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Igor Stohl Garry Kasparov’s Greatest Chess Games 318 Seiten Hard-Cover Verlag: Gambit Erstauflage Schach-Niggemann Rezensionsexmplar:Schach-Niggemann Der Slowakische GM Igor Stohl legt mit seinem Buch „Garry Kasparov’s Greatest Chess Games“ – Volume 1– ein wunderbares Werk vor, dass eine große Lücke in der Schachliteratur schließt. Schon 1983 versuchte Willem D.Hajenius mit seinem Beitrag „Garri Kasparov -Sein Weg zum Erfolg“ einem interessiertem Publikum das Genie des wohl größten Schachspielers aller Zeiten näher zu bringen. Nun aber liegt uns exaktes und wohldurchdachtes Material vor, umgesetzt in ästhetischer und spannender Form von GM Igor Stohl- auch bekannt durch sein Buch „Instruktive Meisterwerke aus der modernen Schachpraxis“. Schon das lange und instruktive Vorwort lässt beim Leser große Spannung aufkommen. Stohl beginnt mit der Schilderung seiner Reportage über den Rückkampf der Weltmeisterschaft 1986 zwischen Anatoly Karpov und Garry Kasparov, eine Zeitreise in eine Epoche ohne Internet, damals wartete der Autor ungeduldig auf die Züge der 16.Partie des WM-Kampfes, und musste dabei seine Analysen ständigen Neuerungen unterwerfen und immer wieder große Überraschungen erfahren– einfach elektrisierend! Es folgt eine ausführliche Einführung in diesen 1.Band (dem hoffentlich ein zweiter folgen wird), in der Stohl den Verlauf der Karriere Kasparov’s beleuchtet, angefangen von der uns wohlbekannten Zeit in Botvinnik’s Schule bis hin zu den frühen 90-er Jahren und den Duellen gegen Nigel Short. Für Stohl ist die revolutionäre Denkweise eines Schachmeisters in den Zeiten des computerisierten Wissens von eminenter Bedeutung, nie zuvor hat ein Schachmeister die Möglichkeiten der Bits und Bytes so ausgelotet wie Garry Kasparov, nie zuvor gab es die erfolgversprechende Möglichkeit sich so gut auf seine Gegner vorzubereiten, und nie zuvor waren psychologische Aspekte so entscheidend über Sieg und Niederlage wie zu Beginn von Garry’s Karriere. Stohl hat sich profund mit der „Materie“ Kasparov beschäftigt, z.B mit seiner (heute zum Handwerk gehörenden )Auffassung der Französischen Partie,oder mit Kasparov’s fantastischen Spielen im Königsinder mit seinen vielen taktischen Möglichkeiten. Stohl führt uns nochmals –diesmal aber äußerst illustrativ– die Rivalität von Karpov und Kasparow vor Augen. Insgesamt werden 74 Partien des Exweltmeisters analysiert und kommentiert, den Anfang macht ein Spiel des 10-jährigen Kasparows gegen Shorat Muatkuliev in der U18 Meisterschaft , ein eigener Stil bildet sich für den kommenden Weltmeister aber bereits im Jahre 1978 in der Sowjetmeisterschaft ab. In einer jederzeit durchdachten Alejchin-Partie stärkt der junge Kasparow sein Zentrum und überspielt schließlich seinen Gegner Semion Palatnik.

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Page 1: Garry Kasparov’s Greatest Chess Games RE… · Igor Stohl Garry Kasparov’s Greatest Chess Games 318 Seiten Hard-Cover Verlag: Gambit Erstauflage Schach-Niggemann Rezensionsexmplar:Schach-Niggemann

