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01 __ DIE MILLENNIALS __ VORSICHT, ANSTECKEND!!! __ DIE GEWINN-FESSEL __ SCHÖPFEN UND ZERSTÖREN __ FORMATE DER ZUKUNFT __ WAKE-UP-CALLS __ HER MIT DEM LEID! GDI _ IMPULS 4 _ 01 4 GDI _ IMPULS VIERTELJAHRESSCHRIFT FÜR ENTSCHEIDUNGSTRÄGER IN WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT

GDI IMPULS VIERTELJAHRESSCHRIFT FÜR … · MARKETINGVIREN UNTER DEM MIKROSKOP. 15 GDI _IMPULS 4 01 Das Internet bildet mit seinen organisch gewachsenen und verflochtenen Netzwerken

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01

__ DIE MILLENNIALS

__ VORSICHT, ANSTECKEND!!!

__ DIE GEWINN-FESSEL

__ SCHÖPFEN UND ZERSTÖREN

__ FORMATE DER ZUKUNFT

__ WAKE-UP-CALLS

__ HER MIT DEM LEID!

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GDI_ IMPULS VIERTELJAHRESSCHRIFTFÜR ENTSCHEIDUNGSTRÄGERIN WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT

Editorial

Neil Howe und William StraussDIE NÄCHSTE GROSSE GENERATIONDie «Millennials» widersprechen allen Erwartungen

Thomas ZorbachVORSICHT, ANSTECKEND!!!Marketingviren unter dem Mikroskop

Stefan Kühl und Wolfgang SchnelleDIE GEWINN-FESSELVon Notwendigkeiten und Möglich-keiten der Überlebenssicherung

Richard Foster und Sarah KaplanSCHÖPFEN UND ZERSTÖRENÜberleben im Zeitalter der Diskon-tinuität

Anne BordierFORMATE DER ZUKUNFTDie globale Hypermarkt-Revolution

Joachim Maier und Christof SchmitzUNGEHEUER ERFOLGSGESTEUERT«American Psycho» und andere Wake-up-Calls

Peter GrossHER MIT DEM LEID!Stigma-Management und Passions-waren

Ampuls:

Gundolf S. FreyermuthGLOBALISIERUNG VON UNTENDie Vorreiter transnationaler Lebens-entwürfe und hybrider Identitäten

Neu

Summaries

Autorenverzeichnis

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4/01 INHALT

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Eine soziale Virusepidemie beginnt damit, dass irgendjemandirgendwo auf der Welt eine ansteckende Idee ausbrütet. ImDezember 1996 veröffentlichte Jeffrey Rayport, Professor ander Harvard Business School, einen Artikel mit dem Titel:«The Virus of Marketing» im Wirtschaftsmagazin «FastCompany». Darin fordert Rayport seine Leser zu einem Ge-dankenspiel heraus: «Think of a virus as the ultimate marke-ting program. When it comes to getting a message out with little time, minimal budgets and maximum effect, nothing onearth beats a virus.» Ausgehend von diesem Grundgedanken,entwirft Rayport, in Analogie zu biologischen Viren undComputerviren, das Gerüst eines neuen Modells, dem er denNamen Virus-Marketing («v-marketing») gibt. Da es sich beiseiner Idee um eine unliebsame Metapher handle, werde essicher einige Jahre dauern, bis sie sich durchsetze, vermutetRayport. Sein Beitrag schliesst mit einem Appell an die vielenkleinen Start-ups, die zu dieser Zeit aus dem Boden schies-sen: Virus-Marketing sei die Grundlage für ihren Erfolg.Und je eher sie das begreifen würden, desto besser werde esihnen ergehen: «So please spread the word.»

DER VIRUS-MARKETING-VIRUS

Rasch machen Rayports Regeln die Runde – zuerst imMutterland des Marketing, den USA. Von seinem Gedankengeht eine grosse Faszination aus. So mancher CEO sieht sichschon entspannt in seinem Sessel zurücklehnen, währenddraussen im Internet die Botschaft seiner Marke weiter-gereicht wird, von Maus zu Maus, von Kunde zu Neukunde.Bereits zwei Jahre später ist «Virus-Marketing» in aller Mun-de, schneller, als es sich Rayport hatte träumen lassen. DasOnline-Marketingmagazin «Iconocast» kürte den Begriffim Dezember 1998 zum «Buzzword des Jahres». RayportsModell war, beabsichtigt oder nicht, selbst zu einem Virus ge-worden.

Solche Verbreitungsphänomene sind im Internet an derTagesordnung. Mal ist es ein gefährliches Computervirus, dasvon einem Rechner zum anderen springt, mal ein harmlosesGerücht wie das von den armen kleinen Katzen in der Flasche(www.bonsaikitten.com) oder eben ein neues vielversprechen-des Schlagwort – das Internet bildet mit seinen organisch ge-

Seit einiger Zeit ist ein Gerücht unter dem Namen VIRUS-MARKETINGim Umlauf. Wenn Sie diesen Begriff irgendwo hören oder lesen, NEHMEN SIE SICH IN ACHT!!! Es handelt sich um ein gefährliches Virus, das Ihre Gedanken infiziert unddanach trachtet, ihr gesamtes Marketingwissen auf den Kopf zu stellen. Le-sen Sie zu Ihrem Schutz bitte diesen Text und leiten Sie ihn danach sofortan Ihre MITARBEITER UND FREUNDE weiter!

von Thomas Zorbach

VORSICHT, ANSTECKEND!!!MARKETINGVIREN UNTER DEM MIKROSKOP

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Das Internet bildet mit seinen organisch gewachsenen und verflochtenenNetzwerken einen idealen Humus für Kommunikationsviren aller Art.Immer wieder gelingt es Exemplaren, sich so zu vermehren, dass eineregelrechte Epidemie entsteht.

wachsenen und miteinander verflochtenen Netzwerken einenidealen Humus für Kommunikationsviren aller Art. Immerwieder gelingt es einigen Exemplaren, sich so zu vermehren,dass eine regelrechte Epidemie entsteht. Wodurch kommensolche seuchenartigen Prozesse zustande? Warum setzen sichmanche Botschaften im dichten, unübersichtlichen Gewim-mel an Informationen durch, andere dagegen nicht?

