24
Gasschutz und Luftschutz Zeitschrift für das gesamte Gebiet des Gas- und Luftschutzes der Zivilbevölkerung Mitteilungsblatt amtlicher Nachrichten Schriftleitung: Dr. Rudolf Hanslian und Präsident Heinrich Paetsch in Berlin Mit Unterstützung von Dr. Adler, Stll;dthaurat beim Magis tr at Berlin ; von Altrock, Ge nerall euttH lnt a. D ., Berlin ; Dr. Barck, rat im Ba.dischen Ministerium des Inn ern ; Bleidorn, Ge neral der ArtiHerie a. D ., tB erlin; Dr . Brandenburg, Direkt or im Reichsve rk e hrsminist eri um ; Dr . jur. Bruns, Be rHn ; Delvendahl, Obe rp ostrat im postmin is terium; Dr. Dräger, Lüb eck; von Düring, Reiehs v·e rband .d er Industri e; Dr. EbeIing, Reichs bahndirekt or bei der Hauptverwaltun g der Deut s chen Reiehsb ahngescllsehaft; Dr. Flury, Univ .• Prof. , Wür zbur g; Dr . Forstmann, Le iter der tHauptstelle für das Grubenrettungs wese n, Ess en; Gempp, Ohe rbranddire ktor von Berlin; Gottheiner, Minist eriald'ir e ktor im Reichsministe rium de s Innern; Großkreutz, Re'ichs archi v rat ; Dr. h. c. von Haeften, Präsi , dent des Reichsarchivs; Dr . HameI, Gch. _ Rat , Prä side nt des Reichs ges undh e itsamtes; Hampe, Leiter de s schutz es der T echnischen Nothilfe e. v., Berlin; Heinrichs, Ob erregierungsrat , Reichspatentamt; Dr. Kottenberg, Beigeordneter des Reichss tädtebundes; Dr . Kremer, im Preuß. Ministerium für Hand el und Gewerbe; Kretschmar, Vors itzend er des Lummitzsch, Vorstand der Techn. Nothilfe: Dr. Nernst, Geh.,Rat, Berlin; Neubrand, Dir e kt or, Magis trat Berlin ; Dr. Quasebart, Prof., Berlin; Dr. Riepert, rat, Berlin; Ronde, im Reichswirtscbaftsmini ste rium ; Rumpf, Brandoberingenieur, Königsb erg (Ostpr . ); Dr. Rüth, Prof. an der Techni schen Hoch schule Dr esden; Sachsenberg, Direktor , Dessau; Dr. ·im Ministerium für Volkswohlfahrt; von Seeckt, General obers t a. D., Berlin ; Sperr, Stellv. tigter Bayerns zum Reichsrat; Dr. Tübben, Bergrat, Prof. an der Technischen H ochschule Charlottenburg; Wagner, Min.,Rat im Reichsministerium des Innern; Weineck, Generalstabsarzt a. D ., Deutsches Rotes Kreuz, Berlin; Dr. W irth, Prof. an der Technischen Hochschule Charlottenburg; Wo ltersdorf, Prof. an der Technischen Hochschule Breslau; Dr . Zernik, Würzburg, he rausgeg eben von Dr. August Schrimpff in nche n NR. 10 BERLIN , IM OKTOBER 1932 2. JAHRGANG Pol.. Oberst a. D. Zur Fra ge der umun g großer Städte bei Luftan gl'iffsgefahr. I Dip!. In g. Saker1: Der Stollelllbll;u als Luftschutzmaßnahme in Städt en. / Prof. Wirth: Was ist Luftschutz? I Dir. Neubrand: reinigung und Luftschutz. I W. Cohrs: Luftschutzvorarbeiten und Freiwilliger Arbeitsd· ienst. I Dr. Hetze!: atmung un.d Gasschutz . I Auslandsnachrichten. I Vcr schi· ed enes. I Personalnotizen . I Deutsches Rot es Kreuz. I Referate. I Lit' eratur. I Patente. Zur Frage der Räumung großer Städte bei Luftangriffsgefahr Poli z eiober st a. D. Na ge l, München Werden Luftkrieg und die gesamte Militärluft. fahrt nicht grundsätzlich verboten, und gibt es keine unbedingte Gewähr dafür, daß ein solches Ver b ot wirklich und unter allen Umständen ge. hal ten wird, dann steht fest, daß große Städte das Ziel feindlicher Luftangriffe im Kriegsfall werden, wobei es ganz gleichgültig ist, welche Einschränkungen über Luftkrieg und Schutz der Zivilbevölkerung in Abrüstungsverhand lungen ge. t roffen worden sind. Die großen Städte sind fast immer Industrie. und Handelszentren, Sitz wich. tiger Behörden, Verkehrsknotenpunkte, Truppen. lager un d Spei cher für Heeresvorräte und beda rf sow ie Depots und Verteilungsstätten von Leben smi tte ln usw . und somit Quellen militä. ri scher Kraft und nationalen Willens. Wie die Dinge bereits heute liegen, ist j e d e Stadt Deu tsch l ands im Kricgsfalle dem Zugriff feindlicher Bombengeschwader und ihrer Aus. wi rkung ausgeset zt . Bereits 1928 hat dies die inte rn at ionale Sachverst ändigenkommission des Roten Kreuzes in Brüssel unterstrichen. Somit re ein Wunsch der gefährdeten Stadtb evölke. rung begreiflich, den Ort des Schreckens schon vorher zu verlassen. Die rechtzeitige Entfernung aus der bedrohten Stadt erscheint wohl in der Tat als das einzige, si c her e Mittel, das nackte Leben und die wenige Habe, die mitgenommen werden kann, zu retten 1 ). Nun nimmt jedoch an einem künftigen Kriege nicht nur das Heer, sondern auch die Zivil- bevölkerung in der Gesamtheit teil, denn letztere arbeitet mittelbar und unmittelbar für die Be. dürfnisse des Heeres, und die französische Heeresvorschrift sagt mit Recht: "Heer und Volk sind im Zukunftskriege untrennbare Begriffe." Der Fortbestand der staatlichen, städtischen und privaten Werke, der Verkehrseinrichtungen und der Kriegsindustrie, das Weiterarbei t en der Verwaltung, die Sicherstellung der Versorgung, nicht nur des Heeres, sondern auch der Zivil- 1) Vgl. "D i c V 0 1 k s gas s c hut z m a s k e" . Gutacht en für di e zwe it e Sit zung d p. r Commission internationale d'experts pOUt la pr olection des po pula ti ons civil es c onlr e la gue rr e chimique vom 22. bis 27 . April 1929 in Rom, bearbeit et von Dr. RudoU Ha n 8 1 i a n. In der "Zeilschr. f. d. ge •. Schieß· u. Spreng.toHwe.en", Hell 5, 1929.

Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

Citation preview

Page 1: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

Gasschutz und Luftschutz Zeitschrift für das gesamte Gebiet des Gas- und Luftschutzes der Zivilbevölkerung

Mitteilungsblatt amtlicher Nachrichten

Schriftleitung: Dr. Rudolf Hanslian und Präsident Heinrich Paetsch in Berlin

Mit Unterstützung von Dr. Adler, Stll;dthaurat beim Magis tra t Berlin ; von Altrock, Ge neralleuttHlnt a. D ., Berlin ; Dr. Barck, Ministe l'i.a l ~ rat im Ba.dische n Ministerium des Innern ; Bleidorn, Ge neral der ArtiHerie a. D ., tB erlin; Dr. Brandenburg, Min.~ Direktor im Reichsve rkehrsminist er ium ; Dr. jur. Bruns, Univ . ~Pro f.. BerHn ; Delvendahl, Obe rp ostrat im Reichs~ postminis terium; Dr. Dräger, Lübeck ; von Düring, Reiehs v·erband .der Industrie; Dr. EbeIing, R eichsbahndirektor bei der Hauptverwaltung der Deutschen Reiehsbahn gesclls eha ft; Dr. Flury, Univ .• Prof. , Würzburg; Dr. Forstmann, Leiter der tHauptste lle für das Grubenrettungswesen, Essen; Gempp, Oherbranddirektor von Berlin; Gottheiner, Minist eriald'irektor im Reichsministe rium des Innern; Großkreutz, Re'ichs archivrat ; Dr. h. c. von Haeften, Präsi , dent des Reichsarchivs; Dr. HameI, Gch._Rat, Präside nt des Reichsgesundheitsamtes; Hampe, Leiter des Gas~ schutzes de r T echnischen Nothilfe e. v., Berlin; Heinrichs, Oberregierungsrat, Reichspatentamt; Dr. Kottenberg, Beigeordneter des Reichss tädtebundes; Dr. Kremer, Min. ~Rat im Preuß. Ministerium für Handel und Gewerbe; Kretschmar, Vors itzender des Arbeiter~Samariterbundes ; Lummitzsch, Vorstand der Techn. Nothilfe: Dr. Nernst, Geh.,Rat, Univ. ~Prof., Berlin; Neubrand, Direktor, Magistrat Berlin ; Dr. Quasebart, Prof. , Berlin; Dr. Riepert, Bau ~ rat, Berlin; Ronde, Min. ~Rat im Reichswirtscbaftsministerium ; Rumpf, Brandoberingenieur, Königsberg (Ostpr.); Dr. Rüth, Prof. an der Technischen Hochschule Dresden; Sachsenberg, Direktor, Dessau; Dr. Schopoh~ Min. ~Direktor ·im Ministerium für V olkswohlfahrt ; von Seeckt, Generalobe rs t a. D., Berlin ; Sperr, Min. ~Direktor , Stellv. Bevollmäch ~ tigter Bayerns zum Reichsrat; Dr. Tübben, Bergrat, Prof. an der Technischen H ochschule Charlottenburg; Wagner, Min.,Rat im Reichsministerium des Innern; Weineck, Generalstabsarzt a. D ., Deutsches Rotes Kreuz, Berlin; Dr. W irth, Prof. an der Technischen Hochschule Charlottenburg; Woltersdorf, Prof. an der Technischen Hochschule

Breslau ; Dr. Zernik, Würzburg,

hera usgegeben von Dr. August Schrimpff in München

NR. 10 BERLIN , IM OKTOBER 1932 2. JAHRGANG

Pol..Oberst a. D. ~cl: Zur Frage der R äumung großer Städte bei Luftangl'iffsgefahr. I Dip!. Ing. Saker1: Der Stollelllbll;u als Luftschutzmaßnahme in Städten. / Prof. Wirth: Was ist Luftschutz? I Dir. Neubrand: .straßen~ reinigung und Luftschutz. I W. Cohrs: Luftschutzvorarbeiten und Freiwilliger Arbeitsd·ienst. I Dr. Hetze!: Haut~ atmung un.d Gasschutz. I Auslandsnachrichten. I Vcrschi·edenes. I Personalnotizen. I Deutsches Rotes Kreuz. I Referate. I Lit'eratur. I Patente.

Zur Frage der Räumung großer Städte bei Luftangriffsgefahr Polizeioberst a . D . Na ge l , München

Werden Luftkrieg und die gesamte Militärluft. fahrt nicht grundsätzlich verboten, und gibt es keine unbedingte Gewähr dafür, daß ein solches Verbot wirklich und unter allen Umständen ge. halten wird, dann steht fest, daß große Städte das Ziel feindlicher Luftangriffe im Kriegsfall werden, wobei es ganz gleichgültig ist, welche Einschränkungen über Luftkrieg und Schutz der Z ivilbevölkerung in Abrüstungsverhandlungen ge. t roffen worden sind. Die großen Städte sind fast immer Industrie. und Handelszentren, Sitz wich. tiger Behörden, Verkehrsknotenpunkte, Truppen. lager und Speicher für Heeresvorräte und Heeres~ bedarf sowie Depots und Verteilungsstätten von Lebensmitteln usw. und somit Quellen militä. rischer Kraft und nationalen Willens.

Wie die Dinge bereits heute liegen, ist j e d e Stadt Deutschlands im Kricgsfalle dem Zugriff feindlicher Bombengeschwader und ihrer Aus. wirkung ausgesetzt. Bereits 1928 hat dies die internationale Sachverständigenkommission des Roten Kreuzes in Brüssel unterstrichen. Somit wäre ein Wunsch der gefährdeten Stadtbevölke.

rung begreiflich, den Ort des Schreckens schon vorher zu verlassen. Die rechtzeitige Entfernung aus der bedrohten Stadt erscheint wohl in der Tat als das einzige, si c her e Mittel, das nackte Leben und die wenige Habe, die mitgenommen werden kann, zu retten1

).

Nun nimmt jedoch an einem künftigen Kriege nicht nur das Heer, sondern auch die Zivil­bevölkerung in der Gesamtheit teil, denn letztere arbeitet mittelbar und unmittelbar für die Be. dürfnisse des Heeres, und die französische Heeresvorschrift sagt mit Recht: "Heer und Volk sind im Zukunftskriege untrennbare Begriffe."

Der Fortbestand der staatlichen, städtischen und privaten Werke, der Verkehrseinrichtungen und der Kriegsindustrie, das Weiterarbeiten der Verwaltung, die Sicherstellung der Versorgung, nicht nur des Heeres, sondern auch der Zivil-

1) Vgl. "D i c V 0 1 k s gas s c hut z m a s k e" . Gutachten für di e zweite Sit zung d p. r Commission internationale d'experts pOUt la p rolection des popula ti ons civil es conlre la guerre chimique vom 22. bis 27 . April 1929 in Rom, bearbeit et von Dr. RudoU Ha n 8 1 i a n. In der "Zeilschr. f. d. ge •. Schieß· u. Spreng.toHwe.en", Hell 5, 1929.

Page 2: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

bevölkerung mit allem für das Leben otwen­digen liegt im Interesse der Kriegführung. Kurz, man kann sagen: Nahezu alle Erwerbstätigen werden im allgemeinen an dem Ort ihrer bis­herigen Tätigkeit weiterarbeiten müssen, um die zum Krieg notwendigen Bedürfnisse beizubrin­gen, zu denen letzten Endes auch das Geld ge­hört, das nur durch Arbeit beschafft werden kann.

Deutschland besitzt zurzeit 49 Städte mit über 100000 Einwohnern; in denen wohnen fast 17 Millionen Menschen. Abgesehen von der Kriegsnotwendigkeit, die alle Schaffenden am Ort ihrer Tätigkeit auszuharren zwingt, werden wohl auch die Schwierigkeiten des Transportes derartiger Massen, ihrer Unterbringung und Ver. pflegung sowie die begrenzte Erwerbsmöglichkeit auf dem Land und in kleinen Orten eine Räu. mung der Städte in großem Maßstab verbieten.

Voraussichtlich dürfte der Zwang, der auf die Stadtbewohner zum Verbleib ausgeübt wird, nur zum geringsten Teil ein polizeilicher sein müssen. Es ist auch für Deutschland von vornherein un­möglich, einen Krieg zu führen, mit dem die über­wiegende Mehrheit des Volkes nicht einverstan: den ist. Hat sich aber einmal das deutsche Volk von der unabwendbaren Notwendigkeit des Krieges überzeugt, dann wird der nationale Widerstandswille die Hemmungen einzelner über­winden, und es wird mit nur wenigen Ausnahmen jeder an der Stelle, an der er steht oder ein­gesetzt wird, seine Pflicht tun.

Es liegt ferner in der Natur des Menschen, daß er sich nur schwer von seinem irdischen Besitz, und sei dieser noch so gering, trennt, und weiter, daß er eine Gefahr erst dann zu beachten pflegt, wenn sie unmittelbar droht oder schon wirkt, oder wenn er die Folgen bereits gespürt hat. Das Bestreben, den Ort der Gefahr, die Großstadt, zu verlassen, wird daher vor Erscheinen der er s t e n feindlichen Flieger und dem Nieder­sausen der ersten Bomben nicht groß sein, dafür nach dem ersten erfolgreichen feindlichen Flieger: angriff in verstärktem Maß einsetzen. Es ist des­halb mit zwei oder mehreren Wellen zu rechnen. die die Großstadt bis zu einem gewissen Grad entvölkern werden. So sollen Paris na eh der Beschießung durch unsere großkalibrigen Ge­schütze im April und Mai 1918 Hunderttausende verlassen haben. -

Unter Räumung verstehe ich nun nicht nur die Verminderung der in der Stadt befindlichen Per­sonen, Dienststellen und Sachen durch Ent­fernung aus dem Stadtbereich, sondern auch ihre Verteilung aus besonders dicht belegten Stadt­teilen heraus in solche, die dünner besiedelt und weniger gefährdet sind.

Grundsätzlich möchte ich vi e r Arten der Räumung unterscheiden: die natürliche, die plan­mäßige, die verteilende und die widersinnige, panikartige Räumung.

1. Die natürliche Räumung.

Je größer die Zusammenballung von Menschen. je volkreicher also die Stadt und je dichter sie besiedelt ist, desto größer dürften die Verluste bei Luftangriffen sein. Es liegt also ein allge­meiner Abbau der Großstädte im Interesse des Luftschutzes der Bevölkerung; zum mindesten sollte die Bevölkerungsdichte durch Ansiedlung auf weitere Flächen verringert werden. Beides kann durch neuzeitliche Siedlungspolitik, durch Auseinanderlegung lebenswichtiger Betriebe, von

222

Behörden und industriellen Unternehmungen und durch ihre Verteilung auf das Innere des Landes in Fr i e den s z e i te n erreicht werden.

Durch die Einberufung zum Heeresdienst im Krieg wird ein Teil der Einwohner aus der Stadt herausgezogen. Ihre Ausbildung wird wohl zum großen Teil auf Truppenübungsplätzen durch. geführt werden, doch ist es bei der großen An­zahl der Auszubildenden nicht zu umgehen, daß Unterkünfte in Städten zu ihrer Unterbringung herangezogen werden.

Die gleichzeitig mit Hochdruck arbeitende Kriegsindustrie wird die Lücken, die durch die Einberufung entstehen, nicht nur ausfüllen, son­dern noch darüber hinaus Einstellungen vor­nehmen müssen. Der Bedarf an Arbeitskräften wird zum größten Teil der Bevölkerung der Stadt selbst (Frauen, alte Leute, Jugendliche) ent­nommen; doch wird die gesteigerte Verdienst­möglichkeit auch Zuzug aus dem Lande bewirken. Immerhin wird sich alles in allem die Bevöl. kerung der Stadt mit der Mobilmachung ver: mindern; durch rechtzeitig eingeleitete Polizei­maßnahmen kann ein unnötiger und unerwünsch­ter Zuzug verhindert werden.

Nun gibt es in einer Großstadt noch eine Reihe von Menschen, die, wirtschaftlich unabhängig, mit der Kriegswirtschaft nicht unmittelbar verknüpft und auch sonst in der Stadt entbehrlich sind (bouches inutiles). Sie werden aus eigenem An­trieb und mit eigenen Mitteln bei drohender Kriegsgefahr die Stadt verlassen, um in 'Wochen­endhäusern, Sommersitzen, in Sommer- und Win­teraufenthalten, Bädern oder bei Verwandten auf dem Lande die Gefahr abzuwarten. Wie groß die Zahl dieser Menschen sein dürfte, wird sich aus späteren Betrachtungen ergeben. Durch Be. lehrung und Aufforderung kann die Zahl derer, die rechtzeitig von diesen Möglichkeiten Ge­brauch machen, wohl erhöht werden. Da jede Großstadt, jedes Industriezentrum in einem künftigen Krieg einer Festung gleichzuachten ist, die durch Luftangriffe belagert werden kann, so ist das Bestreben, die unnützen Esser aus ihr zu entfernen, berechtigt; da dies aber gleichzeitig im ureigensten Interesse der Beteiligten selbst liegt und ein hier ausgeübter Zwang die Stimmung untergraben und den Staat mit den Schwierig­keiten und Kosten der Abwanderung belasten würde, muß der Entschluß, sich in Sicherheit zu bringen, zunächst jedem einzelnen selbst über. lassen bleiben. Diese Bevölkcrun~sschicht wird teils mit Kraftwagen, teils mit öffentlichen Ver­kehrsmitteln. zum Teil wohl auch zu Fuß zu ver­schiedenen Zeiten in mehreren Wellen die Stadt verlassen. Besondere Maßnahmen einer plan. mäßigen Regelung der natürlichen f<.äumung er· scheinen nicht erforderlich.

2. Die planmäßige Räumung.

Durch sie sollen mehr oder minder große Be. völkerungsteile mit behördlicher Unterstützung aus dem Stadtbereich entfernt und auf dem Land oder in kleineren Orten für die Zeit der Luft. gefahr untergebracht werden. Die Schwierig: keiten einer solchen Räumung sind sehr groß. Schon die Frage, wohin der Strom der Flücht­linge gelenkt werden soll, ist nicht einfach zu beantworten. Die nächste Umgebung muß für diejenigen Erwerbstätigen offengelassen werden, die wegen Gefährdung oder Zerstörung ihrer Wohnstätten, oder weil sie bei Luftangriffen keinen Schutz in der Nähe ihrer Wohnung finden

Page 3: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

können, unterzubringen sind, denn sie müssen in erreichbarer Näh e ihrer Arbeitsstätte bleiben (vgl. Abschnitt 3).

Ein Teil des Landes kommt als Grenzgebiet nicht in Frage oder wei l es die aus diesem Gebiet zurückgenommenen Menschen aufnehmen soll. Nicht jede Gegend ist imstande, die nötige Un~ terkunft und vor allem die nötige Verpflegun g für die Flüchtlinge sicherzus tellen. Endlich muß eine Oberfüllung einzelner Orte wegen der hi e r~ aus entstehenden Gefahren (feindliche Flieger~ angriffe, Verb reitung ansteckender Krankheiten, Entstehen von Seuchen usw.) vermieden werden.

Je größere En tfernungen die Transporte zu~ rückzul egen haben, desto kostspieliger und zeit~ raubender gestalten sie sich. An sich wä re die Organisierung des A btransportes von Hundert~

länger eine Einquartierung dauert, desto mehr erwachsen Zank, Streit und Unzufriedenheit. Übertriebene Gerüchte, Furcht, ja Panik können durch Flüchtlinge unter einer Bevölkerung ver~ breitet werden, die durch Luftangriffe gar nicht bedroht ist; kurz, es besteht die Gefahr, daß die Stimmung im Volk untergraben wird gerade dort, wo die Luftangriffe ihre zermürbende Wirkung nicht oder doch nur im geringen Maße ausüben könnten.

Handelt es sich um Hilfsbedürftige oder Kranke, so müßte für ärztliche Behandlung sowie für W artung und Pflege gesorgt werden.