Igor Stohl Garry Kasparov’s Greatest Chess Games 318 Seiten Hard-Cover Verlag: Gambit Erstauflage Schach-Niggemann Rezensionsexmplar:Schach-Niggemann Der Slowakische GM Igor Stohl legt mit seinem Buch „Garry Kasparov’s Greatest Chess Games“ – Volume 1– ein wunderbares Werk vor, dass eine große Lücke in der Schachliteratur schließt. Schon 1983 versuchte Willem D.Hajenius mit seinem Beitrag „Garri Kasparov -Sein Weg zum Erfolg“ einem interessiertem Publikum das Genie des wohl größten Schachspielers aller Zeiten näher zu bringen. Nun aber liegt uns exaktes und wohldurchdachtes Material vor, umgesetzt in ästhetischer und spannender Form von GM Igor Stohl- auch bekannt durch sein Buch „Instruktive Meisterwerke aus der modernen Schachpraxis“. Schon das lange und instruktive Vorwort lässt beim Leser große Spannung aufkommen. Stohl beginnt mit der Schilderung seiner Reportage über den Rückkampf der Weltmeisterschaft 1986 zwischen Anatoly Karpov und Garry Kasparov, eine Zeitreise in eine Epoche ohne Internet, damals wartete der Autor ungeduldig auf die Züge der 16.Partie des WM-Kampfes, und musste dabei seine Analysen ständigen Neuerungen unterwerfen und immer wieder große Überraschungen erfahren– einfach elektrisierend! Es folgt eine ausführliche Einführung in diesen 1.Band (dem hoffentlich ein zweiter folgen wird), in der Stohl den Verlauf der Karriere Kasparov’s beleuchtet, angefangen von der uns wohlbekannten Zeit in Botvinnik’s Schule bis hin zu den frühen 90-er Jahren und den Duellen gegen Nigel Short. Für Stohl ist die revolutionäre Denkweise eines Schachmeisters in den Zeiten des computerisierten Wissens von eminenter Bedeutung, nie zuvor hat ein Schachmeister die Möglichkeiten der Bits und Bytes so ausgelotet wie Garry Kasparov, nie zuvor gab es die erfolgversprechende Möglichkeit sich so gut auf seine Gegner vorzubereiten, und nie zuvor waren psychologische Aspekte so entscheidend über Sieg und Niederlage wie zu Beginn von Garry’s Karriere. Stohl hat sich profund mit der „Materie“ Kasparov beschäftigt, z.B mit seiner (heute zum Handwerk gehörenden )Auffassung der Französischen Partie,oder mit Kasparov’s fantastischen Spielen im Königsinder mit seinen vielen taktischen Möglichkeiten. Stohl führt uns nochmals –diesmal aber äußerst illustrativ– die Rivalität von Karpov und Kasparow vor Augen. Insgesamt werden 74 Partien des Exweltmeisters analysiert und kommentiert, den Anfang macht ein Spiel des 10-jährigen Kasparows gegen Shorat Muatkuliev in der U18 Meisterschaft , ein eigener Stil bildet sich für den kommenden Weltmeister aber bereits im Jahre 1978 in der Sowjetmeisterschaft ab. In einer jederzeit durchdachten Alejchin-Partie stärkt der junge Kasparow sein Zentrum und überspielt schließlich seinen Gegner Semion Palatnik.

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Natürlich werden noch weitere Glanzpunkte in diesem herrlichen Buch gesetzt, nicht zuletzt die entscheidende Partie gegen Karpov im WM-Kampf 1986, als Kasparov in der Zaitsev Variante des Ruy Lopez eine historische Partie auf die 64 Felder zauberte. Stohl

Der entscheidende Zug, nun muss d4 nicht mehr passiv verteidigt werden. Es folgte noch ein Remis-Vorschlag nach 25...Tf7, der aber mit dem glänzenden Zug des Anziehenden 26.Lxf5 abgelehnt wurde, ein jugendliches Meisterstück, voller Glanz und Elan.

