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Geldpolitik und Bankenliquidität in Westdeutschland seit der Währungsreform

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Page 1: Geldpolitik und Bankenliquidität in Westdeutschland seit der Währungsreform

Geldpolitik und Bankenliquidität in Westdeutschland seit der WährungsreformAuthor(s): Rudolf StuckenSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 13, H. 2 (1951/52), pp. 197-212Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40908731 .

Accessed: 12/06/2014 15:18

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Geldpolitik und Bankenliquidität in Westdeutschland seit der Währungsreform*)

von

Rudolf Stucken

Die Darstellung, die hier gegeben wird, beschränkt sich zeitlich auf die Jahre nach der Währungsreform, die in der zweiten Half te des Juni 1948 stattfand. Vor der Währungsreform waren auf den uns hier interessierenden Gebieten grundlegend andere Verhältnisse gegeben, die aber - glücklicher- weise - keine Aktualität mehr besitzen. Die Darstellung beschränkt sich räumlich auf das Gebiet der Westdeutschen Bundesrepublik, unter teil- weiser Mitberücksichtigung Westberlins, das zwar in den Tätigkeitsbereich der Bank Deutscher Länder einbezogen ist, aber auf einigen Gebieten eine Sonderstellung einnimmt; von dem deutschen Gebiet Östlich des ,, Eisernen Vorhanges", also der russischen Besatzungszone, wo das System der staat- lichen Banken und überhaupt ein anderes Wirtschaftssystem herrscht, soll nicht die Kede sein.

I. Grundlagen Die Geldpolitik in Westdeutschland vollzieht sich unter Vorausset-

zungen, die von den in anderen Ländern üblichen zum Teil erheblich ab- weichen. Es handelt sich dabei nicht nur um andersartige Voraussetzungen im Bereich des Aufbaues und der Arbeitsweise der Notenbank und der Geschäftsbanken, sondern auch um solche im Verhalten der Bevölkerung, sowohl der Geschäftsleute als auch der Privatpersonen, und um solche in der Ausstattung des Landes mit wesentlichen Produktionsgrundlagen. Diese Tatsachen beeinflussen das Verhalten der für die Geldpolitik maß- gebenden Stellen, sie wirken ein auf die Zielsetzungen, die Auswahl der anzuwendenden Mittel und auf das Maß, in dem diese Mittel wirksam sind.

Von großer Bedeutung ist die Art, wie die Bevölkerung auf Vorgänge im Bereich des Wirtschaftslebens reagiert. Wir haben es mit einer Bevölkerung zu tun, die in hohem Maß Erfahrungen mit Inflationen und Zwangsbewirtschaftung gesammelt hat, die bei jeder Preissteigerung auf Teilgebieten eine allgemeine Ent-

*) Wiedergabe de3 Referates, welches dem in Rom vom 18. bis 24. Okto- ber 1951 tagenden Internationalen Kreditkongreß erstattet wurde.

Finanzarchiv. N.F. 13. Heft 2 14

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wertuüg des Geldes fürchtet, die bei Stockungen in der Versorgung gleich mit einem Verschwinden der Ware vom Markt oder mit einer Rationierung rechnet. Ein von höherer Stelle gegebener Hat, sich bei der Beschaffung und dem Verbrauch bestimmter Waren Zurückhaltung aufzuerlegen, weil diese Waren knapp sind, würde eine gegenteilige Wirkung, nämlich einen Kun auf diese Waren auslosen, und zwar nicht nur von Seiten der Haus- frauen, sondern auch von Seiten der Geschäftsleute; es ist immer wieder zu beobachten, daß Industrielle und Kaufleute gemüht sind, sich erheblich größere Lager von Eoh- und Hilfsstoffen und Waren anzuschaffen, und daß sie . zu diesem Zweck- ihre Bestellungen vervielfachen, sobald irgend- welche Knappheitserscheinungen auftreten. Die breiten Massen der Be- völkerung sind bereit, in solchen Lagen nicht nur auf Spartätigkeit zu ver- zichten, sondern auch in der Vergangenheit gesparte Beträge zu verbrau- chen, alle eingenommenen Beträge schneller wieder zu verausgaben und auch Kredit, soweit er zu haben ist, in Anspruch zu nehmen. Ebenso starke Wirkungen in entgegengesetzter Eichtung treten auf, wenn mit reichlicher Versorgung und Preissenkung gerechnet wird. Die Veränderungen in der Spartätigkeit und im Tempo der Wiederverausgabung eingenommener Geldbeträge führen eine Veränderung der in der Zeitperiode zu Käufen auf dem Markt verausgabten Geldbeträge herbei, ohne daß in der Kredit- gewährung der Banken eine Änderung eingetreten wäre, aber auch ohne daß eine Veränderung der Kreditgewährung der Banken in kurzer Zeit den Zuwachs bzw. Ausfall an Kaufkraft ausgleichen könnte.

