrichtun-gen eine wichtige Erfahrung. »Eine Pflegerin in der Behindertenschule ging so behutsam mit den Kindern um, aber sie war nicht Christin, das wun-dert mich«, meint sie nachdenklich und kann nicht verstehen, warum sich auch christliche Einrichtungen in Deutschland als wertneutral verste-hen. »Wo bleibt die Spiritualität? Man kann doch nicht nur Sozialarbeit machen ohne selbst irgendwo aufzu-tanken«, meint die 44-jährige Diako-

nisse mit Blick auf das Tagungsthema »Quellen, aus denen wir leben«.

Über alle Grenzen hinweg fühlen sich die Schwestern durch ihren Glauben miteinander verbunden: durch das ge-meinsame Bibellesen und Beten fürei-nander. Das ist eine ihrer Stärken. Und so soll die Kommunikation in Zukunft weiter verbessert werden, wie es bei der Auswertungsrunde in Kaiserswerth hieß. Eins der Dauerthemen sind auch die Strukturveränderungen innerhalb der Schwesternschaften. »Die Sarepta-Schwesternschaft hat sich zum Beispiel mittlerweile für alle Lebensformen ge-öffnet, hörten wir in Bethel. Dieser Pro-zess ist in Indonesien noch am Anfang«, meint Ursula Wörmann fast ein wenig wehmütig. Die IKADIWA wird von 32 Diakonissen alter Form getragen. Da-neben gibt es eine lockere Gemein-schaft von vielen der 363 Frauen, die in Balige seit der Gründung 1971 ihre dia-konische Ausbildung gemacht haben.

Ob es in vier Jahren erneut einen Work-shop geben wird, ist noch offen. Denn das umfangreiche Programm braucht nicht nur eine sorgfältige Vorbereitung, sondern auch entsprechende Finanz-mittel. Die benötigten 25000 Euro für das Treffen von 2010 sind anteilig durch die Schwesternschaften, die VEM und die evangelischen Landeskirchen im Rheinland und in Westfalen aufge-bracht worden. Eine Investition in die Zukunft. Denn in der Schlussrunde des Workshops war klar, dass die Teilneh-merinnen stellvertretend für ihre Ge-meinschaften an der gegenseitigen Ver-bundenheit festhalten wollen. Sichtba-res Zeichen dafür ist ein kleines Holz-kreuz mit Umhängeband, das die Indo-nesierinnen für alle mitgebracht hatten: »Kasih« – Liebe steht auf der einen Seite, die der Welt zugewandt ist, als Symbol für das diakonische Engagement. Und IKADIWA auf der anderen Seite, die dem Herzen zugewandt ist: die Schwes-ternschaft als Kraftquelle.

Die Schwestern Bonaria Hutabarat, Judith Kiehnel, die Leiterin der Kaiserswerther Schwesternschaft, Edelgard Abram, Rehmuli Barus, Marie­Luise Dahlhaus­Flöck, Schwester Agnes, Hartini Sinaga, Dr. Christel Westerhausen (v.l.)

Fotos: Ingrid Maaß / VEM

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Die Synode der Christlichen Kirche in Ostjava (GKJW) hat Anfang Juli in Malang eine neue Leitung gewählt. Pfarrer Rudy Sewojo ist der neue Kirchenpräsi-dent der Christlichen Kirche in Ostjava. Der stellvertretende Kirchenpräsi-dent ist Pfarrer Adi Sanyoto. Pfarrer Abednego ist der neue General sekretär, Pfarrer Tjondro sein Stellvertreter. Schatzmeisterin ist Jekti Wismoady. Astiko Akas ist ihr Stellvertreter. Die Synode der GKJW findet alle fünf Jahre statt.

Auch die Christlich-Protestantische Simalungun-Kirche (GKPS) hat eine neue Leitung: Anfang Juli hat die Wahlsynode der GKPS in Pematangsiantar Pfarrer Jaharianson Saragih als neuen Ephorus gewählt. Pfarrer El Imanson Sumbayak ist neuer Generalsekretär.

Für die Überlebenden und deren Angehörige der Tanklaster-Katastrophe in Sange, einem kleinen Dorf im Osten der Demokratischen Republik Kongo, stellt die Vereinte Evangelische Mission (VEM) 10 000 Euro bereit. Ein Großteil der Opfer sind Mitglieder der Baptistischen Kirche im Kongo (CBCA), einer Mitgliedskirche der VEM.

