Gefangenen Info #310

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #310

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    Gefangenen InfoC 10190 11.4.2006 Preis: 1,55 310

    Hervorgegangen aus demAngehrigen Info. Das

    Angehrigen Info entstand imHungerstreik der politischen

    Gefangenen 1989.

    Brigitte Asdonk, 18.3., Berlin

    Es geht nicht,dass dasso bleibt

    Wir gren alle Gefangenen und Illegale,die sich weigern, sich den Herren der neu-en Weltordnung zu unterwerfen, und allediejenigen, die sie darin untersttzen.Wir denken an die Toten und Ermordeten

    mit den Worten von Ernst BlochDie Toten kommen wieder, ihr Tun will

    mit uns nochmals werden.

    Ich will meinem Beitrag ein Zitat voranstel-len, was ich richtig finde und was so schwerzu machen ist, und zwar aus dem Buch Ka-malatta von Christian Geissler. Darin steht:Es geht nicht, dass das so bleibt.

    Wo in Klassenkmpfen der Knast nichtgeffnet wird, schlgt er Schatten auf je-den von uns.

    Es darf kein Terrain geben, dass sie unsunantastbar machen. Was wir nicht an-greifen, lhmt uns.

    Mit dem Satz es geht nicht, dass das sobleibt meine ich hier die scheinbar endloseInhaftierung der Gefangenen aus der RAF.

    Aber nicht als Opfer einer schier gnadenlo-sen bundesdeutschen politischen Justiz. Ichdenke, ihr Widerstand hat Bedeutung, ihr Wi-

    derstand hat Sinn, bis heute.Auf dieser Konferenz geht es um politischeGefangene, um Krieg und um die Anti-Kriegsbewegung.

    Blenden wir also zurck, nehmen wir alsein Beispiel den Anschlag der RAF auf denOberbefehlshaber der NATO, Alexander Haig1979.

    Hintergrund war, dass die NATO 1979 mitder so genannten Nachrstung die Stationie-rung atomarer Marschflugkrper und Mittel-streckenraketen in Westeuropa beschloss. DerRstungswettlauf mit der Sowjetunion gingseinem Hhepunkt entgegen.

    In der BRD entwickelte sich eine breite Frie-dens- und Anti-Kriegsbewegung, die Hun-derttausende mobilisierte und zu einer riesi-gen auerparlamentarischen Protestbewe-gung wurde, die sich aus unterschiedlichen,

    teilweise gegenstzlichen politischen Str-mungen zusammensetzte.Als ich 82 nach 12 Jahren aus dem Knast

    rauskam, war ich berrascht, als ich hrte,dass 81 beim Besuch des US-AuenministersHaig in Westberlin die Kommandoerklrungder RAF von 1979 auf den Straen verteiltwurde.

    Haig war General im Vietnamkrieg, von 74bis 79 Oberbefehlshaber der Nato, danach

    Auenminister der USA. Zusammen mitNixon, Reagan und Kissinger stand er fr ei-ne rechtskonservative Auenpolitik, eine Po-litik der Hochrstung und Konfrontation, der

    Vorlufer der heutigen Bush-Administration.Haig erklrte: Es gibt wichtigere Dinge, alsim Frieden zu sein. Im aktuellen ARD- FilmHuismanns ber die Ermordung von JF Ken-nedy sagt Haig, dass er verantwortlich warfr Sabotageaktionen gegen Kuba, wir zer-strten Brcken, Zuckerfabriken u.a. Ein-richtungen

    Die Pressemitteilung vom 13.9.1981 lautet:Wegen des Besuchs von Haig Zusammen-ste zwischen Rstungsgegnern und der Po-lizei.

    In einer Chronologie heit es:Nach dem Ende einer Demo von 60.000

    Tote, Verletzte, Massenverhaftungen und Folter in Kurdistan der trkische Staat eska-liert erneut und erhlt dabei, wie stets, Schtzenhilfe auch aus der BRD. Seite 13

    Schwere Menschenrechtsverletzungen in Kurdistan

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    Menschen versuchen rund 5000 ausgehend vom Winterfeldplatz weiter zum RathausSchneberg zu demonstrieren, um den dor-tigen Empfang des US Auenministers Haigzu stren, dabei kam es zu heftigen Ausein-andersetzungen mit der Polizei, wobei dieseteilweise die Initiative verlor.

    Die RAF hatte 1979 zu ihrer Aktion gegenHaig geschrieben, dass er in einer besonde-ren Przision den neuen Kurs der amerikani-

    schen Strategie reprsentiert und exekutiert....Was sich verndert hat seit der politischen

    und militrischen Niederlage der VereinigtenStaaten in Vietnam, ist, dass die Vlker der

    Welt mit einer neuen amerikanischen Offen-sive konfrontiert sind. Und dass dazu der

    Ausbau der BRD zur aggressivsten US-Basisgehrt

    Und Haig selbst:Ebenso wenig kann sich Europa lnger

    den Luxus leisten, als Beobachter am Spiel-feldrandzu stehen.

    81 war die Einschtzung der RAF, dass ei-

    ne weltweite aggressive Rekonstruktion desKapitals bevorsteht.

    In der HS-Erklrung der Gefangenen 81heit es :

    Wenn es so ist, mssen wir alle, die Be-freiung und Verantwortlichkeit wollen, ... inden Lndern, von denen seine wtende Ex-pansion ausgeht, weit genug sein und die po-litisch militrische Gegenmacht entwickelthaben, die den militrischen Einsatz desOverkill Potentials des US-Imperialismus ver-hindert.

    Im August 81, 14 Tage vor dem Haig Be-such in Westberlin, detonierten vor demHauptquartier der US-Luftwaffe in Ramstein2 Sprengstze. Die RAF sagt dazu:

    Sie werden ihre Weltbeherrschungsplnenicht in Ruhe vorbereiten und ausfhrenknnen ... sie wollen die Geschichte zurck-drehen ... zur strksten, wieder alles beherr-schenden Weltmacht zu werden, ist ihr er-klrtes Ziel ... wenn die Imperialisten sich desNahen Ostens und des Golfs nicht mehr si-cher sein knnen, werden sie von hier ihreUnterwerfungsmaschine losschicken

    Im September 81, zwei Tage nach der De-mo gegen Haig, erfolgt ein Anschlag auf den

    Oberkommandierenden der US-Streitkrftein Europa General Kroesen in Heidelberg. Erlegt fest, wann und wo Neutronenspreng-kpfe abgefeuert werden, und er trifft sich re-gelmig mit der BAW und Geheimdienstenzur Abstimmung und Lagebeurteilung in Sa-chen Anti-Guerilla-Kriegsfhrung, steht inder Erklrung dazu.

    Im Oktober 1982 kommt es in Bonn zuder bis dahin grten Anti-Kriegs-Demon-stration mit 300.000 Menschen.

    In dieser gesellschaftlichen Situationentstand die riesengroe Hoffnung unterZehntausenden, tatschlich den Kriegstrei-

    bern in den Arm fallen zu knnen, auch mitden Mitteln des bewaffneten Kampfes, soumstritten er blieb.

    Dafr rcht sich der Staat heute noch.Die historische Erfahrung ist, dass im-

    mer wieder die Flammen des Aufstandesentstehen, erstickt werden und in vern-derten gesellschaftlichen Zusammenhn-gen neu entzndet werden.

    Dies war Teil der Auseinandersetzung undPraxis der RAF vor 25 Jahren, die ich hier

    nur ganz fragmentarisch beschreibe.1982 werden Brigitte Mohnhaupt und Chri-stian Klar verhaftet. Seitdem sind sie einge-knastet. 24 Jahre. Jahre mit langen Phasender Isolation, Jahre, die zerstrerisch sind. In

    diesem Kontext wurdenauch Eva Haule 1986 undBirgit Hogefeld 1993 ver-haftet und zu lebenslng-lich verurteilt.

    Es geht nicht, dass das sobleibt.

    Heute hat sich einigesverndert und verschrft,v.a. all das, wie Winfried

    Wolf es gestern Abendeindringlich beschriebenhat, was die eigenen im-perialistischen Interessender BRD und EU betrifft.

    Insgesamt sind wir ineiner Situation, in der derFortbestand kapitalisti-

    scher Herrschaft gesichert werden soll durcheine Militrmaschinerie noch nie da gewese-nen Ausmaes. Die Rckkehr des Militri-schen als Primat der Politik plus atomareKriegsfhrung

    Das Exempel, das die Herrschenden an den

    Gefangenen aus der RAF exerzieren, muss ge-nauso wie der G8 Gipfel in Heiligendamm2007 delegitimiert werden

    Mit militantem Optimismus gegen Resi-gnation und Fatalitt.

    Die Initiative Netzwerk Freiheit fr allepolitischen Gefangenen besteht aus Grup-

    pen und Einzelpersonen, welche aufgrundder bestehenden Verhltnisse die Notwen-digkeit sehen, die Solidaritt mit den poli-tischen Gefangenen zu strken, die Solida-ritt mit den politischen Gefangenen zu

    vernetzen und fr die Freiheit der politi-schen Gefangenen zu kmpfen.

    Das Netzwerk ist aus der ATS (Anti-im-perialistischen Trkei Solidaritt) hervor-gegangen, da diese fr die Solidarittsar-beit mit dem Widerstand in der Trkei zu-stndig war, aber der realen Praxis derGruppe nicht mehr entsprach und die Ar-beit nicht mehr auf ein Land zu reduzieren

    war.Das Netzwerk betrachtet sich selbst als

    einen Zusammenschluss, in der sich Un-tersttzerinnen- und Untersttzergruppen

    von politischen Gefangenen ausdrcken,organisieren und gemeinsam agieren kn-nen.

    In ihrer Arbeit fr die Freiheit aller poli-tischen Gefangenen strebt das Netzwerk dieZusammenarbeit mit allen Gruppen undEinzelpersonen an, die sich fr Menschen-rechte, gegen Folter, unmenschliche Haft-bedingungen und Repression fr die poli-tischen Gefangenen weltweit einsetzen.Als politische Gefangene betrachten wir

    jene Menschen, die sich wegen ihrer poli-tischen Identitt und ihres Kampfes fr ei-

    ne freie, egalitre und emanzipatorischeGesellschaft in Gefngnissen befinden, dortauf ihre Prozesse warten oder die ihnen auf-erlegten Gefngnisstrafen absitzen ms-sen.

    Dabei untersttzt das Netzwerk die poli-tischen Gefangenen auf politischer, juristi-scher und menschlicher Ebene und stehthinter ihnen in ihrem Widerstand fr ihreFreiheit, gegen inhumane Haftbedingun-gen und fr die Anerkennung ihres Statusals politische Gefangene.

    Da die politische Gefangenschaft aus denexistierenden Verhltnissen hervorgeht,

    d.h. die Gefngnisse die Reaktion des ka-pitalistischen Systems gegen den Wider-stand fr Gerechtigkeit sind, vertritt dasNetzwerk die Auffassung, dass die Solida-ritt mit den politischen Gefangenen inte-graler Bestandteil aller politischen und so-zialen Kmpfe sein muss. Und da uns heu-te Ausbeutung und Repression in weltweit

    verschrfter Form entgegentritt, sieht dasNetzwerk die Notwendigkeit, diese Solida-ritt ber die Grenzen hinweg zu strkenund die internationale Solidaritt als unse-re Antwort auf ihre Repression einzuset-zen.

    http://www.political-prisoners.net/

    NetzwerkFreiheit fr alle poli-tischen Gefangenen

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    Zusammenfassung derAktivitten zum Tag der poli-tischen Gefangenen 2006Auch dieses Jahr gab es in der BRD ver-

    schiedene Veranstaltungen, Demonstratio-nen und Kundgebungen zum 18.Mrz, demTag der politischen Gefangenen. NebenBerlin fanden in Potsdam, Mnchen, Stutt-gart, Nrnberg und Trier und weiterenStdten Aktionen statt. Hier ein kleinerberblick ber die gelaufene Aktionen unddie Bedeutung des 18. Mrz.

    Zur Bedeutung des 18. Mrz, dem Tagder politischen GefangenenAm 18. Mrz 1848 war es TagelhnerInnen,Obdachlosen, ArbeiterInnen und rebellischenFrauen gelungen, die preuische Armee aus

    Berlin zu vertreiben. Die versuchte proletari-sche Revolution wurde aber brutal niederge-schlagen.Am 18. Mrz 1871 bewaffnete sich das Pa-

    riser Proletariat, verjagte die franzsischebourgeoise Herrschaft und errichtete die Pari-ser Kommune.

    1923 nahm die Internationale Rote Hilfe die-sen historischen Bezug zum Anlass, den in-ternationalen Tag der Hilfe fr die politischenGefangenen auszurufen, bis der Faschismusdiese Tradition beendet hatte. Seit 1996 wirddieser Tag wieder bundesweit begangen. Am18. Mrz fand er zum zehnten Mal als Akti-onstag fr die Freiheit der politischen Gefan-genen in der BRD und weltweit statt.