Erste Erklärungsansätze liefert die Biologie. Immerpopulärer, vor allem in Internetkreisen, wird die Memetik.Diese vom Evolutionsbiologen Richard Dawkins entwickelteTheorie geht davon aus, dass Informationseinheiten, so ge-nannte «Meme», in einem ähnlichen Wettbewerb zueinan-der stehen wie die menschlichen Gene: Nur was fit ist, setztsich durch, alles andere wird vom Wahrnehmungsapparat aus-gesiebt. An Dawkins’ Theorie dockt auch Aaron Lynchs Mo-dell der Gedankenseuchen an (siehe GDI_IMPULS 3/00), mitdem sich zum Beispiel extreme Kursbewegungen am Aktien-markt deuten lassen.

Neuen Nährstoff erhielt die Diskussion um soziale Epi-demien unlängst durch Malcolm Gladwell und seine Theoriedes «Tipping-Point» (siehe GDI_IMPULS 3/01). Gladwell gehtdavon aus, dass gesellschaftliche Phänomene wie beispiels-weise Modetrends ähnlichen Verbreitungsmustern folgen wieansteckende Krankheiten und Seuchen. Die Kenntnis dieserMuster, so Gladwells These, könne das Marketing zur geziel-ten Stimulation von Mundpropagandaprozessen einsetzen.Drei Faktoren seien dabei von Bedeutung: erstens der Anste-ckungsgrad einer Botschaft, der so genannte Verankerungs-faktor («Stickiness Factor»), zweitens die Überträger («Lawof the Few») und drittens die Macht der Umstände («ThePower of Context»).

Wendet man diese drei Parameter auf Rayports Idee desviralen Marketing an, so wird ihre Verbreitung nachvollzieh-bar. Die Botschaft hatte zweifellos ein hohes Verankerungspo-tenzial: «Minimaler Aufwand, maximale Effekte in kürzesterZeit» – das klang Mitte der Neunzigerjahre wie Musik in denOhren erfolgshungriger Entrepreneure. Das Virus traf auchauf ideale Überträger: die hochgradig vernetzten und kon-taktfreudigen Leser von «Fast Company», das damals eineArt Bibel für Unternehmer neuen Schlags war. Und die Bot-schaft kam zum richtigen Zeitpunkt: Denn schon lange lageine dunkle Ahnung in der Luft, dass die bewährten Marke-tingwerkzeuge wie die klassische Werbung Rost anzusetzenbegannen und zunehmend ineffizienter wurden. Dennoch:Trotz einer ansteckenden Botschaft, einer Vielzahl von Über-trägern und einem günstigen Nährboden hätte sich die Kun-de vom viralen Marketing womöglich nicht so schnell herum-

gesprochen, wenn es zur selben Zeit nicht ein Virus gegebenhätte, dessen Verbreitungsmuster exakt Rayports Modell folgte.

HOTMAIL – ANATOMIE EINES MARKETINGVIRUS

Ende 1997 traf Rayports Idee auf einen einflussreichenAdaptor und Multiplikator: Steve Jurvetson, Teilhaber vonDraper Fisher Jurvetson (DFJ), einer erfolgreichen Risikokapi-talgesellschaft aus dem Silicon Valley. Dieser suchte mit sei-nem Partner Tim Draper nach einer treffenden Beschreibungeines bis dahin nicht für möglich gehaltenen Phänomens. DieNutzerzahl von Hotmail, einem von DFJ finanzierten Start-up, war in nur achtzehn Monaten von null auf zwölf Millio-nen angewachsen. Und dies ohne das Trommelfeuer einesgross angelegten Werbefeldzugs. Der Dienst hatte sich netz-werkartig im Internet verbreitet, genau wie…? – Ein Virus!

Fortan galt der Free-E-Mail-Provider als Archetyp fürerfolgreiches Virus-Marketing. Seine epidemische Verbrei-tung basierte auf einem geschickten Mix marketingpolitischerEntscheidungen: eine neue, bahnbrechende Produktidee(webbasierter E-Mail-Dienst), ein einfacher kostenloser Zu-gang für die Nutzer sowie eine raffinierte Empfehlungstech-nik (ein in jedes E-Mail integrierter Link auf die Homepage).Nimmt man das «Hotmail-Virus» unter die Lupe, lassensich genau diejenigen Spezifika erkennen, die Jeffrey Rayportals typische Kennzeichen eines Marketingvirus beschriebenhatte:

Tarnung – «Stealth is the essence of market entry.» Ray-port empfiehlt dem Marketing, seine Werbebotschaften zutarnen so wie ein Trojanisches Pferd seinen gefährlichenCode. Die Botschaft von Hotmail kam per E-Mail, verkleidetbeispielsweise als Urlaubsgruss oder als Liebesbrief, aus demsozialen Umfeld des Empfängers: «Get your private, free e-mail at www.hotmail.com.»

Inkubationszeit – «What’s up-front is free; payment comeslater.» Produkte und Dienste erst einmal frei zugänglichmachen, abgerechnet wird später, so lautete Rayports Devise.Das Marketing müsse sich zunächst in Geduld üben, wie einVirus, das schlafend in seinem Wirt ruht. Hotmail war für dieNutzer nicht zuletzt deswegen so attraktiv, weil der E-Mail-Dienst kostenlos angeboten wurde.

