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setzt nicht nur den Mitarbeite rn zLt, die gehen müssen. Sie trifft auch jene, die ihren Arbeitsplatz behalten können. .o voN ltcble srrnr s war ein Schock", sagt Martin. ,,Auch weil ich das Gefühl ge- habt habe, dass eigentlich al- les ganz gut läuft." ,,Meine Koilegenwaren wie meine zweite Fa- milie. Der Iob war nicht nur eine Büro- tätigkeit, sondern eine Herzensangele- genheit": Diese Aussagen untermau- ern, wie schwer es flir Martin war, sich von seiner Firma zu trennen. Viel leichter war es offenbar für die Firma, sichvon Martin loszusagen. Martin, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesenwill, erzählt weiter: ,,Dadie Firma in den vergange- nen lahren immer kleiner geworden ist, hat sich abgezeichnet, dass auch ich meinen Iob eventuell verlieren könnte.Als aber die Kündigung ausge- sprochen uurde, war ich dann doch überrascht." .{,rbeitslos ist Martin seit dem Som- mer dieses Jahres.Mehr als ein lahr- zehnt hat er bei dem Unternehmen, dem Österreich-Ableger eines interna- tionalenKonzerns, gearbeitet. Es sind nur drei Worte, die in den vergangenen Monaten dieses Iahres öf- ter alssonstausgesprochen wurden; an Heftigkeit mangelt es ihnen freilich nicht. Denn wenn dem Chef der Satz ,,Sie sind gekündigt!" über die Lippen kommt, weiß wohl keiner so recht, wie ihm in dieser Sekunde geschieht. ,,So eine Information kann einen Schock auslösen. Im Idealfall sollte dieserjedoch maximal einen Tag dau- ern", erklärt Boris Zalokar, fubeitspsy- chologe bei ,,well-working". Hat man den Schock überwunden, tritt die soge- >Als die Kündigung ausgesprochen wurde, war ich dann doch überrascht. ( nannte Reaktionsphase ein. In dieser Zeit versuchen die Beuoffenen, mit ih- rer Situationumzugehen. ,,Sie machen sich erste Gedanken darüber, welche \\rege sie künftig beschreiten könnten", sagtZalokar.Mangle es den Personen jedoch an der nötigen sozialenUnter- stützung, werde es schwierig, genü- gend Ressourcen für eine Neuorientie- rung zu bündeln. Wenn nicht nur ein Kollege,son- dern gleich mehrere den Betrieb ver- lassen müssen,macht das die eigene Situation zwar nicht besser, aber oft er- träglicher. ,,Das kann entlastend wir- ken", sagtZalokar,,,rveil man nicht das Gefühl hat, der Einzigezu sein". Auch Martin sagt: ,,Natürlichwar ich froh, dass ich nicht alleine war. Auch wenn ich den anderen gewünscht hätte,dass sie ihren Arbeitsplatz behalten kön- nen." 'v\ldre Martin der Einzige gewe- sen,hätte er sich wohl mehr Gedanken über seine Fähigkeiten gemacht, er- zählt der Vater zweier kleiner Kinder. Dass mehrere entlassen wurden, ,,war eine Erleichterung". Psychologe Zalokar fügt hinzu, dass sich die Betroffenen bei Massen- entlassungen weit weniger oft die Fra- ge stellenwürden, ob die eigene Unfä- higkeit der Grund flir eine Kündigung war. lllitierte Kollegen.Doch nicht nuI. ai" Betroffenen selbst,sondern auch jene Kollegen, die im Unternehmen verblei- ben, haben Trauerarbeit zu leisten. ,,Wir beobachten", erzählt der Psycho- loge, ,,dass yiele zwar erst einmal durchatmen und froh sind, dasssie zu den unbeteiligten Zuschauern gehö- ren. Andererseits kann die Kündigung der anderen zu Irritationen führen". Entlassungen lösen bei den Verblei- benden oft nvei Reaktionenaus. Die einen arbeiten mehr, engagieren sich stärker - aus Angst, selbstOpfer einer Kündigung zu werden. Andere resi- gnieren, kündigeninnerlich. ,,Abseits der eigenen Angst um den fubeitsplatzwerden soziale Netzwerke und Freundschaften zerstört", erklärt Elisabeth Leyser von der Personalbera- tungsfirma Hili International. Kommen zu einer Entlassungswelle noch ein Ei- gentümerwechsel oder grobe Strukur- veränderungen hinzu, dann ,,sind die Leute oft planlos und gehen in die in- nere Emigration". Damit es so weit erst gar nicht kommt, darf sich die Unternehmens- leitung nicht verstecken. Vielmehr soll- te sie den Mitarbeitern erklären, wa- rum Einschnitte notwendig geworden sind. Nur wenn die Konzernleitung klare Strategien kommuniziert, kann der Belegschaft wieder etwas Sicher- heit zurückgegeben werden, meint Leyser. Zu berücksichtigen sei aber auch, dassim Zuqe einer Entlassunq Trauer IN ZAHLEN 319.320 Menschen waren inÖsterreich per Ende Septembe arbeitslos. Das entspricht einer Steigetung von 24Prozent gegen- über dem Ver- gleichszeitraum des Vorjahres. //// ustralion: Lillian Panholzer