Kasparov,G - Palatnik,S (2490) [B04] URS-ch sf Daugavpils (7), 06.1978 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.d4 d6 4.Sf3 g6 5.Lc4 Sb6 6.Lb3 a5 7.a4 [7.e6 Lxe6 8.Lxe6 fxe6 9.Sg5 Sc6 10.Sxe6 Dd7 11.De2] 7...Lg7 8.Sg5 e6!? [8...d5 9.0-0 0-0 10.Te1 Sc6 11.c3 f6 12.exf6 exf6 13.Se6²] 9.f4 [9.Df3 De7 10.Se4 dxe5 11.Lg5 Db4+ 12.Sbd2 exd4 (12...Dxd4 13.0-0-0‚) 13.c3‚] 9...dxe5 10.fxe5 c5 11.0-0?! [11.c3 ¹ 11...cxd4 12.0-0!] 11...0-0?! [11...Dxd4+! 12.Dxd4 cxd4 13.Txf7 (13.Sxf7 0-0 14.Sd6 Txf1+ 15.Kxf1 Ld7 16.Sxb7 Sa6!) 13...Lxe5 14.Tf1 Sc6=] 12.c3 Sc6? [12...cxd4™ 13.cxd4 Sc6 14.Sf3 f6 15.Sc3!? fxe5 16.Lg5 De8 17.dxe5 Sxe5 18.Sxe5 Txf1+ 19.Dxf1 Lxe5 20.Te1 Ld4+ 21.Kh1N] 13.Se4! Sd7 [13...cxd4 14.Lg5 Dd7 (14...Dc7 15.cxd4) 15.Sf6+ Lxf6 16.Lxf6 dxc3 17.Dc1+-] 14.Le3! [14.Lg5 Db6 15.Sf6+ Kh8 16.Tf4 cxd4 17.Th4 Lxf6 18.exf6 dxc3+ 19.Kh1 cxb2 20.Ta3 Dc5-+] 14...Se7 [14...Db6 15.Sa3 (15.Lf2) 15...cxd4 16.Sc4] 15.Lg5 cxd4 [15...h6 16.Lh4 g5 17.Lxg5! hxg5 18.Dh5+-] 16.cxd4 h6 17.Lh4 g5 18.Lf2 [18.Lxg5? hxg5 19.Dh5 Sxe5!] 18...Sg6 19.Sbc3 De7 … f5 20.Lc2 b6 21.Le3 La6 22.Tf2 Sh8 … f5 23.Lxg5! [23.h4 gxh4 24.Dg4! f5 (24...Sg6 25.Dh5) 25.exf6 Sxf6 26.Sxf6+ Txf6 27.Txf6 Dxf6 28.De4! Td8 29.Dh7+ Kf8 30.Sb5+-] 23...hxg5 24.Dh5 f5 [24...f6 25.Sxg5 Tfc8 26.Lh7+ Kf8 27.Sce4+-] 25.Sxg5 Tf7! Remisvorschlag [25...Tfd8 26.Txf5!+-; 25...Tfc8 26.Dh7+ Kf8 27.Sxe6+ Dxe6 28.Lxf5] 26.Lxf5!! Txf5 [26...exf5 27.Sd5 De8 28.e6 Tf6 29.Dh7+ Kf8 30.e7++-] 27.Txf5 exf5 28.Sd5 De8™ 29.Dh7+ Kf8 30.Dxf5+ Kg8 [30...Sf7 31.Se6+ Kg8 32.Dg6+-] 31.Dh7+ Kf8 32.Ta3! [32.Sc7] 32...Tc8 [32...Dg6 33.Tf3+ Ke8 34.Dg8+ Lf8 (34...Sf8 35.Txf8+! Lxf8 36.Sf6+) 35.Sc7+ Kd8 (35...Ke7 36.Tf7+!) 36.Sce6+ Ke7 (36...Kc8 37.Txf8+) 37.Dxg6 Sxg6 38.Tf7+ Ke8 39.Sc7+ Kd8 40.Sge6+ Kc8 41.Sxa8+-] 33.Tf3+ Sf6 [33...Sf7 34.Txf7+ Dxf7 35.Sxf7 Tc1+ 36.Kf2 Tf1+ 37.Kg3 Txf7 38.Dh4!+-] 34.h3! [34.Txf6+ Lxf6 35.Sxf6 Tc1+ 36.Kf2 Dg6 37.Dxh8+ Ke7 38.Sd5+ Kd7 39.e6++-] 34...Dg6 35.Txf6+ Lxf6 36.Se6+ Ke8 37.Sxf6+ 1-0

und so schreibt Stohl über diesen Zug: Plötzlich versank Karpov in tiefes Nachdenken, und verübte einen schweren Fehler. Die logischste Erklärung dafür ist, dass er den 24.Zug von Weiß in seiner Laboranalyse unterschätzt hatte . Von jetzt an waren beide Spieler auf sich allein gestellt, und Karpov, darum bemüht die Kraft seiner Stellung zu zeigen, unterschätzte die starke weiße Antwort. Der Zug Sbd3 war nicht aufzuschieben und öffnet zusätzlich die b-Reihe für den Turm, aber die taktische Antwort ist gefährlich, nötig war hier 25...Scd3! danach folgt 26.Sg4 (denn Weiß strebt mit 26.Lxd3 Sxd3 27.Txd3 cxd3 28.Sd7 Dd6 29.Sxb8 Dxb8 Da4 nach mehr als Remis)