Infektionsprozess – «Let the behaviour of the targetcommunity carry the message.» Viren verbreiten sich nichtzufällig. Sie werden durch soziale Interaktion in neue Umge-bungen hineingetragen. Die Botschaft von Hotmail übertrugsich via E-Mail-Kommunikation. Sobald ein infizierter User

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Fünf Jahre nach seiner Entstehung hat sich der Begriff Virus-Marketingfest im Vokabular von Unternehmen und Agenturen verankert. Ein klaresVerständnis des Modells hat sich hingegen nicht herausgeformt.

eine Nachricht von seinem Hotmail-Account versendete, warber automatisch neue Nutzer an.

Überträger – «Exploit the strength of weak ties.» Bei derAusbreitung von Krankheiten und Seuchen spielen, wie Ray-port und später Gladwell ausführen, Überträger mit einergrossen Anzahl loser Sozialkontakte eine Schlüsselrolle. DasHotmail-Virus infizierte in der Anfangsphase seiner Verbrei-tung ganz besonders kontaktfreudige Überträger – amerika-nische Studenten.

Ausbreitungsprozess – «Invest to reach the tipping point.»Rayport weist darauf hin, dass ein Virus zunächst im Verbor-genen wächst, bis seine Ausbreitung irgendwann eine be-stimmte Schwelle überschreitet, den Tipping-Point. DieNutzerzahlen von Hotmail stiegen zwar von Beginn an ex-ponentiell, richtig wahrgenommen wurde der Dienst abererst nach dem Erreichen einer kritischen Masse.

VIRUS-MARKETING – HYPE, HOAX ODER HOFFNUNG?

Fünf Jahre nach seiner Entstehung hat sich der BegriffVirus-Marketing fest im Vokabular von Unternehmen undAgenturen verankert, auch in Europa. Ein klares Verständnisdes Modells hat sich hingegen nicht herausgeformt. Insbe-sondere auf der Seite der Werbetreibenden existieren die un-terschiedlichsten Vorstellungen. «Virales Marketing geistertseit einigen Jahren wie ein Gespenst durch die Chefetagen»,stellt Andreas Rapp fest, Geschäftsführer bei Aimaq Rapp Stol-le. Die Berliner Werbeagentur hat sich in Deutschland durchden Einsatz von Guerilla- und Virus-Marketing-Technikeneinen Namen gemacht, unter anderem für Nike. Viele Ent-scheidungsträger reagierten auf den Begriff allergisch: «Meinschickes Produkt mit solchen Methoden vermarkten?» Dasändere sich aber schlagartig, wenn erfolgreiche Praxisbeispie-le zur Sprache kämen, so Rapp.

Keine Frage, Virus-Marketing ist schwer zu fassen. Dasliegt teilweise am inflationären Gebrauch des Begriffs. NachHotmail bekam praktisch alles den Stempel «Virus» aufge-drückt, dessen Verbreitung sich nach demselben Schema voll-zog. Gleichgültig, ob der Effekt gezielt, mit marketingpoliti-schen Mitteln hervorgerufen wurde oder ob es sich dabei umreinen Zufall handelte. «Virus-Marketing ist ein ungemeinattraktives Wort und Konzept, logisch, dass sich das viele aufdie Fahne schreiben möchten», meint Roger Rüegger, Texterbei Futurecom interactive. Der Züricher Multimediadienst-leister entwickelte 1998 seine erste virale Promotion für Erics-

son. «Der Begriff wanderte aber erst 1999 in den SchweizerSprachschatz. Wir haben uns nachträglich gefreut, dass esdafür einen Namen gab.» Mittlerweile sind unzählige Defi-nitionen im Umlauf, und die Wahrnehmung des Begriffs istso divergent wie nie zuvor. «Gehört der ungeplant verschicktempeg-Werbespot dazu, die Abonnenten-Anwerbung mit Prä-mien aber nicht?», fragt Rüegger.

Zu den Legenden, die sich rund um den Begriff ranken,gehört die verbreitete Ansicht, dass Virus-Marketing ohnebegleitende Kommunikationsmassnahmen auskomme. Tatsa-che ist allerdings, dass die meisten Marketingviren das Pro-dukt einer Crossmedia-Strategie sind. Selbst das Lauffeuer,das Hotmail entfachte, wurde durch Anzeigen in Studenten-magazinen mit in Gang gebracht. Rüegger würde auch heutekeinem Kunden eine isolierte Virus-Marketing-Kampagneempfehlen, zu unsicher sei die Akzeptanz beim Empfänger.«Aber Virus-Marketing kann eine sinnvolle Ergänzung zurSteigerung des Traffic sein und je nach Form traumhafte Re-sultate generieren.» Ein Effekt, der angesichts der teurenBannerwerbung im Internet bei so manchem Kunden auf of-fene Ohren stösst.

Johann von Bernstorff, Geschäftsführer von V und B inHamburg, möchte sich Virus-Marketing nicht auf die Fahneschreiben. Und das obwohl gerade seiner Agentur der Rufvorauseilt, die bekannteste Virus-Marketing-Kampagne imdeutschsprachigen Raum auf den Weg gebracht zu haben, dievirtuelle «Moorhuhnjagd» für die Marke Johnnie Walker.Ursprünglich als reine Offline-Promotion in der Szenegast-ronomie geplant, flatterte das «Moorhuhn» 1998 ohne Zu-tun der Agentur ins Internet. Wie es dort hinkam, ist bis heu-te unklar. «Wir bekamen von der Sache erst Wind, als sicheinige User bei uns meldeten und ein Update des Spiels ver-langten», erinnert sich von Bernstorff. Das Beispiel «Moor-huhn» zeigt, dass nicht jedes Marketingvirus, der im Internetzirkuliert, das Ergebnis einer geplanten Kampagne ist. Mar-ketingviren können auch dann gedeihen, wenn keine entspre-chenden Marketingtechniken zum Einsatz kommen.