Gekündigt: Trauer um den Arbeitsplatz

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Presseartikel zum Thema Kündigung und Trauer um den verlorenen Arbeitsplatz von Mag. Boris Zalokar, wellworking Wien

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Page 1: Gekündigt: Trauer um den Arbeitsplatz

setzt nicht nur denMitarbeite rn zLt, die gehenmüssen. Sie trifft auchjene, die ihren Arbeitsplatzbehalten können.. o voN l t cb le s r rn r

s war ein Schock", sagt Martin.,,Auch weil ich das Gefühl ge-habt habe, dass eigentlich al-les ganz gut läuft." ,,Meine

Koilegen waren wie meine zweite Fa-milie. Der Iob war nicht nur eine Büro-tätigkeit, sondern eine Herzensangele-genheit": Diese Aussagen untermau-ern, wie schwer es flir Martin war, sichvon seiner Firma zu trennen. Vielleichter war es offenbar für die Firma,sich von Martin loszusagen.

Martin, der seinen Nachnamennicht in der Zeitung lesen will, erzähltweiter: ,,Da die Firma in den vergange-nen lahren immer kleiner gewordenist, hat sich abgezeichnet, dass auchich meinen Iob eventuell verlierenkönnte. Als aber die Kündigung ausge-sprochen uurde, war ich dann dochüberrascht."

.{,rbeitslos ist Martin seit dem Som-mer dieses Jahres. Mehr als ein lahr-zehnt hat er bei dem Unternehmen,dem Österreich-Ableger eines interna-tionalen Konzerns, gearbeitet.

Es sind nur drei Worte, die in denvergangenen Monaten dieses Iahres öf-ter als sonst ausgesprochen wurden; anHeftigkeit mangelt es ihnen freilichnicht. Denn wenn dem Chef der Satz,,Sie sind gekündigt!" über die Lippenkommt, weiß wohl keiner so recht, wieihm in dieser Sekunde geschieht.

,,So eine Information kann einenSchock auslösen. Im Idealfall solltedieser jedoch maximal einen Tag dau-ern", erklärt Boris Zalokar, fubeitspsy-chologe bei ,,well-working". Hat manden Schock überwunden, tritt die soge-

> Als die Kündigungausgesprochen wurde, warich dann doch überrascht. (

nannte Reaktionsphase ein. In dieserZeit versuchen die Beuoffenen, mit ih-rer Situation umzugehen. ,,Sie machensich erste Gedanken darüber, welche\\rege sie künftig beschreiten könnten",sagt Zalokar. Mangle es den Personenjedoch an der nötigen sozialen Unter-stützung, werde es schwierig, genü-gend Ressourcen für eine Neuorientie-rung zu bündeln.

Wenn nicht nur ein Kollege, son-dern gleich mehrere den Betrieb ver-lassen müssen, macht das die eigeneSituation zwar nicht besser, aber oft er-träglicher. ,,Das kann entlastend wir-ken", sagt Zalokar,,,rveil man nicht das

Gefühl hat, der Einzige zu sein". AuchMartin sagt: ,,Natürlich war ich froh,dass ich nicht alleine war. Auch wennich den anderen gewünscht hätte, dasssie ihren Arbeitsplatz behalten kön-nen." 'v\ldre Martin der Einzige gewe-sen, hätte er sich wohl mehr Gedankenüber seine Fähigkeiten gemacht, er-zählt der Vater zweier kleiner Kinder.Dass mehrere entlassen wurden, ,,wareine Erleichterung".

Psychologe Zalokar fügt hinzu,dass sich die Betroffenen bei Massen-entlassungen weit weniger oft die Fra-ge stellen würden, ob die eigene Unfä-higkeit der Grund flir eine Kündigungwar.

lllitierte Kollegen. Doch nicht nuI. ai"Betroffenen selbst, sondern auch jeneKollegen, die im Unternehmen verblei-ben, haben Trauerarbeit zu leisten.,,Wir beobachten", erzählt der Psycho-loge, ,,dass yiele zwar erst einmaldurchatmen und froh sind, dass sie zuden unbeteiligten Zuschauern gehö-ren. Andererseits kann die Kündigungder anderen zu Irritationen führen".

Entlassungen lösen bei den Verblei-benden oft nvei Reaktionen aus. Dieeinen arbeiten mehr, engagieren sichstärker - aus Angst, selbst Opfer einerKündigung zu werden. Andere resi-gnieren, kündigen innerlich.

,,Abseits der eigenen Angst um denfubeitsplatz werden soziale Netzwerkeund Freundschaften zerstört", erklärtElisabeth Leyser von der Personalbera-tungsfirma Hili International. Kommenzu einer Entlassungswelle noch ein Ei-gentümerwechsel oder grobe Strukur-veränderungen hinzu, dann ,,sind dieLeute oft planlos und gehen in die in-nere Emigration".