Bei der Explosion eines Tanklasters im Kongo Anfang Juli sind nach offizi-ellen Angaben mindestens 300 Menschen umgekommen und 130 Men-schen zum Teil schwer verletzt worden. Ein Großteil der Verletzten hat schwerste Verbrennungen erlitten und ist in nahe gelegene Krankenhäuser gebracht worden. Viele von ihnen kämpfen noch um ihr Leben. Unter den Opfern waren 48 Gemeindemitglieder der Baptistischen Gemeinde in San-ge, darunter auch Kigabi Mujaga, ein in der Gegend bekannter Lehrer, 17 Studenten der Fachhochschule für Landwirtschaft ITAVE, drei Frauen, sie-ben Männer, acht Jugendliche und fünf Kinder. Die Kirche vor Ort versucht den Überlebenden zu helfen. »Ich hoffe, dass die VEM uns helfen wird, so wie sie es immer schon in der Vergangenheit getan hat«, schrieb Dr. Kakule Molo, der ehemalige Afrikareferent der VEM und jetzige Präsident der CBCA, in einem Brief an die VEM. »Es ist furchtbar schrecklich, dass unser Land immer wieder von Katastrophen heimgesucht wird«, so Molo.

Ein aus Nairobi kommender Tanklaster fuhr am 3. Juli durch das Dorf San-ge, überholte einen Minibus und überschlug sich. Eine Feuerwalze erfasste dutzende Häuser. Viele der Opfer haben sich zu Hause oder in einem nahe-gelegenen Café gerade das WM-Fußballspiel Uruguay-Ghana angesehen. Einige hätten versucht, auslaufendes Benzin aufzufangen. Das Dorf Sange wurde fast vollständig zerstört.

Das Centre for Mission and Leadership Studies der Vereinten Evangelischen Mission (CMLS) lädt Pastoren und Mit-arbeitende aus fremdsprachigen Ge-meinden sowie andere Interessierte aus deutschen Gemeinden zur Fortbil-dung »Kirche im interkulturellen Kon-text«, kurz KIKK, ein.

Der Kurs findet an zehn Wochenenden zwischen November 2010 und Oktober 2011 statt. Auf dem Programm stehen u. a. folgende Themen: Gemeinschaft über nationale und konfessionelle Grenzen hinweg, interkulturelle Kom-munikation und Konfliktlösung, Struk tur und Geschichte der deut-schen Kirche, Mission und Kirche in der Bibel, Kommunikation in Predigt und Seelsorge, neue Formen der Bibel-arbeit und Umgang mit Gemeindekon-flikten.

Interessierte sollten über Grundkennt-nisse der deutschen Sprache verfügen und Erfahrungen in der Mitarbeit in ei-ner christlichen Gemeinde gesammelt haben.

Die Fortbildung findet im Centre for Mission and Leadership Studies der VEM statt, Missionsstraße 9 42285 Wuppertal.

Weitere Informationen sowie die Anmelde-formulare erhalten Sie bei der Ökumenischen Werkstatt/CMLS, E-Mail: [email protected]

Zwei asiatische VEM-Mitgliedskirchen mit neuer Leitung

Hilfe für die Opfer des Tanklaster-Unglücks

» Kirche im interkulturellen Kontext«: Einladung zur Fort bildung 2010/2011Le

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Dr. Anthea Bethge (44) und ihr Mann Pfarrer Martin Schmitz-Bethge (42) sind Anfang Juli von ihrem Einsatz in der Nord-West-Diözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT/NWD) in Bukoba zurückge-kehrt. Die promovierte Physikerin und ausgebildete Friedensfachkraft hat dort sechs Jahre lang als Friedensfach-beraterin in der Arbeitsstelle Konflikt-beratung und Menschenrechte der Diözese unter anderem Seminare zur Überwindung von häuslicher Gewalt angeboten. Pfarrer Schmitz-Bethge arbeitete ehrenamtlich als theologi-scher Lehrer in der Nordwest-Diözese der ELCT in Bukoba.

VerstorbenFritz Knacke ist am 10. Juli im Alter von 73 Jahren gestorben. Knacke hat als Ingenieur für tropische und subtropi-sche Landwirtschaft im Auftrag der Rheinischen Mission und später für die VEM sowie für Dienste in Übersee von 1962 bis 1968 in West-Papua gearbeitet. Von 1971 bis 1978 war er auf der indo-nesischen Insel Sumatra für die Christ-lich-Protestantische Simalungun-Kir-che (GKPS) tätig.

