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Gebührenrecht und Grundgesetz. Ein Beitrag zum allgemeinen Abgabenrecht by Dieter Wilke Review by: Heinz Paulick FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 33, H. 1 (1974), pp. 171-175 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40911130 . Accessed: 19/06/2014 06:38 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.145 on Thu, 19 Jun 2014 06:38:18 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Gebührenrecht und Grundgesetz. Ein Beitrag zum allgemeinen Abgabenrechtby Dieter Wilke

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Gebührenrecht und Grundgesetz. Ein Beitrag zum allgemeinen Abgabenrecht by Dieter WilkeReview by: Heinz PaulickFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 33, H. 1 (1974), pp. 171-175Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911130 .

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Besprechungen 171

markt. Der Kapitalreichtum der USA im Vergleich zur restlichen Welt bewirkt nach Machlups Vorstellung einen längerfristigen Trend zum Kapitalexport. Dieser wird die Devisenmarktauswirkung der zu erwartenden abwertungsbedingten Leistungs- bilanzverbesserung der USA zumindest z.T. kompensieren.

Machlups Analyse bietet in z.T. bewußt populärwissenschaftlicher Darstel- lungsweise einen knappen Überblick über die Zahlungsbilanz- und Devisenmarkt- theorie. Empirische Angaben, methodische und semantische Überlegungen ergänzen diesen Überblick, der im übrigen stark durch die persönliche Akzentsetzung des Verfassers geprägt ist. Gemessen an der großen Bedeutung, die Machlup den „auto- nomen" Kapitalbewegungen für die Wechselkursentwicklung zuerkennt, werden ihre Ursachen und die Beziehungen zwischen Kapitaltransaktionen und Leistungs- salden relativ pauschal und knapp abgehandelt. Eine deutlichere Differenzierung der Rolle einerseits der Höhe des Wechselkurses und andererseits der erwarteten Kursänderungsraten und Swap -Sätze wäre in diesem Zusammenhang nützlich ge- wesen. Es ist zu bedauern, daß - lt. Vorwort - unter anderem ein Abschnitt über „Autonome Änderungen im Kapital verkehr" der Textkürzung zum Opfer fiel.

F. Holzheu

Bieter Wilke: Gebührenrecht und Grundgesetz. Ein Beitrag zum allgemeinen Abgabenrecht. Verlag C.H.Beck, München 1973. XVI, 347 Seiten.

I.

Welche immense Bedeutung den Gebühren im öffentlichen Sektor der Bundes- republik Deutschland zukommt, erhellt allein daraus, daß die Einnahmen der Deut- schen Bundespost an Gebühren sich im Jahre 1970 auf mindestens 13 % Milliarden DM beliefen. Sie übertrafen damit das Aufkommen aus der Mineralölsteuer um über zwei Milliarden DM und die Summe sämtlicher Ländersteuern um vier Milliarden DM. Die Postgebühren blieben nur um 2 y4 Milliarden DM hinter den Einnahmen aus der veranlagten Einkommensteuer zurück und erreichten mehr als die Hälfte des Umsatzsteueraufkommens von 26,8 Millarden DM. Auch das Aufkommen der Rundfunkgebühren ist beträchtlich; es betrug im selben Jahr knapp 1 % Milliarden DM. Im kommunalen Bereich spielen die Gebühren gleichfalls eine erhebliche Rolle.

Trotz seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung wurde das Gebührenrecht ver- nachlässigt. Die dogmatische Bewältigung des Gebührenrechts ist bisher nicht im vollen Umfange gelungen. Die letzte umfassende gebührenrechtliche Monographie von Walter Moll stammt aus dem Jahre 1910. Seitdem wurde das Gebührenrecht zwar in zahlreichen Abhandlungen untersucht, aber nicht im größeren Zusammen- hang dargestellt. Die mangelnde wissenschaftliche Durchdringung des Gebühren- rechts hat dazu geführt, daß die Gerichte häufig zu widersprüchlicher Rechtsfort- bildung neigen, die am Einzelfall und an speziellen gebührenrechtlichen Normen orientiert, aber mit den Postulaten einer möglichst einheitlichen Rechtsordnung nicht immer verträglich ist. Es ist deshalb zu begrüßen, daß sich der Verfasser im Rahmen seiner im Jahre 1972 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Münster vorgelegten Habilitationsschrift die - gewiß nicht leichte - Aufgabe gestellt hat, im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Betrachtung unter Heranziehung auch der Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften die vielschichtigen Probleme des Ge- bührenrechts systematisch darzustellen und dogmatisch zu durchleuchten, um so etwas mehr Klarheit in dieses zumeist recht stiefmütterlich behandelte Teilgebiet des öffentlichen Rechts zu bringen, was ihm auch gelungen ist.

