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    Thomas Noack

    Gesamtausgabe

    Unselbstndige Publikationen2011 bis 2013

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    ISBN 978-3-85927-476-1

    Swedenborg Zentrum Zrich, 2013www.swedenborg.ch | www.thomasnoack.ch

    Umschlagbild: Portrtaufnahme Thomas Noack vom 9. April 2012

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    Inhaltsverzeichnis

    Vorbemerkungen ...................................................................................... 5Die Schpfungslehreals Beispiel einer Relecture Swedenborgs durch Lorber ............................... 7Swedenborgs Kurze Darstellung .......................................................... 51Das Innere Wort zitiert ....................................................................... 59Swedenborg im Kontext des Leib-Seele-Problems .................................... 91Jakob LorberDer Sonderfall der Rezeptionsgeschichte Swedenborgs ........................... 105Wer sprach durch Jakob Lorber? ............................................................ 155So sprach der Herr ........................................................................... 164Swedenborgs Reise von 1743 bis 1745 .................................................. 208Bildliche Darstellung des christlichen Gottes........................................... 250Lorbers Relecture der swedenborgschen Kyriologie ................................ 326Neukirchliche Bibelauslegung ................................................................ 379Die Bibelbersetzungen von Swedenborg und Tafel ............................... 428Abkrzungsverzeichnis .......................................................................... 485

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    Vorbemerkungen

    Dieser Sammelband enthlt meine unselbstndigen Publikatio-nen aus den Jahren 2011 bis 2013. Dieser Zeitraum begannmit dem Erwerb des Schweizer Brgerrechts am 13. Mai 2011und dem damit verbundenen Gefhl, nicht nur in der Schweizsondern auch im Zrcher Swedenborg Zentrum und Verlagangekommen zu sein. Ob nun 2013 einen Einschnitt markiert,lsst sich auf Grund des geringen zeitlichen Abstandes noch

    nicht mit Sicherheit feststellen. Zwei Beobachtungen deutenjedoch in diese Richtung: Erstens: Die erste Verffentli-chungswelle, die 2011 mit meinen ersten Publikationen imSwedenborg Verlag begann, scheint Ende 2013 abzuebben.Zweitens: Auch meine kritische Auseinandersetzung mit demSwedenborg-Lorber-Bild des Berliner Swedenborg Zentrums,die im vorliegenden Sammelband mit sechs von zwlf Beitr-gen zum Ausdruck kommt, neigt sich dem Ende zu. In den

    Vordergrund scheint nun die Auseinandersetzung mit denProblemen des Zrcher Swedenborg Zentrum zu treten; diekritische Reflexion erreicht also nun mein nheres Umfeld.

    Die Publikationen werden hier in einem Editionstextwiederge-geben. Ein Editionstext normalisiert das Schriftbild im Hin-blick auf Konsistenz und Korrektheit. Eine diplomatische Wie-dergabe wurde nicht angestrebt. Eine solche htte alle Eigen-heiten der ursprnglichen Texte wiedergeben mssen.

    Die Texte stehen in der chronologischenReihenfolge ihrer Ent-stehung. Das Datum der Fertigstellung der Beitrge steht je-weils rechts ber dem Titel.

    Zrich am 15. November 2013

    Thomas Noack

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    9. Februar 2011

    Die Schpfungslehre als Beispiel einerRelecture Swedenborgs durch Lorber

    1. Das Relecturemodell

    Bei der Beschreibung des Verhltnisses Swedenborg und Lor-ber stehen sich zwei Modelle wie These und Antithese gegen-ber. Das eine strebt den Nachweis der vollstndigen ber-

    einstimmung der beiden Offenbarungen an, das andere denNachweis der vollstndigen Verschiedenheit. Das erste nenneich das Harmonisierungs- oder Konkordanzmodell, das zweitedas Differenzmodell.

    Der erste Ansatz begegnete mir am reinsten in den Arbeitenvon Peter Keune und Karl Dvorak. Er wird von Personen ver-treten, welche die Schriften Swedenborgs und Lorbers, alsodie Schriften beider, als gttliche Offenbarungen bejahen kn-nen. Diesem Personenkreis ist allerdings die vollstndige undrational nachvollziehbare Durchfhrung ihres Glaubens bishernicht gelungen. Unbefriedigend ist insbesondere, dass sich in-nerhalb des Wunsches nach Harmonisierung die Differenzennicht wirklich thematisieren lassen, sie werden von vornher-ein als scheinbareDifferenzen deklariert.1

    1

    Peter Keune verwendet als ein Vertreter des Harmonisierungsmodellsregelmig das Adjektiv scheinbar zur Charakterisierung der Wider-sprche und Differenzen. In einem Brief an den SwedenborgianerHorand Gutfeldt (1922-1997) vom 17. Januar 1978 schrieb er: Ich binnach wie vor davon berzeugt, da beide (Swedenborg und Lorber)TNaus derselben Quelle schpften, und da scheinbare Widersprchesich bei rechter Betrachtungsweise auflsen bei mir jedenfalls. Inseinem Aufsatz Die Sache mit Luzifer (1998) findet man diefolgenden Statements: Eine der scheinbaren Differenzen zwischenden geistigen Weltbildern Swedenborgs und Lorbers sind jeweils

    unterschiedliche Aussagen ber die Existenz eines gefallenen Urgeis-tes namens Luzifer (Seite 1). Vor allen Dingen liegt mir am Herzen,

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    Obwohl auch ich das Harmonisierungsmodell progagiert habeund noch immer mit ihm sympathisiere, muss ich inzwischendoch auch sagen, dass sich die Einheit der beiden Offenbarun-gen vermutlich ebensowenig wird zeigen lassen, insbesondereunter der Bedingung eines historisch-kritischen Denkens, wiedie Einheit des Alten und Neuen Testaments, das heit derSchrift. Und dennoch hat die Kirche beide zu der einen christ-lichen Bibel vereint mit allen Schwierigkeiten, die aus heuti-ger Sicht damit verbunden sind. In diesem Sinne glaube ichnach wie vor, dass die Offenbarungen durch Swedenborg undLorber in den Gesamtzusammenhang der Wiederkunft Christiund der Kirche des neuen Jerusalems gehren. Ja, ich glaubeauch, dass sie im Innewerden des Herzens zu einer einzigenStimme verschmelzen knnen. Doch das sind innerste Glau-bensberzeugungen. Tatsache ist, dass bisher keinem Anhn-ger des Harmonisierungsmodells, der rational nachvollzieh-bare Nachweis einer vollstndigen bereinstimmung der bei-den Offenbarungen gelungen ist.2

    Der zweite Ansatz begegnete mir am reinsten in einer Arbeitvon Alfred Dicker aus dem Jahr 1998: Lorber und Sweden-borg: Eine Gegenberstellung3. Dicker brachte den Gedankenin die Diskussion ein, dass es nicht ausreiche, ein paar Ge-meinsamkeiten und Unterschiede zu sammeln und von da aus

    da sich die scheinbaren Differenzen auflsen mgen und statt dessenin einen sich ergnzenden Zusammenhang fgen. (Seite 47).Der 1992 verstorbene Karl Dvorak aus der Schule von Armin Schu-

    mann (gest. 1977) sah in Meister Eckehart, Jakob Bhme, EmanuelSwedenborg und Jakob Lorber das Viergestirn am Gttlichen Wort-himmel. Swedenborg und Lorber nannte er die Dioskuren gttlicherNeuoffenbarung, ebenso unzertrennlich wie Kastor und Polydeukes,die Dioskuren aus dem griechischen Mythos (OT 2005, 64).

    2 Peter Keune hat sich in seinem Aufsatz Die Sache mit Luzifer (1998)der aufflligsten Differenz zwischen Swedenborg und Lorber gestellt.Bezeichnenderweise hat der exzellente Lorberkenner Wilfried Schltzder darin geuerten These postwended auf das heftigste wider-sprochen hat (Zeitschrift Das Wort: Zeitschrift fr ein vertieftes

    Christentum, 1999, 135-159, 228-247).3 Verffentlicht in: OT 1998, 75-100.

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    auf das Ganze zu schlieen, vielmehr msse man von gemein-samen oder unterschiedlichen Grundgedanken in den Lehr-systemen Swedenborgs und Lorbers ausgehen und sich aufdieser systematisch-theologischen Grundlage die Eigenart derbeiden Offenbarungen erschlieen. Dieser methodische Ein-wand leuchtete mir sofort ein, weswegen ich FriedemannHorn, dem damaligen Schriftleiter der Offenen Tore, die Ver-ffentlichung des Aufsatzes empfahl.4 Allerdings wrde ichden Ansatz etwas anders durchfhren, als es Dicker seinerzeittat, insbesondere wre sehr viel grndlicher die Differenz imGottesbild zu untersuchen. Dicker verlagerte seine Ausfhrun-gen zu schnell und unmittelbar auf das anthropologische undsoteriologische Feld. Auerdem habe ich einen grundstzli-chen Vorbehalt gegenber dem Differenzmodell. Es tendiertdazu, nun die Gemeinsamkeiten als scheinbare darzustellen,sie als Tuschung zu entlarven und ins Nichts einer bloenIllusion aufzulsen. Meines Erachtens muss man der Rezep-tion Swedenborgs durch Lorber mehr Gewicht beimessen alses der Suche nach dem totalen Unterschied mglich ist.

    Zwischen diesen beiden Extremen ist natrlich auch die mitt-lere Position einnehmbar, dass es Gemeinsamkeiten undUn-terschiede gibt. Der wichtigste Vertreter dieser gemigtenRichtung war Friedemann Horn (1921-1999). Gegenber denLorberfreunden forderte er die Anerkennung der bei allemGemeinsamen nun einmal bestehenden Unterschiede ein (OT1976, 39). Gleichzeitig betonte er aber auch die enge geistigeVerwandtschaft: Trotz der sehr unterschiedlichen Art, wie

    Lorber und Swedenborg ihre Offenbarungen empfingen und

    4 Auf diesen Vorgang bezieht sich die Vorbemerkung des Schriftleiters:Von dritter, mit den Werken Swedenborgs und Lorbers wohlvertrauterSeite wird dem Schriftleiter dieser umfangreiche Artikel zur Ver-ffentlichung empfohlen. Die hinzugefgte Bemerkung der Aufsatz istsehr sachlich und fundiert ermutigt ihn, dieses Wagnis einzugehen(OT 1998, 75). Von 1993, dem Jahr meines Umzugs nach Zrich, bis

    1999, dem Todesjahr von Friedemann Horn, ergaben sich ftersGelegenheiten ber die Swedenborg-Lorber-Thematik zu sprechen.

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    trotz der Unterschiede inhaltlicher Art halte ich die FreundeLorbers fr die engsten geistigen Verwandten der FreundeSwedenborgs. (OT 1977, 140). Mit diesem Ansatz war derWunsch verbunden, die Beziehungen der Neuen Kirche zuden Lorberfreunden nach der ra Fedor (1835-1908) undAdolf Ludwig Goerwitz (1885-1956) auf eine neue Grundlagezu stellen.5

    An dieser Stelle ist ein Hinweis auf die Horn-Hutten-Theseangebracht. Friedemann Horn war der berzeugung: In derSchpfungslehre bestehen die grten Differenzen. Lorberglaubt (im Unterschied zum Bibeltheologen Swedenborg)TNanden biblisch nicht oder doch nur uerst drftig belegtenEngelfall.6 Diese Ansicht wurde von Kurt Hutten (1901-1979), dem langjhrigen Leiter der Evangelischen Zentralstel-le fr Weltanschauungsfragen, bernommen. In seinem Buchder traditionellen Sekten und religisen Sonderbewegungenlesen wir: Aber diesen Gemeinsamkeiten (zwischen Sweden-borg und Lorber)TN stehen auch ebenso groe Gegenstzegegenber. Ihr Ursprung liegt in der Lehre von der Schpfung.Swedenborg richtet sich nach den Aussagen der Bibel: DieSchpfung ist Gottes Werk. Darum gilt hier: Und Gott sah, daes gut war. Nach Lorber war die Entstehung des Alls eineFolge von Luzifers Fall. Darum trgt hier die materielleSchpfung ein negatives Vorzeichen sie ist mit Schuld be-

    5

    Einen geschichtlichen berblick ber die Gestaltung des Verhltnissesder Neuen Kirche zu den Lorberschriften und -freunden findet man in:Thomas Noack,Die Neue Kirche und das Phnomen Jakob Lorber, in: OT2011, 2-31 und ders., Der Seher und der Schreibknecht Gottes:Emanuel Swedenborg und Jakob Lorber im Vergleich, 2004, 218-222.