Virus-Marketing ist eine Strategie zur Stimulation der Mundpro-paganda im Internet mittels der verschiedenen Instrumente desMarketingmix. Der Begriff ‹Virus› impliziert die infektionsartige,mehr oder weniger kontrollierte Verbreitung einer elektroni-schen Produkt- beziehungsweise Dienstleistungsbotschaft voneinem Internetnutzer zum anderen. (vm-people)

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Einer der wenigen Wege, den Konsumenten noch zu erreichen, bestehtdarin, der Marke einen Platz in der «Gesprächsagenda» der Menschenzu sichern.

Paul Marsden von der Londoner Agentur Brand Gene-tics hat eine Erklärung für die steigende Attraktivität vonVirus-Marketing: Frustration! «Mass marketing is producingan ever decreasing return on investment – the American Adver-tising Association says that of the five thousand branded com-munications we are exposed to each day, we notice less thantwo per cent, and less than 0.1 per cent have any perceptualimpact at all.» Für diese Negativentwicklung macht Marsdendrei gesellschaftliche Metatrends verantwortlich: «Firstlyoverload – overcrowded and overloaded markets and minds;secondly rush – time obsessed society with shrinking life-cycles; thirdly No Logo – a marketing literate consumer basedisaffected from the hype and spin of the marketing machineas described in the book ‹No Logo› by Naomi Klein» (sieheGDI_IMPULS 1/01).

Einer der wenigen Wege, den Konsumenten noch zuerreichen, besteht für Marsden darin, der Marke einen Platzin der «Gesprächsagenda» der Menschen zu sichern. Dort-hin gelange sie aber nur, wenn die eingesetzten Werbemass-nahmen «beddable1 and spreadable» seien. Um Marken undihre Botschaften fit für den Wettbewerb zu machen, lässtBrandgenetics Erkenntnisse aus Dawkins’ Meme-Theorie indie Kampagnen einfliessen. An den Start geht nur, was diedarwinistische Auslese auf dem Gebiet der Ideen übersteht.«A spreadable idea is one that is ‹walkable and talkable› andtends to play on our emotional hot buttons – our deepestfears and wildest hopes –, and our cognitive cold buttons –the mental short-cuts we use to make sense of an increasinglymeaningless world.» Die Fertigung verbreitungsfähiger, hoch-infektiöser Ideen sei, so Marsden, das erklärte und realistischeZiel von Virus-Marketing.

Sind soziale Epidemien tatsächlich plan- und steuer-bar? Und ist Virus-Marketing das richtige Werkzeug zu derenStimulation? Oder entpuppt sich das Versprechen als Hoax,als ein geschickt lanciertes Gerücht, an dem nichts dran istund das nur dazu dient, ein paar Werbeagenturen und Mar-ketingautoren Publicity zu verschaffen? – Seit Jahren schonist es Forschern möglich, biologische Viren künstlich heran-zuzüchten, dies ist eine Praxis, die unter anderem im Kampfgegen Hepatitis eingesetzt wird. Auch Computerviren kannjeder zusammenbasteln, der über einen PC mit Internet-anschluss verfügt und sich den dazugehörigen Bausatz aufeinschlägigen Websites herunterlädt. Doch wie sieht der Kon-struktionsplan für ein Marketingvirus aus, wenn es einensolchen überhaupt gibt? Wie oben am Beispiel des Virus«Marketingvirus» dargestellt, eignet sich die Theorie des

Tipping-Point durchaus als Erklärungsmodell. Aber kann siedem Marketing auch als Gebrauchsanweisung zum Bau vonViren dienen?

VIRAL ENGINEERING

Ob eine Werbebotschaft ansteckend ist oder nicht, da-rüber bestimmt der Verankerungsfaktor. Dessen Bedeutungwird deutlich, wenn man sich die verschiedenen Phasen vorAugen führt, die bei der Übertragung einer Informationdurchlaufen werden: Eine Botschaft muss von einem Rezipi-enten wahrgenommen, aufgenommen, erinnert und weiter-gegeben werden. Nur Botschaften, die es schaffen, wiederund wieder diese vier Phasen zu durchlaufen, bleiben haftenund können zu einem Marketingvirus werden. Dieser vier-phasige Prozess ist allgemein gültig, egal ob Informationenvon Mund zu Mund oder von Maus zu Maus übertragenwerden. Der Unterschied ist einzig, dass die Umgebung desInternets den Weitergabeprozess von Kunde zu Kunde kurz-schaltet. Zwischen der Wahrnehmung und Aufnahme einerInformation und deren Übertragung liegt oft nur ein einfa-cher Knopfdruck: «Forward!»

Experten im Verankern von elektronischen Botschaftensind die Programmierer von Computerviren und die Autorenfalscher Virenwarnungen, den Hoaxes. Computerviren wer-den oft als heimtückische Spezies dargestellt, deren Verbrei-tung selbsttätig erfolgt. Dabei wird übersehen, dass sich vieledigitale Schädlinge nur deswegen durchsetzen, weil es ihnengelingt, Menschen anzustecken und in den Verbreitungspro-zess miteinzubeziehen. Das «I love you»-Virus wäre niemalsso erfolgreich gewesen, wenn es nicht weltweit liebesbedürf-tige User gegeben hätte, die bereit waren, ein unbekanntes E-Mail-Attachment zu öffnen. Armin Medosch, Redaktordes Online-Magazins «Telepolis», stellt fest, dass die Ver-breitung von Hoaxes auf geschicktem Social Engineering be-ruht: «Virus-Hoaxes sind so <programmiert>, dass sie denVerstand der ewigen Zweifler überlisten und sich als ein Tro-janisches Pferd in die Gefühlswelt einschleichen. Dort verste-hen sie es, die richtigen Knöpfe zu drücken, um uns zu ver-anlassen, ihre Vervielfältigung zu gewährleisten.» Demnachmüssen Marketingviren so «programmiert» sein, dass sie dasImmunsystem, das heisst die immer stärker werdende Ableh-nung der Konsumenten gegenüber Werbung, überwinden.Kann das Marketing also von den Virenprogrammierern undHoaxern lernen?