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172 Besprechungen

IL

1. Das Werk gliedert sich in zwei große Abschnitte, von denen der erste mit „Die Gebühren nach einfachem Gesetzesrecht" überschrieben ist. Im zweiten Ab- schnitt befaßt sich der Verfasser mit der verfassungsrechtlichen Problematik des Gebührenrechts.

Zunächst werden die allgemeinen Grundlagen des Gebührenrechts erörtert (privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Gebühren), dann wird der Standort der Gebühren innerhalb des Systems der öffentlichen Einnahmen festgelegt, und schließ- lich werden die herkömmlichen Gebührendefinitionen dargestellt, die trotz mannig- facher Unterschiede einen gemeinsamen Kern aufweisen: Danach besteht das Wesen der Gebühr dai in, daß für eine öffentliche Leistung vom Gebührenschuldner eine Gegenleistung gewährt wird, wobei Leistung und Gegenleistung durch die Eigenschaft der Entgeltlichkeit miteinander verbunden sind. Darauf aufbauend wird im folgenden die Gebühr als öffentlich-rechtliche Geldleistung behandelt, die kraft öffentlicher Gewalt dem Gebührenpflichtigen von einem Hoheitsträger aufer- legt wird.

Die Gebühren dienen der Erzielung öffentlicher Einnahmen. Mit ihrer Hilfe sollen die Kosten spezieller öffentlicher Leistungen gedeckt werden. Dieser Gebüh- renzweck ergebe sich - so wird ausgeführt - aus der objektiven Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Aus ihm folge aber nicht, daß haushaltsrechtlich eine bestimmte Verwendung des Gebührenaufkommens vorgeschrieben sein muß. Aus dem Merkmal der speziellen Kostendeckung ließen sich auch keine Schlüsse auf die Unzulässigkeit anderer Gebührenzwecke ziehen.

