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2. Tierpsydiol., 33, 204-208 (1973) @ 1973 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0044-3573 / ASTM-Coden: ZETIAG Aus der Padagogischen Hochschule Niedersachsen, Abteilung Oldenburg Gedachtnisprufung eines Schimpansen fur erlernte komplizierte Handlwngsweisen Von J. DOHL Eingegangen am 7. 7. 1972 I. Einleitung Die Schimpansin (Pan troglodytes Blumenbach) ,,Julia" des Zoologischen Institutes der Universitat Munster hatte unter verschiedenen Fragestellungen eine Reihe mehr oder weniger umfangreicher Handlungsweisen und Verhaltens- strategien gelernt (vgl. RENSCH 1965, DOHL 1966, 1968, 1971, RENSCH und DOHL 1968). lm August 1967 war das kraftig werdende Tier an den Duisburger Zoo abgegeben worden, weil es in Munster nicht mehr sicher untergebracht wer- den konnte. Ende August 1970 versuchte ich mit Hilfe des Institutes fur den Wissenschaftlichen Film, Gottingen, einige von Julias fruheren Leistungen zu filinen. Um den Zeitaufwand fur die Filmaufnahmen und die Storung des Zoo- betriebes moglichst gering zu halten, verzichtete ich von vornherein darauf, etwa den ehemaligen Leistungsstand durch Nachdressur wieder zu erreichen und statistisch abzusichern. Ich verglich vielmehr das Verhalten des Tieres bei den einigemal gestellten alten Aufgaben mit den1 mir von fruher bekannten Ver- halten. Da der Film (DOHL i. Vorb.) nur einige Versuche zeigt, sind im folgeiideii die gesamten Gedachtnisexperimente beschrieben. 11. Material und Metliode Julia war in Duisburg in eine Gruppe erwachscner Schimpansen eingcgliedert worden. Etwa zehnjfhrig bekam sie im Fruhsommer 1970 ihr erstes Kind, das sie aber nicht annahm. Fur die 8 Tage dauernden Gediichtnisversurhe wurde sic von der iibrigen Gruppe getrennt. Die meiste Zeit blieb sie in einern Nachtkafig. Die Versuche fmden in einem ca. 3 X 10.rnZ groRen AuBenkCfig statr, von dem das Publikum ferngchalten wurdc. Zwischen den Ver- suchen lief3 sich Julia vielfach in den Nachtkafig locken, von wo aus sie dem Arrangicren des nachsten Versuches nicht zusehen konnte. Ein paarmal ging sic nicht aus dem Versuchskiifig; dann wurdc der nichste Verscch unter einer grogen Plane, die uber die VersuchsgerHtc ge- breitet wurde, vorbereitet, oder Julia konnte zusehen (s. u.). Ich blieb auch wilircnd des Versuchsablaufs irn IGifig. Julia lie13 sich von rnir an verschiedene Platze im KHfig schicken, wcnn das fur die Filniaufnahrnen notwendig schien. Urn keine Titlichkeiten mit den1 starken Tier zu provoziec.cn, versuchte ich nicht, es rnit Gewalt in den Nachtkafig zu drangen. Die Kameraleute standen augerhalb und filmten bei zusarzlicher kunstlicher Beleuchtung zwischen den Gitterstangcn hindurch. Julia wurde dadurh nur wenig abgelenkt, attackierte

Gedächtnisprüfung eines Schimpansen für erlernte komplizierte Handlungsweisen

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Page 1: Gedächtnisprüfung eines Schimpansen für erlernte komplizierte Handlungsweisen

2. Tierpsydiol., 33, 204-208 (1973) @ 1973 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0044-3573 / ASTM-Coden: ZETIAG