    6 OT 1997, 192. Siehe auch die folgende uerung von FriedemannHorn in einem Brief vom 1. September 1976 an Peter Keune: Ich sehe

    vor allem zwei Fragenkomplexe, die zwischen uns abgeklrt werdenmssten Wer ist der Urheber der Lorber'schen Diktate (und imweiteren Sinne aller sogenannten Vater-Worte)? Der andere Kom-

    plex ist die Lehre von Luzifer mit all ihren unsagbar weitlufigenFolgeerscheinungen.

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    haftet.7Die Horn-Hutten-These macht also die Schpfungsleh-re als den Ort der grten Differenzen zwischen Swedenborgund Lorber aus, ja sogar als den Ursprung all der brigen.8

    Ich bemhte mich lange Zeit um den Nachweis der voll-stndigen bereinstimmung. Die diesbezglichen Aufstzeaus den Jahren 1990 bis 2002 sind derzeit am besten imSammelband Der Seher und der Schreibknecht Gottes: Ema-nuel Swedenborg und Jakob Lorber im Vergleich (2004)zugnglich. Bezeichnenderweise ist darin jedoch der Beitragber die Schpfung mit einem Umfang von nur zwei Seitender krzeste. An der Schpfungslehre scheiterte mein Vorha-ben, die Einheit der Offenbarungen nach dem Konkordanz-modell darzustellen. Das veranlasste mich schlielich dazu,das nun vorzustellende Relecturemodell anzuwenden.

    Unter einer Relecture ist die Reinterpretation eines vorgege-benen Textes zu verstehen. Im hier vorliegenden Fall sind dieWerke Swedenborgs der vorgegebene Text und die Werke

    7

    Kurt Hutten, Seher, Grbler, Enthusiasten: Das Buch der traditionellenSekten und religisen Sonderbewegungen, Stuttgart 1989, Seite 607. DerEinfluss von Friedemann Horn auf die 12. Auflage dieses Handbuchesgeht nicht zuletzt auch aus dem Briefwechsel Huttens mit Horn undElisabeth Saam, einer neukirchlichen Verehrerin Swedenborgs, hervor.So schrieb Hutten am 7. November 1975 an Horn: Im brigen knnenSie durchaus noch Punkte, die nach Ihrem Empfinden zu wenigausfhrlich beschrieben wurden, eingehender behandeln Mir ist es

    viel, viel wichtiger, dass die Botschaft Swedenborgs ganz korrekt undvollstndig dargeboten wird, alsdass alles mglichst kurz gehalten

    werden muss. Sie haben also von mir aus freie Fahrt! Und gegenberElisabeth Saam uerte sich Hutten folgendermaen: Mir wurdeimmer deutlicher, dass Swedenborg und Lorber die beiden Riesenunter den Trgern des inneren Worts bezw. Neuoffenbarern der letzten200 Jahre sind. Drum ist es mir besonders wichtig, aus neukirchlicherSicht die Unterschiede zwischen Swedenborg und Lorber dargestellt zufinden. (Brief vom 10. Mai 1976).

    8 Die Horn-Hutten-These enthlt noch eine weitere Komponente,derzufolge Swedenborg mit der Bibel bereinstimmt, Lorber abernicht. Diese Komponente habe ich hier ausgeblendet, weil ich das

    Verhltnis der beiden Neuoffenbarer zur Bibel an dieser Stelle nichtthematisieren werde.

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    Lorbers das Ergebnis der Reinterpretation oder Relecture. Ichwill mit diesem Ansatz nicht den Offenbarungscharakter derWerke Lorbers in Abrede stellen. Allerdings muss es erlaubtsein darauf hinzuweisen, dass Lorber nach einer Aussageseines Biografen Karl Gottfried Ritter von Leitner (1800-1890)9unter anderem etwas von Swedenborg gelesen hat, derzudem mehrmals hchst anerkennend in der Neuoffenbarungdurch Lorber erwhnt wird. Insofern ist eine gewisse literari-sche Abhngigkeit sicherlich gegeben.10Doch die Behauptungeines solchen Zusammenhangs ist fr die Anwendung desRelecturemodells keineswegs unbedingt erforderlich, dennvon Relecture kann man auch sprechen, wenn man es dabeibewenden lsst, dass die Werke Swedenborgs und LorbersOffenbarungen Gottes sind. Dann ist denkbar, dass Gott, dereigentliche Urheber der Werke Swedenborgs, ein knappesJahrhundert spter diese Werke durch Lorber einer grndli-chen Relecture unterzogen hat.

    Das Relecturemodell nimmt die Wahrheitsmomente der bei-den oben genannten auf und vereinigt sie zu einer umfassen-deren Gesamtansicht, insofern ist dieses Modell die Syntheseder beiden anderen. Konkret sieht das so aus: In der Neuoffen-barung durch Lorber ist eine swedenborgsche Rezeptions-schicht nachweisbar. Das ist das Wahrheitsmoment des Kon-kordanzmodells. Doch schon in dem, was Lorber von Sweden-borg bernommen hat, sind Modifikationen zu beobachten. Siesind die Auswirkungen eines neuen Gesichtspunktes, der inder Neuoffenbarung durch Lorber hinzutritt. Im Falle der

    Schpfungslehre ist es der Luziferkomplex bzw. die ThematikUrschpfung und Urentstehung von Materie und Kosmos. Die-ser neue Gesichtspunkt fhrt zu einer umfassenden Reinter-

    9 Karl Gottfried Ritter von Leitner, Jakob Lorber, ein Lebensbild nach

    langjhrigem persnlichen Umgang, Bietigheim 1969, Seite 17.10 Siehe Thomas Noack, Kannte Jakob Lorber einige Werke Swedenborgs?

    in: OT 2002, 198-204, und in: ders., Der Seher und der Schreibknecht

    Gottes: Emanuel Swedenborg und Jakob Lorber im Vergleich, 2004,218-222.

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    pretation des swedenborgschen Erbes. Das ist das Wahrheits-moment des Differenzmodells. Abschlieend kann man vonLorber auf Swedenborg zurckschauen und ihn im Lichte dernun erfolgten Reinterpretation betrachten, denn nach einerRelecture erscheint der Ursprungstext in einem neuen Licht,natrlich nur fr den, der die Relecture nachvollzogen hat. Diehier skizzierte Schrittfolge bestimmt die Gliederung meinernun folgenden Ausfhrungen.

    2. Swedenborgs Schpfungslehre

    2.1. Sinn und Unsinn der creatio ex nihiloSwedenborg lehrt wie die jdisch-christliche Bibel, dass Him-mel und Erde oder das Weltall Schpfung Gottes ist. Einewichtige Aussage in diesem Zusammenhang ist die creatio exnihilo. Das Schaffen Gottes und das des Menschen sind durch-aus vergleichbar, aber ein wesentlicher Unterschied besteht.Gott bentigt fr seine Schpfungen kein ihm vorgegebenesMaterial11. Damit wandte sich die christliche Lehre gegen die

    platonische Annahme einer ebenso wie Gott ungewordenenMaterie12. Diesem verneinenden Verstndnis des ex nihiloknnen wir ohne Weiteres zustimmen.

    Nachdem gesagt worden ist, aus was Gott die Dinge nichtgeschaffen hat, stellt sich nun allerdings die weitergehendeFrage: Aus was hat er sie geschaffen? Swedenborg geht vondem philosophischen Grundsatz aus aus nichts wird nichts(ex nihilo nihil fit)13 (WCR 76) und gelangt so zu einer

    11 Wilfried Hrle,Dogmatik, 2007, Seite 409.12 Der evangelische Theologe Wolfhart Pannenberg schreibt : Besonders

    Theophilus (von Antiochien) hat sich ausdrcklich gegen die platoni-sche Annahme einer ebenso wie Gott ungewordenen Materie gewendet(ad Autolycum II,4): Die Gre Gottes und seiner Schpfertat zeige sicherst dann, wenn er nicht wie menschliche Knstler aus einer vorgege-benen Materie, sondern aus gar nichts hervorbringe, was immer erwill. (Systematische Theologie, Band 2, 1991, Seite 28).

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    Ex nihilo nihil fit ist ein zuerst bei dem griechischen PhilosophenMelissos (Hermann Diels, Walther Kranz,Die Fragmente der Vorsokrati-

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    Ablehnung der creatio ex nihilo: Gott hat das Weltall nichtaus nichts (ex nihilo) erschaffen, da ja aus nichts nichtswird. (WCR 76).14Wir mssen daher unsere soeben gegebeneZustimmung przisieren. Wenn das ex nihilo nur die Bedeu-tung einer relativenVerneinung hat, also nur die Anknpfungan eine vorgegebene Materie ausschlieen soll, dann knnenwir sie aufrecht erhalten. Wenn es aber auch die Bedeutungeiner absolutenVerneinung haben soll, dann mssen wir siezurckziehen.

    Da aus nichts nichts entsteht, das Universum aber nach j-disch-christlichem Glauben vonGott erschaffen wurde, bietetsich der Gedanke an, dass es ausGott erschaffen wurde. Undgenau diesen Gedanken formuliert Swedenborg: Der Herr vonEwigkeit, das heit JHWH, hat das Universum und alles darinaus sich selbst (a se ipso) geschaffen, nicht aus nichts (anihilo) (GLW 282). Der Herr hat aus sich selbst (ex se ipso)alles erschaffen (GV 157, siehe auch GV 46). Dem aufmerksamenLeser ist aufgefallen, das Swedenborg sowohl die Prpositiona (von) als auch die Prposition ex (aus) verwendet. Istdamit ein Bedeutungsunterschied verbunden? Will er sagen,dass Gott aristotelisch gesprochen sowohl die causa efficiensist, das heit die wirkende Ursache oder der Schpfer, alsauch die causa materialis, das heit die Materialursacheoder der Stoff, aus dem der Kosmos ist? Swedenborg hattatschlich beides im Sinn. Die erste Bedeutung muss mannicht weiter betrachten, denn sie versteht sich fr einenchristlichen Philosophen von selbst. Aber die zweite bedarf

    ker I, Kapitel 30 B) auftretender, nach Aristoteles (Physik I 4) bei denPhilosophen berhaupt blicher Satz, dem Lukrez (De rerum natura,150-214) einen besonderen Abschnitt widmete. (Wrterbuch der philo-sophischen Begriffe, hrsg. von Arnim Regenbogen und Uwe Meyer,1998, Seite 213).

    14 Swedenborg: Man sagt, die Welt in ihrem Gesamtumfang (das Welt-all) sei aus nichts (ex nihilo) erschaffen worden, und von diesemNichts hat man die Vorstellung eines totalen Nichts, obwohl doch aus

    dem totalen Nichts nichts wird (ex plane nihilo nihil fit) und auchnichts werden kann. Das ist eine feststehende Wahrheit. (GLW 55).

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    einer genaueren Untersuchung. Swedenborg entfaltet seinenGedanken, indem er schreibt: Da Gott die eigentliche und ein-zige und somit die erste Substanz und Form ist, deren WesenLiebe und Weisheit ist, und da auerdem alles Gewordene ausihm (ex ipso) geworden ist, so folgt, dass er das Universumund alles darin, vom Grten bis zum Kleinsten, aus der Liebedurch die Weisheit (ex amore per sapientiam) erschaffen hatund dass daher die gttliche Liebe zusammen mit der gttli-chen Weisheit in allen geschaffenen Dinge und ihren Bestand-teilen vorhanden ist. (WCR 37).

    Aus dem ex se ipso (aus sich selbst) ist hier also aus derLiebe durch die Weisheit (siehe auch SK 5)geworden. Von ihnenwird gesagt: Die gttliche Liebe und die gttliche Weisheitsind als solche die Substanz und die Form, das heit dieeigentliche und einzige Substanz und Form (GLW 44). Und:Das vom Gttlichguten ausgehende Gttlichwahre ist daseigentlichste Reale und das eigentlichste wesenhafte Sein(ipsissimum reale et ipsissimum essentiale) im Universum.(HG 5272). Das vom Herrn ausgehende Gttlichwahre ist daseigentlichste Reale (ipsissimum reale) und so beschaffen, dassdadurch alles entsteht und besteht, denn alles, was vom Herrnausgeht, ist das eigentlichste Reale (ipsissimum reale) im Uni-versum. (HG 6880). Wer die Ursachen der Dinge uerlichund irdisch betrachtet, kann nur zu der Ansicht gelangen,dass das vom Gttlichen ausgehende Wahre nur etwas Ge-dachtes ist, etwas ohne ein reales, wesenhaftes Sein (nulliusessentiae realis). Es ist aber das eigentlichste wesenhafte Sein

    (ipsissimum essentiele), aus dem alles wesenhafte Sein derDinge in beiden Welten, der geistigen und der natrlichen,sein Dasein hat. (HG 8200).

