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3 HautinForm 1/2014 Titelbild: © Benicce / Fotolia.com Dr. Klaus Strömer Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen Geiz ist geil – auch in der Krankenversicherung, jeden- falls bei den Gesunden. Glaubt man den Vergleichsportalen im Internet, ist das Einsparpotenzial das einzig wichtige Kri- terium für einen Krankenkassenwechsel. In der Konsequenz fürchten Krankenkassen nichts mehr, als den Beitrag wegen steigender Kosten anheben zu müssen. Die Kranken sind die Dummen. Alle, die Frühjahr für Frühjahr unter einer Pollenallergie leiden, wissen, was ge- meint ist. Im Jahr 2000 erschien erstmals das Weißbuch Al- lergie, das die Unterversorgung wissenschaſtlich feststellte. Schon Ende der 1990er-Jahre hatte die Bundesregierung ei- nen „Runden Tisch“ zum ema Allergie eingerichtet, der eine Reihe von Sofortmaßnahmen empfahl. Die Zahl der Hyposensibiliserungen gegen dieses Volks- leiden ist dennoch seit Jahren stetig rückläufig, denn: Eine aufwendige mehrjährige Desensibilisierung mit intensiver Beratung der betroffenen Patienten ist betriebswirtschaſt- lich betrachtet unwirtschaſtlich und wird daher immer sel- tener erbracht. Die allergologisch tätigen Spezialisten unter uns Ärzten weichen aus auf andere Arbeitsfelder. „Klamm- heimliche Priorisierung“ hat der ehemalige Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Jörg D. Hoppe, eine Folge dieser Fehlentwicklung genannt. Das heißt: Eine aufwendige und besonders teure Behandlung erhält nicht mehr jeder nach medizinischer Notwendigkeit, sondern nur noch ein Bruch- teil der Betroffenen, die eine solche Behandlung am aller- dringendsten benötigen. Geiz ist geil. Daher bleibt es bei den Allergien bei gelegent- lichen „Pilotversuchen“ einzelner Krankenkassen, um für eine kleine Zahl von Patienten unter eng umschriebenen Be- dingungen ein wenig Entlastung zu schaffen. Behoben wird die Unterversorgung mit solchen werbewirksamen Angebo- ten nicht. Geiz ist geil – Sparen auf Kosten der Allergiker Geiz ist dumm. So wird aus einer allergischen Entzündung der Schleimhäute bei vielen Betroffenen im Laufe der Zeit ein allergisches Asthma. Dies schränkt nicht nur die Lebens- qualität der Betroffenen erheblich ein, sondern löst oben- drein weit höhere Folgekosten für das Gesundheitswesen aus. Als Arzt frage ich mich: Wie lange kann und will man die- se Fehlentwicklung in der Allergologie noch laufen lassen? Es ist Sache der Krankenkassen, die zur Deckung des Ver- sorgungsbedarfs notwendigen Finanzen bereitzustellen. Wenn die es nicht schaffen, dann muss die Gesundheitspolitik mög- licherweise helfen. Ich kann nur jedem Leser wünschen: Bleiben Sie gesund! Ihr © shutterstock.com Editorial

Geiz ist geil — Sparen auf Kosten der Allergiker

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Page 1: Geiz ist geil — Sparen auf Kosten der Allergiker

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Dr. Klaus Strömer

Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen

– Geiz ist geil – auch in der Krankenversicherung, jeden-falls bei den Gesunden. Glaubt man den Vergleichsportalen im Internet, ist das Einsparpotenzial das einzig wichtige Kri-terium für einen Krankenkassenwechsel. In der Konsequenz fürchten Krankenkassen nichts mehr, als den Beitrag wegen steigender Kosten anheben zu müssen.

Die Kranken sind die Dummen. Alle, die Frühjahr für Frühjahr unter einer Pollenallergie leiden, wissen, was ge-meint ist. Im Jahr 2000 erschien erstmals das Weißbuch Al-lergie, das die Unterversorgung wissenscha� lich feststellte. Schon Ende der 1990er-Jahre hatte die Bundesregierung ei-nen „Runden Tisch“ zum � ema Allergie eingerichtet, der eine Reihe von Sofortmaßnahmen empfahl.

Die Zahl der Hyposensibiliserungen gegen dieses Volks-leiden ist dennoch seit Jahren stetig rückläu� g, denn: Eine aufwendige mehrjährige Desensibilisierung mit intensiver Beratung der betro� enen Patienten ist betriebswirtscha� -lich betrachtet unwirtscha� lich und wird daher immer sel-tener erbracht. Die allergologisch tätigen Spezialisten unter uns Ärzten weichen aus auf andere Arbeitsfelder. „Klamm-heimliche Priorisierung“ hat der ehemalige Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Jörg D. Hoppe, eine Folge dieser Fehlentwicklung genannt. Das heißt: Eine aufwendige und besonders teure Behandlung erhält nicht mehr jeder nach medizinischer Notwendigkeit, sondern nur noch ein Bruch-teil der Betro� enen, die eine solche Behandlung am aller-dringendsten benötigen.

Geiz ist geil. Daher bleibt es bei den Allergien bei gelegent-lichen „Pilotversuchen“ einzelner Krankenkassen, um für eine kleine Zahl von Patienten unter eng umschriebenen Be-dingungen ein wenig Entlastung zu scha� en. Behoben wird die Unterversorgung mit solchen werbewirksamen Angebo-ten nicht.

Geiz ist geil – Sparen auf Kosten der Allergiker

Geiz ist dumm. So wird aus einer allergischen Entzündung der Schleimhäute bei vielen Betro� enen im Laufe der Zeit ein allergisches Asthma. Dies schränkt nicht nur die Lebens-qualität der Betro� enen erheblich ein, sondern löst oben-drein weit höhere Folgekosten für das Gesundheitswesen aus.

Als Arzt frage ich mich: Wie lange kann und will man die-se Fehlentwicklung in der Allergologie noch laufen lassen? Es ist Sache der Krankenkassen, die zur Deckung des Ver-sorgungsbedarfs notwendigen Finanzen bereitzustellen. Wenn die es nicht scha� en, dann muss die Gesundheitspolitik mög-licherweise helfen.

Ich kann nur jedem Leser wünschen: Bleiben Sie gesund!

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