Eingehend setzt sich der Verfasser mit dem gebührenrechtlichen Leistungsbe- griff auseinander. Gebührenpflichtige Leistungen bestehen danach regelmäßig in einem positiven Verhalten, ausnahmsweise in einem Unterlassen. In Übereinstim- mung mit der bürgerlich-rechtlichen Begriffsbildung sei der gebührenrechtliche Leistungsbegriff nicht auf wirtschaftlich vorteilhafte Leistungen beschränkt; er umfasse auch ideell vorteilhafte Leistungen. Auch rachteilige öffentliche Leistungen können Gebührenpflichten nach sich ziehen. Es gilt nach Meinung des Verfassers, der sich damit in einen Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- gerichts setzt, das Prinzip der Vorteilsneutralität der gebührenpflichtigen Leistungen, was bedeutet, daß gebührenpflichtige Leistungen ihrem Empfänger zwar nützlich sein können, es aber nicht zu sein brauchen. Damit wird die verbreitete These wider- legt, für wertlose Leistungen dürften keine Gebühren erhoben werden. Der Ver- fasser weist auch überzeugend nach, daß es keinen verbindlichen Grundsatz gibt, wonach Leistungen, die überwiegend dem öffentlichen Interesse dienen, gebühren- frei zu sein hätten. Er wendet sich weiterhin gegen die These, daß die gebührenpflich- tigen öffentlichen Leistungen durch ein Verhalten des Gebührenschuldners veran- laßt oder provoziert sein müßten. Als Prinzipien, die der Gebührenerhebung zu- grunde liegen, nennt er das Veranlassungsprinzip, das Vorteilsprinzip, das Inter- essenprinzip und das Verschuldensprinzip. Im übrigen sei es gleichgültig, ob man von einer Leistungsveranlassung oder -provokation nur bei einer leistungsbezogenen Handlung spreche oder auch dann, wenn die Leistung durch eine leistungsneutrale Handlung verursacht worden ist. Auf jeden Fall seien die trotz Passivität oktroyierten Leistungen nicht durch den Gebührenschuldner provoziert oder veranlaßt. Die Existenz oktroyierter Leistungen widerlege auch die Behauptung, die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen müsse freiwillig oder gewollt geschehen. Mangelnde Frei- willigkeit bei Inanspruchnahme von Leistungen nehme der Abgabe nicht den Gebühren- Charakter. Bedingung jeder Gebührenerhebung sei aber, daß die Abgabe eine indi- viduell zurechenbare öffentliche Leistung voraussetzt. ,, Dabei ist es unerheblich, ob die Leistungen vorteilhaft oder nachteilig sind, provoziert oder oktroyiert werden, in einem Tun oder in einem Unterlassen bestehen, in hoheitlicher oder privatrecht- licher Gestalt auftreten, allein dem öffentlichen oder auch dem privaten Interesse dienen. Eine materielle Beschreibung der gebührenpflichtigen Leistungen ist da- gegen angesichts der Ausdehnung staatlichen Handelns nicht möglich . . . Die Weite des Bereichs potentiell gebührenpflichtiger Leistungen bewirkt, daß das Finanzie-

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Besprechungen 173

rungsinstrument Gebühr ein überaus großes Anwendungsfeld hat und auch bei wei- terer Vermehrung der öffentlichen Aufgaben einsetzbar ist". Zusammenfassend wird der Begriff Gebühr wie folgt definiert (S. 89): „Die Gebühr ist eine - einseitig aufer- legte - Abgabe, die an eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung anknüpft und die Kosten dieser Leistung ganz oder teilweise decken soll".

Die übliche Qualifizierung der Gebühr als eines Entgelts oder einer Gegen- leistung bezeichnet der Verfasser auf Grund einer Anatyse der bürgerlich-rechtlichen Entgeltlichkeit als inhaltsleer. Entgeltlichkeit bedeutet nach seiner Auffassung im Gebührenrecht nur, daß die Gebühr von einer individuell zurechenbaren Leistung der öffentlichen Hand abhängt. Entgegen vielfach vertretener Ansicht sei auch ein Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit nicht anzuerkennen. Auch die traditionelle Einteilung in Benutzungs- und Verwaltungsgebühren sowie in Kosten, Gebühren und Auslagen sei abzulehnen, weil sie sich nicht aus der Natur der Sache ergebe, sondern im Belieben des jeweiligen Normgebers steht. Kritisch wird weiterhin zu den Unterscheidungskriterien von Gebühren und Beiträgen Stellung genommen. Es lasse sich keine scharfe Trennungslinie ziehen; alle bisherigen Abgrenzungsversuche seien gescheitert. Eine einheitliche rechtliche Bewertung des Beitrags sei nicht mög- lich. ,,Es handelt sich bei ihm um eine janusköpfige Abgabe mit der Eigenschaft »eines Mitteldings zwischen Gebühr und Steuer', deren Beurteilung jeweils davon ab- hängt, ob er der Sache nach zum Bereich der Steuer oder der Gebühr zu schlagen ist". Ein Beitrag, der für eine individuell zurechenbare Leistung gefordert wird, sei eine Gebühr. Eine Abgabe dagegen, die unter dem Namen „Beitrag" demjenigen aufer- legt wird, der keine individuell zurechenbare Leistung erhält, sondern allenfalls an den Vorteilen einer individuell nicht zurechenbaren Leistung teilhat, sei der Sache nach eine Steuer. Es gebe daher nur einen formellen Beitragsbegriff, wohingegen Ge- bühren und Steuern durch materielle Merkmale gekennzeichnet seien. Für die rechtliche Einordnung einer Abgabe komme es nicht auf ihren Namen, sondern ausschließlich auf ihre rechtlichen Eigenschaften, auf ihr „Wesen", an. Dem ist zuzustimmen.