Zu dem Reagieren der Bevölkerung auf wirtschaftliche Vorgänge gehört auch das Verhalten der Gewerkschaften, d. h. der Arbeitnehmer- organisationen. Den Gewerkschaften soll der Ruhm nicht geschmälert wer- den, in einer kritischen Situation (s. u.) durch hohe Disziplin das Entstehen einer „Lohn-Preisspirale" verhindert zu haben. Aber sie neigen in der Ge- genwart offensichtlich dazu, jede Art von Preissteigerungen bei lebens- wichtigen Gütern zum Anlaß für Lohnbewegungen zu nehmen und Lohn- steigerungen herbeizuführen, die durch Erhöhung der Produktivität nicht mehr ausgeglichen werden können, was die Aufrechterhaltung eines sta- bilen Geldwertes und den Ausgleich der Zahlungsbilanz erschwert. Die Geldpolitik wird dadurch vor größere Schwierigkeiten gestellt, als gegeben sein würden, wenn sich das Vorgehen der verschiedenen für das Wirt- schaftsleben bedeutsamen Mächte in einem sinnvollen Einklang vollziehen würde.

Ein charakteristischer Grundtatbestand des westdeutschen Wirt- schaftslebens ist ferner das Mißverhältnis in der Ausstat- tung mit menschlichen Produktionskräften einer- seits und Realkapital andererseits; dies Mißverhältnis ist bekanntlich entstanden durch den Zustrom von Millionen von Heimat- vertriebenen und durch die großen Zerstörungen von Arbeitsstätten und Wohnungen während des Krieges und durch Demontagen nach dem Kriege. Die Ausdehnung der Produktion über einen bestimmten Punkt hinaus ist infolgedessen abhängig von der Schaffung neuer Arbeitsplätze mit allen dazu gehörigen Anlagen, vielfach auch von der Schaffung von Wohnungen,

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um zu ermöglichen, daß zugewanderte Arbeitskräfte, die zunächst an Plätzen wohnungsmäßig untergebracht worden sind, an denen sie nie- mals eine ihrer Ausbildung entsprechende Arbeit finden können, an Plätze des Arbeiterbedarfes umgesiedelt werden. Die Große der Geld- beträge, die für eine Produktionsausdehnung unter solchen Umständen erforderlich sind, sowie der Zeitaufwand, der erforderlich ist vom Beginn der für die Produktionsausdehnung erforderlichen Investitionen bis zur tatsächlichen Realisierung der Produktionsausdehnung, machen eine aus- schließliche Finanzierung der Investitionen aus Kreditschöpfung der Ban- ken unmöglich, sofern man nicht bereit ist, Preissteigerungen in Kauf zu nehmen. Unter diesen Umständen kann sich die Notenbank in West- deutschland das Ziel, die Vollbeschäftigung herzustellen, nicht in gleicher Weise stellen, wie dies in anderen Ländern geschieht.

