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NR. 90 JULI 2013 PREIS 2 EURO C 44755 SORGFäLTIG Interview über die Beschwerden bei Versicherungsombudsmann Günter Hirsch. SORGSAM Die Initiative „Gut beraten“ unterstützt Vermittler bei der Weiterbildung. posıtıonen ZU POLITIK, WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT SORGENFREI 26 Millionen können nicht irren: der Autoschutzbrief der Versicherer. KEINE PANIK Früher starben beim Hadsch in Mekka immer wieder Menschen im Gedränge der Massen. Bis sich unter anderem deutsche Ingenieure um einen geregelten Zu- und Abstrom der Pilger kümmerten. Seitdem läuft’s nahezu reibungslos.

GDV · Created Date: 7/15/2013 12:24:02 PM

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  • N r . 9 0 J u l i 2 0 1 3 P r e i s 2 e u r O C 4 4 7 5 5

    sOr gfältig Interview über die Beschwerden bei Versicherungsombudsmann Günter Hirsch.

    sOr gsam Die Initiative „Gut beraten“ unterstützt Vermittler bei der Weiterbildung.

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    sOr geNfr ei 26 Millionen können nicht irren: der Autoschutzbrief der Versicherer.

    k eiNe PaNikFrüher starben beim Hadsch in Mekka immer wieder Menschen

    im Gedränge der Massen. Bis sich unter anderem deutsche

    Ingenieure um einen geregelten Zu- und Abstrom der Pilger

    kümmerten. Seitdem läuft’s nahezu reibungslos.

  • Aktuell 3

    titel 4

    Alles fließt

    Deutsche Ingenieure haben Mittel und Wege

    gefunden, die Menschenströme in Mekka zu

    kanalisieren. Ein Vorzeigeprojekt.

    HiNteRGRuND 10

    Besser als je zuvor!

    Die Initiative „Gut beraten“ sorgt dafür, dass sich

    Vermittler kontinuierlich weiterbilden.

    NACHGeFRAGt – DAS iNteRVieW 12

    Prof. Dr. Günter Hirsch,

    Versicherungsombudsmann:

    „Keine systematische Blockade feststellbar“.

    HiNteRGRuND 16

    Shit happens ...

    Ein Motorschaden oder ein Autounfall

    im Urlaub? Die Versicherer sind mit ihren

    Schutzbriefen Marktführer bei der Pannenhilfe.

    GeGeNpoSitioNeN 18

    Besser informiert

    SeRViCe 19

    letzte Seite 20

    Erhöhter Hochwasserschutz

    iMpReSSuM 20

    ThEMEnDIESEr

    AUSGABE

    DR . AlexANDeR eR DlAND

    Präsident des GDV

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    Bei Großereignissen kommen oft

    Tausende Menschen auf engem Raum

    zusammen. Unsere Titelgeschichte geht

    der Frage nach, wie es sogenannten

    Fußgängerforschern bei diesen Events

    gelingt, gefährliche Engpässe zu ver

    meiden und tödlichen Unfällen vorzu

    beugen. Bestes Beispiel dafür ist die

    Pilgerfahrt nach Mekka, der so genannte

    Hadsch, zu dem jährlich mehrere

    Millionen Menschen anreisen. Dieses Jahr

    findet der Hadsch im Oktober statt, die

    Vorbereitungen dafür laufen bereits.

    Liebe Leserinnen, liebe Leser,

    wussten Sie, dass es Fußgängerforschung gibt

    und was sich dahinter verbirgt? Die Titelge

    schichte geht dieser Frage nach. Sie zeigt, wie es

    gelingt, auf Großveranstaltungen Menschen

    massen in Bewegung zu halten, bedrohliche

    Engpässe von vornherein zu vermeiden und

    somit lebensgefährlichen Situationen vorzubeu

    gen. Fußgängerforscher untersuchen dazu die

    Gehgeschwindigkeit von Menschengruppen in

    Städten, Stadien oder bei Großveranstaltungen

    wie dem Hadsch, der Pilgerfahrt der Muslime.

    Ihr Ziel ist es, daraus bessere Evakuierungs pläne

    zu entwickeln. Keine einfache Aufgabe, wenn

    Millionen Pilger nach Mekka strömen.

    Der erste Hintergrundbericht „Besser als je

    zuvor!“ stellt die Initiative „Gut beraten“ vor.

    Dabei geht es um den hohen Anspruch, den die

    Versicherungswirtschaft an eine gute und faire

    Beratung hat. Denn egal ob ein Kunde sein neues

    Auto versichern oder privat fürs Alter vorsorgen

    möchte – die Person, mit der er über die Ver

    sicherungsverträge spricht, ist der Vermittler.

    Oftmals ist sein Gesicht das einzige, das Kunden

    von einer Versicherung zu sehen bekommen.

    Entsprechend wichtig ist es, dass Versicherungs

    vermittler nicht nur gut ausgebildet sind, son

    dern sich auch kontinuierlich weiterbilden. Wie

    ernst es uns damit ist, zeigt, dass die Initiative

    nur einer von mehreren Bausteinen ist, die wir

    beim Thema Vertrieb angehen. Gerade haben

    wir etwa den weiterentwickelten Verhaltens

    kodex für den Vertrieb auf den Weg gebracht.

    Seit dem 1. Juli können die Versicherungsunter

    nehmen diesem beitreten.

    Das Thema Kundenvertrauen spielt auch bei der

    Frage eine entscheidende Rolle, ob Versicherer

    Leistungen an ihre Kunden verweigern. Das Bun

    desjustizministerium hat verschiedene Institu

    tionen um eine Einschätzung der Regulierungs

    praxis gebeten. Einer, der tagtäglich mit Be

    schwerdefällen bei Versicherern zu tun hat, ist

    der Versicherungsombudsmann Prof. Dr. Günter

    Hirsch. Im Interview mit den Positionen erklärt

    er seine Sicht auf die Schadenregulierung. Der

    GDV hat im Übrigen selbst Zahlen dazu erhoben

    und diese dem Bundesjustizministerium zur

    Verfügung gestellt.

    Diese und andere Themen warten auf Sie in der

    neuen Ausgabe von Positionen. Freuen Sie sich

    auf eine spannende Lektüre.

    Ihr Alexander Erdland

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    2 positionen

    was sagt man dazu?Drei Stimmen zur Hochwasserkatastrophe:

    „Es ist ein guter Ansatz, die Macht des Flusses zu akzep

    tieren. Aber mittlerweile sind so viele Menschen an

    die Flüsse gezogen und haben dort Städte und Industrie

    errichtet, dass es unmöglich ist, Flutkatastrophen zu

    vermeiden. Eine langfristige Lösung wäre, die Leute

    zu entmutigen, in Flutgebieten zu leben. Das wird auch

    jetzt schon gemacht, in Deutschland und anderswo.“

    david Blackbourn, Professor für Geschichte an

    der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee,

    am 14. Juni in der Zeit.

    „Wir brauchen ein höheres Risikobewusstsein in der

    Be völkerung, aber auch bei den politisch Verantwortlichen,

    gegen die Urgewalt Wasser. Die umfassende Risikoauf

    klärung muss eine der obersten Maximen sein.“

    dr. alexander Erdland, Präsident des GDV,

    am 10. Juni in einer Meldung der Agentur Reuters.

    „Es darf kein Zögern mehr beim Hochwasserschutz

    geben. An vielen Stellen ist Geplantes nicht fertig gewor

    den. Einmal haben juristische Spitzfindigkeiten den

    Bau der Hochwasserschutzmauer verzögert, ein anderes

    Mal wurden geplante Rückhaltebecken durch

    sogenannte Umweltschützer verhindert.“

    dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister, CSU,

    am 13. Juni in der Superillu.

    K ur z Positionier tK ur z gemeldet

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    wEr HättE das gEdacHt?Laut einer Studie aus den USA hat der Job des Zeitungsreporters das mieseste Image. Am beliebtesten: Versicherungsmathematiker.

    Zeitungsreporter ist der schlechteste Job, den man sich derzeit aus

    suchen kann – jedenfalls in den USA. Das ergab eine Untersuchung des

    Jobportals careercast.com. Prestige, Einkommen und Stressfaktoren

    von über 200 Jobs wurden untersucht und miteinander verglichen.

    Danach sind sogar die Jobs des Müllmannes oder Hausmeisters attraktiver

    als eine Anstellung bei einer Tageszeitung. Am besten schneidet der

    Beruf des Versicherungsmathematikers ab.

    nEuEs altErsvorsorgE-gEsEtzDas steuerliche Abzugsvolumen bei der Basisrente bleibt vorerst gleich. Ein neues Produktblatt soll für bessere Vergleichbarkeit sorgen.

    Bundestag und Bundesrat haben das AltersvorsorgeVerbesserungsgesetz

    (AltvVerbG) beschlossen. Bei der Basisrente bleibt es beim bisherigen

    Abzugsvolumen von 20.000 Euro im Jahr. Die Koalitionsfraktionen hatten

    sich ursprünglich für eine Anhebung auf 24.000 Euro ausgesprochen.

    Das Gesetz sieht auch ein neues, einheitliches Produktinformationsblatt

    vor, das zu einer besseren Vergleichbarkeit von staatlich geförderten

    Altersvorsorgeprodukten führen soll. Mehr Flexibilität wird es bei der

    BerufsunfähigkeitsVersicherung geben.

    Der GDV begrüßte die Einigung, insbesondere die geplante Einführung

    eines Produktinformationsblatts für zertifizierte Altersvorsorge und

    Basisrentenverträge. Man bedaure aber zugleich, dass die ursprünglich

    vorgesehene Anhebung der steuerlichen Förderhöchstgrenzen der

    Basisversorgung auf 24.000 Euro zu diesem Zeitpunkt ausgeblieben ist.