Aus der Padagogischen Hochschule Niedersachsen, Abteilung Oldenburg

Gedachtnisprufung eines Schimpansen fur erlernte komplizierte Handlwngsweisen

Von

J. DOHL

Eingegangen am 7. 7. 1972

I. Einleitung

Die Schimpansin (Pan troglodytes Blumenbach) ,,Julia" des Zoologischen Institutes der Universitat Munster hatte unter verschiedenen Fragestellungen eine Reihe mehr oder weniger umfangreicher Handlungsweisen und Verhaltens- strategien gelernt (vgl. RENSCH 1965, DOHL 1966, 1968, 1971, RENSCH und DOHL 1968). l m August 1967 war das kraftig werdende Tier an den Duisburger Zoo abgegeben worden, weil es in Munster nicht mehr sicher untergebracht wer- den konnte. Ende August 1970 versuchte ich mit Hilfe des Institutes fur den Wissenschaftlichen Film, Gottingen, einige von Julias fruheren Leistungen zu filinen. Um den Zeitaufwand fur die Filmaufnahmen und die Storung des Zoo- betriebes moglichst gering zu halten, verzichtete ich von vornherein darauf, etwa den ehemaligen Leistungsstand durch Nachdressur wieder zu erreichen und statistisch abzusichern. Ich verglich vielmehr das Verhalten des Tieres bei den einigemal gestellten alten Aufgaben mit den1 mir von fruher bekannten Ver- halten. Da der Film (DOHL i. Vorb.) nur einige Versuche zeigt, sind im folgeiideii die gesamten Gedachtnisexperimente beschrieben.

11. Material und Metliode

Julia war in Duisburg in eine Gruppe erwachscner Schimpansen eingcgliedert worden. E t w a zehnjfhrig bekam sie im Fruhsommer 1970 ihr erstes Kind, das sie aber nicht annahm. Fur die 8 Tage dauernden Gediichtnisversurhe wurde sic von der iibrigen Gruppe getrennt. Die meiste Zeit blieb sie in einern Nachtkafig. Die Versuche f m d e n in einem ca. 3 X 10.rnZ groRen AuBenkCfig statr, von dem das Publikum ferngchalten wurdc. Zwischen den Ver- suchen lief3 sich Julia vielfach in den Nachtkafig locken, von w o aus sie dem Arrangicren des nachsten Versuches nicht zusehen konnte. Ein paarmal ging sic nicht aus dem Versuchskiifig; dann wurdc der nichste Verscch unter einer grogen Plane, die uber die VersuchsgerHtc ge- breitet wurde, vorbereitet, oder Julia konnte zusehen (s. u.). Ich blieb auch wilircnd des Versuchsablaufs irn IGifig. Julia lie13 sich von rnir an verschiedene Platze im KHfig schicken, wcnn das fur die Filniaufnahrnen notwendig schien. Urn keine Titlichkeiten mit den1 starken Tier zu provoziec.cn, versuchte ich nicht, es rnit Gewalt in den Nachtkafig zu drangen.

Die Kameraleute standen augerhalb und filmten bei zusarzlicher kunstlicher Beleuchtung zwischen den Gitterstangcn hindurch. Julia wurde d a d u r h nur wenig abgelenkt, attackierte

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aber doch einige Male - ohne LautSuGerung - die Kameraleute oder einen am Git ter stchendcn Schcinwcrfer.

Die Vcr:;uchc bcdeutcten i n mindcstens zweifacher Hinsicht eine Umstcllung fur das Ticr. Einmnl wurde cs nus seiner Gruppe hcrausgcnommen, zum nnderen fanden die Versuchc in ganz nndcrer Unigebung und unter anderen Versuchsumstiindcn (Kameraleute!) als friihcr statt. So w a r kcincswegs klar, ob Ju l ia uberhaupr mitmachen und ob sie ihre altcn Vcrhaltcns- w e i s e n noch zcigen wurde. I:s warcn allevdings ein Jahr zuvor a n drei Tagen cinige anders- artige Versuche mit ihr gcmacht worden, um festzustellen, ob sie noch mitarbeitete und ob sich wenigstcns aufgrund ihrer Arbeitswilligkeit der Aufwand f u r die Filmaufnahmcn lohnen wurde.

