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tung erleichtern und Pflanzen- züchtern Zeit und Kosten sparen. [1] G. F. Shull, Rep. Am. Breed. Assoc. 1908, 5, 51–59. [2] D. F. Jones, Genetics 1917, 2, 466–479. [3] A. Paschold, Y. Jia, C. Marcon, S. Lund, N. B. Larson, C. T. Yeh, S. Ossowski, C. Lanz, D. Nettleton, P. S. Schnable, F. Hochhol- dinger, Genome Res. 2012, 22, 2445–2454. Frank Hochholdinger, Universität Bonn [email protected]; Anja Paschold, Universität Bonn [email protected]; Caroline Marcon, Universität Bonn [email protected] miert werden (Abbildung 2a). Es handelt sich dabei also um Kom- plementation der Genexpression in Hybriden, die dazu führt, dass in Maishybriden hunderte Gene mehr aktiv sind als in den Eltern- linien (Abbildung 2b). Diese zu- sätzlich aktiven Gene könnten, ob- wohl jedes einzelne vermutlich nur einen geringen Beitrag leistet, in der Summe mit dafür verant- wortlich sein, dass Hybride leis- tungsfähiger als ihre Eltern sind. Die Identifizierung und Analyse von wenigen hundert Genen, die zwischen verschiedenen Linien ak- tiv beziehungsweise inaktiv sind, könnte zukünftig die Auswahl ge- eigneter Linien für die Hybridzüch- TREFFPUNKT FORSCHUNG | tistischen Methoden konnte nun in Maiswurzeln ein Spezialfall der Do- minanzhypothese auf Ebene der Genexpression nachgewiesen wer- den [3]. Dabei wurde gezeigt, dass es in den Maisinzuchtlinien B73 und Mo17 jeweils hunderte von Genen gibt, die nur in einer der beiden Inzuchtlinien, aber in bei- den reziproken Hybriden expri- 12 | Biol. Unserer Zeit | 1/2013 (43) www.biuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim EXKURS: MACHT GENTECHNIK HYBRIDMAIS ÜBERFLÜSSIG? In der öffentlichen Diskussion wird gentechnisch veränderter Mais oft mit höheren Erträgen in Verbindung gebracht. Auf den ersten Blick könnten transgene Maissor- ten also eine Alternative zur Züchtung von Hybridmais sein. Dies ist allerdings nicht richtig. Während Hybridzüchtung auf Ertragssteigerung abzielt, sorgen transgene Maissorten in der Regel für Ertragssicherheit. Ertrags- sicherheit bedeutet, dass gentechnisch veränderte Pflanzen toleranter gegenüber ungünstigen Umweltbedingungen wie beispielsweise Trockenheit oder resistent ge- genüber Schädlingen wie dem Maiszünsler oder dem Maiswurzelbohrer sind. Der konventionelle Ansatz der Hybridmaiszüchtung (Ausnutzung von Heterosis) wird seit über 80 Jahren in der Maiszüchtung eingesetzt und kommt auch bei allen trans- genen Sorten zum Einsatz. Das heißt, alle transgenen Sorten sind gleichzeitig Hy- bride, die somit hohe Erträge (Heterosis) und Ertragssicherheit (Resistenzen) kombi- nieren. In den USA, dem weltgrößten Maisproduzenten, waren im Jahr 2012 bereits 88% des angebauten Mais gentechnisch verändert, weltweit 31%, die Tendenz ist steigend. ABB. 2 a) Während die meisten der exprimierten Gene (33.101) in allen vier Genotypen aktiv sind, gibt es meh- rere hundert Gene (358 und 766), die nur in einer der bei- den Elternlinien, aber beiden Hybriden aktiv sind und so- mit Komplementation auf Genexpressionsebene zeigen. b) Die Expression hunderter Gene in nur einer der Elternli- nien – aber in beiden Hybriden – führt dazu, dass in Hybri- den mehr Gene aktiv sind als in den Elternlinien. Elter B73 Elter Mo17 Hybride B73 x Mo17 358 Gene 766 Gene Hybride Mo17 x B73 Gen- expression Ja Nein Ja Nein Genotyp 33.101 Gene Ja Nein Genotyp B73 B73 x Mo17 Mo17 x B73 Mo17 Genotyp B73 B73 x Mo17 Mo17 x B73 Mo17 Akve Gene 33.460 34.225 34.226 33.874 a) b) ARTENSCHUTZ Geiersterben auf dem indischen Subkontinent beendet? Keine andere Tierart beseitigt Kadaver so gründlich wie die Geier. Fällt diese „Gesundheitspolizei“ aus, erwachsen daraus Gefahren für den Menschen. Besserung scheint in Sicht. Während in den 1980er Jahren noch millionenfach Geier den Himmel über dem Indischen Sub- kontinent bevölkerten, setzte in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eine katastrophale Abnahme auf rund 60.000 ein. Dieser Rück- gang betraf alle drei vorkommen- den Geierarten, am stärksten aber den Bengalgeier (Gyps bengalen- sis). In einem Nationalpark im Nordwesten Indiens beobachtete man, dass die Geier einfach aus dem Geäst fielen und starben. Nun haben Geier ja keinen be- sonders guten Ruf und in Europa kommen auch nur noch wenige Geier vor – also geht es auch ohne sie. Doch in Indien ist die Lage an- ders. Dort sind Rinder heilige Tiere und dürfen vom Menschen nicht geschlachtet und gegessen werden. Die Kadaver von verende- ten „Heiligen Kühen“ werden vor den Städten gesammelt und den Geiern überlassen – bisher. Mit der Dezimierung der Geier blieben im- mer mehr Kadaver liegen, häuften