1 «Beddable» sind Botschaften dann, wenn die Konsumenten sie in ihre Kommu-

nikation einarbeiten können.

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Marketingviren müssen so «programmiert» sein, dass sie dasImmunsystem, das heisst die immer stärker werdende Ablehnungder Konsumenten gegenüber Werbung, überwinden.

VIRUS-WARNINGThere is a computer virus that is being sent across the Internet.If you receive an e-mail message with the subject line «Good Times», DO NOT read the message, DELETE it immediately.

Please read the message below. Some miscreant is sen-ding e-mail under the title «Good Times» nationwide, if you getanything like this, DON’T DOWNLOAD THE FILE! It has a virusthat rewrites your hard drive, obliterating anything on it. Pleasebe careful and forward this mail to anyone you care about. (Mutation des Good-Times-Hoax, 1997)

Sarah Gordon, Mitarbeiterin am IBM Research Center,hat die Wirkungsmechanismen von Hoaxes analysiert. AlsForschungsobjekt diente ihr eines der ältesten Exemplare derGattung, der «Good Times»-Hoax aus dem Jahr 1994, undeinige seiner Abkömmlinge. Die Virenforscherin identifi-zierte eine Reihe typischer Merkmale: zum Beispiel den Bezugauf eine Autorität (etwa ein Forschungslabor), um die Glaub-würdigkeit der Warnung zu steigern, und die so genannte Replication Engine, eine ultimative, zumeist in Grossbuch-staben verfasste und mit Ausrufezeichen versehene Aufforde-rung, die Nachricht in alle Welt weiterzuleiten.

Für die Konstruktion eines Marketingvirus sind zweiandere Charakteristika von entscheidender Bedeutung: Hoaxesversuchen sich dadurch zu verankern, dass sie an ein starkesGefühl appellieren, die Angst vor dem Computer-GAU.Neben einem solchen Haken locken Hoaxes auch noch miteinem Köder, wie Sarah Gordon weiter ausführt. Denn werdie Warnung an Freunde und Bekannte weiterleitet, suchtnach Anerkennung in seinem sozialen Netzwerk. Bezogen aufein Marketingvirus stellt der Haken einen Appell an einGrundbedürfnis dar, durch den der Empfänger emotionalangesprochen und einbezogen wird, während der Köder einGegenwert ist, den der Konsument für das Verbreiten derBotschaft in Aussicht gestellt bekommt. Die Hauptaufgabebei der Konstruktion eines Marketingvirus besteht demnachdarin, einen geeigneten Haken auszulegen und diesen miteinem attraktiven Köder zu versehen.

KODIERUNG VON MARKETINGVIREN

Ebenso wie die Evolution der Computerviren Spezies wie«Würmer» oder «Trojanische Pferde» hervorgebracht hat,so gibt es auch in der Welt der Marketingviren verschiedene

Gattungen. Ein Unterscheidungsmerkmal von Computer-viren ist der Code, den sie einsetzen, um sich zu replizieren.Auch Marketingviren lassen sich danach klassifizieren, welcheMotivationen, Bedürfnisse und Verhaltensweisen sie sich fürden Verankerungs- und Vervielfältigungsprozess zu Nutzemachen.

Lachen. Ein guter Gag hat im Internet grosse Verbrei-tungschancen, davon zeugen zahllose E-Mail-Jokes oder klei-ne schräge Filmchen, wie zuletzt die unfreiwillig komischeTanzeinlage von Microsoft-Chef Steve Ballmer (dancemon-keyboy.mpg). Angetrieben wird die Verbreitung dadurch,dass «Spass verstehen» in der heutigen Zeit als unerlässlicheCharaktereigenschaft gilt. Das daraus resultierende Verlangennach humorvollen Inhalten ist ein idealer Haken für einMarketingvirus.

Im Sommer 2000 verwiesen zahlreiche Links in News-groups und Weblogs auf die Seite eines skurrilen Selbstdar-stellers namens Supergreg – ein Latino-DJ mit ausgeprägtemHang zur Pose (www.supergreg.com). Viele Internetnutzerfühlten sich auf Anhieb an den liebeshungrigen TürkenMahir Cagri erinnert, der zuvor für Aufsehen sorgte, und ga-ben die Adresse amüsiert an Freunde weiter. Anders als beiMahir, handelte es sich bei Supergreg aber nicht um einenauthentischen Zeitgenossen, sondern um einen inszeniertenWerbegag des Jeansherstellers Lee. Dieses Vorgehen, bei demdie Marke getarnt wird, ist ein typisches Kennzeichen vielerMarketingviren. «Wird Virus-Marketing ohne Absender –also versteckt – eingesetzt, dann wird es zum Guerilla-Marke-ting», erläutert Andreas Rapp. Den oft geäusserten Einwand,gefakte Botschaften seien gefährlich für die Marke, weil siedie Glaubwürdigkeit eines Überträgers untergraben, lässtRapp nicht gelten: «Authentizität ist eine der wichtigsten Ei-genschaften von Guerilla-Marketing. Das bedeutet allerdingsnicht, dass man nichts inszenieren darf. Ganz im Gegenteil.Authentizität heisst vielmehr, den Nerv und den Zeitgeist derZielgruppe zu treffen.»