    Berlin: Fr die Freiheit derpolitischen Gefangenen und gegenimperialistischen Krieg

    Die grte Aktion zum Tag der politischenGefangenen fand in Berlin-Kreuzberg statt.1000 Menschen versammelten sich um 15Uhr am Mehringdamm unter dem Motto wi-derstand gegen Krieg, Besatzung, Ausbeu-tung und Repression - Freiheit fr alle poli-

    tischen Gefangenen. Friedensgruppen undAutonome und internationalistische Initiati-ven hatten den Tag der politischen Gefange-nen mit dem vom Weltsozialforum ausgeru-fenen internationalen Aktionstag gegen denIrak-Krieg zusammengelegt und eine ge-meinsame Demonstration in Berlin-Kreuz-berg vorbereitet. Das vertretene Spektrumreichte von Linkspartei/WASG und ATTAC-

    Anhngern ber die trotzkistische GruppeLinksruck, die DKP, viele Migrantenorgani-sationen aus der Trkei und dem Nahen Ostenbis hin zu Autonomen, internationalistischenund anarchistischen Gruppen.

    Unter Parolen wie Freiheit fr alle politi-schen Gefangenen und Hoch die interna-tionale Solidaritt zog der bunt gemischteDemonstrationszug vom Mehringdammdurch den Berliner Migrantenkiez Kreuzberg

    zum Heinrichplatz. Am Sdstern kam es zwi-schenzeitlich zu brutalen Prgelorgien derBerliner Polizei. Schlagstcke und Pfeffer-spray wurden massiv gegen Linkspartei-Rentner und muslimische Frauen eingesetzt.Es gab mehrere Festnahmen, verhaftete Mi-granten wurden vor den Augen der Demon-stration von der Polizei massiv mit Schlag-stcken und Tritten gegen den Kopf mis-shandelt. Es gab mehrere Festnahmen. AmHeinrichsplatz endete die Demo mit einer Ab-schlusskundgebung, auf der verschiedeneRedner die drohende Krieggefahr gegen denIran und die Situation der politischen Ge-fangenen thematisierten. In Mehringhof fandam Freitag und Samstag vor der Demo eine

    vom Bndnis 18.Mrz (www.18maerz06.tk)organisierte internationalistische Konfe-renz zum Thema Krieg und politische Ge-fangenenschaft statt. Am Freitag stand dasThema Krieg und Besatzung im Vordergrund,Teilnehmer aus Palstina, Irak, Kolumbien,Trkei/Kurdistan und der BRD berichteten

    von der Situation in ihren Lndern. AmSamstag ging es dann hauptschlich um po-litische Gefangene. Es gab Referate zur Si-

    tuation der politischen Gefangenen in derTrkei, dem Baskenland und Nordirland. EinVertreter der Migrantenorganisation Platta-forma thematisierte die deutsche Abschie-bepraxis und die Konstruktion der FestungEuropa, und eine ehemalige Gefangene ausder Roten Armee Fraktion zog die Verbin-dung zwischen der NATO-Politik der 70er und80er und der heutigen militrischen Offensi-

    ve gegen den Terror. Am Ende zog die Grup-pe Internationale Solidaritt Magdeburg Bi-lanz und stellt mit dem Netzwerk fr poli-tische Gefangenen ein neues Projekt vor. Mitca. 150 Teilnehmern war die Konferenz an

    beiden Tagen gut besucht.Potsdam: Dont let the System getyout Down

    Auch in Potsdam fand eine Demo zum Tag

    der politischen Gefangenen statt. Antifa-Gruppen hatten bundesweit unter dem Mot-to Dont let the System get you down! Auf-gerufen, um die gewachsene Repression ge-gen Antifa-Zusammenhnge im letzten Jahrzu thematisieren. Vor allem die Repressions-

    flle in Potsdam (Julia), Frankfurt/Oder undBerlin (Christian) und Stockholm (Patrick undFabian) wurden thematisiert. Auch das129a-Verfahren in Magdeburg wurde er-whnt. Ungefhr 800 Leute beteiligten sichan der Demonstration. Neben der Kriminali-sierung linker politischer AktivistInnen wur-de auch der schleichende Grundrechteabbau,die Verschrfung der sozialen Situation unddie architektonischen Verbrechen der Pots-damer Stadtplanung thematisiert. Dass so

    viele Leute zu einer dezidiert linksradikalen Aktion fr die politische Gefangenen zu-sammen kamen, ist positiv, auch dass alle

    Flgel des Antifa-Spektrum bis hin zu Ant-ideutschen beteiligt waren, zeigt, dass einepunktuelle Zusammenarbeit noch immermglich ist. Lediglich dass diekurdischen/trkischen GenossInnen in dendeutschen Gefngnissen , die ber 80% derpolitischen Gefangenen in BRD ausmachen,mit keinem Wort erwhnt wurden, zeigt einegewisse Zentriertheit auf die eigene Szeneund den eigenen Teller. Bis auf einige Ran-geleien mit der Polizei und Pfefferspray-Ein-satz in den ersten Reihen verlief diese Ver-anstaltung friedlich.

    Mnchen: Fahrraddemo zum Polizei-prsidiumIn Mnchen beteiligten sich ca. 100 Men-schen an einer Fahrraddemo fr die Freiheitder politische Gefangenen, die im Anschlussan eine Kundgebung zum ebenfalls am 18.3.stattfindenden Aktionstag gegen Krieg statt-fand. Vor verschiedenen ausgewhlten Ortenwie dem Polizeiprsidium, dem Innenmini-sterium und der Europischen Vertretungwurde Protest gegen Grundrechtsabbau undpolitische Repression kundgetan.

    Nrnberg: Farbeier auf KnastIn Nrnberg wurde in der Nacht vom 17.auf den 18.3. ein Knast am Rande des lin-ken Stadtviertels Gostenhofs von mehreren

    Vermummten mit Farbeiern angegriffen:

    Stuttgart: Kundgebung vor KnastStammheimIn Stuttgart fand vor dem fr die RAF-Ge-fangenen errichteten Beton-Denkmal, demHochsicherheitsknast Stuttgart-Stammheim,in dem am 18. Oktober 1977 die Gefangenenaus der Roten Armee Fraktion unter unge-klrten Umstnden zu Tode kamen, auch ei-

    ne Kundgebung zum Tag der politischen Ge-fangenen statt. Ungefhr 50 Menschen be-teiligten sich daran. In den Redebeitrgenging es zum einen um die Situation der Ge-fangenen, zum anderen zu der zunehmenden

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    18.Mrz | Tag der politischen GefangenenTrier

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    Repression, die linke Gruppen zurzeit ertra-gen mssen.

    Trier:TransparentaktionIn Trier gab es eine Transparent- und Flug-blattaktion zum Tag der politischen Gefan-genen mit der Folter, Entrechtung und La-gerhaft thematisiert wurden.Rote Hilfe e. V. Ortsgruppe Berlin

    Postkartenaktionder Roten Hilfe e.V. fr die

    Solidaritt mit denpolitischen GefangenenDie Rote Hilfe Ortsgruppe Berlin startet an-lsslich des ... Tags der politischen Gefan-genen eine Solidaritts-Postkartenaktion.Ziel der Kampagne ist es, die politischen Ge-fangenen in unser Bewusstsein zu holen bzw.dort zu halten und den Inhaftierten zu zei-

    gen, dass sie nicht alleine sind.Wir haben als Startpunkt der Kampagne

    den 18.Mrz gewhlt, weil dieser als Tag derpolitischen Gefangenen fr eine lange Tra-dition der Solidaritt steht. Schon 1923 wur-de der 18.Mrz, der als Tag der Pariser Com-mune bekannt war, von der Roten Hilfe zumInternationalen Tag der Hilfe fr die politi-schen Gefangenen erklrt. Diese geschicht-lichen Bezge haben wir mit anderen Grup-pen wieder aufgegriffen und setzen sie seitnunmehr 10 Jahren fort.

    Beginnen werden wir die Kampagne mitPostkarten an die Gefangenen aus der RAF.Zum einen, weil die noch immer in Haft sit-zenden Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt,Eva Haule und Birgit Hogefeld 13-24 Jahrenach ihrer Verhaftung und 8 Jahre nach der

    Auflsung der RAF Gefahr laufen, in Ver-gessenheit zu geraten. Und andererseits, weiles gerade Beugehaftverfahren gegen EvaHaule und Birgit Hogefeld gab. Die Bundes-anwaltschaft hat die Ermittlung in Fllenwieder aufgenommen, fr die die beidenschon verurteilt wurden. Jetzt wird gegen Un-bekannt ermittelt, und die BAW versucht, ih-re Aussagen zu bekommen. Da Eva Haule und

    Birgit Hogefeld in den Anhrungen ge-schwiegen haben, hat der BundesgerichtshofBeugehaft angeordnet, die sie zustzlich zuihren Haftstrafen absitzen mssen.

    Im Weiteren wird der Kreis der Gefange-nen, deren Adressen die Ortsgruppe Berlin be-reit hlt, so gro wie mglich gezogen unddurch das Anschreiben von politischen Ge-fangenen in anderen Lndern unsere inter-nationale Solidaritt zum Ausdruck gebracht.Die Berliner Ortsgruppe freut sich ber Vor-schlge, wenn mglich mit Adresse, kurzemText zu den Bewegungen, aus denen die Ge-fangenen kommen, und zur Haftsituation,

    sammelt diese und hlt sie bereit.Die Postkarten, Adressen und zugehrigenInformationen sind bei der Roten Hilfe Orts-gruppe Berlin (c/o Lunteladen, Weisestr. 53,12049 Berlin; [email protected]) erhlt-

    lich.Daniel Majer von der Roten Hilfe Orts-

    gruppe Berlin sagte zur Erffnung der Kam-pagne: Es ist schlimm, dass ein Staat wie dieBRD es ntig zu haben scheint, Menschenaufgrund ihres Protestes gegen dieses Systemhinter Mauern zu stecken. Da ist es wichtig,dass wir Linken diese Menschen nicht ver-gessen und dies auch zeigen.

    Der Kampf fr die Freiheitder revolutionren Gefange-nen ist eine Notwendigkeitfr alle ...... die fr sich in Anspruch nehmen, Teil desantiimperialistischen, antikapitalistischenKampfes zu sein!

    Dies ist ein Zitat von Jolle Aubron, ehe-maliges Mitglied der Guerilla-Gruppe Ac-tion Directe, die nach fast 17-jhriger Son-der- und Isolationshaft in Frankreich nur

    deshalb rausgekommen ist, weil der fran-zsische Staat hinter Gittern verstorbenetote RevolutionrInnen frchtet. Fr ad-quate medizinische Behandlung war es zuspt, sie starb am 1. Mrz. Bis zu letzt hatsie gegen Krebs und fr die Freilassung re-

    volutionrer Gefangener gekmpft.Heute, am 18. Mrz, whrend wir hier den

    Tag des revolutionren Gefangenen undden Widerstand gegen imperialistischenKrieg zusammen auf die Strae tragen, ver-sammeln sich in Paris GenossInnen aus ver-schiedenen Lndern an der Friedhofsmau-er, an der am 18.3. 1871 die Kommunard-Innen von Paris hingerichtet wurden undheute begraben sind. Sie nehmen Abschied

    von Jolle und fordern mit Nachdruck dieFreilassung gefangener GenossInnen.

    Jolles Worte haben um so grere Be-deutung, als der Imperialismus auer Kriegund Verelendung nichts mehr zu bieten hat.Die kriegerischen Aggressionen gegen In-nen richten sich auch gegen revolutionreGefangene weltweit.

    Mit groer Sorge und vor allem viel Wuterkennen wir, dass sich diese Angriffe spezi-ell gegen all jene Gefangene richten, die seitJahrzehnten als Ungebrochene, ihrer Identittentsprechend, nach wie vor Widerstand lei-sten. Sei dies in Frankreich, Italien, spani-schen Staat, der Schweiz, Deutschland, Tr-kei, Palstina und weltweit!!

    So bleiben in Frankreich wie im spani-schen Staat die Knasttore fr sie verschlos-sen, obwohl sie die von der brgerlichenKlassenjustiz verhngte Strafe lngst abge-sessen haben.

    Dies trifft nicht nur die schwerstkrankenMitglieder von Action Directe, sondernauch den kommunistischen Revolutionraus dem Libanon, George Ibrahim Abdal-

    lah. Er wre seit 7 Jahren befreibar. Siehtten weder bereut, noch abgeschworen,wrden sich nach wie vor politisch verhal-ten und seien damit fr die Freilassung zugefhrlich, lautet die Begrndung der

    Klassenjustiz! Immer wieder werden gegensie Sondermanahmen umgesetzt.

    Frankreich scheut auch nicht davorzurck, spanische und baskische politischeGefangene nach der Verbung ihrer Stra-fe an die Folterknechte des spanischenStaates auszuliefern, wenn offiziell dazugar kein Haftgrund besteht!Auch in der Trkei werden politische Ge-

    fangene, die bereits in den F-Typ-Gefng-

    nissen (sprich Iso-Knsten) nach wie vorWiderstand leisten, mit neuen Sonderma-nahmen angegriffen.

    In Deutschland verhlt es sich nicht an-ders. Auch hier sitzen immer noch Gefan-gene aus der RAF im Knast und zwar seit1982! Auch sie mssen raus!