    Dieses Jahr ist die Sommerpause der Fußballbundesliga kürzer als

    sonst. Da im nächsten Sommer in Brasilien die Weltmeisterschaft stattfin

    det, beginnt die nationale Meisterschaft in Deutschland bereits Anfang

    August. Wie immer seit Gründung der Bundesliga im Jahr 1963 geht

    es in 34 Spieltagen um die sogenannte „Salatschüssel“ (Durchmesser:

    59 Zentimeter, Gewicht: elf Kilo, Verzierung: zehn Turmaline, Verarbeitung:

    5,5 Kilo Sterlingsilber, Versicherungssumme: 50.000 Euro). So nennen

    Spieler, Trainer und Fans den runden Wanderpokal, den die beste Mann

    schaft der Bundesliga erhält und auf dem alle deutschen Meister seit dem

    Jahr 1903 eingraviert sind. Darauf finden sich neben den üblichen

    Verdächtigen auch in Vergessenheit geratene oder bereits aufgelöste

    Vereine wie der FC Phönix Karlsruhe (1909), der Berliner TuFC Viktoria 1889

    (1908, 1911) oder Holstein Kiel (1912). Verliehen wird die Schale jedoch

    erst seit 1949, sie ersetzte damals die im Zweiten Weltkrieg verschollen

    geglaubte VictoriaTrophäe. In der vergangenen Saison geriet die

    Meisterschaft auf Grund des „Triple“Gewinns des FC Bayern München

    etwas in den Hintergrund. Aber die Jagd nach der wohl „schönsten

    Salatschüssel der Welt“ (Gerhard Delling) beginnt jedes Jahr von Neuem.

    die sChÖnst e v er siCher ungssaChe der welt

    SALATSCHÜSSEL

    positionen 3

    50.000 Euro

  • Aus der V ogelper spek tiV e Zwei Gläubige betrachten entspannt

    das Treiben am heiligsten Ort des Islam: der Kaaba. In der Mitte

    befindet sich ein schwarz-goldener Monolith in Form eines Würfels,

    den die Muslime umrunden.

    titel

    alles fliesstGroßveranstaltungen wie der Hadsch oder auch Rockkonzerte sind eine logistische Herkulesaufgabe. In der Vergangenheit sind dabei immer wieder Menschen zu Tode zu gekommen. In Mekka hat man den Massen- ansturm der Pilger nun systematisch kanalisiert – mit großem Erfolg.

  • eder Muslim soll einmal in sei

    nem Leben nach Mekka pil

    gern. Der Hadsch, wie die gro

    ße Pilgerfahrt im letzten Monat

    des islamischen Kalenders ge

    nannt wird, ist so wichtig für gläubige Muslime,

    dass er als fünfte Säule des Islam bezeichnet wird.

    Von den weltweit rund 1,5 Milliarden islami

    schen Gläubigen kommen jährlich bis zu drei

    Millionen Menschen zum Hadsch nach Mekka.

    2013 fällt er auf Anfang Oktober. An fünf Tagen

    umkreisen dann die Gläubigen den schwarzen

    Stein, der in einem quaderförmigen Gebäude,

    der Kaaba, untergebracht ist. Sie pilgern auch

    zum Berg Arafat und ins Tal von Mina, wo sie

    den Teufel, der durch drei Säulen dargestellt

    wird, symbolisch steinigen.

    Weder der Platz, auf dem die Kaaba steht, noch

    das Tal von Mina sind sehr groß. Wenn sich dort

    Millionen Pilger drängeln, kann dies schnell zu

    Engpässen führen, die so eskalieren können, dass

    dort Menschen zertrampelt oder erdrückt wer

    den. Immer wieder kam es in den vergangenen

    zwanzig Jahren zu solchen Katastrophen. 1990

    starben mehr als 1400 Gläubige in einem Tunnel,

    weil sie von Menschenmassen totgetrampelt

    wurden. 2006 waren es 362 Tote, die bei der

    Teufelssteinigung im Tal von Mina an einem

    Zugang zu einer Säule erdrückt wurden. 1994

    kamen 270 Pilger ums Leben, vier Jahre später

    118 und 2004 251.

    Dirk Helbing, Professor für Soziologie an der

    Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich,

    hält den Hadsch für „das größte Fußgängerpro

    blem der Welt“. Nirgendwo auf der Welt sind so

    viele Menschen auf so einem knapp bemessenen

    Raum versammelt. Dass es dort zu einem töd

    lichen Gedränge kommen kann, wenn die Men

    schenmengen unkontrolliert beispielsweise ins

    Tal von Mina strömen, ist nicht verwunderlich.

    Fußgängerforscher wie Professor Armin Sey

    fried, der an der Bergischen Universität Wupper

    tal den Forschungsbereich „Computersimula

    tion für Brandschutz und Fußgängerverkehr“

    leitet, empfiehlt deshalb bei der Organisation

    einer Großveranstaltung, „Gedränge in jeder

    Form zu vermeiden. Das ist das Ziel jedes Crowd

    Managements“, sagt Seyfried. Die Fußgänger

    ströme müssten so gelenkt werden, dass nicht

    gedrückt werde. „Man muss versuchen, die Mas

    sen zu entzerren und die Menschendichte nied

    riger zu halten“, ergänzt der Professor, der auch

    am Forschungszentrum Jülich tätig ist.

    „Crowd disasters“ nennen Wissenschaftler die

    Unglücke, in denen Menschen infolge des star

    ken Gedränges erdrückt oder totgetrampelt wer

    den. Ein wichtiges Anzeichen, dass so ein Un

    glück kurz bevorstehen könnte, sind sogenannte

    StopandgoSituationen. Wie bei einem Stau

    auf der Autobahn stockt eine Menschenmenge

    zunächst plötzlich, um sich kurze Zeit später

    wieder weiterzubewegen. Diese Stockungen ent

    stehen bereits, wenn die Menschen noch gar

    nicht so dicht aneinanderstehen, dass sie sich

    berühren. Trotzdem gilt: „Wenn man solche

    StopandgoSituationen auf den Überwa

    chungskameras sieht, ist es für die Sicherheits

    kräfte oft schon zu spät einzugreifen“, sagt Pro

    fessor Seyfried. „Innerhalb von ein bis zwei

    Minuten danach entstehen nämlich solche Men

    schendichten, dass kein Ordner mehr reagieren

    kann“, ergänzt Michael Schreckenberg, Professor

    für Physik von Transport und Verkehr an der

    Universität DuisburgEssen.

    Wenn es dann noch enger wird, weil Menschen

    mengen von hinten nachströmen, können

    Schockwellen, die einem Erdbeben ähneln, ent

    stehen. Deshalb heißen diese Situationen in der

    Wissenschaft auch „crowd quakes“. „Sobald sich

    sechs oder mehr Personen auf einem einzigen

    Quadratmeter zusammendrängen, hat man ein

    Problem“, sagt Ralf Funda, Schulungsexperte

    bei „Vertrauen durch Sicherheit“ (VdS), Euro

    pas größtem Sicherheitsinstitut. Es prüft Si

    cherheitstechnik und bietet Aus und Fortbil

    dung zu verschiedenen Sicherheits themen an.

    Gerne findet der Lehrgang für Evakuierungs

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    6 positionen

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    Ger eGeLTer V er k ehr Autobahnen gleich – mit breiten Verkehrsschildern, die den Weg weisen – strömen Hunderttausende Muslime von ihren Zeltunterkünften (hinten)

    zu den heiligen Stätten des Islam und wieder zurück. Die Ströme kreuzen sich nicht, jeder Weg ist eine Einbahnstraße, alles und jeder bleibt in Bewegung.

    helfer vor Ort in einer Diskothek oder einem

    Krankenhaus statt, sodass die Helfer eine Räu

    mungsübung unter realistischen Bedingungen

    selbst durchführen können.

    Bei so vielen Menschen pro Quadratmeter

    braucht es nur noch einen kleinen Auslöser, um

    ein Massenbeben hervorzurufen – jemand, der

    sich bückt, um etwas aufzuheben oder sich die

    Schuhe zu binden, oder einer, der stürzt. „Sofort

    stolpern darüber andere Menschen und fallen

    um. Hinten drängeln die Leute aber weiter, weil

    sie nicht sehen, dass vorne wer gestützt ist“, sagt

    Michael Schreckenberg. Dadurch, dass die Men

    schen so eng aneinandergepresst sind, können

    sie sich nicht mehr selbst bewegen, sondern wer

    den ruckartig wie bei einer Meereswelle unkon

    trolliert in die eine Richtung geworfen. Kurze

    Zeit später rollen sie als neue Welle in eine voll

    kommen andere Richtung. „Die Masse wogt hin

    und her wie Gräser im Wind“, sagt Schrecken

    berg. Die Menschen, die zu Fall kommen und

    nicht mehr aufstehen können, werden zertram

    pelt oder erdrückt.

    Sehr schnell ist in diesem Zusammenhang von

    einer Massenpanik die Rede. Viele Forscher hal

    ten den Begriff jedoch für falsch. „Das Wort

    Massenpanik passt überhaupt nicht“, erklärt

    Professor Seyfried. „Es macht die Opfer zu Sün

    denböcken, da man die Verantwortung für das

    Unglück auf eine panikartige, irrationale Men

    ge schiebt. Die ist aber gar nicht schuld.“ Über

    haupt handelten die Menschen in der Masse

    nicht irrational, sondern überlegt. Wer in einer

    Menge stehe und einen winzigen Ausgang er

    spähe, strebe dorthin, selbst wenn man dadurch

    zusammen mit anderen Menschen mit dersel

    ben Idee den Ausgang verstopfe, ergänzt Sey

    fried. Das sieht zwar für Außenstehende wie

    eine ir rationale, panische Reaktion aus, mit der

    sich die Menschen ihren einzigen Ausweg ver

    sperren. Aber für den Menschen, der in der

    Masse ist und Todesangst empfindet, ist eine

    solche Reaktion sehr rational. „Die Irrationali

    tät ist also eine Frage der Perspektive“, fasst Sey

    fried zusammen.