Die vorstehenden Beleuchtungen, die keines~ wegs das Problem erschöpfen wollen, zeigen wohl bereits, daß weder die Gesamtheit noch ein Großteil der Bevölkerung für eine planmäßige

Alarmtrupp der rumänischen Polizei bei einer Luftschutzübung in Bukarest.

tausenden von Menschen durch die Eisenbahn keine unüberwindliche Schwierigkeit, muß diese doch im Kriege noch viel größere Massen forb bewegen . Aber gerade der Truppenaufmarsch, die Truppenbewegung, die Umstellung der In~ dustrie, die Versorgung der Truppen beansprucht alle Transport~ und Verkehrsmittel in so hohem Maße, daß eine Massentransportbewegung höeb stens vo r di eser Zeit durchgeführt werden könnte. Aber auch die vorhandenen Kraftwagen und der für sie benötigte Betriebss toff werden nicht unbeschränkt zur Verfügung stehen, da sie zum großen Teil für H eereszwecke beansprucht werden. Dazu kommt, daß nur verhältnismäßig wenige Flüchtlinge imstande sein werden, die Kosten der Flucht und des Lebens im fremden Ort selbst zu tragen. Es müßte also der Staat für den größten Teil der sehr erheblichen Kosten aufkommen. Erwerbsmöglichkeiten werden sich nur für eine geringe Z ahl von Flüchtlingen finden.

Die Schwierigkeiten, die sich aus Unterkunft und Verpflegung von Flüchtlingsmassen ergeben, sind ohne weiteres klar. Hinzu kommt, daß, je

Räumung in Frage kommt. Ob nun wenigstens die eine oder andere Bevölkerungsgruppe aus dem Stacltbereieh planm äßig entfernt werden kann , soll nachstehend an der Bevölkerungs~ gliederung einer mittleren Großs tadt (München) unte rsucht werden.

Die Bevölkerung Mi.inehens besta nd im Jahre 1929 (nach dem baye rischen sta ti s ti schen Jahr~ buch) a) zu 52,62% aus Erwerbs~

tä tigen . . . . 368340 Personen b) zu 17,21% aus Ehefrauen

ohne E rwerbs tätigkeit . 120470 Personen e) zu 19,51 % aus sonstigen

Familienangehörigen . . 136570 Personen cl) zu 10,66% aus Rentnern,

Pensionisten und von Un~ terstützung Lebenden = 74620 Personen

im ganzen rund = 700000 Personen

Die Zahlen nähern sich den durchschnittlichen W erten der übrigen Großstädte; so waren um die gleiche Zeit in Berlin 54%, in allen deutschen

223

Page 4: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

Großstädten zusammen 50,3 % de r Einwohner erwerbstätig.

Bei Kriegsbeginn wird sich die P rozentzahl der Erwerbs tätigen auf Kosten von b , e und d noch erhöhen. A lle diese komm en, wie wir gesehen haben, für einen Abtransport nicht in Betracht.

V on den Ehefrauen wird außerdem ein großer T eil durch die Führun~ des H aushaltes und die Beaufsichtigung de r Kinder unentbehrlich uno den Erwerbs tätigen gleiehzuachten sein. Die son~ stigen Familienangehörigen sind de r H auptsache nach Kinder : rund 50000 noch nicht im schul~ pflichti gen A lter, 53 000 in der Volksschule, der Rest in anderweiter A usbildun g. Eine Um~ schulun~ der Kinder im großen U mfang, wie sie durch eine Entfe rnung aus der Stadt notwendig würde, is t ni cht möglich und auch unerwünscht. Durch die Einberufung von Lehrkräften zum H eeresdienst ist der Schulbetrieb an sich schon erschwert, eine U mschulung ein er größeren An~ zahl von Schülern scheitert daher schon aus ManIlei an Lehrkräften, Schulräum en und Leh p mitteln in den neuen Unterkunftsorten .

Die U nlli eichheit des A usbildungsg rades und der Lehrpl äne, die Oberfüllung von Schulklassen würden all zu große achteile für die Fortschritte der Schül er mit sich bringen. Bei Mittelschul en und höheren Lehrans talten wären diese Nachteile völlig unüberwindbar.

Es ~äbe nur einen W eg, wenigs tens einen T eil de r Schül e r auf beschränkte Z eit den G efahren von feindlichen Bombenangriffen zu entziehen, nämlich die zeitweise V erlegung ganzer Schul~ kl assen mit ihren Lehrern im W echsel von ein bis drei Monaten in Jugendh erbergen und ähn~ li che A nstalten. In Bayern könnten z. B. in 78 .Tu gendheimen 51]7 Schüler beherbergt werden, in Deutschland gab es 1929 im ganzen 2184 .Tu gendh erbergso rte mit Belegstärken von 30 bis 50 Personen. Davon sind allerdings eine A nzahl von Hcimen abzuziehen. die sich in Großs tädten odcr in G renzbezirken befinden. Im V crein mit Behelfs~ und Hilfsherbergen könnte jedoch im ~ merhin eine große Zahl von Schulklassen, die in besonders gefährdeten Gegcnd en der Städte untergebracht sind. für längere Z cit aus dem Ge~ fahrenbereich entfernt werden , ohne daß der Unterricht unterbrochen werden müßte. Daß oiese Rcgelung noch manche and eren Vorteil e hätte, lieg t auf der H and . Die ents tehenden Kosten sind an sich gering, könnten aber trotzdem von der Mehrzahl der Eltern ohne s taatlich en Zu~ schuß wohl nicht getragen werden. Immerhin cr~ scheint ein derartiges V erfahren wünschenswert.

Im allgemeinen aber muß da ran fes tgehalten werden, daß die schulpflichtigen Kinder, von Ausnahm en abgesehen, in ihren bisherigen Schulen und damit in der Großstadt zurück< bleiben. Ihr Schutz gegen Fliegerangriffe bi etet keinen wesentlichen Unterschied gegenüber dem von Erwachsenen , ihre Entfernun g aus dem Ge~ fahrenbereich ist dah er auch ni cht so drin glich nö tig, wie z. B. bei Kindern im e rs ten Lebensjahr.

Die Sterblichkeit der Kinder im ers ten Lebens ~ j ahr ist immer noch verhältnismäßig hoch; so s tarben im Jahre 1930 in den 49 Großstädten D eutschlands 8% der Lebendgeborenen unter einem Jahr. D er Schutz diescr Kinder gegen chemische Kampfmittel ist problematisch. D a sich die Wirksamkeit eines chemischen Kampfstoffes nach der Größe und insbesondere nach dem Ge; wicht des zu vergiftenden Individuums richtet ,

224

sin d kleine Kinder durch sie s tärke r gefährdet als Erwachsene. A ußerdem kann der erzwungene A ufc nthalt in Kellern mit seinem Temperatur~ wechsel, der Feuchtigkeit, de r schlechten Luft , verbunden mit de r allgemeinen A ufregung, ihre Gesundheit gefährden.

A ndercrseits hat der Staat aber gerade an der Rettun g der Kinder cin besondercs Interesse ; sie sind der Nachwuchs an A rbeitskraft und In~ telligenz. Es wä re also ein Gebot der Selbsterhab tu ng, sie in erster Linie in Sichcrheit zu bringen . Sie müssen aber aus gesundh eitlichen und cthischen G ründen mit ihren Müttern vereint bleiben. Diese haben wiede rum häufig weitere Kinder, bis zum 6. Lebensjahr (Schulbeginn), die nicht all ein ohne A ufsicht un d Erziehung gelassen we rden könncn. Sind gleichzeit ig auch noch sehul~ pflichtige Kinder in der Familie, so müßten sie bei einer Abreise der Mutter anderweitig, z. B. bei Verwandten, in Kindergärten, Kinderhorten u. dg\. , ve rsorgt werden, soweit s ie nicht selbst dazu imstande sind.

Im Jahre 1929 wurden in München 9964 lebende Kinder geboren ; zieht man von dic er Summe dic Kinder, die im ers ten Lebensjahr s ta rben , ab , so~ wie die Mütter, die in weniger gefährdeten Stadb gegenden (z. B. Eingemeindun gcn außerhalb dcs Stadtkerns) wohnen, oder die aus irgendeinem anderen G run d auf die s taa tliche U n te rs tütZlln t! verzich ten können odcr müssen, so bl ciben für den Abtransport sehätzun gsweisc rund 8000 Frauen mit Kindern unter ein em Jahr, zu denen noch etwa 8000 ältere G eschwister bi s zum schul ; pfliehtigen A lter kommen, also rund 24 000 Per~ sonen. Für die 49 G roßs tädte des Reiches e r~ geben sich bei einer Einwohnerzahl von ]6,8 Mil ~ li onen und bei 13 Geburten auf ]000 Einwohner und bei den oben genannten Einschränkungen 200000 Frauen und etwa 400000 Kinder .

D er Transport mit Eisenbahn und Kraftw agen dürfte bei der verhältnismäßig kl einen Z ahl von Personen durchführbar scin ; auch U nterkunft und V erpflegung werden sich e rmöglichen lassen. Es kommen hierfür in erster Linie di e Erholun gs~ heime von Beamtenorganisationen , von V ereinen und privater N atur in Betracht, sodann auch Sanatori en, Gasth äuser und Privatquartiere in Bäde rn , Sommerfri schen und Wintersnortorten . Die für di e Familien notwendi ge V erpfl egung ist in diesen Orten unschwer zu beschaffen ; ärzt~ liehe Fürsorge und die nötille Pflege werden sich in den meis ten Fällen in genü gendem U mfang vor~ findcn. vielleicht wird sich nur das Fehlen von Spezialä rzten un angenehm geltend machen ; feh< lende Pflege könnte durch freiwilli ge H elferinnen oder durch die gegenseitige Hilfe der Frauen selbst ergänzt werden.

W esentlich schwieriger is t die finan ziell e Dureh ~ führun g des Unternehm ens. Die meisten Frauen werden zu den unbemittelten gehören. womöglich !1an z oder teilweise durch Erwerbstätigkeit den Unterhalt der Familie bestreiten müssen, oder sie gehören zum Mittels tand. der di e Kosten des ge~ trennten H aushaltes und eines längeren auswär~ tigen A ufenth altes eben owenig zu tragen im ~ s tande is t. Rechnet man nun für eine Familie aus öffentlichen Mitteln einen durchschnittlichen täg~ lichen Zuschuß von 3 RM. , in dem die Kosten für Hin. und Rückr ise. Arzt u. dg\. enthalten sind. so würde sich für 8000 Familien der Betrall von 24 000 RM . im Tag und 2,4 Millionen RM. in 100 Tagen ergeben ' (für 200000 Familien 60 Mi!.

Page 5: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

lionen in 100 Tagen). Wenn diese Zahlen auch als Höchstziffern anzusprechen sein dürften, so sind die Kosten doch so hoch, daß sie besonders bei länger dauernden Feindseligkeiten eine sehr starke Belastung der öffentlichen Mittel dar: stellen.

Weitere Schwierigkeiten erwachsen aus der Gefahr der Verbreitung ansteckender Krank> heiten und Seuchen bei dem Nahe:bei:einander: Wohnen der Kinder, ein Nachteil, der aber wohl durch die gesündere Umgebung und Verpflegunf! wieder ausgeglichen werden wird.

Aus moralischen Gründen ist die Zerreißung der Familien, aus wirtschaftlichen die Loslösung aus dem Haushalt und dem Erwerbslcben un: erwünscht. Dagegen kann eingewendet werden, daß der Aufenthalt von einem Jahr den äußersten Grenzfall bedeuten würde, die meisten Frauen jedoch viel früher ihrer Familie und ihrer Tätig~ keit zurückgegeben werden.

Unüberwindlich erscheinen also die Schwierig ~ keiten nicht. Sie wachsen jedoch sofort außer~ ordentlich, wenn die Räumung auf alle Kinder bis zum schulpflichtigen Alter ausgedehnt würde; es würden sich hier Zahlcn ergeben, bei denen Un~ terbringung, Transport und Kosten schon ins Un' tragbare wachsen (in den Großstädten Deutsch: lands rund 1200000 Kinder unter 6 Jahren.)

Der unter "d" aufgeführte Rest der Stadtbevöl ~ kerung (Pensionisten, Rentenempfänger usw.) wird zum Teil im Kriegsfall wieder zu den Er~ werbstätigen treten, zum Teil beim Luftschutz eingesetzt werden und deshalb in der Stadt zu ~ rückbleiben müssen. Die Mehrzahl aber wird zu den Menschen gehören, die aus eigenem Antrieb und mit eigenen Mitteln die Stadt verlassen könnten.

Es werden sich hierunter aber auch eine An~ zahl von Personen befinden, die wegen hohen Alters, Gebrechlichkeit oder Krankheit nicht im~ stande sind, aus eigener Kraft die nötigen Sehutz~ maßnahmen oder die rechtzeitige Flucht zu er: greifen. Ein allgemeiner Abtransport aller dieser Leute wäre mit denselben und noch größeren Schwierigkeiten wie der von Frauen und Kindern verknüpft. Das staatliche Interesse an ihrer Ret: tung ist jedoch geringer wie bei diesen, so daß der Staat wohl kaum die damit verbundenen Nachteile und Kosten auf sich nehmen wird. Sie werden daher sich selbst und der Fürsorge durch ihre Familie überlassen bleiben.

Alles in allem kann gesagt werden: Eine plan, mäßige Räumung einer Großstadt kann nur im kleinsten Ausmaß ins Auge gefaßt werden, und es erscheint fraglich, ob sich ein Staat wegen der entstehenden Kosten und sonstigen Schwierig: keiten an eine solche überhaupt heranwagen wird. Der Großstädter ist eben im großen und ganzen auf Gedeih und Verderben an seine Stadt ge: bunden und muß d iesem Umstand durch ge: eignete sonstige Luftschutzmaßnahmen Rechnung tragen. .

Einzelne planmäßige Räumungsmaßnahmen klei: neren Umfanges werden jedoch nicht zu umgehen sein und schon im Frieden sorgfältig vorbereitet werden müssen.

Zu ihnen gehört die Verlegung einzelner wieh~ tiger Zentralbehörden und ähnlicher Organe, die ein erstrebenswertes Ziel feindlicher Luftangriffe sein werden. Vorzubereiten ist hier nicht nur die Unterbringung, sondern auch die Vorsorge für alle Einrichtungen, die das unbehinderte Weiter: arbeiten ermöglichen, wie Fernsprechleitungen,

Beleuchtung, Verbindungsdienst; Schutz gegen Luftangriffe muß naturgemäß auch in der neuen Unterkunft berücksichtigt sein.

Die Entleerung von Krankenhäusern, Sana: torien, Irrenanstalten, Gefängnissen und ähn~ lichen Anstalten, in denen mehr oder minder hilflose Personen untergebracht sind, wird nur in solchen Fällen ins Auge gefaßt werden können, in denen eine Gefährdung durch Luftangriffe wahr: scheinlich ist, da es sehr schwierig sein wird, ge~ eignete Unterkünfte für die Insassen zu finden. Gcfangenenanstalten usw. werden sich meist in Vororten oder an der Peripherie der Stadt be~ finden und daher nicht wesentlich mehr gefährdet sein als solche in kleineren Orten. Werden sie jedoch infolge ihrer Lage (Nähe besonders ge­fährdeter Punkte oder kriegswichtiger Betriebe) in den Bereich feindlicher Luftangri He voraus~ sichtlich einbezogen, so wird es schon aus Gründen der allgemeinen Sicherheit notwendig. sie vorher ganz oder teilweise zu räumen. In welche Anstalten die Insassen übergeführt werden können und wie dort Platz geschaHen wird, müßte schon im Frieden eingehend überlegt und durch auf dem laufenden gehaltene Anweisungen vorberei tet werden.

Auch an den Abtransport von kriegswichtigen, in der Stadt selbst nicht benötigten oder von leicht brennbaren Vorräten, ja auch von wert' vollen, unersetzlichen Kunstgegenständen muß gedacht werden. Jedes derartige Lager oder jede solche Sammlung ist mit einer Anweisung zu ver, sehen, aus der hervorgeht, wohin und mit wel~ ehen Mitteln die Gegenstände bei drohender Kriegsgefahr zu senden sind. Die zweckmäßige Verteilung im Lande erfordert genaue Ober~ legung, um die neuen Lagerorte nicht durch über' mäßige Ansammlung wertvoller Bestände selbst zu gefährden.

Ober die planmäßige Räumung besonders ge: fährdeter oder zerstörter Stadtteile wird im näch, sten Abschnitt gesprochen werden.

3. Die verteilende Räumung. Es ist außerordentlich schwer, sich eine Vor'

stellung von den Menschenbewegungen in den Städten vor, während und nach Luftangriffen zu machen, ob, in welchem Umfang und zu welchen Zeiten eine Flucht aus der Stadt einsetzt. Selbst die Möglichkeit, die sehr ungenauen Schätzungen durch amtliche Erhebungen genauer zu gestalten, sei dahingestellt, weil sich die Verhältnisse und Willensmeinungen allzusehr ändern und sich die Wirkungen feindlicher Luftangriffe nicht voraus~ sehen lassen. Wahrscheinlich wird erst nach einem wirkungsvollen Luftangriff, dann vielleicht aber gleich eine sehr starke Welle von Flüchtlin: gen aus den gefährdeten Bezirken herausströmen; nach eingetretener Beruhigung wird die Flut zum Teil wieder zurückebben, ein Teil wird in der ge~ fundenen Unterkunft bleiben, ein Teil weiter ins Land gespült werden.

Bei dieser Bewegung handelt es sich nicht um einen Abtransport in entfernte Gegenden, son: dern um die Massen der Bevölkerung, die großen~ teils aus wirtschaftlichen, erwerbstätigen und sonstigen Gründen gezwungen sind, in der Nähe der Stadt zu verbleiben, jedoch durch die Angst vor der Gefahr oder durch die Zerstörung oder Vergiftung ihrer bisherigen Wohnstätten aufge, scheucht wurden.

Kann nun dieser Strom durch behördliche Tätigkeit in geordnete Bahnen gelenkt werden?

225

Page 6: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

Wenn es auch nicht ohne Mißhelligkeiten ab. gehen wird, so kann doch Unordnung und Panik> stimmung durch Aufklärung und Belehrung hintangehalten, die Unterbringung und Ver> sorgung der Flüchtlinge und die Erleichterung des Verkehrs von der neuen Unterkunft zur Arbeits: stätte vorbereitet werden. Die Flucht selbst wird wohl die öffentlichen Verkehrsmittel stark in An; spruch nehmen, sich jedoch nicht auf Stunden, sondern auf Tage, vielleicht \Voehen verteilen .

Für die Unterbringung kommen in erster Linie die Außenbezirke und die Wohnorte in Frage, die durch den Vorortsverkehr an elie Stadt angeschlossen sind. Es wird daher notwendig, an allen diesen Orten die Unterbringungsmöglich > keiten nach Quartieren für Familien und Einzel > personen und Massenlagern, die sich für vorüber> gehenden Aufenthalt oder länger dauerndes Ver> bleiben eignen, zu erkunden und sie der Bevölke> rung rechtzeitig und in geeigneter Weise bekannt> zugeben. Die Verteilung wird sich im all gemeinen von selbst regeln, doch wird auch zwangsweise Einquartierung nötig werden . Anzustreben ist, daß der Verkehr besonders durch das Innere der Stadt möglichst wenig belastet .wird. Die Zahl der Unterkünfte ließe sich durch Bereitstellen von I-1olzhäusern, Baracken (oder Baumaterial hierzu), ausgedienten Eisenbahnwagen in klei> neren Ortschaften oder in Wäldern der Stadt> umgebung und durch Sicherstellung von Lager> stellen (Stroh, Strohsäcke, Decken) vermeh ren. Der Mangel an Kellern zum Untertreten wäre durch die verhältnismäßig sichere Lage oder durch Ausheben von Gräben und Erd löchern zu beheben. In Fra n kr eie h ist als Luftschutz> maßnahme die Anlage von Schutzgräben in öffentlichen Anlagen, auf freien Plätzen der Stadt> peripherie usw. überall dort vorgesehen, wo zur Aufnahme von Passanten oder Inwohnern keine entsprechenden oder ausreichenden Schutzräume vorhanden sind.

Ebenso wichtig ist die Bekanntgabe der Orte, in denen die vorhandenen Unterkunftsmögli ch > keiten erschöpft sind.

Um dem Ansturm auf öffentliche Verkehrs> mittel der Stadt, der Post und der Eisenbahn be> gegnen zu können, müssen diese für die voraus> sichtlich eintretenden Fälle grundsätzlich bereit> gestellt werden, selbst auf die Gefahr hin, daß sie nicht gebraucht werden. Da ein Teil dieser Verkehrsmittel als Folge von Luftangriffen oder aus milihirisehen Gründen ganz oder teilweise ausfallen kann, wird der Hilfsdienst des Lu ft> schutzes mit seinem Kraftwagenpark aushelfen müssen.

Da viele Erwerbshitige nach der Flucht dauern > den Aufenthalt außerhalb des Stadtkerns nehmen, müssen die Verkehrseinrichtungen dorthin er> weitert werden. T n Friedensvorbereitungen wären alljührlieh die hierzu vorhandenen Möglichkeiten festzulegen.

Über die ganze Stadt verteilte Auskunftstellcn (Polizeibezirke, Reviere und andere) unterrichten das Publikum laufend über Verkehrseinrichtungen und Unterkunftsmöglichkeiten am besten durch ausgehängte plakatartige Skizzen. Die Verdich> tung der Bevölkerung in der Peripherie und Um> gebung der Stadt macht eine Verstärkung der dort vorhandenen Gendarmerie und Polizeikräfte notwendig, die verlassenen Häuser und Stadt> viertel müssen bewacht werden. Bei der sonstigen starken Beanspruchung der Polizei in diesen Lagen

226

wird hierzu Hilfspolizei aufgerufen und verwen> det werden müssen. Die Verkehrsänderungen können besondere Maßnahmen der Verkehrs> polizei notwendig machen.

Durch die Verschiebung größerer Bevölkerungs. teile innerhalb einer Stadt und in ihrer Umgebung werden sich auch wirtschaftliche Schwierigkeiten verschiedener Art ergeben; so sollte z. B. Vor> sorge getroffen werden, daß die kleinen Ge> schiiftsleute, die ihren Kundenkreis durch die Ab~ wanderung verlieren, Gelegenheit erhalten, ihre bisherige Tätigkeit in den neuen Unterkunfts> orten auszuüben; auch wäre zu verhindern, daß sie du reh massenhaftes Au ftreten neuer Händler ihren Erwerb verlieren, andererseits dürfen nur teilweise von den Bewohnern verlassene Stadt> gegenden nicht ganz von lebenswichtigen Ge> sehä ften en tblößt werden.

Die Lebensmittelversorgung macht keine be> sonderen Schwierigkeiten, weil ihre Verteilung auf der bisherigen Basis aufgebaut werden kann.

Der Preistreiberei, aber auch dem Verkauf ge­s tohlener Gü ter ist besonderes Augenmerk zu ; zuwenden.

Nur von ein e m Tei l der Flüchtlinge läßt sich die voraussichtliche Anzahl genauer feststellen, nämlich von den Personen, die durch eine plan> l~läßig vorgesehene Räumung be s 0 nd crs ge ; f ii h r d e t e r Stadttei le obdach los werden. Der Gcfährdungsgrad einzelner Stadtteile richtet sich nach ihrer Bedeutung für einen feindlichen An > griff und nach ihrer Empfindlichkeit gegenüber Luftangriffen. Man k a n n dan ach ein e Stadt in Zonen verschiedener Ge > f ii h r dun g s g rad e ein te i I e n, in solche. die nur Zufallstreffern ausgese tzt sind, und solche, die stark gefährdet erscheinen . Nur bei letzteren wird von der Räumung Gebrauch ge> macht werden. Sie muß jedoch besonders sorg> fältig vorbereitet sein, weil den Obdachlosen die Möglichkeit gegeben werden soll, ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, und weil die Ord> nung und Bestimmtheit, mit der diese ersten Aus~ quartierungsmaßnahmen vorgenommen werden, einen beruhigenden Eindruck auf die Bevölkerung ausüben werden.