Geiersterben auf dem indischen Subkontinent beendet?

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Page 1: Geiersterben auf dem indischen Subkontinent beendet?

tung erleichtern und Pflanzen-züchtern Zeit und Kosten sparen.

[1] G. F. Shull, Rep. Am. Breed. Assoc. 1908,5, 51–59.

[2] D. F. Jones, Genetics 1917, 2, 466–479.[3] A. Paschold, Y. Jia, C. Marcon, S. Lund, N.

B. Larson, C. T. Yeh, S. Ossowski, C. Lanz,D. Nettleton, P. S. Schnable, F. Hochhol-dinger, Genome Res. 2012, 22,2445–2454.

Frank Hochholdinger, UniversitätBonn

[email protected];Anja Paschold, Universität Bonn

[email protected];Caroline Marcon, Universität

[email protected]

miert werden (Abbildung 2a). Eshandelt sich dabei also um Kom-plementation der Genexpressionin Hybriden, die dazu führt, dassin Maishybriden hunderte Genemehr aktiv sind als in den Eltern -linien (Abbildung 2b). Diese zu-sätzlich aktiven Gene könnten, ob-wohl jedes einzelne vermutlichnur einen geringen Beitrag leistet,in der Summe mit dafür verant-wortlich sein, dass Hybride leis-tungsfähiger als ihre Eltern sind.Die Identifizierung und Analysevon wenigen hundert Genen, diezwischen verschiedenen Linien ak-tiv beziehungsweise inaktiv sind,könnte zukünftig die Auswahl ge-eigneter Linien für die Hybridzüch-

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tistischen Methoden konnte nun inMaiswurzeln ein Spezialfall der Do-minanzhypothese auf Ebene derGenexpression nachgewiesen wer-den [3]. Dabei wurde gezeigt, dasses in den Maisinzuchtlinien B73und Mo17 jeweils hunderte vonGenen gibt, die nur in einer derbeiden Inzuchtlinien, aber in bei-den reziproken Hybriden expri-

12 | Biol. Unserer Zeit | 1/2013 (43) www.biuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

E X KU R S : M AC H T G E N T EC H N I K H Y B R I D M A I S Ü B E R F L Ü S S I G ?

In der öffentlichen Diskussion wird gentechnisch veränderter Mais oft mit höherenErträgen in Verbindung gebracht. Auf den ersten Blick könnten transgene Maissor-ten also eine Alternative zur Züchtung von Hybridmais sein.

