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MeRgerate wie auch die Gaschromatographen und Massenspektrometer. Ein Beispiel fur eine rnit einem FTIR-Spektrometer als kontinuierliche ProzeBmessung vor Ort zur Verfahrensiiberwachung durchgefiihrte Multi- komponenten-Analyse ist die simultane Bestimmung des Gehaltes an Kohlenmonoxid, Kohlendioxid: Schwefelwasserstoff, Methan und Carbo- nylsulfid in rnit Wasserdampf gesattigtem Produktionsgas. Die Schwierig- keit bei dieser Messung ist, dab sich die IR-Absorptionsbande von Carbonylsulfid innerhalb der des Kohlenmonoxids befindet und daB das auBerst intensitatsschwache Linien-Spektrum von Schwefelwasserstoff voll- standig von dem wesentlich intensitatsstarkeren Linien-Spektrum des Wassers iiberlagert wird. Da alle Daten digital vorliegen, lassen sich die Querempfindlichkeiten kompensieren. Dazu werden die IR-Spektren der Begleitkomponenten mit Konzentrationen, die in etwa den realen Konzentrationen im ProzeB entsprechen, aufgenommen und digital abgespeichert. Dann werden die gemessenen Konzentrationen in Relation zu den abgespeicherten gesetzt und somit Gewichtungsfaktoren ermittelt. Mit diesen Gewichtungsfaktoren werden die Datenpunkte der abgespeicherten Spektren multipliziert und die somit konzentrationsgewichteten Spektren vom aufgenommenen Gesamt-Spektrum subtrahiert. Nach entsprechender Programmierung lie- Ben sich die Konzentrationen aller Komponenten querempfindlichkeitsfrei bestimmen. Grofler Dynamik-Bereich: Der groBe Dynamik-Bereich spricht weiterhin fur die FTIR-Spektroskopie. Bei einer Absorber-Uberwachung auf wenige ppm Nickeltetracarbonyl neben ca. 40 % Kohlenmonoxid besteht das Problem, daB die IR-Absorptionsbande des CO mit der von Ni(C0)d zusammenfallt. DieVorgehensweise ist analog der des vorherigen Beispiels, wobei sich herausstellte, daB aufgrund der sehr geringen Nickeltetracarbo- nyl-Konzentrationimvergleich zu der ca. 200000mal groBeren Kohlenmon- oxid-Konzentration es hier besonders wichtig ist, nach Subtraktion des CO-Spektrums Basislinien-Verschiebungen zu berucksichtigen. Ein FTIR- Spektrometer wurde iiber mehrere Monate in der Produktionsanlage parallel zu einem UV-Fotometer erfolgreich getestet. Analyse von Fliissigkeiten: Im Gegensatz zu anderen Mehrkomponenten- Analysengeraten wie Gaschromatographen oder Massenspektrometern ist es mit der FTIR-Spektroskopie moglich, direkt in Fliissigkeiten Konzen- trationsbestimmungen durchzufiihren. Ein Beispiel ist die zur Vermeidung von Korrosionen in einer Produktionsanlage auflerst wichtige Bestimmung von wenigen ppm Wasser in einem Gemisch von Chlor-Kohlenwasserstof- fen. Auch hier gelang es nach Subtraktion der Spektren aller Haupt- und Nebenkomponenten. die reine Wasserkonzentration zu messen. Hohe Empfindlichkeit: FTIR-Spektrometer sind wesentlich empfindlicher als Gitter-Spektrometer. Eine Anzahl von Interferogrammen wird in kurzer Zeitabfolge hintereinander aufgenommen, gemittelt und erst dann der Fourier-Transformation untenvorfen, wobei sich im Amplituden-Spektrum eine Verbesserung im SignallRausch-Verhaltnis um den Faktor ,,Wurzel aus der Anzahl der Interferogramme" ergibt. Aufgrund dieser Sensitivitats- Vorteile sind mit FTIR-Spektroskopie Nachweis-Empfindlichkeiten mog- lich, die fur viele Substanzen im unteren ppm- bis ppb-Bereich liegen. Da die Anforderungen des Gesetzgebers an die MeBempfindlichkeit von Emissions- und ImmisionsmeReinrichtungen in Richtung immer kleinerer nachzuweisender Konzentrationen geht, ist zu erwarten, dab auch in dem Bereich der UmweltmeBtechnik aufgrund der Empfindliehkeits-Vorteile die FTIR-Spektroskopie an Bedeutung gewinnen wird. Kurze Meflzeiten: Bei FTIR-Spektrometern hangt die spektrale Auflosung lediglich von der Weglange, die der translatierende Spiegel zurucklegt, ab. Durch entsprechend schnelleTranslationsbewegungen lassen sich sehr kurze MeBzeiten im Sekundenbereich erreichen. In der Schnelligkeit besteht einer der wichtigsten Vorteile gegeniiber der Gaschromatographie. Geringer Instandhaltungsaufwand: Ein weiterer Vorteil gegenuber der Gaschromatographie besteht darin, daB keine Hilfsgase wie Brennluft, Brenngas, Tragergase, Steuerluft oder Heizluft benotigt werden. Generell ist beim Einsatz der On-line-FTIR-Spektroskopie rnit einem geringeren Instandhaltungsaufwand zu rechnen. 