Die Schwierigkeit der freiwilligen und zwangs; weisen Räumung von S ta d t t e il e n, die dur c h L u f t a n g r i f fez crs t ö r t si n d, er, höht sich mit der Zahl der Personen, die obdach, los geworden sind; ist sie gering, kann ihre Ver> teilung innerhalb unbeschädigter Stadtteile (Schulen, leerstehende "Vohnungen u. dgl.) er> folgen; sobald s ie größer wird, ist die Unterbrin> gung in Außenbezirken und in der nächsten Um> gebung der Stadt notwendig, um die Bevölke> rungsdiehte des Stadtinnern nicht in unnötiger Weise zu vermehren. Es sollten daher von Kriegs~ beginn an stets Unterkünfte für eine Anzahl solcher Obdachlosen bereitgehalten und für an, dere Abwanderer gesperrt bleiben. für die Ab, beförderung von Personen und Sachen müssen Transportmittel bereitgestellt und je nach der Sach lage verkehrstechnische Vorbereitungen ge' troffen werden.

4. Die widersinnige, panikartige Räumung. Bei der Unvernunft und Unberechenbarkeit der

Menschen, sobald sie in Masse auftreten, ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß bei Fliegeralarm oder feindlichen Luftangriffen der Versuch zur Massenflucht aus der Stadt einsetzt, der zur Panik und damit zu schwereren Verlusten führen

Page 7: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

kann, als sie durch Bombeneinschläge hervor~ gerufen werden.

An sich ist dcr Sclbsterhaltungstrieb verständ~ lieh, und kaum kann man es dem Besitzer eines Kraftfahrzeugs verübeln, wenn er rasch aus dem Gefahrenbereich zu entkommen versucht. In zehn Minuten könnte er aus dem Kern der meisten Shidte in Vorstädte und frcies Gelände gelangen. Die einzelnen Kraftfahrzeuge, die sich bei Flieger~ alarm bereits auf dem Wege aus der Stadt heraus befinden, habcn vielleicht Aussicht, die Stadt noch verlasscn zu können. Gesellt sich jedoch zu ihnen die Masse der sonst noch in der Stadt bc~ findlichen Kraftfahrzeuge und Fahrräder, so wird es bald an den Ausfallstraßen zu solchcn Ver; kehrsstockungen und Verstopfungen kommen. daß die Aussicht, durchzukommen, für alle trotz aller Bemühungen zur Verkehrsregelung immer geringer wird. Zurzeit trifft in München auf 27 Einwohner ein Kraftfahrzeug, rechnet man die für den Heeresdienst bei der Mobilmachung be ~ sehlagnahmten Fahrzeuge sowie die Fahrzeuge ab, die nicht fahrbereit sind, so wird man doch bei einer Berechnung von einem Kraftfahrzeug auf 50 Personen nicht zu hoch greifen; dies bedeutet jedoch für 'lünchen eine Zahl von über 14000. in Berlin von mehr als 80000 Kraftfahrzeugen. \Venn auch nur die Hälfte dieser Fahrzeug~ besitzer von dem Fluchtgedanken ergriffcn wird. und sich diese Fahrzeuge auf verschiedene Aus~ fallstraßen verteilen, so treffen dort unter Um~ ständen doch schon Tausende von F ah rzcugen zusammen, zu denen sich noch der Gegenverkehr und Zehntausende von Radfahrern und Fuß~ gängern hinzufinden können.

Doch abgesehen von den hierdurch hcrvorgeru­fenen Stockungen und Verstopfungen, ist es be ~ reit an sich sehr fraglich, ob die nötige Zeit zur Flucht aus der Stadt überhaupt vorhanden ist. Nieht jeder Wagen ist sofort abfahrbereit, durch das Einskigen und Mitnehmen von Gepäck, durch kopfloses Verhalten wird Zeit verloren. fJ:.\bei geht die Zeitberechnung für die Flucht> möglichkeit davon aus, daß der Fliegeralarm 10 Minuten vor dem Luftangriff erfolgt und all : g~lllein bekannt wird; die bisherigen Versucht· baben jedoch gezeigt, daß selbst, wenn die bis~ heligcn Ergebnisse durch intensivere Ausbildung "erbe sert werden, die oben angenommene larm~

Der Stollenbau

frist nur unter günstigsten Verhältnissen erreicht werden wird.

'Wird aber die immer mehr anwachsende Zahl von Kraftfahrern und Radfahrern in den Straßen der Stadt von dem einsetzenden Luftangriff über~ raseht, so ist die Gefahr für sie zweifellos größer, als wenn sie sich vorher in Ruhe in die vorhaw denen Sehutzräume begeben hätten. Viele Insas~ sen werden halten, um in die nächstgelegenen lläuser zu fliehen, deren Keller jedoch schon b(' ~ setzt sind, andere versuchen rücksichtslos weiter~ zufahren, wieder andere wollen umkehren oder sich in Nebenstraßen retten. Die Wirkung \"on Bomben, die in diese sich immer mehr verwip renden 'lassen fallen, kann man sich ausmalen. Für Radfahrer oder gar Fußgänger ist die Mög : liehkeit, sich durch Flucht zu retten, noch viel geringer. vVas von seiten der Verkehrspolizei zur Regelung des Verkehrs und zur Verhütung von Paniken in solchen Fällen geschehen kann. ist im Januarhcft 1932 dieser Zeitschrift von Polizei~ major La n ~ e n s ehe i d t in "P 0 li z eil ich e Ver k ehr s r e gel u n gun d L u f t s c hut z" eingehend behandelt.

Aufklürung und öffentliche vVarnung vor einer derartigen unsinnigen Massenflucht, Aufforde,: rung, schon bei vermehrter Wahrscheinlichkeit von Luftangriffen, die auf Grund der \Vetterlage und feind nachrichten bekanntgegeben wird, jeden unnötigen Verkehr zu unterlassen, können zur Einschränkung solcher Paniken beitragen.

Bei a k u te r Gefahr dürfte es am be ten sein, je den Verkehr, wenn nötig mit Gewaltmitteln, schlagartig in der ganzen Stadt abzustoppen und die Insassen der Fahrzeuge zum Aufsuchen der Schutzräume zu veranlassen.

.Tcdenfalls werden die Behörden durch u n v 0 r~ her g e s ehe n e M ass e n b ewe gun gen in der Bevölkerung sehr schwierige Fragen zu be ~ antworten haben, insbesondere erfordert die Un~ terbringung und der Verkehr, der Massentrans~ port von Menschen und Gütern weit voraus< schauende Maßnahmen. Es gilt auch hier der Grundsatz, daß man sich durch keine Ereignisse überraschen lassen darf, und somit glaube ich, daß die Behandlung der Räumungsfrage weiter erörtert werden muß, wozu die vorstehende Ar~ beit anregen soll.

als Luftschutzmaßnahme in Städten Dip!. Ing. Kurt Sc k e r 1 f Berlin

Tm ganzen Deutschen Reieh sind nun die Luft: schutzbeiräte im Entstehen oder auch schon an der Arbeit. Da geht nun in der Stadt A. Bau ~ rat B. mit Eifer daran, seine ihm neu auferlegte Pflicht zu erfüllen. Erst durch seine Wahl in den Luftschutzbeirat wird er mit dem Problem in Be~ rührung gebracht, und er versucht, sich nun ein Bild davon zu machen, wo er mit seiner Arbeit einsetzen soll. Da Baurat B. den Krieg mit~ gemacht hat, so gilt sein erster Gedanke dem sogenannten "Heldenkeller" . Er will gründliche Arbeit leisten und macht es sich deshalb zur ersten Aufgabe, einen Überblick zu gewinnen, wo und wieviel solcher Hcldenkeller zur Verfügung stehen. Er beginnt seine Arbeit im Tnnern der

Stadt. In alten, sehr alten Häusern finuet er tiefe, schmale, gewölbte Keller. Die Häuser sind nicht ganz unterkellert, aber er freut sich darLiber, denn er sieht, daß man in den Kellern zwar kaum &tehen kann, dafür aber die Kellergewölbe knapp über die Straßenoberfläche hinausgehen. Die Keller haben nur kleine Fenster und bekommen wenig Licht. Aber es lassen sich hier doch eine ganze Menge Menschen unterbringen. Schlechter immer schlechter werden die Verhältnisse, je neuer die Bauten werden. Die Kellermauern neh ~ men ständig an Stärke ab, immer höher wird die Kellersohle gelegt, ja Häuser werden angetroffen, wo diese zu ebener Erde liegt. Nun kommt Bau< rat B. an einen Neubau . Er sicht, die Keller~

227

Page 8: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

wände werden mit modernsten Ziegelsteinen her­gestellt, 1 Stein starke Hohlsteine kommen in Anwendung, wo früher 1 Y. Stein starkes massives Mauerwerk vorgeschrieben war. Die Decke über dem Keller ist eine leichte Hohlsteindecke, die Fenster sind groß und reichlich angeordnet. Die­ser Eindruck treibt ihn zu doppeltem Eifer an. Schnellstens müssen baupolizeiliche Bestimmun­gen erlassen werden, die hier eingreifen, damit schon die nächste Baubewilligung von bestimmten Forderungen abhängig gemacht wird. Er entwirft Richtlinien, die er mit den anderen Herren des Luftschutzbeirates seiner Stadt bespricht. Von diesen wird ihm geraten, sich doch zunächst ein­mal mit den zuständigen Herren in der Nachbar. stadt in Verbindung zu setzen und deren An. sicht zu hören. Die Besprechung, die darauf zu­stande kommt, führt zu der Feststellung, daß die Ansichten der Herren sehr weit auseinandergehen. Baurat R. entwickelt seine Gedanken in folgender Form: Erster Grundsatz ist Dezentralisation, d. h. hier Schaffung von möglichst vielen kleinen Un­terkunftsräumen. Massenunterkünfte sind nur in ganz besonders gelagerten Fällen geeignet, Haus. kcl1er kommen hierfür keinesfalls in Frage. Die Schutzräume sollen möglichst schmal sein, und ein besonderer Vorteil ist es, wenn die Keller nicht an Keller anstoßen, sondern allseits von gewachsenem Boden umgeben sind. Boden ist in jedem Falle der beste Schutzwall, wenn der teure Eis e n b e ton nicht zur Verfügung steht. Bau­rat C. aus der achbarstadt hält dem entgegen, daß die vielen Räume die Wahrscheinlichkeit, daß ein solcher getroffen wird, vergrößern, dagegen sei die Wahrscheinlichkeit des Treffens geringer, wenn nur wenige, aber große Schutzräume vor­handen sind. Diese letztere Ansicht wird ver­schiedentlich geäußert, allerdings stets von Leu­ten, die den Krieg nicht mitgemacht haben. -Baurat B. tritt dieser Auffassung mit aller Ener­gie entgegen; doch ohne überzeugen zu können.

Weiter erl äutert Baurat B., daß die KeIl er­d eck e bei Neubauten nicht mehr als 50 cm über der Straßenoberkante liegen dürfe, damit die KeIl e r w ä n d e nur in einem schmalen Streifen dem Luftdruck ausgesetzt sind. In den Zentren der Stadt, wo die Haushöhe vorgeschrieben sei, bedingt die möglichst ergiebige Ausnutzung des Grund und Bodens schon aus wirtschaftlichen Gründen einen tiefen Keller, und dementspre­chend sind die Keller in diesen Stadtteilen auch fast überall tief angelegt. Je höher die Häuser sind, je mehr Menschen fassen sie selbstverständ­lich, was Konzentration bedeutet. Zu erstreben sind also möglichst niedrige Häuser, und das so­genannte Hochhaus muß ganz ausfallen. Der Luftschutz wird also zweifellos nicht darum her. umkommen, sich mit Fragen zu beschäftigen, die tief in das Wirtschaftsleben eingreifen.

Je weiter sich nun Baurat B. mit all diesen Ge­d.anken befaßt, je verzweifelter wird er, denn er SIeht klar, daß er, da er ja nur nebenberuflich sich mit diesen Dingen befaßt, die Fragen nicht so erschöpfen kann, wie es für eine Vorlage an sei­nen Magistrat von ihm verlangt werden muß. Außerdem ist er selbst im Zweifel über dies und jenes und hat auch nicht die Zeit zur eindeu ­tigen Klärung. Er kommt zu dem Schluß, daß der Staat ihm hier helfen, daß dieser all die Fragen u.~d gegensätzlichen Meinungen zu einer Lösung fuhren muß, sonst geschieht hier etwas richtig und dort etwas falsch. Richtlinien durch den Staat, die das Grundsätzliche klären, sind drin-

228

gendst nötig; sie müssen auch dem Luftschutz. beirat helfen, Widerstände bei den Stadtverwal. tungen zu überwinden; denn diese werden sich oft sehr stark bemerkbar, ja vielleicht die Arbeit ganz unmöglich machen. Die Luftschutzbeiräte werden leicht in den Fehler verfallen, an den Fra. gen, die Widerstand finden, vorbeizugehen.

Die große Bauperiode von 1924 bis lQ31 ist un. genutzt verflossen. Aber täglich wird irgendwo in Deutsch land auch heute noch mit dem Bau eines Hauses begonnen, und der beste Vville und größte Eifer des Luftschutzbeirates helfen nichts, wenn nicht Klarheit über die Forderungen, die der Luftschutz stellt, herrscht.

Es sei nun einiges über das schwierigs te Gebiet gesagt, über die Anlage von Schutzräumen in den Zentren dcr Städte. In den dichten Wohnvierteln wird eingehendste Kleinarbeit einsetzen müssen, Haus für Haus und Keller werden zu untersuchen sein. Hier kann nur mit dem Vorhandenen ge. arbeitet werden. Dabei muß alles schriftlich fest. gelegt werden. Ebenso ist für jeden Unterkunfts. raum eine Liste dessen aufzustellen, was im Ernst. falle sofort und wo zu beschaffen ist und welche Vorkehrungen im einzelnen zu treffen sind. Z. B. welche Kellerräume man sofort räumen muß, um sic für den Schutz der Menschen freizumachen . Die Stadtflucht wird ja wohl einige Entlastung bringen und zu einem Lagerleben führen, ähnlich den heutigen Zeltstädten an den Ufern der Ber; liner Seen. Das ist sicher der allerbeste Luft­schutz. Jede Mutter, die mit Kind und Kegel hin. aus ins Freie zieht, tut etwas für den Staat, jedes Zelt, das heute gekauft wird, bedeutet für den Ernstfall eine Entlastung. Das Zelt, das heute dem Jungen auf seinen Wanderungen zur ÜbeT' nachtung dient, wird Mutter viel1eicht einmal gu te Dienste leisten müssen, ebenso Aluminium­topf une! Spirituskocher.

Aber das sind keine Baufragen1 ). Es handelt sich hier darum, wie den Zurückbleibenden Sicherheit zu schaffen ist. Eins steht fest, daß das Wohl und Wehe des ganzen Reiches davon ab­hängt, daß die zentralen Stellen keine Kata< s trophenverluste erleiden. Jede Störung hicr wirkt sich nach unten aus und die Folgen hat das ganze Volk zu tragen. Wenn nun schon die ge. samten Büros beispielsweise der Wilhelmstraße nicht unter die Erde gelegt und mit dicken Beton. decken geschützt werden können, so sollen doch wenigstens die Menschen Zufluchtsstätten er. halten, die sie bequem aufsuchen können.

Wie schützte sich der Soldat? Wenn er gar nichts vorfand, dann nahm er den Spaten und gru~ sich ein Loch, dieses so groß, daß er gerade darm Platz hatte. Dem Infanteristen war dies am liebs ten, das einfache Loch bot die größte Sicherheit. Gegen Gas war die Gasmaske da. Diese wird auch für die bereitliegen müssen, deren Lebenserhaltung unbedingt im Interesse des Gaw zen liegt. Also geschieht morgen ein Fliegeran< griff auf die Wilhelmstraße, so bleibt nichts weiter übrig, als daß jeder Beamte, vom Minister bis zum Lauf jungen, sich in den Gärten der Wilhelm­straße ein Loch gräbt und sich dort hineinhockt. ~aß dies bei der Lage der Wilhelmstraße ein gar TlIcht hoch genug zu wertender Vorteil ist, mag wohl den dort Arbeitenden neu sein. Freuen sollten sie sich darüber, denn viele genießen einen so.lchen Vorteil nicht in der Reichshauptstadt. DIeser Grundgedanke gilt für alle Gegenden, wo Parks und Anlagen, also freie Plätze, liegen. Mo<

1) Vgl. darüber di e vorstehende Arbeit von Pol.-Oberst Nagel. n. Schrift!.

Page 9: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

ralisch hat der Aufenthalt in solch einem Loch den Vorteil, daß man mit den Außengeschehnis. sen in Berührung bleibt und sieht, ob tatsächlich Gefahr vorhanden ist oder nicht. Derartige An. lagen sind von heute auf morge~ herst.ellbar, .,:.md weiterer Vorbereitungen bedarf es nIcht, hoch. stens der Bereitstellung einiger Spaten.

Warum ist der Soldat nun aber nicht bei dem Einzelloch geblieben, sondern hat Gräben ge. zogen, Unterstände gebaut, Stollen ins Erd reich getrieben, wenn das einfache Loch die größte Sicherheit bot? un, das lag nicht an dem ein. zeinen Infanteristen; dieser mochte den Graben nicht während schwerer Kampfzeiten. Der Gra. ben mochte noch so oft geknickt sein, das ein. zeIne Loch bot mehr Sicherheit. Nur machte es jeden Verkehr bei Tagesl icht unmöglich, auch war kein Befehl durchzubekommen. Diese Gründe fallen hier fort. Wenn kein Flieger über uns ist, kann jeder Verkehr stattfinden. Die Unter< brechung der A rbeit ist so kurz wie nur möglich, falsche A larme werden sofort erkannt. Dies sind große Vorteile, und deshalb ist diesem Flieger< schutz vor allem anderen der Vorzug zu geben.

Nun mag aber nicht jeder mit dieser Auffas. sung einverstanden sein, und meist liegen ja auch die Verhältnisse nicht so günstig wie in der Wil~ helmstraße. Außerdem mag mancher sieh sicherer fühlen, wenn er eine D ecke über sich hat und seine Nerven leiden weniger, wie dünn diese auch sein mag. Die Nerven sind ja schließlich ein sehr wesentlicher Faktor, so daß hierauf Rücksicht ge. nommen werden muß.

In Folgendem soll ein Vorschlag besprochen werden, der keine unmöglichen Summen kostet , die ihn von vornherein ausschalten. Bisher sind phantastische Zahlen genannt worden, um größere Menschenmengen sicher unterzubringen. Und tat< sächlich sind die Ergebnisse niederschmetternd, wenn man die Kosten von Eisenbetonunterständen überschlägt. Deshalb soll gar nicht auf solche ei n, gegangen werden. Es gibt etwas anderes. Der Krieg war ja der beste Lehrmeister. Neben Gräben und U nters tänden wurde schon der S t 0 I. I e n erwähnt ; dieser fand unmittelbar nach der Einführung weiteste Verbreitung und erse tzte sehr schnell da, wo die Anwend ung möglich war, die mit Schwierigkeiten verbundene Durchfüh. rung von Unterstandsbauten. "Schwierig" bc. deutet im Wirtschaftsleben Geld. Die Bauweise des Stollens ist einfach, also billig. Die A nwend. barkeit wi rd nur durch Grundwasser und felsigen Boden unmöglich gemacht. Hoher Grundwasser. stand schließt Stollenbauten aus. E r erschwert. also verteuert aber auch jeden anderen Bau, denn G rundwassersenkungen sind recht teuer. Wenn man einen Betonunterstand tieHegen kann und darüber mehrere Meter Boden, so muß der< selbe Unters tand , wenn er hoch liegt, wesentlich größere Betonausmaße haben, um dieselbe Sichep heit zu bieten. Der Boden ersetzt also Beton. Der Stollenrahmen, der im Kriege zur Verwendun~ kam und sich dort bewährte, war nur so stark bemessen, daß er den norm alen Bodendruck be. quem aufnahm. Er wurde so tief wie möglich ge. führt, doch ist man wohl selten tiefer gegangen als bis zu 6 m E rdüberdeckung. Bei solchen Tiefen verteilt sich dann der Druck einer direkt auf. treffenden Granate, und nur allerschwerste Ka. liber h aben wohl einmal einen Stollen einged rückt. Mir selbst ist trotz meiner langjährigen Schützen. grabenzeit ein solcher Fall nicht bekannt, obgleich die Stollen meis t die oben angegebene Tiefe nicht

hatten. Etwas anderes ist es mit den Eingängen, die in leider allzu vielen Fällen eingedrückt wurden und große Verluste verursachten, wenn nicht genügend Ausgänge vorhanden waren. Also der Wert des Stollens liegt in der Zahl und Sicherheit der Ausgänge. Die Tiefenführung hängt von den Grundwasserverhältnissen ab.

Die im Kriege zur Verwendung gekommenen S toll e n rah m e n bestanden aus Holzbohlen. Holz ist der Fäulnis ausgesetzt, und somit seine Dauerhaftigkeit zeitlich begrenzt, besonders bei Ausführungen, wie sie hier gedacht sind, wo vor. aussichtlieh schlechte Durchlüftung die Ver. wesung des Holzes beschleunigen würde. Es ist hier deshalb an einen StoIlenrahmen aus fabrik , mäßig hergestelIten Eis e n be ton . Te i I • s t ü c k e n gedacht. Die Wilhelmstraße soll wieder als Beispiel genommen werden: Die Grund. wasservcrhäItnisse liegen hier wahrscheinlich so, daß sie einem StoIlenbau nicht im Wege stehen; denn am Potsdamer Platz befindet sich der Gru ndwasse rspiegel etwa 5 munter Straßenober. kante, und die Wi lhelmstraße liegt wohl ungefähr auf gleicher Höhe. Dabei wären natürlich vor dem Beginn eines solchen Baues eingehende Er. hebungen hierüber anzusteIlen, da bekanntlich ge. rade in Berlin in den letzten Jahren der Grund. wasserspiegel einem dauernden Wechsel unter. worfen ist. Die Veranlassung dazu wird auf ver. schiedene Umstände zurückgeführt, erwähnt sei nur die steigende Grundwasserentnahme der Städtischen Wasserwerke und die jetzt wieder eingesteIlten Grundwasserabsenkungen durch den Untergrundbahnbau.