Zu den charakteristischen Grundtatbeständen gehört ferner das Fehlen eines leistungsfähigen Kapitalmarktes. Auch in den günstigsten Monaten konnten nur ganz bescheidene Beträge von Neuemissionen untergebracht werden, kleines zusätzliches Angebot vermag bereits die Kurse wesentlich zu beeinflussen. Die Zinssätze für neu zu emittierende langfristige Anleihen sind praktisch staatlicherseits be^ stimmt, und zwar auf einer auffallend niedrigen Hohe (5% für Pfandbriefe und Staatsanleihen), jedenfalls auf einer Höhe, bei der von einer Risiko- prämie für die Gefahr der Geldentwertung keine Rede sein kann. Ferner sind die Emissionen von einer staatlichen Genehmigung abhängig, die im Sinne starker Einschränkung der Emissionen gehandhabt wird. Das Ver- halten der verschiedenen Gruppen, die direkt oder indirekt Mittel für lang- fristige Investitionen im Wege des Kredites zur Verfügung zu stellen pfle- gen, sieht etwa folgendermaßen aus: Die breiten Massen der Bevölkerung üben eine Spartätigkeit nur in verhältnismäßig geringem Maß aus ; zu- nächst bestand bei ihnen noch ein gewaltiger „Nachholbedarf", der an- gesichts der relativ niedrigen Realeinkommen eine eigentliche „Spar- fähigkeit" nicht aufkommen ließ; darüber hinaus haben die Erfahrungen der Inflation und der Währungsumstellung die Sparwilligkeit untergraben; die bei Sparkassen, Versicherungsunternehmungen usw. aufkommenden Beträge sind deshalb im Verhältnis zu dem, was früher üblich war, gering. Die Unternehmer, die früher auch aus Geschäftsgewinnen große Beträge in Wertpapieren angelegt haben, haben zwar große Gewinne gemacht, vor- nehmlich in den Zweigen der verarbeitenden Industrie, die in Zusammen- hang mit der Währungsreform aus den Fesseln des Preisstops befreit wurde; aber diese Gewinne sind allgemein zu Investitionen in den Unternehmungen selbst verbraucht worden, wofür einerseits im Allgemeinen Bedarf vorhan- den war, was sich andererseits aber auch bei der herrschenden Steuer- gesetzgebung (Möglichkeiten der Abschreibung) als das rentabelste erwies; deshalb wurden seitens der Unternehmer kaum größere Beträge an Pfand- briefen, Staatsanleihen, Industrieobligationen und dergleichen gekauft. Die Notenbank und die Banken des kurzfristigen Geschäftes, die in angel- sächsischen Ländern als Käufer von Wertpapieren eine große Rolle spielen, fallen in Westdeutschland als Käufer praktisch aus. Das ist einerseits durch

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Tradition bedingt : Auch die Deutsche Keichsbank, die damalige deutsche Notenbank, hat, nachdem sie 1933 das Recht zur Offenmarktpolitik er- halten hatte, niemals nennenswert von diesem Recht Gebrauch gemacht; und die Banken des kurzfristigen Geschäftes haben sich auch nie daran gewöhnt, in größerem Stil festverzinsliche Wertpapiere zu Anlagezwecken in ihr Portefeuille zu nehmen, auch nicht, als seit dem Kreditwesengesetz von 1934 (§16) den langfristigen Wertpapieren ein relativ hohes Maß von Liquidität zuerkannt worden war. Des weiteren sprechen besondere Gründe in der Gegenwart gegen eine solche Betätigung der Notenbank und der Banken des kurzfristigen Geschäftes: infolge der bei der Währungsreform getroffenen Regelungen besteht ein nennenswerter Teil der Aktiva der Geschäftsbanken und der Notenbank aus sogenannten Ausgleichsforde- rungen gegenüber der öffentlichen Hand (Bundesrepublik oder Länder), d. h. aus langfristigen Forderungen, die zwar Zinsen einbringen, aber deren Verwertbarkeit durchaus beschränkt ist ; und ferner haben die Banken des kurzfristigen Geschäftes in der ganzen Zeit seit der Währungsreform Ge- legenheit gehabt, auf ihren gewohnten Arbeitsgebieten Kredit zu geben und Geschäfte zu machen, die sich besser rentierten als der Ankauf von festverzinslichen Wertpapieren mit ihren künstlich niedergehaltenen Zins- sätzen. Neben denjenigen Beträgen, die wie oben beschrieben bei Spar- kassen, Versicherungsunternehmungen und Pfandbriefinstituten aufkom- men und als langfristige Kredite ausgeliehen werden, spielen diejenigen langfristigen Kredite eine wesentliche Rolle, die aus Mitteln des Haus- haltes der öffentlichen Körperschaften und aus den sogenannten Counter- part-funds, d. h. aus den Beträgen gegeben werden, die in Zusammenhang mit der Garioa- und der Marshallplanhilfe verfügbar werden. Es kann aber gar kein Zweifel sein, daß trotz dieser Hilfen die Versorgung mit lang- fristigem Kredit sehr knapp ist und daß die maßgebenden Zinssätze keiner- lei Ausdruck für diese Knappheit sind.