Pfarrer Werner Grothaus ist tot. Der 80-Jährige ist am 16. Juli nach langer schwerer Krankheit in Halle gestorben. Grothaus war von 1978 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1994 Pfarrer im Bezirk Ams-hausen, der damals noch zur Kirchengemeinde Halle gehörte. Sein Herz schlug für die Mission. 16 Jahre lang wirkte Grothaus als Missionar der Vereinten Evangelischen Mission in der Karo-

Batakkirche auf Sumatra (Indonesien). Im Kirchenkreis Halle sorgte der Verstor-bene als Synodalbeauftragter für Mission dafür, die Partnerschaft mit der Kirche auf Sumatra zu pflegen und zu fördern. Regelmäßig besuchte er seine frühere Wirkungsstätte, auch im Ruhestand von seinem Alterssitz Halle aus. Die Anspra-che bei der Trauerfeier hielt Oberkirchenrat i. R. Dr. Ulrich Beyer, der wie der Ver-storbene in Indonesien als Missionar gewirkt hat und zuletzt Dezernent für Missi-on und Ökumene im westfälischen Landeskirchenamt in Bielefeld war.

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Mwombeki neuer Präsident von Oikocredit InternationalNeuer ehrenamtlicher Präsident von Oikocredit International ist Dr. Fidon Mwombeki, Generalsekretär der Ver-einten Evangelischen Mission (VEM). »Das Amt ist für mich eine große Ehre«, sagte der Tansanier nach seiner Wahl. »Ich freue mich, dass ich mich auch an dieser Stelle gegen die Armut und für eine gerechtere Welt einsetzen kann.« Mwombeki ist bereits seit 2006 Mit-glied des Vorstandes von Oikocredit,

ebenfalls seit 2006 Generalsekretär der VEM und seit 2009 Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutsch-land.

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Kirsten Potz (53) ver-stärkt seit 1. Juli 2010 das Team im Zentrum für Missi-on und Diakonie in Bielefeld-Bethel. Sie arbeitet dort als MÖWe-Regional-pfarrerin für die Kirchenkreise Biele-feld, Gütersloh, Halle und Paderborn mit (MÖWe – Amt für Mission und ökumenische Weltverantwortung der Evangelischen Kirche von Westfalen). Sie ist Nachfolgerin von Pfarrerin Heike Koch, die in die MÖWe-Leitung gewechselt ist. Bislang war Kirsten Potz Öffentlichkeitsreferentin des Kirchen-kreises Halle.

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Timbul Golkaria Nainggolan ist Ende Juli zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern nach Indonesien zurück-gekehrt. Die 38-jäh-rige Pfarrerin der Christlich-Protes-tantischen Toba- Batak kirche (HKBP) arbeitete sechs Jah-re lang als Austauschpfarrerin in der Evangelischen Kirche von Westfalen im Kirchenkreis Lüdenscheid / Plet-tenberg in Meinerzhagen.

Volker Dally (49) und seine Frau Katja (40) sowie die beiden Kinder Jona Peter (10) und Lea Marie (9) haben wegen einer lebensbedrohlichen Kno-chenmarkserkrankung des Sohnes vorzeitig die javanische Stadt Malang in Indonesien verlassen müssen, um die medizinische Versorgung in Deutschland in Anspruch nehmen zu können. Jona geht es nach einer erfolg-ten Transplantation gut. Pfarrer Dally hatte in Ostjava von Mai 2006 bis An-fang 2010 als Dozent an dem Theologi-schen Institut für theologische Aus-, Fort und Weiterbildung »Balewiyata« der Christlichen Kirche in Ost-Java (GKJW) gearbeitet. Ein Schwerpunkt des Institutes ist der Dialog mit den Re-

ligionen. Seit Juli 2010 ist der Pfarrer der Evangelischen Kirche von Kurhes-sen-Waldeck Beauftragter für den Dia-log der Religionen in der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal.