    Selbstverständlich bekommen Menschen, die

    sich in einer drängelnden Masse befinden, die

    sich immer weiter zusammendrückt, Angst. Für

    Forscher wie Armin Seyfried ist dies aber nicht

    der Auslöser für die Unglücke, sondern eine Fol

    ge: „Beim Begriff Massenpanik werden Ursache

    und Wirkung vertauscht.“ Michael Schrecken

    berg sieht das ähnlich. Er hat 127 Katastrophen

    im Zusammenhang mit Menschenmengen un

    tersucht, kein einziges Mal sei Panik die Ursache

    gewesen. Jedes Mal hätten physikalische Prozesse

    wie Enge oder fehlende Ausweichmöglichkeiten

    zu den Unglücken geführt. Auch Ralf Funda von

    VdS hat Bauchschmerzen, wenn er an das Wort

    „Massenpanik“ denkt: „Masse ist nicht die Vor

    aussetzung dafür, dass Panik entsteht.“

    Ob nun Menschen beim Hadsch oder einem

    Rockkonzert in ein dichtes Gedränge geraten –

    die Fußgängerforschung ist sich recht sicher,

    dass diese Menschen nicht kopflos handeln. Im

    Gegenteil: sie versuchen sogar, sich zu unterstüt

    zen, etwa indem sie einem Gestürzten wieder

    auf die Beine helfen. Ralf Funda denkt dabei an

    ein Unglück bei einem Konzert der Band The

    Who in Cincinnati 1979. Damals wollten die

    Menschen schon beim Soundcheck ins Stadion

    stürmen, elf junge Leute wurden gegen die ver

    schlossenen Tore gedrückt und getötet. Damals

    sind viele Menschen nicht panisch davongelau

    fen, sondern haben ihren Mitmenschen gehol

    fen. Auch bei der Tragödie im Rahmen der

    Loveparade 2010 in Duisburg unterstützten sich

    die Menschen gegenseitig, obwohl sie Todes

    angst empfanden.

    Par k Platz Was von oben wie die parallele Anordnung von schwarz-weißen Rechtecken oder – mit etwas Fantasie – wie das kubistische Motiv eines Gemäldes aussieht, ist

    nichts anderes als der Busbahnhof in Mekka.

    „Das Wort Massenpanik passt überhaupt nicht. Es macht die Opfer zu Sündenböcken“, sagt Professor Armin Seyfried von der Uni Wuppertal.

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    alexandr Os sT eFanIdIs

    arbeiten als freie Journalisten in

    München und Karlsruhe.

    Damit solche Gedränge, die sich zu Katastrophen

    auswachsen können, erst gar nicht entstehen,

    empfehlen Fußgängerforscher, Verkehrsexperten

    und Logistiker den Veranstaltern ein umfassen-

    des Sicherheitskonzept. Dabei sind einige Grund-

    regeln zu beachten. Um ein Gedränge zu vermei-

    den, müssen Engpässe wie schmale Tunnel oder

    enge Brücken vermieden werden. „Das bedeutet,

    stattdessen ausreichend breite Wege zur Verfü-

    gung zu stellen“, sagt Professor Seyfried.

    Diesem Rat ist auch Saudi-Arabien gefolgt,

    nachdem es beim Hadsch in den vergangenen

    zwanzig Jahren immer wieder zu Tragödien mit

    Menschenmassen gekommen war. Um den

    Hadsch sicherer zu machen, engagierten sie Ex-

    perten wie Professor Helbing und Verkehrspla-

    ner aus Aachen. Im Tal von Mina haben sie die

    drei Säulen, die als Symbol des Teufels gesteinigt

    werden müssen, von einem breiten, mehrstöcki-

    gen Gebäude umfasst. So können die Pilgerströ-

    me bequem auf mehrere Stockwerke verteilt

    werden. Die Säulen selbst sind mittlerweile von

    Mauern umgeben, um die Trefferfläche für die

    Steinigung zu erhöhen. Der Erfolg gibt den Ex-

    perten Recht. Seit 2006 gab es keine Toten mehr

    beim Hadsch.

    Die deutschen Experten haben in Mekka und im

    Mina-Tal aber noch eine weitere Grundregel zur

    Anwendung gebracht: Wie bei einer Einbahn-

    straße dürfen sich zwei Menschenströme nicht

    begegnen. „Gegenstrom ist immer ein Problem“,

    sagt Professor Schreckenberg. In Feldversuchen

    hat er herausgefunden, dass zehn bis 15 Prozent

    weniger Menschen durch einen Gang kommen,

    wenn es Gegenverkehr gibt. Man muss also ver-

    hindern, dass sich die Ströme kreuzen oder gar

    nur ein Weg für Zu- und Ausgang zur Verfügung

    steht. Denn wenn Menschenströme aufeinan-

    dertreffen, behindern sie sich gegenseitig.

    Das Konzept des Einbahnstraßenverkehrs hatten

    die Aachener Verkehrsplaner 2005 bereits beim

    Weltjugendtag in Köln angewandt. Damals muss-

    ten 1,1 Millionen Menschen zur Messe von Papst

    Benedikt XVI. auf das Marienfeld bei Köln gelei-

    tet und anschließend wieder zurückgeführt wer-

    den. Anderthalb Jahre später setzten sie es auch

    bei der größten Veranstaltung der zweitgrößten

    Weltreligion nach dem Christentum, dem isla-

    mischen Hadsch, erfolgreich um.

    Die dritte Grundregel bei Großveranstaltungen

    lautet: Die Masse muss in Bewegung bleiben. „Sie

    darf niemals zum Stehen kommen. Denn wenn

    sie einmal stockt, bekommt man sie nicht mehr

    in Bewegung“, erklärt Professor Seyfried von der

    Uni Wuppertal, zumal die Menschenmenge nach

    ein paar Minuten unruhig und nervös werde,

    was die Situation verschärfen könne. Stattdessen

    solle man versuchen, die Menschenströme um-

    zulenken und Umwege gehen zu lassen, um zu

    verhindern, dass die Masse stoppe.

    Einen Sonderfall stellen Rockkonzerte da. Dort

    streben die Menschen stets nach vorne in

    Richtung Bühne. Immer wieder kommt es dabei

    zu Gedränge mit Toten, die erdrückt oder zer-

    trampelt werden. Im Juni 2000 rutschten viele

    Menschen während des Konzerts der amerikani-

    schen Rockband Pearl Jam auf dem schlammi-

    gen Boden beim Open-Air-Festival im däni-

    schen Roskilde aus. Trotzdem strömten die

    Massen weiter in Richtung Bühne und trampel-

    ten über die Gestürzten. Neun Menschen star-

    ben. Seitdem portionieren die Sicherheitskräfte

    die Menge bei großen Musikfestivals. Es werden

    immer wieder Barrieren eingebaut, um einzelne

    Abschnitte für 2.000 oder 5.000 Menschen zu

    schaffen. So wird verhindert, dass hunderttau-

    send Musikfans nach vorne stürmen und die

    Menschen vor der Bühne die Kraft der Hundert-

    tausend spüren.

    In den 1980er-Jahren kam es zu zwei schweren

    Massenunglücken in Fußballstadien. Beide Male

    waren englische Fußballfans beteiligt. 1985 wur-

    den im Brüsseler Heysel-Stadion 39 Menschen

    getötet, vier Jahre später starben im Hillsbo-

    rough-Stadion im englischen Sheffield 96 Fans.

    Infolgedessen wurden die Sicherheitsvorkehrun-

    gen in westeuropäischen Fußballstadien stark

    verbessert, sodass beispielsweise die Arenen in

    Deutschland im internationalen Vergleich sicher

    seien, wie Armin Seyfried betont.

    Trotzdem arbeiten Wissenschaftler wie Seyfried

    ständig daran, die Sicherheitskonzepte zu verbes-

    sern. Seit 2008 koordiniert er ein Forschungsteam,

    das einen Evakuierungsassistenten für einen Ka-

    tastrophenfall bei Großveranstaltungen wie Fuß-

    ballspielen entwickelt. Über Kameras, die an den

    wesentlichen Punkten und Toren eines Stadions

    aufgestellt sind, zählt dieser Assistent, wie viele

    Menschen sich in einem bestimmten Bereich auf-

    halten, indem er die Köpfe addiert, die einen be-

    stimmten Punkt passieren. Er weiß auch, welche

    Rettungssysteme und Evakuierungswege für den

    jeweiligen Teil des Stadions zur Verfügung stehen.

    Sehr schnell kann der Assistent in einer Compu-

    tersimulation berechnen, wie eine Evakuierung

    des Gebäudeteils am besten stattfinden soll.

    „Außerdem kann er sagen, ob sich zu viele Besu-

    cher in einem Tribünenbereich befinden“, sagt

    Seyfried. Hierfür kommt ein Ampelsystem zum

    Einsatz. Bereits bei 90 Prozent der zulässigen

    Menschenzahl wechselt die Farbe des betreffen-

    den Bereiches von Grün auf Gelb. Dann bleibt

    genügend Zeit, die Ordner anzuweisen, keine

    Menschen mehr in den überfüllten Bereich zu

    lassen. Dadurch lassen sich mögliche Staus vor-

    hersagen, ein gefährliches Gedränge kann erst

    gar nicht entstehen.

    Durch das Projekt des Evakuierungsassistenten,

    das den Namen „Hermes“ trägt, können die Si-

    cherheitskräfte die Lage frühzeitig richtig ein-

    schätzen und das Personal optimal einsetzen.