78 Fuzzy-Methoden in der Verfahrenstechnik: Grundlagen, Modelle und Anwendungen K. Hartmann (Vortragender) und M. Wagenknecht. Institutskomplex Ber- lin-Adlershof, Projektgruppe Systemverfahrenstechnik im WIP, Rudower Chaussee 5. 0-1199 Berlin. Neben genauen, ,,scharfen" Daten, Modellen, Bewertungcn. Algorithmen und Praferenzen spielen auch ungenaue, ,,unscharfe", subjektive Informa- tionen und Aussagen uber Prozehzustande, ProzeBziele und Steuerungen in der Verfahrenstechnik eine bedeutende Rolle. Fur die modellmaBige Behandlung und mathematische Beschreibung dieser unscharfen Sachver- hake kann dieTheorie unscharfer Mengen (Fuzzy sets) rnit Erfolg eingesetzt werden. Sie hat dabei denvorteil, daB die mit dieser Theorie beschriebenen unscharfen Aussagen zusammen mit den klassischen, scharfen Algorithmen gekoppelt und verarbeitet werden konnen. Folgende Anwendungsgebiete konnten fur die Verfahrenstechnik bisher durch Anwenden von Fuzzy sets erschlossen werden: 1) Modellbildung durch unscharfe Relationen und Implikationen, 2) unscharfe Modellierung von Wissenskomponenten, z. B. von heuristi- 3) unscharfe Regressionsanalyse fur die Auswertung von cxperimentellen 4) unscharfe mehrkriterielle Optimierung durch subjektive Wichtungen 5) unscharfe Steuerung von Prozessen und Systemen. Neben einer kurzen Einfiihrung in die Grundlagen der Theorie unscharfer Mengen und wichtige Operationen rnit unscharfen Mengen werden die Prinzipien der unscharfen Modellierung und Simulation, der unscharfen Bewertung und Optimierung sowie unscharfe Synthese-Methodenbeschrie- ben. Ausfuhrlich wird an konkreten industriellen Beispielen dievorgehens- weise bei der Modellbildung und der Anwendung der unscharfcn Modelle gezeigt: ProzeBsynthese von Kolonnensystemen fur die destillative Stoff- trennung auf der Grundlage heuristischer Regeln und unscharfer Inferenz- mechanismen, Qualitatssteuerungssystemen fur die Magnetband-Herstel- lung mit Mehrfachzielsetzung, Steuerung von Hochtemperaturprozessen auf der Grundlage von unscharfen Produktionsregeln, unscharfe Regres- sion und Clusterung. Die ,,unscharfen" Methoden sind dabei nicht als Ersatz fur die existierenden klassischen Methoden zu verstehen, sondern enveitern den Methodenvor- rat und haben insbesondere dort ihr Haupteinsatzgebiet. wo klassische Methoden zu aufwendig oder nicht einsetzbar sind. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daB in der Regel spezielle KI-Sprachen nicht erforderlich sind. Spezielle Rahmenprogramme (Shells) erleichtern dem Nutzer den Einstieg in dieses neue Arbeitsgebiet. schen Regeln fur Experten- und Beratungssysteme, Daten und Expertenaussagen, von Einzelzielen, Fuzzy-Control-Anwendungen in der chemisch-verfahrenstechnischen lndustrie Dr. R. Perne, Bayer AG, ZF-TPT5 Systemverfahrenstechnik, 5090 Lever- kusen-Bayerwerk. Automatisierung rnit Fuzzy-Logic-Informationsverarbeitung ist eine noch vergleichweise junge Methode in der Automatisierungstechnik. Diese in den USA erfundene, in Europa nicht beachtete und in Japan perfektionier- te und zur Industriereife entwickelte Technik, die sich mathematisch unter anderem auf die Theorie der unscharfen Mengen (Fuzzy sets) abstutzt, erlebt zur Zeit einen bemerkenswerten Applikationsboom. Vor allem im Konsumgiiterbereich (Waschmaschinen, Mikrowellenofen,Videokameras, Autos etc.) hat diese ,,unscharfe Informationstechnologie" bereits den Durchbruch geschafft. Gleichwohl diirfen die Anwendungen in anderen ~ ~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~ 824 Chem.-1ng.-Tech. 64 (1992) Nr. 9, S. 769-888