    Wenn nun aber die gttliche Liebe und Weisheit die eigentli-che und einzige Substanz und Form sind, das wesenhafteSein, aus dem die Schpfung ihr Dasein hat, wie kann mandann dem Pantheismus entgehen? Swedenborg war sich derGefahr einer solchen Interpretation seines Ansatzes bewusst.

    Jeder, der aus einer klaren Vernunft heraus denkt, sieht ,

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    dass alles aus einer Substanz erschaffen worden ist, die insich Substanz (substantia in se) ist. Denn sie ist das absoluteSein (ipsum Esse), aus dem alles kontingente Sein existierenkann (ex quo omnia quae sunt, possunt existere) Vielesahen das wagten aber nicht, es mit Bestimmtheit zu ergrei-fen, weil sie frchteten, daraus knne sich der Gedanke erge-ben, das geschaffene Universum sei Gott, weil von Gott, oderdie Natur sei aus sich selbst heraus da und ihr Innerstes seisomit das, was man gemeinhin Gott nennt. (GLW 283). Dassman die Stoffursache (causa materialis) des geschaffenenSeins nicht irgendwie in Gott, dem absoluten Sein, suchte,hngt also mit der Befrchtung zusammen, damit dem Panthe-ismus unausweichlich ausgeliefert zu sein. Deswegen bleibtauch der Gedanke der creatio ex nihilo bei der verneinendenAussage stehen, dass Gott keine vorgegebene Materie ben-tigt. Doch wie will Swedenborg dem Pantheismus entgehen?Er bietet uns die folgenden berlegungen an: Das in Gott vonGott Geschaffene (creatum in Deo a Deo) ist keine Emanationvon Gott (continuum ab Ipso). Denn Gott ist das Sein in sich,

    und im Geschaffenen ist kein Sein in sich. Wre im Geschaffe-nen Sein in sich, dann wre es eine Emanation von Gott (conti-nuum a Deo) und somit Gott. Die Engel stellen sich diesenSachverhalt so vor: Was in Gott aus Gott geschaffen wordenist, ist wie etwas im Menschen, das sein Dasein zwar aus sei-nem Leben bezogen hatte, dem das Leben aber nun entzogenist, und das nun wohl mit seinem Leben bereinstimmt, abernicht sein Leben ist. (GLW 55)15. Das Geschaffene hat sich aus

    Gott objektiviert, ist nun aber als Objekt ohne Leben.Obgleich das Gttliche in allem und jedem des geschaffenenUniversums ist, so ist dem Sein der Dinge doch nichts in sichselbst Gttliches eigen. Denn das geschaffene Universum istnicht Gott, sondern vonGott. Und weil es von ihm ist, ist inihm sein Bild vorhanden, vergleichbar dem Bild eines Men-schen im Spiegel, in dem er zwar erscheint, in dem aber

    15 vgl. auch GLW 294.

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    nichts von ihm selbst ist. (GLW 59). Swedenborg legt also gro-en Wert auf die Unterscheidung: Die Schpfung ist zwar ausdem Gottesleben hervorgegangen, aber ohne dieses Leben; sieist zwar von Gott, aber nicht Gott. Der Vergleich mit dem Bildeines Menschen im Spiegel soll der Veranschaulichungdienen, im Spiegelbild ist nichts mehr vom Sein oder Wesendes Urbildes vorhanden. Aber dieser Vergleich wirft auch dieFrage auf: Und woraus besteht der Spiegel? Oder was ist dasWesen der Materie?

    2.2. Zwei Sonnen, zwei Welten

    1543 erschien De revolutionibus orbium caelestium (vonden Drehungen der Himmelskreise) von Nicolaus Copernicus(1473-1543). Mit diesem Buch begrndete er das heliozentri-sche Weltsystem. Da seine revolutionre Aussage durch dasVorwort des lutherischen Geistlichen Andreas Osiander ent-schrft wurde, der die heliozentrische Astronomie als mathe-matische Hypothese ohne Anspruch auf physikalische Wahr-heit darstellte, setzte sich das neue Weltbild erst zu Beginn

    des 17. Jahrhunderts durch die Forschungen von JohannesKepler (1571-1630) und die Fernrohrbeobachtungen von Gali-leo Galilei (1564-1642) allmhlich durch. Die physikalischeBegrndung fr den Heliozentrismus fand jedoch erst IsaacNewton (1643-1727) mit der 1686 verffentlichten Gravitati-onstheorie, derzufolge nur die Sonne mit ihrer beherrschen-den Masse die Rolle eines Zentralkrpers im Planetensystemspielen kann.16

    16 Swedenborg hatte whrend seiner Bildungsreise (1710-1715) NewtonsPrincipia gelesen. Am 13. Oktober 1710 schrieb er aus London: Ichstudiere Newton jeden Tag und bin sehr gespannt darauf, ihn zu sehenund zu hren. Die Gravitationstheorie wurde in Schweden allerdingsnoch mit Skepsis zur Kenntnis genommen. So richtete Professor PehrElfvius (1660-1718) aus Uppsala am 28. Juli 1711 die folgende Fragean Swedenborg: Was denken die gelehrten Mathematiker ber New-

    tons Prinzipien der Bewegung der Planeten? Sie sind doch pure Ab-straktionen und nicht physikalisch, was insbesondere fr die

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    In Swedenborgs Zeit ist das heliozentrische Weltbild akzep-tiert. Er selbst geht ganz selbstverstndlich von der Zentral-stellung der Sonne aus. So finden wir schon in seinem Briefvom 26. November 1719 an seinen vterlichen Freund ErikBenzelius (1675-1743) die Bemerkung: Die Sonne ist derMittelpunkt unseres Planetensystem (mundus planetarius).17Das Besondere bei Swedenborg ist die theologische Durchdrin-gung des neuen Weltbildes. Mit ihm beginnt der Prozess derUmrechnung der Weisheit der Alten in das neue Systems desWissens auf empirischer Grundlage.18 So verbindet sich imDenken Swedenborgs die Zentralstellung der Sonne mit derVorstellung, dass sie die Erscheinungsform Gottes und alssolche der Ursprung seiner Schpfungen ist.

    In dem schon erwhnten Brief an Erik Benzelius aus dem Jahr1719 kommt Swedenborg zu dem Schluss, dass es mehrGrnde fr den Glauben gibt, dass Gott seinen Sitz in derSonne hat, wie es die Bibel sagt.19Hier beruft sich der Sohndes Bischofs von Skara ausschlielich auf die Bibel. Spterfand er den Glauben an eine geistige und eine natrliche Son-ne oder zwei verschiedenen Lichtern auch in den Schriften

    Vorstellung gilt, wie ein Planetenkrper Gravitationskrfte auf einenanderen ausbt usw. Das scheint gegen die Vernunft zu sein.

    17 Entsprechende Bemerkungen sind auch in seinen theologischenWerken zu finden: Die Sonne steht in der Mitte, weil sie das Zentrumihres Universums ist. (OE 313).

    18 Die Theologie htte auf diesem Weg weiter voranschreiten sollen.

    Stattdessen zog sich der neuere Protestantismus seit Schleiermacheraus der Kosmologie zurck: Seit Schleiermacher ist der Streitzwischen Theologie und Naturwissenschaft um Fragen der Kosmologieim Grunde kein Thema mehr. (Ulrich Barth,Abschied von der Kosmolo-

    gie - Befreiung der Religion zu sich selbst, in: Urknall oder Schpfung?Zum Dialog der Naturwissenschaft und Theologie, hrsg. von WilhelmGrb, Gtersloh 1997, Seite 35.

    19 Errtert wurde zwischen Benzelius und Swedenborg offenbar die Fragenach dem Ort der Verdammten. Denn in dem genannten Brief lesenwir: Was den Ort der Verdammten betrifft, ob derselbe in der Sonne

    sei, so habe ich genau den entgegengesetzten Gedanken; mir scheintsie eher der Ort der Seligen zu sein.

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    antiker und zeitgenssischer Philosophen wieder. Zu nennensind die Theologie des Aristoteles, Augustin, Hugo Grotius(1583-1645), Nicolas Malebranche (1638-1715) und GottfriedWilhelm Leibniz (1646-1716).20 In seinen theologischen Wer-ken unterscheidet Swedenborg zwei Sonnen, eine geistigeund eine natrliche (GLW 107). Die geistige Sonne ist dieErscheinungsform Gottes: In der geistigen Welt gibt es eineSonne, in deren Mitte JHWH Gott ist, der Schpfer undErhalter des Universums (SK 9). Dabei ist die folgende Unter-scheidung zu beachten: Die Sonne der geistigen Welt ist alssolche nicht Gott, sondern von Gott, sie ist die nchste Sphreum ihn herum und von ihm ausgehend (proxima Sphaeracircum Illum ab Illo). (SK 5). Die Sonne der geistigen Welt istdas erste Hervorgehende der gttlichen Liebe und gttlichenWeisheit des Herrn (primum procedens Divini Amoris etDivinae sapientiae Domini) (GLW 109). Sie ist lebendig (GLW157), und alles ist durch die lebendige Sonne geschaffenworden (GLW 166). Die Sonne der natrlichen Welt hingegenist reines Feuer und daher tot (GLW 157).

    Swedenborg verstand es als einer der ersten, das heliozentri-sche Weltgefge als das Ergebnis eines Entwicklungsprozes-ses zu lesen. Dieser Blick auf die Naturphnomene wurde ihmseinerzeit durch den Geologen John Woodward (1665-1728)erffnet, den er whrend seiner Bildungsreise (1710-1715)besuchte. In seinem Essay toward a Natural History of theEarth and Terrestrial Bodies, London 1695, hatte Woodwarddie Bedeutung der Erd- und Gesteinsschichten fr das Ver-

    stndnis der Erdentwicklung erwiesen und aus der Sediment-

    20 Siehe den in der Akademie der Wissenschaften in Stockholm aufbe-

    wahrten Codex 36 bzw. die bersetzung von Alfred Acton, A Philoso-pher's Note Book, Philadelphia 1931. Die uns interessierenden Exzerp-te aus Werken der genannten Autoren stammen aus dem Jahr 1741.Ich sttze mich auf die Auswertung von Friedemann Stengel, Sweden-borg als Rationalist, in: Aufklrung und Esoterik: Rezeption Integra-

    tion Konfrontation, hrsg. von Monika Neugebauer-Wlk unter Mitar-beit von Andre Rudolph, 2008, Seite 189 mit Anmerkung 245.

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    bildung die einzelnen Stufen der Naturgeschichte unseres Pla-neten abzulesen versucht. Als Swedenborg John Woodward1712 besuchte, war dieser gerade mit der Ausarbeitung seinerNaturalis Historia Telluris beschftigt, die 1714 erschienund eine Gesamtdarstellung seiner Theorie der Erdentstehungenthielt. Die entstehungsgeschichtliche Betrachtungsweisewar Swedenborg somit durch die Geologie vermittelt worden.1734 verffentlichte er seine Principia Rerum Naturalium.Im 4. Kapitel des 3. Teils dieses bemerkenswerten Werkes ent-faltete der schwedische Mineraloge eine Theorie der Entste-hung der Planeten aus der Sonne. In der Fachliteratur wird derauf unser Planetensystem angewandte Entwicklungsgedankemit Namen aus spterer Zeit in Verbindung gebracht, mitGeorge Louis Leclerc de Buffon (1707-1788), der seine Theorieder Bildung der Himmelskrper erst 1749 verffentlichte, undbesonders mit der Himmeltheorie von Immanuel Kant ausdem Jahr 1755 und der Theorie der Planetenentstehung ausvon der Sonne abgelster Materie von Pierre Simon Laplaceaus dem Jahr 1796.21 Angesichts der bereinstimmungen

    zwischen Kant und Laplace auf der einen und Swedenborg aufder anderen Seite und der zeitlichen Staffelung 1734, 1755,1796 meinte Hans Hoppe: Swedenborg ist nicht nur derVater der Kantschen Kosmogonie, sondern darf auch als derder Laplaceschen Theorie angesehen werden!22 In seinentheologischen Werken bezeichnet Swedenborg die Sonne alsdas Erste der Schpfung und leitet dementsprechend diegeistige Welt aus der geistigen und die natrliche Welt aus

    der natrlichen Sonne ab:Die Sonne ist das Erste der Schpfung (primum creatio-

    21 Immanuel Kant, Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels

    oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge desganzen Weltgebudes nach Newtonischen Grundstzen abgehandelt,Knigsberg und Leipzig 1755. Pierre-Simon Laplace, Exposition dusystme du monde, Paris 1796.