111. Ergebnisse

1. Sukzessiver Gebrauch mehrerer Werkzeuge auf einern Hindernisweg zum Futter (vgl. DOHL 1966)

1 5 cm X 15 cm groflen Kisten auf dem Kafigboden. Jede enthielt ein Instrument, mit dctn der Verschluflmechanismus einer anderen Kiste geoffnet werden muate. In der letzten Kiste lag eine Banane. Die Anordnung der Kisten und die Reihen- folge, in der sie zu offnen waren, waren anders als iriiher. Julia muflte, wollte sie die Banane haben, alle Kisten nacheinander offnen. Zunachst fand sie das auf der zugehorigen Kiste liegende Anfangsinstrument nicht und kam zit mir gelaufen. Ich schickte sie wieder zu den Kisten zuruck. Dor t faflte sie einige Verschliisse rnit der H a n d an, sah dann das erste Werkzeug und offnete darauf ohne Stocken und ohne Fehler, aber mit deutlich orientierendetn Suchen eine Kiste nach der andern. Vom Ergreifen des ersten Instrumentes bis zum Heraus- holen der Banane ails der letzten Kiste brauchte sie 90 Sek. Sie beherrschte also das Gesamtverfahren - Instrument nehmen, Kiste suchen und offnen, neues Instrument nehmen - und wuflte noch genau, wie die Instrumente an den Kisten verwendet werden muflten.

Bei den nachsten drei Versuchen wurden die zwolf Kisten anders angeord- net. Die Offnungsreihenfolge war jedesmal eine andere. Julia kam in 3'44", 2'23" und 2'22" zur Losung, wirkte aber iiberraschenderweise vie1 unsicherer als beim ersten Versuch. Insgesamt I4mal probierte sie namlich mit Instrumenten an Kisten, zu denen sie nicht paflten. U m die Filmszenen nicht zu lange dauern ZLI lassen, gab ich aus einigen Metern Entfernung ein paar ,,mahncnde" Minweisc, die vielleicht nicht im Einzelfall beachtet wurden, insgesamt aber wohl bewirk- ten, dafl Julia ruhiger arbeitete.

Da der erste, vollig einwandfrei verlaufene Versuch f u r den Film und als Gedachtnistest geniigte, Julia aber bei den nachsten drei Versuchen doch gewisse Unsicherheiten zeigte, sollte sie zur Vorbereitung auf die Wahlversuche (Ab- schnitt 111 2) in sieben Versuchen mit nur sechs Kisten in verschiedenen Kombina- tionen unter Beweis stellen, dai3 sie die Zuordnung von Offnern und Kisten richtig vornahm. Nur beim Aufbau des ersten Versuchs konnte sie nicht zusehen. Bei den iibrigen sechs Versuchen w a r sie nicht aus dem Kafig zu locken, so dafl wir sie beim Verschlieflen der Kisten zuschauen lieflen. Sie probierte nur einmal kurz rnit einem Merkzeug an einer falschen Kiste und loste die Aufgaben in durchschnittlich 49 Sek.

Die Schimpansin kannte also nach drei Jahren noch das Gesamtverfahren zum Erlangen des Futters, die Verwendung der Werkzeuge zum Offnen der Mechanismen und, wenn auch etwas weniger gut, die Zusammengehorigkeit der Werkzcuge und der entsprechenden Kisten.

Es war deshalb insbesondere nach den Versuchen mit nur je sechs Kisten sicher, dafl ein Versagen bei den nachfolgenden Wahlversuchen nicht auf mangel-

Beitn ersten Versuch standen zwolf dcr fruher benutzten ca. 30 cm

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hafte Zuordnung von Instrumenten und Kisten zuriickzufuhren sein wurde, sondern vielmehr so zu deuten ware, dafl Julia das Wahlverfahren nicht mehr beherrschte.