Für einen LängsstolI en in der Wilhelmstraße stehen die Gä rten, die Straße und die Häuser. fläche zur Verfügung. Die Straße bietet gegen; über den Gärten den Vorteil, daß sie eine Be. festigung aufweist, die normalerweise in Berlin aus einer 30 cm starken Betondecke besteht, auf welche die Asphaltschicht aufgebracht ist. Die Betondecke ist ein Schutz, der nicht zu unter. schätzen ist. Einer wie starken Erdschicht sie gleichzusetzen ist, kann nicht gesagt werden, da sie aus Schüttbeton besteht, der längst nicht die f estigkei t von hochwertigem Konstruktionsbeton besitzt. Ihr Wert ist also gegenüber diesem her. abgesetzt; trotzdem bleibt natürlich ein absoluter Wert bestehen. Ein StolIen unter der Straße könnte leieht von beiden Häuserreihen aus zu; gänglich gemacht werden. Die Straße allerdings ist ausgenutzt von den Städtischen Werken. Sie enthä lt eine Unzahl von Kabeln und Rohrleitun. gen, die in den alten Stadtteilen ein unentwirr' bares Labyrinth bilden. Aber die Leitungen liegen zum aIlergrößten Teil so flach, wie es die Um. s tände und Vorschriften nur irgend möglich zu· lassen. In der Tiefe, die für ein :::n solchen StolIen in Frage käme, ist nur damit zu rechnen,. daß Kanalisationsleitungen angetroffen werden. Ober diese aber läßt sich ein einwandfreies, klares Bild gewinnen. Das S t a d te n t w ä s s e run g sam t ist die einzige Behörde, die in der Innenstadt die Lage ihrer Leitungen fast auf den Zentimeter genau kennt. Es ist deshalb anzunehmen, daß Schwierigkeiten hier überwunden werden können . Ein StoIl en in der Straße könnte nach beiden Seiten hin Ausgänge in die Keller der Häuser haben. Seiner Erweiterung durch kleine Seiten. stollen steht niehts im Wege. Solehe Seitenstollen würden sich auch dazu eignen, Arbeiten zu ver' richten, da man sie nach dem Hauptgang zu ab; schließen könnte. Seitenstollen können jederzeit

229

Page 10: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

lind in völlig beliebigem Umfange, soweit das Straßen gelände ausreicht, angelegt werden.

Es bliebe noch als drittes ein Stollen unter den Häusern. Es ist unbekannt, ob nicht Tief~ keller in einzelnen Gebäuden hier stören können; auch ist ein so geführter Stollen deshalb abzw lehnen, weil er die Standfestigkeit der Häuser zu stark berühren würde; denn auch bei sorg~ fältigs ter Ausführung würde Rissebildung durch Setzen der Häuser nicht zu verhindern sein.

Die Konstruktion derartiger Eisenbetonrahm en, wie sie hier gedacht sind, kann ruhig der ein< schlägigen Industrie überlassen werden, sie ist bestimmt in der Lage, etwas Brauchbares zu Hefern . Es bleibt die Kostenfrage und Größe, wobei die erstere von der zweiten in starkem Ab. hängigkeitsverhäItnis steht. Der Wohnstollen im Kriege hatte eine lichte Höhe von 1,80 mund eine lichte 'Weite von 1,20 m. Der schwers te Tei l eines Eisenbetonrahmens würde etwa 50 kg wie< gen, also noch nicht zu schwer sein, um mit ihm bequem arbeiten zu können. Bleibt man also b ei diesem Ausmaß, welches sich zur Unterbringung von J\1enschen bewährt h at, so würden nur noch die Kosten zu betrachten sein. Nach eingehender zuverlässiger Kalkulation würde die Lieferung des lertlgen Rahmens und der Einbau eines solchen Stollens zusammen nicht über JOO RM. für den laufenden Meter kosten. Wenn man damit rech> net, daß im laufenden Meter bei 1,20 m Breite

Was ist Luftschutz? Professor Dr. F ritz Wirt h, Berlin

Die Schriftleitung des "Luftschutz>Nachrichten> blattes" hat bei der Wiedergabe meines Aufsatzes "Jrrtümer in der Luftschutzlitera ~ tu r"l) einige Sehlußworte2) angefügt, welche be> weisen, "daß Irrtümer, ja sogar Fehler bei den ersten Anfängen theoretischer und praktischer Betätigung im Luftschutz nicht ausbleiben können".

Es handelt sich in Großstädten sowie in Indu< striebezirken nicht darum, ob der Keller bei g e ~ n ü gen der (!) Deckenstärke die verhältnis> mäßig sicherste Zufluchtsstätte darstellt, sondern lediglich darum, in welcher Weise man in einer Gefahrenzone die Gesamtheit der Gefährdeten so gut, wIe nur irgend möglich, schützt. Könne1l ehe vorhandenen Keller die Gesamtzahl der Ge> fährdeten nicht aufnehmen, oder sind sie infolge ihrer Lage und Bauart nicht als Schutzräume ge> eignet, so muß für einen anderweitigen aus rei> chenden Schutz gesorgt werden.

Die Tatsache der ungesunden Entwicklung des Städtebaus ist nun einmal vorhanden, auch wenn man sie - mit Recht - als bedauerlich empfin> det. Mit der F 0 r der u n g, a ll e Menschen der Gefahrenzonen in Kellern, die eine genügende Deckenstärke besitzen, unterzubringen, stiftet man nur Verwirrung, wenn man nicht gleich< zeitig die Möglichkeit angibt, wie diese Forde> rung wirtschaftlich und praktisch durchgeführt werden kann.

Daß der Staat mit den Luftschutzmaßnahmen bei der werktätigen Bevölkerung beginnen muß, ist selbstverständlich. Ob der Arbeiter lediglich aus mangelnder Einsicht und fehlender Initiative

230

beiderseits je zwei Menschen stehen können, so würden für die Sicherheit des einzelnen 25 R l"L auizubringen sein. Ein solcher Stollen die \""-il > helmstraße entlang, von den Linden bis zur Zin1> merstraße, hätte eine Länge von rund 1 km, würde also 100000 RM. kosten. Hinzu kämen die Ausgänge, die sicher dieselbe Länge noch einmal erreichen, aber ebenso vollwertig nutzbar sind, wie der Längsstollen. Kosten, über die sich schwer Angaben machen lassen, entstehen dann noch durch die Einführung der Stollen in die Keller, eie Durchlüftung und die gasdichte Verschlic> ßung. Diese zusätzl ichen Kosten würden, auf den einzelnen gerechnet, geringer, je mehr Seiten> stollen am eigentlichen Hauptgang angelegt wer> den. Da auf diesem 1 km (Wilhelmstraße) sicher mehr als 8000 Menschen beschäftigt sind · - -1000 haben in dem Hauptstollen, 4000 in den Ausgän> gen Platz -, so würde eine große Anzahl Seiten> stollen anzulegen sein, wodurch die zusätzlichen Kosten sicher auf einen geringen Prozentteil der angegebenen 25 RM. sinken würden. Noch näher auf tliese einzugehen, ist im Rahmen dieser Aus< führungen nicht möglich, da es sieb auch um Fragen zwei ten Ranges dabei handelt. Es sollen gleichfalls nicht erörtert werden die verschieden> stcn Bedenken gegen solche Stollen, die sich aus den in der Straße liegenden Leitungen, wie Stark> strom, Gas und Wasser, ergeben. G run d sät z < li ehe Schwierigkeiten sehe ich aber auch hier nicht.

die notwendigen Luftschutzmaßnahmen unterläßt, ist zu bezweifeln. Sicherlich ist es w ü n s ehe n S> wer t , daß alle gefährdeten Menschen im Laufe der Zeit in den Besitz einer Gasmaske kommen. doch sind die Anschaffungskosten und die Tat> sache, daß eine gewisse Verpassung und Pflege notwendig ist, in Betracht zu ziehen.

Zum Thema des Schutzkellers bitte ich die Schriftleitun g des "Luftschutz<Nachrichtenblattes" in ihrer geschätzten Zeitschrift, Jahrgang 1929, Seite 49; 1930, Seite 99, nachzulesen; nicht der Keller an sich, sondern ein geeigneter Keller, der eine genügende Deckenstärke besitzt, bietet Schutz! Im Jahre 1929 hat die gleiche Schrift~ leitung (S. 56) geschrieben:

,Daß die Keller eines gewöhnlichen Mietshauses "allersichersten" Schutz gcgen die gewöhnlich verweil ' deten Sprengbomben bieten. darf nicht unwidersprochen hleiben. Usw."

Zum Schlusse macht es mir die Schriftleitun!1 des "Luftschutz>Nachrichtenblattes" zum Vorwurf, daß ich verlangte, mit der Hauptwarnung und in gleicher Weise mit der Festsetzung der Maß< nahmen, welche durch die Warnung (Flieger~ gefahr) bei der Bevölkerung ausgelöst werden, sehr vorsichtig und zurückhaltend zu sein, mit der Begründung, daß Vorsicht und Zurückhaltung hierbei nichts nützen können.

Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es dar> auf an, was man unter "Luftschutz" versteht.

"Luftschutz treiben" heißt, solche Maßnahmen im Frieden treffen und sie im Ernstfall so zu be<

J) Gasschutz und Luftschutz, Maihelt 1932. 2) Luftschutz·Nachrich tenblall, Heft 8 (1932).

Page 11: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

nutzen, daß alle Volksgenossen in den Gefahrcn~ zonen, so weit wie möglich, an Gesundheit und Leben geschützt werden, daß ferner die Arbeits~ und Abwehrkräfte der Nation erhalten bleiben. Eines ist so notwendig wie das andere! Dieser Auffassung ist auch im Pariser Luftabkommen vom 21. 5. 26 Rechnung getragen worden, wonach für Deutschland für die Herbeiführung und Durch~ führung von Maßnahmen zum . Schutze des Lebens, der Gesundheit und der Moral der Be; völkerung u n cl z um S'c hut z e von S ach < g ü te rn al l er Ar t kein Verbot besteht.

Der zivile Luftschutz wird von der Lanclesver~ teidi gung (Flugabwehr) und von ziviler Seite (Schutzraumbau, Einzelschu tz, Brandschutz) dureh~ geführt. In diesem Sinne ist jeder wirk liche Luft~ schutz eine aktive Handlung. Einen "passiven" Luftschutz von großen Sachgütern gibt es über~ haupt nicht. Oder will man z. B. über die Leuna~ werke eine Zementkuppel bauen?

Der zivile Luftschutz kann sich also mit dem Schutzraumbau, dem Einzelschutz, dem Brand~ schu tz usw. nicht erschöpfen, denn so notwendig diese Maßnahmen des zivilcn Luftschutzes auch sind, eine Brücke, einen Bahnhof, eine Fabrik kann ich damit nicht vor der Brisanzwirkung be~ wahren. Z um Luftschutz, insbesondere zum Schutze von Sachgü tern, gehört unbedingt, daß der Gegner am Abwurf, d. h. am Angriff, ver~ hindert wird: Ballonsperren, Flab und MG.~Ab~ wehr, Jagdfliegereinsatz auf angre ifende Bomben; flugzeuge sind also dem defensiven Luftschutz zuzurechnen. Sie sind keine Angriffswaffen, denn das feindliche Flugzeug braucht ja nicht die Grenze zu überfliegen und in eine MG.~Garbe hineinzufliegen.

In klarer Erkcnntnis dieser Sachlage hat die "Vereinigung für Stockholms feste Vertcidigung" der schwed ischen Militärbehörde einen größeren Geldbctrag (durch Sammlungen) zur Verfügung cesteIlt. für dicses Geld erwa rb die Militär~ behörde Flugabwehrmaterial zum Schutze der Sachgüter der Stadt Stockholm.

Lediglich der Einsatz von Bombenflugzeugen auf Feindgebiet als \Viedervergcltung ist offen~

siver Luftschutz. Dieser aktive Luftschutz ist Deutschland bisher von seinen Gegnern nicht zu ~ gestanden.

Es ist klar, daß lediglich die Erhaltung des nackten Lebens des einzelnen, der während eines Luftangriffs im Schutzraum sitzt, nicht von aus~ schlaggebender Bedeutung für das Bestehen einer Nation in einem Kriege sein kann. Ein Luft: schutz ohne die Abwehr der Flieger, die Sach. werte durch Bombenabwurf zerstören, ist ein Un; ding. Er muß zum wirtschaftlichen und morali~ schen Chaos, zur vollständigen Unterwerfung eines Volkes führen. Nur ein sinnvolles Zusam~ menarbeiten der verschiedenen Arten des Luft~ schutzes, die von ziviler und militärischer Seite ausgeübt werden müssen, verbürgt den Erfolg.

Jeder Alarm stört die Wirtschaft! Der Betrieb muß unterbrochen werden, dcr Arbeiter muß in den Schutzraum. Es wird nach Abzug der Flieger stets geraume Zeit dauern, bis der Betrieb wieder in Gang kommt, auch wenn kein direkter Schaden im Werk angerichtet wurde. Daß ein Volltreffer auf ein Kraftwerk empfindliche, lange dauernde Störungen im Wirtschaftsleben hervorrufen wird, ist selbstverständlich. Ein wichtiges Werk muß eben durch Einsatz von Flugabwehrmaterial ge~ schützt werden. Erst diese Abwehrmaßnahmen gcstatten, mit der A larmierung und mit der Fest~ se tzung der Maßnahmen, welehe der Alarm bei Tndustriewerken auslöst, dicjenige Vorsicht wal~ ten zu lassen, die allein die lebens~ und kriegs~ wichtige Weiterführung der Betriebe ermöglicht. Zweckmäßig wird man bei Durchführung der reinen Schutzmaßnahmen die Erhaltung der Ar~ beitsfähigkeit berücksichtigen (z. B. Einzelschutz, Dezentralisation der Betriebe, Zwischenbauten, Unterteilung der Leitungen, Reserveteile usw.).

In diesem Sinne ist meine Forderung nach VOl'~ sicht und Zurückhaltung bei den Alarmierungen zu verstehen. Wenn es dem Gegner gelingt, un ~ sere Arbeits~ und Abwehrkraft zu brechen, so hat er den all ergrößten Teil seines Zieles erreicht. auch wenn dabei das Leben und die Gesundheit unserer Volksgenossen erhalten bleibt. Navigarc neecsse est, vivere non!

Straßenreinigung und Luftschutz Direktor Neu b ra n cl 1 Magistrat Berlin

Im Märzheft d . J. von "Gasschutz und Luft~ schutz" erwähnt Professor "V ir t h in seiner sehr interessanten Abhandlun g über die "Ausrüstung und T~itigkeit der Entgiftungstrupps in Städten" u. a., daß diese Trupps Hand in Hand mit der Feuerwehr oder, wenn diese anderweitig benötigt ist, mit der s tädtischen Straßenreinigung arbeiten müssen, weil vorzugsweise mit "Wasser" gear; beitet wird. Da man aber bei einem künftigen Luftangriff mit einer ausgiebigen Verwendung von Brandbomben rechnen muß, wird m. E. die feuerwehr in a ll en Luftschutzorten durch ihre eigentl iche Aufgabe der Brandbekämpfung stets so stark in Anspruch genommen sein, daß sie sich selbst an der Entgiftung nicht wird betei ~ ligen können, daß aber auch die Angliederung besonderer Entgiftungstrupps an die Feuerwehr für diese eine organisatorische Mehrbelastung bedeutet, durch die sie in der Erfü llun g ihrer eigentlichen A ufgabe nur behindert würde. Aus diesen G ründen ist ja auch in eier "V 0 r I ä u ~

tigen Ortsanweisung für den Luft. s e hut z der Z i v i I b e v ö I k e run g" vor~ gesehen, daß die Entgiftung in den Luftschutz~ orten der Verwaltung der Straßenreinigung über~ tragen werden soll. Es sollen also nicht nur be~ sondere Entgiftungstrupps aufgestellt werden und mit der Straßenreinigung Hand in Hand arbeiten, sondern die Organisation der Straßenreinigung soll direkt in den Dienst der Entgiftung gestellt werden. Dieser Gedanke ist zweifellos auch sehr naheliegend, denn die Tätigkeit des Personals der Straßenreinigung erstreckt sich ja von Haus aus auf die Reinigung der öffentlichen Straßen und Plätze einer Stadt, ist also der Entgiftung der mit Kampfstoffen belegten Straßen schon bis zu einem gewissen Grade ähnlich. Hinzu kommt, daß die Straßenreinigung bereits bei ihrer nor~ malen Tätigkeit einen großen Teil solcher Ge~ räte verwendet, die auch bei der Entgiftung der kampfstoffbelegten Straßen Verwendung finden können. Ferner kommt in Betracht, daß insbeson~

231

Page 12: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

Gasgeschützter Entgiftungstrupp der Bukarester Polizei.

dere in mittleren und größeren Städten das Stadb gebiet seitens der Verwaltung der Straßenreini. gung bereits in "R ein i gun g s be z i r k e" ein. geteilt ist, in deren Mitte im allgemeinen für die Reinigungsmannschaften des Bezirks je ein be. sonderes D e pot eingerichtet ist, und daß in diesem Depot außer den Mannschaften auch das für Reinigungsbetrieb erforderliche Gerät unter; gebracht ist. Auch Badegclegenheit ist in den Depots der Straßenreinigung meist vorgesehen. was für die Reinigung der Mannschaften nach Ausführung der Entgiftungsarbeiten von großem Wert ist. Und endlich sind auch häufig schon Trockengelegenheiten für die vom Regen durch . näßten Kleider der Mannschaften in den Depots vorhanden, die für das Trocknen der entgifteten Schutzkleidung direkt Verwendung finden kön. nen, oder aber sich mit geringen Mitteln ent. sprechend ausbauen lassen. Tm übrigen können die Mannschaften der berufsmäßigen Straßen. reinigung im Ernstfall bis zum Eintritt des Flie. geralarms ihrer normalen Tätigkeit nachgehen und mit Beginn des Alarms in ihre Depots eilen. wo die Entgiftungstrupps dann zusammentreten. Von Wichtigkeit ist schließlich, daß das Personal jedes Reinigungsbezirks besondere Ortskennt. nisse in demselben besitzt.

Schwieriger liegen die Verhältnisse in den. jenigen k lei n e ren Städten, in denen kein eigenes Personal für die Straßenreinigung vor. handen ist, wo z. B. die Straßenreinigung von den Mannschaften der Feuerwehr ausgeübt wird, die bei Feueralarm sofort die Reinigungsarbeiten ein. stellen und dem Feuerwehrdepot zustreben. um mit dem Löschzug auszurücken. In diesem Falle ist die Übertragung der Entgiftung an die kom< binierte Feuerwehr. und Straßenreinigungskolonne zwecklos, da das Personal im Ernstfalle wahr< scheinlich voll und ganz durch den Feuerlösch. dienst in Anspruch genommen sein wird, für die Entgiftungsarbeiten, für die es spätestens bei Ein·

232

tritt der Entwarnung bereitstehen müßte, also nicht verfügbar ist. Ilier wird die Stadtverwal; tung eingehend prüfen müssen. ob sie aus an. deren shitltisehen Einrichtungen (Straßenbau. kolonne, Stadtgürtnerei, \Virtschaftsbetriebe usw.) das für die Entgiftungstrupps erforderliche Per. sonal in ausrciehcnuer Zahl entnehmen kann, oder ob diese Betriebe wenigstens einen gewissen Stamm für die Entgiftungstrupps stellen können, so elaß nur das Hilfspersonal ganz oder teilweise aus Freiwilligen oder Angehörigen der Teehni. sehen Nothilfe gestellt werden muß. Sind solehe sLidtisehen Betriebe nicht vorhanden. oder kann aus diesen kein Personal für die Entgiftungs. trupps zur Verfügung gestellt werden , so dürfte die gesamte Aufstellung dieser Trupps der Teeh. nischen Nothilfe zu übertragen sein .

Die gleichen Schwierigkeiten werden sich in denjenigen Stiidten ergeben, in denen die Stra. ßcnreinigung einem Privatunternehmer übertragen ist, oder in denen die Reinigung von älteren, nur noch begrenzt arbeitsfähigen Leuten ausgeführt wird, oder aber in denen überhaupt kein Straßen. reinigungsbetrieb vorhanden ist, sondern die Rei . nigung in den I--I~inden der Hausbewohner liegt. In diesen Fällen wird bei der Aufstel lung der Entgiftungstrupps ebenso zu verfahren sein wie in dem oben erwähnten Fal l. in dem die Reinigung der Straßen in normalen Zeiten von Mannsehaf. ten der Feuerwehr durchgeführt wird.

\Nie auch aus den bereits eingangs erwähnten Ausführungen des Professors Wir t h hervorgeht, ist die Tätigkeit der Entgiftungstrupps eine recht schwierige und setzt vor allem eingehende Kennb nisse der Eigenschaften und 'Wirkungen der im modernen Luftkampf zur Anwendung gelangen. den Kampfstoffe voraus. Die Mannschaften eier Entgiftungstrupps müssen daher schon von lan. ger Hand in dieser Richtung ausgebildet und in eier Handhabung der Entgiftungsgeräte und Me. thoden geübt werden. Besondere Sorgfalt ist da;

Page 13: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

bei auf die Ausbildung der Gas s p ü r e r zu legen, da die erfolgreiche Entgiftung vornehm; lieh von dem richtigen Erkennen der vorhandenen Giftstoffe abhängt. Diese Notwendigkeit der Ausbildung ist einer der Hauptgründe für die Auf< stellung der Entgiftungstrupps bereits in Frie; denszeiten.

Um eine möglichst erschöpfende und einheit; liehe Ausbildung der Entgiftungstrupps in allen Luftschutzorten zu erreichen, ist die Aufstellung einer "M u s t e r a n w e is u n g für E n t g i f ; tun g s t r u pp s" notwendig; eine solche ist für Preußen seitens der zuständigen Stelle auch schon in Aussicht gestellt und dürfte demnächst er; scheinen. 'Nie schon erwähnt, hat sich die Aus< bildung dieser Trupps selbstverständlich auch auf die Anwendung und Handhabung des versehie' denen Entgiftungsgeräts zu erstrecken, da die Trupps ja im Augenblick des Aufrufs des Luft; schutzes fertig ausgebildet und ei nsatzbereit sein sollen . Somit darf das Entgiftungsgerät nicht erst in letzter Stunde beschafft werden, es muß vielmehr schon bei der Ausbildung der Trupps vorhanden sein. Hier werden diejenigen Städte im Vorteil sein, die heute schon einen eigenen Straßenreinigungsbetrieb besitzen, denn ein gro; ßer Teil des Straßenreinigungsgeräts \Vi rd auch, wie bereits gesagt, bei der Entgiftung Verwen; dung finden können. Schwieriger liegen die Ver; hältnisse in solchen Städten, in denen die Stra< ßenreinigung an einen Unternehmer vergeben ist, oder in denen die gesamte Reinigung der Straßen von den Einwohnern selbst ausgeführt wird. Die Verwaltungen dieser Städte werden sich sehr bald darüber klar werden müssen, ob sie das auch bei der Entgiftung verwendbare Straßen; reinigungsgerät nunmehr selbst kaufen und dem Unternehmer gegen Entgelt zur Benutzung über; lassen sollen bz\V. ob sie die bisher von den Ein; wohne rn ausgeführte Straßenreinigung selbst in

die Hand nehmen wollen, damit das für den Luft< schutz jetzt zu beschaffende Straßenreinigungs< gerät nicht unbenutzt im Schuppen steht.