Grüssen. Der Zoologe Robin Dunbar stellte die Theorieauf, dass sich die Sprache deswegen entwickelt hat, weil es denMenschen darum geht, Allianzen zu schmieden. Indem wirkommunizieren, drücken wir unser Verlangen aus, sozialeVerbindungen herzustellen und aufrechtzuerhalten. Im In-ternet sind die Möglichkeiten, diesem Verlangen nachzukom-men, vielgestaltig. Ein Marketingvirus, das diese Triebfeder

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Marketingviren lassen sich danach klassifizieren, welche Motivationen,Bedürfnisse und Verhaltensweisen sie sich für den Verankerungs- undVervielfältigungsprozess zu Nutze machen.

als Haken benutzt, ist die E-Card. Ursprünglich vom Unter-nehmen Blue Mountain Art entwickelt, gehört die elektroni-sche Postkarte mittlerweile zu den Standards vieler kommerzi-eller Websites. Darüber hinaus wird sie oft als Motor im Zugepromotionaler Massnahmen eingesetzt.

Trotz des Überangebots scheint das Versenden digitalerGrüsse noch immer einen grossen Reiz auszuüben. Das Ver-halten der Nutzer gleicht einem natürlichen Reflex: Wer eineE-Card erhält, wird oft selbst zum Sender. Mit anderen Wor-ten: Der Empfänger imitiert den Absender. Diese Neigungzur Imitation ist nach Auffassung der Psychologin SusanBlackmore, einer Verfechterin der Memetik, tief im Men-schen verwurzelt und unterscheidet ihn grundsätzlich vomTier. Techniken wie die E-Card, die es den Kunden ermögli-chen, einander nachzuahmen, können die Verbreitung einerBotschaft massgeblich antreiben.

Cardmine, eine Agentur mit Niederlassungen in NewYork und Hamburg, hat die Grundidee der Online-Gruss-karten einen Schritt weiter entwickelt. Das Unternehmenschlägt mit der «Internet-Paper-Postcard» eine Brücke zwi-schen der Online- und der Offline-Welt. Konsumentenkönnen über das Internet eine virtuelle, werbegesponserteGratiskarte versenden, die dann als reale Karte postalischausgeliefert wird. Als Pilotprojekt entwickelte die Agentureine Kampagne für Boss Woman: Auf einer Webseite, die imSeptember 2000 in 250 Ländern freigeschaltet wurde, konn-ten User online Postkarten verschicken, die im Briefkastenmit einer Duftprobe ankamen. Zur Messung der Effektivitätwurde eine Studie in Auftrag gegeben. Camila Tomas, verant-wortliche Global Brand Managerin bei Boss Woman, denktgerne daran zurück: «It was the most effective campaign evermeassured in terms of conversion to trial and purchase.»

Spielen. Auf der Liste der Lieblingsbeschäftigungen amComputer rangiert das Spielen auf Rang zwei gleich nach demSurfen, wie das US-Marktforschungsinstitut Media Metrixherausgefunden hat. 61 Prozent aller Amerikaner spielenmindestens einmal monatlich ein PC-Spiel. Der Appell anden Spieltrieb kann sich für ein Marketingvirus daher als be-sonders verbreitungsfördernd erweisen.

Ein gut gemachtes Game wie die «Moorhuhnjagd»schlägt Spieler vor allem deswegen in seinen Bann, weil einprestigeträchtiger Wettbewerb entsteht. Im Falle des «Moor-

huhns» jagten die Spieler nicht nur Hühner, sondern auchRekorde. Dies führte zu einem regelrechten Suchtverhaltenund einem gesteigerten Drang zur Kommunikation, von demselbst die Schöpfer nicht verschont geblieben sind: «DieScoreliste hat innerhalb unserer Agentur einen richtigenWettbewerb herausgekitzelt», bekennt Johann von Berns-torff. «Wir haben uns immer wieder mit anderen verglichen,das hat quasi diesen viralen Effekt ergeben.»

Auch Futurecom interactive hat bereits Erfahrungen imLancieren von Online-Games gesammelt. «Der Spieltriebder Benutzer darf nicht unterschätzt werden», meint RogerRüegger. Für den Schweizer Energielieferanten Axpo ent-wickelte die Agentur einen Mechanismus, der den Spieler da-zu veranlasst, ein Haus in «Axpo City» zu bauen, dieses mitEnergie zu versorgen und darin möglichst viele Mieter einzu-quartieren. Der Schneeballeffekt kam dadurch zustande, dassjeder Hausbesitzer versuchte, seine virtuelle Wohnung per E-Card an Bekannte zu verschachern, um das Spiel zu gewin-nen. Über ein internes Mailsystem hatten die Mitglieder derstetig wachsenden Gemeinde die Gelegenheit, sich unterei-nander auszutauschen. Wie hartnäckig dieses Virus war, zeigtsich am Beispiel von «La Luna», der späteren Gewinnerin.Diese loggte sich über achthundert Mal ein und verschickteungefähr 1300 Axpo-Mails sowie 37 Grusskarten.

Teilen. Laut dem Medienwissenschaftler Douglas Rush-koff durchstreifen die Menschen die Weiten des Internets nuraus einem Grund: Sie suchen nach wertvollen Inhalten, dieihnen dazu dienen, eine Kommunikation mit anderen Men-schen zu starten. Wir haben das Bedürfnis, zu teilen, um unsmitteilen zu können. Diese Online-Inhalte nennt Rushkoff«Social Currency». Aus seinen Überlegungen kann gefolgertwerden, dass Marketingbotschaften, die sich viral verbreitensollen, einen hohen «Kurswert» aufweisen müssen.