    Obwohl „Hermes“ bereits in der Düsseldorfer

    Esprit Arena getestet wurde, sagt Seyfried: „Das

    System funktioniert, aber es hat noch keine

    Anwendung in anderen Stadien gefunden. Es ist

    natürlich auch eine Kostenfrage.“ Die Veran-

    stalter der Fußball-WM nächstes Jahr in Brasi-

    lien werden demnach die Menschenströme in

    den Stadien lenken müssen, ohne die Personen

    auf Kameras zu zählen. Allerdings herrschen in

    Fußballstadien für Forscher von Menschen-

    massen wie Armin Seyfried ohnehin recht kon-

    trollierte Bedingungen – gerade im Vergleich zu

    viel größeren und schwerer kontrollierbaren

    Menschenmengen wie beim Hadsch. Und den

    haben die Sicherheitsexperten seit 2006 immer-

    hin auch im Griff.

    GdV POsITIOn Jede Großveranstaltung benötigt

    ein eigenes Sicherheitskonzept.

    Wenn man potenzielle Engpässe

    von vornherein ausschließen, die

    Masse in Bewegung halten und

    ohne Gegenverkehr strömen lassen

    kann, dann sind Menschenmengen

    relativ sicher zu kontrollieren.

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    DIe HänDe zum HImmel … Bei Rockkonzerten geht es

    um Emotionen, um das Live-Erlebnis. Um größere Menschen-

    mengen unter Kontrolle zu halten und sie in ihren

    Bewegungen einzuschränken, werden Barrieren eingebaut,

    die die Menge „portionieren“. So wird zum Beispiel unter-

    bunden, dass die hinteren Reihen Richtung Bühne drücken.

  • Hi nt e r gr und

    10 positionen

    keine geHeimnisse Für jeden absolvierten

    Weiterbildungskurs bekommt der Vermittler

    ein Häkchen, das er dem Kunden – falls ge-

    wünscht – präsentieren kann. Damit weiß der

    Kunde genau, dass ihm ein Fachmann gegen-

    übersteht.

    Besser als je zuvor! ein versicherungsvermittler verkörpert ein versicherungsunternehmen

    oft als einziger gegenüber dem Kunden – umso wichtiger ist es, dass er sich kontinuierlich weiterbildet. Dafür sorgt die Initiative „Gut beraten“.

    gal ob ein Kunde seine Familie für den Fall seines plötzlichen Todes

    finanziell versorgt wissen, sein neues Auto gegen potenzielle Schä

    den versichern oder privat fürs Alter vorsorgen möchte – die Per

    son, mit der er über die Versicherungsverträge spricht und sie abschließt,

    ist der Vermittler. Oftmals ist er sogar das einzige Gesicht, das der Kunde

    von einer Versicherung zu sehen bekommt.

    Entsprechend wichtig sind die Vermittler für ein Versicherungsunter

    nehmen. „Ein guter Versicherungsvermittler muss Vertrauen zum Kun

    den aufbauen und auch nach der Akquisition immer für ihn da sein,

    etwa wenn ein Schaden reguliert werden soll“, sagt Josef Beutelmann,

    Vorstandsvorsitzender der Barmenia Versicherungen und des Berufbil

    dungswerkes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.

    Deshalb ist es entscheidend, dass Versicherungsvermittler nicht nur gut

    ausgebildet sind, sondern sich auch kontinuierlich weiterbilden. Das will

    die Initiative „Gut beraten“, zu der sich

    der Gesamtverband der Deutschen Ver

    sicherungswirtschaft (GDV) und sämt

    liche Vermittlerverbände zusammen

    geschlossen haben, sicherstellen.

    Innerhalb von fünf Jahren sollen dabei

    die Versicherungsvermittler insgesamt

    200 Weiterbildungsunterrichtseinhei

    ten, welche jeweils 45 Minuten dauern

    und von den Bildungsabteilungen der

    Unternehmen, externen Dienstleistern

    oder den Vermittlerverbänden durchgeführt werden, besuchen. Für jede

    Einheit bekommen die Vermittler einen Punkt, der ihnen auf einem

    unabhängigen Weiterbildungskonto in einer zentralen Datenbank gut

    geschrieben wird.

    Seit 1. Juli wird „Gut beraten“ in zwölf Versicherungsunternehmen

    getestet, zum 1. Januar 2014 wird die Initiative flächendeckend umgesetzt.

    „Ziel ist es, die Weiterbildung der Versicherungsvermittler zu strukturie

    ren und transparent zu machen“, sagt Josef Beutelmann. Denn durch

    ständige Veränderungen auf dem Versicherungsmarkt und Gesetzes

    novellen müssen die Vermittler immer bestens informiert sein, was nur

    eine regelmäßige Weiterbildung leisten könne. „Es braucht einfach eine

    gewisse Zeit, bis man neue Produkte oder Gesetzesänderungen verinner

    licht hat. Das geht nur durch permanentes Training“, sagt Beutelmann.

    Auch die Kunden erwarten, dass ihr Vermittler fachlich auf dem neuesten

    Stand ist. Weil sie seine Punkte einsehen können, erkennen sie sofort, ob

    er sich wirklich kontinuierlich weiterbildet. Außerdem wissen sie dann, ob

    er sich bei den Lerneinheiten beispielsweise auf die betriebliche Altersvor

    sorge, die Haftpflichtversicherung oder einen anderen Teilbereich konzen

    triert hat. Aber auch die Versicherungsvermittler profitieren von der Initi

    ative, weil sie durch das Punktekonto ihre fortlaufende Weiterbildung

    jederzeit nachweisen können. Zudem bekommen sie nach einem Jahr eine

    Bescheinigung, nach zwei Jahren einen Pass und nach fünf Jahren ein Zer

    tifikat für die Weiterbildung.

    Die Idee zu „Gut beraten“ entstand im Februar 2011. „Wir wollten eine

    qualitativ hochwertige Weiterbildung für die Versicherungsvermittler

    sicherstellen und dadurch die Beratungsqualität in unserer Branche

    stärken“, sagt Josef Beutelmann. Dabei orientierte sich die Versiche

    rungswirtschaft an der Weiterbildung

    von Ärzten, Steuerberaten, Rechtsan

    wälten oder Wirtschaftsprüfern. „Ins

    besondere das Weiterbildungssystem

    im medizinischen Bereich hat uns

    sehr gut gefallen“, so Beutelmann.

    Ärzte müssen dabei in fünf Jahren

    150 Punkte in der fachlichen Weiter

    bildung und 100 Punkte bei Metho

    dik und Sozialkompetenz erreichen.

    Ein ähnliches System verfolgt „Gut

    beraten“, nur dass hier die Versicherungsvermittler insgesamt 200 Punk

    te, die sich aus Fachkompetenz (Wissen und fachliche Fertigkeiten)

    sowie persönlicher Kompetenz (Selbstständigkeit und soziale Kompe

    tenz) zusammensetzen, sammeln.

    Mit der Initiative setzt die Versicherungswirtschaft auch eine Forderung

    der Europäischen Union nach einer ständigen Weiterbildung der Bera

    ter um. „Dadurch wollen wir einen Standard in Europa setzen“, sagt

    Josef Beutelmann. Dabei werden alle Versicherungsvermittler in

    Deutschland mithelfen. Schließlich beteiligen sich alle Vermittlerver

    bände an der Initiative „Gut beraten“.

    GDV Position Durch die Initiative „Gut beraten“ wird

    die Weiterbildung von versicherungsvermittlern

    strukturiert und transparent gemacht.

    Davon profitieren Berater – und Kunden.

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    11 positionen

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    Maur it ius Much ist freier journalist in München.

    ansprechpartner: una Großmann, Tel. 030/20 20-51 85, [email protected]

  • „bei uns ist keine systematische blockade

    feststellbar“Seit fünf Jahren ist der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs,

    Professor Dr. Günter Hirsch, oberster Ombudsmann der Versicherungswirtschaft. Im Interview nimmt er Stellung zu den Vorwürfen gegen Versicherer,

    sie würden Leistungszahlungen geflissentlich hinauszögern oder gar ablehnen.

    Herr Professor Hirsch, in den vergangenen

    Monaten haben mehrere Medienberichte die

    Schadenregulierung der Versicherer ange

    prangert. Den Versicherern wird unterstellt,

    sie würden Leistungsansprüche ihrer Kunden

    systematisch anzweifeln und hinauszögern.

    Das ist starker Tobak. Teilen Sie diese Kritik an

    den Versicherern?

    Mein Eindruck ist, dass man den Versicherern

    das Etikett der „Nein-Sager“ angeheftet hat. Und

    das lässt sich nicht so leicht wieder abmachen.

    Für die Beantwortung der Frage muss ich aller-

    dings eines klarstellen: Als Ombudsmann kann

    ich keine Beurteilung für die große Menge der

    Regulierungsfälle in der Versicherungswirtschaft

    abgeben. Ich habe lediglich statistisch belegbare

    Erkenntnisse aus den Beschwerden, die an mich

    gerichtet werden. Und diese betreffen nur einen

    winzigen Ausschnitt aller Regulierungsfälle. Aber

    nichtsdestotrotz, es gibt zwei Ansatzpunkte dafür,

    ob sich der erhobene Vorwurf auch im Beschwer-

    deverfahren beim Ombudsmann belegen lässt.

    Erstens: Wir überprüfen stets, ob die Neigung der

    Versicherungsunternehmen, zu einer gütlichen

    Einigung zu kommen, zu- oder abnimmt. Dazu

    stelle ich fest: Die Zahl der einvernehmlichen Er-

    ledigung von Beschwerdeverfahren ist in den

    letzten Jahren gleich geblieben. Das bedeutet,

    eine systematische Blockade der Schadenregu-

    lierung ist im Beschwerdeverfahren beim Om-

    budsmann nicht feststellbar.