    Und, vergessen wir nicht die jungen Mi-litanten der baskischen Jugendorganisati-on SEGI, die in Frankreich nur deshalb in-haftiert sind, weil sie der spanische Staatauf die Liste des neuen Europischen Haft-befehls setzen lie!Auch Italien steht in dieser Entwicklung

    nicht abseits: Die Gefangenen der BrigateRosse, welchen vor kurzem der Prozess ge-macht worden ist, sind in spezielle Hochsi-cherheitsknste verlegt worden. Der bis an-hin nur fr oberste Mafiabosse angewen-dete berhmt berchtigte Isolationsartikel41bis wurde auf sog. Terrorismus erweitert.Der Artikel ist zeitlich unbeschrnkt. Nurwer sich von seiner Geschichte und Iden-titt lossagt, hat jemals eine Chance, ausdieser Art von totem Trakt herauszukom-men!

    Eine starke, entschlossene und auch in-ternational getragene Mobilisierung konn-te im letzten Jahr einen Angriff erfolgreichzurck schlagen!

    Dank einer neuen Verordnung sollten dierevolutionren Gefangenen in Biella (alleseit Jahrzehnten als Lebenslngliche imKnast) nur noch ein Buch pro Zelle be-kommen. Alles andere, Korrespondenz,Bcher, Notizen, Fotos wurde ihnen weg-genommen. Der Schlag ins Wasser zeigt:

    Widerstand lohnt sich und: Solidaritt kanneine wirksame Waffe sein nutzen wir sie,und:

    Untersttzen und verbinden wir interna-

    tional die Mobilisierungen und Kmpfe frund mit unseren gefangenen GenossInnen,ob in der Trkei, Palstina, spanischenStaat, Frankreich, Italien, Deutschland oderder Schweiz. Die Grnde, welche sie zumKampf gefhrt haben, sind aktueller denn

    je; ihre Ungebrochenheit ist nicht nur le-bendige Verbindung zur Geschichte revo-lutionrer Klassenkmpfe, sie ist gleichzei-tig Kontinuitt und damit Teil einer revo-lutionren Perspektive!

    Ganz im Sinne von Jolles Zitat schlieenwir mit einer hoch aktuellen Parole der Pa-riser KommunardInnen:

    FRIEDE DEN HTTEN - KRIEG DEN PLSTENFREIHEIT FR ALLE POLITISCHEN GEFANGENENHOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITTRedebeitrag der Kommission fr eine RoteHilfe International am 18.3. in Berlin

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    Gisel Dutzies ist sehr, sehr traurig, dass joelle nichtmehr bei uns ist.

    es ist zu frh, dass sie gehen musste. wirhtten gerne mit ihr noch mehr gelacht, uns

    zusammen gefreut, geschimpft, diskutiertund gestritten.es macht uns wtend, dass sie erst aus

    dem knast rausgelassen wurde, nachdemklar war, dass sie eine tdliche krankheithat, und es macht uns wtend, dass natha-lie, george, jean-marc, christian, brigitte,eva und alle anderen noch immer im knastsind.

    in der brd konnten wir ende der 80er jah-re, anfang der 90er jahre sehen, dass vielegefangene, die lange zeit in isolationshaftgefangengehalten wurden, nach den vielen

    jahren knast krank wurden.

    das system von isolation, entzug von al-lem, was ein mensch zum leben braucht,erzeugt dauerstress, und der ist zerstre-risch, physisch und psychisch.joelle war eine sehr starke frau. sie hat

    gekmpft, klar und entschieden, draussenund im knast, und hat sich nicht in dem,was sie will, unterkriegen oder brechen las-

    sen.ihre lebendigkeit und ihr humor war inallem ihrem politischen tun mit dabei.

    ein teil ihrer politischen geschichte ist dermit der raf und den gefangenen aus der raf.

    unsere gemeinsame geschichte.und die fngt v o r der gemeinsamen po-

    litischen strategie und taktik an.ber die wurde viel diskutiert, gestritten

    und kritisiert, sicherlich. Nur sollten wir unsbei alldem bewusst machen, dass die gren-zen der staaten, der nationen nicht unseresind. sie sind ber jahrhunderte konstru-ierte gebilde, was haben sie mit uns zu tun?

    sie sollen uns trennen.und ein revolutionrer prozess auf einland bezogen ist zu dem, was wir wollten,

    von anfang an ein widerspruch und warweder das ding von action directe noch un-

    seres, der raf.sobald wir hrten, dass es in

    frankreich eine revolutionregruppe, action directe, gab,schauten wir dahin. und wennes von unseren krften her

    mglich gewesen wre, so ht-ten wir anfang der 80er jahre viel frher eine verbindungaufgenommen.

    wie joelle mir von ihrer seiteerzhlte, haben sie auch schonlange vorher auf die entwick-lung in der brd geschaut, undes war ihnen wichtig, was die raf macht.

    gefallen hat ihnen nicht in den spten70er jahren die immer strkere konzentra-tion auf die freilassung der gefangenen derraf. und gefallen hat ihnen nicht, wie Joel-le mir sagte, dass in den spten 70ern zu

    wenig bercksichtigt wurde, dass nicht al-le auf dem hohen niveau der guerilla agie-ren knnen.

    dies nderte sich, als wir auch umber-legten und die strategie vernderten, die imkonzept der antitimperialistischen front, immai-papier, in der vorstellung eine frontin westeueropa zum ausdruck kam.

    dieses nahmen die genossInnenaus action directe sehr aufmerk-sam zur kenntnis.

    als dieser prozess des zusam-menkommens beider guerialla-gruppen konkret wurde, war ichselber schon im knast.

    und ich war berrascht, wieschnell das ging, als 1985, zwei

    jahre nach meiner festnahme, diezusammenarbeit ffentlich wur-de in einer erklrung beider gue-rillagruppen.

    das weitere ist bekannt.was ich ber den inneren pro-

    zess der beiden gruppen weiss, ist,dass es auch sehr nahe, liebevol-le beziehungen waren, in denengerade in harten zeiten von fest-

    nahmen, verhaftungen persnliche, mora-lische und politische untersttzung einan-der gegeben wurde.

    im gefngnis wirkte sich diese nhenatrlich auch aus. wir machten mehreresolidarittshungerstreiks, wenn die gefan-genen aus ad im hungerstreik waren.

    und 89 in unserem 10. grossen hunger-streik beteiligten sich auch die gefangenenaus action directe.

    zu der zeit war aber schon ein umbruch-prozess bei uns in diskussion, der auf dieeinstellung des bewaffneten kampfes hin-auslief. dessen vermittlung war durch die

    bedingungen im knast aber nur schwermglich und wurde aber auch nicht inten-sivst von uns versucht, um die gefangenenaus action directe einzubeziehen.

    aus dem wenigen, was an kommunikati-

    on lief, konnten sie trotzdem eine richtungerkennen und machten sich grosse sorgenum die politische entwicklung bei uns, ge-rade joelle und jean-marc.

    schliesslich verlief die kommunikationvllig im sande.

    der prozess, der einmal sehr produktivwar, war abgebrochen.

    das ist auch ein teil der geschichte raf, ge-fangene - action directe, gefangene.

    als wir uns spter trafen, joelle draussenwar, war die zeit mit joelle zu kurz fr ei-ne genauere diskussion darber, und sieund wir waren mehr damit beschftigt, waswir tun knnen, damit die anderen, die nochim knast sind, rauskommen.joelle am telefon und am computer, mit

    allen kommunizierend, um zusammenzu-bringen, um zu agieren, dass der freilas-sungsprozess der andern im knast voran-getrieben wird, das ist wohl das bild, das

    viele gesehen haben, die sie besucht haben.dazwischen wurde geredet, musik gehrt,

    Hommage fr Jolle

    Was von meiner GenossinJolle Aubron im Gedcht-nis bleiben mussVon Nathalie fr JolleIhre Empfindsamkeit als KommunistinDie Richtigkeit in ihrem Kampf

    Die Einfachheit ihres MutesDie Kraft ihrer revolutionren ber-zeugungen

    Ihre kmpferische MenschlichkeitIhre Liebe zu LebenIhre FreiheitsliebeIhr Lachen, laut und klar, das in unse-

    ren Ohren wie die Hoffnung ei-nerproletarischen Welt klingt

    Ruhm und Ehre fr JoelleAuf dass Dein Name fr immer in

    unseren Herzen blhtFr die Kontinuitt des Kampfes

    Nathalie Mnigon Gefangene ausAction Directe4. Mrz 2006

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    bilder gezeigt - joelle immer in bewegung,in aktion; bis auf die ruhepausen, die diekrankheit ihr abgezwungen hat.

    aber in dieser lebendigkeit und in ihrerstrke, sich von nichts unterkriegen zu las-sen, werden wir sie in erinnerung behalten!gisel dutzi, ehemaliges mitglied der raf, am18.3. in Paris

    Christel Frhlich

    Jolle ist tot und ich glaube, dass man durchTrost weder Mut noch Hoffnung macht.

    Ernst Bloch hat einmal gesagt, dass diemoralische berlegenheit des Kommunis-mus darin besteht, dass er fr den Einzel-nen keine Hoffnung hat. Er verspricht kei-ne Erlsung, er ist ganz diesseitig.

    Bertolt Brecht wusste davon, er schreibtin einem Gedicht:

    Lat euch nicht verfhren !Es gibt keine Wiederkehr.

    Der Tag steht in den Tren:Ihr knnt schon Nachtwind sprenEs kommt kein Morgen mehr

    Also, wenn die sozialen, konomischenProbleme einmal gelst sind, dann bleibtdie Tragdie des Menschen, und der Tod istein Teil dieser Tragdie.Was uns bleibt, ist die Erinnerung und die

    gemeinsame dritte Sache, der Kampf fr ei-ne sozial-gerechte Gesellschaft - weltweit.Denn der Kommunismus bleibt einMenschheitstraum, an dessen Erfllung ei-ne Generation nach der anderen arbeitenwird.

    Zu ihrer Geschichte als Militante von Ac-tion Directe werden ihre GenossInnen re-den.

    Ich mchte einige Erinnerungssplitterbeitragen.

    Unsere erste Begegnung im Sportsaal desGefngnisses im Gefngnis Fleury Mrogis.Ich sehe eine junge Frau mit wundersch-nen rtlich braunen Haaren auf mich zu-kommen. Wir versuchen in allen mglichenSprachen: englisch, deutsch, spanisch zureden, da mein Franzsisch noch recht drf-tig ist.

    Dann das Bild von Jollebeim Karate: krftige unddoch harmonische Bewe-gungen. Ich bin voller Be-wunderung.

    Und weiter: unsere regel-migen Treffen in der Bi-bliothek. Manchmalwnschte ich mir, sie wr-de etwas langsamer reden.

    Aber da war nichts zu ma-chen, und langsam ge-whnte ich mich an dieSchnelligkeit und Sprung-

    haftigkeit ihrer Gedanken.An erster Stelle standen im-mer ihre GenossInnen undin dieser Zeit besonders derGesundheitszustand von

    Nathalie.Ein neues Bild: Jolle, wie sie aus dem

    Zug steigt. Aufgrund der Chemotherapiehat sie keine Haare mehr. Ich erschrecke,aber die Natrlichkeit und das Selbstbe-wusstsein, das sie in dieser Situation zeigt,lsst mein Erschrecken verblassen. Schonnach wenigen Minuten sind wir wieder inder angeregtesten Diskussion, so als httenwir uns erst gestern gesehen.

    Wir sitzen im Caf, sie erzhlt von sich,ihrer Krankheit mit viel Selbstironie undHumor, nur unterbrochen von ihrem le-bensfrohem Lachen. Ich sagte ihr, wie sehrmich ihr Mut und ihrer Entschiedenheit be-eindrucken.

    Dann knnen wir nur noch telefonieren.Ihre Stimme und ihr Lachen klingen mirnoch im Ohr.

    Einmal schickte mir Jolle eine von ihrzusammengestellte Musikkassette. Sie gabihr den Titel: Pour la vie, pour lamit, pourlavenir.Auf der Kassette gibt es ein Chanson mit

    dem Titel mon fils chante gesungen vonJuliette Greco, das ich ihr widmen mchte.

    Mon fils chantePour ceux qui entrent dans la danse

    Au nom de la grande espranceAu mpris de leur vieMon fils chantePour ceux qui luttent pour la vieSans autre arme que leur viePour quils vivent longtempsMon fils chantePour ceux qui combattent la nuitPour le jour o le soleil luira pourTous le hommes

    Mon fils chantePour ceux qui meurent en chemise

    A laube du temps des cerisesSous les yeux des fusilsMon fils chante

    Mon fils et toi le filsQui natra de mon filsTant que meurt la libertPour que la libert

    Vive dans le monde entierMon filsIl faut chanterPour ceux qui poussent sans espoirLa porte troite de lhistoire

    Au nom de lidalMon fils chantePour ceux quon trane dans le noirSur le sol du dernier couloirDes chambres de torture

    Mon fils chantePour ceux qui ne verront jamaisPlus le soleil rouge de mai

    Sur le port du PireMon fils chantePour ceux qui jusque dans la mortOnt la force de vivre encorePour ceux qui vont vivreMon fils chante

    Mon fils et toi mon filsQui natra de mon filsTant que meurt la libert

    Pour que la libertVive dans le monde entierMon fils il faut chanterJolle ,chre amie et camerade, tu me man-ques terriblement.