Bei der Ausrüstung der Entgiftungstrupps einer Stadt ist zu beachten, daß diese auf alle nur denk< baren Fälle von Entgiftung eingerichtet sein müs< sen, wie z. B. Entgiftung mit Senfgas belegter Straßen, Plätze, öffentlicher Anlagen, Vorgärten, Häuserfronten, Höfe, Dachböden, Innenräume, Einsturztrümmer, Sprengtrichter sowie auch Ent; giftung mit Kampfgasen belegter Straßen, Sack; gassen, Höfe und Innenräume. Sie werden daher im allgemeinen wie folgt auszurüsten sein:

Bezeichnung des Geräts

1 1 Großkraft , spreng;

Zweck d·es Geräts

Nachspülen dC'S

Bemerkung

\va lfcn (50'00 I In , halt)

V orspülcn und 1 Fahrdamms Zum EntgiL

2 1 Las tan hiinger

3 1 Anhänge; streu; maschine

4 1 von I fand fahrbare Streu; maschine

Mitführen des ge; samten Geriits, der j\lannschaL ten und des Chlorkalks

Bestreuen dcs Fahrdammcs mit Chlorkalk

Bestreucn der Fuß , steige mit Chlor; kalk

5 4 Eimer mit zum Bestreuen der Streukclkn Höfe, Gartenan ,

lagcn und Spreng; trichter m it Chlorkalk

tungszug zu; ammenge;

koppelte Normalfahr; zeuge und Normal; Sandstreu; maschine für Glatteis

Normale Sand; 'streumaschine für Glatteis

N ormalc5 Handgerät d·er Straßen; reinigun g

Vernebelungstrupp der Bukarester Polizei.

233

Page 14: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

~ ::a z • Bezeichnung oi Jl

des Geräts ." u :; ;!

Vl

6 4 Gießkannen

7 7 Besen

8 2 Handkarren

9 2 Schaufcln

10 4 Spaten

11 4 Picken

12 1 Druckluft . streuer (tragbar oder von H and fahrbar)

13 1 Standrohr mit 50 bis 100 m H anf. schl a uch

1 1 4 Scheuer. tücher

15 3 Hand. laternen

Zweck des Gcräts

Vorspü len und Nachspülcn der Fußsteigc, Höfc und Gartenan , lagen

I Schrubbcn der vor. gespültcn und mit Chlorkalk bestreuten Fahr. J dämmc, Fuß. s teige, Höfe us\\'o

zum Nachschuh von Ch lorkalk für dic E imer. kolonne in Höfen. Garten. an lagen, Spreng. trichtern und für die H andst rcu. masch,ine

ühcrfü ll en des Chlorkalks vom A nhängcr in die

trcumaschincn, I-Jandkarren, Eimer US\\· .

U mgraben von mit J..:: ampfstoff be . legten Spreng. trichtern und Gartenan lagen

Best reuen von Hii userfronten, r nnenwänden, Bäumen. Fahr. ze uge n us·w. mit

hl orka lk

Vor. und Nach. spülen von H ö' fen und Hiiu . cl" fronten sowie B,eseitigung von Gasnes tern in Höfen und Sack. gass·en mittels Sprühr.egens

Verre iben von C hlorIkalk in lnnenriium en u. a uf Einricht ungs. gegenständ en

Beleuchtung b. d Arbeit in Kcllern u Schut zräumcn

Bcmcrkung

Normah:.s Handgcrät der Straßen: reinigung

0J ormale Kehrricht. handkarrcn

Normales Handgerät für J..::ehrricht laden u. fü Eishacken

N orm sl als Trocken. fc uerliischer in Verwa l. tun gsgebii u, den, Garagel us\\'o \'er, \\'cndbar

0Jeucs Gerä t

Wirtschafts. gerät

Ncues erät

Zu dieser Aufstellung sei im einzelnen bemerkt: Für das Vor. und Nachspülen der Fahrdämme ist am zweckmäßigsten ein G roß k r a f t , s p r e n g w a gen mit B e n z i n m 0 tor vorzu. sehen, da derartige Fahrzeuge neben entsprechen. dem Fassungsvermögen auch eine ausreichende Zugkraft besitz n, um den gan zen Entgiftungs. zug fortzubewegen . Die Verwendung von mit Pferden bespannten Sprengwagen und anderen Fahrzeugen für die Entgiftungstrupps is t nicht zu empfehlen, da der Schutz der Pferde gegen Kampfstoffe und Kampfgase (Huf. und Fessel. wicklung sowie Gasmaske) erhebliche Schwierig. keiten bereite t. Wo bei Aufruf des Luftschutzes Automobilsprengwagen noch nicht in ausreich en.

234

der Zahl zur Verfügung s tehen, wird s ich als Vorspann für die auf Pferdebespannun g einge rich. tetcn Sprengwagen und anderen Fahrzeuge ein Trecker oder Lastkraftwagen empfehlen.

Bei der Beschaffung neu er Großkraftspreng. wagen wird auch zu überl~gen. sein, ob die f\us , rüstung dieser "Vagen Jmt eIgener vom Fahr. motor aus ange triebener Sau g. und 0 ru C k • p u m p e geboten ist. Derar~ig ausg~sta~tete Sprengwagen haben den Vort~rl, da.ß sIe emer. seits bei Versagen der WasserleItung Ihre Wass.~r. füllung selbs t aus eine~ Gewä~ser p.umpen k on. nen andererseits daß sIe zu ZeIten, m denen sie von' den Entgiftungs trupps nicht gebraucht wer. den, bei der Bekämpfung .. von Brände~ als ~euer. spritze dienen können. Ubcrhaupt wlI'd dl~ Be. reitstcllung sowohl der vorubergchend be~ de~ Entgiftung entbehrlichen als auch der hIerbeI überhaupt nicht benötigten Spre~gwagen als Was. serwagen für die Feuerwe~r beIm yersagen der Wasserleitung ins Auge zu fassen sem.

A ls S t r e u ge r ä t für . C hlor k a ~ ~ (Lfd. r. 2) können an Stelle der m Straßenrell1lgung~.

betri eben üblichen Anhängesandstreuer auch dIe in der Landwirtschaft üblichen Dün gerst reu. maschinen ve rwendet werden').

A us der vorstehenden Aufs tellun g des Geriits für einen sbcltischen Entgiftungstrupp läßt sich die Kopfzahl eines solche!, leieh.t er rechnen . Für den Trupp sind etwa erforderl Ich:

I Führer des Entgiftungstr upp , 1 Fahr,er für den Großkr aftsprcngwag.en , . 1 Mitfahrer zum Bcdi enen der Sp rcngrcgu\t.e rh ebcl

dcs Großkraftsprengwagens, 2 Mann auf dem Anh linger ZUIll Überladen des Chlor.

kalks auf die Streumaschine und dIe J-Iandkarren zum :-Jachschub fü r di e Handstreukolonnen, .

1 Mann zur Bedienung dcr .\nhiingcstreumaschll1e. I Mann zur Bedienung der Hand treumaschll1c, 2 Mann zur Bedienung der Handkarren, . 3 Mann mit Besen zum Schrubben des mIt C hlorkalk

bes treuten Fahrdammes und Fußsteiges, 1 .V\ann zur Bedienung des Druckluftstreuers, 3 Mann zur Entgiftung dcr Hiiuscrfronten, Höfe,

Innenräum e und Sp rengtricht er. zusam men also 1 Führer und 15 Mann. (Rese rve n

für Ausfall durch Krank heit sind außerdem herelt. zu halten .)

Diese Zahl ist aber keinesfa ll s eine a llgemein gLilti ge; je nach de r Breite der. Straß~n und d~ r Tiefe der anliegenden Grunclstucke Wlf.~ man ehe Kopfzahl eines Entgiftungs trupps e. rhohen ..o~er herabsetzen müssen. Sofern der fn edensmaßlge Jv\annsehaftsbes tand einzelner Straßen reinigungs. betriebe für die A ufs tellung der Entgiftungs trupps nicht ausreicht, empfiehlt es sich, den Bedarf an Ergä nzun gsmannschaften baldigs t bei der Tech. nischen Nothilfe anzumelden.

Sämtliche Mannschaften sind mit Gasmaske, Gasanzug mit entsprechender ~oP!bedeckung und

aekenschutz mit GummischaftstIefeln und Gum, mihandschuhe'n auszustatten. Die rechtzeitige Be. reits tellung der Schutzkleidung für ?ie Ent f5. i!. tungstrupps dürfte von allen V~rb.erel~ungen fu.r diese Trupps die meisten SchWIerIgkeIten be r~ l ' ten. Denn ein erseits wird es bei Beschaffung dIe< se I' Schutzausrüs tung ers t im le tzten ugenblick nicht ge lingen, cliese wegen des dann auf d.er gan. zen Linie glc ichzei tig au ftretenden Bedarfs noch in ausreichender Menge rechtzeitig heranzuse~af, fen, anderseits kann den Stadtverwaltungen l11eht

I) Vgl. di e Abb. ! auf ~ .. 6~ Im ' ä rzhcfl .d ieses J a hrg. D. Sc hriftl.

Page 15: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

zugemutet werden, diese Schutzausrüstungen in der erforderlichen Zahl jahrelang unbenutzt zu lagern, um sie bei Erreichung der Grenze ihrer Lagerfähigkeit (je nach Beschaffung der Lager: riiumc etwa 6 bis 10 Jahre) als wertlos abzu: stoßen und unter Aufwendung erheblicher Gelder durch neue zu ersetzen . Bezüglich der Bcschaf: fung der Gasanzüge mit Kopfbedeckung und Nackenschutz ist vielleicht folgender Ausweg möglich: Die für die Mannschaften der traßen: reinigung in Friedenszeiten üblichen Regenjacken werden in Zukunft aus einem Stoff hergestellt. der laut amtlicher Prüfung etwa 4 bis 5 Stunden dem Durchdringen von Senfgas Widerstand leistet. Im ersten Jahr wird der dritte Teil der ,'\annschaften jedes Straßenreinigungsbetriebes mit Regenjacken und Kopfschutz aus diesem Stoff ausgerüstet und der Stoff für das zweite Drittel der Mannschaften auf Lager gelegt. Im nächsten Jahr wird aus dem seit dem Vorjahre auf Lager liegenden Stoff das zweite Drittel der Mannschaften der Straßenreinigung mit Regen. jacken und Kopfschutz ausgerüstet und ferner Stoff für das letzte Drittel der Mannschaft auf Lager gelegt, der dann im nächsten Jahr verar' bcitet und durch eine gleiche Stoffmenge im Lager ersetzt wird. Diese nfertigung von Regen: jacken und die Wiederauffüllung des Lagers geht dann Jahr für Jahr weiter, so daß jede Regen: jacke eine Tragezeit von 3 Jahren aushalten müßte. Bei diesem Verfahren würde man in jedem .Tahr einen bestimmten Vorrat an Stoff auf Lager haben, der im Ernstfalle sofort zu Schutzhosen verarbeitet werden könnte, so daß also bei Auf. ruf des Luftschutzes nur der Stoff zu Schutz. hosen für % der Mannschaften beschafft werden muß, was, insgesamt betrachtet, einen erheblich geringeren Bedarf in dieser kritischen Stunde be. deuten würde. Ob auch Handschuhe alls diesem Stoff eine den in großen Mengen nur schwer erhältlichen Gummihandschuhen entsprechende gleiche Widerstandskraft gegen Senfgas haben werden, dürfte in einschlägigen Laboratorien bai .

digst festzustellen sein. Eine ebenso wichtige Auf. gabe haben diese Laboratorien m. E. auch noch bezüglich der Fußbekleidung zu lösen. Die Be. schaffung der von sachverständiger eite für die Entgiftungstrupps als notwendig erachteten Gum< mischaftstiefel erfordert nicht nur ganz erhebliche Geldmittel, sie ist auch insofern schwierig, als die Herstellung sehr zeitraubend ist. Die Bestellung müßte also schon von langer Hand erfolgen und die Stiefel dann auf Lager gelegt werden. Da sie aber auch nur eine begrenzte Lagerfähigkeit besitzen, würden sie nach Ablauf dieser Zeit wertlos sein und dann durch neue Lagerbestei; lungen ersetzt werden müssen. Während der La: gerung würden sie aber im Gegensatz zu den Regenjacken nicht in Benutzung genommen wer· den, da es meines Wissens jetzt nirgends üblich ist, die ~annschaften der Straßenreinigung von seiten der Verwaltung auch mit Schuhzeug auszu· rüsten. Es dürfte Aufgabe der einschlägigen La: boratoricn sein, ein Mittel zu finden, durch wel . chcs die üblichen Lederschaftsticfel gegen das Eindringen von Senfgas geschützt werden kön. nen, so daß man bei Aufruf des Luftschutzes diese im Eigenbesitz der Mannschaften befind. lichen ' ticfel, gegebenenfalls gegen Zahlung einer entsprechenden Entschädigung an die \annschaf. ten, mit dem Schutzmittel gegen Senfgas wider. standsfähig machen kann.

Die vorstehenden Ausführungen lassen erken< nen, daß die Betriebe der städtischen Straßen • reinigung sowohl bezüglich ihrer Organisation als auch ihres Geräts den Erfordernissen des Luft. schutzes schon in Friedenszeiten in weitem Maße gerecht werden, so daß ihre Verwendung bei der Entgiftung außerordentlich naheliegt. Aufgabe der Verwaltungen dieser Betriebe wird es sein müs: sen, die Ergänzung und Erneuerung des Geräts ihrer Betriebe und der Einrichtungen ihrer De. pots unter dem Gesichtswinkel der Belange der Entgiftung durchzuführen, was ohne Schädigung der Interessen der Straßenreinigung und ohne er. hebliehe j\\ehrkosten möglich sein wird .

Luitschutzvorarbeiten und Freiwilliger Arbeitsdienst Wilhelm Co h r s I Mitglied der Schriftleitung

Neben dem entscheidenden politischen und wirtschaftlichen Geschehen beschäftigen zurzeit zwei große Aufgaben~ebiete in immer steigendem Maße die deutsche Öffentlichkeit, nämlich die Or. ganisation des Luftschutzes und der freiwillige Arbeit dienst .

Ober die Jotwenc1igkeit, die Ziele und den in Angriff genommenen Aufbau unseres Luft. schutzes sind schon verschiedene gute und auch weniger gute Aufsätze in Zeitungen und Zeit> schriften erschienen und schon viele der Sache dienende, aber auch leider oft abträ~liche Vor~ träge gehalten worden. vVährend noch vor einem Jahr nur wenige Leute einige Kenntnis vom Wesen des zivilen Luftschutzes hatten, ist heute dieser Begriff bereits zum Allgemeingut ge< worden. Die Reihe derer, die auf diesem Sonder. gebiet der Landesverteidigung und des Landes. schutzes tätig sind, ist im Laufe der letzten Mo~ nate beträchtlich gewachsen, und eine große Zahl von Reichs. und Staatsbehörden, Kommunalver.

waltun~en , Vereinen, Or~anisationen und Einzel. personen befaßt sich heute mit Luftschutzvor. bereitungen.

In gleicher Weise hat das Interesse am Frei. willigen Arbeitsdienst zugenommen. Waren es noch vor zwei Jahren nur ganz wenige Männer, die sich mit der Frage beschäftigten, wie der Ar. beitslosigkeit auf diesem Wege nach Möglichkeit gesteuert werden könnte, so ist im Laufe des Jahres 1931 und ganz besonders in den letztver. gangenen Monaten der Freiwillige Arbeitsdienst zu einem viel beachteten Aufgabengebiet gewor; den, und die letzten Regierungsverordnungen haben ihm noch ganz besondere Bedeutung ge~ geben.

Aber die Möglichkeiten. dem Freiwilligen Ar. beitsdienst Aufgaben zu stellen, die sowohl der

rbeit des einzelnen Sinn geben als auch die In. vestierung der erforderlichen Mittel rechtfertigen, sind bisher leider noch verhältnismäßig be. schränkt. Immer wieder werden vornehmlich

235

Page 16: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

Straßen~ und Wegebau und Arbeiten zur Urbar~ machung von Ödland und zur Bodenverbesserung genannt, und immer erneut fordern die Wirt~ schaft und die Arbeitnehmervertretungen, daß der Freiwillige A rbeitsdienst nur dort eingeset zt werden dürfe, wo es sich um zusätzliche und ge~ meinnützige Arbeiten handelt; das heißt also, um solche A ufgaben, die sonst nicht erfüllt werden könnten, und deren Inangriffnahme Firmen und in Stellung befindlichen Arbeitnehmern die normalen Verdienstmöglichkeiten nicht beein~ trächtigt.

Es ist notwendig, einmal darauf hinzuweisen , daß der Luft sc hut z in große r Zahl Aufgaben s t e llt , die tat säc hli c h ge~ meinnützige und z u sä t zl ich e sind und die wahrscheinlich überhaupt nur ge l öst werden können, wenn der Freiwi lli ge Ar b e it sdiens t s ich ihr er an n im m t 1)! Zum Beispiel müssen in allen Städten "Sammelschutzräume" an den Straßen und Plätzen geschaffen werden, in allen Häusern soHen "Schutz räume" für die Hausbewohner oder für die im Hause arbeitenden Pe rsonen einge~ richtet, und überall müssen die Dachgeschosse a ller Gebäude fachkundig hergerichtet werden . A ll e diese unbedingt erforderlichen A nlagen und Arbeiten sind nur dann möglich, wenn die allep geringsten finanziellen A ufwendungen damit ver~ bunden sind. Ohne Zweifel sind bei der augcn~ blicklichen Wirtschaftslage weder eine Stadtve r~ waltung noch ein Privatunternehmer oder ein Hausbesitzer in der Lage, eine Baufirma mit dem Ausbau oder der Anlage von Schutzräumen zu be~ auftragen. Wohl aber wäre an derartige für ein Volk lebenswichtige Ausführungen zu denken, wenn die normalen Kosten für Löhne, Geschäfts~ spesen und die notwendige Verdiens tspanne fort . fallen, weil die Arbeitsleistung vom Freiwill igen Arbeitsdienst übernommen wird.

N immt sich der Freiwillige A rbeitsdiens t der mannigfach en Aufgaben an, die der Luftschutz s tellt, dann würde er sich ein einwandfrei z u ~ sä t z I ich e s und gern ei n n ü t z i g c s Be~ t ä tigun gsfeld schaffen, das de facto keinem Privat~ untern ehm er entgeht, dessen Verwirklichung aber

viele Tausende von Tagewerken schaffen und deren Ingangse tzung außerdem einer großen Zahl von Lieferfirmen in allen Plätzen des Reiches durch die erforderlichen Materiallieferungen Ar. beit und Umsatz bringen würde. Schließlich ist es sicher sehr bedeutsam, daß es sich hier nicht, wie bei Wege~ und Bodenverbesserungen , um Auf~ gaben handelt, die einmal hier und ein andermal dort in Gang gese tzt werden, nur einige Wochen ausfü llen und deren Beendigung die sofortige Auh lösung oder Verlegung der freiwilligen Arbeits; kräfte an einen anderen Ort ve rlangt, wo neue A rbeit wäre. Bei den Vorarbeiten für den zivilen Luftschutz handelt es sich um die Durchführung von Maßnahmen, die in allen Orten des Reiches auf verhältnismäßig sehr lange Zeit Menschen an den Platz fesseln müssen, weil die Beendigung einer Bauarbeit eben durchaus nicht Entlassun~ oder Ortswechsel für die A rbeitswilligen mit sich bringt.

J eder O rt im Deutschen Reich is t vom nächsten ausländischen Flugplatz bekanntlich in wenigen Flugstunden erreichbar. In all en Städ ten, den kleins ten und den größten, ist also eine Fülle von Arbeiten für die Vorbereitung des Luftschutzes zu bewältigen. Sie werden auf viele Monate. wahrscheinlich auf Jahre, die Kräfte des Frei ~ willi gen Arbeitsdienstes beschäftigen und fesseln können. Die Eigenart der vielges taltigen Anfop derungen aller Luftschutzvorarbeiten stellt zudem allerorten im Reich eine U nzahl von A ufgaben . auch für den Kopfarbeiter, wie Ingenieur, Bau. meis ter und Kaufmann. der im Rahmen seines Be; rufes im Freiwilligen 'Arbeitsdienst leitend mit~ arbeiten oder auch im Aufsichtspersonal Verwen ~ dun g finden könnte.

Die vorstehenden Gedankengänge sind An· regu ngen, die dazu beitragen sollen, in gleichem Maße der ache des Luftschutzes wie der dcs freiwilligen A rbeitsdiens tes zu dienen. \ Väre es wirklich möglich, Freiwilligen Arbeitsdienst und Luftschutzvorarbeiten miteinander zu ve rkoppeln . so würde dies ein beachtlicher chritt auf dem Wege zum Aufbau und auch zur Sicherheit des deutschen Volkes sein.

Hautatmung und Gasschutz Dr. K. W. He tz e I, gericht!. vereid. ehern. Sachverständiger, Essen (Ruhr)

bcr das Wesen der Hautatmung bes tehen auch heute noch vielfach unkla re Vorstellungen. Bei der Kompliziertheit der sich zwischen Orga~ nismus und Atmosphäre abspielenden physik a~ !ischen und physiologischen Vorgänge wirkt dies nicht weiter überraschend . Hat es doch jahre~ lange r und eingehender wissenschaftlicher Unter; sucllungen bedurft, um dic Verhä ltnisse in dieser Richtung sowohl unter normalen wie auch unter ano rmalen Bedingungen zu klären.

Die Frage der H autatmung hat besonders auf dem Gebiete des Gasschutzwesens eine wesent; liehe Bedeutung erlangt, da manche U nfälle in Gasschutzgerä ten, für die man trotz eingehender Prüfung der beim Unfall vorliegenden Verhält; nisse keine E rklärung fand, auf eine H autatmung giftiger oder nicht atembarer Gase zurückgeführt worden sind, oftmals ohne Berechtigung und in Verkennung der Tatsachen.

A ber auch in unfallrechtlicher Beziehung bean~ sprucht die Frage der perkutanen Giftgasaufnahme

236

all ergröß tes Interesse. Im Hinblick auf die Un­klarheit der Vorstellungen und dic Verschieden; artigkeit der A nschauungen seien zunächst einigc allgemeine Betrachtungen über die Hautatmung unter no rm alen Verhältnissen vo rausgeschickt:

Der menschliche Organismus ist mit der Haut nur in untergeo rdnetem Maße an der Atmung be~ teili gt. Ocr zwischen Körpe r und atmosphärischer Luft erfolgende Gasaus tausch macht etwa 1 % des Lungengaswechsels aus. D emzufolge ist die Kohlcndioxydabgabe un d SauerstoffaufnahmC" durch die Haut nur als ge ringfügig anzusehen2

).