Virus-Marketing heisst also, eine Botschaft mit einemWert zu versehen, mit dem der Empfänger die eigene Kom-munikation bereichern kann. Der Kurswert von bestimmtenInformationen fällt je nach Zielgruppe sehr unterschiedlichaus. Unter Jugendlichen werden ganz andere Themen gehan-delt als unter Börsianern. Eine der wichtigsten Aufgaben desviralen Marketing ist daher die Wahl des richtigen Köders.Entscheidend ist die Frage, welche Inhalte bei den gewähltenEmpfängern hoch im Kurs stehen. Die Planung setzt damit

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Einer der wirksamsten Haken zur Verankerung einer Botschaft istdas menschliche Bedürfnis nach materieller Absicherung.

eine genaue Kenntnis der Zielgruppe voraus.Mit ihrer Kampagne zur Bekanntmachung der SMS-

Community «Yoc» (www.yoc.com) hatte Aimaq Rapp Stolleoffenbar genau das richtige Gespür. Andreas Rapp: «Wirhängten einen Porsche an einen Kran, und die User durftenper SMS abstimmen, ob er fallen gelassen oder verlost wird.»Im Internet wurde ein E-Mail mit einem angehängten Flash-Game in Umlauf gebracht, in dem der Empfänger einen na-gelneuen Porsche zerschmettern konnte. Die Botschaft standbei der jugendlichen Zielgruppe offenbar ziemlich hoch imKurs, denn sie sprach sich rasend schnell herum: «DerRücklauf war gewaltig, Yoc bekam knapp 100 000 registrierteUser in der ersten Woche.» – Und der Porsche? «Wurdefallen gelassen.»

Belohnen. Einer der wirksamsten Haken zur Veran-kerung einer Botschaft ist das menschliche Bedürfnis nachmaterieller Absicherung. Diese Neigung versuchen die Auto-ren von Kettenmails mit falschen Gewinnversprechen zu ka-pitalisieren. Ein bekanntes Exemplar dieser Gattung war dasE-Mail, das dem Empfänger beim Weiterleiten der Nachricht«800 Dollar von Microsoft» versprach. Auch Marketing-viren, die Incentives oder geldwerte Vorteile als Köder einset-zen, erfreuen sich nicht selten einer weiten Verbreitung.

So versuchte 9feet.com, ein Sportartikelhändler im In-ternet, mit dieser Methode eine E-Mail-Lawine auszulösen.Kunden, die sich zu Botschaftern der Marke machten, wurdeein Fleece-Pullover in Aussicht gestellt. Die Promotion desOnline-Händlers bediente sich ähnlicher Verbreitungsmecha-nismen wie Hoaxes und Kettenmails. Der als Aufforderungformulierte Titel der Aktion «Fleece-a-friend» entsprichtder Replication-Engine von Sarah Gordon. Auch die Nei-gung zu Versalien sowie die Angabe der bereits verschenktenPullover – um die Glaubwürdigkeit zu steigern – erinnern andas Vorgehen von falschen Viruswarnern.

Materielle Anreize können zwar wie bei 9feet.com denAnsteckungsgrad einer Botschaft steigern, sind aber insgesamtproblematisch. Bei der Auslobung des Anreizes ist Augenmassvon Nöten. Ist der Anreiz zu gross, kann es den Empfänger

der Botschaft dazu verleiten, sein soziales Umfeld mit E-Mailszuzumüllen. Diese Gefahr rückt gratifizierende Technikenautomatisch in den diffusen und gefährlichen Grenzbereichzum verpönten «Spamming».

So far we have given away 2012 fleeces. All you have to do is tosign and help spread the word about 9feet.com. When 9 of yourfriends sign up AND enter your e-mail as the referrer, we’ll sendyou an exclusive fleece worth $ 50 for FREE – it’s that easy!(Auszug aus der Website, www.9feet.com)

Hallo du,möchtest du einen Fleece von Loewe Alpine geschenkt bekom-men??? Ja?? Dann bitte weiterlesen – ich möchte nämlich aucheinen haben!

Die Firma 9feet.com ist ein Anbieter von Outdoorkleidungund ausschliesslich im Internet tätig. Um die Firma bekannt zumachen, wurde mit einem dicken Werbeetat die Aktion «Fleece-a-friend» gestartet. Die Aktion läuft wie folgt: Du gehst auf dieHomepage von 9feet (www.9feet.com) und klickst auf die «Fleece-a-friend»-Aktion (unten rechts). Dort gibst du zunächstmeine E-Mail-Adresse ein: [email protected]. Dann musst dudich dort noch als weiterer Fleece-Anwärter registrieren lassenund dir ein Passwort ausdenken.Wenn neun Leute, an die ich diese Mail weiterschicke, meine E-Mail-Adresse eingeben, bekomme ich von 9feet eine echt guteFleece-Jacke. Und du kannst es genauso machen, denn wennebenso viele Leute deine Adresse angeben, bekommst auch dueine Jacke! Also, nun mal los zu www.9feet.com und schenk mireine Fleece-Jacke zu Weihnachten!

Vielen Dank für die Unterstützung und ebenfalls viel Er-folg! Ich freue mich auf einen mollig warmen Winter ... :-)

Liebe Grüsse, xxx (E-Mail eines infizierten Users)

Erschrecken. «The oldest and strongest emotion ofmankind is fear, the oldest and strongest kind of fear is thefear of the unknown», schreibt H. P. Lovecraft. Wie Rechtder Autor mit dieser Einschätzung hatte, zeigen die unzähli-

Während bösartige Viren die Kommunikation der Kon-sumenten und letztlich auch die Marke belasten, wollen diegutartigen das Leben und die Konversation der Kunden be-reichern.