    Christel

    Freilassung der Gefangenen von Action Di-recte!Freiheit fr alle politischen Gefangenen!

    Zwei GenossInnen undFreundInnen aus der BRDJolle ist tot und wir sind hier, weil wir vielmit ihr verbinden - weil uns viel mit ihr

    verbunden hat.Ich habe sehr lange hin und her berlegt,

    was ich heute sagen will. Ich mag keine Hel-denreden - und aus Jolle eine Ikone zu ma-chen, wrde bedeuten, sie von uns zu ent-fernen. Sie war uns aber nah. Sie war einelebendige, starke und entschlossene Frau,

    die tat, was sie fr richtig

    hielt.Unser Verhltnis zuJolle war zunchst einpolitisches und wurdeber die Jahre und berzunehmende persnlicheBegegnungen zu einer na-hen und vertrauten Bezie-hung.Viele Bilder tauchen vor

    mir auf- von den letzten Tagen,

    als ich nur noch versu-chen konnte zu erspren,

    was ihr gut tat.- von Gesprchen inihrem Zimmer amSchreibtisch, wenn stn-dig das Telefon klingelte

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    und sie alles gleichzeitig erledigen wollte -quirlig und voller Elan

    - von ihrer Lust, Fotografieren zu lernen,als ihre Hnde ihr das Malen nicht mehr er-laubten.

    - von Diskussionen, was wir tun knnen,was sie tun kann, damit Nathalie, Jean-Marc und Georges raus kommen ...

    Nationale Grenzen waren nie unsereGrenzen - auch in der 80 er Jahren nicht.

    Was uns verbunden hat, waren hnlicheVorstellungen davon, wie wir den revolu-tionren Prozess voran bringen knnen.

    Unser Verstndnis von Internationalis-mus heit, zusammen zu kmpfen - undwenn die GenossInnen im Knast sind, dafr,dass sie raus kommen. Unsere ersten Kon-takte zu Jolle und den Gefangenen aus ADhatten wir 1989 whrend des Hunger-streiks, der zeitgleich mit dem Hungerstreikder Gefangenen aus der RAF in der BRD ge-fhrt wurde.

    Es dauerte Jahre, bis zu den Kontaktenber Briefe Besuche im Knast hinzu kamen

    - bis wir einander auch persnlich kennenlernten. Diese Mglichkeit wurde erkmpft- in einem weiteren Hungerstreik und derMobilisierung drauen.Wir haben in Jolle eine Entschlossenheit

    gefunden, die selten ist. Sie stand immerwieder auf, sie gab nie eine Situation ver-loren. Sie versuchte immer wieder, Situa-tionen von Grund auf zu erfassen, zu be-greifen, zu analysieren.

    Das war politisch so, das war persnlichso.

    Die Erfahrungen und Anstze aus der Zeitder Guerilla waren in ihr lebendig - nichtals etwas Starres, um daran festzuhalten(was der Knast versucht aufzuzwingen). Sietrug diese Erfahrungen in sich und ver-suchte, an sie anzuknpfen, sie weiter zuentwickeln.

    Die Zeit drauen reichte fr sie nicht aus,um diese Erfahrungen in den heutigen Be-wegungen lebendig werden zu lassen. Da-zu hatte sie keine Chance mehr. Ihr Kampfin den letzten Jahren galt der Freiheit dergefangenen Genossinnen Jean Marc, Nat-halie und Georges, und sie fhrte ihn ge-gen die Krankheit. Sie sorgte sich um die

    anderen mehr als um sich selbst.Wir htten so gerne noch viel mehr mit-einander erlebt und geteilt. Und unsere ge-meinsame Woche zum Jahreswechselkonnten wir nicht am Meer verbringen,sondern im Krankenhaus. ... die Zeit war sokurz ...

    Jolle lebt noch in unserer Vorstellung.Es ist uns noch ganz fremd und unbegreif-lich, dass wir nicht mehr mit ihr werden re-den, streiten, lachen knnen.

    Joelle fehlt uns mit ihrer Art zu sein.

    Rolf Heilererst ein knappes halbes jahr nach joelles er-kmpfter freilassung haben wir uns per-snlich kennen gelernt.

    joelle hatte es so bestimmt, sie wollte, dasses ihr besser ging, um fr auseinanderset-zung und diskussion offen und fit zu sein.

    und nach ein paar tagen zum abschiedentschuldigte sie sich, ich htte sicher mehrerwartet.

    dabei hatte ich gar nicht mehr erwartet.ich traf eine genossin- die sich wie alle ehemaligen gefange-

    nen mit vielen knastjahren unter den ver-nderten gesellschaftlichen verhltnissenzurechtfinden musste

    - die auf grund des im knast aufgestau-ten und ihres ideenreichtums von einemthema zum nchsten sprang, zustzlich un-terbrochen durch die stndigen telefonate

    - die den widerspruch, nathalie, jean-marc, georges weiter im knast und sie trotzaller restriktionen drauen, kaum aushieltund alles ihr mgliche zu tun versuchte, ihnaufzuheben.

    auch hatte mir joelle von der zusam-menarbeit zwischen ad und raf erzhlt, von

    der ich wegen meiner gefangenschaft nurbegrenzt wusste.

    aber trotzdem gab es grenzen, grenzen,die ihre erkrankung setzte und die sie voll-er lebensmut und mit aller leidenschaftdurchbrach und bis zum ende zu durch-brechen versuchte.

    in der folgezeit kam ich immer wieder zujoelle, meist nach linant, wo sie bei ihreneltern wohnte. und joelle organisierte hu-fig voller freude das wunderschne zusam-men essen gehen. trotz ihrer erkrankungfand sie die kraft, zusammen nach auxerrezu gehen, wo joelle uns in der kathedraledie krypta aus dem 11.jahrhundert zeigenund selbst die freigelegten mosaike sehenwollte. wir waren gemeinsam auch an dererinnerungssttte des deportationslagers indrancy.

    ein problem zwischen uns war die spra-che. wenn es joelle nicht so gut ging, wares fr sie eine groe anstrengung, deutschzu reden. aber auch das lsten wir, joelletextete mich auf franzsisch zu und ichkonnte zumindest erahnen, wovon siesprach.

    mit der zeit hatte sich eine vertrauens-

    volle beziehung zwischen uns entwickelt.das letzte mal sah ich sie am 1.1. in au-xerre, eigentlich wollten wir die feiertageund auch das neue jahr zusammen erleben,schn essen, doch ihr krper hat nicht mehrmitgemacht. zwei wochen spter fuhr ichnach azania, anfang februar rief ich sienoch einmal von cape town aus an.

    leben ist nicht unendlich. joelle hatgekmpft, solange sie konnte, fr die be-freiung von nathalie, jean-marc, georgesund der politischen gefangenen weltweitund global fr eine freie, gerechte gesell-schaft ohne ausbeutung und unter-

    drckung. deswegen wird sie unvergessenbleiben. und wir knnen froh sein, zusam-men mit ihr gekmpft zu haben.rolf heiler, ehemaliges mitglied der raf,Beitrag am 18.3.

    Verfahren gegenSabine Callsen ein-gestelltEnde letzten Jahres wurde der Haftbefehlgegen Sabine Callsen aufgehoben und dasErmittlungsverfahren eingestellt. Die Ham-

    burger Staatsanwaltschaft sah keinen hin-reichenden Tatverdacht.Seit 1985 bestand gegen Sabine ein Haft-

    befehl. Vorgeworfen wurde ihr die Mit-gliedschaft in einer terroristischen Vereini-gung und die Beteiligung an einem Spreng-stoffanschlag gegen ein Hamburger Unter-nehmen, das an der Entwicklung der NA-TO-Fregatte 90 mitwirkte.

    Im Mrz 2003 war Sabine nach langjhri-gem Exil mit ihren Kindern aus dem Liba-non in die BRD zurckgekommen. Damalshatte der zustndige Ermittlungsrichter

    vom BGH den Haftbefehl gegen Meldeauf-

    lagen ausgesetzt. Bis Sommer 2004 ermit-telte das BKA im weiter. U.a. wurde Sabi-nes DNA mit alten Asservaten abgeglichenund FreundInnen und ZeugInnen nochmals

    vernommen.Sabine hatte In Vernehmungen aussch-

    lielich Angaben zu ihren persnlichenVerhltnissen seit dem Jahr 1988 gemacht.

    Das Ermittlungsverfahren war schlielichan die Hamburger Staatsanwaltschaft ab-gegeben worden.

    Marco erneut in HaftMarco ist seit dem 27.02.2006 wieder imKnast. In dem Magdeburger 129a -Ver-fahren wurde er zu einer Freiheitsstrafe von2 1/2 Jahren verknackt, von der er durchdie Untersuchungshaft 1 Jahr abgesessenhatte. Diese Verurteilung basierte lediglichauf Indizien, was auch der damalige Rich-ter einrumte, auch wurde Marco nichtnach 129 a verurteilt, sondern wegenmehrfacher gemeinsamer Brandstiftungen

    (u.a. auf eine Niederlassung von DaimlerChrysler, ein Dienstfahrzeug des BGS unddem LKA-Gebude in Magdeburg).

    In dem Revisionsverfahren gegen seinenMitangeklagten Daniel ist er zusammen mitCarsten, der ebenfalls in dem Verfahren an-geklagt war und freigesprochen wurde, zu-

    vor noch ein halbes Jahr in Beugehaft ge-gangen. Da Beugehaft nicht auf die Straf-haft angerechnet wird, ist Marco jetzt frdie nchsten 1 1/2 jahre in der JVA Mag-deburg.

    Marcos Anschrift im Knast ist:

    z.Hd. Marco HeinrichsJustizvollzugsanstalt MagdeburgHalberstdter Str. 8a39112 Magdeburg

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    Demonstration am 25. Mrzin Karlsruhe

    GegenBerufsverbote

    An die 500 Menschen haben sich am Sams-tag, 25.3., auch von strmendem Regennicht abhalten lassen, gegen Berufsverbo-te und fr die sofortige Einstellung des Re-alschullehrers Michael Csaszkczy zu de-monstrieren. Zu der Demonstration hattendie Landesverbnde Hessen und Baden-

    Wrttemberg der GEW und das Solida-rittskomitee gegen Berufsverbote aufge-rufen. Das Spektrum der Demoteilnehme-rInnen reichte denn auch von Gewerk-schaften bis zu autonomen Gruppen. Am

    Anfang des Zuges lief ein Block mit Be-

    rufsverbots-Betroffenen aus den 70er und80er Jahren.

    Michael Csaszkczy wird seit Beginn desJahres 2004 die Einstellung in den baden-wrttembergischen Schuldienst verwei-gert, weil er sich in der AntifaschistischenInitiative Heidelberg (AIHD) engagiert, die

    vom Verfassungsschutz als linksextrembezeichnet wird. Am 13. 3.2006 hat das Ver-waltungsgericht Karlsruhe das Berufsver-bot fr rechtens erklrt - eine Entscheidung,gegen die Michael Csaszkczy mit Unter-sttzung der GEW Rechtsmittel angekn-digt hat. Mittlerweile hat sich das Bundes-land Hessen dem Berufsverbot angeschlos-sen.

    Michael selbst ging in seinem Redebei-trag auf Kontinuitten zwischen National-sozialismus und BRD ein, die sich geradeauch an der Rechtsprechung zum ThemaBerufsverbote aufzeigen lsst. Die deut-schen Beamtengesetze lehnen sich bis inden Wortlaut hinein an an das Gesetz zur

    Wiederherstellung des Berufsbeamten-tums aus dem Jahr 1933. Mit diesem Ge-setz sollten Juden und Jdinnen, Kommu-nistInnen und SozialdemokratInnen aus

    dem Staatsdienst entfernt werden. Es warder erste Schritt zu ihrer Entrechtung, Ver-treibung und Ermordung. Damals hie es,niemand drfe in den ffentlichen Dienst,der nicht Gewhr dafr biete, jederzeitrckhaltlos einzutreten fr den nationalenStaat. Das Gericht hatte Micha vorgewor-fen die Behauptung einer solchen Konti-nuitt sei eine nicht hinnehmbare Diffa-mierung unseres Staates. Wrtlich heit esin der Urteilsbegrndung: Es ist geradezudas Kennzeichen unserer freiheitlichen de-mokratischen Grundordnung, dass sie mitder extrem autoritren, im Rechtswesen

    vllig willkrlichen und insgesamt men-schenfeindlichen Staatsordnung des so ge-nannten Dritten Reiches radikal gebrochenhat und eine in jeder Hinsicht gegenteiligeOrdnung verwirklicht. Wer dies grundstz-

    lich leugnet, wendet sich gegen diese Ver-fassung. Bei der Auftaktkundgebung be-zeichnete der Europaabgeordnete TobiasPflger das Berufsverbot als eklatante Men-schenrechtsverletzung, mit der gegen dieEuropische Menschenrechtskonvention

    verstoen werde. Ein Vertreter des Bundes-vorstands der Roten Hilfe stellte das Urteilin den Kontext einer zunehmenden Aus-grenzung und Kriminalisierung antifaschi-

    stischen Engagements, die sich mittlerwei-le bereits gegen Trger von T-Shirts mitdurchgestrichenen Hakenkreuzen richtet.Eine Sprecherin der AIHD zeigte die Kon-tinuitt deutscher Obrigkeitspolitik in der

    Verfolgung von Linken auf, die sich seitdem19.Jahrhundert als roter Faden durchdie unterschiedlichen Regierungssystemeziehe. Erfreulich eindeutig positioniertesich die Gewerkschaftsfhrung der GEWHessen und Baden-Wrttemberg. Der ba-den-wrttembergische GEW-VorsitzendeRainer Dahlem erklrte, ein engagierter undunbequemer Lehrer sei ein besseres Vorbild

    fr unsere Kinder als viele unsere Polite-rinnen und Politiker, die allen nach demMund reden. Ebenso wie die stellvertreten-de Vorsitzende der GEW Hessen CarmenLudwig, die das Urteil als einen Akt der po-litischen Justiz bezeichnete, versicherte erMichael Csaszkczy die rechtliche und po-litische Untersttzung in seinem weiterenKampf gegen das Berufsverbot. Weiter In-formationen finden sich unter www.gegen-berufsverbote.de

    Quelle: Indymedia

    RedebeitragMichael CsaszkczysLiebe Freundinnen und Freunde,liebe Kolleginnen und Kollegen,

    liebe Genossinnen und Genossen,ich mchte mich bei euch bedanken dafr,dass wir heute so viele sind. Mehr als zweiJahre dauert nun schon das Berufsverbot,das das Land Baden-Wrttemberg gegen

    mich verhngt hat, und ich habe in dieserZeit gelernt, dass es falsch ist, aus Trotz denHelden zu spielen und so zu tun, als wr-de alles, was mir widerfhrt, einfach an mirabprallen.