    Und zweitens?

    Zweitens stellen auch wir uns regelmäßig die

    Frage: Kann man aus den Beschwerdegründen

    entnehmen, dass Versicherer gegenüber ihren

    Kunden ein notorisch negatives Regulierungs-

    verhalten an den Tag legen, das nicht der Rechts-

    lage entspricht? Aber auch hier können wir keine

    signifikante Veränderung feststellen – selbst wenn

    es entsprechende Einzelfälle immer gab und gibt.

    Kurz zusammengefasst heißt das: Aus dem Be-

    schwerdeverhalten und den Beschwerdeverfah-

    ren können wir den erhobenen Vorwurf nicht

    bestätigen.

    Die Versicherer wehren sich seit Wochen

    gegen diesen Vorwurf. Sie argumentieren:

    Allein die Lebensversicherer zahlen pro Tag

    230 Millionen Euro an ihre Kunden aus und

    tragen somit zu einem auskömmlichen Alters

    einkommen der Bundesbürger bei. Im Scha

    den und UnfallBereich kommt es jährlich zu

    Leistungszahlungen von über 44 Milliarden

    Euro. Erwähnt werden solche Zahlen aber

    eher selten in den Medien. Woran liegt es, dass

    man sich die Versicherer gerne mit knackigen

    Schlagzeilen à la „Die NeinSager“ oder „Die

    Abzocker“ vornimmt?

    Wahrscheinlich eignen sie sich gut als Buhmänner.

    Denn es gibt immer wieder Einzelfälle, bei denen

    der Vorwurf berechtigt ist, dass Versicherer ver-

    suchen, zustehende Leistungen nicht zu erbrin-

    gen und nach unhaltbaren Gründen suchen, um

    ihre Blockade zu rechtfertigen. Andererseits liegt

    es im Interesse der Versichertengemeinschaft,

    dass im Einzelfall nur gezahlt wird, wenn die ge-

    setzlichen und vertraglichen Voraussetzungen

    vorliegen. Immerhin steht fest: Täglich werden

    insgesamt fast 500 Millionen Euro an Leistungen

    von den Versicherern ausgezahlt. Ich erkläre mir

    das angekratzte Image in der Medienöffentlich-

    keit so: Ein Skandal glänzt als Schlagzeile immer

    heller und greller. Wenn etwas dagegen reibungs-

    los funktioniert, ist das vielen Medien nicht ein-

    mal eine kurze Meldung wert. Das ist ein simpler

    Medien-Mechanismus, dem eben auch die Versi-

    cherer zum Opfer fallen.

    Vor Kurzem hat das Bundesministerium der

    Justiz unter anderem solche Medienberichte

    zum Anlass genommen, um den Sachverhalt

    intensiv zu ergründen. Das Ministerium hat

    ein Schreiben an bundesweit alle in Frage

    kommenden Gerichte verschickt und fragt

    dort an, ob sich der Vorwurf etwa durch eine

    gestiegene Anzahl von Gerichtsverfahren er

    härten lässt. Sie waren viele Jahre Präsident

    des Bundesgerichtshofs. Entspricht dieser

    Vorgang der Befragung von Gerichten dem

    gewöhnlichen Procedere?

    Es ist ein bisschen ungewöhnlich, direkt bei den

    Gerichten abzufragen, ob Erkenntnisse über ein

    Verhalten einer bestimmten Beklagtenkategorie

    – in diesem Fall die Versicherer – vorliegen, das

    zu gerichtlichen Klagen führt. An sich ist gegen

    das Sammeln von Fakten natürlich nichts einzu-

    wenden, das Ministerium hat sich einer Sache von

    öffentlichem Interesse angenommen.

    Klingt nach einem großen Aber.

    Der Verein des Versicherungsombudsmanns ist

    auch in die Umfrage des Ministeriums einbezo-

    gen worden. Ich frage mich jedoch, ob man aus

    einzelnen Beschwerden und Klagen – noch dazu

    ohne Hintergrundanalyse – Rückschlüsse auf ein

    relevantes Marktverhalten einer ganzen Branche

    ziehen kann. Sowohl die einzelnen Gerichte als

    auch ich als Ombudsmann können nur aus einem

    sehr kleinen Ausschnitt der pathologischen Fälle,

    die als Klagen bzw. Beschwerden auf unserem

    Schreibtisch landen, Erkenntnisse über das Regu-

    12 positionen

    nachgefr agt

    lierungsverhalten in der Rechtswirklichkeit ziehen.

    Aber in Deutschland existieren mehr als 450 Mil-

    lionen Versicherungsverträge. 450 Millionen! Ob

    die gewonnenen Erkenntnisse aus dieser Umfra-

    ge also letztlich belastbar sind, ist eine Frage, die

    noch zu klären sein wird.

    Bei 450 Millionen Verträgen landen jährlich

    rund 17.300 Beschwerden auf Ihrem Schreib-

    tisch. Also wendet sich nur jeder 26.000ste

    Versicherungskunde an Sie. Vor Kurzem

    haben Sie als Versicherungsombudsmann

    Ihren Geschäftsbericht für das Jahr 2012 ver-

    öffentlicht. Zu welchem Ergebnis kommen Sie

    konkret?

    Wir verzeichnen im Jahr 2012 mit 17.263 Be-

    schwerden einen leichten Rückgang. In 2011

    hatten wir 17.733 und damals sogar noch einen

    stärkeren Rückgang zum Vorjahr 2010. Dieser

    nun zwei Jahre anhaltende Rückgang bezieht

    sich auf sämtliche Versicherungssparten – mit

    einer einzigen Ausnahme: der Kfz-Versicherung.

    Da registrierten wir in 2012 einen Zuwachs um

    2,9 Prozent gegenüber 2011.

    Haben Sie eine Erklärung für dieses Ergebnis?

    Genau diese Frage stellen mir Journalisten immer

    wieder. Das Erstaunliche ist: Sobald wir eine Zu-

    nahme an Beschwerden registrieren, heißt es: Die

    Versicherer arbeiten schlechter, es gibt ja mehr

    Beschwerden beim Ombudsmann. Wenn die Be-

    schwerden – wie in den vergangenen Jahren –

    zurückgehen, lautet die Schlagzeile jedoch nie:

    „Die Versicherer arbeiten besser!“ Beides ist zu

    kurzschlüssig. Sie sehen, der vorhin angesprochene

    Mechanismus findet auch hier seine Bestätigung.

    Das heißt, Sie haben im Grunde keine Erklä-

    rung für den Rückgang der Beschwerden?

    Natürlich fragen auch wir uns, woran könnte das

    liegen? Unsere Folgerung lautet zunächst: Es gibt

    keine monokausale Ursache. Wenn die Beschwer-

    den in einer Sparte allerdings exorbitant zuneh-

    men, kann man das meist auf bestimmte Sonder-

    effekte eines Jahres zurückführen.

    Sondereffekte?

    Ja, im Jahr 2005 etwa fällte der Bundesgerichts-

    hof ein wegweisendes Urteil zu bestehenden Le-

    bensversicherungsverträgen. Das führte zu einer

    Zunahme der Beschwerden von 70 Prozent. Das

    war einer dieser Sondereffekte, den man in der

    Nachbetrachtung eindeutig zuordnen kann.

    Auch im Juli vergangenen Jahres fällte der

    Bundesgerichtshof ein besonderes Urteil zu

    Lebensversicherungen. Kam es damals nicht

    zu einer Steigerung der Beschwerdenanzahl?

    Dieses Urteil, das Sie ansprechen, hat eine weit-

    reichende Wirkung für bestehende Lebensversi-

    cherungsverträge, zweifellos. Einen Anstieg der Be-

    schwerden registrierten wir aber erst im Dezember

    2012, also etwa vier Monate später. Gelegentlich

    war verkürzt zu lesen, beim Ombudsmann seien

    Tausende Beschwerden mehr eingegangen. Rich-

    tig ist, dass wir trotz der Zunahme der Beschwer-

    den zur Lebensversicherung insgesamt im Jahr

    2012 einen geringen Rückgang der Gesamtzahl

    der Beschwerden hatten.

    Einen Anstieg der Anzahl von Beschwerden

    kann man also auf bestimmte Sondereffekte

    zurückführen, den Rückgang aber nicht?

    Ich habe das in Vorbereitung auf unser Gespräch

    auch meine Rechtsreferenten gefragt, die täglich

    die Akten bearbeiten. Einer der Gründe für den

    Rückgang dürfte sein, dass das Beschwerde-

    management der Versicherer besser geworden

    ist. Die Entscheidungen des Ombudsmanns ent-

    falten ersichtlich dahingehend generalpräventive

  • nachgefr agt

    14 positionen

    Wirkung, dass die Unternehmen teilweise ihr Re-

    gulierungsverhalten umstellen.

    So einfach ist das?

    Nun, dies ist eine Erklärung. Die Versicherer legen

    immer mehr Wert auf ihr Qualitätsmanagement

    und auf Kundenbindung, deshalb gibt es Erkennt-

    nisse, dass sie die „Rechtsprechung“ des Ombuds-

    manns in ihre tägliche Arbeit umzusetzen.

    Im vergangenen Jahr gab es gleich mehrere

    Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu

    bestehenden Lebensversicherungsverträgen.

    Inwieweit haben diese Entscheidungen Ihre

    Arbeit beeinflusst?

    Die Gerichtsurteile des vergangenen Jahres sind in

    ihrer Bedeutung durchaus mit jenem aus dem Jahr

    2005 vergleichbar. Der entscheidende Unterschied

    ist aber, dass sie im Gegensatz zum früheren Urteil

    zu mehr Rechtsunsicherheit geführt haben.

    Warum?