Die falsche Anwendung dieses Werkzeugs und der Ein-satz zweifelhafter gratifizierender Techniken haben Virus-Marketing in Verruf gebracht. So taucht der Begriff «viral»mittlerweile auch auf einer aktuellen Version des berühmt-berüchtigten «Bullshit-Bingo» auf – selbst ein erfolgreichesOnline-Virus (www.perkigoth.com/home/kermit/stuff/bullshit-

bingo/). Einige Experten prophezeien dem Begriff ein baldigesEnde. So glaubt Paul Marsden, dass Virus-Marketing ineinem Jahr beerdigt sein wird – direkt neben den Dot.bombs,mit denen es so eng verbunden ist. Dennoch ist er überzeugt:«The concept of crafting consumer contagions and spreadinginfectious ideas, using contagion psychology and the insightsof diffusion of innovations research is here to stay.» FürRoger Rüegger birgt das Modell auch künftig ein grossesPotenzial: «Virales Marketing war, ist und wird immer einBestandteil der menschlichen Kommunikation sein. Und je unübersichtlicher das Internet wird, umso mehr werdendie Benutzer vorerst auf menschliche Agents angewiesen sein,um auf ein Angebot mit konkretem Nutzen hingewiesen zuwerden.»

Was aus Rayports Idee letztlich wird, hängt wohl starkdavon ab, wie sie in Zukunft eingesetzt wird – als «biologischeWaffe» im Kampf um Aufmerksamkeit oder als Instrument,das den Kunden zu einem freiwilligen und gutwilligen Bot-schafter eines Unternehmens macht. Bei allen Chancen, dieVirus-Marketing zur Verbreitung von Botschaften bietet,werden Werbetreibende und Agenturen jedoch auch in Zu-kunft um eines nicht umhin kommen: das Ausbrüten eineransteckenden Idee.

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Genau wie Computerviren nach der Art der Schadensroutine in gutartigeund bösartige eingeteilt werden können, lassen sich auch gute und böseMarketingviren unterscheiden.

gen Gerüchte, die im Internet infolge der Terroranschläge inden USA kursieren. Die enorme Verbreitung der grössten-teils frei erfundenen Schauermärchen kündet einerseits vonder enormen Macht, die hinter Kommunikationsviren steckt,und mahnt andererseits zu einem verantwortungsvollen Um-gang mit dem Werkzeug des viralen Marketing. Die Diskus-sion, ob der Appell an das menschliche Sicherheitsbedürfnismoralisch vertretbar ist, wird im Kontext der klassischen Wer-bung schon lange geführt. Klar ist, dass sich das Gefühl derAngst als Motor zur Verbreitung nur für ganz bestimmte Pro-dukte und Dienstleistungen eignet.

Das bis heute erfolgreichste Marketingvirus, der vonAngstgefühlen angetrieben wurde, ist die Gruselgeschichteum die drei verschwundenen Studenten aus dem Film «TheBlair Witch Project». Die Filmemacher woben den Hand-lungsfaden ihrer Geschichte zu einem komplexen Netz ausInformationen zusammen, sodass Filmfans, die einmal mitihm in Berührung kamen, immer tiefer verstrickt wurden.«Blair Witch» spukt noch heute durch die Köpfe vieler Userund verursacht zahlreiche Online-Kommunikation. Davonzeugen viele private Websites, die sich mittlerweile zu einemWeb-Ring zusammengeschlossen haben.

VIRUS-MARKETING – ALLES BULLSHIT ODER WAS?

Genau wie Computerviren nach der Art der Schadens-routine in gutartige und bösartige eingeteilt werden können,lassen sich auch gute und böse Marketingviren unterscheiden.Die bösartigen erkennt man oft an ihren vielen Ausrufezei-chen und Grossbuchstaben sowie an den unangemessenenVersprechungen, die sie machen. Sie schreien den Kundenan: «Verbreite mich!» Die gutartigen dagegen kommen meistheimlich, still und leise daher, als guter Witz, als unterhaltsa-mes Game oder einfach nur als interessante und relevante In-formation. Sie sind eher zurückhaltend, drängen sich nichtauf und überlassen dem User die Initiative zur Verbreitung.

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Ansteckende Lektüre

Susan Blackmore

Die Macht der Meme. Die

Evolution von Kultur und

Geist

Spektrum, Heidelberg 2000

Sarah Gordon

Hoaxes & Hypes

www.research.ibm.com/ant-

virus/SciPapers/Gordon/HH.h

Vera Krausse, Thomas Zorbach

Virus Kommunikation. Aspekte

epidemischer Verbreitungs-

prozesse im Internet

Berlin 1998

Armin Medosch

Einen Hoax will er sich machen

www.heise.de/tp/deutsch/

inhalt/co/9339/1.html

Jeffrey Rayport

The Virus of Marketing

http://pf.fastcompany.com/

online/06/virus.html

Veranstaltung zum Thema

GDI-Seminar, 19. März 2002

Virus-Marketing – Wie Kun-

den mit ansteckenden Bot-

schaften infiziert werden

Leitung: vm-people, Vera

Krausse, Thomas Zorbach

www.virusmarketing.ch

Virus-Marketing Experten

Andreas Rapp

Aimaq Rapp Stolle, Berlin

www.ars-berlin.com

[email protected]

Roger Rüegger

Futurecom interactive AG,

Zürich

www.futurecom.ch

[email protected]

Paul Marsden

Brandgentics, London

www.brandgentics.com

[email protected]

tml

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Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde,als sich der «Harvard Manager» träumen lässt.

BUSINESS INFORMATION UNUSUAL

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AUTOREN (AUSWAHL)

Ian Angell, Dirk Baecker, Ulrich Beck, Norbert Bolz, Frit-jof Capra, Simonetta Carbonaro, Stan Davis, Vilém Flusser,Gundolf Freyermuth, Hans Geisslinger, Gerd Gerken, NeilGershenfeld, James Gilmore, Peter Glotz, Daniel Goleman,Peter Gross, Gary Hamel, Niklas Luhmann, Franz Liebl, AvishaiMargalit, Christopher Meyer, Christian Mikunda, HansMoravec, Seymour Papert, Florian Rötzer, Douglas Rushkoff,Michael Schrage, Doc Searls, Don Tapscott, Paco Underhill,Jens Weidner, Immanuel Wallerstein, Peter Wippermann.

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