(432837) Kasparov,G (2740) - Karpov,A (2705) [C92] World Championship 33th-KK3 London/Leningrad (16), 15.09.1986 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0–0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0–0 9.h3 Lb7 10.d4 Te8 11.Sbd2 Lf8 12.a4 h6 13.Lc2 exd4 14.cxd4 Sb4 15.Lb1 c5 16.d5 Sd7 17.Ta3 c4 18.Sd4 Df6 N 19.S2f3 Sc5 [19...Sd3!? 20.Lxd3 (20.Txd3!? cxd3 21.axb5©) 20...b4! 21.Lxc4! (21.Ta1?! cxd3 22.Dxd3 Sc5 23.Dc4 a5! 24.Sb5 Tac8³) 21...bxa3 22.b3÷] 20.axb5 axb5 21.Sxb5 [21.Txa8? Txa8 22.Sxb5 Ta1 23.Sc3 Sbd3 24.Tf1 Sb3µ] 21...Txa3 22.Sxa3 La6 [22...Sbd3 23.Lxd3 Sxd3 24.Te3! La6! (24...Sxb2?! 25.Lxb2 Dxb2 26.Sxc4±) 25.Da4 (25.Dc2!?²) 25...Ta8 26.Ld2 Dxb2 (26...Sxb2?! 27.Dc2 Sd3 28.Sxc4 Da1+ 29.Se1!±) 27.Sxc4 Db1+ 28.Le1 Sc5 29.Dc6 Tc8 30.Db6 Tb8 31.Dxb1 Txb1©] 23.Te3 Tb8! [23...Scd3? 24.Lxd3 cxd3 25.Da4 Tb8 26.Ld2! Dxb2 27.Te1!±; 23...Sbd3? 24.Lxd3 cxd3 25.b4 Sxe4 26.b5 Lb7 27.Txd3! Sc3 28.Lb2 Sxd1 29.Lxf6 Sxf2 30.Kxf2 gxf6 31.Sc4±; 23...g6? 24.Ld2! Dxb2 25.Lc3 Dxa3 26.Dd4 Te5 27.Sxe5 Sb3 (27...Lg7 28.Dd2!±) 28.Da7! dxe5 29.Tf3±] 24.e5! dxe5 25.Sxe5 Sbd3? [25...Scd3! 26.Sg4! Dd4! 27.Sc2! Sxc2 28.Lxc2 Lc5!÷] 26.Sg4? [26.Dc2! Tb4 27.Sc6 Tb7 28.Te8 g6! 29.Le3! Txb2 30.Ld4 Txc2 31.Lxf6 Tc1+ 32.Kh2 Sd7 33.Ld4 c3 34.Lxd3! Lxd3 35.Td8 c2! 36.Sxc2 Txc2 37.Txd7±] 26...Db6! 27.Tg3 g6! 28.Lxh6 Dxb2 29.Df3! Sd7?! 30.Lxf8 Kxf8 31.Kh2! Tb3! 32.Lxd3 cxd3? [32...Txa3!=] 33.Df4 Dxa3? 34.Sh6 De7 35.Txg6 De5 36.Tg8+ Ke7 37.d6++- Ke6 38.Te8+ Kd5 39.Txe5+ Sxe5 40.d7 Tb8 41.Sxf7 1–0

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Stohl enttäuscht nicht, man denkt man ist direkt neben Garry am Brett, und doch lassen sich die letzten Geheimnisse eines so großen Spielers nicht so einfach entlocken. Sehr schön ist übrigens die Partienliste, aufgeteilt in guter alter Art nach den Bezeichnungen (ohne Eco im Inhaltsverzeichnis aber in den Kommentaren). Die frischeste Kasparov-Partie datiert in das Jahr 1993 mit einem B86 Sizilianer gegen Short, die „älteste“ zeichnet Stohl 1973 auf. Sehr seriös empfinde ich die Aufnahme einer Literaturliste in der auch große Namen wie John Nunn nicht fehlen (Understanding Chess Move by Move). Zu erwähnen ist übrigens noch die schöne Darstellung des Matches Shirov-Kasparov in Dortmund 1992. Insgesamt muss man dieses Buch als unprätentiöse Näherung an einen großen Schachmeister begreifen, der die Figuren so virtuos wie kein Anderer über die 64 Felder führte. Politische oder philosophische Ausflüge sind dem Autor nicht fremd, er meidet sie aber um der Objektivität Willen, ein Pluspunkt für dieses doch nicht so unkomplizierte Buch. Das Englisch sollte für den interessierten Anhänger des Königlichen Spiels kein Problem darstellen, da muss man sich dann auch als Anfänger reinknien wenn man so schöne Partien praktisch „live“ noch einmal nacherleben will. Mein Fazit: Absolut sein Geld wert mit einer wunderbaren Aufmachung in bester Qualität, Fadenbindung und Schutzeinband mit einem echten Denkerfoto von Garry, versäumen sie nicht dieses Erlebnis. Mathias Guthmann, Chessplayers.de