    Auch in 2005 ging es um Klauseln zum Rückkaufs-

    wert einer Lebensversicherung. Aber damals hat

    der BGH die Lücke, die durch sein Urteil in Tau-

    sende von Verträgen gerissen wurde, selbst ge-

    füllt. Der BGH hat nämlich per Rechtsfortbildung

    festgelegt, dass der Rückkaufswert mindestens die

    Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals betra-

    gen muss – bis der Gesetzgeber tätig wird. Dies-

    mal konnte der BGH die unwirksamen Klauseln

    nicht ersetzen. Der Grund: Damals handelte es sich

    um eine Individualklage eines Versicherungskun-

    den zu einem konkreten Vertrag. Dieses Mal war

    auf eine Klage eines Verbraucherverbandes nach

    dem sogenannten Unterlassungsklagengesetz

    hin abstrakt über AVB-Klauseln zu entscheiden.

    Der BGH hat diese Klausel zwar vernichtet, aber

    er konnte nicht per Rechtsfortbildung die Lücke

    füllen, die dadurch in Tausende von Verträgen ge-

    rissen wurde.

    Was bedeutete das konkret für Versicherungs-

    kunden und Versicherer?

    Die Versicherer standen vor der Frage, wie sie diese

    Lücke in den Verträgen ausbessern. Das ist keine

    einfache Sache. Denn sie mussten sich erst mal

    Klarheit darüber verschaffen, wie die momentane

    Rechtslage ist. Zum Teil waren die Verträge unter-

    schiedlich, in manchen Verträgen war die für un-

    wirksam erklärte Klausel wörtlich nachzulesen, in

    vielen stand aber eine andere, ähnlich lautende

    oder völlig anders formulierte Klausel. Da stellte

    sich dann für die Versicherer die Frage: Handelt es

    sich bei unserer Klausel um jene, die der BGH für

    unwirksam erklärt hat – oder weicht unsere Klau-

    sel wesentlich von der für nichtig erklärten ab?

    Außerdem war zu entscheiden, wie man die Ver-

    tragslücke füllen sollte, wenn das BGH-Urteil ein-

    schlägig war.

    Und die Kunden – wie haben die reagiert?

    Natürlich haben sich viele bei uns gemeldet

    und nachgefragt, wie dieses Urteil zu verste-

    hen ist. Manche sagten auch, mein Versicherer

    tut nichts. Dieser Vorwurf wurde auch öffentlich

    aufge griffen.

    Teilen Sie aus Ihrer täglichen Erfahrung aus

    den letzten Monaten diesen Vorwurf?

    Aus der Sicht des Ombudsmanns war bei den

    Versicherern die Neigung vorhanden, dem Urteil

    Rechnung zu tragen und eine für alle einvernehm-

    liche Lösung zu finden. In der Regel entschieden

    die Versicherer, das frühere Urteil aus dem Jahr

    2005 als Grundlage für eine aktuelle Lösung her-

    anzuziehen und dementsprechend (nach-)zu

    regulieren.

    Was antworten Sie den Kunden, die sich Sor-

    gen um ihre Altersvorsorge machen und sich

    nun fragen, wie es nun mit ihrer privaten Ver-

    sicherung weitergeht?

    Ich kann mich nur im Rahmen einer Beschwer-

    de mit dem Anliegen des Versicherten befassen.

    Generell ist aber zu raten, sich bei Fragen und

    Problemen mit einem bestehenden Vertrag mit

    dem Versicherer in Verbindung zu setzen, bevor

    man etwa eine Vertragsauflösung veranlasst.

    Grundsätzlich kann man sagen, dass mangelnde

    Transparenz ein Kernproblem der Versicherungs-

    wirtschaft ist. Zum einen ist der Versicherungs-

    vertrag als Produkt per se komplex und rechtlich

    kompliziert. Zum anderen wird zu wenig dafür

    getan, den Kunden in jedem Einzelfall so zu

    informieren, dass er weiß und versteht, welche

    Rechte und Pflichten aus dem Vertrag und im

    Leistungsfall bestehen. Die Vertragsbedingungen

    und die Schreiben der Versicherer sind oft für

    Laien nicht verständlich. Wenn ein Kunde etwas

    nicht versteht, entsteht Misstrauen. Ich sehe dies

    bei vielen Beschwerden.

    Und zwar wie?

    Günter Erhard Hirsch, 70, leitet seit April 2008 die Schlichtungsstelle

    des Versicherungsombudsmanns. Zuvor war er acht Jahre lang

    (2000–2008) Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe.

    Hirsch studierte von 1964 bis 1969 Rechtswissenschaften in Erlangen,

    1973 promovierte er zum Doktor der Rechte und trat in den bayeri

    schen Justizdienst ein. Dort arbeitete er als Staatsanwalt und Richter,

    bevor er 1984 in das Bayerische Staatsministerium der Justiz wechsel

    te. 1992 stellte er sich der im Aufbau begriffenen sächsischen Justiz

    zur Verfügung und war zunächst Präsident des Bezirksgerichts, ab

    1993 Präsident des Oberlandesgerichts Dresden. Im Jahr 1994 wurde

    er zum Richter am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft er

    nannt. Dieses Amt hatte er bis zu seinem Wechsel an die Spitze des

    BGH inne. Hirsch lebt in Ettlingen bei Karlsruhe.

    Zur P e r s on

    positionen 15

    Interview: AlexAndr os stefAnidis .

    Er ist freier Journalist in München.fot

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    Selbst wenn ich bei einem Fall nicht helfen kann,

    rechtlich also der Versicherer einwandfrei handelt

    und der Kunde – wenn man so will – leer ausgeht,

    versuche ich doch immer den Kunden zu erklären,

    warum dies der Fall ist. Ich schreibe einen Brief, der

    so einfach wie möglich den Sachverhalt und die

    Rechtslage darstellt. Die Reaktion der Menschen

    ist zum großen Teil positiv. Ich bekomme Dank

    schreiben, in denen steht, dass sie zwar nichts ge

    wonnen haben, aber nun zumindest verstehen,

    warum dies so ist.

    Die Versicherungswirtschaft hat als eine

    der ersten großen Wirtschaftsbranchen die

    Schlichtungsstelle des Ombudsmanns einge

    richtet. Inwieweit gewinnt die außergericht

    liche Streitbeilegung heute immer stärker an

    Bedeutung?

    Die außergerichtliche Streitbeilegung steht vor

    einer rechtspolitischen Umwälzung, die in ihrer

    Tragweite noch nicht erkannt worden ist. In Kürze

    wird die Europäische Union eine neue Richtlinie

    verkünden, die eine flächendeckende Möglichkeit

    der außergerichtlichen Streitbeilegung für nahezu

    alle Verbraucherstreitigkeiten verlangt. Ob ich nun

    meine Sonntagsbrötchen für zu klein halte oder mit

    der Autowaschanlage der Tankstelle nicht zufrieden

    war oder eben die Regulierung eines Versiche

    rungsschadens anzweifle – für die Verbraucher

    müssen, bis auf wenige Ausnahmen wie etwa Ge

    sundheitsleistungen, außergerichtliche Schlich

    tungsstellen zur Verfügung stehen, an die man sich

    wenden kann. Neben dem klassischen Rechtsweg

    zu Gerichten ist ein alternativer Zugang zum Recht

    zu gewährleisten, der die Chance einer außerge

    richtlichen Beilegung des Konfliktes bietet. Diese

    Richtlinie müssen die Mitgliedsstaaten der EU inner

    halb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen.

    Dann war die Versicherungswirtschaft ihrer

    Zeit schon voraus, als sie ihre eigene Schlichter

    stelle vor zwölf Jahren aufgebaut hat?

    Ja. Sie hat aber auch durch konkrete Strukturent

    scheidungen eine Vorreiterrolle eingenommen.

    Damit meine ich insbesondere, dass unsere

    Schlichtungsstelle institutionell unabhängig ist.

    Damals wurde der Verein des Versicherungs

    ombudsmanns gegründet mit Pilotfunktion. Ers

    tens: Mit einem rechtlichen unabhängigen Träger.

    Zweitens: Mit einem eigenen Haushalt. Drittens: Mit einer Verfahrensordnung, die von Vereins

    organen erlassen wird und nicht vom Branchen

    bundesverband und schließlich viertens: Mit

    einem Vereinsbeirat, in dem die Verbraucher pari

    tätisch vertreten sind und etwa mitbestimmen,

    wer Ombudsmann wird. Außerdem wurde schon

    bei der Gründung des Vereins dem Ombudsmann

    die Kompetenz zugesprochen, verbindlich gegen

    die Versicherer zu entscheiden. Damals für einen

    Beschwerdewert bis zu 5.000 DMark, heute bis zu

    10.000 Euro. Die meisten Ombudsmänner oder

    frauen, die heute in der Bundesrepublik tätig sind,

    haben keine Entscheidungskompetenz.

    Auch Dr. Elke König, Präsidentin der Bun

    desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

    (BaFin) und damit oberste Aufseherin der Ver

    sicherungswirtschaft, schreibt im Grußwort zu

    Ihrem Geschäftsbericht 2012, dass die Einrich

    tung der Schlichtungsstelle des Versicherungs

    ombudsmanns „beispielhaft“ und „mutig“ war,

    ja sogar, dass sie „großen Respekt“ verdiene.

    Wie beurteilen Sie das im Hinblick auf die an

    fangs angesprochenen Medienberichte?

    Diese Worte von Frau Dr. König haben den Verein

    und mich natürlich gefreut. Bundesverbraucher

    schutzministerin Ilse Aigner hat den Versiche

    rungsombudsmann als „Vorbild für den effektiven

    Verbraucherschutz“ bezeichnet. Die Versicherungs

    wirtschaft kann stolz auf ihre mutige Entscheidung

    sein, den Versicherten diese Möglichkeit der außer

    gerichtlichen Streitbeilegung zu bieten. Der Ver

    sicherungsombudsmann ist ein effektives Instru

    ment des Verbraucherschutzes und bei weitem

    kein Feigenblatt. Sobald die vorhin angesprochene

    EURichtlinie in nationales Gesetz gegossen wer

    den muss, wird diese Schlichtungsstelle wohl auch

    insoweit als Modell dienen.