    22

    Hans Hoppe, Die Kosmogonie Emanuel Swedenborgs und die Kantscheund Laplacesche Theorie, in: Offene Tore 1960, 25-27, 111-116, Seite 25.

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    nis), denn durch sie besteht alles, was in der zu ihr gehri-gen Welt vorhanden ist (GLW 152). Die geistige Welt ent-stand und besteht aus ihrer Sonne, ebenso die natrliche

    aus der ihrigen. (SK 4). Es gibt zwei Sonnen, durch dieder Herr alles erschaffen hat, die der geistigen und die dernatrlichen Welt. Eigentlich hat er alles durch die Sonneder geistigen Welt, nicht aber durch die der natrlichenWelt erschaffen Die Sonne der natrlichen Welt wurdeerschaffen, um stellvertretende Hilfe zu leisten. (GLW 153).

    Swedenborgs Schpfungslehre setzt mit der Feststellung ein,dass es zwei Sonnen und dementsprechend zwei Welten gibt.

    Bezeichnend ist der kurze Abschnitt Die Schpfung des Welt-alls in WCR 75. Die erste Aussage lautet: Es gibt zweiWelten; die geistige und die natrliche Daran schlietsich die zweite Aussage an: Beide Welten haben ihre eigeneSonne. Zwei Sonnen, zwei Welten, dieser Parallelismus be-stimmt auch den Aufbau seiner Schpfungsphilosophie in demWerk ber die gttliche Liebe und Weisheit. SwedenborgsHauptinteresse gilt dem Entsprechungszusammenhang der

    beiden Welten, dem Einfluss der geistigen in die natrlicheWelt. Wie das Materielle ursprnglich aus dem Geistigen ent-standen ist, das ist nicht sein Thema.

    2.3. Das Menschliche in der Schpfung

    Der Blick in den Sternenhimmel hat zu allen Zeiten im Men-schen die Frage nach der eigenen Gre, der tatschlichenoder eingebildeten, hervorgerufen. Schon im Psalter lesen wir:Wenn ich den Himmel sehe, das Werk deiner Finger, denMond und die Sterne, die du hingesetzt hast: Was ist derMensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind,dass du dich seiner annimmst? (Ps 8,4f.). Whrend es in derNeuzeit Mode geworden ist, angesichts der Unermesslichkeitdes Universums ein Bekenntnis zur Bedeutungslosigkeit desMenschen abzulegen23, hat Swedenborg dem Winzling auf der

    23

    So kommt beispielsweise der Wissenschaftshistoriker und PhilosophJrgen Hamel zu dem Schluss: Fr den Kosmos hat die Menschheit

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    Erde den Weg zur Erkenntnis seiner wahren Wrde gewiesen.Schon der Philosoph der Principia von 1734 schrieb:

    Was also soll der Mensch von sich denken? Ist er wirklichdas, was er glaubt zu sein? Du dreiste Kreatur, warum soberheblich im Glauben, alles sei dir untertan? Du Wurm,was bist du so aufgeblasen und angeschwollen? Wenn dudie Unermesslichkeit und Unendlichkeit des Universumsbetrachtest und gleichzeitig auf dich selbst achtest und ei-nen Vergleich anstellst, ach, was fr ein winziges Teilchendes Himmels und der Welt bist du doch, du armseligesMenschenkind! Gro kannst du in diesem Weltenmeer nur

    dadurch sein, dass du den Grten und Unendlichen anbe-ten kannst.24

    Im Schpfungsbericht der Bibel heit es: Und Gott sprach:Lasst uns Menschen machen in unser Bild nach unserer hn-lichkeit (Genesis 1,26). Swedenborg schliet daraus: Gott istder eigentliche Mensch (GLW 11); andernfalls htte er denMenschen nicht als sein Bild erschaffen knnen (GLW 18).Daher wohnt der Schpfung das Humanum inne gleichsam als

    die Handschrift ihres Schpfers. Swedenborg schreibt: Imgeschaffenen Universum ist das Bild des Menschen vorhan-den (GV 52).

    Im Einzelnen bedeutet das: Die Schpfung ist der Prozess,durch den das Ich Gottes das Du des Menschen hervorbringenund vollenden will, um mit ihm in ewiger Gemeinschaft zuleben. Der innerste und eigentliche Beweggrund des Gesche-hens, das wir Schpfung nennen, ist Gottes Liebe: Das Wesen

    der Liebe besteht darin, andere auer sich zu lieben, eins mitihnen sein zu wollen und sie aus sich selig zu machen. (WCR43). Diese Eigenschaften der gttlichen Liebe fhrten zur

    jedoch keine Bedeutung. Wir haben uns damit abzufinden, dass unsereExistenz keinem hheren Zweck dient, keinen tieferen Sinn frirgendetwas oder irgendwen hat. (Meilensteine der Astronomie: VonAristoteles bis Hawking, 2006, Seite 285).

    24 Emanuel Swedenborg, Principia Rerum Naturalium sive Novorum

    Tentaminum phenomena mundi elementaris philosophice explicandi,1734, Pars Tertia, Paragraphus 1,11.

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    Schpfung des Weltalls und sind der Grund seiner Erhaltung.(WCR 46). Der Mensch ist das Endprodukt der Schpfung, dieKrone der Schpfung.25Allerdings gilt diese Aussage fr denirdischen Menschen nur mit Einschrnkungen, denn das End-ziel der ganzen Schpfung ist er nicht, sondern nur das dersichtbaren, materiellen Schpfung. Im Menschen tritt die Ur-form des Schpfers in Erscheinung, insofern ist er in formalerHinsicht das Endziel der Bemhungen Gottes. Doch in dieserforma humana, die zugleich die Urform des gttlichen Geistesist, soll sich nun auch der Geist der gttlichen Liebe und Weis-heit entwickeln; im Menschen soll sich der Engel entwickeln.Daher ist der eigentliche Endzweck der Schpfung ein Engels-himmel aus dem menschlichen Geschlecht. Bei Swedenborgliest sich das so:

    Der Zweck der Schpfung des Weltalls ist der Mensch,damit sich aus dem Menschen ein Engelshimmel bilde(EW 126). Der Zweck der Schpfung ist ein aus demmenschlichen Geschlecht gebildeter Engelshimmel, somit(zunchst) das menschliche Geschlecht. (GLW 330). Der

    Zweck der Schpfung war der Engelshimmel aus demmenschlichen Geschlecht, also (zunchst) der Mensch, indem Gott als in seinem Aufnahmegef wohnen konnte.(WCR 66).26

    25 Die Hervorbringung des Menschen erfolgt ber die drei Naturreiche,das heit ber das Mineral-, das Pflanzen- und das Tierreich. Diese dreiReiche sind die konkrete Erscheinungsform der aufsteigenden Grade,

    die zum Menschen fhren. Ich verweise hierzu auf Swedenborgs Aus-fhrungen in GLW 65.26 Untersttzung erfhrt diese Schau vom Menschen als dem Endprodukt

    des kosmischen Geschehens mglicherweise durch das sogenannteanthropische Prinzip. Dazu der evangelische Theologe Wolfhart Pan-nenberg: Erst die naturwissenschaftliche Kosmologie des 20. Jahr-hunderts hat im Zusammenhang mit ihren Berechnungen von Alterund Entwicklung des Universums zu Betrachtungen darber gefhrt,da eine Reihe von grundlegenden kosmologischen Daten gerade soeingerichtet sind, wie es fr die Entstehung des Lebens und damit

    auch des Menschen auf dieser Welt unerllich ist. (SystematischeTheologie , Band 2, 1991, Seite 93).

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    In diesem Zusammenhang bezeichnet Swedenborg dasmenschliche Geschlecht als die Pflanzschule des Himmels(seminarium caeli) (HG 6697, JG 10, EW 3, HH 417). Auerdemgeht er in bereinstimmung mit dem Glauben seiner Zeit vonder Bewohnbarkeit aller Erdkrper im Weltall aus. Den erstenHinweis auf auerirdisches Leben findet man bei GiordanoBruno (1548-1600). Die Gleichfrmigkeit der materiellen Ver-hltnisse im gesamten Weltall fhrt ihn zu der Annahme,die von Sonnen erwrmten Planeten anderer Systeme mss-ten, unserer Erde gleich, von Lebewesen Tieren und Men-schen bewohnt sein.27Weitere, wichtige Stationen vor Swe-denborg waren Bernard Le Bovier de Fontenelle (1657-1757)mit seinem Buch Entretiens sur la pluralit des mondes (Un-terhaltungen ber die Vielzahl der Welten) (1686) und Christi-aan Huygens (1629-1695) mit seinem Buch Kosmotheoros(der Weltbeschauer) (1698).28 Swedenborg schrieb: Werglaubt, und das sollte jeder tun, die Gottheit habe das Univer-sum zu keinem anderen Zweck geschaffen, als dass dadurchein Menschengeschlecht und aus diesem der Himmel entstehe

    , der muss auch der Meinung sein, dass es berall, wo es ei-nen Erdkrper gibt, auch Menschen gibt. (EW 3, siehe auch HH417).

    Dieser Sicht entsprechend entstammen alle Engel des Him-mels aus dem menschlichen Geschlecht eines Planeten.Urgeschaffene Engel sind im Himmel nirgendwo zu finden:Michael, Gabriel und Raphael sind nichts anderes als Engels-

    27 Bernhard Lang, Auch noch andere Menschen und andere Geschlechterder Tiere, Menschliches Leben im auerirdischen Weltall aus der Sichtvon Fontenelle (1686), Huygens (1698) und Swedenborg (1758), in:Science & Fiction II: Leben auf anderen Sternen, hrsg. von Thomas P.Weber, Frankfurt am Main 2004, Seite 14.

    28 Siehe auch: Ernst Benz, Kosmische Bruderschaft: Die Pluralitt derWelten, Zur Ideengeschichte des Ufo-Glaubens, Freiburg im Breisgau1978, Seite 27ff. (Fontenelle) und Seite 31ff. (Huygens). Jrgen Hamelstellt fest: Die berzeugung der Existenz von Leben auf anderen

    Himmelskrpern war zwischen 1750 bis um 1850 weit verbreitet.(Meilensteine der Astronomie, 2006, Seite 242).

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    gesellschaften (HH 52). Und die Ableitung der Hlle aus demFall eines Engels ist in der geistigen Welt gnzlich unbekannt:

    In der Christenheit ist vllig unbekannt, da Himmel undHlle aus dem menschlichen Geschlecht hervorgegangensind. Man glaubt allgemein, die Engel seien am Anfang er-schaffen worden und daher stamme der Himmel. Der Teu-fel oder Satan aber sei ein Engel des Lichts gewesen, seijedoch, weil er sich emprt habe, mit seiner Schar hinab-gestoen worden und daher stamme die Hlle. Die Engelwundern sich sehr darber, dass ein solcher Glaube in derChristenheit herrscht und wollen daher, dass ich aus ih-

    rem Mund versichere, dass es im ganzen Himmel keineneinzigen Engel gibt, der am Anfang erschaffen worden,noch in der Hlle irgendeinen Teufel, der als Engel desLichts erschaffen und spter hinabgestoen worden ist.Vielmehr seien alle im Himmel wie in der Hlle aus demmenschlichen Geschlecht. (HH 311).29

    Der aus dem seminarium caeli hervorgegangene Engelshim-mel stellt in seinem Gesamtumfang einen Menschen dar, denmaximus homo: Der Himmel in seinem Gesamtumfang er-

    scheint in der Form wie ein Mensch, weswegen der HimmelMaximus Homo (grter Mensch) genannt wird. (AnmerkungHH 59).30 Die Schau Swedenborgs vom Menschlichen in derSchpfung ist nach Ernst Benz die hchste Verherrlichung

    29 Speziell zu Lucifer in der Vulgatabersetzung von Jesaja 14,12 uertsich Swedenborg an verschiedenen Stellen, beispielsweise in HH 544:Unter Lucifer sind diejenigen zu verstehen, die aus Babel oder

    Babylonien stammen, das heit Geister, die ihre Herrschaftsbereichebis in den Himmel ausdehnen. Vgl. auch WCR 146, OE 405.30 Der Indologe Heinrich Zimmer (1890 -1943) sagt zum Glauben der

    Jainas: Der ganze Kosmos hat nach diesem Glauben menschlicheGestalt (Seite 222). Er kommt dann auch auf Swedenborgs HomoMaximus zu sprechen und stellt fest: Der bedeutsamste Unterschiedzwischen dem Kosmischen Menschen des Abendlandes und demIndiens liegt darin, da in Swedenborgs Vision nur der Himmel nachdem gttlichen Menschenbilde (diesem Abbild der archetypischenGestalt Gottes) geformt ist, whrend im Jainismus das ganze Weltall im

    gttlich-anthropomorphen Organismus enthalten ist (Philosophie undReligion Indiens , 1961, Seite 226).