Damit es so weit erst gar nichtkommt, darf sich die Unternehmens-leitung nicht verstecken. Vielmehr soll-te sie den Mitarbeitern erklären, wa-rum Einschnitte notwendig gewordensind. Nur wenn die Konzernleitungklare Strategien kommuniziert, kannder Belegschaft wieder etwas Sicher-heit zurückgegeben werden, meintLeyser.

Zu berücksichtigen sei aber auch,dass im Zuqe einer Entlassunq Trauer

IN ZAHLEN

319.320 Menschenwaren in Österreichper Ende Septemberarbeitslos. Dasentspricht einerSteigetung von24 Prozent gegen-über dem Ver-gleichszeitraumdes Vorjahres.//// ustralion: Lillian Panholzer

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und Apathie in der Mannschaft herr_r:h"lt gtkllrt Katja f"u.t ^inn-uonoer Wirtschaftsprüfungsagentur De-rolrre O$erreich. ,,Diese Gefühle sollteman auf keinen Fall schönred"., u.rdauch nicht wegkanalisieren.,,

Richtig kündigen. Wie lange die Trau_erphase in einem Unternöhmen dau-gr-t, Sann man nicht vorh"rrugu.r, -"l.rtMichael Huner von der OutpTu.äme"t_Berarung DBM. Oft hänge äs ;;il;;Größe des Einschnins

'ab. Und ;i;schneller man den Leuren ruu, ,nu.ütl

wie es weitergeht, desto etre. t ann slcüoas Arbeitsklima verbessern.,,

Kann man aber einen Mitarbeiterüberha.upr auf die richtige Äi;;;Weise. kündigen? Die fxpänen ,eie"nslcn eTrgj Ja, man kann, Leyser erklärt,dass. Rationalisierungsprozesse danngur rauten, wenn sich das Unterneh_men offen und fair verhält. Leider gebees no.ch .immer genügend Arbeitieh_mer, dre ihren Schrejbtisch ,,von heuteauf morgen" räumen müssen oaer uänihrer Kündigung via Mobilbox_Nach_ncnt erlahren.

Hrlttgr erklärt, dass die sogenanntewertschätzende Kündigung zu einemoesseren. Atlgang beiträgt. Der unmit_rerDare Vorgesetzte sollte dem Betrof_Ienen in einem persönlichen Ge_

t aag t/i DI FPRESSE COtv lzlz Die krsse am Sonntag

> Auch Führungskräfte fühlensich manchmat regelrechtüberfordert. <

Vetheizte Führungskräfte. Nicht selten

sind es die direkten Vorgesetzten, de-

nen die Aufgabe obliegt, unangenehmeNachrichtei zu überbringen' Dafür

werden sie bezaNt, wird häufig argu-

mentiert. Katja Teuchmann aber stellt

fest, ,,dass auih Führungskräfte sich.in

solchen Situationen alleingelassen run-

len. Manchmal sind sie regelrecht

überfordert"' Das Problem: Bessere

Positionen wurden oft in wirtschaftli-

chen Schönwetterperioden vergeben'

..die Mitarbeiter standen daher nie vor

solchen Herausforderungen wie jetzt" '

Eine Führungskraft muss sich etwa

darauf gefasst mächen, dass ein Mitar-

beiter bei einem Kündigungsgespracnzu weinen beginnt. Auch damit muss

man lernen Jmzugehen. Vielen fehlt

für die Erledigung solch heikler AufgS

be.t uUer oft"die Qualifikation' Nicht

selten kommt es daher vor, dass Füh-

rungskäfte an einem Burn-out leiden'

ln futen Unternehmen ist es deshalb

üUti.tt, dass Vorgesetzte in solchen Fäl-

len eine Supervi-sion in Anspruch neh-

men können. In letzter Zeit beobachtet

Levser immer häufiger, dass Leute aus

dei dritten Ebene befördert werden'

nur um Rationalisierungsproiekte zu

betreuen. ,,Diese Leute werden regel-

recht verheizt."Geht eine Firma mit ihren Mitarbei-

ter in schlechten Zeiten nicht gut um'

merken sich das die meisten' Besondersqualifizierte Schlüsselkäfte, die es in

rtrisenzeiten nicht getroffen hat, verlas-

sen das Untemehmen dann, wenn die

allsemeine Lage wieder besser ist' Die

Cu"ten gehett a]s Erstes - weil ihnen das

unzute"Cefuhl geblieben ist, dass sie in

z"ii"n a.t Kriöe nicht gut behandelt

wurden. tttt

spräch,.in einem eigenen Raum undurter \,'ler Augen mifteilen, aus wel_chen Gründen er das Unternehmenverlassen müsse. Das Kündieunes_gespräch sollte maximal zehn "Oi, "rsMinuten dauern. Und die schlechteNachricht so rasch wie möglich übei_mittelt werden.