Fuzzy-Control-Anwendungen in der chemisch-verfahrenstechnischen Industrie

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MeRgerate wie auch die Gaschromatographen und Massenspektrometer. Ein Beispiel fur eine rnit einem FTIR-Spektrometer als kontinuierliche ProzeBmessung vor Ort zur Verfahrensiiberwachung durchgefiihrte Multi- komponenten-Analyse ist die simultane Bestimmung des Gehaltes an Kohlenmonoxid, Kohlendioxid: Schwefelwasserstoff, Methan und Carbo- nylsulfid in rnit Wasserdampf gesattigtem Produktionsgas. Die Schwierig- keit bei dieser Messung ist, dab sich die IR-Absorptionsbande von Carbonylsulfid innerhalb der des Kohlenmonoxids befindet und daB das auBerst intensitatsschwache Linien-Spektrum von Schwefelwasserstoff voll- standig von dem wesentlich intensitatsstarkeren Linien-Spektrum des Wassers iiberlagert wird. Da alle Daten digital vorliegen, lassen sich die Querempfindlichkeiten kompensieren. Dazu werden die IR-Spektren der Begleitkomponenten mit Konzentrationen, die in etwa den realen Konzentrationen im ProzeB entsprechen, aufgenommen und digital abgespeichert. Dann werden die gemessenen Konzentrationen in Relation zu den abgespeicherten gesetzt und somit Gewichtungsfaktoren ermittelt. Mit diesen Gewichtungsfaktoren werden die Datenpunkte der abgespeicherten Spektren multipliziert und die somit konzentrationsgewichteten Spektren vom aufgenommenen Gesamt-Spektrum subtrahiert. Nach entsprechender Programmierung lie- Ben sich die Konzentrationen aller Komponenten querempfindlichkeitsfrei bestimmen. Grofler Dynamik-Bereich: Der groBe Dynamik-Bereich spricht weiterhin fur die FTIR-Spektroskopie. Bei einer Absorber-Uberwachung auf wenige ppm Nickeltetracarbonyl neben ca. 40 % Kohlenmonoxid besteht das Problem, daB die IR-Absorptionsbande des CO mit der von Ni(C0)d zusammenfallt. DieVorgehensweise ist analog der des vorherigen Beispiels, wobei sich herausstellte, daB aufgrund der sehr geringen Nickeltetracarbo- nyl-Konzentration imvergleich zu der ca. 200000mal groBeren Kohlenmon- oxid-Konzentration es hier besonders wichtig ist, nach Subtraktion des CO-Spektrums Basislinien-Verschiebungen zu berucksichtigen. Ein FTIR- Spektrometer wurde iiber mehrere Monate in der Produktionsanlage parallel zu einem UV-Fotometer erfolgreich getestet. Analyse von Fliissigkeiten: Im Gegensatz zu anderen Mehrkomponenten- Analysengeraten wie Gaschromatographen oder Massenspektrometern ist es mit der FTIR-Spektroskopie moglich, direkt in Fliissigkeiten Konzen- trationsbestimmungen durchzufiihren. Ein Beispiel ist die zur Vermeidung von Korrosionen in einer Produktionsanlage auflerst wichtige Bestimmung von wenigen ppm Wasser in einem Gemisch von Chlor-Kohlenwasserstof- fen. Auch hier gelang es nach Subtraktion der Spektren aller Haupt- und Nebenkomponenten. die reine Wasserkonzentration zu messen. Hohe Empfindlichkeit: FTIR-Spektrometer sind wesentlich empfindlicher als Gitter-Spektrometer. Eine Anzahl von Interferogrammen wird in kurzer Zeitabfolge hintereinander aufgenommen, gemittelt und erst dann der Fourier-Transformation untenvorfen, wobei sich im Amplituden-Spektrum eine Verbesserung im SignallRausch-Verhaltnis um den Faktor ,,Wurzel aus der Anzahl der Interferogramme" ergibt. Aufgrund dieser Sensitivitats- Vorteile sind mit FTIR-Spektroskopie Nachweis-Empfindlichkeiten mog- lich, die fur viele Substanzen im unteren ppm- bis ppb-Bereich liegen. Da die Anforderungen des Gesetzgebers an die MeBempfindlichkeit von Emissions- und ImmisionsmeReinrichtungen in Richtung immer kleinerer nachzuweisender Konzentrationen geht, ist zu erwarten, dab auch in dem Bereich der UmweltmeBtechnik aufgrund der Empfindliehkeits-Vorteile die FTIR-Spektroskopie an Bedeutung gewinnen wird. Kurze Meflzeiten: Bei FTIR-Spektrometern hangt die spektrale Auflosung lediglich von der Weglange, die der translatierende Spiegel zurucklegt, ab. Durch entsprechend schnelleTranslationsbewegungen lassen sich sehr kurze MeBzeiten im Sekundenbereich erreichen. In der Schnelligkeit besteht einer der wichtigsten Vorteile gegeniiber der Gaschromatographie. Geringer Instandhaltungsaufwand: Ein weiterer Vorteil gegenuber der Gaschromatographie besteht darin, daB keine Hilfsgase wie Brennluft, Brenngas, Tragergase, Steuerluft oder Heizluft benotigt werden. Generell ist beim Einsatz der On-line-FTIR-Spektroskopie rnit einem geringeren Instandhaltungsaufwand zu rechnen.