2. Wahlen zwischen zwei verschachtelten Hinderniswegen mit selbstandigen Zwischenzielen

(vgl. DOHL 1966, 1968)

Zunachst wurden 2 Kisten und die fruher benutzte Wahlkiste mit 2 Abteilen verwendet, in die man von oben hineinsehen konnte. Die eine Kiste war leer, aber verschlossen, die andere enthielt eine Futterbelohnung. Jedes Instrument lag in einem Abteil der Wahlkiste. Die Kisten standen auf dem Fuflboden des Kafigs. Julia uberblickte die Situation mit kaum merklichen Augenbewegungen und wahlte in beiden Versuchen richtig.

Bei anschliei3enden Versuchen mit 4 Kisten enthielt irgendeine Futter, eine zweite den Futterkistenoffner und ein Abteil der Wahlkiste das Instrument der zweiten Kiste. Ein entsprechender Hindernisweg endete rnit einer leeren Kiste. Julia wahlte in zwolf Versuchen deutlich ohne Beachtung der Anordnung (7 +, 5 -). Sie schaute im Gegensatz zu fruher nur so fluchtig hin, dai3 bei uns allmah- lich der Verdacht aufkam, dai3 an den Versuchsumstanden etwas fehlerhaft war. Schliefllich hockte ich mich bei der Wahl neben Julia hin, wobei ich ihre Stellung moglichst genau nachahmte. Dabei stellte sich heraus, dai3 ich bei vorherigen Probewahlen meinen Kopf zu hoch gehalten und deshalb nicht gemerkt hatte, dafl bei diesen Versuchen mit vier Kisten ein Fotoscheinwerfer so ungunstig stand, dai3 er das Tier blendete. Bei 3 weiteren Wahlversuchen mit 4 Kisten und einem abschlieflenden mit zehn Kisten, von denen 5 zusammengehorige einen Weg zum Futter bildeten, wurden die Kisten so angeordnet, dafl keine Blend- wirkung zu erwarten war. Julia musterte jetzt alle Kisten sehr deutlich, wie sie es auch fruher immer getan hatte, und wahlte jedesmal richtig. Dabei ist zu erwahnen, dai3 fruher die Wahlkiste etwa 1,35 in uber den anderen Kisten gestanden hatte, so dafl sich das Tier jetzt auch in dieser Hinsicht auf geanderte Versuchsumstande einstellen mui3te. Beim Kistenoffnen im letzten Versuch machte Julia allerdings einen Fehler. Sie versuchte namlich eine Zeitlang, mit einem Offner eine nicht dazu passende Kiste zu entriegeln. Auch durch die Film- aufnahme wird nicht klar, wie es zu diesem Fehler kam.

Aus dem Verhalten der Schimpansin bei den technisch einwandfreien Ver- suchen, das dem mir von fruher bekannten gleicht, Iaflt sich also darauf schlieflen, dafl sie das Verfahren noch so wie ehedem beherrschte. Auch das Aufklappen der Wahlkistenabteilturen fuhrte sie genau so sicher ails wie das Entriegeln der anderen Kisten.

3. Wahlen zwischen zwei uberschaubaren Labyrinthwegen (vgl. RENSCH und DOHL 1968)

Julia hatte gelernt, in von Versuch zu Versuch anders gestalteten, kom- plizierten Labyrinthwegen, die ihr in Form vertiefter, weifler Bahnen zwischen dunkelgrauen ,,Mauern" unter einer Plexiglasscheibe geboten wurden, einen Eisenring rnit Hi l fe eines auf der Scheibe entlanggefuhrten Magneten zu dem einzig erreichbaren von bis zu 4 Ausgangen am Labyrinthrand zu befordern und gegen eine Futterbelohnung einzutauschen. (,,Kompliziert" sol1 den Eindruck des Labyrinthes auf den menschlichen Betrachter kennzeichnen und die Tatsache an- deuten, dafl es uns nicht gelang, den Schwierigkeitsgrad der vielfach gewinkelten und mit Sackgassen versehenen Labyrinthwege formelmaflig darzustellen; vgl.