Abgesehen von diesen Tatbeständen allgemeiner Natur, die die Füh- rung der Notenbank vor außerordentlich schwierige Aufgaben stellen, sei nun auf Fragen und Regelungen eingegangen, die im engeren Sinne das Bankwesen selbst betreffen und für die Frage, inwieweit die Notenbank befähigt ist, die Kredite der Geschäftsbanken auf der volkswirtschaftlich erwünschten Höhe zu halten, bedeutungsvoll sind. Hierbei sei zunächst Folgendes festgestellt : Es gibt in Westdeutschland keine feste Tradition für das Ausmaß, in dem die Geschäfts- banken die Notenbank in Anspruch nehmen. Man kann nicht sagen, daß sie bestrebt seien, die Refinanzierung von gewährten Kre- diten bei der Notenbank auf kurze Fristen zu beschränken; vielmehr wer- den in großem Stil für Wechsel, die bei der Notenbank rediskontiert wor- den sind und zur Zahlung fällig werden, wieder neue Wechsel zum Redis- kont bei der Notenbank eingereicht ; so wird es verständlich, daß beispiels- weise während des ganzen Jahres 1950 der Bestand der Bank Deutscher Länder an Wechseln und Schecks sich in der Regel zwischen 2,6 und 3,6 Milliarden DM bewegte, eine recht erhebliche Summe. Man kann auch nicht sagen, daß die Geschäftsbanken bestrebt wären, einen bestimmten

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Anteil der angekauften Wechsel im eigenen Portefeuille zu behalten; viel- mehr steigt der Anteil der an das Zentralbanksystem weitergegebenen Wechsel bei Bedarf erheblich an, und die Geschäftsbanken sorgen dann dafür, daß seitens der Kundschaft verlangte Kredite in größerem Umfang in Wechselform gekleidet werden. Angesichts dieses Fehlens einer ein- deutigen Tradition bezüglich der Inanspruchnahme der Notenbank durch die Geschäftsbanken ist die Notenbank vielfach darauf angewiesen, mit recht massiven Mitteln zu arbeiten, um das Ausmaß der Kreditgewährung der Geschäftsbanken in die gewünschten Grenzen zu bannen.

Es ist eine viel diskutierte Frage, ob durch die Art des Auf- baues des Zentralbanksystems die Macht der Notenbank, das Kreditvolumen der Geschäftsbanken zu regeln, beeinträchtigt wird. Nach dem deutschen Zusammenbruch ist die ehemalige Deutsche Reichs- bank, die als ein einheitliches Institut mit einer größeren Zahl von Nieder- lassungen im ganzen Reich geführt worden war, zerschlagen worden. Im Zuge des Wiederaufbaues des Zentralbankwesens ist als eigentliche Noten- bank die Bank Deutscher Länder geschaffen worden, und zwar als Institut ohne Filialen. In jedem der elf Länder der westlichen Besatzungzonen, jetzt der Bundesrepublik, wurde eine „Landeszentralbank" geschaffen, die für den Bereich des Landes wesentliche Aufgaben, die sonst der Noten- bank obliegen, zu übernehmen hatte, aber nicht mit dem Notenausgabe- recht ausgestattet wurde ; schließlich wurde auch für Westberlin eine solche Landeszentralbank errichtet. Die Macht der Notenbank wäre zweifellos beeinträchtigt, wenn jede der Landeszentralbanken eine eigene Politik treiben könnte und würde. Die Auswirkung von Maßnahmen der Noten- bank, insbesondere von Veränderungen der Mindestreservesätze, wäre auch beeinträchtigt, wenn die Landeszentralbanken sich bei dem Ausmaß ihrer Kreditgewährung einfach von Liquiditätsgesichtspunkten leiten ließen; (dieser Tatbestand, der hier nicht im einzelnen dargelegt werden soll, hängt damit zusammen, daß die Verpflichtungen der Landeszentralbanken nicht zu 100%, sondern zu einem wesentlich geringeren Vomhundertsatz durch Guthaben bei der Bank Deutscher Länder gedeckt sein müssen). Aber wir möchten demgegenüber konstatieren, daß sowohl gesetzlich der Bank Deutscher Länder ein entscheidender Einfluß auf die Politik der einzelnen Landeszentralbanken eingeräumt worden ist, als auch die tat- sächliche Übung ein Funktionieren sichert, das von dem einer einheitlich aufgebauten Notenbank nicht allzusehr abweicht. Hierbei mag mitwirken, daß die Präsidenten der Landeszentralbanken an dem entscheidenden Organ der Bank Deutscher Länder, nämlich dem Zentralbankrat, wesent- lich beteiligt sind und dadurch mit den Fragen der Geldpolitik in dem weiteren Bereich der Westdeutschen Bundesrepublik in ständigem Kon- takt stehen. Wir werden infolgedessen auf den Tatbestand der „Zwei- stufigkeit" des westdeutschen Zentralbanksystems nicht mehr zurück- kommen.