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In die Welt für die Welt 5/2010

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Claudia Währisch-Oblau / Fidon MwombekiMission continuesGlobal Impulses for the 21st CenturyRegnum Books InternationalOxford 2010ISBN 978-1-870345-82-825 Euro (Vorzugspreis im Allerwelt(s)Laden der VEM)

Knapp 100 Jahre nach der historischen Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910 und im Vorfeld der Weltmissionskonferenz im Juni 2010 – ebenfalls in Edinburgh – waren im Mai 2009 in Wuppertal 35 Theologinnen und Theologen aus VEM-Mitgliedskirchen in Afrika, Asien und Deutschland sowie von den Partnerorganisationen CWM (Council for World Mission) und CEVAA (Communauté Evangélique d´Action Apostolique) zusammengekommen, um gemeinsam über die heutigen Herausforderungen der Mission nachzudenken. Heraus-gekommen ist ein englischsprachiges Buch »Mission continues. Glo-bal impulses for the 21st century«, in dem die Vorträge dieser Konsul-tation nachzulesen sind. Das Buch schlägt einen weiten Bogen von den Begründungen für Mission über missionarische Spiritualität und die Herausforderung durch charismatische Bewegungen bis hin zum Verhältnis von Mission und Kultur und dem interreligiösen Dialog.

Marianne Bechhaus-Gerst, Mechthild Leutner (Hg.)Frauen in den deutschen KolonienCh. Links VerlagBerlin 2009ISBN 978-3-86153-526-324,90 Euro

Kolonialismus erscheint in den meisten Darstellungen bis heute als eine männliche Domäne. Frauen tauchen selten auf, werden höchs-tens am Rande erwähnt. Und doch waren sie in den kolonialen Un-ternehmungen des deutschen Reiches höchst präsent, ja konstituier-ten den deutschen Kolonialismus von Beginn an mit. Verlässlich un-terstützten sie ihre Männer, die als Kolonialbeamte und Missionare tätig waren, wirkten in Kolonialvereinen bei der Verankerung der ko-lonialen Idee in der Heimat mit oder lebten selbst, ebenso wie die einheimischen Frauen, in kolonialen Herrschaftsräumen als Opfer oder Täterinnen. Mit Marianne Bechhaus-Gerst, Professorin für Afrikanistik an der Universität Köln, und Mechthild Leutner, Professorin für Sinologie am

Gemeindedienst für Mission und Ökumene – Region NiederrheinWo der Pfeffer wächstGewürze: Herkunft, Geschichte, Fairer Handel, RezepteMaterialien für Erwachsenen bildung, Schule, Konfirmanden- und Jugend arbeit (Nr. 6) mit CDISBN 978-3-00-030710-2 5 Euro (Staffelpreise möglich: 4 Euro ab 5 Exemplare, 3 Euro ab 10 Exemplare)

Der Arbeitskreis entwicklungspolitische Lern- und Aktionsmodelle hat neue Materialien zu Gewürzen herausgebracht. In der Broschüre werden Herkunft, Geschichte, Welthandel und Fairer Handel von Ge-würzen aufgearbeitet. Sie enthält Materialien für Erwachsenenbil-dung, Schule, Konfirmanden- und Jugendarbeit. Das Heft kann als Begleitheft zum Gewürzkoffer, aber auch unabhängig davon einge-setzt werden. Es enthält Vorschläge, wie man sich selber einen Ge-würzkoffer zusammenstellen kann.Gewürze wie Nelken, Muskat, Sesam oder Vanille sind heute in Mit-teleuropa nichts Besonderes mehr. Man kann sie im nächsten Super-markt problemlos einkaufen, ohne eine gefährliche Reise unterneh-men zu müssen. Vor 500 Jahren war der Handel mit Gewürzen die große Herausforde-rung für Abenteurer mit Aussicht auf atemberaubende Gewinne. Die Landwege zu den fernen Ländern des Orients, wo Pfeffer, Zimt und Muskat wuchsen, waren schon sehr lange erschlossen und fest in den Händen der arabischen Händler. Mit der Entdeckung des Seewe-ges um das Kap der guten Hoffnung (1498) begann die Blütezeit des Gewürzhandels. Heute haben Gewürze für uns nicht mehr diese herausragende wirt-schaftliche Rolle. Nach wie vor wissen wir wenig über ihre Herkunft und die Menschen, die sie angepflanzt, gepflegt und geerntet haben. Das soll sich mit diesem Heft ändern.