    Letzte Frage, Herr Professor Hirsch: Wurde Ihre

    persönliche wie auch Ihre institutionelle Un

    abhängigkeit als Ombudsmann von den Ver

    sicherern je in Frage gestellt?

    (lacht laut auf) Nein, nie im Geringsten. Ich glaube,

    allen war und ist klar: Wenn man versucht, die Un

    abhängigkeit des ehemaligen BGHPräsidenten zu

    touchieren, fällt man auf die Nase.

  • Ohne Schutzbrief im WüStenurlaub

    Da hilft nur noch eins: schieben,

    solange die Beine tragen. Schon die

    Vorstellung macht durstig.

    shit happens …… und zwar immer dann, wenn man es am wenigsten erwartet, etwa im

    Urlaub. Da ist es von Vorteil, einer jener Bundesbürger zu sein, die einen autoschutzbrief besitzen. in den vergangenen Jahren avancierten die

    Versicherer zum Marktführer bei der pannenhilfe, zählen derzeit 26 Millionen Verträge. schon für wenige euro pro Jahr sind autofahrer abgesichert.

    leich ist es geschafft! Nur noch 90 Kilometer auf der Autobahn,

    dann ist Familie Müller wieder daheim. Hinter ihr liegen zwei

    Wochen in Kroatien: Sonne, Strand und Nichtstun. Plötzlich,

    kurz vor Frankfurt, stottert der Motor. Der Wagen stirbt ab. Heinz Mül-

    ler schafft es noch irgendwie, sein Auto auf den Pannenstreifen rollen

    zu lassen. Das abrupte Ende einer bis dahin perfekten Urlaubsreise.

    948.000 solche und ähnliche Pannenfälle zählten die Versicherer im Jahr

    2012. Hilfe im Notfall leisten heute längst nicht mehr nur die Automo-

    bilclubs, sondern auch die Versicherer. Mit einem entscheidenden Un-

    terschied: „Die Schutzbriefe, die bei den Versicherern an die Kfz-Haft-

    pflichtversicherung gekoppelt sind, kosten häufig nur einen einstelligen

    Eurobetrag pro Jahr“, sagt Andreas

    Bretzler, beim GDV zuständig für

    Schutzbriefversicherung. Die Mit-

    gliedschaft in einem Automobilclub

    ist deutlich teurer.

    Heinz Müller greift zu seinem Handy

    und alarmiert den Pannennotruf.

    Keine halbe Stunde später ist der Pan-

    nenhelfer da. Auch er kriegt den Wa-

    gen nicht flott. Familie Müller hat

    aber Glück im Unglück – mit einem

    Ersatzwagen können sie wenig später weiterfahren. Genau das ist die

    Idee, die hinter dem Schutzbrief steckt: „Wir wollen unsere Kunden

    mobil halten – egal wie“, sagt Andreas Bretzler vom GDV. „Entweder

    kann der Schaden an Ort und Stelle behoben werden, oder aber der

    Kunde reist im Mietwagen, mit der Bahn oder per Flugzeug weiter.“ Je

    nach Vertrag sichern die Schutzbriefe die Versicherten nicht nur bei

    klassischen Pannen wie Reifenplatzer oder einem streikenden Motor

    ab, sondern übernehmen auch die Kosten, wenn sie einen Unfall haben

    und sich dabei vielleicht sogar verletzen. Und das nicht nur in Deutsch-

    land, sondern auch im Ausland.

    Sieben Assistance-Gesellschaften, darunter ARAG, R+V und Huk-Co-

    burg, haben gemeinsam eine dem ADAC ähnliche Autoflotte aufgebaut.

    Sie ist seit 2001 als silberne Flotte der Pannenhilfs-Organisation „assis-

    tance partner“ unterwegs und heute der zweitgrößte Anbieter für Pan-

    nen- und Unfallhilfe in Deutschland. Daneben haben weitere Versiche-

    rer, wie etwa AXA und Allianz, ihre eigene Pannenhilfe organisiert.

    Dieses Engagement macht sich bezahlt. „Vor zehn Jahren lagen die Ver-

    sicherer bei der Zahl der Schutzbriefe noch hinter dem ADAC, mittler-

    weile hat sich dieser Anteil verdoppelt und die Versicherer haben den

    Automobilclub überholt“, sagt Willi Merta von der ARAG Versicherung,

    der im GDV die Arbeitsgruppe Schutzbrief leitet. „Heute sind die Ver-

    sicherer mit insgesamt 26 Millionen Schutzbriefen Marktführer in

    Deutschland.“ Anders ausgedrückt: Mehr als die Hälfte aller 43 Milli-

    onen in Deutschland zugelassenen Pkw sind über die Versicherer für

    den Pannennotfall abgesichert.

    In den meisten Fällen schaffen es die Pannenprofis die Wagen an der

    Unfallstelle wieder einsatzbereit zu machen – und das ziemlich schnell.

    „Unsere Pannenhelfer sind in weni-

    ger als 30 Minuten am Ort des Ge-

    schehens. Egal ob man in Berlin oder

    im Bayerischen Wald gestrandet ist“,

    sagt Willi Merta. „Für diese effizien-

    te Hilfe sorgt ein flächendeckendes

    Netz von mehr als 500 ausgewählten

    Partnerunternehmen, die mit ihren

    Pannenhilfs- und Abschleppfahr-

    zeugen das ganze Jahr rund um die

    Uhr im Einsatz sind.“

    Umfragen von „assistance partner“ bestätigen den Erfolg. 2011 beur-

    teilten 94 Prozent der Havaristen die Leistung von „assistance partner“

    mit sehr gut und gut. Für Willi Merta gibt es noch einen anderen Beleg,

    der für die hohe Zufriedenheit spricht: „Die Ansprüche der Kunden

    sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Würden wir also

    einen schlechten Job machen, dann wären wir als Versicherer nicht

    zum Marktführer bei Schutzbriefen geworden.“

    Für einen rundum gelungenen Sommerurlaub gilt: Nicht nur Sonnen-

    creme und Reiseführer einpacken, sondern vor der Abfahrt auch einen

    wichtigen Tipp von GDV-Experte Andreas Bretzler beherzigen: „Die

    Nummer der Servicezentrale im Handy einspeichern.“ Wenn dann auf

    der Reise oder am Urlaubsort etwas passieren sollte, genügt ein Anruf

    – und der Pannenhelfer ist zur Stelle.

    Mar cel r oth ist Journalist in Berlin und Magdeburg.

    ansprechpartner: stephan schweda, tel. 030/20 20-51 14, [email protected]

    GDV Position Ob geschäftlich oder im Urlaub: Wer mit dem

    auto unterwegs ist, sollte einen schutzbrief

    abschließen. im notfall helfen die Versicherer mit

    ihren partnern schnell und kompetent.

    G

    17 positionen

    Fo

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    h i nt e r Gr unD

  • gegenpositionen

    18 positionen

    ie vzbv nimmt dabei Bezug auf eine Umfrage der Ver-

    braucherzentrale Sachsen von 2010. Die Schlussfolge-

    rung der Verbraucherschützer, es gäbe keine Angebote,

    ist aus den Umfrageergebnissen so gar nicht ableitbar. Es zeigte sich

    vielmehr, dass auch in hochgefährdeten Überschwemmungszonen

    (ZÜRS Zone 4) Versicherungsschutz angeboten wurde.

    Auch jüngste Erhebungen des Gesamtverbandes der Deutschen

    Versicherungswirtschaft kamen zu dem Ergebnis – Hochwasser-

    Schäden sind auch in stark gefährdeten Regionen versicherbar.

    Schon heute ist jedes vierte Wohngebäude

    in Deutschland in der höchsten Risikozone

    gegen sogenannte Elementarschäden ver-

    sichert. Und in Sachsen sind es weit mehr:

    Mittlerweile sind hier 60 Prozent der

    Häuser in der Hochrisikozone für Über-

    schwemmung und Hochwasser versichert.

    Damit zeigt sich gerade Sachsen als Vorrei-

    ter und Vorbild in Sachen Versicherungs-

    schutz für Elementarschäden. Grund für

    diese deutlich über dem Bundesdurch-

    schnitt liegende Absicherung ist unter

    anderem die unmittelbare Betroffenheit

    durch das immense Schadenausmaß von

    2002, aber auch durch die Hochwasser in

    2006 und 2010.

    Wirkung zeigte in Sachsen offenkundig

    auch die gemeinsame Informationskam-

    pagne von Politik, Verbraucherschützern und Versicherungswirt-

    schaft zum Naturgefahrenschutz. Teil der Kampagne ist das Inter-

    netportal zuers-public.de, mit dem sich seit April 2012 Mieter,

    Hausbesitzer und Unternehmer per Mausklick über Naturgefah-

    ren für ihr Gebäude informieren können. Ziel der Versicherungs-

    wirtschaft ist es, ein einheitliches Naturgefahren-Informations-

    system bundesweit zu schaffen. Die Abkürzung ZÜRS steht dabei

    für „Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und

    Stark regen“.

    Insgesamt gibt es rund 280.000 Haushalte in Deutschland, die in

    der sogenannten Gefahrenklasse 4 (GK 4), der höchsten Risikozone

    der Versicherer, wohnen. Das sind in der Regel Regionen in unmit-

    telbarer Wassernähe. Sie sind statistisch betrachtet alle zehn Jahre

    von Hochwasser betroffen. Trotz des hohen Risikos können die

    Versicherer den Menschen auch hier Versicherungsschutz anbieten.