Die Bank Deutscher Länder verfügt über alle üblichen Mittel der Ν ο t e η b a η k ρ ο 1 i t i k , nämlich Diskontpolitik, Lombardpolitik, Offenmarkt- und

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M i η d e s t r e s e r ν e ρ ο 1 i t i k. Im Rahmen der Diskontpolitik ist nicht nur an die Festsetzung der Diskontsätze zu denken, sondern ebenso an die qualitative Auslese des zum Rediskont hereingenommenen Wechsel- materials, wobei keineswegs nur Momente der Sicherheit, sondern auch Fragen der volkswirtschaftlichen Dringlichkeit der zugrunde liegenden Ge- schäfte eine Rolle spielen ; außerdem kommt hier die Kreditrestriktion, also die Kontingentierung der den einzelnen Kreditinstituten gewährten Rediskontkredite, in Frage. Auf diesen Sondergebieten der Diskontpolitik hat schon die Deutsche Reichsbank reiche Erfahrungen gesammelt, an die die Bank Deutscher Länder anknüpfen konnte.

Von einer Verpflichtung der Notenbank, ein- gereichte Wechsel zu rediskontieren, kann keine Rede sein. Ebensowenig besteht eine Verpflich- tung, Staatspapiere anzukaufen; wir möchten geradezu sagen, daß die Notenbank mit den Kursen der Staatsanleihen weder auf Grund gesetzlicher Vorschrift noch auf Grund tatsächlicher Übung etwas zu tun hat. Anders ist es nur bezüglich der Vorschüsse und kurzfristigen Kredite, die die Bank Deutscher Länder der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren befugt ist; im Rahmen des festgelegten Höchstbetrages von 1500 Millionen DM ist es wohl praktisch der Bank Deutscher Länder kaum möglich, sich den Anforderungen des Bundes zu entziehen; doch bietet diese Höchstgrenze eine wesentliche Sicherung, daß nicht Anforderungen des Staates Anlaß zu größeren inflationistischen Entwicklungen bieten und der Notenbank die Führung aus der Hand nehmen.

Bezüglich der Mindestreservepolitik ist von Bedeutung, daß die Re- servesätze nicht gesetzlich festgelegt sind, sondern von einem Organ der Notenbank, dem Zentralbankrat, bestimmt werden.