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Abb. 11 bei RENSCH und DOHL 1968). Als Julia nun nach mehr als drei Jahren mit Labyrinthen des kompliziertesten Typs konfrontiert wurde, ergriff sie, ohne zu zogern, den Magnetcn an seinem Gr i f f , setzte ihn wie friiher oberhalb des Startpunktes tnit dem Eisenring auf, musterte dann aber das Bahnsystem nichr, sondern zog den Ring sofort zu einer, und zwar der falschen Seite, wo er bald in einer Sackgasse stecken blieb. Ahnlich verhielt sie sich bei drei weiteren Ver- suchen. I h r war also das Labyrinth und die Benutzung des Magneten noch bckannt, sie hatte aber vergessen, zunachst erst das Bahnmuster lingere Zeit zu iiberblicken, um den richtigen Weg auszusuchen.

4. Einordnen von Holzplatten in einen Rahmen (vgl. Doh1 1971)

Die Schimpansin ha t t c friihcr als viertcn Aufgabcntyp gelernt, cincn quadrat isdlcn, 30 X 30 cmz groficn u n d 1 cm ticfcn Rahnieii i n einer Appara tu r n i i t einer Schicht 1 cm dickcr, rccht- oder schiefwinkliger Plat tcn auszufiillen. Daraufhin konn te sic sich durch Verschiebcn eincs in Schicncn bewcglichen Brcrtcs, Herausziehcn eincs Stiftes und Hochklappcn eincs Deckcls eine Fut terbelohnung verschaffen. Wir stcllten ihr je tz t verschiedcnc Aufgaben mit den P la t t en U (30 X 15), C (15 X 15), D (30 X 7,5), E (15 X 7,5) und I: (7,5 X 7,5) (MaRc in cm). Die Appara tu r , die friihcr holzfarbcn war , war orangcfarbig gcstrichcn wordcn. Das war offensichtlich ohne EinfluR auf Jul ias Vorgchcn.

Sie kam nur bei der Aufgabe niit 4 D-Platten nicht zur Losung (n = 2), weil sie, wie friiher hiiufig, eine D-Platte diagonal in den Rahmen legte, dann fur die restlichen keine passende L u k e mehr fand und nicht verstand, das falsch liegende Brett hetauszunehmen und richtig einzulegen. Die anderen zehn Aufgaben loste sie selbstandig. Ihre Losungszeiten betrugen z.B. fur die Aufgabe 2 B 41 Sek. ( n = 3 ) , E f 2 D 4 1 Sek. ( n = l ) , B + C + 2 E 6 5 S e k . ( n = 2 ) , 2 C + 3 E + 2 F !SO Sek. (ti = 1) und waren damit nur wenig l inger 21s friiher. l m Unterschied zu friiher nahm sie jetzt aber mehrere Klotze auf einmal und legtc sie gleichzeitig in den Rahmen. Aiuflerdem setzte sie sich nicht va r den Apparat, sondern stand davor, vermutlidi wegen ihrer starken Genitalschwellung.

Da Julia auch schon fruher bei dicsen Aufgaben kein planvollej Vorgehen gezeigt hatte, ist es nicht verwunderlich, dafl sie das auch jetzt vermissen liefl. I h r Verhalten glich durchaus dem mir bekannten.

5. Malen (vgl. RENSCH 1965)

M i t farbgctriinktcn Pinscln, die m a n ihr in die Ha i id gab, ha t t c Julia friihcr z. T. recht schwungvollc Biigcn auf Papier gcinalt (vgl. auch RENSCH 1969). Als wi r ihr je tz t - nach mchr als dreijiihriger, vermutlich e t w a fiinfjahriger Pause - wieder Pinsel gaben, machte sie sich spontan nu r da ran , die chininvergallte Farbe auszulutschcn. Ich dcmonstrierte ihr deshalb das Malen ein paarmal odc r zeigte auf das Papier. Gclegcntlich schmierte Julia d a n n vollig ,,uninteressiert" da rau f ent lang, odc r sie driickte zwci Pinsel gleichzcitig da rau f aus ode r lcgtc sic einfach da rau f hin. Von der friiher vcrmutlich vorhandenen, spiclerischcn Frcude am ,,Malen" war jctzt also nichts mehr fcstzustellen.