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Ostasiatischen Seminar der Freien Universität Berlin, haben sich zwei der führenden deutschen Kolonialhistorikerinnen dieser Thematik an-genommen. In dem von ihnen herausgegebenen Band wird erstmals eine systematische Zusammenschau der unterschiedlichen Aspekte dieser historischen Problematik vorgenommen. Behandelt werden Rollen und Funktionen, die einheimische, schwarze und weiße deut-sche Frauen innerhalb der Kolonien und in Deutschland sowie in Be-zug auf das Kolonisierungsprojekt insgesamt spielten. Anschaulich verbinden die Autorinnen und Autoren bisher nur sehr verstreut zu-gängliches empirisches Material mit einer geschlechterspezifischen kolonialhistorischen Analyse. Entstanden ist so ein Buch, das in Deutschland seinesgleichen sucht.

Internationales Chorprojekt lädt ein zu Konzerten vom 29. August bis 5. September 2010Vom 29. August bis 5. September 2010 findet die Konzertwoche des In-ternationalen Chorprojektes 2010 in der Region der Kirchenkreise Her-ford, Lübbecke, Minden, Vlotho statt. Rund 50 junge Sängerinnen und Sänger aus Kirchen- und Jugendchören der Partnerkirchen in Indonesi-en und Tansania sowie aus den Kirchenkreisen Herford, Lübbecke, Min-den und Vlotho werden erstmals zusammen geistliche Musik singen. Eine Woche lang haben sie sich in einem internationalen Chorwork-shop in Porta Westfalica gemeinsam darauf vorbereitet.

Sonntag, 29. August 11.00 Festgottesdienst zur Eröffnung der Konzertwoche in St. Marien,

Minden (Marienkirchplatz) mit anschließendem Empfang

18.00 Konzert in St. Andreas, Lübbecke (Pfarrstraße)

Montag, 30. August 19.30 Konzert in der kath. Kirche St. Walburga, Porta-Westfalica/

Hausberge (Hauptstraße)

Dienstag, 31. August 19.30 Festkonzert im Rahmen des Jubiläums »100 Jahre Missionshaus

Bethel« in der Zionskirche in Bethel (Bielefeld)

Mittwoch, 1. September 19.30 Konzert in der Münsterkirche in Herford (Münsterkirchplatz)

Samstag, 4. September 11.30 Konzert in der Laurentiuskirche in Bünde (Innenstadt) im

Rahmen des Chorfestivals »CantArt«

18.30 Konzert in St. Marien, Minden (Marienkirchplatz) im Rahmen der »Langen Nacht der Kultur«

Sonntag, 5. September 10.00 Festgottesdienst in der Evangelischen Matthäuskirche

in Löhne-Mahnen (Königsstraße)

17.00 Abschlusskonzert in der Auferstehungskirche am Kurpark in Bad Oeynhausen (Ostkorso)

Weitere Konzerte finden in Schulen und diakonischen Einrichtungen statt. Der Eintritt ist kostenlos, aber eine Spende zur Unterstützung die-ses Projektes willkommen. Die Konzertwoche steht unter der Schirm-herrschaft von Regierungspräsidentin Marianne Thoman-Stahl, Regie-rungsbezirk Detmold und Oberkirchenrat Dr. Ulrich Möller, Evangeli-sche Kirche von Westfalen.Veranstaltet wird das ökumenische Pilotprojekt von der Evangelischen Kirche von Westfalen in den Kirchenkreisen Herford, Lübbecke, Minden und Vlotho. Kontakt: Dr. Christian Hohmann, Regionalpfarrer für Missi-on, Ökumene und Weltverantwortung der Evangelischen Kirche von West falen (MÖWe), Fon (05731) 744 86 95E-Mail: [email protected]

Impressum

Herausgeber:Vereinte Evangelische MissionGemeinschaft von Kirchen in drei ErdteilenRudolfstraße 137, 42285 WuppertalPostfach 2019 63, 42219 WuppertalFon (0202) 890 04-0Fax (0202) 890 [email protected]

Mitglied des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (gep)»In die Welt für die Welt. Magazin der Vereinten Evangelischen Mission« erscheint zweimonatlich im Verlag der Vereinten Evangelischen MissionJahresbeitrag: 6,50 Euro, durch Spenden abgegolten.