2. Der zweite Abschnitt ist den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Gebühren- rechts gewidmet. Die verfassungsrechtliche Ausbeute hinsichtlich des Gebühren- rechts ist nur karg. Es geht dabei zunächst um die Vorfrage, ob das Grundgesetz überhaupt die Erhebung von Gebühren ausdrücklich oder konkludent erlaubt. Nach Meinung des Verfassers bedarf es der Rechtfertigung, wieso in einem sozialstaat- lichen Gemeinwesen es erlaubt sein soll, einigen Bürgern individuell zurechenbare Leistungen gegen Entgelt zu gewähren und sie anderen zu verweigern, die nicht fähig oder willens sind, ein Entgelt zu entrichten. Insbesondere sei es problematisch, ob es mit dem Gleichheitssatz verträglich ist, „besondere" Leistungen zu erbringen, die nicht allen zugute kommen. Nur in Art. 74 Nr. 22 und in Art. 80 Abs. 2 GG wer- den einige wenige spezielle Gebühren erwähnt. Gleichwohl sind - wie der Verfasser mit Recht ausführt - gegen die generelle Erhebung von Gebühren keine grund- sätzlichen Bedenken zu erheben. Es lasse sich jedoch dem Grundgesetz kein Grund- satz entnehmen, wonach öffentliche Leistungen in aller Regel gebührenpflichtig seien und Gebührenfreiheit nur ausnahmsweise zu gewähren sei. Das Grundgesetz gebe keine generelle Antwort auf die Frage, in welchem Verhältnis Gebührenpflicht und Gebührenfreiheit zueinander stehen. Vielmehr sei es dem zuständigen Gesetzgeber - allerdings innerhalb gewisser Grenzen - überlassen, wie er die Gewichte zwischen Gebührenpflicht und Gebührenfreiheit verteilen will. Von seiner prinzipiellen Be- fugnis, in dem seiner Gebührenhoheit unterliegenden Sachbereich jede individuell zurechenbare Staatsleistung einer Gebührenpflicht zu unterwerfen, gäbe es aber Ausnahmen.

Die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes im Bereich des Gebührenrechts seien - so wird ausgeführt - als Annexkompetenzen in den im Grundgesetz geregelten Sachkompetenzen enthalten. Umfassende Gebuhrenzuständigkeiten der Länder finden sich nur in dem schmalen Bereich ihrer ausschließlichen Gesetzgebungszuständig- keiten; im übrigen seien die gebührenrechtlichen Gesetzgebungsbefugnisse der Länder durch die Bundeskompetenzen eingeengt.

Alsdann wendet sich der Verfasser der rechtstechnischen Gestaltung von Steuertatbestand und -rechtsfolge zu, die auch im Gebührenrecht zu beachten sei.

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174 Besprechungen

Besondere Bedeutung komme dabei den Gebuhrenmaßstäben zu, die an der öffent- lichen Leistung, an deren Kosten oder an deren Nutzen ausgerichtet seien. Ein Gebot zu leistungsproportionaler Gebührenbemessung werde von den Gerichten seit langem anerkannt und lasse sich heute überdies auf Art. 3 Abs. 1 GG stützen. Den Vorzug verdienen nach Meinung des Verfassers Wirklichkeitsmaßstäbe, es seien aber in gewissen Grenzen auch Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe zulässig. Ob eine Rangordnung innerhalb mehrerer Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe zugunsten des wirklichkeitsnächsten Maßstabs bestehe, sei zweifelhaft und folge nicht aus dem sog. speziellen Äquivalenzprinzip, kraft dessen der jeweils wirklichkeitsnächste Wahr- scheinlichkeitsmaßstab Verwendung finden müsse. Zu der einschlägigen, inzwischen wieder aufgegebenen Rechtsprechung nimmt der Verfasser kritisch Stellung. Die Unzulänglichkeit des Äquivalenzprinzips werde - so führt er aus - nicht durch den verbalen und zudem sehr spät vorgenommenen Rekurs auf den verfassungsrecht- lichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beseitigt. Der Verhältnismäßigkeits- grundsatz sei nur dann geeignet, die Gebührenhöhe zu begrenzen, wenn zuvor die Zwecke ermittelt werden, die mit Hilfe des Gebührenrechts verfolgt werden dürfen. Außerdem seien die Wirkungen zu bedenken, die von der Gebührenerhebung auf den Gebührenschuldner ausgehen. Die Rechtsprechung zum Äquivalenzprinzip glaubte sich jedoch derartiger Prüfungen enthoben und begnügte sich mit einigen unzuläng- lichen Faustformeln.