78

Fuzzy-Methoden in der Verfahrenstechnik: Grundlagen, Modelle und Anwendungen

K. Hartmann (Vortragender) und M . Wagenknecht. Institutskomplex Ber- lin-Adlershof, Projektgruppe Systemverfahrenstechnik im WIP, Rudower Chaussee 5. 0-1199 Berlin.

Neben genauen, ,,scharfen" Daten, Modellen, Bewertungcn. Algorithmen und Praferenzen spielen auch ungenaue, ,,unscharfe", subjektive Informa- tionen und Aussagen uber Prozehzustande, ProzeBziele und Steuerungen in der Verfahrenstechnik eine bedeutende Rolle. Fur die modellmaBige Behandlung und mathematische Beschreibung dieser unscharfen Sachver- hake kann dieTheorie unscharfer Mengen (Fuzzy sets) rnit Erfolg eingesetzt werden. Sie hat dabei denvorteil, daB die mit dieser Theorie beschriebenen unscharfen Aussagen zusammen mit den klassischen, scharfen Algorithmen gekoppelt und verarbeitet werden konnen. Folgende Anwendungsgebiete konnten fur die Verfahrenstechnik bisher durch Anwenden von Fuzzy sets erschlossen werden: 1) Modellbildung durch unscharfe Relationen und Implikationen, 2) unscharfe Modellierung von Wissenskomponenten, z. B. von heuristi-

3) unscharfe Regressionsanalyse fur die Auswertung von cxperimentellen

4) unscharfe mehrkriterielle Optimierung durch subjektive Wichtungen

5) unscharfe Steuerung von Prozessen und Systemen. Neben einer kurzen Einfiihrung in die Grundlagen der Theorie unscharfer Mengen und wichtige Operationen rnit unscharfen Mengen werden die Prinzipien der unscharfen Modellierung und Simulation, der unscharfen Bewertung und Optimierung sowie unscharfe Synthese-Methoden beschrie- ben. Ausfuhrlich wird an konkreten industriellen Beispielen dievorgehens- weise bei der Modellbildung und der Anwendung der unscharfcn Modelle gezeigt: ProzeBsynthese von Kolonnensystemen fur die destillative Stoff- trennung auf der Grundlage heuristischer Regeln und unscharfer Inferenz- mechanismen, Qualitatssteuerungssystemen fur die Magnetband-Herstel- lung mit Mehrfachzielsetzung, Steuerung von Hochtemperaturprozessen auf der Grundlage von unscharfen Produktionsregeln, unscharfe Regres- sion und Clusterung. Die ,,unscharfen" Methoden sind dabei nicht als Ersatz fur die existierenden klassischen Methoden zu verstehen, sondern enveitern den Methodenvor- rat und haben insbesondere dort ihr Haupteinsatzgebiet. wo klassische Methoden zu aufwendig oder nicht einsetzbar sind. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daB in der Regel spezielle KI-Sprachen nicht erforderlich sind. Spezielle Rahmenprogramme (Shells) erleichtern dem Nutzer den Einstieg in dieses neue Arbeitsgebiet.