Bei höheren Temperaturen der U mgebungsluft sowie bei kö rperlich anstrengenden Arbeiten is t die Kohlendioxydabgabe vermehrt, wohingegen die Sauerstoffresorption maximal 1 % nicht über; schreitet. Weitere Ausscheidungsprodukte des

1) VgI. darüber auch "Gasschutz und Luftschutz" 1931 s. 47 und 1932 s. 124 bi s 127. D. Schrift!.

2) Die Kohl endiox ydAbgabe innerhalb 24 Stun den beträgt 840 ~ bei de r Ausatmung durch di e Lunge und 8- 10 g bei der Hautatmung. D. V.

Page 17: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

Körpers durch die I-laut sind Fette und Wasser; mit der Abgabe von Wasser in Gestalt von Was< serdampf ist gleichzeitig die für den Organismus so wichtige Wärmeregulierung verbunden . m die geringe Anteilnahme der Haut an dem At< mungsprozeß richtig beurteilen zu können, muß man berücksichtigen, daß die Oberfläche der Haut mit rund 2 qm weit hinter der respiratorischen Oberfläche der Lunge, d. h. der Gesamtoberfläche der Kapillargefäße der Lunge, die schätzu ngs. weise 80-90 qm beträgt, zurückbleibt. Die äußerst zarten Wandungen des Lungengewebes ermöglichen im Gegensatz zur Haut ein rasches Diffundieren der normalen Luftbestandteile. Wei; terhin ist zu bedenken, daß die Diffusions< geschwindigkeit eines Gases durch eine ani­malische Gewebsschicht weitgehend von dessen Absorptionskoeffizienten in wässerigen und se­rösen Flüssigkeiten und von seiner Löslichkeit in fettähnIichen Substanzen (Lipoiden) abhängig ist. Gerade dieses Absorptionsvermögen für Sauer< stoff und, wie nachfolgend gezeigt wird, auch für bestimmte Giftgase, ist bei der Epidermis relativ gering. Von Bedeutung für den Diffusionsvor< gang ist auch die Reaktion der Gewebsoberfläche in feuchtem Zustande und bei gesteigerter Schweiß<Sekretion.

Daß die e einzelnen Faktoren bei der Beurtei­lung der Giftgasresorption durch die Haut eine besonders wichtige Rolle spielen, ist selbstver< ständlich. Von maßgeblicher Bedeutung bei den giftigen oder nicht atembaren Gasen ist in dieser Hinsicht aber auch der chemische und physio< logische Charakter. Fettlösende oder dösliehe Stoffe oder solche, die auf die I-Taut korrodierend wirken b zw. die Kontinuität derselben trennen . si nd leichter resorbierbar als andere, die in dieser Beziehung indifferent sind. Auch höhere Außen< temperaturen sowie Schwitzen des Körpers wer< den infolge der dadurch bedingten Erweiterung der Hauptporen eine perkutane Giftgasaufnahme begünstigen.

Von der großen Anzahl der giftigen oder nicht atembaren Gase und Stoffe haben jedoch nur wenige in ihrer Beziehung zur Hautatmung Be< achtung gefunden: das Kohlenoxyd und Kohlen­dioxyd, Blausäure, Schwefelwasserstoff und Anilindämpfe. Das ist an und für sich über< raschend und doch wieder verständlich, wenn man bedenkt, daß der Hinweis auf eine evtl. Hautatmung erst durch gelegentliche Unfälle, die nicht geklärt werden konnten, erbracht worden ist.

Das K 0 h I e n 0 x y d ist oftmals als Ursache derartiger Unglücksfälle angesehen worden, wo die A tmungsorgane vollkommen geschützt waren, und eine Aufnahme dieses giftigen Gases nur durch eine Hautatmung angenommen wurde. Gegen diese Annahme, die bis dahin auch nie­mals bestätigt worden war, sprachen eine Reihe theoretischer Überlegungen, die sich auf Grund zahlreicher praktischer Erfahrungen und Ergeb; nisse aus den letzten Jahren als haltbar erwiesen haben.

Kohlenoxyd besitzt einen Absorptionskoeffi­zienten für Wasser und Fette (Lipoide), der ge­ringer ist als der des Sauerstoffs und erheblich nied riger lieg t als der des Schwefelwasserstoffs und der Blausäure3).

Fettlösende, hautreizende oder hautschädi­gende') Eigenschaften kommen dem Kohlenoxyd­gas nicht zu. D emzufolge liegen die Verhältnisse für eine Kohlenoxydresorption durch die Haut wenig güns tig. Es wäre aber, im wissenschaft;

lichen Sinne gesagt, unrichtig, wenn man dem Kohlenoxyd jegliches Lösungsvermögen und die Fähigkeit, perkutan in den Organismus einzu­dringen, absprechen würde. Es kann kein Zwei; fel darüber bestehen, daß Kohlenoxyd innerhalb einer gewissen Zeit vom Organismus auf dem Hautwege aufgenommen wird, auch dann nicht, wenn spektroskopische und chemische Unter­suchungen von Blutproben, die an Rettungsleuten entnommen wurden, ein negatives Resultat er­geben haben. Selbst die Tatsache, daß bei Ret­tungsmannschaften, die mehrere Stunden in einer 1-6% igen Kohlenoxydatmosphäre, durch Gas­schutzgeräte geschützt, schwercre Arbeiten ver­richtet haben, keine Vergiftungserscheinungen wahrgenommen wurden, ist kein bündiger Be; weis, der gegen eine Hautatmung von Kohlen­oxyd sprechen würde. Unzweifelhaft ist aber. daß die perkutan resorbierten Kohlenoxydmengen nur außerordentlich gering sind und bei einer mchrstündigen Benutzungsdauer eines Gasschutz< gerätes keine Vergiftungen herbeiführen können. Dafür sprechen besonders die jüngsten, bisher unveröffentlichten Beobachtungen von Flury, wonach eine Aufnahme von Kohlenoxyd durch dic Haut pr akt i s c h nicht stattfindet, auch nicht bei hohen Konzentrationen. Damit ist ge­sagt, daß eine Vergiftung durch Hautatmung von Kohlenoxyd nicht zu befürchten ist. Und schließ­lich sind diese wissenschaftlichen Feststellungen durch zahlreiche Beobachtungen und Eraebnisse aus der Praxis immer wieder bestätigt worden.

Wesentlich schwieriger liegen die Verhältnisse hinsichtlich der K 0 h I end i 0 x y d resorption vom Organismus durch die Haut. Die Löslichkeit des Kohlendioxyds in wässerigen Flüssigkeiten ist etwa 4mal größer als die des Kohfenoxyds; hinzu kommt, daß das Kohlendioxyd als schwache Säure leichte örtliche Wirkungen auf die Haut ausübt, die sich in einer Rötung und einem prickelnden Gefühl zu erkennen geben. Nament­lich bei höheren Kohlendioxydkonzentrationen (über 20 %) tritt als Folge der Kohlendioxydein­wirkung ein deutliches Wärmegefühl auf, womit eine an der Peripherie des Körpers stattfindende Blutansammlung verbunden ist. Gerade der letz­tere Umstand würde zweifellos eine Kohlen­dioxydaufnahme durch die Haut begünstigen.

Die wissenschaftlichen Beobachtungen stehen nun mit den Ergebnissen aus der Praxis nicht in völliger Übereinstimmung. Es gibt Forscher, die eine Resorp tion des Kohlendioxyds durch die Haut experimentell festgestellt haben wollen oder eine solche zum mindesten für sehr wahrschein­lich halten. Die wertvollen Untersuchungen, die Prausnitz vor Jahren in dieser Richtung an­gestellt hat, zeigen, daß durch die Haut niemals solche Mengen von Kohlendioxyd aufgenommen werden können, daß dadurch eine Vergiftung hervorgerufen wird. Dabei wird die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß Kohlendioxyd als Ur; sache reflektorischer, von der Haut ausgehender Reizwirkungen angesehen werden kann. Diese Erscheinun gen können wiederum als Ursache der gelegentlich auftretenden Mattigkeits< und Er­müdungszustände betrachtet werden, die Praus-

3 ) Absorptionskoeffi zienten für Wasser bei 20 0 C: Sauel"!Stolf: 0,028, Kohl enoxyd : 0,023, Schwefelwasserstoff: 2,905. D. V.

4) In Jg . 4 (1932), Helt 1 der Zeitsehr. " Die Gasmaske" finden sich in einem Aursal1. von Dr. Grawitz, Berlin, über "Erste Hilfe und ärzt· liehe Behandhmg bei akuter Kohlenoxydvergiltung" zwei Abbildungen : 1. Flammeode Rötung der Haut mit ödembildung unmitt elbar nach schwerster Kohl eno xydv ergiltung. 2. Fortschreitende Blasenbildung ~inige Stunden später. Rötung der Hau t und Blasenbildung sind nach Angabe des V 0.1. unt er seinen Augen entstanden. D. Schrift!.

237

Page 18: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

nitz auch an sich selbst hat feststellen können. Ob nun tatsächlich kleinere Undichtigkeiten am Gasschutzgerät und die dadurch ermöglichte Ein< atmung von Kohlendioxyd letzthin. an diesen E:< scheinungen schuld sind, muß dahmgestellt bleI< ben. Auffallend ist nur, daß die gleichen Beob< achtungen auch in der Praxis gemacht worden sind, wo bei einwandfreiem und dichtem Geräte< sitz sich am nächsten Tage Kopfschmerzen , /'I \at< tigkeit und Schläfrigkeit eingestellt haben, Sym<­ptome, die mit denen einer regelrechten Kohlen< dioxydvergiftung übereinstimmen. Sicher ist aber jedenfalls, daß nach den bisherigen Feststellun' gen und Beobachtungen aus der Praxis des Gas< schutzes keine Kohlendioxydaufnahme durch die Haut in solchen Mengen s tattfindet, daß die Ar, beitsfähigkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt oder eine Vergiftung des Körpe rs hervorgerufen wird. Ebensowenig ist eine Unterbindung der Il autatmung durch hohe Kohlcndioxydkonzentra< tionen fes tgestell t worden.

B lau s ä ure wie auch der anschließend noch zu besprechende Schwefelwasserstoff sind im Ge< gensatz zu den vorgenannten Gasen erheblich giftiger. Die Aufnahme von Blausäure in solchen Mengen, die für eine Vergiftung als ausreichend angesehen werden können, ist durch wissen­schaftliche Untersuchungen einwandfrei erwiesen und auch durch Unfälle in der Praxis bestii tigt worden . Das V erhalten der Blausäure gegenüber dem Organismus bei der Hautatmung wird bc ' sonders dadurch verständlich, wenn man bc< denkt, daß sie die gleiche spezifische Dichte hat wie der Sauerstoff, dabei aber einen wesentlich größeren Absorptionskoeffizienten für Wasser und fettähnliche Substanzen zeigt als Kohlen< oxyd und andere giftige Gase. Zudem ist sie wesentlich giftiger als die vorher behandelten Gase, so daß auch entsprechend geringere Men< gen bei der Hautatmung Vergiftungen hervor; rufen können . Die Gefahr der Vergiftung wird erheblich größer bei stärkerer Schweißabsonde< rung oder wenn zugleich gewisse Reizstoffe auf die Haut einwirken, wodurch die Hautgefäße er, weitcrt werden und die Aufnahme durch die Haut begünstigt wird.

Blausäure ist in der Chemie als Kata lysatoren < gift bekannt und wirkt auch im Organismus ent< sprechend als Fermentgift, indem sie sich in den lebenden Zellen mit dem Atmungsferment ver< einigt, wodurch dieses funktionsunfähig wird, une.!' das Gewebe nicht mehr fähig ist, Sauerstoff aufzunehmen. Blausäure unterbindet also die Ge, websatmung, ein Vorgang, der sich auch bei der perkutanen Resorption im Organismus abspielt.

Bereits eine 1 Vol. % Blausäure enthaltende Luft kann bei Personen, die durch ein entspre ' ehen des asschutzgerät gegen die Einatmung der Blausäure geschützt sind, Vergiftungserschei , nungen bewirken, wenn der Aufenthalt nur we< nigc Minuten gedauert hat. Ein längerer Aufenb halt in einer 1 Vol. % und mehr Blausä ure ent< haltenden Atmosphäre muß auch nach Flury als bedenklich, unter Umständen sogar als lebens< gefährlich bezeichnet werden. Diese Erkenntnis ist insofern für den Gasschutz von größter Wich < tigkei t, als eine Giftgaskonzentration von 1-2 Vol. % für die Anwendung von Filtergeräten sonst von grundsä tzlicher Bedeutung ist. Daß in der ' Praxis der Schädlingsbekämpfung auch tödliche Unfälle als Folge einer Hautatmung von Blausäure vorgekommen sind, beweist unter anderem der von Betke im "Zentralbl. für Gewerbehygiene u.

238

Unfallverhütung", Okt. 31, Heft 10, auf Seite 249 beschriebene Fall ';).

Auch beim Sc h w e fe I was s e r S t 0 f f findet eine Aufnahme in den Organismus durch die Haut s tatt. Der Absorptionskoeffizient des Schwefel< wasserstoffs is t etwa lOOmal größer als der des Kohlenoxvds und Sauerstoffs, bezogen auf wässe< rige Flüssigkeiten. Hieraus wie auch aus seiner er< heblieh größeren Giftigkeit erklärt sich die Einwir' kung auf den Organismus. Allerdings handc~t es sich bei den in der Praxis beobachteten Fallen meist nur um örtliche Wirkungen, die Haut wird allm~ihlich gerötet und färbt sich dunkel, und nach Stunden kann es zu einer Erythembildung kommen . Ob es sich hierbei um reine Diffusions< bzw. Absorptionsvorgänge oder vielleicht auch um teilweise chemische Umsetzungen mit dem Alkali der Hautsekrete und Hautzellen handelt, is t ein e Frage, die noch der Aufklärung bedarf.

Als letzter der perkutan resorbierbaren Gift, stoffe is t noch das An i I i n zu erwähnen. Dieses schon bei gewöhnlicher Temperatur verdunstende, in der Teerfarbenindustrie und in der Anilin< schwarzfärberei zur Verwendung kommende 01 ist als schweres Blut< und Nervengift bekannt. Dabei ist von größter Bedeutung, daß Vergiftun< gen durch Resorption von der äußeren Haut aus häufiger und auch gefährlicher sind als die durch Einatmen der Dämpfe. Voraussetzung ist aller< dings dabei, daß die J..::onzent ration des Anilin, dampfes in der Atmosphäre nicht zu ge ring i t, cla sonst nur unbeträchtliche Mengen durch die Haut aufgenommen werden und auch bei stunden< langer Einwirkung keine nennenswerten Folgen herbeiführen. Reizwirkungen auf die Haut be< sitzt der Anilindampf nicht. Die Resorbierbarkeit von seiten eier I-laut ist zweifellos eine Folge der relativ guten Löslichkeit in den Hautsekreten, bzw. seiner Diffusions< oder Absorptionsfähigkeit.

Für den Gasschutz in seiner praktischen An~ wendung ergeben sich aus den vorhergehenden Ausführungen sehr wichtige Folgerungen. Bei Anwendung von Filtergeräten ist eine Vergiftung durch Kohlenoxyd infolgc Hautatmung nicht zu befürchten, da derartige Verhältnisse in der Praxis kaum zu erwarten sind. Außerdem ist auch ill den wenigen praktisch mögliehen Fäll en extrem hohen CO<Gehalts der Luft, der die Anwendung von frei tragbaren Sauerstoffgeräten nötig machen würde, mit Sicherheit zu erwarten, daß die Koh < lenoxydentgiftung des Körpers durch die tmun[! schneller verläuft als die vergiftende Resorption von seiten der I-laut.

Aus eier Praxis des Gasschutzes liegt nicht ein einziger mit Sicherheit erwiesener Fall vor, wo eine Vergiftung dureh Kohlenoxy dgase beim Tra< gen eines Sauerstoffgerätes, dessen absolut dichter Sitz natürlich Voraussetzung ist, eingetreten wäre.

Unhillc mit Gasschutzgeräten in stark kohlen< dioxydhaitiger Luft sind unter ge\,,:issen Vora~s< se tzungen möglich und in der PraxIs gelegentlIch auch festgestellt worden, doch ha~1delt es ~~ch in solchen I' ä llen keineswegs um ell1e vergiftende Aufnahme des J..::ohlendioxy c1s durch die Haut.

") Diese r Fall ist \'0 0 Betke selbst im .. Zcotralblatt für Gewerb~· h f gieDe und Unfall\""rhiitung" im Miirz 1932, Helt 3, auf s: 49 dahm berichtigt word e n, daß die zuerst angeno mmene Ursache eme r Ilaut ­vergiftung durc h Blausäure sic h durc h nac~träglich.c Unlc~suchungcn ais unri c htig erwiesen hat. Ocr Unfall e rclJ!ncl e Sich, weil das von dem Verunglückten ~e!ragene Atem!ilter vö llig erschöpf t war. - ~.hn :n Zukunrt Unfäll e di ese r Arl zu ve rhind ern, si nd vom Preuß. MIni ­sterium für Volkswohlfnhrl Benutzun~sgr~nzcn für di e in blausäure­halligcr Luft zu b cnut L~ndc n Gasmaskcncinsälzc rcstgclcf!l worden: ­

. Vgl. auc h "Gasschutz und Luftschutz", Maihelt 1932, S. 11 5. D. Schnftl

Page 19: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

somlern, im Zusammenhang mit anderen äußeren Einwirkungen, wie Temperatur, Feuchtigkeit usw., um eine in Verbindung mit der Kohlendioxyd~ einwirkung auf die äußere Haut stehende Wärme~ stauung mit ihren bekannten Folgeerseheinun~ gen. Die Verwendung von Sauerstoffgeräten in stark kohlendioxydhaltiger Atmosphäre wird im allgemeinen weniger von der Luftzusammen ~ setzung, insbesondere von deren Kohlendioxyd: konzentration abhängen als von den Beglcitum: ständen, wozu vor allem die Temperatur~ und Feuchtigkeitsverhältnisse zu rechnen sind.

Das letztere gilt auch für die Verwendung von Gasschutzgeräten in mit Blausäure oder Zyklon B durchgasten Räumen. Geringer Blausäuregehalt der Luft, normale Feuchtigkeits~ und Temperatur~ verhä ltnisse sowie sofortige Durchlüftung des Raumes werden bei einem kürzeren Aufenthalt

in derartigen Fällen keine schädlichen Folgen haben.

Bezüglich einer perkutanen Resorption von Schwefelwasserstoffgasen dürfte nach den (vor: herigen) Ausführungen an dieser Stelle kaum etwas zu bemerken sein, da hohe Konzentratio ' nen dieses Gases (bis zu 100 %) in der Praxis wohl überhaupt nicht angetroffen werden und Allge~ meinwirkungen als Folge einer Hautaufnahme bis her nicht festgestellt worden sind.

Der einzige Fall, wo das Tragen einer Sehutz~ kleidung fl

) neben dem Gasschutzgerät notwendig wird, liegt beim Arbeiten in einer mit Anilin~ d ii mpfen verseuchten Atmosphäre vor, voraus: gesetzt, daß der Sättigungsgrad der Luft - 1 I Luft kann bei 15" C 0,9 mg, bei 25° C 1,8 mg Anilindampf aufnehmen wesentlich über: schritten wird.

Auslandsnachrichfen Italien .

In Rcm fand in tkr letzten Scrteillberwoclll~ eine große Luftsehutzübung statt. Auch .irr Va ti k a n WH ge, beten, sich an die betreffenden Vorschriften. namentlich über die Verdunklung der Stadt. zu halten. da der Luft. angreifer anderenfalls durch die Lage dcs Vatikans seine Ziele bestimmen könnt e-. Der V.atikan hatte dem An, suchen de i' JI'1ilitärbehörde entsprochen .. ber die weitere'l Ergebnisse der bung wird noch berieh tet werden (vg1. auch S. 244).

Polen. Im Scptembcrheft dieser Zeitschrift wurde in der Be,

spreehung des "Katechismus für die polnischen Eisen, bahnen" geze igt, daß der Frage des Luft, und G!lS' schutzes in Polen von allen Seiten größte Aufmerksam , keit gewidmet wird. Die nachstehenden Ausführungen, die wir der polnischen Zeitung "Lot Polski", r. 6, 1932, entnehmen. sind ein weiterer Beweis für di e ziel bewußte Arbeit Pol'ens auf dicscm Sondergebiete. \Vir bringen zunächst in deutscher Ühertragung dic

Rund funkrede des Präsiden ten d er polnischen Liga für Luft: und G asabwehr (L. O. P.P .) Mart inowicz anläßlich

der 9. "Luftschutzwoche". "Bei Beginn der 9. Luftschutzwoehe wende n wir uns

an alle Bürger der polnischen Republik mit dem dringen, den Appell, unsere Organisati on nach Kräften zu unter , stützen.

Die Polnische Luftsehutzliga . welche sich c!ie Aufgabe gestellt hat, das Flugw~sen zu förde~n und die Zivil , bevölkerung im Sinne des eigenen Luftschutzes im Falle eines Kriege zu erziehen und auszubilden, hr.t alles da , ran gesetzt, um alle Kreise, denen der Aushau \lnseres Flugwesens und der ehutz der Bevölkerung gegen Flieger, angriffe am Herzen gelegen ist, zusammenzufassen.

Im Verlaufe weniger Jahre ihres Bestehens hat di e Liga ich ständig weiter ent\\-iekelt und wurde immer stärker. Verkehrsflugzeuge polnischer Konstruktion, die von polnische n Flugzeugführern gesteuert werden, be, fliegen eine ganze Reihe von Luftlinien im Lande und außerhalb des eigenen Gebietes und geben Zeugnis von der Tüchtigkeit der r ü1n i chen flieger und Flugindustrie. Die vorhandenen Fliegerschulen reichen aus, um den ganzen Bedarf an Faehpersonal fü,' unsere Lufttlottc hel" anzubilden.

Die Lehrinstitute, deren Anzahl auf Kosten der Liga vergrößert werden konnte. hab n im Lande und auch im Auslande immer größere nerkennung gefunden. Das immer dichter werdende Netz von Fluuhäfen auf un , sc rem Gehiet ermöglicht die weitere Verbreitung des Touren. und Sportfliegens.

Tm Gassehutzdien.'it sind bisher schon etwa 6000 Ilh

strukteure ausuebildct worden. die ihrerseits über 500000 Bürge r weiter" ausgebildet haben, mit dem Erfolg, daß

es heute schon ganze Gebiete in unSl:rer Republik Uibt. in denen auch nicht ein einziger Einwohner im Gas, schutz unausgebildet i t. Die Liga erprobt die versehie, denen Typen von Gasschutzgeräten, sorgt für die Be, schaffung von Gasmasken für die Bevölkerung, organi , siert Gasschutztrupps und rüstet sie mit Gasmasken aus.

Für die Durchführung dieser Tätigkeit hat die Luft, schutzliga bisher einen Betrag von 40 Millionen Zloty benötigt, der zum weitaus größten Teil aus den besehei, denen Mitgliederbeiträgen von je 50 Groschen hesehafft werden konnte.