Dies ist allerdings nicht richtig. Während Hybridzüchtung auf Ertragssteigerungabzielt, sorgen transgene Maissorten in der Regel für Ertragssicherheit. Ertrags -sicherheit bedeutet, dass gentechnisch veränderte Pflanzen toleranter gegenüber ungünstigen Umweltbedingungen wie beispielsweise Trockenheit oder resistent ge-genüber Schädlingen wie dem Maiszünsler oder dem Maiswurzelbohrer sind. Derkonventionelle Ansatz der Hybridmaiszüchtung (Ausnutzung von Heterosis) wirdseit über 80 Jahren in der Maiszüchtung eingesetzt und kommt auch bei allen trans-genen Sorten zum Einsatz. Das heißt, alle transgenen Sorten sind gleichzeitig Hy-bride, die somit hohe Erträge (Heterosis) und Ertragssicherheit (Resistenzen) kombi-nieren. In den USA, dem weltgrößten Maisproduzenten, waren im Jahr 2012 bereits88% des angebauten Mais gentechnisch verändert, weltweit 31%, die Tendenz iststeigend.

A B B . 2 a) Während die meisten der exprimierten Gene(33.101) in allen vier Genotypen aktiv sind, gibt es meh-rere hundert Gene (358 und 766), die nur in einer der bei-den Elternlinien, aber beiden Hybriden aktiv sind und so-mit Komplementation auf Genexpressionsebene zeigen. b) Die Expression hunderter Gene in nur einer der Elternli-nien – aber in beiden Hybriden – führt dazu, dass in Hybri-den mehr Gene aktiv sind als in den Elternlinien.

ElterB73

ElterMo17

HybrideB73 x Mo17

358 Gene

766 Gene

HybrideMo17 x B73

Gen-expression

Ja

Nein

Ja

Nein

Genotyp

33.101 GeneJa

Nein

Genotyp B73 B73 x Mo17 Mo17 x B73 Mo17

Genotyp B73 B73 x Mo17 Mo17 x B73 Mo17

Ak�ve Gene 33.460 34.225 34.226 33.874

a)

b)

A R T E N S C H U T Z

Geiersterben auf dem indischen Subkontinent beendet?

Keine andere Tierart beseitigt Kadaver so gründlich wie die Geier. Fälltdiese „Gesundheitspolizei“ aus, erwachsen daraus Gefahren für denMenschen. Besserung scheint in Sicht.

Während in den 1980er Jahrennoch millionenfach Geier denHimmel über dem Indischen Sub-kontinent bevölkerten, setzte inder zweiten Hälfte der 1990erJahre eine katastrophale Abnahme

auf rund 60.000 ein. Dieser Rück-gang betraf alle drei vorkommen-den Geierarten, am stärksten aberden Bengalgeier (Gyps bengalen-sis). In einem Nationalpark imNordwesten Indiens beobachtete

man, dass die Geier einfach ausdem Geäst fielen und starben.

Nun haben Geier ja keinen be-sonders guten Ruf und in Europakommen auch nur noch wenigeGeier vor – also geht es auch ohnesie. Doch in Indien ist die Lage an-ders. Dort sind Rinder heiligeTiere und dürfen vom Menschennicht geschlachtet und gegessenwerden. Die Kadaver von verende-ten „Heiligen Kühen“ werden vorden Städten gesammelt und denGeiern überlassen – bisher. Mit derDezimierung der Geier blieben im-mer mehr Kadaver liegen, häuften

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E PI G E N E T I K

Traumata im Kindesalter führen zu epigenetischen Veränderungen bei RisikogruppenDas Risiko, an einer psychischen Erkrankung zu leiden, ist das Resultatdes Zusammenspiels zwischen einer genetischen Veranlagung undvielfältigen Umweltfaktoren. Was so einleuchtend klingt und durchepidemiologische Studien unterstützt wird, konnte nun im Fall vontraumatisierten Kindern durch einen molekularen Mechanismus erklärt werden.

Unser Organismus muss auf vielfäl-tige Umwelteinflüsse reagierenund sich gegebenenfalls anpassen.Auch das nimmt maßgeblich Ein-fluss auf unser Verhalten. Die Un-tersuchung der Interaktion von ge-netischen Varianten mit Umwelt-einflüssen kombiniert nun beideDimensionen und liefert neue An-sätze zur Erklärung und Therapievon psychischen Erkrankungen.