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    des Menschen in der europischen Geistesgeschichte31.

    3. Lorbers Schpfungslehre

    Da ich Lorbers Schpfungslehre als Relecture derjenigen Swe-denborgs begreifbar machen will, ist zunchst die sweden-borgsche Rezeptionsschicht herauszuarbeiten, wobei schonhier Modifikationen unbersehbar sind, auf die ich hinweisenund eingehen werde (3.1. bis 3.3.). Daran anschlieend ver-langt die Lehre vom Fall Luzifers und dem Wesen der Materieeine gesonderte Betrachtung (3.4.).

    3.1. Gottes Gedanken oder die Urstoffe der SchpfungGelegentliche Erwhnungen der creatio ex nihilo lassen erken-nen, dass auch nach Lorber die Anknpfung an eine vorgege-bene Materie abgelehnt wird. So uerte sich beispielsweiseein Grieche Jesus gegenber folgendermaen: wir Heidennehmen vor dem ausgebildeten Dasein der Erde und desHimmels einen chaotischen Stoff an, aus dem dann irgend unsunbekannte mehr oder weniger intelligente Krfte, die spter

    von den phantasiereichen Menschen zu Gttern gemacht wur-den, die Erde mit allem, was sie trgt, und auch den Himmelnach und nach geformt haben; ihr aber lasset alles von demeinen Gott in sechs Tagen oder etwa Zeitperioden aus nichtserschaffen. Welches ist da wahr? (GEJ 9,10,9).32 Der Griechestellt hier die Weltentstehungslehre des platonischen Timaios,die Formung einer gestaltlosen Materie durch einen Demiur-gen33, der angeblich schon jdischen Vorstellung einer

    Schpfung aus nichts gegenber.34

    31 Ernst Benz, Emanuel Swedenborg: Naturforscher und Seher, Zrich2004, Seite 402.

    32 Die Wendung aus nichts in einer schpfungstheologischen Aussageist bei Jakob Lorber auch in den folgenden Stellen vorhanden: GEJ3,160,2; 3,216,6; 3,216,11; 4,253,7; 7,149,21; 8,201,13; RB 2,209,10.

    33 Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie, Band 2, 1991, Seite 29.34 Inwieweit werden dogmengeschichtlich sptere Stadien durch das

    groe Evangelium Johannis in die Zeit Jesu zurckverlegt? GerhardMay kommt in seinem Buch ber die Entstehung der Lehre von der

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    Auch Lorber bleibt nicht bei der Verneinung stehen. NachSwedenborg hatte der Herr alles aus sich selbst (ex se ipso)(GV 157) erschaffen, das heit aus der Liebe durch die Weis-heit (WCR 37), die die eigentliche und einzige Substanz undForm (GLW 44)und somit das eigentlichste Reale und das ei-gentlichste wesenhafte Sein (HG 5272)sind. Von dieser Positi-on ausgehend ist es nur ein kleiner Schritt zu der bei Lorberalles beherrschenden Vorstellung, dass Gottes Gedanken dieeigentlichen Ursubstanzen und die Urstoffe der Schpfungsind:

    Seine [Gottes] Gedanken sind die eigentlichen Ursub-stanzen und die Urstoffe, aus denen alles ... besteht.(GEJ 7,17,3). alles ist die ewig endlose Flle Seiner [Got-tes] Gedanken und Ideen (GEJ 6,226,8). die ganze Weltund alle Himmel sind nichts als durch den allmchtigen,allerunerschtterlichst festesten Willen festgehaltene Ge-danken und Ideen Gottes (GEJ 2,136,4). Ich werdeewig nimmer aufhren zu erschaffen, weil Ich als Gottewig nimmer zu denken aufhren kann. Denn Meine Ge-danken sind die Wesen. (NS 73,10). Seht, die ganzeSchpfung und alles, was ihr mit euren Sinnen nur immerwahrnehmet, sind fixierte Gedanken, Ideen und BegriffeGottes (GEJ 5,229,3). Gott ist dem Geiste nach ewig undunendlich. Alles entsteht und besteht aus Ihm, alles ist inIhm, alles ist die ewig endlose Flle Seiner Gedanken undIdeen vom Kleinsten bis zum Grten. (GEJ 6,226,8). Gott

    creatio ex nihilo zu dem Ergebnis: In der zweiten Hlfte des zweiten

    Jahrhunderts setzt die theologische Entwicklung ein, die unmittelbarzur Formulierung der kirchlichen Lehre von der creatio ex nihilofhrt. (Schpfung aus dem Nichts: Die Entstehung der Lehre von dercreatio ex nihilo, 1978, Seite 151). Ebenso Wolfhart Pannenberg: Ent-scheidend fr die Durchsetzung der Lehre von der creatio ex nihilo inder christlichen Patristik wurden Theophilus von Antiochien und Ire-nus von Lyon. (Systematische Theologie, Band 2, 1991, Seite 28). Imzweiten Makkaberbuch schliet die Wendung von der Schpfung ausnichts noch nicht die vorgegebene Materie aus. Dort heit es: Ich bittedich, mein Kind, schau dir den Himmel und die Erde an; sieh alles,

    was es da gibt, und erkenne: Gott hat das aus dem Nichts erschaffen,und so entstehen auch die Menschen. (2. Makkaber 7,28).

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    Selbst erfllt die ewig aus Ihm hervorgehende Unend-lichkeit mit Seinen groen Gedanken und Ideen, die, durchSeine Liebe erfllt zu einem Ihm gleichen Lebensfeuer,

    durch Seine Weisheit zu geordneten Formen und durchSeinen Willen zu voneinander abgesonderten und wie frsich bestehenden Wesen werden (GEJ 7,72,9). Gottes Ge-danke und Wille ist ja alles, was der endlose Schpfungs-raum enthlt! (GEJ 7,213,9). die ganze Schpfung istSein groer Gedanke (GEJ 8,49,6). diese Erde, derMond, die Sonne und alle die zahllos vielen Sterne sindim Grunde ja auch nur pur Geistiges, weil sie nur derdurch den Willen Gottes festgehaltene Ausdruck Seiner

    Gedanken, Ideen und Anschauungen in Ihm Selbst sind.(GEJ 9,141,6). Es gibt keinen andern Stoff in der ganzenUnendlichkeit als den Willen Gottes. Alles, was du siehst,vernimmst, fhlst und durch irgendeinen Sinn wahr-nimmst, sind Gedanken Gottes, und so Er will, so sind sieauch schon wesenhaft da. (GEJ 10,17,5). Die puren Ge-danken Gottes sind der Stoff, aus dem alles, was die Un-endlichkeit fat, entstanden ist (GEJ 4,119,2).

    Das Relecturemodell achtet auf Akzentverschiebungen alsAusdruck einer Reinterpretation. Bei Swedenborg liegt der Ak-zent auf der Ursprungsrelation, weil hier die Formeln a se ip-so bzw. ex se ipso hervorstechend sind. Bei Lorber hinge-gen liegt er auf dem Stoff, aus dem die Schpfung besteht,weswegen hier alle Aufmerksamkeit auf die Gedanken Gottesgerichtet ist. Es wre zu untersuchen, inwiefern diese Ver-schiebung auch Ausdruck des Wandels vom Rationalismus derZeit Swedenborgs zum Idealismus der Zeit Lorbers ist.35

    35 Die Schpfung als Gedanke Gottes, diese Anschauung lag im Zeitalterdes deutschen Idealismus (1770-1830) in der Luft. Einen Grundgedan-ken Friedrich Wilhelm Joseph Schellings (1775-1854) fasst derPhilosophiehistoriker Johannes Hirschberger so zusammen: Entstan-den aus dem gttlichen Selbstblick, sind somit die Ordnungen und Stu-fen des Alls Gedanken Gottes, Ideen im gttlichen Geist, wie der Neu-platonismus sie schon lehrte, und die Welt wird so zu einer Manifesta-

    tion Gottes. (Geschichte der Philosophie, Band 2, 1991, Seite 385). DerVerweis auf Schelling ist auch deswegen interessant, weil er einerseits

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    3.2. Sonnen im grer gewordenen Universum

    Die astronomischen Wissensfortschritte zwischen Sweden-

    borgs Tod 1772 und dem Beginn der Schreibttigkeit Lorbers1840 machten innerhalb der grundstzlichen Unterscheidungvon zwei Sonnen, der geistigen und der natrlichen, weitereUnterscheidungen notwendig. Wir vergegenwrtigen uns dieFortschritte anhand von Friedrich Wilhelm Herschel (1738-1822) und Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846), zwei derbedeutendsten Astronomen dieser Zeit. Herschel erkannte,dass unser Milchstraensystem im Weltall keine einmalige

    Ansammlung von Sternen, sondern nur ein Vertreter dergroen Gruppe gewaltiger Sternsysteme36ist. Auerdem warer sich ber die extragalaktische Natur zahlreicher Nebel-flecken im Klaren und kam auch hinsichtlich ihrer Entfer-nung zu durchaus richtigen Grenordnungen37. Bessel ge-lang es 1838 erstmals, die Entfernung eines Sterns mittelseiner Parallaxenmessung zu bestimmen. Der Doppelstern 61Cygni im Sternbild Schwan war demnach etwas mehr als 10Lichtjahre entfernt. Damit waren die kosmischen Dimensionenzum ersten Mal mit einer Zahl erfasst. Das Universum ist alsoin den Jahrzehnten vor der Schreibttigkeit Lorbers grergeworden. Der Wissenschaftshistoriker Jrgen Hamel urteilt:Erschien manchem das vorherschelsche Universum fr denMenschen viel zu gro und leer, so vereinsamte es unter den

    von Swedenborg beeinflusst war siehe die Forschungen von ErnstBenz und Friedemann Horn und andererseits durch Lorbers Stimme

    als Vorbereitung fr die Protestanten auf die Lehre der Neuoffenba-rung angesehen wird (Kundgabe vom 23. Juni 1844in: Himmelsgaben,Band 2, 1936, Seite 278). Der Philosoph Hermann Ulrici (1806-1884):Die absolute Natur oder das Weltall selbst in seiner absolutenUniversalitt ist nicht wesentlich identisch mit Gott, und nur formell

    verschieden, sondern es ist wesentlich und formell zugleichEins undverschieden mit Gott, d.h. es ist ein Gedanke Gottes, eineunendliche, ewige, absolute Beziehung Gottes auf sich selbst in derAnschauung seiner selbst. (Geschichte der Hellenischen Dichtkunst,Erster Theil, Berlin 1835, Seite 10).

    36

    Jrgen Hamel,Meilensteine der Astronomie, 2006, Seite 21337 Jrgen Hamel,Meilensteine der Astronomie, 2006, Seite 215

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    ihm von Herrschel gegebenen Dimensionen noch weiter.38Auerdem dominierte noch immer die Himmelsmechanik.Bessel, der 1846 starb, betrachtete die Analyse der mechani-schen Bewegung der Himmelskrper als das einzige wirklicheZiel der Astronomie39. Die Spektralanalyse, die den Weg zurAstrophysik ffnete, wurde erst 1859 von Robert WilhelmBunsen und Gustav Kirchhof entwickelt, gerade einmal 5Jahre vor Lorbers Tod. Die Situation des Grazer Schreib-knechts ist damit umrissen. Staunend stand er vor den unge-heuren Dimensionen des Weltenalls; es galt, die Bewegungenin diesem kosmischen Uhrwerk und somit den Aufbau dessel-ben zu erfassen. Diese Vorgaben bestimmten die modifizieren-de Rezeption Swedenborgs.