Dank der sta1'ken Mlitgliederzahl d,er Liga, di,e brei, tes te Massen der Bevölkerung, Arbeiter und Handwerker, wissenschaftliche und freie Berufe, umfaßt, konnte aus den vielen bescheidenen Beiträgen bereits die riesige Summe von 40 Millionen Zloty beschafft werden, welehe fÜr die Durchführung des Arbeitsprogramms der Li~a notwendig war.

Man sicht also. daß eine riesige Arbeit einzig und allein mit Hilfe der kleinen Beiträge der Mitglieder des großen Verbandes geleistet werden kann , wenn alle \'on der gleichen Idee, und zwar einer lebendigen Idee, ge, tragen werden,

Dieser U mstand, der uns die Schaffung einer s tarken Schutzorganisation ermöglichte, ist aueh der Grund dafür. daß unsere Liga in allen Ländern der Welt ein Gegen , stand großen Interesses ist, und daß Vertreter aller möglichen, selbst exotischer Staaten bei uns erscheinen, um sieh über Organi,sation und Arbeit unserer Liga zu informieren,

Die Liga hat bis jetzt schon viel Arbeit geleistet und das polnische Flugwesen und den Luftschutz ein gut Stück vorwärts gebracht. Wir dürfen uns aber nicht verhehlen, daß noch sehr viel Arbeit vor uns liegt, und daß unserer noch schwere Aufgaben harren. \Vir haben so noch eine ganze Reihe von Flugplätzen zu schaffen. Ferner i t das bisher noch unvollendete Gehäude unserer .,ZiYilsehule für den Gasschutzdienst" schnellst ens zu Ende zu bauen. Das \'on uns errichtete Institut mußte leider aus Mangel an Geldmitteln vorläufig liegen bleiben. Die Luftschutzorganisation verlangt .ständig neue Mittel, die Versorgung der Zivilbevölkenll1g mit Gasma, ken wird eine immer brennendere Frage und verlangt neuen Zustrom von Geldmitteln.

Die Aufgabe, die vor ,uns liegt, erfordert also so große finanzielle Hilfen, daß sie anscheinend über die Kräfte der einzelnen Organisationen hinausgehen. Die Durch, führunu dieser Aufgabe wird sich aber verhältnismäßig leicht "gestalten , wenn unsere Reihen dureh neue Mit> glieder aufgefüllt werden, deren kleine Beiträge von 50 Groschen uns die Durchführung aller Projekte er,

6) Die unter dem Namen "Hau tgifte" bekannten chemischen Kampf­stolle können hier keine Berü c ksichtigun~ finden. D. V.

239

Page 20: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

möglichen können welche wir durchführen müssen, um der kommenden Generation gc~enüber dIe Pflicht zu er, füllen, die wir mit der BefreIung unseres Vaterlandes übernommen haben."

Anschließend bringt "L 0 t Pol ,s k i" einen sehr um, fassenden Tätigkeitsbericht der L. O. P. P., den WH aus, zugsweise wiedergeben.

Auszug aus den Tätigkeitsberic'hten der BezirksJ)~ Organisationen der L. O. P. P.

Bezirk Krakau: Die eigentliche Entwicklung ,setzte im Jahre 1928 ein, in dem die Mitgliederzahl von 5272 auf 23389 stieg. Im Jahre 1931 wurde e ine Mit~liederzahl von 39245 Personen erreicht, von denen 21 24" auf das Wojewodschaftskomitee und 18000 auf die Kreiskomite.es entfielen. Der Bezirk Krakau umfaßt heute 24 KreIS, und Ortsbezirke. Die Polizei steIlt 861, die Post. und Telegraphenverwaltung ]405 Mitglieder. .

Auf die Anlage von F lug p I ätz e n und auf dIe Ent, wicklung des S p 0 rtf I i e gen s wird von der Leitung der L. O. P. P. Krakau größter Nachdruck gelegt. Im Einvernehmen mit elen Flugplatzausschüssen der Bezirke Krakau Kielce und Schlesien wurden im Jahre 1931 dIe Tourenflugplätze in Nowy Targa und Mielce in .~etri~b genommen. Im Bau befinden ,sich ferner ~lughaf~n 1~1 Debica und Nowy Sad und der Flugplatz Blaly BleiskI. Einen besonders großen Aufschwung hat Dank der Unter, stützung der L. O. P. P. der .. Krakauer Akademische Aeroklub" genommen ; eine ganze Reihe hervorragender Flugleistungen wurde von Mitgliedern dieses Klubs ge, tätigt. .

Die Organisation des G a ~ eh u t z dIe n. s t ~ s wur?e nach Beendigung des AusbIldungskurses fu:. dIe ~rels, und Ortsinspekteure im Gasschutz, Rettun~sclenst, Feuer, wehrdienst usw. innerhalb der LandkreIse und Orts, bezirke geregelt. Es wurden Gasschutztrupps und Alarm, posten ausgebildet. Ein Inspekteur des Gasschutz, dienstes wurde ernannt. Im Jahre 1932 werden plan, mäßige Sonderkurse veranstaltet. ..

Pro p aga n d ami t tel .. waren Vortrage, Presse, und Radiomitteilungen, Filmvorfuhrungen .. Flu~veranstaltungen , ambulante Gasschutzausstellungen Im El'senbahnwaggon, Modellwettbewerbe usw.

Bezirk Kielce: Das Bezirkskomitee um faßt 20 Kreis , komitees. Die Zahl der Ortsgruppen war im Deze~ber 1931 188, die der Schulen 52. Die Zahl der ordenthchen Mitglieder beträgt 27459. .

Bei der Einweihung des neuen Flugplatzes .In Sando, mierz nahmen 29 Militär, und Sportflugzeuge tell. Ferner wurden 5 modernste Segelflugzeuge angeschafft; SegeL fluginspekteure und Mechaniker sind auf dem Flugplatz Polichno ausgebildet worden. .

Ausbildungskurse für Instrukteure Im Gas s c hut z , die n s t fanden in drei Abstufungen (s. u.) statt. Als wirksamstes Propagandamittel haben si~h Umzüge von Trupps in aufgesetzter Gasmaske gezeIgt.

Bezirk Lub/in: Am 1. Januar 1932 hatte das Bezirks, komitee Lublin 21 Krei komitees mit 400 Gruppen und insgesamt 16000 Mitgliedern. An Mitgliederbeiträgen wurden im Jahre 1931 50000 Zlotys aufgebracht.

Der LubHner AerokIub" bewilligte v'CIschiedene Sub" vention~n für Flugveranstaltungen und Segelflugbau in Tomaschew.

Im Gas sc hut z wurden 11 Inspekteurkurse, 2 Unter, inspekteurkurse und 2 Informationskurse veranstaltet.

Die P re ,s s e pro p aga n d a erfaßte Zeitungen aller politischen Richtungen; etwa 500 Artikel wurden ver, öffentlicht und außerdem Druckschriften, Propaganda, broschüren usw. der Zentralverwaltung dauernd im Lande und namentlich in den mittleren und elementaren Schulen verteilt. Schließlich wurden Aufklärungstrupps gebildet., die das Gebiet des Bezirks in Kraftwagen bereisten 'und der Landbevölkerung die Aufgaben der Liga durch Film, vorführungen und Vorträge erläuterten. Auf diese Weise konnten 78 Ortschaften bearbeitet werden.

Bezirk Lodz: In di esem Bezirk wurde eine besonders rege Propaganda entwickelt, bei der die Gruppen in jedes Dorf drangen und jeden einzelnen Bewohner bearbeiteten. Aus den bescheidenen, aber sehr zahlreichen Mitglieder, beiträgen konnte ein erheblicher Fond angesammelt wer, den, der in erster ,Linie den mit großen Kosten verbun,

240

denen Bau des Lodzer Flugplatzes ermöglichte. 5 km von der Stadtgrenze, in Lublinka, wurde ein geeignetes Terrain von 40 ha angekauft, auf dem nach den notwendigen Nivellierungs, und Erdarbeiten FlughaIle, Werkstatt, Ga. rage, Verwaltungsgebäude, Wetter,station, Depots, Flieger, ~ehule mit Internat für die Flugschüler usw, errichtet wurden . Ferner wurde im Jahre i 930 der ,.Lodzer Aero, klub" gebildet.

Im Gas s e hut z die n s t wird ein ständiger Stamm von Gasschutzinspekteuren herangebildet, welcher die planmäßige Durchbildung der Bevölkerung zu le iten hat. Die Ausbildungspläne werden von einem Inspekteur für den Gasschutz bearbeitet. Auf dem Flugplatz Lublinka finden 5 wöchentliche Inspekteurkurse sta tt. Die Gesamt, organisation ist in voller Entwicklung begriffen. die Re.c;u l, ta te der 8jährigen Arbeit sind in hohem Maße befriedi, gend.

Bezirk Nowaqrodek: Das Komitee umfaßt 8 Kreis, komitees mit 181 Gruppen und 9813 Mitgliedern. Die Flugplätze Slonim, Baranowitschi und owagrodek wurden vom Komitee angelegt. Im Bereich des Bezirks existieren 3 Modellflugschulen mit insgesamt 130 Schülern.

Pro pa g a n da t r u pp ,s auf Kraftfahrzeugen mit Filmapparaten bereisten trotz der schlechten Wegeverhält, nisse 176 Ortschaften des Bezirks.

Bezirk Sfanislow: Das BczirIGskomitee wurde 1924 ge. bildet und konnte sich in 7 Jahren zu einer der stärksten Organisationen anwachsen; es brachte in dieser Zeit einen Beitrag von 500000 Zloty für die Zwecke der LOPP. auf Tm Jahre 1931 umfaßte das Komitee 16 Kreisgruppen, 135 Ortsgruppen und 59 Schulgruppen. Die Mitgliederzabi setzte sich zusammen aus 24 Ehrenmitgliedern, 9881 or. ucntliehen und 9371 unterstützenden Mitgliedern. Die ge. leistete Arbeit muß um so höher bewertet werden, als die Bevölkerung des Bezirks aus nur knapp 18 Prozent Polen besteht.

Im Gas die n s t wurden 17 Instrukteure I. Kl., 64 2. KI. und 37 3. Kl. ausgebildet; ferner wurde eine Reihe von Informati onskursen für die Zivilbevölkerung abge. halten. Im Luftschutzdienst wurden 200 Knaben als Melde. gängc r ausgebildet. 4 Kreise des Bezirks konnten bereits mit Gasschutzgerät ausgestattet werden. Ein vorhandener Fond von 140000 Zloty ist für den Ausbau des Flug, platzes in Stani,slow bestimmt.

Bezirk Pommern: Durch intensive Propaganda auf dem Lande gelang es, di e Mitgliederbeiträge des Jahres 1930 im Jahre 1931 um 24 Prozent zu steigern. 29 neue Orts, gruppen wurden ge,~ründet; die Zahl der Mitglieder stieg um 716, so daß der Bezirk jetzt über 20000 Mitglieder zählt.

Für den Gas s c hut z die n s t wurde die Stelle eines Inspekteurs geschaffen, 4 Kreisinspekteure unterrichten in 4 Unterbezirken.

Im F lu g s p 0 r t wurde die Entwicklung des "Danzi<ler Aeroklubs" ge fördert , und der Flugplatz Ciborz endgüftig ausgebaut 'und in Betrieb genommen.

Eine ambulante Pro p aga n d a auf Kraftwagen mit Filmapparaten, Modellausstellungen, Bildern usw. arbeitete in 12 Kreisen ; am Vormittag wurden die Schulen besucht, am Abend fanden Vorträge und Vorführungen für Er. wachsene statt. Das Komitee ließ 25 000 Musterbogen für Ga,smasken (Ausschneidebogen) unentgeltlich in den Schulen verteilen, die von den Kindern während der Hand, fertigkei tsstunden zusammengesetzt wurden.

Bezirk Tarnopol: Das Bezirkskomitee umfaßt 17 Kreis, komitees. Die Gesamtzahl der ordentlichen Mitglieder be. trägt 30000, die sich auf 150 ordentliche Gruppen, 200 Schulgruppen und 100 Landgruppen verteilt.

Im F lug die n s t wurde der Flugplatz Brody ein. gerichtet, der Flugplatz Brzezany und der Landeplatz Tar, nopol sollen ebenfalls in Kürze in Betrieb genommen werden.

Es wurde ein Inspekteur für den Gas die n s t an. gestellt, der mit 4 Kreisinspekteuren die Bevölkerung im Gasschutz ausbildet.

Bezirk Wilna: Für das \lVjlnaer Komitee gestaltete sich das Berichtsjahr außerordentlich ungüns tig. Nur 64 Pro, zent der vorgesehenen Beträge konnte aufgebracht werden. Die Mitgliederzahl wurde gehalten, durch Beitritt der Offi,

1) Bezirk = Wojewodschaft, Gouvernement oder Provinz.

Page 21: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

ziere und Unteroffi ziere der Garnison Wilna konnte sic sogar vcrgrößcrt wcrden.

An Gas s c hut zins trukteuren sind vorh.andcn 38 1. KI. , 79 2. KI. und 12-! 3. KI. Die in den Schulen und Kre iskomitces eingerichtcten Bibliotheken für Gasschut z, literatur haben sich überaus bewährt.

Bezirk Warsabau - Eisenbahndirekfio n : Dieses Komitec wurdc von der LOPP. im Jahre 1926 gebildet und cr, rcichtc im Jahre 1930 12567 Mitglicder.

Im Jahrc 1930 wurdc die Inspektion für den Gas , sc hut z di e n s t gebildet, welche die einheitli ehc Aus, bildung der Eisenbahna rbeiter, Anges tellten und Schüle r zu leiten hat. Das Komitee hat 62 Eisenbahn gruppcn und 16 Sch ulgruppen unter sich. Bereits im Jahre 1929 wurdc von dem Komitee ein Normalspurwaggon für Gasschutz , propaganda gebaut, ferner unterstü tzte das Komitee di t: Einrichtung des ,.Aerodynamischen Institutes" in 'War, schau.

Bezirk Warschau - Slad{ und Provinz: Der Bezirk um , faßt 23 Kreiskomitees und 1 Stadtkomitee, 18237 aktive und 18550 unterstützende Mitgli :! der , insgesamt 33786.

di·e M ass e des deutschen Volkes hinejng·etragen wird, daß a,ber auch gleichzeitig alle Fesseln des Vers.ailIer Dikt.ats endgültig bes.eit~gt werde n, die letzten Endes lcd iglkh ·dazu bestimmt sind, Deutschland selbst Staaten wie Polen gegenüber zu en tmachte n und zu d·eklassieren. Hn.

Rumänien. In B 11 ka r c s t fand kürzlich ei ne Luftschutzübung

statt, ,an der ,die PoJ.izei in hohem Maße beteiligt war. Wie die in diescm H·eft veröffentli chten AJb bildungen zeig,en, betätigten sich Polizei trupps nicht nur im A larm. und anitätsdienst, sondern auch in der Ent. giftung und künsHiehen Vemeblung.

Schweiz. "Gaskrieg im schweizerischen Nationalrat." Unter die,

ser Überschrift gibt di e bekannte "A Il g e m ein e Sc h w c i zer i sc he Mi I i t ä r z e i tun g" (Nr. 7, Juli 1932) einen ausführli chen Bericht über die Sitzung des Nationalrats, in der dic diesjährigen Kriegsmaterialkredite in H öhe von 18,5 Millionen Frankcn, davon 1,3 für die Bcschaffung von Gasmasken, bewilligt wurden1).

Sanitätstrupp der Bukarester Polizei.

D er wichtigste Teil des Arbei tsprogramms ist die An , lage des F lu g p I atz e s Plock.

Für den Gas s eh u t z di e n s t wurde cine Inspekti on zwecks einheitlicher Ausbildung eingesetzt.

Flugmeldc, und Luftschutzwarndienst wurdcn organi , siert, ' 152 Inspckteurc für Gasschutz wurden ausgebildet.

Aus vorstehenden Nachrichten, und Zahlenangaben wird erk enntl ich, daß Polen heute bereits nicht mir auf dem Gebiete des zivil en Luft, und Gasschutzes vorbild, liehes leis tet , sondern gleichzeitig seine "Liga für Luft: und Gasabwehr" a utorisiert hat, Vorspanndienste für die Ausgestaltung und Entwicklung der polnischen Luftwaffe durch Einrichtung von Fliegerschulen und Anla)1e von Flugplätzen. Belebung und Unterstützun g von Luftfahrt, forschun gen, enge Zusammenarbeit mit den militär ischen Stellen, Aeroklubs ·u. a. zu leis ten. Infolgc dieser Kombi, nation ist P olen heute auf dem Sondergebiet des Luft, schutzes führ end, und der Hinweis des Präsidenten der LOPP., daß die polnische Luftschutzorgani sa tion "Gegen. stand großen Interesses aller Länder der Welt" sei. be, st,eht zu Recht. U m so notwendig·er wird es für D e u t s chI a n cl . daß nunmehr mit all em Nachdruck und mit allen M,itteln der zivile Luft schutzgedanke in

Während die Bewilligung des Kri egsmaterial ,Budgets in der Schweiz gemäß den Anträgen des Bundesrats meist ohne Diskussion gegen die Stimmen der Sozialisten und Kommunisten erfolgt, entstand diesmal über den Anteil von 1,3 Millioncn Franken, den Gasmaskenkredit, eine lebhafte Debatte. Es handelte sich dabei weniger um den verhältnismäßig kleinen Betrag') , als um eine grundsätz. liche Klärung dcr Ei nstellung zum Gasschutzproblem über, haupt. Somit besitzen diese Verhandlungen auch für Deutschland Interesse.

In diesem Jahre ga b es im Nationalrat nicht wie sonst die klare Trennung zwischen Rotfront und Bürgerfront. Das ganze Bürgertum stand zwar im Prinzip geschlossen für den Gasschutz ein, doch waren die Ansichten über den geeigneten Zeitpunkt für die A usrüstung mit Gas, masken umstritten. Die Veranlassung dazu gab ein An, trag des schweizerischen Delegierten an der Abrüstungs, konferenz, Dr. H ä be r l i n , der auf eine zeitliche Hin< ausschiebung der Gasmaskenb eschaffung hinausging. D er Antragsteller, ein glühender Pazifist und Völkerbunds.

1) Vgl. " Gasschul z und Luftschutz", 1932, Nr. 7, S. 163. ') Im Jahre 1930 wurden 690000 Fr., 1931: 970000 Fr. ohne W ider ·

spruch für Gasmask enbeschaffung bewilli gt.

241

Page 22: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

politiker, hielt die Bundesratsvorlage für ein Mißtrauen an der Aufrichtigkeit des Verbots des Gas, und Bakterien, krieges. Mit der Annahme der Vorlage würde die Schweiz den Gaskrieg anerkennen. Gleichfalls aus völkerbunds, politischen Erwägungen, allerdings aus pra1ctisehen, nicht pazifistischen Gründen, trat Dr. 0 er i, der ange~ehenste Außenpolitiker in der schweizerischen Presse, für eine Hinausschiebung ein; er hielt es für unzweckmäßig, mitten in den Genfer Verhandlungen mit einem Mißerfolg, ja sogar mit Unwahrhaftigkeit zu rechnen. Sollte indessen durch den Völkerbund keine Klarheit geschaffen werden , so müsse die Schweiz das Dreifache oder mehr der dies, jährigen Rate in den Etat einstellen. Ein weiterer Red, ner, der Luzerner Oberst L. F. M e y er, erklärte sich gegen all e Halbheiten. Wenn die Abrüstungskonferenz keine befriedigenden Ergebnisse erziele, dann wäre mit der rein passiven Abwehr durch Gasmasken nicht genug getan, dann seien die größten Kredite für offensive und aktive Abwehrmittel erforderlich. wozu namentlich die Schaffung von Flaks und besonders' die Neubewaffnung der Artillerie mit weittragenden Geschützen gehöre.

Unter den Argumenten der sozialistischen Redner ver, dienen besonderes Interesse die Äußerungen des Präsi , denten der sozialistischen Gruppe der Bundesversamm, lung, Dr. A. Sc h mi d, und des St. Galler Advokaten Dr. Hub er. Unter Berufung a·uf frau Dr. Wok e r1)

(von der der Berichterstatter der "Allgern. Schweiz. MiIi, tärzeitung" sagt, daß sie in Fachkreisen nicht ernst ge, nommen werde, und daß man ihr vorhalte, daß sie ihrer politischen Einstellung zuliebe die Wissenschaft biege) schilderte Dr. Sc h m i d die Schrecken des Ga<;kriege.5 und erklärte, .,daß es der Schweiz unmöglich ist, sich je so auszurüsten, daß auch eine noch so gerin[!fligige Ab, wehr erz·ielt werden kann". "Da er aber nicht die geringste Hoffnung auf einen Erfolg der Abrüstungskonferenz hätte, und Kriege unvermeidlich seien, wäre die Bundesratsvor, lage ungenügend. Es müsse eine neue eingebracht werden, die den Gasschutz der gesamten Armee und der Zivil, bevölkerung umfasse". (Dazu sagt der Berichterstatter der "Allg. Schweiz. Militärzeitung" : " nd solche Wirr, köpfe, wie Dr. A. Schmid, werden von 240000 Schweizern ernst genommen und nach Bern ents'llldt.") Auch Hub er lehnte die Vorlage ab, weil sie zu wenig umfassend wäre. Er ,sag te wörtlich: "Teh kann mir vorstellen, daß man uns Vorlagen bringen wird, die besonders bezüglich des Gas, schutzes der Zivilbevölkerung derart überzeugend sind, daß ich erkläre - selbst dalln , wenn die Schweiz sogar abrüs ten wird -, es ist mit der M ö g I ich k e i teines übergriffes zu rechnen, die Leute sollten gesichert werden, und infolgedessen ist ei n Kredit für den Gasschutz zu bewilligen."

In seiner Verteidigung und Begründung der Vorlage erklärte Bundesrat Mi n ger, daß internationale Abkom, men wohl eine gewisse Sicherheit, aber keine absolute Garantie bieten, wie die Krieg erfahrung gezeigt habe. Da.s "Genfer GiftgasprotokoU" könnte zu Beginn eines KrIeges eillige Wochen halten, aber später wohl nicht mehr. Wenn ein einziger Staat es verletzen würde wäre es für alle hinfällig. Mi n ger erklärte weiter, d~ß das schweizerische Gasmaskenmodell imstande sei, Schutz gegen aUe bekannten Giftgase, auch gegen Blaukreuz, zu bieten. Seine Ausführungen gipfelten: "Wenn wir unser Land s~h~tzlo.~ der. G~.fahr des Gaskrieges preisgäben, sc läge hienn fur knegfuhrende Nachbarstaaten eine große Ver, s~ehung, die schweizerische Neutralität zu mißachten." Mz.

nach Erledigung seiner Arbeit mit in die Wohnung und setzte sie sich hier auf. Mit dieser aufgesetzten Maske wurde er einige Stunden später tot auf dem Boden liegend gefunden. Die Untersuchung ergab, daß die Verschraubung des Filters völlig eingerostet war; ferner wurde festge, stellt, daß sich ,der Junge in der Maske erbrochen, von dem Erbrochenen etwas durch Einatmen in die Luft­röhre bekommen hatte und daran er,stickt war. Soweit der Fall rekonstruierbar, muß angenommen werden, daß dem Jungen durch den Geruch der Maske oder womög, lieh des durch die lange Lagerung chemisch zersetzten Filtereinsatzes schwindlig und übel geworden ist. Jeden, falls müssen sich die anschließenden Ereignisse außer. or.gen~lich schn~1l ab~espielt haben, da es völlig unver, standlIch erschemt, daß der Betreffende auch bei sehr festem Sitz der Maske sie nicht abreißen konnte. Selbst wenn man voraussetzt, daß der Filtereinsatz vollkommen undurchlässig gewesen ist, so hätte es bereits genügt, zwischen Wange und Maskenrand einen Zeigefinger zu stecken, um Frischluftzutritt zu bewirken und so den höchst eigenartigen Unglücksfall, dem ein junges Men, sehenleben zum Opfer gefaJlen 'ist, zu v·ermeiden. Hn.