schen Regeln fur Experten- und Beratungssysteme,

Daten und Expertenaussagen,

von Einzelzielen,

Fuzzy-Control-Anwendungen in der chemisch-verfahrenstechnischen lndustrie

Dr. R. Perne, Bayer AG, ZF-TPT5 Systemverfahrenstechnik, 5090 Lever- kusen-Bayerwerk.

Automatisierung rnit Fuzzy-Logic-Informationsverarbeitung ist eine noch vergleichweise junge Methode in der Automatisierungstechnik. Diese in den USA erfundene, in Europa nicht beachtete und in Japan perfektionier- te und zur Industriereife entwickelte Technik, die sich mathematisch unter anderem auf die Theorie der unscharfen Mengen (Fuzzy sets) abstutzt, erlebt zur Zeit einen bemerkenswerten Applikationsboom. Vor allem im Konsumgiiterbereich (Waschmaschinen, Mikrowellenofen,Videokameras, Autos etc.) hat diese ,,unscharfe Informationstechnologie" bereits den Durchbruch geschafft. Gleichwohl diirfen die Anwendungen in anderen

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Gcbieten. beispielsweise in dcr verfahrenstechnischen. chemischen Indu- strie. nicht auRer acht gelassen werden. So gibt es vor allem in Japan abcr auch anderswo Bestrebungen, Fuzzy-Control-Methoden zur Klaranlagen- regelung einzusetzen, hiermit Drehrohrofen in Zementfabriken zu steuern, Destillationskolonnen zu regeln und hierauf die ProzeRfuhrung von Anla- gen zur Verbrennung trockenen Klarschlamms zu stiitzen. In zahlreichen Beitragen [14] sind die Grundlagen der Fuzzy-Theorie ausfiihrlich beschrieben, so daR hier eine kurze Darstcllung des Funktions- prinzips eines Fuzzy Reglers geniigen mag. Bei der Struktur eines Regel- kreises mit einem Fuzzy Controller unterscheiden sich Eingangs- und AusgangsgroRen nicht von denjenigen bei einem herkommlichen Regler. Trotzdem erfolgen die Informationsverarbeitung und StellgroRen-Ermitt- lung nach grundsatzlich unterschiedlichen Prinzipien. Wahrend beispiels- weise ein PID-Kegler mit einer exakten Zahl- etwa einemTemperaturmeR- wert - arbeitet, benotigt ein Fuzzy Controller dessen unscharfe Beschrei- bung. Die Fuzzifizierungskomponente leistet diese Transformation vom Exakten in das Unscharfe mittels Zugehorigkeitsfunktionen, welche den jeweiligen Grad der Zugehorigkeit der physikalischen GroRen (Eingangs- und Ausgangsvariable wie Temperaturen, Driicke,Ventilstellungen etc.) zu den unscharfen Mengen (z. B.: Temperatur ,,hoch, Druck ,,normal",Ventil ,,halboffen" usw.) durch Zahlenwerte zwischen 0 und 1 kennzeichnet. Durch Festlegung ihrer Zugehorigkeitsfunktion ist eine unscharfe Menge (Fuzzy set) vollstandig beschrieben. Welchc SchluRfolgerungen aus den nun unscharfen Eingangsinformationen zu ziehen sind, formuliert die Inferenzkomponente mittels Anwendung linguistischer (WENN-DANN-) Regeln wiederum unscharf in Gestalt einer Zugehorigkeitsfunktion fur die Stellgrofle. Physikalisch interpretierbar ist ein solches Resultat noch nicht. Mithin, bedarf es einer weiteren Kompo- nente, der Defuzzifizierung, welche die Ubersetzung vom Unscharfen in das Exakte besorgt. so daR am Ausgang der Fuzzy Controllers eine vom Stellglied verarbeitbare Angahe verfugbar ist. Ein solcher Regler leistet nun anders als ein PID-Algorithmus, der Eingangs- und Ausgangsvariable linear in Beziehung zueinander setzt, eine im allgemeinen nichtlineare Abbildung der Regel- auf die StellgroRen. So