IV. Diskussion und Zusammenfassung

Die etwa zehnjahrige Schimpansin Julia beherrschte nach dreij3hriger Ver- suchspausc noch drei von vier verschiedenen, fruher erleinten Aufgabentypen (Abschnitt 111 1, 2 , 4) und den vierten T y p (I11 3) wenigstens teilweise. Als Beweis genugte ihr Verhalten bei wenigei? Aufgaben dieser Typen; wir sicherten die Versuchscrgebnisse nicht statistisch ab.

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Ihre besten, gegenuber fruher augenscheinlich unveranderten Leistungen zeigte die Schimpansin bei manuellen Tatigkeiten, vor allem beim Offnen der Verschlusse kleiner Kisten mit Hilfe von zwolf verschiedenen Werkzeugen. Etwas weniger gut als fruher gelang ihr das Entlangfuhren eines gestielten Magneten auf einer Plexiglasplatte, der darunter durch schmale, gewinkelte Gange einen Eisenring mitfuhrte. Das Einordnen von 1 cm dicken, rechtwinkligen Platten in cinen quadratischen Rahmen dauerte etwas langer als fruher; es machte wie damals keinen planvollen Eindruck.

Diese Tatigkeiten waren jeweils Teilhandlungen von Handlungskomplexen, die die Schimpansin absolvieren muflte, um sich Futter zu verschaffen. Die not- wendigen Handlungsweisen und Verhaltensstrategien waren bis auf das Wahl- verhalten bei den Labyrinthversuchen (111 3) noch vorhanden. Eine gewisse Unsicherheit zeigte sich allerdings auch beim Suchen der zu den Werkzeugen gehorenden Kisten (I11 I); sie wurde durch kurze Nachdressur offenbar uber- wunden.

Am fruher in der Regel nicht futterbelohnten, sondern spielerisch aus- geubten Malen zeigte sich Julia jetzt desinteressiert (111 5).

Das Gesamtverhalten bei den Versuchen war von nahezu gleichem Gehor- sam gegenuber dem Experimentator wie fruher gepragt. Auch versuchte das Tier nicht, sich das Futter mit Gewalt zu verschaffen oder mit den Versuchsgeriiten ,,Unfug" zu treiben. Es war fast so, als hatte sich trotz des dreijahrigen Gruppen- lebens im Zoo an den ehemaligen Versuchsumstanden nichts geandert.

D a n k s a g u n g : Dem Tnstitut fur den Wissenschaftlichcn Film, Gottingen, danke ich fur die umfassendc Unterstutzung bei den Filrnaufnahmen und den Vorbcreitungen fur diese Versuche, den Herren Dr. GEWALT, GRAMENZ und Dr. POLEY vom Duisburger Tierpark fur die Moglichkeit, dor t zu arbeiten.

Summary

Memory of a Chimpanzee for Complicated Tasks

After an interval of three years, a ten-year-old female chimpanzee was tested in a series of four problems which she had mastered formerly. Her abilities in solving manipulation tasks, e. g. unlocking locks, seemed to be nearly unalter- ed. However, to some extent she had forgotten strategies in solving the tasks, e.g. to survey a maze under glass before trying to get a food-chip out of it. Apparently, she had become quite uninterested in "painting".

Literaturverzeichnis

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Anschrift des Verfassers: Dr . Jiirgcn DOHL, Piidagogische Hochschule Nicdcrsachsen, Abt. Oldenburg, 29 Oldenburg, Ammerlander HeerstraRc 67.