Auch das Kostendeckungsprinzip stelle keine hinlängliche Begrenzung der Ge- bührenhöhe dar und sei keine Garantie des Schuldnerschutzes. Die Verwerfung des Kostendeckungsprinzips durch das Bundesverwaltungsgericht sei im Ergebnis zutreffend. Das Kostendeckungsprinzip könne höchst unterschiedliche Inhalte und Folgen haben, je nachdem, ob man vom volkswirtschaftlichen oder vom betriebs- wirtschaftlichen Kostenbegriff ausgehe bzw. ob man es in der Form der Gesamt- kostendeckung oder der Einzelkostendeckung verwirkliche.

Wegen seiner Variabilität sei das Kostendeckungspiinzip - entgegen einer häufig vertretenen Ansicht - auch nicht imstande, eine verbindliche Trennungslinie zwischen Gebühren und Steuern zu ziehen. Diese beiden Abgaben ließen sich nur auf formelle Weise trennen. Knüpfe eine Norm an eine individuell zurechenbare Leistung an und mache sie diese zur Voraussetzung der Abgabenpflicht, so handle es sich bei der Leistung des Schuldners um eine Gebühr. Enthalte der Abgabentatbestand da- gegen keine individuell zurechenbare öffentliche Leistung als pflichtenbegründendes Tatbestandsmerkmal, sei die Abgabe eine Steuer. Diese Abgrenzung bedeute jedoch nicht, daß die Gebühienbelastung ins Grenzenlose wachsen dürfe, und führe auch nicht zu einem gebührenrechtlich verkleideten parallelen zusätzlichen Steuer- system, durch das die föderalistische Kompetenzordnung ausgehöhlt würde.

Da nach Meinung des Verfassers weder das Äquivalenzprinzip noch das Kosten- deckungsprinzip effektiven Schuldnerschutz verbürgen, bleibe nur der Rückgriff auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkcit. Legitime Zwecke der Gebührenerhebung seien Kostendeckung, Gewinnerziel ung und Verhaltenslen- kung. Der Verfolgung dieser Zwecke seien jedoch Schranken gesetzt, die sich aus „leistungsakzessorischen" Erwägungen ergeben, wobei zwischen grundrechtsein- greifenden, grundrechtsverwirklichenden und grundrechtsneutralen gebühren- pflichtigen Leistungen differenziert werden könne. Im Unterschied zum Äquivalenz- prinzip verbiete der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein Hantieren mit grobschläch- tigen Formeln; er gebiete statt dessen die Prüfung der konkreten Gebühren Vor- schrift. Nur ein derart individualisierendes Verfahren, bei dem Nutzen und Nachteil für Staat und Gebührenschuldner einander gegenübergestellt werden, vermöge Gebührenexzesse der öffentlichen Hand zu verhindern.

III.

Das vorliegende umfassende und gründliche Werk ist ein interessanter und wertvoller Beitrag zum öffentlichen Abgabenrecht, insbesondere zum Gebühren- und Steuerrecht. Bedeutsam ist die vom Verfasser vorgenommene formale Abgrenzung zwischen Steuern einerseits und Gebühren andererseits. Kennzeichnend für die

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Gebühr ist die Anknüpfung an eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung als Voraussetzung der Abgabenpflicht, wohingegen die Steuer keine öffentliche Leistung als pflichtenbegründendes Tatbestandsmerkmal voraussetzt. So gesehen ist etwa die Schankerlaubnissteuer - wie der Verfasser mit Recht hervorhebt - trotz ihres Namens keine Steuer, sondern eine echte Gebühr.