Wir kommen nun schließlich noch zu einem Punkt, der für West- deutschland eine eigenartige Bedeutung besitzt; es handelt sich um d ίφ Bewegungen auf den Au ß e η bände lskonten be i der Notenbank. Zunächst handelt es sich hier um den altbekannten Vor- gang, daß die Kreditbanken Notenbankguthaben verlieren, wenn die Notenbank Gold und Devisen abgibt, um die Zahlungsbilanz auszugleichen, und daß die Kreditbanken Zugänge an Notenbankguthaben erhalten, wenn die Notenbank zum Ausgleich der Zahlungsbilanz Gold und Devisen aufnimmt. Ähnlich ist es beim Verrechnungsverkehr zwischen verschiede- nen Volkswirtschaften, sofern mehr Zahlungen an das andere Land zu leisten als von ihm zu empfangen sind oder umgekehrt. Aber hier liegt doch schon ein entscheidender sachlicher Unterschied vor: wenn die Notenbank bei- spielsweise Gold und Devisen abgeben muß und es sich um ein Land han- delt, das mit Gold und Devisen keineswegs reich gesegnet ist, dann wird es kaum als Mißstand empfunden, daß dadurch, daß die Kreditbanken Notenbankguthaben verloren haben, eine Tendenz zur Krediteinschrän- kung ausgelöst wird, die möglicherweise den Zwang zu weiteren Abgaben von Gold und Devisen beseitigt. Aber im Rahmen des Verrechnungsver- kehrs mag durchaus die Bereitschaft bestehen, zeitweilig unausgeglichene Zustände in Kauf zu nehmen, d. h. die Bildung von Salden zuzulassen,

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zumal wenn man abwarten will, wie sich die Verhältnisse in der Zukunft entwickeln, wobei möglicherweise die Gründe für die Saldenbildung in Wegfall kommen und ein Ausgleich der Verrechnungsbilanz wieder her- gestellt wird; dann aber wird es als störend empfunden, wenn von der Tatsache, daß wegen der Saldenbildung die Kreditinstitute Notenbank- guthaben verlieren, eine Tendenz zur Krediteinschränkung ausgeht. Dieser Fall besaß für Westdeutschland mehrfach Aktualität. Ganz fatal wird aber die Situation, wenn die Kreditinstitute nur deshalb in großem Stil Noten- bankguthaben verlieren, weil in Zusammenhang mit außenwirtschaftlichen Vorgängen Beträge auf Konten bei der Notenbank eingezahlt werden müs- sen, die zwar wieder ausbezahlt werden sollen, aber möglicherweise zu- nächst einmal längere Zeit bei der Notenbank verbleiben. Dies ist tat- sächlich der Fall in Zusammenhang mit den Einfuhren, die Westdeutsch- land der Garioa- und Marshallplanhilfe verdankt. Diese Einfuhren müssen seitens der Erwerber bezahlt werden, und zwar auf ein Konto bei der Notenbank; bei dieser Bezahlung seitens der Kunden von Kreditbanken verlieren diese Banken Notenbankguthaben an die Notenbank. Auf dem Konto bei der Notenbank sammeln sich so die sogenannten Counterpart- funds an, die zur Förderung von Investitionen und anderen Zwecken Ver- wendung finden sollen. Gelegentlich der Hingabe dieser Beträge für die vorgesehenen Zwecke kommt es im allgemeinen zu Zahlungen, die über den Bereich der Notenbank hinausgehen, in diesem Zusammenhang fließen dann den Kreditbanken wieder Notenbankguthaben zu. Es kommt also vor, daß entweder den Kreditbanken in größerem Stil Notenbankguthaben entzogen werden, weil die Einzahlungen auf diesen Konten die Auszah- lungen überschreiten; oder daß umgekehrt den Kreditbanken in größerem Stil Notenbankguthaben zufließen, weil die Auszahlungen von diesen Kon- ten die Einzahlungen überschreiten. So werden die Bewegungen auf diesen Konten zu einem besonderen Bestimmungsgrund für die Hohe der Bar- reserven, über die die Kreditinstitute verfügen.

Es wird dem sachkundigen Leser nicht entgangen sein, daß die Ver- hältnisse in Westdeutschland verhältnismäßig kompliziert gelagert sind, wodurch der Notenbank ihre Führungsaufgabe zweifellos erschwert wird. In der Anfangszeit nach der Währungsreform sind noch weitere Sonder- momente aufgetreten, von denen bei Behandlung des betreffenden Zeit- abschnittes die Rede sein soll. Von einer Sorge allerdings, die die Wirt- schaftspolitiker reicher Länder oft so stark bedrückt, ist Westdeutschland bisher frei geblieben: daß der Kreditbedarf für Investitionszwecke zu ge- ring sein würde, um einen ausreichenden Geldumlauf mit den der Noten- bank zur Verfügung stehenden Mitteln herbeizuführen ; wir möchten dem- gegenüber sagen, daß es an Kreditnehmern bisher im all- gemeinen nicht gefehlt hat.