    Die Sonne als Erscheinungsform Gottes ist auch bei Lorbervorhanden, allerdings heit sie dort Gnadensonne: Gott wohnt in einem unzugnglichen Lichte, das in der Welt derGeister die Gnadensonne genannt wird. Diese Gnadensonneaber ist nicht Gott selbst, sondern sie ist nur das AuswirkendeSeiner Liebe und Weisheit. (GEJ VI,88,3).40Die Begriffe geistigeund natrliche Sonne gibt es bei Lorber auch, er hat sogarzwei Werke mit diesen Titeln empfangen, aber die geistigeSonne im engeren Sinne ist nun das Inwendigste der (natrli-chen) Sonne (GS 1,1,13). Somit hat bei Lorber eine Ausdifferen-

    38 Jrgen Hamel,Meilensteine der Astronomie, 2006, Seite 21639 Jrgen Hamel,Meilensteine der Astronomie, 2006, Seite 23240 Ich Selbst bin im Grunde des Grundes in dieser Sonne, und die Sonne

    bin Ich Selbst. Aber dennoch ist ein Unterschied zwischen Mir unddieser Sonne. Ich bin der Grund, und diese Sonne ist gleich einer Aus-strahlung Meines Geistes, (RB II,283,13). In dieser Sonne bin Ichureigentmlich vollkommen zu Hause. Diese Sonne befindet sich imewigen unverrckten Zentrum Meines gttlichen Seins. Die Strahlen,die aus dieser Sonne ausgehen, erfllen in ihrer Art die ganzeUnendlichkeit und sind in sich selbst nichts anderes als MeinLiebewille und die aus demselben ewig gleichfort ausgehendeWeisheit. Diese Strahlen sind demnach allenthalben vollkommengleich Meiner Wesenheit. (GS I,60,1). Ich bin die Sonne aller Sonnen

    und aller Geisterwelten und der auf ihnen befindlichen Wesen aller Artund Gattung. (GEJ 5,14,1).

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    gel Himmel in die Naturwelten, geht ursprnglichst vonMir aus. (GEJ 7,182,9). Wer da aber dann, vom Geisteheraus geleitet, die Entsprechungen zwischen der Sinnen-

    und Geisterwelt wohl innehat, dem kann es dann freilichwohl auch mglich sein, daraus zu ersehen, wie so ganzeigentlich aus der Geisterwelt die Sinnenwelt hervorge-gangen, wie und von woher die Sonnen und am Ende diePlaneten und Nebenplaneten und auf all denselben allerleiGeschpfe entstanden sind. (GEJ 2,215,6).

    Obwohl man bei der Schpfungslehre Lorbers zuerst an denFall Luzifers denkt, sollte nicht bersehen werden, dass er die

    solare bzw. horizontale Entwicklungslinie Swedenborgs rezi-piert hat, wonach die Planeten (und die untergeordneten Son-nen) aus den bergeordneten Sonnen entstanden sind:

    Siehe, in der Urzeit der Zeiten erschuf Ich nur eine, frdeine Begriffe unermelich groe Sonne (GEJ 10,211,1).Zuerst wurden Hauptzentralsonnen, und aus ihnen wur-den endlich alle zahllosen anderen Sonnen und Weltkr-per (GEJ 4,103,3). Sehet, ihr wisset, wie zuerst alle Pla-neten nach der gerichteten Ordnung aus der Sonne ihren

    Ursprung nahmen also wie diese selbst den ihrigen ge-nommen hat aus den Zentralgrund- und Fundamentalson-nen. (NS 2,5).

    Das Licht (der Sonnen) ist der Grundstoff der Materie (GEJ7,209,20). Diese bildet sich aus dem Zusammentreffen vonLichtstrahlen im therraum (Fliege 8). So entstehen Kometenund schlielich Planeten (Fliege 8; GEJ 4,105,13ff.). Am Ende wirdalles auf den Planeten durch das ausstrahlende Licht der

    Sonne geformt (NS 1,15).

    3.3. Menschlich bis ins materielle Universum hinein

    Auch nach Lorber ist Gott der erste und eigentliche Mensch:Gott Selbst ist der hchste und allervollkommenste, ewigsteUrmensch aus Sich Selbst (GEJ 4,56,1). bevor alle Engel undMenschen waren, war Ich (der Herr)TNvon Ewigkeit her wohl

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    der erste Mensch (GEJ 2,39,3).43Menschsein ist in der Polarittvon Mann und Weib realisiert, deswegen gilt auch in Bezugauf Gott: Ich bin ein Mann und Weib zugleich in MeinerGottheit Tiefen (HGt 3,27,5). Die daran anschlieenden Ausfh-rungen zeigen, das damit die schon von Swedenborg erkannteDualitt von Liebe und Weisheit im gttlichen Wesen gemeintist (WCR 37).

    Daher bringt auch nach Lorber Gott durch die Schpfungschlielich den Menschen hervor. Er ist das Endziel der ge-samten Schpfung Er ist das endlich zu gewinnende Pro-dukt all der Vormhen Gottes. (GEJ 2,222,4). Denn alles, wasdie Unendlichkeit fasset, ist allein des kleinen Menschen we-gen da, und es gibt ewig nichts, das nicht da wre allein deskleinen Menschen wegen. (GEJ 2,6,5). Diesen Gedanken fhrtLorber in der Lehre von der Naturseelenentwicklung aus. Diedrei Reiche der Natur, das Mineral-, das Pflanzen- und dasTierreich, sind die Stufen des Aufsteigens und der Sammlungvon Seelensubstanzen bis hin zu einer Naturseele, die durchden bekannten Geschlechtsakt in ein irdisch-menschlichesDasein bergehen kann (GEJ 10,185,4). Der Mensch ist dannnach einem eindrcklichen Wort Herders, das aber auch ganzim Sinne Lorbers ist, der erste Freigelassene der Schp-fung44, der in seinem kurzen Erdenleben die sogenannte Le-bensfreiheitsprobe (GEJ 6,190,3) durchzumachen hat. Vorfor-men der Lehre von der Naturseelenentwicklung kann man beiSwedenborg finden, etwa wenn es heit: Wie es das Strebender Erze der Erde ist, in Vegetation berzugehen, so ist es das

    Streben der Pflanzen, ins Leben (Tierreich)TN berzugehen.(GLW 62). Oder: Die Funktionen (usus) aller geschaffenen Din-ge steigen stufenweise auf vom Untersten zum Menschen unddurch den Menschen hindurch zu Gott, dem Schpfer, von

    43 Aber Ich zeigte dir dann auch, wie Gott Selbst ein Mensch ist, und wieaus diesem einzigen Grunde auch du und alle dir hnlichen WesenMenschen sind. (GEJ 1,155,5).

    44

    Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte derMenschheit, 1820, 4. Buch, IV. Kapitel, S. 119.

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    wirkende Wille Gottes (GEJ 3,180,2; vgl. a. GEJ 5,106,9). Da siebloe Personifikationen Gottes bzw. des schpferischen Pro-zesses sind, wird sodann ihre gnzliche Unselbstndigkeitbetont, sie sind eben noch nicht wie die Engel aus demmenschlichen Geschlecht durch die Sonderung der Sndehindurchgegangen: Wir Urengel sind nichts als Arme undFinger des Herrn und rhren und bewegen uns erst dannhandelnd, wenn wir vom Herrn also angeregt werden, wie ihreure Hnde und Finger zum Handeln anreget. Von uns gehrtalles, was du an mir siehst, dem Herrn; nichts ist als irgendselbstndig uns zu eigen, es ist eigentlich alles an uns derHerr Selbst. (GEJ 3,180,5). Abgesehen von ihrer zuweilenmenschlichen Erscheinungsform sind diese Urwesen nurLicht und Feuer, hinauszuckend durch alle die endlosenRume als groe, schpferische Gedanken (GEJ 3,180,3). Wirsind um Gott herum so ungefhr das, was das aus der Sonneausflieende Licht ist (GEJ 5,106,5). Diese Chrakterisierungerinnert mich an die Strahlengrtel der Gottessonne, vondenen Swedenborg spricht: Die ersten beiden Sphren sind

    ber den Himmeln und sind gewissermaen Strahlengrtel(cingula radiosa) aus dem Flammenmeer rings um die Sonnedes Herrn. (HG 7270; siehe auch HH 120).47

    Diese wesenhaften Urgedanken oder Urgeister Gottes werdendann bei Lorber in einer Ordnung dargestellt, die uns sehr andie jdische Kabbala48bzw. die zehn Sephiroth erinnert, dennes heit: Und siehe, da wurden gebildet drei, und aus ihnengingen hervor sieben! Und die drei waren gleich der Liebe,

    dem Lichte und der Gottheit; und die sieben waren gleich densieben Geistern Gottes (HGt 1,5,12). Auch der Sephirothbaum

    47 Zur Engellehre siehe ausfhrlicher: Thomas Noack, Die Engel beiSwedenborg und Lorber: Ein Beitrag der Reihe Neuoffenbarungsstudien,in: Offene Tore 1 (1992) 18-37 oder in: ders., Der Seher und derSchreibknecht Gottes: Emanuel Swedenborg und Jakob Lorber imVergleich, 2004, S. 158-170.

    48

    In den Schriften Lorbers wird eine Kabbala zur Zeit Jesu thematisiert(GEJ 10,203,11; DT 11,46).

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    der gttlichen Potenzen oder Emanationen ist in die oberendrei und die anschlieenden sieben Sephiroth gegliedert.49

    An dieser Stelle bringt Lorber nun den Fall der Engel (GEJ2,224,2; 7,17,12) zur Sprache. Denn der Oberste der drei, gleichdem Lichte der Gottheit, entzndete sich in seiner Begierde,um sich der Gottheit vollends zu bemchtigen. (HGt 1,5,14).Dieser oberste Geist heit auch der Hauptgeist des Lichtes(GEJ 2,231,5), Luzifer oder Lichttrger (EM 56). WeitereNamen dieses Urgeistes werden im 56. Kapitel des WerkesErde und Mond errtert. Von den dort genannten sei nurnoch Satana an dieser Stelle hervorgehoben, wodurch dieserUrgeist als der Gegenpol gegen die Gottheit gekennzeichnetwird. Als Satana war dieser Geist von Gott aus wirklich alsogestellt gegen die Gottheit, wie das Weib gestellt ist gegen denMann. Die weibliche Form Satana bezeichnet also dem em-pfangenden Gegenpol. Durch den sogenannten Fall vermnn-lichte dieser Geist gewissermaen, verschloss sich gegenberder zeugenden Geistsphre der Gottheit und wurde zum Wi-dersacher im gleichpolarischen Sinne. Seitdem heit er in dermythologisch-personifizierenden Sprache der alten WeisheitSatan, als solcher ist er der Inbegriff der Materie als desuersten Gegensatzes gegenber dem Geist. Die Folge dieserAbschnrung des trotz seiner Machtflle immer noch geschaf-fenen Geistes von der impulsgebenden Geistsphre derGottheit war die Sichselbstgefangennehmung (des Lichtgeis-tes) in seiner Trgheit und wieder die Folge davon war dieSchpfung der Materie (GEJ 2,231,6). Der Satan ist (somit)TN

    die Zusammenfassung des gesamten Materiemugerichts(GEJ 8,35,14). Einen Griechen namens Philopold belehrt derJesus des groen Evangeliums Johannis, indem er sagt: Esgibt zwar keine urgeschaffenen Erzteufel in der Art, wie ihr

    49 Die Zahl Sieben hat eine symbolische Bedeutung: Unter der mysti-schen Zahl Sieben wird verstanden das vollkommen ursprnglichGttliche und Gotthnliche in jedem von Ihm (= Gott) ausgehenden

    Gedanken und in jeder von Ihm gefaten und wie aus Sich hinausgestellten Idee. (GEJ 7,18,1).

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    Schpfung des materiellen Universums. Lorber deutet den al-ten Mythos also kosmologisch. Und wiederum beobachten wirdie Wahrung des swedenborgschen Anliegens bei einer gleich-zeitigen Weiterentwicklung desselben.

    4. Der Blick von Lorber auf Swedenborg

    Der letzte Schritt des Relecturemodells ist der Blick vomspteren Text auf den frheren. Denn im Lichte des spterenstellen sich neue Fragen an den frheren Text. Auch nimmtman ihn nun mit anderen Augen wahr.

    4.1. Die Differenzierung des Begriffs geistige WeltRckblickend von Lorber auf Swedenborg erkennt man einenZirkelschluss (circulus vitiosus), denn die materielle Schp-fung ist sowohl die Wirkung als auch die Ursache der geisti-gen Welt. Einerseits schreibt Swedenborg: Die geistige Weltfliet in die natrliche ein wie die Ursache in die Wirkung.(HH 567). In der geistigen Welt liegen die Ursachen zu allemund in der natrlichen die Wirkungen von allem. (GLW 154).

    Andererseits ist die natrliche Welt bzw. das dort lebendemenschliche Geschlecht aber die Pflanzschule des Himmels,und das bedeutet, dass alle Engel des Himmels und alle Teufelder Hlle und somit die ganze geistige Welt aus dem mensch-lichen Geschlecht der natrlichen Welt hervorgegangen ist.