    Ich habe mich in den letzten zwei Jahren

    oft genug ziemlich hilflos und allein ge-fhlt. Wenn ich Euch hier sehe, wei ich,dass ich nicht allein bin und dass die Aus-einandersetzungen, die ich mit dem Staathatte und habe, nicht allein meine Angele-genheit sind. Sie sind die Sache von vielen.

    Sie sind die Angelegenheit von allen, diesich nicht damit zufrieden geben, dass die

    Welt so ist, wie sie ist, die nicht dem Schwin-del aufsitzen, dass diese Welt die beste al-ler mglichen Welten sei.

    Diese Auseinandersetzungen sind die An-gelegenheit von allen, die es nicht fr eineunumstrzliche Glaubenswahrheit halten,dass der Kapitalismus das Ende der Ge-schichte sei.

    Sie sind die Angelegenheit von allen, dieder berzeugung sind, dass eine Gesell-schaft von der offenen Diskussion ber not-wendige Vernderungen lebt.

    Ich habe das Urteil, das das Verwal-tungsgericht Karlsruhe am 13.03. gefllthat, zur Kenntnis genommen, und ich ha-be mir die Begrndung grndlich durchge-lesen. Weil an meinen persnlichen Tatenoffensichtlich nichts Verdammenswertes zufinden war, hat mich das Gericht zunchst

    einmal als engagierten Streiter gegenRechts und fr friedliche Auseinanderset-zungen mit der Staatsmacht bezeichnet,nur um mir anschlieend vorzuwerfen,mein moralischer Rigorismus, mein le-bensfremder Idealismus wrden ber dasZiel hinausschieen.Wenn mit moralischem Rigorismus ge-

    meint ist, dass meine Moralvorstellungennicht so flexibel sind wie die derjenigen, dieuns allerorten als treue Freunde unserer

    Verfassung prsentiert werden, dann lasseich mir diesen Vorwurf gern gefallen.

    Meine Moralvorstellungen sind nicht so

    flexibel wie die derjenigen, die tagtglichohne mit der Wimper zu zucken bereit sind,Menschen in Folter, Elend und Tod abzu-schieben.

    Sie sind nicht so flexibel wie die Moral-

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    vorstellungen der frommen Christdemo-kratinnen und -demokraten, die noch heu-te den furchtbaren NS-Juristen Filbingerhofieren.

    Sie sind nicht so flexibel wie die Moralderjenigen, die die alltgliche rassistische

    Gewalt in Deutschland totschweigen wol-len, um das Ansehen der Nation nicht zugefhrden. Wenn mit lebensfremdem Idealismus

    gemeint ist, dass ich mir unter Demokratiemehr vorstellen kann, als alle vier Jahre einKreuz zu malen, dann will ich mich dazugern schuldig bekennen.

    Das Verwaltungsgericht hat in seinem Ur-teil insbesondere hervorgehoben, ein Leh-rer habe sich in Deutschland zu distanzie-ren von einer Gruppe, die folgendesschreibt:

    Zwischen dem Nationalsozialismus undder BRD hat es Kontinuitten gegeben undIm Deutschland der 90er Jahre sind rassi-stische bergriffe zur Normalitt gewor-den. Vor diesen Tatsachen soll ein Lehrerals treuer Staatsdiener also die Augen ver-schlieen.

    Die Berufsverbote in Deutschland stehenin einer finsteren Tradition, die nicht erstbei den Bismarckschen Sozialistengesetzen1878 beginnt. Schon immer gehrte es inDeutschland zur Staatsraison, Linke auswesentlichen Bereichen der Gesellschaft zu

    verdrngen, sie zu stigmatisieren und zu

    kriminalisieren.Das Verwaltungsgericht hat mir besttigt,dass ich nicht Gewhr dafr biete, jeder-zeit voll einzutreten fr die freiheitlich-de-mokratische Grundordnung. Die Formu-lierung ist nicht neu: Sie stammt aus demnationalsozialistischen Gesetz zur Wie-derherstellung des Berufsbeamtentumsaus dem Jahr 1933. Mit diesem Gesetz soll-ten Juden und Jdinnen, Kommunistinnenund Komunisten, Sozialdemokratinnenund Sozialdemokraten aus dem Staats-dienst entfernt werden. Es war der ersteSchritt zu ihrer Entrechtung, Vertreibung

    und Ermordung. Damals hie es, niemanddrfe in den ffentlichen Dienst, der nichtGewhr dafr biete, jederzeit rckhaltloseinzutreten fr den nationalen Staat.

    Das Grundsatzurteil des Bundesverfas-

    sungsgerichts, auf das sich das Gericht be-zieht, stammt aus der Feder Willi Geigers,damals Bundesverfassungsrichter. DieGrundzge des Urteils finden sich bereits inseiner Dissertation aus dem Jahre 1941 berdie Rechtsstellung des Schriftleiters. In

    dieser Arbeit diskutierte Geiger 1941 die be-sten Mglickeiten, Marxisten und andereSchdlinge an Volk und Heimat aus denMedien fernzuhalten. Den Doktortitel, densich Geiger mit dieser Hetzschrift erwarb,setzte er 1975 auch stolz unter sein Urteilzum Thema Berufsverbote.Ausgerechnet auf diese juristischen Tex-

    te beruft sich das Verwaltungsgericht, ummir zu verbieten, von einer Kontinuitt zwi-schen Nationalsozialismus und BRD-Ge-sellschaft zu reden! Allerdings: In Deutsch-land ber Faschismus zu reden heit nochimmer, im Haus des Henkers ber den Strickzu reden.Aus dem Urteil des Gerichts wird die Be-

    strebung berdeutlich, sich von den lsti-gen Brden zu befreien, die die national-sozialistische Vergangenheit einer selbst-bewusst gewordenen deutschen Nation im-mer noch auferlegt. Da soll nach Ansichtdes Gerichts ber faschistische Kontinuit-ten und ber rassistische bergriffe nichtmehr geredet werden.

    Nicht nur in der Urteilsbegrndung, son-dern auch in den Medien ist mir immer wie-der vorgeworfen worden, dass ich nicht be-

    reit war, mich von folgendem Satz zu di-stanzieren: Militanz ist fr uns ein legiti-mes Mittel im Kampf um Befreiung.

    Eine Distanzierung von diesem Satzkommt fr mich schon deshalb nicht in Fra-ge, weil ich das als Verhhnung aller der-

    jenigen empfinden wrde, die im Wider-stand gegen den Nationalsozialismusgekmpft haben. Allerdings empfinde iches nicht als zu viel von den Schulbehrden

    verlangt, doch einmal im Duden die Be-deutung des Wortes militant nachzu-schlagen: Dort steht kmpferisch fr sei-ne berzeugungen eintretend und als Bei-

    spiel ist genannt eine militante Pazifistin.In diesem Sinne ist Militanz eine bittereNotwendigkeit in einer Zeit, in der brger-liche und soziale Rechte zunehmend ein-geschrnkt werden und in der Antisemitis-

    mus und Rassismus in unserer Gesellschaftweiter wachsen.Wir brauchen viele Menschen, die bereit

    sind, kmpferisch fr ihre berzeugungeinzutreten und die sich dabei weder vonMinisterien noch vom Verfassungsschutzeinschchtern lassen.

    Der Inlandsgeheimdienst, von dem ichnicht so recht wei, warum er eigentlichden Namen Verfassungsschutz trgt,

    spielt in diesem Berufsverbotsverfahren ei-ne entscheidende Rolle.Das Verbotsverfahren gegen die NPD ist

    gescheitert, weil laut Bundesverfassungs-gericht nicht mehr auseinanderzuhaltenwar, wer aus berzeugung Nazi, wer ausberzeugung Verfassungsschtzer und weraus berzeugung beides war. Und einemsolchen Geheimdienst wird die Entschei-dung berlassen, einen Lehrer wegen sei-nes antifaschistischen Engagements ausdem Schuldienst fernzuhalten und seine be-rufliche Existenz zu zerstren!

    Die Politik, die der Verfassungsschutz be-

    treibt hat Tradition. Ein Verfassungsfeindaber ist - so das Karlsruher Verwaltungs-gericht, wer diese Tradition benennt undkritisiert.

    Die Klagen ber das politische Desinter-esse weiter Bevlkerungskreise und insbe-sondere der Jugend erweisen sich als pureHeuchelei. Politisches Engagement ist nurdann erwnscht, wenn es sich grundstz-lich mit den bestehenden gesellschaftlichen

    Verhltnissen abfindet.Lassen wir nicht zu, dass die Spielrume

    fr eine gesellschaftsverndernde emanzi-patorische Politik noch enger werden, alssie es ohnehin schon sind.Wenn wir die Rechte, die wir haben, nicht

    mehr wahrnehmen, dann existieren sie ir-gendwann nicht mehr.

    Noch einmal: Der Kampf gegen das Be-rufsverbot ist nicht allein eine Sache derer,die meine politischen Ansichten teilen. Erist die Sache aller derer, die nicht wollen,dass Einschchterung, Duckmusertumund Untertanengeist das politische Klimain unserer Gesellschaft bestimmen.

    Es geht nicht nur darum, dass mein Be-rufsverbot aufgehoben wird.

    Es geht auch nicht nur darum, dass dieBetroffenen der Berufsverbote aus den 70erund 80er Jahren endlich rehabilitiert undfr das ihnen zugefgte Unrecht entsch-digt werden - obwohl das eine wichtige For-derung ist.

    Es geht darum, dass die gesetzlichenGrundlagen der antidemokratischen Be-rufsverbote endlich aus unseren Gesetz-bchern verschwinden!Wenn wir die Wiederbelebung der Be-

    rufsverbote verhindern wollen, werden wiralle einen langen Atem brauchen. Ich hof-fe, dass ich darauf zhlen kann, dass wir

    gemeinsam diesen langen Atem haben!Es wird sicherlich nicht das letzte Malsein, dass wir zusammen fr Meinungs-freiheit und gegen politische Repression aufdie Strae gehen mssen. Bis dahin!

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    Anti-Nazi-Symbolesind erlaubt!Stuttgart.Als einen Erfolg der Vernunft be-zeichnet die Vereinigung der Verfolgten desNaziregimes die jngste Entscheidung desLandgerichts Stuttgart zur Affre umdurchgestrichene oder zerbrochene Haken-

    kreuze. Bei einem Infostand der VVN-BdAam 21.1. in Schorndorf wurden Flugbltter,Broschren und Anstecker beschlagnahmt,weil sie angeblich Kennzeichen verfas-sungswidriger Organisationen enthaltenwrden. Auf die Beschwerde der VVN-BdAgegen die Beschlagnahmung hat nun die 5.Groe Strafkammer am Landgericht Stutt-gart reagiert: Der Verdacht einer Straftatnach 86 a StGB ist nicht gegeben. (...)lm Hinblick auf die vorliegend ver-fahrensgegenstndlichen But-tons und die Flugbltter ... istschon auf den ersten Blick

    jedem unvoreingenom-menen Betrachter klar,dass die Bezugnahmeauf das nationalsozia-listische Kennzeichenin jeweils nachdrck-lich ablehnendemSinne geschieht. Auchist eine Gefahr, dassrechte Gruppierungendiese Art der Darstellungbenutzen knnten, dasKennzeichen wieder diesmalin ihrem Sinne in das politische

    Alltagsbild zu transportieren, nicht gege-ben. Es kann ausgeschlossen werden, dass

    Verfechter der politischen Ziele, fr die dasKennzeichen steht, es in dieser zerstrten Form verwenden wrden.