    Ausschlaggebend für die Versicherbarkeit gegen Hochwasser und

    Überschwemmung ist allerdings nicht nur die Lage: Individuelle

    Prävention (zum Beispiel geflieste Keller) und staatlicher Hochwas-

    serschutz (etwa Deiche und Dämme) wir-

    ken sich positiv aus. Sie haben damit un-

    mittelbar Einfluss auf die jeweilige Risiko-

    bewertung durch den Versicherer. Einige

    Versicherer haben für die Hochrisikozone

    eigene Expertenteams, die sich ausschließ-

    lich um Versicherungslösungen potenzieller

    Kunden in diesen Gebieten kümmern. Eine

    Auswertung der Zeitschrift Finanztest (Aus-

    gabe 8/2011) zeigte, dass es ein breites An-

    gebot an Versicherungsschutz gibt, auch für

    exponierte Grundstückslagen.

    Ohne den Zugang zu wahrheitsgemäßen

    Informationen, ohne Ausgewogenheit und

    Transparenz kann Verbraucherschutz im

    Sinne des Verbrauchers nicht stattfinden.

    Eine Pauschalkritik gegen Versicherun-

    gen führt in diesem Fall eher zur Verun-

    sicherung als zur Aufklärung. Denn Fakt ist: Versicherer können

    99 Prozent aller Gebäude in Deutschland problemlos versichern.

    Die Versicherungsdichte in der Hochrisikozone in Sachsen zeigt

    exemplarisch, dass sich auch für das verbleibende Prozent mit

    Selbstbehalten oder baulichen Präventionsmaßnahmen überwie-

    gend Versicherungsschutz anbieten lässt.

    Anspr echpAr tner Kathrin Jarosch,

    Tel. 030/20 20-51 80, E-Mail: [email protected]

    besser informiertDer Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) erklärte

    in einer Pressemitteilung, dass Menschen in besonders gefährdeten Überschwemmungszonen keinen Versicherungsschutz erhalten

    würden. Jüngste Erhebungen des GDV stellen allerdings heraus, dass dem nicht so ist: fast jedes Gebäude in Deutschland ist versicherbar.

    D

    „Wie sich bei einer Anfrage der Verbraucherzentrale

    Sachsen an 40 Versicherer zeigte, boten die Anbieter keinen Schutz, wenn sich

    das Haus in einer hochgefähr-deten Überschwemmungszone

    befand. Sie machten entweder gar kein Angebot

    oder klammerten den Überschwemmungsschutz aus.“

    „ hochwAsser -hotline für flutopfer stAr tet“ ,

    v zb v. de, 11. Juni 2013

    positionen 19

    endlich ferien„Reisen ohne Risiko – Richtig versichert in den Urlaub“

    Wer gut vorbereitet ist, kann

    seinen Urlaub entspannt

    und ohne Sorgen genießen.

    Die Broschüre Reisen ohne

    Risiko – Richtig versichert

    in den Urlaub (www.gdv.

    de/verbraucherinforma

    tionen/autoundverkehr/

    #reise) enthält wichtige Tipps, zum Beispiel, was

    man vor Reiseantritt und während des Urlaubs

    beachten sollte. Neben Informationen zu Reise

    versicherungen sowie zum Versicherungsschutz

    für Haus, Auto und Gesundheit werden auch

    Spezialpolicen etwa für Camping und Boot beschrie

    ben. Die Broschüre kann in Einzelexemplaren

    kostenlos unter 0800/742 43 75 bestellt werden.

    KlicKen sie hier!www.zuers-public.de

    Mieter, Hausbesitzer und Unternehmer können

    sich auf der Internetseite www.zuerspublic.de

    darüber informieren, wie stark ihr Eigenheim oder

    ihr Firmengebäude durch Hochwasser gefährdet

    ist. Darüber hinaus erfahren die Nutzer auf ZÜRS

    public, welches Risiko für weitere Naturgefahren

    wie Starkregen, Sturm, Blitzschlag und Erdbeben

    besteht.

    Ill

    us

    tr

    at

    Ion

    : M

    ar

    c h

    er

    ol

    d

    langlebigKeitsrisiKoKurz erklärt

    Das Langlebigkeitsrisiko ist ein Begriff aus der

    Versicherungsmathematik und hat große

    Bedeutung bei der Beitragskalkulation einer pri

    vaten Rentenversicherung. Weil niemand weiß,

    wie lange er leben wird, besteht das Risiko, dass

    am Ende eines langen Lebens das Geld für den

    Altersruhestand nicht ausreicht. Dieses Risiko kann

    man privat kaum überschauen. Versicherer über

    nehmen dieses Risiko durch Rentenversicherungen.

    Mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsrechnungen

    wird es bei der Kalkulation berücksichtigt. Damit

    wird sichergestellt, dass jede versicherte Person

    bis zum Lebensende Monat für Monat den zuge

    sicherten Betrag aus ihrer Rentenversicherung

    erhält. Dies ist umso wichtiger, weil seit Jahrzehnten

    beobachtet wird, dass sich die Lebenserwartung

    der Bevölkerung immer weiter erhöht.

    ser v Ice

    WIESo IST DAS So? Die 130-Prozent-Regel – wer sein Auto liebt …

    … kann es reparieren lassen, auch wenn es

    recht teuer wird: Sofern die Reparaturkosten

    den Wiederbeschaffungswert bis maximal 30

    Prozent übersteigen, kann der Geschädigte das

    ihm vertraute Fahrzeug instandsetzen lassen, wenn

    er es anschließend mindestens noch sechs Monate

    selbst nutzt. Dann kann davon ausgegangen wer

    den, dass der Halter sein Gefährt „liebt“. Nur dieses

    sogenannte Integritätsinteresse rechtfertigt die

    Übernahme der Reparaturkosten über den Wie

    derbeschaffungswert hinaus, sofern das Fahrzeug

    sach und fachgerecht repariert wurde. Im Normalfall

    wäre eine Instandsetzung unwirtschaftlich, wenn

    die ermittelten Reparaturkosten den Wieder

    beschaffungswert eines Fahrzeuges übersteigen:

    Totalschaden. Der Geschädigte erhält in solchen

    Fällen den Betrag, den er für ein gleichwerti

    ges Fahrzeug aufbringen müsste (= Wieder

    beschaffungswert). Davon wird der Wert des be

    schädigten Fahrzeugs (= Restwert) abgezogen.

    anspr echpar tner Una großmann,

    tel. 030/20 20-51 85, e-Mail : [email protected]

  • bran d en burg isc he un iversitätsd ruc kerei un d verlag sg esellsc haft mbh

    karl-liebkn ec ht-str. 24–25, 14467 g o lm

    Po st vertriebsstüc k c 44755, en tg elt bez ahlt

    Impr essum

    dIe deutschlandk ar te

    her ausGeB er

    Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft

    V er ant wor tlIch

    Ulrike Pott

    konzeptIon und r ealIsatIon

    Magazin Verlagsgesellschaft Süddeutsche Zeitung mbH

    oB jek tleItunG

    Angela Kesselring

    dr uck und V er tr IeB

    Brandenburgische Universitätsdruckerei

    und Verlagsgesellschaft, Potsdam mbH

    tItelfoto

    Corbis

    r edak tIon

    Una Großmann (GDV), Alexandros Stefanidis,

    Florian Gmach (Grafik)

    autor en

    Mauritius Much, Marcel Roth,

    Alexandros Stefanidis

    r edak t Ionsanschr Ift

    Gesamtverband der

    Deutschen Versicherungswirtschaft

    Presse und Information

    Wilhelmstraße 43 / 43 G, 10117 Berlin

    Telefon 030 / 20 20-51 18, Fax 030 / 20 20-66 04

    Fragen zum Abo: [email protected]

    erhöhterhochwasserschutz2,5 Millionen ElementarschadenversicherungsVerträge mehr als noch im Jahr 2002.

    Das Ausmaß der Schäden, die das Hochwas-

    ser Anfang Juni in Deutschland angerichtet

    hat, wird zurzeit auf knapp zwei Milliarden

    Euro geschätzt. Das ist mehr als bei der als

    „Jahrhundert-Hochwasser“ titulierten Elbe-

    Flut 2002, bei der 1,8 Milliarden Euro auf die

    Versicherer zugekommen waren.

    Zur Jahrhundertflut 2002 waren etwa drei

    Millionen Gebäude gegen Elementarschä-

    den versichert. Zehn Jahre später sind es

    bereits 2,5 Millionen mehr – ein Plus von

    83 Prozent. Insgesamt ist heute bundesweit

    mit 5,5 Millionen Verträgen rund ein Drittel

    der Deutschen gegen Naturgefahren ver-

    sichert. Im Bundesdurchschnitt besitzen

    68 Prozent der Haushalte keine Elementar-

    schadenversicherung für ihr Wohngebäude

    – dabei sind 99 Prozent der Gebäude in

    Deutschland problemlos versicherbar. Die

    höchste Versicherungsdichte findet sich

    in Baden-Württemberg. Dort gab es aller-

    dings lange Zeit eine staatliche Pflicht-

    versicherung. Seit 1994 ist die Verpflichtung

    abgeschafft, die Staatsversicherer wurden

    privatisiert.

    Anteil der Gebäude in Prozent, für die in

    den Bundesländern eine Elementarscha

    denversicherung abgeschlossen wurde.

    Quelle: gdv.de, 2013

    B er lIn21

    B aden-wür t temB er G95

    B ay er n21

    sachsen42

    sachsen-anhalt38

    r heInland-pfalz

    19

    hamB ur G13

    hessen21

    nIeder sachsen13

    nor dr heIn-westfalen31

    meck lenB ur G-V or pommer n21

    B r andenB ur G28

    schleswIG-holsteIn15

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    saar land12

    thür InGen40