Neben ihrer abgabenrechtlichen Bedeutung kommt der Schrift Wilkes voi allem in verfassungsrechtlicher Hinsicht ein hoher Rang zu, weil die verfassungs- rechtlichen Grundlagen des Gebührenrechts bisher monographisch noch nicht analy- siert und durchleuchtet worden sind. Das ist dem Verfasser dank seiner großen praktischen Erfahrung souverän gelungen. Es geht ihm dabei vor allem darum, die verfassungsrechtlichen und rechtsstaatlich bedingten Schranken der Gebühren - gesetzgebung, aber auch die Grenzen für die Gebührenhöhe festzulegen, um die Ge- bührengewalt zu „zähmen", d.h. die Gebührenlast und die Gebührenhöhe ver- nünftig im rechts- und sozialstaatlichen Sinne zu begrenzen. Er verwirft das Äqui- valenzprinzip, weil es vom Gebührengesetzgeber mit so unterschiedlichen Inhalten ausgestattet werden könne, daß mit seiner Hilfe alles und nichts zu begründen sei, aber auch das Kostendeckungsprinzip, das keine hinlängliche Begrenzung der Ge- bührenhöhe gewährleiste und deshalb keine Garantie des Schuldnerschutzes sei. Dem Verfasser ist ohne Bedenken zuzustimmen, wenn er den gesetzgebenden Kör- perschaften, den Gerichten und Verwaltungsbehörden den stärkeren Rückgriff auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit empfiehlt, mit dessen Hilfe Gebührenexzesse der öffentlichen Hand verhindert werden können. Bei seinen Untersuchungen wertet der Verfasser die umfangreiche, oft wiedersprüchliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte sowie die Rechtsprechung des Bundesver- fassungsgerichts kritisch aus. Die vorliegende Monographie stellt sich somit als ein Beiti ag zur Schaffung einer möglichst einheitlichen Rechtsordnung auf dem Gebiete des Gebührenrechts dar, der viele Mißverständnisse und Unklarheiten auf diesem noch wenig erforschten Rechtsgebiete beseitigt.

Heinz Paulick

Wolf gang Krüger Sfitta und Horst Bronk : Einführung in das Haushaltsrecht und die Haushaltspolitik. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesell- schaft, 1973. 243 Seiten. Es ist nicht leicht, dem vorliegenden Buch voll gerecht zu werden. Auf der

einen Seite enthält es nichts Neues für den interessierten Theoretiker und den er- fahrenen Praktiker, auf der anderen Seite ist anzuerkennen, daß eine, für ein brei- teres Publikum verständliche moderne Darstellung des Haushaltsrechts - sc. des der Bundesrepublik - bislang fehlte.

Beide Verfasser sind - ähnlich wie ihr früherer Chef Herbert Weichmann, der dem Werk ein Geleitwort mit auf den Weg gegeben hat - im Finanzressort großge- worden und haben sich während ihrer Tätigkeit in der Verwaltung offensichtlich ein wissenschaftliches Interesse an haushaltswirtschaftlichen und -rechtlichen Fragen erworben. Dankenswert ist, daß die Darstellung nicht nur, wie selbstverständlich, die große Haushaltsrechtsreform von 1969 berücksichtigt, sondern auch die ein- schlägigen Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes. Demgemäß wird u.a. Fragen der mittelfristigen Finanzplanung u. dgl. Aufmerksamkeit ge- schenkt, und ferner ist zu erwähnen, daß erfreulicherweise auch der Erörterung der Rechnungsprüfungsfragen ein verhältnismäßig nicht geringer Raum vorbehalten ist.

Demgegenüber bleiben die Probleme der ,, Fiscal Policy" so gut wie vollständig unerwähnt. Das wird auch dann als ein Mangel des Buchs anzusehen sein, wenn man

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