    Die Antwort Lorbers auf diesen Sachverhalt lautet: Man musseine Differenzierung innerhalb des Begriffs der geistigen Weltvornehmen. Man muss zwischen der geistigen Urschpfung

    und dem Jenseits unterscheiden. Die geistige Urschpfung istdie Ursache der materiellen Schpfung. Und das Jenseits oder wenn man so will die geistige Nachschpfung ist das Zielder materiellen Geschpfe. So ergibt sich das Schema: Gott,Gottes Urgeister oder die Urschpfung, die natrliche Weltund schlielich die geistige Welt der Engel.

    Wir hatten gesehen, dass Swedenborg zur uranfnglichen odererstmaligen Entstehung der Materie aus dem Geist nichts oder

    kaum etwas zu sagen hat. Um nicht missverstanden zu wer-

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    den: Selbstverstndlich war sich Swedenborg immer darberim klaren, dass die endlichen Dinge (finita) aus dem Unendli-chen (infinitum) abgeleitet werden mssen. Daher muss imschlechthinigen Anfang (in principio) die Materie irgendwieaus dem Nichts des Geistes hervorgegangen sein. Aber Genau-eres ber dieses Urgeschehen erfahren wir in den theologi-schen Werken Swedenborgs meines Wissens nicht. SeineSchpfungslehre setzt vielmehr immer schon mit der Existenzoder dem Vorhandensein der beiden Welten ein, indem er mitder Feststellung beginnt: Es gibt zwei Welten (Sunt duo mun-di) (GLW 83, SK 3, WCR 75). Sein Interesse ruht ganz und garauf dem Zusammenhang der beiden Welten, auf den Entspre-chungen zwischen dem Geistigen und dem Natrlichen. Ihmgeht es nicht um die Urschpfung, sondern um die immerwh-rende Schpfung oder Erhaltung. Bezeichnend ist ein Satz wieder folgende: Das Bestehen (subsistentia) ist ein stndigesEntstehen (existentia) oder, was dasselbe ist, die Erzeugung(productio) ist eine kontinuierliche Schpfung (continua cre-atio). (HG 3648). Oder: Die natrliche Welt entsteht und be-

    steht aus der geistigen Welt. (HG 10185). Diese Aussagen set-zen das Vorhandensein der natrlichen Welt schon vorausund fragen nur noch, wie sie, die an sich vergngliche Welt,dennoch immerfort erhalten werden kann. Der Unterschiedzwischen der Urschpfung nach Lorber und der Creatio conti-nua nach Swedenborg ist wie der zwischen der Geburt einesMenschen und dem anschlieenden Stoffwechsel zur Erhal-tung und Erneuerung der Zellen, Gewebe und Organe. Lorber

    schildert die uranfngliche Geburt des groen Weltenmen-schen, Swedenborg hingegen sein immer wieder neues Ent-stehen aus dem himmlischen Homo Maximus.

    Die Differenzierung zwischen der geistigen Welt vorder natr-lichen Welt und der geistigen Welt nachder natrlichen Welt,das heit zwischen Urschpfung und Jenseits, weist uns da-rauf hin, dass die Blickrichtungen Swedenborgs und Lorbersverschieden sind. Swedenborg schaut von der Erde in den

    Himmel, von unten nach oben. Er zeigt die Entwicklungslinien

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    auf, die mit der irdischen Existenz beginnen und im Angelushumanus, im Engel aus dem menschlichen Geschlecht, enden.Damit gibt er der Krone der Schpfung ein Ziel und demmenschlichen Leben einen Sinn. Der Mensch versinkt nichtmehr im Grab, sondern erhebt sich in den Himmel der EngelGottes. Das ist Swedenborgs Schau. Sie ist bei Lorber rezipiert,aber eingebettet in eine andere Geschichte, die unseren Blickvon der Urschpfung der groen Gedanken oder Geister Got-tes zur Erde lenkt, von oben nach unten. Whrend uns vonSwedenborg her die Frage vertraut war: Was kann aus derErde werden?, stellt Lorber die Frage: Wie ist die Erde gewor-den? Whrend nach Swedenborg eigentlich nur der Menscherlsungsbedrftig ist, ist es nach Lorber die gesamte Schp-fung. Ein Urereignis wlzt sich durch die kosmischen Ge-steinsmassen, der Fall der Geister und ihr stummer Schreinach Erlsung. In dieses kosmische Drama ist SwedenborgsSchau integriert, aber da eben der Rahmen bei Lorber einanderer ist, kommt es zu einer umfassenden Reinterpretation.Lorber ist daher kein Swedenborgianer, sondern ein Beispiel

    fr einen uerst kreativen Umgang mit der vorgegebenenTradition.

    4.2. Vorformen des lorberschen Materiebegriffs bei Swedenborg

    Wir erinnern uns: Nach Lorber ist Materie fixiertes Geistiges(GEJ 2,195,4)oder eine allergrbste und schwerste Umhutungoder Umhlsung des Geistigen. (GEJ 4,103,4). Hinter diesenAussagen steht die Erzhlung vom Fall der Engel. Bei Sweden-

    borg gibt es diese Erzhlung nicht, dennoch weist seinMateriebegriff Merkmale auf, die Lorber aufgreifen und mitder besagten Erzhlung unterlegen konnte.

    Atome im Sinne unteilbarer Materiekgelchen gibt es nicht.Die Physik des 20. Jahrhunderts hat den Materialismus des19. Jahrhunderts berwunden, allerdings sind die philosophi-schen Konsequenzen noch nicht in allen Kpfen angekom-

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    men.51 Schon Swedenborg war der Ansicht: Eine Sinnestu-schung ist es, dass es einfache Substanzen, sogenannteMonaden oder Atome gebe. (HG 5084). Das innere Wesender Materie und ihrer Bausteine ist auch nach Swedenborggeistig. Das folgt schon aus seiner Gradlehre, denn die Gradeder Hhe knnen auch als ineinanderliegende verstandenwerden, dann ist das Geistige das Innere des Natrlichen: Inder aufeinanderfolgenden Ordnung bildet der erste Grad dasOberste und der dritte das Unterste; in der gleichzeitigenOrdnung hingegen bildet der erste Grad das Innerste, derdritte das uerste. (GLW 205). Nach der gleichzeitigen Ord-nung gilt: Der letzte Grad (oder die unterste Seinsstufe)TN istdie Zusammenfassung, der Behlter und die Unterlage dervorhergehenden Grade. (GLW 209). Diese Aussage findet sichbrigens auch bei Lorber, wenn es dort heit: Und so ent-spricht die Materie, Meinem Willen nach, der Liebe dadurch,da sie ist ein gefesteter Grund als letzte Unterlage allesGeistigen (Groglockner 5). Bei Swedenborg gibt es zahlreicheAussagen, die uns das Geistige als das innere Wesen der

    Materie vor Augen fhren.So schreibt er, dass in jedem geschaffenen Dinge dieserWelt etwas Geistiges und etwas Natrliches ist, nmlichdas Geistige gleichsam als die Seele, und das Natrlichegleichsam als der Leib, oder das Geistige als das Innereund das Natrliche als das uere, oder auch das Geistigeals die Ursache und das Natrliche als die Wirkung. (OE1196). Das Geistige umkleidet (induat) sich mit dem Na-

    51 Der Philosoph Karl R. Popper hat die These vertreten, da sich derMaterialismus, der im 19. Jahrhundert lautstark propagiert wurde undals Erblast im 20. Jahrhundert fortwirkte, selbst berwindet, denn soPopper man knne sagen, da die Ergebnisse der modernen Physikes nahelegen, die Vorstellung von einer Substanz oder einem Wesenaufzugeben die Atome besitzen eine Struktur, die kaum alsmateriell und gewi nicht als substantiell bezeichnet werden kann:Mit dem Programm, die Struktur der Materie zu erklren, war diePhysik gezwungen, ber den Materialismus hinauszugehen. (Karl R.

    Popper, John C. Eccles, Das Ich und sein Gehirn, Mnchen, Zrich,1991, Seite 26).

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    Stoffe (per substantias et materias), die sich auf den Erd-krpern und in deren Luft und ther finden. (GLW 370).Infolgedessen werden die Atmosphren stets dichter und

    trger, bis sie schlielich im Letzten zu ruhenden Substan-zen (substantiae quietis) geworden sind, und zwar in dernatrlichen Welt zu fixierten (fixae), also zu irdischer Ma-terie (materiae). (GLW 302).

    4.3. Ist die Schpfung bse?

    Die eingangs erwhnte Horn-Hutten-These spitzt den Gegen-satz zwischen Swedenborg und Lorber mit Hilfe der Bibel zu,

    indem sie behauptet, dass Swedenborg mit der biblischen Bot-schaft von der guten Schpfung bereinstimme, Lorber abernicht. Friedemann Horn und Kurt Hutten dachten hierbei anden bekannten Schpfungsbericht und insbesondere an dieBilligungsformel: Und Gott sah, dass es gut war. Nun geht esaber nach Swedenborg in Genesis 1 gar nicht um die Schp-fung des Universums (creatio universi) (HG 8891), sondern umdie neue Schpfung oder Wiedergeburt (HG 8510, siehe auch HG9408 und HG 4). Die Billigungsformel ist daher auf die Fortschrit-te in der Wiedergeburt zu beziehen. Doch abgesehen davonmuss man, wenn man die biblischen Schpfungsaussagendennoch kosmologisch verstehen will, die ganze Bandbreitederselben aufnehmen. Genesis 1 ist zwar sicher der bekann-teste schpfungstheologische Text der Bibel, aber lngst nichtder einzige. Wir richten unsere Aufmerksamkeit an dieserStelle nur auf Aussagen, die uns erkennen lassen, das der (ge-ordnete) Kosmos aus einem uranfnglichen Chaos hervorge-

    gangen ist. Das belegt ausgerechnet schon der Schpfungsbe-richt von Genesis 1, indem auf die berschrift in Vers 1 vierChaoselemente in Vers 2 genannt werden.

    Vier Elemente sind dem Schpfergott vorgegeben, dieer nicht erschafft, sondern erschaffend bearbeitet: 1. dieTohuwabohu-Erde, das heit die lebensfeindliche Welt; 2.die Finsternis als bedrohliche Unheilsmchtigkeit; 3. dasUrmeer und 4. die Wasser als die chaotischen Gestalten

    der zwei Urwasser (vgl. den Enuma-Elisch-Mythos). Aus

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    oder der freien und belebten Ideen Gottes im endlosen Raumeist die groe Scheidung, von der Moses sagt: Da schied Gottdas Licht von der Finsternis! (GEJ 2,224,1).

    Doch stellen wir die Frage nach der biblischen Begrndungbeiseite, denn es geht mir ja primr um das Verhltnis Swe-denborg und Lorber, nicht um ihr Verhltnis zur Bibel. Auf-schlussreich scheint mir die folgende Aussage Lorbers zu sein:

    Ihr sehet daraus, da selbst Gott, so Er nicht aus SichSelbst den fr eure Begriffe endlos groen Gegenpol ge-stellt htte, keine Schpfung als materiell bestehend ausSich htte hervorrufen und hinstellen knen, weil eben dergroe Gegenpol die Schpfung selbst ist. Diese mu alsogerichtet, fest, so gut wie tot und beharrlich sein, so sie ih-rem vom Schpfer gestellten Zwecke entsprechen soll. Undweil sie das ist, was und wie sie ist, so ist sie auchgut Gottgegenber. Bse der Wirkung nach ist sie nur den Menschengegenber, weil diese der Seele und teilweise sogar demFleische nach die Bestimmung haben, als aus dem Todeerweckte Wesen sich fr ewig mit dem reinen, positivenGeiste aus Gott zu vereinen mit Gott, ohne dadurch jemehr ihre absoluteste Freiheit und Selbstndigkeit einzu-ben. (GEJ 5,230,1).