    Gleiches gilt fr die bildliche Darstellungdes Hakenkreuzes als Schlagbgel einerMausefalle .... Schon die karikierende Dar-stellung des Kennzeichens als fr dendurch den ,,Speck (d.h. die Parteien ,,DVU,NPD, REP usw.) Verfhrten mglicher-weise tdliche Falle bringt auch fr denoberflchlichen Betrachter eindeutig die

    Warnung vor der durch das Kennzeichensymbolisierten politischen Gesinnung unddamit deren deutliche Ablehnung zum Aus-druck. Verstrkt wird dies zum einen durchdie berschrift ,,Vorsicht Falle, zum ande-ren durch den zugehrigen Begleittext derBroschre. Darber hinaus sind derart ka-rikaturistische Darstellungen des Haken-kreuzes weder geeignet, einer Wiederbele-bung des Nationalsozialismus, seines Ge-dankengutes oder gar ehemaliger national-sozialistischer Organisationen zu dienen,noch entfalten sie eine Werbewirkung frdiese Ziele. Verfechter des Nationalsozia-

    lismus wrden dieses von ihnen hoch ge-haltene Symbol nie in dieser karikiertenForm verwenden (vgl. BGHST 25, 12811311)

    Auch das von der Staatsanwaltschaft be-anstandete ,,Mlleimer-Piktogramm er-

    fllt in der konkreten Form der Verwen-dung nicht den Tatbestand des $ 86 a StGB.Der Begleittext der Broschre stellt eindeu-tig klar, dass durch das Piktogramm einenationalsozialistisches Gedankengut ab-lehnende politische Gesinnung zum Aus-druck gebracht wird, die durch das Kenn-zeichen symbolisierten politischen ldeensomit ,,in den Mll gehren sollen. (Ge-schftsnummer: 5 Qs 17106 3 Gs 36/06 AG

    Schorndorf 7 Js 10686/06 StA Stuttgart)Am 22. Mrz wurde der hier zitierte Be-schluss des Landgerichts gefasst. Am 28.Mrz reichte die Staatsanwaltschaft Stutt-gart Klage gegen den Geschftsfhrer desNix gut-Versandes in Leutenbach bei

    Winnenden ein. Der Versand hatte T-Shirts,Aufkleber und andere Artikel mit densel-ben oder hnlichen Aufdrucken vertrieben.Sie alle enthalten eine klare Botschaft ge-

    gen Faschismus und Neofa-schismus. Angeblich geht es

    ihr darum, eine oberge-richtliche Entschei-

    dung herbeizu-fhren, die sie abersptestens mit derzitierten Entschei-dung des Landge-richtes erhaltenhat. (Entsprechen-de Entscheidun-

    gen hherer Ge-richte liegen eben-

    falls seit Jahren vor).Das alles kann nicht

    anders gewertet werden, alsein Vorwand, wider besseres

    Wissen und besserer Gerichtsentschei-dungen, weiterhin Zivilcourage gegen Na-zis zu kriminalisieren, junge Antifaschi-stinnen und Antifaschisten einzuschch-tern. Das Ganze ist ein Lehrstck fr ein ob-rigkeitlich ausgerichtetes Staats- und De-mokratieverstndnis, dem jedes Engage-ment der Brgerinnen und Brger ver-dchtig ist, selbst dann, wenn es das tut,was das Grundgesetz verlangt: Die Wrdeund die Rechte der Menschen gegen Fa-schismus und Rassismus zu verteidigen.

    Dieter Lachenmayer,aus: Antifa-Nachrichten

    Polizeischikanegegen Journalisten

    Am frhen Nachmittag des 31. Mrz dran-gen drei Polizisten drangen drei Polizistenin Zivil in meine Berliner Arbeits- und

    Wohnrume ein.Gegen 14 Uhr machten sie sich mit lau-

    ten Klopfen und Klingeln und den RufenPolizei, aufmachen bemerkbar. Nachdemich die Tr meiner Wohn- und Arbeitsru-me einen Spalt geffnet hatte, zeigte einerder Beamten kurz seine Polizeimarke und

    stellte den Fu in die Tr. Der andere sag-te, dass er einen Menschen suche, der beimir angemeldet ist und sich in der Woh-nung aufhalte. Ich erklrte, dass der Ge-suchte zwar seine Postadresse hier habe,aber nicht da wohne. In aggressiven Tonerklrten die drei, dass sie das nicht glau-ben und sofort in die Rume wollten.

    Ich verlange vorher einen Durchsu-chungsbefehl fr diese Rume und machte

    darauf aufmerksam, dass ich der Mieter seiund als Journalist auch mein Arbeitszim-mer dort habe. Der erste der drei packtemich darauf sofort an den Armen, verdrehtemir die Hnde, dass ich Quetschungen amMittelfinger der rechten Hand davon trug.Der Schlssel zur Wohnungstr, der nochim Schloss steckte, wurde dadurch verbo-gen.Whrend der Beamte mich festhielt und

    in den Flur schob, drangen seine beidenKollegen in meine Wohn- und Arbeitsru-me ein. Ich rief, dass es die Aktion un-rechtmig sei, weil ich auer der Polizei-

    marke kein Papier gesehen habe, das eineDurchsuchung rechtfertigt.

    Nachdem sich die drei nach kurzer In-spektion der Rume berzeugt hatten, dassder Gesuchte dort nicht zu finden waren,nahmen sie meine Personalien auf, die sieber Funk abglichen.

    Sie erklrten, dass sie immer wieder kom-men wrden, bis sie den Gesuchten gefun-den htten. Auerdem kndigten sie an,dass sie gegen mich eine Anzeige wegen

    Widerstand gegen die Staatsgewalt bzw.das versuchte Verhindern von Amtshan-deln stellen wollten, weil ich sie nicht so-fort in meine Arbeits- und Wohnrume ge-lassen htten.

    Einen Durchsuchungsbefehl bruchtensie nicht, weil es sich bei der Aktion um kei-ne Wohnungsdurchsuchung handelt, er-klrten sie. Nach einer Durchsuchung se-he es anders aus, da wrden ihre Bcher aufden Boden liegen, erklrte einer der Be-amten mit Blick auf ein Bcherregal.Auch den Haftbefehl gegen den Gesuch-

    ten knnten sie mir aus Datenschutz-grnden nicht zeigen, betonten sie. Auchdie Grnde fr den Haftbefehl drfte ich

    deshalb nicht erfahren. Immerhin konnteich kurz auf die erste Seite des Aktenzei-chens blicken, bevor die Beamten nach ca.10 Minuten meine Arbeits- und Wohnru-me wieder verlieen.Auf mein Verlangen hndigte man mir

    ein Protokoll der Eingriffsermchtigungmit dem Aktenzeichen des Haftbefehls ge-gen den Gesuchten aus. Das war das ersteSchriftstck, das ich bekam, aber erst nach-dem die Aktion beendet war.

    Ich habe bei der Entgegennahme des Pro-tokolls noch einmal meinen Protest be-krftigt, weil sie ohne mir vorher ein

    Schriftstck zu zeigen, gewaltsam in mei-ne Arbeits- und Wohnrume eingedrungensind. Rechtliche Schritte gegen die Ma-nahme behalte ich mir vor.

    Peter Nowak, Berlin, 2.4.06

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    1.April, DessauUnter dem Motto Gegen rassistische Staats-gewalt, Vertuschung und Straflosigkeit undzur Aufklrung des Todesfalls von Oury Jal-

    loh sind am 1.April ca. 1000 Menschen ausdem gesamten Bundesgebiet zu der bundes-weiten Demonstration in Dessau zusammengekommen.

    Zu der Demonstration haben die Selbstor-ganisationen der MigrantInnen und Flcht-linge wie Plataforma-Berlin, The Voice-Fo-rum, Carawane, Flchtlingsinitiative Berlin-Brandenburg und antirassistische Gruppenwie die Antirassistische Initiative Berlin mo-bilisiert. Entsprechend stark war die Prsenzder Flchtlinge und MigrantInnen mit ihrenlautstarken Parolen wie Oury Jalloh, das istMord, Kampf dem Rassismus an jedem Ort.Die Notwendigkeit der internationalen Soli-daritt drckte sich besonders in der ParoleHoch die internationale Solidaritt aus.

    Die am Hauptbahnhof mit einer Auftakt-kundegebung beginnende Demonstration

    verzgerte sich wegen der besonders anfangsaggressiven Haltung der Polizei. Durchsu-

    chungen und Personenkontrollen konntenerst durch den entschlossenen Widerstandder DemonstrantInnen verhindert werden.Die Demonstration wurde durchgehend po-lizeilich abgefilmt. Die im Vorfeld ausge-sprochene Drohung und Untersagung der

    Aussage, dass Oury Jalloh ermordet wurde,wurde durch die konsequente Haltung der Or-ganisatorInnen zur Farce gemacht. Die be-rechtigte Wut und Entschlossenheit der Teil-nehmerInnen, vor allem der afrikanischenFlchtlinge, kennzeichnete die Stimmung derdurch die Innenstadt verlaufenden Demon-stration.

    Trotz des anfangs nieseligen Wetters, dassich gegen Ende in Sonne verwandelte, undder Spannung mit der Polizei liefen die Teil-

    nehmerInnen etwa vier Stunden lang in ei-ner gemischten Stimmung des Selbstbewus-stseins und des Gedenkens an Oury Jalloh. Inden Redebeitrgen hie es immer wieder, dasser nicht tot ist, weil er in unseren Herzenlebt.Whrend der allgegenwrtige Rassismus in

    Deutschland angeprangert wurde, wurde diesofortige Aufklrung und Gerechtigkeit imTodesfall von Oury Jalloh gefordert. Die we-

    nigen Passanten der geisterhaft wirkendenStadt Dessau haben gut gestaunt, als sie vonhunderten meist schwarzen Menschen zuhren bekamen, wie verrufen diese Stadt ist:Oury Jalloh verbrannte lebendig in einer Po-lizeizelle und Alberto Adriano wurde von denNazis tot geschlagen.

    Die selbstorganisierten MigrantInnen undFlchtlinge gaben mehrfach zu erkennen,dass sie solange kmpfen werden, bis die

    Wahrheit ans Licht kommt und die Verant-wortlichen zur Rechenschaft gezogen wer-den. Bewaffnet allein mit ihrer Wrde undihrer Bekennung zur Freiheit und Gerechtig-

    keit verkndeten sie ihren bundesweit ver-netzten Kampf gegen Diskriminierung, Ab-schiebungen und Polizeiterror.

    gb/Plataforma-Nachrichten

    Entwicklungen aus Dessau -Die Vertuschung geht weiter

    Berlin, 31.03.2006In den wenigen Tagen vor der bundesweitenDemonstration in Dessau fr Aufklrung, Ge-rechtigkeit, Entschdigung im Mordfall vonOury Jalloh sind wir wiederholt mit der trau-rigen Wirklichkeit des institutionellen Ras-sismus und den Versuchen konfrontiert, dies

    Demonstration gegen Vertuschung

    Erklrung der Nebenklage im FallOury Jalloh

    Verschleppung der AntrgekritisiertBei uns drngt sich zunehmend der Eindruckauf, dass das Strafverfahren von dem Land-gericht Dessau verschleppt werden soll.

    Der Tod von Oury Jalloh liegt nun schonannhernd 15 Monate zurck. Am 6.5.2005hat die Staatsanwaltschaft Dessau gegen 2Polizeibeamte Anklage erhoben. Diese An-klage ist bis heute nicht zugelassen worden.Statt dessen hat das Landgericht Dessau erstam 17.10.2005, also fnfeinhalb Monatespter, einen Beschluss gefasst, wonach dieStaatsanwaltschaft vor der Entscheidungber die Frage, ob die Anklageschrift zuge-lassen wird, weitere Beweiserhebungendurchzufhren habe.Wenn das LG Dessau der Auffassung ist,

    dass die Anklageschrift bislang noch nichtzugelassen werden kann, so ist bereits diesvon unserer Seite aus nicht nachvollziehbar.Die Staatsanwaltschaft hat nach unserer

    Auffassung umfangreiches Belastungsmate-rial gegen die beiden Beschuldigten zusam-mengetragen, wonach eine ausreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit gegebenist. Vollends unverstndlich bleibt jedoch,warum das LG mehr als 5 Monate bentigt,um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass hiernoch weitere Ermittlungen erforderlich sind.Seit diesem Zeitpunkt sind nunmehr weite-re 5 Monate ins Land gegangen, ohne dassdie Ermittlungen zum Abschluss gebrachtworden sind.

    Eine hnliche Verzgerung des LG Dessauist bei der Bearbeitung der Antrge auf Zu-lassung der Eltern des Herrn Jalloh als Ne-benklger und unserer Beiordnung als Ver-treter der Eltern zu beobachten. Bereits am8.3.2005 wurde der Antrag auf Zulassung derNebenklage der Frau Mariama Djombo Dial-lo als Mutter des Herrn Jalloh gestellt, am30.9. 2005 erfolgte ein entsprechender An-trag des Herrn Diallo als Vater. Trotz diver-

    ser Erinnerungen hat es das LG Dessau bisheute noch nicht einmal fr ntig befunden,ber diese Antrge zu entscheiden. Es istnicht erkennbar, welche Grnde das Gericht

    fr diese Verschleppung der Antrge hat. Willman die Eltern hier nicht im Verfahren alsProzessbeteiligte haben? Mchte das LG Des-sau keine NebenklagevertreterInnen in demVerfahren haben? Geht es darum, einen Pro-zess, der von einer besonderen ffentlichenWahrnehmung begleitet wird, so in die Ln-ge zu ziehen, bis das Interesse der ffent-lichkeit gesunken ist? Will man hier die Ne-benklage aus dem Verfahren heraushalten,um sich ein aufwendiges Verfahren, in demversucht wird, smtliche Ungereimtheiten,die es weiterhin zu den Geschehnissen am7.1.2005 in der Polizeiwache Dessau gibt, zuersparen?