kann denn auch gezeigt werden [5] , daR bereits ein Fuzzy Controller einfachster Struktur (zwei EingangsgroBen: Soll-1st-Differenz und deren zeitliche Ableitung, eine AusgangsgroRe, jeweils zwei unscharfe Mengen, vier Regeln und eine nichtlineare Defuzzifikationskomponente) aquivalent ist zu einem nichtlinearen, weil mit zeitvarianten Parametern ausgestatteten PI-Regier. Die Nichtlinearitat wird bei festem Inferenzteil wesentlich durch die Wahl der Zugehorigkeitsfunktionen und der Defuzzifizierungsmethode mitgepragt. Sie stellen somit Freiheitsgrade dar, die fur ein Fein-Tuning des Regelverhaltens genutzt werden konnen. In der Fachliteratur wird zunehmend uber Anwendungen von Fuzzy Control in der ProzeRindustrie berichtet. Allein ihre Aufzahlung wurde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Dennoch sei auf ein jungst erschienenes Bucb 161 venviesen, welches einen Querschnitt von Fuzzy-Anwendungen der japanischen chemisch-verfahrenstechnischen Industrie auch fur den Fuzzy-Laien nachvollziehbar beschreibt. In der Bewertung der Vor- und Nachteile dieser neuen regelungstechnischen Alternative wird immer deutlicher folgendes Profil erkennbar: Fuzzy- Regler sind bemerkenswert aufwandsarm realisierbar. Sie zeitigen tenden- ziell robustes Regelverhalten. Ihre Funktionstransparenz kann gerade fur sicherheitsrelevante Systeme von entscheidendem Vorteil sein. Mehrgro- Rensysteme werden durch sie in einfacher Weise beherrschbar, intelligente Feedforward-Strategien konnen leicht inkorporiert werden. Fuzzy-Regler bieten sich zudem als ,,Fiihrungsregler" in Qualitatsregelkreisen an, weil hierdurch die im allgemeinen aufwendige Modellierung der Zusammenhan- ge zwischen QualitatsgroBen (Produkteigenschaften) und ProzeBzustands- groRen umgangen werden kann. Gleichwohl ist rnit Fuzzy Control ein optimales Regelverhalten beziiglich vorgegebener ZielgroRen wohl kaum erreichbar. Mathematische Entwurfs- verfahren - wie in der klassischen Regelungstheorie - sind nicht anwendbar. Regelgenauigkeit ist nicht die Starke eines Fuzzy Controllers; insbesondere ist das Erreichen einer stationaren Genauigkeit, die im klassischen Fall durch den I-Anteil gesichert wird, mitunter nur durch zusatzliche MaRnah- men zu gewahrleisten. Steht ein hinreichend genaues ProzeBmodell zur Verfiigung, fiihrt eine modellgestiitzte Regelung nach dem derzeitigen Kenntnisstand zu signifikant besseren Regelergebnissen. Es zeichnet sich also keineswegs eine Verdrangung klassischer Methoden aus ihren angestammten Anwendungsgebieten durch Fuzzy Control ab. Man beobachtet vielmehr den Einsatz dieser auf linguistisch formulierten Regeln basierenden Control-Strategie an Prozessen mit hochkomplexer, nichtlinearer Dynamik, einem Problembereich also, in welchem konventio- nellen Methoden bislang nur geringer Erfolg beschieden war.

Literatur [1] Zadek, L. A.: Control (1965) S. 338/353. [2] Mamdani, E.: J. Man-Mach. Stud. 7 (1975) S. 1/13. [3] Mamdani, E.; Baaklini, N . : Electron. Lett. 11 (1975) S. 625/626. [4] Zirnmermann, H.-L: Fuzzy Sets Theory and its Applications, Kluwer-

[5] Ying, H.; Siler, W ; Buckle) J. J.: Automatica 26 (1990) Nr. 3, S.

[6] Fuzzy Logic in Industrial Process Control, DIA Research Institute,

Nijhof, Boston 1988.

513/520.

Inc., Tokio/Japan.