    Gut und bse werden hier in einem relationen Sinne themati-siert. Die Schpfung ist gut Gott gegenber, aber bse derWirkung nach den Menschen gegenber. Wie das zu ver-stehen ist, zeigen die folgenden Stellen: weil die Materiedas nicht ist, als was sie dir erscheint, so ist sie dem sichselbst probenden Menschen gegenber Lge und Trug (GEJ5,70,5). Was dein Schatten ist zu dir, so du irgend im Lichtestehst oder gehst, dasselbe ist alle Materie und ihre Schtzegegenber dem Geiste! Sie ist ein notwendiger Trug und insich selbst eine Lge, weil sie das nicht ist, als was sie denSinnen des Leibes erscheint. (GEJ 5,70,10). So stellt die Materiegegenber dem Menschen, der dazu berufen ist, ein Engel derHimmel Gottes zu werden, eine bestndige Versuchung dar.Er kann sich dem Scheinsein hingeben, darin verlieren, oder

    dem wahren Sein seiner inneren Geistnatur aus der gttlichen

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    27. Februar 2011

    Swedenborgs Kurze DarstellungVorwort zur Zrcher Ausgabe 2011

    Die SUMMARIA EXPOSITIO DOCTRIN NOV ECCLESIerschien 1769 im Amsterdam. Eine zweite lateinische Editionwurde von Johann Friedrich Immanuel Tafel 1859 herausge-geben, der bei dieser Gelegenheit mehrere Fehler des Druc-

    kers von 1769 korrigierte.57In einer deutschen bersetzung erschien das Werk erstmals1786 in Breslau bei Gottlieb Lwe; als bersetzer wird einsonst unbekannter I. F. Korn genannt 58. Der hier gewhlteTitel ist ungewhnlich, er lautet: Revision der bisherigenTheologie, sowol der Protestanten als Rmischkatholischen.Diese erste deutschsprachige Ausgabe ist auch deswegen et-was Besonderes, weil ihr ein Prfungsversuch, ob es wol aus-

    gemacht sei, da Swedenborg zu den Schwrmern gehrevorangestellt worden ist. Darin setzt sich der Autor unter an-derem mit Immanuel Kants Trume eines Geistersehers von1766 auseinander. Angesichts des bis heute andauernden Dis-kurses um das Verhltnis Kant und Swedenborg ist derPrfungsversuch ein beachtenswerter Text.59Auerdem hatsich der Hallenser Theologe Johann Salomo Semler 1787 mit

    57 Die Korrekturen sind in der Tafelschen Ausgabe von 1859 auf Seite 90unter Notae Criticae Editoris und dort unter Lectiones variantes zufinden.

    58 James Hyde, A Bibliography of the Works of Emanuel Swedenborg Origi-nal and Translated, London: Swedenborg Society, 1906, Nr. 2504.

    59 Ein aktueller Beleg dafr ist der Beitrag von Friedemann Stengel, Kant Zwillingsbruder Swedenborgs?, in: Kant und Swedenborg: Zugn-ge zu einem umstrittenen Verhltnis, hrsg. von Friedemann Stengel,Tbingen: Max Niemeyer, 2008, Seite 35 98. Auf den Prfungsver-

    such geht er auf den Seiten 55 bis 57 im Rahmen einer Untersuchungber die ersten Leser der Trume ein.

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    den Konkretisierungen der Fundstellen belieen, die schon Ta-fel in eckigen Klammern [] beigefgt hatte. Diese Klammernwhlte Tafel brigens immer dann, wenn der eingeschlosseneText erluternder Zusatz des Uebersetzer ist. Wir habendiese Praxis bernommen; lediglich die Hinweise auf denlateinischen Grundtext wurden statt in eckigen in rundenKlammern () gesetzt.

    Der Swedenborg Verlag musste viele Jahrzehnte den Fraktur-satz der alten Ausgaben nachdrucken. Stets war es ein Deside-rat, das Schriftbild den heutigen Gewohnheiten anzupassen.Die vorliegende Ausgabe der Kurzen Darstellung bezeugt,dass nun auch die letzten kleineren Werke in einer modernenSchrifttype erscheinen knnen. Gleichzeitig nehmen wir dieseUmstellung zum Anlass, fr den bibliophilen Leser einigeSeiten, im wesentlichen die Titelseiten, der wichtigsten ver-gangenen Ausgaben beizugeben. Auerdem wurden die Orna-mente der Editio princeps von 1769 eingefgt, und zwar anden ursprnglichen Stellen.

    Der lateinische Titel des hier in einer deutschen bersetzungvorliegenden Werkes lautet wie gesagt SUMMARIA EXPO-SITIO DOCTRIN NOV ECCLESI. Als deutscher Titel hatsich Kurze Darstellung der Lehre der Neuen Kirche einge-brgert. Er weckt allerdings bei einem Interessenten, der sichschnell ber Swedenborgs Theologie informieren will, dieErwartung, hier eine Einfhrung aus des Meisters eigenerFeder vorzufinden, die das vorliegende Werk jedoch nur be-dingt erfllen kann.

    Swedenborg charakterisiert es als Sciagraphia62. Das ausdem Griechischen bernommene Wort bedeutet Schattenriss,Swedenborg verwendet es im Sinne von Skizze. Eine Skizzewill der Meister vorlegen, eine Vorarbeit fr sein theologi-sches Hauptwerk, die wahre christliche Religion, die zwei

    62 Siehe KD 1 und die berschrift zu KD 16 bis 115.

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    Jahre spter, 1771, in Amsterdam erscheinen sollte.63 Damitist der entstehungsgeschichtliche Ort der SUMMARIA EXPO-SITIO gekennzeichnet. Swedenborg beschreibt ihn mit denfolgenden Worten:

    Nachdem in einer Reihe von Jahren mehrere grere undkleinere Werke ber das neue Jerusalem, unter welchemdie neue vom Herrn zu grndende Kirche verstanden wird,von mir verffentlicht worden sind, und nachdem auch dieOffenbarung enthllt worden ist, entschloss ich mich, dieLehre dieser Kirche in ihrer Flle, somit vollstndig er-scheinen zu lassen. Da aber das ein Werk von einigen Jah-

    ren ist, so hielt ich es fr geraten, eine Skizze davon her-auszugeben, damit man vorerst eine allgemeine Idee vondieser Kirche und ihrer Lehre fasse. (KD 1).

    Die Skizze beginnt mit einer Zusammenfassung von Lehrbe-stimmungen der katholischen und der protestantischen Kirche(KD 215). Swedenborg begegnet uns hier als jemand, derdogmengeschichtliche Quellen auswertet, und zwar diejenigendes Konzils von Trient und die Konkordienformel. Das Konzil

    von Trient (das Tridentinum) wurde in drei Sitzungsperiodenzwischen 1545 und 1563 abgehalten und war die katholischeAntwort auf die Reformation. Die Konkordienformel (FormulaConcordiae) von 1577 sollte die Eintracht (Concordia) inner-halb des zerstrittenen deutschen Luthertums in der zweitenHlfte des 16. Jahrhunderts herstellen. Sie dokumentiert einenrelativ breiten Konsens, so dass Swedenborg bei der Ermitt-lung der Lehrbestimmungen der Protestanten von ihr aus-gehen konnte.

    An diesen ersten Teil schliet sich die Skizze der Lehrbe-stimmungen der Neuen Kirche (Sciagraphia Doctrinalium No-

    63 Siehe auch Swedenborgs Brief vom 30. Oktober 1769 an Dr. Gabriel

    Beyer: Aber all das und noch mehr soll ausfhrlich in dem angekn-digten Werk selbst dargelegt werden, das in zwei Jahren erscheinensoll. Die Kurze Darstellung, die ein Vorlufer ist, wird den Weg frseine Aufnahme vorbereiten. (Alfred Acton, The Letters and Memorials

    of Emanuel Swedenborg, Band 2, Bryn Athyn: Swedenborg ScientificAssociation, 1955, Seite 694).

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    Das Innere Wort zitiert

    Die Offenbarung durch Jakob Lorber als Wiederoffenbarung

    Die Texte, die Jakob Lorber aus dem Inneren Wort empfangendurfte, werden zumeist Neuoffenbarung genannt, wobei je-dem Kenner derselben klar ist, dass hier nicht etwas absolutNeues offenbart wird, vielmehr werden nicht ausschlielich,

    aber zu einem groen Teil Dialoge und Texte vergangenerZeiten wieder bekannt gegeben. Die Neuoffenbarung ist alsoeine Wiederoffenbarung. Diese Feststellung ist fr die Haus-haltung Gottes, Die Jugend Jesu und Das Groe Evange-lium Johannis sicher zutreffend, drei geschichtlich angelegteHauptwerke Lorbers, aber auch fr die Jenseitswerke, dasheit fr Die geistige Sonne, Bischof Martin und RobertBlum. Die Charakterisierung als Wiederoffenbarung ist je-

    doch nicht auf die naturphilosophischen Werke Lorbers an-wendbar, fr die andere Betrachtungsweisen entwickelt wer-den mssen.72

    Die Haushaltung Gottes versetzt uns in die Zeit der von Swe-denborg so genannten ltesten Kirche zurck, bei Lorberheit sie Urkirche73 oder erste Kirche74. Schon bei Swe-denborg finden wir die geheimnisvolle Ankndigung: In derltesten Kirche, mit welcher der Herr von Angesicht zu

    Angesicht (ore ad os) sprach, erschien er wie ein Mensch,wovon vieles berichtet werden kann, aber es ist noch nicht ander Zeit (sed nondum est tempus). (HG 49). Mglicherweise

    72 Beispielsweise knnte man die Naturphilosophie Schellings dahin-gehend befragen, inwiefern sie als traditionsgeschichtliche Brcke zwi-schen Swedenborg und Lorber angesehen werden kann. Wie kommtman von Swedenborgs Naturbetrachtung zu derjenigen Lorbers unddamit zum Eigensten dieser Offenbarung?

    73

    Siehe HGt 1,169,8; GS 2,13,5; GEJ 4,142,3.74 Siehe HGt 1,10,15; 1,144,17; 1,169,6; 3,115,2; GS 1,45,10.

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    einer Tunnelbohrung durch die Alpen. Man beginnt auf beidenSeiten, und trifft sich (hoffentlich) in der Mitte, wo derfeierliche Durchschlag erfolgt. Der berlieferungsprozessknnte nun aufgeklrt werden, doch wer glaubt schon denPropheten!

    Neben den Wiederoffenbarungen mndlicherWorte finden wirim Gesamtwerk Lorbers auch Wiederoffenbarungen schriftli-cher Worte. Zu nennen sind der Briefwechsel Jesu mit Ab-garus Ukkama von Edessa, das Jakobus-Evangelium ber dieJugend Jesu, der Brief des Paulus an die Gemeinde inLaodizea (siehe Kolosser 4,16), die Schiffspredigt (sieheLukas 5,3f.; Himmelsgaben 2, Seite 202-208) und dieNachtpredigt (siehe GEJ 1,221,25). Die Jugend Jesu wird inden einleitenden Worten vom 22. Juli 1843 ausdrcklich alsWiederoffenbarung kenntlich gemacht: Jakobus, ein SohnJosephs, hat solches alles aufgezeichnet; aber es ist mit derZeit so sehr entstellt worden, da es nicht zugelassen werdenkonnte, als authentisch in die Schrift aufgenommen zuwerden. Ich aber will dir das echte Evangelium Jakobi geben,aber nur von der obenerwhnten Periode75 angefangen; dennJakobus hatte auch die Biographie Mariens von ihrer Geburtan mit aufgenommen, wie die des Joseph. Einige der obengenannten Werke oder Texte knnen mit entsprechendenneutestamentlichen Apokryphen verglichen werden. DieserVergleich kann hier nicht durchgefhrt werden, aber ichmchte das Ergebnis mitteilen, mit wenigen Worten und aufdas Wesentliche reduziert.

    Erstens, zum Briefwechsel Jesu : Er hat sich teilweise er-halten; die ersten beiden Briefe findet man in der Kirchenge-schichte des Eusebius, wo sie den Kern der Abgarsage bilden.Eusebius betont ausdrcklich, da er jene Briefe aus demedessenischen Archiv habe; die wrtliche bersetzung ausdem Syrischen habe er an dieser geeigneten Stelle seiner

    75

    In der berschrift des Werkes heit es: Biographisches Evangeliumdes Herrn von der Zeit an, da Joseph Mariam zu sich nahm.

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    Thomas Noack62

    Kirchengeschichte aufgenommen (I,13,5.22; II,1,6ff.).76 Diebereinstimmung mit den entsprechenden Briefen bei Lorberist beeindruckend, wobei zu bercksichtigen ist, dass dieOriginale (zumindest der Briefe Jesu) nach Lorber in griechi-scher und in jdischer Zunge77(womit entweder Aram-isch oder Hebrisch gemeint ist) abgefasst wurden, dassEusebius im Stadtarchiv von Edessa syrische bersetzungenvorfand, dass er diese ins Griechische bertrug und dass amEnde der Kette bei Lorber schlielich eine deutsche berset-zung steht. Diese bersetzungsstufen bedingen selbstver-stndlich Abweichungen in der Wortwahl.

    Zweitens, zum Jakobus-Evangelium: Das seit Guillaume Pos-tel (1510-1581) und Michael Neander (1525-1595) so ge-nannte Protevangelium des Jakobus hat sich in einer gro-en Zahl von Handschriften und vielen Versionen78erhalten.Allerdings ist die Konstituierung eines gesicherten Urtextssehr schwierig79. Dem entspricht, was wir durch Lo