    Die Eltern des Herrn Jalloh haben einenAnspruch auf die zgige Durchfhrung desVerfahrens und auf umfassende Ermittlun-gen der Todesursache ihres Sohnes. Wir hof-fen sehr, dass dieser Anspruch dem LG Des-sau auch mit der Demonstration am 01. April2006 in Dessau klar gemacht wird und die

    ffentlichkeit den Fortgang des Verfahrensweiterhin aufmerksam beobachten wird.RAin Regina GtzRA Ulrich von Klinggrfrlin, 31. Mrz

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    zu vertuschen.Zum einem haben wir gestern die Infor-

    mation von einer Journalistin und einemMenschen aus Dessau besttigt bekommen,dass es jetzt entschieden worden ist: Die Ne-benklage der Eltern Oury Jallohs wurde ab-gelehnt. Nach wie vor bezweifeln sie, ob dieEltern tatschlich die Eltern sind. Das, ob-wohl die verkohlte Leichnam von Oury Jal-loh schon im Mrz letztes Jahres zurck an

    die Eltern im Zusammenarbeit mit der Bot-schaft von Guinea geschickt worden ist.Aber die Vertuschung ... geht viel, viel wei-

    ter als die koordinierten Versuche, einen Ge-richtsprozess zu verhindern und die Aussch-lieung der Familie und deren Rechtsanwl-tInnen. Um die Vertuschung vollstndig ma-chen zu machen, mssen eben die Stimmen,die sich dagegen aussprechen, zum Schwei-gen gebracht werden. Dies ist der wahreGrund warum sie das Telecaf von MouctarBah geschlossen haben - aus ffentlichem

    Interesse. Obwohl sie behaupten, dass es umwas anders geht, der Laden sei stark fre-quentiert (Stadt Dessau) von der Drogens-zene, und Mouctar habe nicht genug unter-nommen, um Drogen von der Strae fernzu-halten. Da viele darin eine politisch-moti-

    vierte Bestrafung sehen, wurde eine kleineAnfrage beim Landstag gestellt, wo u.a. ge-fragt wurde: Stellt die Polizei zwischen demsich dort befindenden Callcenter [MouctarBahs Telecaf] und den Straftaten einen Zu-sammenhang her? Wenn ja, welchen? Wie

    wird das begrndet? Die Antwort von derLandesregierung, die gezwungen war, ihrepolizeilichen Kenntnisse offen zulegen lau-tete: Der Landesregierung ist ein dort be-findliches Callcenter nicht bekannt.? Dasnennen wir Polizeiterror. Wir fordern Ent-schdigung fr die Verfolgung von MouctarBah!

    Letztens verurteilen wir die Versuche, dieDemonstration am kommende Samstag zukriminalisieren, und die Versuche, uns davonabzuhalten, dass wir unsere Meinung in derffentlichkeit tragen: OURY JALLOH WUR-DE IN EINER POLIZEIZELLE ERMORDET.

    Die Stadt Dessau und Polizei tun alles, umAngst zu schren, uns als gewaltorientiertzu bezeichnen und um unsere Stimme zumSchweigen zu bringen. Heftige Auflagenwurden uns aufgezwungen, u.a. dass wir das

    Wort Mord nicht benutzen drfen. Die Wi-derspruch dagegen ist beim Verwaltungsge-richt Dessau gescheitert. Die Ablehnung ba-siert sich zum Teil auf einem Urteil aus Frank-reich von ... 1976 (!) Auerdem besttigt dasGericht die extreme Gefahrenprognose derPolizei. Ihre Begrndung: Zum Teil gelogeneEinzelflle von zwei vorherigen Demonstra-tionen in Dessau bezglich des Mordes anOury Jalloh, wobei sie jeweils zwei Beispiele

    benutzen, um die Forderungen nach Auf-klrung, Gerechtigkeit und Entschdigung zukriminalisieren. Unsere Beschwerde liegt zurZeit beim OVG Magdeburg.Wir rufen alle solidarischen Menschen da-

    zu auf, an der Demonstration teilzunehmen.Auerdem machen wir bekannt, dass wir ei-ne friedliche Demonstration durchsetzenwollen und alle Provokationen und Eskala-tionen deutlich ablehnen. Wir fordern dieBehrden dazu auf, unsere Rechte auf Mei-nungs- und Versammlungsfreiheit zu re-

    spektieren und keine Gewalt auf ei-ner Demonstration wo viele Flcht-

    linge und MigrantInnen erwartetwerden, ausben!AUFKLRUNG, GERECHTIGKEIT, ENT-SCHDIGUNGFR EINE FRIEDLICHE DEMO UND EINESOFORTIGE ERFFNUNG EINES FFENT-LICHEN PROZESSES IM MORDFALL OURYJALLOHSOFORTIGE ANERKENNUNG DER ELTERNOURY JALLOHSBESTRAFUNG UND ENTSCHDIGUNG FRDIE VERFOLGUNG VON MOUCTAR BAH!

    Initiative in Gedenken an OuryJalloh

    Protestkundgebungfr Mrio Bango

    Vor der slowakischen Botschaft in der Frie-drichstrae in Berlin demonstrierten amSamstag, den 11.03., rund 25 Personen frdie Freilassung Mrio Bangos. Mario, ein 23-

    jhriger Roma aus dem slowakischen Brati-slava, sitzt seit fnf Jahren im Gefngnis, weiler sich gegen einen Naziangriff zur Wehr ge-

    setzt hat.Die Kundgebung setzte sich deshalb mitdem Recht auf Selbstverteidigung auseinan-der. Mit Flyern auf Deutsch und Englisch be-kam auch das touristische Publikum Tipps,wie sie sich bei einer Bedrohungoder einem bergriff durch Rechts-extreme verhalten sollen.

    In kurzen Auffhrungen auf derStrae wurden verschiedene Situa-tionen gezeigt, mit denen alternati-

    ve Jugendliche und MigrantInnen jeden Tag in Berlin konfrontiertsind. Wenn einem/r ein Nazi entge-

    genkommt: Wie soll man nach Hil-fe rufen? Wie kann man einen tt-lichen Angriff abwehren? Wie kannman einen strkeren Angreifer inSchock versetzen? In der Simulati-

    on kamen Autoschlssel, Hakenschuhe, Pfef-ferspray usw. zum Einsatz.

    Ein Recht auf Notwehr ist in der deutschenwie auch in der slowakischen Gesetzgebung

    verankert. Doch als Mrio am 10. Mrz 2001einen faschistischen bergriff auf seinenBruder abgewehrt hat, wurde ihm diesesRecht aberkannt. Stattdessen wurde er we-gen versuchten Mordes zu 10 Jahren Haft

    verurteilt. Daher die Parole: Notwehr ist kein

    versuchter Mord - Freiheit fr Mrio, jetzt so-fort!Dieses Urteil basiert auf staatlichem Ras-

    sismus und zeigt deutlich die rechtliche Dis-kriminierung von Roma in der Slowakei.Schon vor dem Prozess gab es eine medialeHetzkampagne gegen Mrio und seinen Bru-der: die beiden Roma seien nur Taschendie-be, die der stolze Patriot (und bekannterNazi-Skinhead) aufhalten wollte. Deshalbforderte die Kundgebung vor der slowaki-schen Botschaft gleichzeitig ein Ende staat-licher Unterdrckung aller Art gegen die Ro-ma.

    Whrend der Kundgebung fuhr der gyp-tische Staatsprsident Mohammad Mubarakin einem Konvoi vorbei. Da konnten dieKundgebungsteilnehmerInnen die Gelegen-heit nutzen, um gegen das Massaker an su-danesischen Flchtlinge in Kairo im Dezem-ber 2005 zu protestieren und Freiheit fr al-le politischen Gefangenen in gypten zu for-dern.

    Es war trotz des ununterbrochenen Schnee-falls die bisher grte Aktion, die in Berlinfr Mrio stattgefunden hat. Im Anschlusshaben alle DemonstrantInnen eine Karte frMrio unterschrieben, um ihre Solidarittauszudrcken und ihn zu untersttzen. Zumfnften Jahrestag des Angriffs auf Mrio fan-den auch andere Aktionen statt: zum Beispielwurde am Mittwoch das slowakische Kul-turinstitut in Berlin kurzzeitig besetzt.

    Die Free-Mario-Kampagne bedankt sichbei allen, die im Schnee an der Kundgebungteilnahmen. Jetzt geht es darum, groe De-monstrationen am 18.3. zu veranstalten, undFreiheit nicht nur fr Mrio, sondern fr al-le politische Gefangenen zu fordern!

    Mario freut sich immer ber Post - alsoschreibt ihm:Mrio Bango, nar. 8.6.1982PS41019-17 ILAVASlovensko/Slovakia

    Free-Mario-Kampagne

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    Anwaltskammer Diyarbakir:

    Folter an Kin-dern in Poli-

    zeigewahrsamWie die Anwaltskammer Diyarbakir auf ei-ner Pressekonferenz mitgeteilt hat, sind dieMinderjhrigen, die whrend der vier Tageandauernden Auseinandersetzungen nachden Guerillabeerdigungen in der Stadt fest-genommen wurden, systematisch gefoltertworden. Als stellvertretender Vorsitzenderder Anwaltskammer erklrte RechtsanwaltTahir Elci, Gewalt drfe nicht als Methodein der Lsung der Probleme angewendet

    werden. Wie der jngste Vorfall in Istan-bul gezeigt hat, fhren diese Aktionen, dieden Tod vieler unschuldiger Menschen ver-ursacht haben, zu noch tieferen Verletzun-gen in der Gesellschaft und bergen die Ge-fahr, die gesamte Gesellschaft gegeneinan-der aufzubringen.

    Der Tod von Menschen im Alter zwischensechs und 78 Jahren in Diyarbakir im Ver-lauf der Vorflle sei nicht zu akzeptieren, soElci. Die Anwaltskammer verurteile dieRechtlosigkeit, die dabei stattgefunden ha-be. Die Sicherheitskrfte mssten davon ab-sehen, tdliche Schusswaffen einzusetzen.Willkrliche, extreme und unangemesseneGewalt darf nicht zur Anwendung kommen.Die Behrden und die Verantwortlichen frdiese Todesflle mssen ihr stattgefundenesund kommendes Vorgehen offen legen.An die Anwaltskammer sei in 543 Fllen

    von festgenommenen Verdchtigen die For-derung nach anwaltlichem Beistand gestelltworden, fhrte Rechtsanwalt Elci weiter aus.Davon seien 199 Personen im Alter unter 18Jahren, von denen wiederum 91 verhaftetworden seien. Von 344 festgenommenen Er-wachsenen seien 278 verhaftet worden.

    Einschlielich der Minderjhrigen habendie meisten der Tatverdchtigen berichtet,auf dem Weg zu den Gewahrsam-Zentrenund in diesen Zentren intensiv illegalenManahmen wie Misshandlung, Beleidi-gung und Folter ausgesetzt gewesen zu sein.Des Weiteren ist unseren Kollegen mitgeteiltworden, dass viele Personen, insbesondereMinderjhrige, festgenommen, misshandeltund ohne der Justiz vorgefhrt zu werdenwieder freigelassen und somit nicht regi-striert worden sind.

    Elci fhrte weiter aus, dass Folter verfas-sungsrechtlich verboten, als absolutes Ver-

    bot in verschiedenen von der Trkei unter-zeichneten internationalen Abkommen fest-gehalten und als Verbrechen an der Mensch-heit bezeichnet sei. Wir verurteilen die einweiteres Mal breite Anwendung von Folter.

    Mit den Vorfllen der vergangenen Tage istoffen zu Tage getreten, dass das Versprechender Regierung, Folter nicht tolerieren, trotzder Abnahme in der Anwendung in den ver-gangenen Jahren nur eine vorbergehendeHaltung im Zusammenhang mit dem EU-Beitrittsprozess darstellt und nicht aufrich-tig ist.

    Nach den Beobachtungen seiner Kollegenseien systematische Foltermethoden an denFestgenommenen angewendet worden. Sieseien gezwungen worden, sich auszuziehenund mit kaltem Wasser bergossen worden,so Elci. Die Anwaltskammer fordere wir-kungsvolle Ermittlungen, um die dafr Ver-antwortlichen zu finden.

    Schuss aus nchster NheZum Fall von Mahsuni Mizrak, der bei den

    Vorfllen zu Tode gekommen war, teilteRechtsanwalt Cengiz Analay mit, Mizrak seizuletzt am zweiten Tag der Auseinanderset-zungen gesehen worden, als er vor einemPolizeirevier festgenommen wurde. Danachhabe er als vermisst gegolten. Sein Leich-nam sei schlielich in der Leichenhalle dermedizinischen Fakultt wieder gefundenworden - mit einer tdlichen Verletzung, die

    von einem Schuss aus nchster Nhe her-vorgerufen worden sei.