Anwendung der Fuzzy-Logik in der Simulation t hermischer Trennverfahren

A . Kraslawski, SF-53851 Lappeenranta, und A. Coruk (Vortragender), c/o Henkel KGaA, Abt. TVV, Postfach 10 1100, 4000 Diisseldorf 1.

Bei der rechnerunterstutzten Simulation thermischer Trennverfahren wer- den Stufenmodelle folgender Typen verwendet: - das Modell der theoretischen Stufe. das auf der Annahme eines

thermodynamischen Gleichgewichtes der von einer Stufe abflieaenden Phase basiert und

- das Stoffaustauschmodell, bei dem das Ungleichgewicht zwischen den Phasen und somit der Stoff- und Warmetransport beriicksichtigt wird.

Beide Modelle erlauben es, ein System von meist algebraischen. nichtlinea- ren Gleichungen zu formulieren, dessen Losung ein Vektor der vorausbe- rechneten GroRen ist. Dabei muR dcr Ingenieur allerdings mehrere Eingangsdaten an das Programm liefern, die in folgende Gruppen unterteilt werden konnen: - Strukturdaten (Anzahl der Stufen, Nummer der Feed-Stufe usw.), - Betriebsdaten (Feed-Menge, Druck usw.) und - Modelldaten (Verstarkungsverhaltnis, Stoffaustauschkoeffizient usw.). Alle diese Daten miissen in einer ,,scharfen" Form eingegeben werden. In der technischen Realitat sind aber nur Daten der ersten Gruppe als ,,scharf" anzusehen. Alle anderen schwanken immer um einen Sollwert, und zwar so, daB sie oft nur in einer unscharfen Form definiert werden konnen. Der EinfluB von unscharfen Eingangsdaten auf die Simulationsergebnisse kann durch die Sensitivitatsanalyse erfant werden, die leider oft wegen zu groBen Rechenaufwands oder nicht ausreichender Genauigkeit scheitert. Die Methoden der Fuzzy-Logik erlauben es dagegen, die Datenunsicherheit direkt zu untersuchen. Dies erfolgt mit Hilfe der Vertex-Methode. die aus folgenden Schritten besteht: Zuerst werden die Zugehorigkeitsfunktionen der Eingangsdaten definiert. Sie ergeben sich entweder aus der Erfahrung eines Projektanten (Modelldaten) oder des Anlagen-Fahrers (Betriebsda- ten). Zudem wird die Niveaumenge der unscharfen Eingangsdaten auf unterschiedlicher a-Hohe bestimmt. Dadurch entstehen die Schnittpunkte der a-Niveau-Mengen von Eingangsdaten, fur welche die Ergebnisse mit einem ,,scharfen" Simulator berechnet werden. Aufgrund der Analyse der fur Schneidepunkte berechneten Ausgangsdaten 1aRt sich anschlieRend die Zugehorigkeitsfunktion von Ergebnissen bestimmen. Die Vertex-Methode wird in den folgenden Beispielen erlautert. Beispiel I : In einem System von funf Rekt erkolonnen wird ein Gemisch von sechs Alkoholen getrennt. Der Projektant soll die Moglichkeit der Schwanknngen der Konzentration des leichtesten Alkohols im Destillat der letzten Kolonne untersuchen, wobei der Zulauf (Betriebsdaten) und das Bodenverstarkungsverhaltnis (Modelldaten) in einer unscharfen Form angegeben werden. In diesem Fall wurde ein kommerzieller ProzeBsimula- tor verwendet, der auf einem Modell der theoretischen Stufe basiert. Die Zugehorigkeitsfunktion der Eingangsdaten wurde in Form eines Dreiecks angegeben. Dadurch konnen die Berechnungen fur den jeweils minimalen und maximalen Wert der beiden Eingangsdaten durchgefuhrt werden. Sie ergaben dann die unscharfe Destillatzusammensetzung in der letzten Kolonne. Beispiel 2: In einem Fallfilmverdampfer ist ein Gemisch von drei Fettalko- holen zu trennen. Die Berechnungen sollen mit einem ,,scharfen" Simula- tionsprogramm durchgefiihrt werden, in welchem das Stoffaustauschmodell implementiert wurde. Es soll die Dampfzusammensetzung amverdampfer-

Chem.-1ng.-Tech. 64 (1992) Nr. 9, S. 769-888 825