Depressionen oder Posttrauma-tische Belastungsstörungen sindkomplexe Phänomene, deren Ursa-chen und Pathophysiologie bisherungeklärt sind. Das hat zur Folge,dass wir diese häufigen Erkrankun-gen eher schlecht verhüten undbehandeln können. Nach Jahrender intensiven und letztlich er-nüchternden Suche nach den ge-

netischen Komponenten dieser Er-krankungen hat Avshalom Caspiim Jahr 2003 erstmals zeigen kön-nen, dass genetische Varianten mitUmweltfaktoren interagieren unddass die Träger bestimmter gene -tischer Variationen ein höheres Depressionsrisiko haben [1, 2]. Caspi et al. untersuchten dabeieine polymorphe Region im Pro-moter des Serotonintransporter-gens, die zuvor immer wieder mitder Pathophysiologie der Depres-sion in Zusammenhang gebrachtwurde. In ihrer Untersuchungkonnten die Wissenschaftler zei-gen, dass weder der Promoterpoly-morphismus noch die Expositiongegenüber „stressful life events“ allein zur Entstehung der Depres-sion beitragen. Jedoch interagier-ten beide Risikofaktoren und tru-gen damit signifikant zum Risikobei, an einer Depression zu erkran-ken.

Diese wegweisende Studie hatviele Kontroversen ausgelöst undauch methodische Besonderheitendieser Interaktionsstudien aufge-zeigt.

Ein Gedächtnis für traumatische Erfahrungen Wir konnten nun erstmals zeigen,dass genotyp-abhängige epigeneti-

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Es ist unbestritten, dass Verhaltens-weisen oder auch das Erkran-kungsrisiko für psychische Störun-gen eine zum Teil hohe vererbbareKomponente beinhalten. Die Ent-schlüsselung des menschlichenGenoms und damit auch die Mög-lichkeit, kleine Unterschiede inder Sequenz zu entdecken, habendie molekulargenetische For-schung beflügelt und die Hoffnunggenährt, damit komplexe Krank-heitsursachen zu erkennen und gezielte Therapien zu entwickeln.Jedoch lassen sich komplexe biolo-gische Phänomene – und dazu ge-hören die meisten psychiatrischenErkrankungen – nicht allein durchgenetische Veränderungen erklä-ren, ihr Anteil an der Krankheits-entstehung ist unerwartet gering.

sich an und verwesten unter sen-gender Sonne. Oder andere Aas-fresser bedienten sich. Besonderserfolgreich waren hier streunendeHunde, die sich stark vermehrten.In jüngerer Zeit stellte man einebeängstigende Zunahme an Toll-wuterkrankungen in der Bevölke-rung fest – und Rattenplagen.

Schon früh wurde nach den Ursachen des Geiersterbens ge-forscht. Schließlich entdecktenWissenschaftler, dass die Geier anden Rückständen eines Medika-ments starben, das seit Mitte der1990er Jahren als Entzündungs-hemmer verbreitet in der Rinder-haltung eingesetzt wurde. Diclofe-

nac war für Rinder ungefährlich,für Geier aber toxisch und verur-sachte ein Nierenversagen. Seit2006 ist das Medikament in Indienverboten, ein für Geier unschäd -licher Ersatz konnte gefunden werden.

Eine aktuelle Bestandsauf-nahme der drei Geierarten machtjetzt Hoffnung auf Besserung. Ob-wohl durchaus noch nicht alle Rinderkadaver frei von Diclofenacsind, scheint der Populationsrück-gang bei allen drei Geierarten inIndien und Nepal auf einem niedri-gen Populationsniveau gestoppt.Bei dem bisher am stärksten be-troffenen Bengalgeier glauben die

Wissenschaftler sogar eine Popula-tionszunahme feststellen zu kön-nen. Trotzdem wird es lange Zeitdauern, bis sich die Geierbeständewieder erholt haben. Geier habeneine sehr niedrige Vermehrungs-rate, nur ein oder zwei Eier wer-den pro Brutsaison ausgebrütet.

[1] R. Risebrough, Nature 2004, 427,596–598.

[2] J. L. Oaks et al., Nature 2004, 427,630–633.

[3] A. Markandya et al., Ecological Econo-mics, 2008, doi:10.1016/j.ecolecon.2008.04.020

[4] V. Prakash et al., PLoS ONE 2012, 7, 1–10.

Wolfgang Klemmstein, Leichlingen, [email protected]