    Im Anschluss an die Erklrungen wurdenDias der Folteropfer gezeigt.

    Quelle: DIHA, 04.04.2006, ISKU

    Anzeige gegen Untersttzer vonPinar SelekGegen 283 Intellektuelle aus der Trkei, dar-unter die Schriftsteller Yasar Kemal und Or-han Pamuk, ist Strafanzeige wegen einer Un-

    tersttzungserklrung fr die SoziologinPinar Selek gestellt worden.Rechtsanwalt Kemal Kerincsiz begrnde-

    te seine Anzeige, die er bei der Staatsan-waltschaft Istanbul einreichte, mit den Ar-

    tikeln 215 und 288 des trkischen Strafge-setzbuches, die die Straftaten Loben einesStraftters und Versuch der Beeinflussungder Justiz regeln.

    Die Untersttzungserklrung war am 14.Mrz 2006 in der Trkei verffentlicht wor-den. Rechtsanwalt Kemal Kerincsiz, der auch

    Vorstandsmitglied der Vereinigung der Ju-risten ist, hatte zuvor bereits Anzeige gegenden EU-Parlamentarier Joost Lagendijk ge-stellt.

    Quelle: ANF, 4.4.2006, ISKU

    Die drohende Auslieferung der kurdischenJournalistin Zbeyde Ersz an die Trkeimuss verhindert werden!

    Dringender Aufrufvon Kurdisches Frauenbros fr Frieden -Cen, Rechtshilfefonds fr Kurdinnen undKurden in Deutschland - Azad e.V., Infor-mationsstelle Kurdistan - ISKU e.V.

    CEN, AZAD und ISKU wenden sich mitdem dringenden Appell an Sie, gegen diedrohende Auslieferung der kurdischenJournalistin Zbeyde Ersz an die Trkeizu protestieren. Bei einer mglichen Aus-lieferung bestnden keinerlei Garantien frdie Gesundheit und das Leben der enga-gierten Journalistin.Am 15. Februar 2006 stellte die kurdische

    Journalistin Zbeyde Ersz bei der Aus-lnderbehrde in Luxemburg ihren Antragauf politisches Asyl. Bei ihrer Antragstel-lung wurde sie durch die Luxemburger Po-lizei aufgrund eines Haftbefehls der trki-

    schen Behrden verhaftet und ist nun miteiner Auslieferung an die Trkei bedroht.Jedoch haben der Haftbefehl und das Aus-lieferungsgesuchen der Trkei keinerleirechtliche Grundlage und sind nicht legi-

    Nach einem Angriff der trkischen Armee auf ein kurdisches Guerillalager, bei dem 14Guerillas zu Tode kamen, eskalierten die Auseinandersetzungen in zahlreichen kurdischenStdten in der Trkei. Die DTP (Partei fr eine demokratische Gesellschaft, Nachfolge-partei der gerade verbotenen DEHAP) warf der Armee vor, bei dem Angriff Giftgas ein-gesetzt zu haben. Bei den Auseinandersetzungen kommen 15 Menschen zu Tode, darun-ter auch Kinder. Unzhlige werden verhaftet.Als in Mnchen am 1. April rund 100 Menschen mit Plakaten und Sprechchren gegendie Gewalt der trkischen Armee und Polizei protestierten, strmten ohne jede vorwar-nung schwarz uniformierte USK-Sonderkommandos gegen die friedliche Kundgebung los,warfen Teilnehmer zu Boden und rissen Frauen an den Haaren. Neun Menschen wurdenfestgenommen, darunter die beiden Versammlungsleiter, ein Sprecher von Yekom, einkurdischer Journalist und ein Fachbereichsleiter von ver.di. Dieselben Krfte, die die Tr-kei aus der EU heraushalten wollen, weil sie die christlich-abendlndischen Werte nichtteile, kennen keine Skrupel, sie bei der Unterdrckung der Kurden aktiv und massiv zu

    untersttzen.

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    tim. Das wird schon daran deutlich, dass dietrkischen Behrden sich auf die unwahreBehauptung berufen, Frau Ersz sei im Zeit-raum von 1994 bis 1995 in der Trkei ankriminellen Aktivitten einer terroristi-schen Organisation beteiligt gewesen. Je-doch hielt sich Frau Ersz von November1993 bis April 1996 nachweislich inDeutschland auf und arbeitete hier als Jour-nalistin bei der Tageszeitung zgr Politi-

    ka.In der Trkei sind immer noch Men-schenrechtsverletzungen, Einschrnkun-gen der Presse- und Meinungsfreiheit so-wie Folter - einschlielich sexueller Folter- von politischen Gefangenen an der Ta-gesordnung. Insbesondere die andauern-den Angriffe der trkischen Sicherheits-krfte auf die kurdische Zivilbevlkerungund die notstandshnliche Situation in denkurdischen Provinzen der Trkei, machendeutlich, wie die Menschrechtssituation

    von KurdInnen aussieht: In der vergange-nen Woche wurden zumindest 13 Kurden

    durch trkische Sicherheitskrfte erschos-sen, bzw. erschlagen; ber 500 Menschenwurden verhaftet und in Polizeigewahrsamschwer gefoltert. Journalisten wie HalukBarik, Reporter von Kanal D Kiziltepe, derHerausgeber der Tageszeitung lkede z-gur Gndem, Hamza Ozkan n Istanbul, derZeitungsaustrger der lkede zgur Gn-dem, Yilmaz Yakut in Diyarbakir, der Re-porter M. Sakir Uygar und die Reporterinder lkede zgur Gndem Birgl zbariswurden gezielt durch die Polizei angegrif-fen, schwer verletzt und verhaftet. Von diesen rechtswidrigen bergriffen

    der Sicherheitskrfte sind bis heute insbe-sondere KurdInnen und kritische Journali-stInnen betroffen. Deshalb sind wir in ern-ster Sorge um das Leben und die Sicherheitder kurdischen Journalistin Zbeyde Ersz.Denn sie hat durch engagierten Journalis-mus und Berichterstattung unter Lebens-gefahr dazu beigetragen, dass die Verbre-chen des trkischen Militrs in den kurdi-schen Gebieten, die Morde unbekannterTter, systematische Folter in trkischenPolizeistationen und andere Menschen-rechtsverletzungen, einer breiten ffent-

    lichkeit bekannt wurden. In ihren Artikelnund Kolumnen hat sich Zbeyde Ersz im-mer wieder fr eine friedliche Lsung derkurdischen Frage, fr Vlkerverstndi-gung, eine Demokratisierung in der Trkeisowie die Rechte von Frauen und Kinderneingesetzt. Hiervon zeugen eine Reihe von

    Verffentlichungen, die sie u.a. als freie Re-porterin im Jahr 1993 fr die Tageszeitun-gen zgr Gndem und zgr lke in Ist-anbul, von Ende 1993 bis 1996 fr die Zei-tungen zgr lke, zgr Politika in Klnund Frankfurt, sowie im Zeitraum von 1996bis Anfang 2006 im Irak geschrieben hat.

    Wir sehen eine drohende Auslieferungnicht nur als eine Gefahr fr das Leben unddie Sicherheit von Frau Zbeyde Ersz, son-dern als eine Bedrohung, die sich auch ge-gen andere kurdische Frauen und Journa-

    listInnen richtet, die nicht schweigen zuUnrecht und Krieg gegen die kurdische Be-

    vlkerung in der Trkei.Deshalb fordern wir die luxemburgische

    Regierung auf, das Auslieferungsgesuchender trkischen Behrden zurckzuweisen.Demokratische Errungenschaften wie poli-tisches Asyl, freie Meinungsuerung unddie Pressefreiheit drfen nicht ausgehhltund konomisch-politischen Interessen ge-

    opfert werden.Wir fordern die sofortige Freilassung undentsprechend der Genfer Flchtlingskon-

    vention die Anerkennung des Asylrechtesder kurdischen Journalistin Zbeyde Ersz! Wir rufen alle JournalistInnen, Men-

    schenrechtlerInnen, FrauenrechtlerInnen,demokratische Persnlichkeiten und Insti-tutionen auf, gegen die drohende Ausliefe-rung von Zbeyde Ersz an die Trkei zuprotestieren.

    Schicken Sie bitte Protestfaxe oder Pro-testbriefe an die verantwortlichen Stellenin Luxemburg und zur Information an

    CEN.Protestschreiben knnen an folgende Ein-richtungen der Luxemburgischen Regierunggeschickt werden:Ministre dEtatLe Premier ministre Jean-Claude Juncker4, rue de la CongrgationL-1352 LuxembourgTel.: +352 478 21 00, Fax: +352 46 17 20Ministre de la JusticeMinistre de la Justice // Luc Frieden13, rue Erasme, btiment Pierre WernerL-1468 LuxembourgTel: +352 478 45 37, Fax: +352 22 76 61Ministre de lEgalit des chances12-14, avenue Emile ReuterL - 2921 LuxembourgTel: +352 478-5814, Fax: +352 24 18 86E-mail: [email protected]

    Solidaritt mit derTodesfastenden

    Fatma KoyupinarFatma Koyupinar, die ihren Todesfasten-widerstand in der 12. Fidan-Kalsen-Grup-pe fortsetzt und sich heute(23.3.) im 320.Tag ihres Widerstandes befindet, wurde am10. Mrz 2006 aus dem Staatskrankenhaus

    von Gebze entlassen und fhrt seitdemihren Widerstand im Istanbuler Stadtteil

    Armutlu weiter.Fatma Koyupinar wurde am 27. Februar

    2006 aus dem Gebze-Gefngnis gegenihren Willen entfhrt und in das Staats-krankenhaus von Gebze verlegt, wo sie per-

    manenten Drohungen hinsichtlich derZwangsernhrungsfolter ausgesetzt war. Whrend ihres 13-tgigen Krankenhau-saufenthaltes haben die Familien derTAYAD einen Sitzstreik vor dem Kranken-

    haus gefhrt, um ihre Solidaritt zu zeigenund der Zwangsernhrungsfolter vorzu-beugen. Aufgrund der Zwangsernhrungsfolter

    sind seit Beginn des Todesfastenwiderstan-des am 20. Oktober 2000 bis zum heutigenTage ca. 600 Menschen verkrppelt wor-den. Das letzte Opfer der Zwangsernhrungwar Serdar Demirel, welcher am 7. Januar2006 infolge dieser Folter einen Herzinfarkt

    erlitt und verstarb. 121 Menschen sind imLaufe dieser Zeit im Kampf gegen die Iso-lation gestorben. Das Todesfasten wird wei-terhin mit der Forderung nach Aufhebungder Isolation in den F-Typ Gefngnissenfortgesetzt.

    Fatma Koyupinars Aufruf an die ffent-lichkeit:

    Weshalb bin ich im Todesfasten?Ich mchte, dass die Isolation aufgeho-

    ben wird. Es wird beabsichtigt, die Isolati-on nicht nur in einem Gefngnis, sondernin smtlichen Bereichen der Gesellschaft zupraktizieren; und es wird praktiziert. Von

    den Herrschenden wird verlangt, dass alleblind, taub und stumm sind und tun, wasgefordert wird. Dabei ist es nicht sehrschwierig, die Isolation aufzuheben, siekann aufgehoben werden. Jedoch mssenalle Teile der Gesellschaft das tun, was ih-nen zufllt, wenn sie ihre eigenen Reaktio-nen zeigen, von unseren Intellektuellen,KnstlerInnen, von unseren Berufskam-mern bis hin zu den ArbeiterInnen, von denGewerkschaften bis hin zu den Menschenin den Vierteln, alle... es gibt sicherlich et-was, was getan werden kann.

    Ich sage, wenn ihr nicht wollt, dass wirsterben, dann seid mit uns, es gibt sicheretwas, was ihr tun knnt.

    Der Mensch ist mit seinen Gedanken einMensch. Mit seiner Wrde, seiner Identitt,seinem Glauben ... Dabei war das, was unsin den Gefngnissen aufgezwungen wurde,dass wir von unserer Identitt, Wrde undMenschlichkeit loslassen und darauf ver-zichten. Solch ein Leben konnte nicht ak-zeptiert werden, wir haben es nicht akzep-tiert, wir akzeptieren es nicht und werdenes auch nicht akzeptieren. Und ich glaubedaran; kein wrdevoller Mensch wird es ak-

    zeptieren. Und er wird Anteilnahme zeigenund sicherlich etwas finden, um etwas frdie Aufhebung der Isolation zu tun ... (Fat-ma Koyupinar, 13. Mrz 2006)Als das Tayad Komitee rufen wir hiermit

    alle solidarischen Menschen und Organisa-tionen dazu auf, Fatma Koyupinar in ihrem

    Widerstand gegen die Isolationsfolter zuuntersttzen.

    Bitte richtet Eure Solidarittsschreiben andie unten aufgefhrten Adressen des TayadKomitee, damit diese umgehend bersetztund nach Istanbul weitergeleitet werdenknnen.

    Tayad KomiteeWeserstr. 5612045 Berlin / GermanyFax: 0049.30.32665653E-Mail: [email protected]

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #310

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