Redaktion: Brunhild von Local (V.i.S.d.P.), Christoph WandFon (02 02) 890 04-133Adressänderungen: Michael LippkauFon (02 02) 890 04-194

Gestaltung: MediaCompany GmbH Büro BonnJuan GonzálezAuguststr. 29, 53229 BonnDruck: Bonifatius GmbH, Paderborn, 2010Auflage: 22500

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VEM-Basar 2010

Der Erlös aus den Verkäufen ist in diesem Jahr für die Unterstüt-zung der Fachklinik für psychisch kranke Menschen in Lutindi.Die Diakonie ist ein traditioneller Schwerpunkt der Arbeit der Nord-Ost-Diözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansa-nia, die zusammen mit den v. Bodelschwinghschen Stiftungen aufgebaut wurde. Aus dieser Arbeit entstand die Fachklinik für psychisch kranke Menschen – die erste Klinik dieser Art in Tansa-nia.»Brüder macht schnell, baut ein kleines Irrenhaus! Wenn Gott uns die Not vor die Tür legt, so legt er auch gleich das Geld dane-ben.« – Diese Worte schrieb der Leiter der diakonischen Arbeit in Bethel, »Vater« Friedrich von Bodelschwingh, 1903 an die Bethel-Missionare im damaligen Deutsch-Ostafrika (heute Tansania). Er hatte gehört, dass psychisch kranke Menschen in den afrikani-schen Dörfern keine Hilfe fanden. Eine ihm zur Verfügung ge-stellte Gabe bestimmte er gleich für diesen Zweck: Den Grund-stein für die Klinik in Lutindi in den Usambara-Bergen.Heute ist Lutindi ein Spezialkrankenhaus mit hundert Plätzen. Natürlich freuen wir uns über Sachspenden für den Basar, kön-nen jedoch aufgrund der aktuellen Rechtslage keine Spenden-quittungen (Zuwendungsbestätigungen) zur Steuerminderung bei den Finanzämtern ausstellen. Wir hoffen auf Ihr Verständnis. Pakete können an folgende Adresse geschickt bzw. direkt bei der VEM abgegeben werden:Vereinte Evangelische Mission, Ramona Hedtmann, Rudolfstraße 137, 42285 Wuppertal

Die Vereinte Evangelische Mission lädt ein zu ihrem traditionellen Basar am Samstag, 13. November, 10 bis 16 Uhr, ins Missionshaus an der Rudolfstraße 137 in Wuppertal-Barmen. Der Basar beginnt mit einer Andacht. Neben Kaffee und Kuchen, Waffeln, Reibekuchen, Würstchen und Salaten werden selbst ge-machte Marmelade, afrikanisches Kunsthandwerk, handgefertig-te Geschenkartikel, Gebasteltes, Strick- und Häkelsachen, Töpfer-waren, Schmuck, Trödel und Secondhand-Artikel sowie Bücher, Schallplatten und CDs angeboten. Auch Ingrid Reinhardt wird wieder – wie im vergangenen Jahr – Märchen erzählen am Basar-tag. Kostenlos.

In der Schreinerei des Lutindi­ Krankenhauses

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In die Welt für die Welt 5/2010

Indonesien: Im Glauben wachsen

Weit ist der Gang zum Nachbarn, beschwer-lich der Weg in den nächsten Ort, uner-reichbar eine Bibliothek. Kein Wunder, dass die verstreut lebenden Gemeinde-mitglieder der Christlich-Protestanti-schen Kirche in Indonesien (GKPI) ab-hängig sind vom Besuch eines Pfarrers, der ihnen im sonntäglichen Gottes-dienst die Bibel auslegt. Kaum ein Ge-meindeglied vermag im Buch der Bü-cher Trost und Hilfe zu finden, denn kaum jemand hat die »Frohe Botschaft« einmal selbst in Händen gehalten. Zu teuer ist das Buch, als dass die Armen im Norden Sumatras das Geld dafür aufbringen könnten.

Angewiesen allein auf die sonntägliche Verkündigung, ist es kein Wunder, dass viele Christen Sumatras nur bruchstück-haftes Wissen über ihren Glauben besitzen. Manch einer – so die Befürchtung der Kirche – läuft Gefahr, den Glauben ganz zu verlieren. Abhilfe schaffen soll das Bibel-Projekt der GKPI. Die Kirche möchte 1000 Bibeln in indonesischer Spra-che anschaffen und diese in einer ersten Aktion an die 40 ärmsten Gemeinden ihrer Region verteilen.

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»Im Glauben wachsen«

Bitte helfen Sie mit ihrer Spende, dass die Menschen im Nor-den Sumatras die »Frohe Botschaft« lesen und im Glauben wachsen können.

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Beim Bibelstudium