Deutsche Luftsport.Ausstellung Berlin (DELA.) 1932. In den Berliner Ausstellung.shaJkn am Funkturm findet

unbex d,er Schutzherrschaft des Herrn R ,edchs, präsi ,denten von Hindenburg in ,der Zeit vom 1. bis 23. Oktober eine D e u t sc heL u f t , S P Q r t. Aus s tell u n g statt. Es ist dies seit 1928 die er te deutsche Luft,sehau, die veranstaltet wird. Gegenüber der damaligen großen internationalen Luft, fahrtausstellung wird diesmal nur das Teilgebiet des Luft, sportes gezeigt. Wie auch aus den auf S. 239-240 wieder, gegebenen polnischen Nachrichten hervorgeht, ist heute in allen Ländern der Luff'Sport der Keim, aus dem ·sieh die Zivil, und auch die Militärluftfahrt entwickelt. Hoffen wir, daß in Kürze dem deutschen Volke die zu seiner Sicherheit unbedingt notwendige Militärluftfahrt endlich wieder gestattet wlird. N.

25jähriges Bestehen des Instituts für Gasforschung an der Technischen Hochschule in Karlsruhe.

Die Feier des 25jährigen Bestehens des Institutes für Gasforschung an der Karlsruher Technischen Hochschule, das von Prof. Kar! B u nt e geleitet wird, war zugleich eine Ehrung seines Vaters, des ,:,.erstorb.enen Geh.eimrates Prof. Dr. Hans Bunte, der Sehopfer dIeses InstItuts ist.

ach einer schlichten Feier an seinem Grabe versammel, ten sich Freunde und Schüler des großen Gelehrten in der Aula der Technischen Hochschule zu einem Gedenkakt, an dem im Beisein zahlreicher Behördenvertreter Regie, rungsbaumeister Wen ger und Prof. Te r res den Alt, meister des Gasfaches feierten und seiner Forschungen ge, dachten. Eine Plakette, dem Andenken Hans Buntes ge, \vidmet, wurde von seinen zahlreichen Schülern und Freun, den gestiftet.

Personalnotizen

Dr. F. Zer n i k , Mitarbeiter von Prof. Flury am Pharmakologischen Institut der Universität Würzburg, Ist dem Kreise unserer ständigen Mitarbeiter beigetreten. .

An Stelle des aUd dem Reichsministerium des Innern ausgeschiedenen Ministerialdirektors Me n z e 1 ist sein Nachfolger, fvlinister:ialdirektor G 0 t t h ein er, in den

I Kreis unserer Mitarbeiter eingetreten.

Verschiedenes . L..-_________________ --l I Deutsches Rotes Kreuz

Der Tod unter der Gasmaske. . Eine eigenartige Verknüpfung von Umständen hat einen

tödlichen Unfall g<!zeitigt, der in dei" Entwicklung des Gasschutzes etwas völlig Neues darstellt. Der 18 Jabre alte Sohn Kur t des Ingenieurs 0 t tm a n n in der Düppelstraße 5 in B e r I in. S t e g 1 i tz kam durch Han, tieren mit einer Heeresmaske aus der Kriegszeit ums Leben. Die in der Tagespresse gebrachten Einzelheiten dieses bedauerlichen Vorganges sind unzutreffend, der Tatsachenbestand i5t auf Grund einwandfreier Informa, tionen folgender: Kurt Ottmann, der am 18. September alle.ifol in der Wohnung weilte, fand bei Ausbesserungs·, arbeIten auf der Bodenkammer eine alte L e der g a , s e hut z m a s k e Mo deli I 91 7. Er nahm die Maske

242

Der PräSlident ·des Doeutsehen Rot.en Kreuz,es hat dem Schriftleiter der Zeitschrift ,IGassehutz und Luft­schutz", Dr . .Rudolf H 8i n sI dan, mit Zustimmung des Herrn Reichspräsidenten in Anerkennung seiner Ver, dienste, die er sich als Mitglied der Internationalen und Nationalen Deutschen Sachverständigen kommission vom Roten Kreuz in der Organisation und vor allem in der grundlegenden wissenschaftlichen Ausgestaltung des Gas" Sanitäts, und Gasschutzdienstes erworben ,hat, die z w e ,i t e K las s e d es Ehr e n z e i e·h e n s des D e u t s ehe n Rot e n Kr e uze s verliehen. Weineck

1) Vgl. "Ga.schutz u. Luftschutz", Septemberheft 1932, S. 217.

Page 23: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

Referate

In der "Berufsgenossenschaft" (1932, Nr. 10 und 11) behandelt DipLIng. G r i d I (bei der Zentral, stelle für Unfallverhütung) "F rag end e s Lu f t , sc hut z e 5".

Die klaren sachlichen Ausführungen sind bei aIler Kürze durchaus geeignet, einen zutreffenden Eindruck von den Aufgaben des Luftschutzes und dcn Möglichkeiten zu ihrer Lösung zu vermitteln. Am Schlusse des Aufsatz.:s werden in einem besonderen Abschnitt die spezielIen Schutzmaßnahmen in Betrieben behandelt.

Verfasser weist darauf hin, daß im Falle von Luftan , griffen die Berufsgenossenschaften für die dadurch her, vorgerufenen personeIlen Schäden einzutreten haben wür, den, soweit es sich dabei um Betriebsunfälle handelt, und daß deshalb die BGell. auf weitgehende Belehrung der Betriebe und Unte rweisung der Arbeitnehmer bedacht sein müssen. Mz.

erscheint auch die Angabe im Merkblatt, daß die Phos. phorbomben nicht mit Wasser zu löschen sind. Der Phos, phor kann sehr wohl mit Wasser gelöscht werden, nur entflammt er bekanntlich nach Verschwinden des Wassers aufs neue. Ein Hinweis, wie seine endgültige Lösehung bewirkt werden kann, beispielsweise durch Zugabe von Metallsalzen zum Wasser (Kupfersulfat), erscheint somIt notwendig. Mögen vorstehende Hinweise dazu beitragen, daß die Neuauflage des begrüßenswerten Merkblattes, dem auch in vorliegender Form eine Massenverbreitung gewünscht werden darf, die vorstehenden Lücken .schließt.

Hn. Kyffhäuser.Führerblatt j r. 4 "L u f t s c hut z", heraus ,

gegeben von der Bundesleitung des Deutschen Reichs. kriegerbundes "Kyffhäuser", Kyffhäuser,Verlag. Als Ma, nuskript gedruckt.

Das vorliegende Arbeitsprogramm des Kyffhäuserbundes ist der Grundstock für die einheitliche Eingliederung die, ser r.iesigen Organisation mit seinen 30000 Vereinen und etwa 3000000 Mitgliedern in den zivilen Luft·sehutz. In übersichtlicher Form werden im Teil I d.ie allgemeinen

1===i"IIIllIIllIUIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII;~:::::::;;:::::::IIII:::UlI;:::::::::::::::'::UlIIIIIIIIIIWII"lUIlIHIlIHIIIIIIIIOIUIIIIII===1!: Auf Grund verschiedent/icher Wünsche und Anregungen aus dem L eserkreise, der

I ~:~:~~~::~~ ~:~~:~~;~~;:~;~~~~;~~:: ::~:~:~~:.:~:~~~~: I ~ hefl veröffentlicht werden. ~ § Schriflleifung und Verlag der Zeifschrifl § ~ "GasschufJ und LuflschufJ " , Berlin NW 40. ~

11111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111101111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111101111111111111111111111=

Literatur

Luftschutzmerkblatt Nr. 2: Schutz gegen Brandbomben. Herausgegeben vom Verlag "Offene vVorte", Berlin W 10. BendJerstr. 8. 16 Seiten, Preis 0,30 RM.

Dem ostpreußischen Luftsehutzmerkblatt Nr. 1 (v gI. "Gasschutz und Luftschutz" Septemberheft 1931, Seite 48) ist nunmehr ein zweites Luftsehutzmerkblatt gefolgt, d.is sieh ausschließlich mit dem Brandschutz beschäftigt. Man kann sich mit dem Inhalt wie auch mit den Abbildungen über falsches und richtiges Verhalten der Bevölkerung bei Brandbombenangriffen einverstanden erklären, wenn man das Merkblatt zunächst als einen ersten Versuch anspricht. JedenfaIIs wäre es bei ei ner neuen Auflage wünschenswert, daß man in der modernen Brandbombe nicht lediglich eine T h e r mit wir k u n g voraussetzt. Es ist ja aus amerikanischen Veröffentlichungen bekannt, daß die moderne amerikanische Brandbombe außer Leicht. metallmantel und Thermitfüllung metallisches Natrium und einen Brennstoffzusatz in Gestalt von festem Petroleum (Solid Oil) enthält, deren gleichzeitige Wirkungen bei der Lösehung Berücksichtigung finden müßten. Gerade die physiologische Wirkung des metallischen Natriums solI te doch wohl Hinweis und Erörterung verlangen. In gleichem Maße erscheint die Behandlung der P ho s p ho r b ra n d, b 0 mb e n in dem Merkblatt nicht hinreichend. \ Vi r wissen aus den Kriegserfahr-ungen, daß die französischen Phosphorgeschosse den Phosphor in einem leichtentflamm, baren Lösungsmittel, nämlich in Schwefelkohlenstoff, ent. hielten. Das, was hier in diesem Merkblatt beschrieben wird, sind eigentlich Phosphor n e bel bomben, aber keine Phosphor b ra n d bomben. Ferner sind auch im Kriege Phosphoreellonbomben eingesetzt worden. Unzulänglich

Vorfragen behandelt. Sachlich einwandfrei, kurz und doch eindringlich sind die Verhandlungen über die Luft. rüstungen bei der Genfer Abrüstungskonferc.nz, die recht, lichen Grundlagen für den deutschen Luftschutz, die Stär, ken der ausländischen Luftstreitkräfte, Luftempfindlich, keit und Luftgefährdung Deutschlands, die Bedeutung der Luftwaffe und die verschiedenen Bombenarten besprochen. Der Teil II entwickelt Zweck und Ziele des Luftschutzes, dessen Durchführung als e.ine besondere nationale Pflicht bezeichnet wird. Teil III schildert in knapper Form und doch in vollkommener Darstellung die Luftschutzmaß, nahmen der Behörden, und Teil IV entwickelt daraus die Grundlagen für die Beteiligung des Kyffhäuserbundes. Die Bestimmungen für seine eigentliche Mitarbeit sind in einer besonderen Anweisung im Teil V zusammengefaßt. Jedem Verein, ja selbs t jedem einzelnen Vereinsangehörigen, sind die Aufgaben zugewiesen, deren Erfüllung nunmehr zur Pflicht der 3000000 Mitglieder des Kyffhäuserbundes ge. worden ist. N.

Tagungsschrift des 21. Deutschen Feuerwehrtages in Karlsruhe vom 5. bis 8. August 1932.

Die etwa 100 Seiten umfassende Broschüre enthält neben dem Programm der Veranstaltung, Reiseordnung und Führer für die Hauptvensammlung der 21. Deutschen Feuerwehrtagung eine Reihe bemerkenswerter Original, arbeiten, so: Deutsche Feuerwehr,Organisation, von Brand. direktor Eck er, München; Geschichte des Deutschen Feuerwehrwesens, von Oberbranddirektor Gern pp , Ber, !in; Feuerwehr. und Sanitätsrettungswesen, von Dr. Per t z, Karlsruhe u. a. Die gut a·usgestattete, reichlich mit Ablbildungen v.ersehene Ifestschrift wird nicht nur in Feuer.wchrkr-cisen Verbreitung und Zustimmung finden. N.

243

Page 24: Gasschutz Und Luftschutz 1932 Nr.10 Oktober

Per Iod ,i ,s ehe Mit t e il u n g en.

Die Gasmaske, herausgegeben von der Auer.GeseIl , schaft, Berlin, Doppelheft 5/6 (Sonder heft für den Luftschut,z): Schutz d eI' Ziv,ilbe völkerung und Ab, rüstungskonferenz. - Organisation des 'industriellen Luftschutzes. - Die .aktive Belegschaft im Luftschutz industrieller urul kommunaler Betri ebe. - Der W erk. Luz.Leiter. Luzmaßnahmen ,eines ,G aswerkes. Durchführung des industriellen Luftschutzes in großen W,enken und Konzernen. - Luz.V orb er,eitungen ,in der Pr.axi,s. - Belüftung ,von g'assi cheren Zufluchtsräumen. - Bereit sein ist Alles! - Schulung und Ausrüstung im RotkreuuGasschutzd.ienst. - Aue rgerä te für den Luftschutz. - Schutz gegen Schwebstoff e. - Wie lernt und lehrt IIlJan die rHan,dhabung von A temschutz, geräten? - .M,itte ilungen. - Auer.GasschutzIchrgän ge .

Die Welt im Fluge. Aufruf zur "Volksspende N iobe". - Verkehrs reife und Wirtschaftlichkeit dcs Lufts chiffes. - Luftreise über das MiUelmeer. - Peilung von Luft, fahrzeugen. - Dela. - Segelflug Rhön- Plauen. - Eu , ropaflug 1932. - Segelflug und Fallschirm. - Literatur.

Zeitschrift für das gesamte Schieß. und Sprengstoff. wesen mit der Sonderabteilung Gasschutz, Heft 9 (Sep, tember): Der kriegschemis che Dienst in der Roten Armee - Gastechnische Literatur. - Patente.

Auf den !in Nr. 39 ,der Z eitschrift "Deutsche Wehr" ers chienenen Aufsatz: "Luftschutz marschierender Ko, lonnen" von Hauptmann a. D. Dipl.,InCl . Otto T h e l e n wird besonders hingewiesen. '"

Patent=Berimie 61 a. 19. 550 220 D r ä ger w e r k , L üb e c k. S c h n a I I e I ü r V o ll g ummibänd e r von Atmun g s­rn a s k e n. Die Schnall e soll ein leichtes Ver­stell e n d er Bände r zur Anpassung an di e ver· schi edenen Kopllormen der Maskenträg er zulas­sen, dabei aber nachträg liche Lä ngenände"unge::> der richtig verpaßten Bänd er, durch di e der Trä ­ger der Atmungsmaske gelä hrd et w erd en ka nn, unmög lich machen . Hi erzu ist die lolgende Bau· w e ise vorgese he n : Um den einen Schenkel der Ose c ist di e mit dem Maskenrand b les t verbundene Bandschlinge hernmg elegl. Der zw eite Osenschenkel wird von der Ireien Schlinge des Vollgummibandes a um· grilien . Diese Schlinge wird durch d en U-Iörmi ­gen Ri egel d zusammeng epreßt, in dessen Steg­schlitz d1 die nachzustellenden Bandend en mit gering em Spiel geführt sind . Zur Sperrung wird der Ri egel von dem Ireien Band ende her üb er deu einen Osensch enkel gesc hoben , Zur Ve r · änderung der Länge des Ba nd es a wird der Ri ege l von dem Osenschenk el herunt ergeschoben. Di e Führung der Bandlage n in dem Stegschlitz läßt dann eine zuverlässige Verstellung um ganz ge-rin ge Maß e zu. • .. s .

61 a. 19. 555447. D r ä ger wer k , L übe c k. Sau e r s toll -liasehe, insb e s o nd e re lür At­m u n g " ge r ä t e. Di e Erfjndun~ bezw eckt , di e SauerstoHnasche so auszubilden, daß si e den Festigkeitsanforderungen in ieder Bezi ehung ge -

l nugt, ein geringes Ge wi cht hat und billig her­zust ell en ist. Dazu best eht der Hauptt eil der Flasche a\l8 einem unten gesc hlossenen Hohl ­körp er 12. der in bekannt er W eise herg estellt wirrl. Der Oberteil 3 der Flasche wird zusam­men mit dem Sitz 5 des Verschluß venlils und gegebenenialls auch mit dem Auslaßstutzen 7 aus einem Stück hergestellt. Er läuft unt en in ein en de r Flasche nform an gepaßte n und sich in seiner Wandstärke zu der Wandst ärk e des Hohl · körpers 12 veriüngend en Ansat z 1 aus. Der Oberteil 3 läßt si ch sehr einfach als Formkörper pressen. In das aul di ese W eise hergest ellt e W erkstück w erden di e Kanä le 2 und 6 ein ge · bohrt. Der Oberte il 3 der Flasch e ist in der Lini e a- b der Abbildung mit dem unt en ge ­schlossenen Hohlkörper 12 verschw eißt. Da di e Verls"hw eißung zw ischen Werkstück en gleicher Wandstärk e erfolgt, so ist di e Schweißnaht eben· S o) fest wie eine massi ve Ve rbindung.

. . . s.

bl a. 19. 551909. D r ä ge r we r k, L üb e c k. R e ge l h a hn I ü r S c hi au e h -a t m u n g S ge r ä t e, Bei der An wendung vo n Schlaucha tmungs ­~c rä t l! n Is t es o rt e rwü nsc ht , di e Gerä te a U S d e r Druckluft ode r Dru c ksa ue rs tofflc- itung zu spe i..se n. Bishe r sc hloß ma n zu di esem

Zweck di e G e rä t e unmi t ~ te l bar a n di e Drucklull ­leitung a n und r egelt e den Lull zustrom gelühlsmäßig durc h mehr od e r mind er

1?41./ weites Offn en des Absp err-hahnes . W enn dabei a ber der Hahn a us Un ac htsam­keit oder w ege n der Eil e zu w eit aulgedreht wird,

.' kommt plö tzli ch de r vo ll e, bi s 7 Atm . betrage nd e Druck in die Sc hl a uchl eitung, und der Atmungssack platzt. Der Ei nba u ein es Druckminde r ~ ve nti ls mac ht das Gerät l euer und empfindlich. Ge · mäß der E rfi ndung wird s ta tt d essen zwisc he n das Sc hl aucha tmungsge rä t und

I/bb2 di e Drucklull- ode r Druck· gas lei tun g ein Regelha hn eingescha lt et, dessen Kü­ken I so ausgebildet ist , daß durch Veränd erung der Größe des Durchgangsquer-sc hnitts dem Atmungsgerä t

bei ve rsc hi edener Höhe des Druckes ein e e twa gleichbl eibend e Gas­od er Lu[tme nge zugef ührt w e rde n ka nn. Das Kük e n e rhä lt dazu z. B. mehr er e Que rbohrungen ve rsc hi ed en en Que rs chnitts, di e an eine ständig mit der Zulührungsleitung in Verbindung s tehend e Längs­bohrung g an geschloss en sind. Oberhalb des Hahnküke ns ist eine mil d e r Zuführungsl eitung und mit ein em Druckme.ss e r s tä ndig in Ver-bindung stehend e Kamm er bangeordnet. ... s.

30 k. 548 621. K I e p p e r -F a lt b 0 0 t· W e r k e , G. m. b, H., R 0 se n h e i m. At · Dl U n g s m a s k e. Die Mask e is t mit auf di e NasenlJügel drückenden Kl emmkörp e rn a usge rü s te t, di e un~ abhängig voneinand er ve rste llba r sind, so daß di e Lullzufuhr durch mehr od er w enige r starke Ve ren ­~ung e iner oder beider Nase nöll­nun ge n r egelbar is t. Di e Kl emm­k örpe r sitze n an Schraubenspind eln I , welch e die S e it e nwä nde d er Maske in Mutt ergewinden durch­se tzen und außens e itig mit Dreh ­grill en [k] ve rsehen &ind. Aus · gegeben 18. 4. 1932.

T.

NadJ Redakfionsschluß

Luftschutzübung in Rom. Im Anschluß an die auf S. 239 dieses Heftes gemel,

dete Luftschutzübung in Rom erfahren wir über den Ve rlauf folgendes: Die Luftschutzübung begann am Mittwoch, dem 28. September, und endete am 29., mittags. Drei nächtliche Flugzeugangriffe wurden durch Alarm. sirenen angekündigt, worauf alle Lichter gelöscht oder ab, geblendet und der Verkehr unterbrochen wurde. Schwierig war es, die Disziplin des PubLikums bei den sich im Laufe des Tages mehrmals wiederholenden Tagesalarmen zu erreichen. Die Flugzeuggeschwader warfen Feuerwerks, körper ab, die in beträchtlicher Höhe verpufften; sie selbs t waren das Ziel der Flaks. Leider ereignete sich bei der nächtlichen übung ein schwerer Unfall , ein Bombenflug. zeug 'stieß gegen einen Beleuchtungspfahl und überschlug sich, wobei ein Fliegerhauptmann getötet wurde.

Wechsel in der Leitung des Ringes Deutscher Flieger. An Stelle des ausgeschiedenen Hauptmanns a. D .

von WilamowHz , Möll e ndorff hat Generalleut. nant Otto von S t ü I p n a g el die Leitung des Ringes Deutscher Flieger übernommen. Der bisherige Vor. sitzende bleibt als beratendes Mitglied dem Ringe Deut. scher Flieger erhalten .

Bezu~.bedingungen: Diese Zeitschrift erscheint monatlich einmal. Bezugspreis pro Monat : Inl and RM. 1.50, Ausland RM , 2.-. Zahlungen erlolgen an die Dr. August Schrimpfl G. m. b. H., Berlin , In den Zelten 22. Bankkonto: bei der Deutschen Bank und Diskonto - Gesell ­schaft Berlin, Stadtzentrale B oder Postscheckkonto Berlin Nr . 158022. Anzeige n w erden na ch Tarif berechnet, w elcher auf Wunsch zu ­~ esandt wird. Bei Zahlungsverzug oder Konkurs en ri llt der vereinbart e Rabatt aul Anzeigen lort. Nachdru ck und übers etzung der Aufsätze sind nur mit Genehmigun~ der SchriltleitlJn~ gesta ll et. Zusendungen sind zu richt en : Für di e Schrillleitun g: an di e Schriitleitung der Zeitschrift " Gasoschutz und Lullschutz" , Ber/in NW 40, In den Zelten 22, lür den Bezug und ,li e Anzeigen an den Verlag Dr. August Schrimpff, G. m. b. H., Ber/in NW 40, In deo Zelten 22. T elegramm - Adresse: "A eroch. m - Berlin" . Fernsprecher : A 1 Jäger 0141.

244