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II. Die verschiedenen Epochen der Geldpolitik nach der Währungsreform

1. Das zweite Halbjahr 1948

Das erste Halbjahr nach der Währungsreform war in Westdeutsch- land eine Zeit steigender Preise. Der Index des Statistischen Amtes für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet (des späteren Bundesstatistischen Amtes) stieg bei der Gesamtlebenshaltung um gut 10 v. H. Aber dieser Vomhundert- satz ergibt sich nur dadurch, daß bei gewissen staatlicherseits gebundenen Preisen, z. B. den Mieten, überhaupt keine Steigerung eintrat, wohingegen andere Preise wesentlich mehr in die Höhe gingen. So stieg der Index für Ernährung um rund 20 v. H., wofür hauptsächlich die Steigerung der Fleischpreise um rund 50 und der Eierpreise um mehr als 100 ν. Η. maß- gebend war, sowie der Index für Bekleidung um gut 30 v. H., was ins- besondere auf die Steigerung der Têxtil- und Schuhpreise zurückzuführen war. Diese Preissteigerungen lösten eine außerordentlich kritische Situa- tion aus. Sie ließen zunächst einmal Zweifel an dem Erfolg der Währungs- reform aufkommen und gaben Veranlassung, Spareinlagen, die nach der Währungsumstellung zur Verfügung der Bevölkerung gekommen waren, konsumtiv zu verausgaben. Sie gaben ferner Veranlassung, über eingehende Geldbeträge schnellstens wieder zu verfügen, woraus sich eine relativ hohe Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes ergab. Beide Vorgänge waren geeignet, die Preissteigerungstendenzen zu verstärken. Die Preissteigerungen riefen weiterhin Lohnbewegungen hervor, und es bestand wochenlang die Ge- fahr, daß die Lohn-Preisspirale in Bewegung kam; wenn dies damals noch nicht Wirklichkeit geworden ist, so ist das in erster Linie der von Seiten der Gewerkschaften geübten Disziplin zu verdanken.

In den ersten Monaten, zumindest bis Ende September 1948, stand die Bank Deutscher Länder dieser Entwicklung fast machtlos gegenüber. Die Versorgung der Bevölkerung mit Geld, das kaufend auf dem Markt wirksam wurde, basierte einerseits auf der „hoheitlichen Geldschöpfung", die in Zusammenhang mit der Währungsreform vorgenommen wurde; man denke an die Ausstattung mit sogenannten Kopf- und Geschäfts- beträgen, an die Erstausstattung der Öffentlichen Hand und an die Um- stellung und Freigabe von früheren Reichsmarkguthaben. Sie basierte andererseits auf der wiederingangkommenden Geldschöpfung der Geschäfts- banken. Die Geschäftsbanken waren hierbei in den ersten Monaten von der Notenbank so gut wie unabhängig, da die genannten Erstausstattungen im großen und ganzen in Notenbaukgeld erfolgten und den Geschäfts- banken für die umgestellten Reichsmarkguthaben auch in gewissem Pro- zentsatz Notenbankguthaben auf gesetzlicher Grundlage zugeführt worden waren. Hinzu kam noch, daß die beim Zentralbanksystem bereitgestellten Erstausstattungen der öffentlichen Hand großenteils bald zu den Geschäfts- banken umdisponiert wurden. Die Inanspruchnahme der Notenbank durch die Geschäftsbanken war bis Ende September 1948 ganz geringfügig, die Geschäftsbanken verfügten vielmehr im allgemeinen über nennens-

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werte Überschußreserven über die vorgeschriebenen Mindestreserven hinaus.

Mangels Kreditnahme der Geschäftsbanken beim Zentralbanksystem war die Einwirkungsmöglichkeit der Bank Deutscher Länder beschränkt. Die Diskontpolitik war in dieser Zeit so gut wie lahmgelegt. Geeignete Bestände für offenmarktpolitische Maßnahmen waren nicht vorhanden und hätten auch bei der Lage des Kapitalmarktes nicht zum Verkauf ge- bracht werden können. Bestenfalls hätte das Mittel der Mindestreserven- politik eingesetzt werden können, d. h. die seit dem 1. Juli 1948 geltenden Mindestreservesätze von 10 v. H. für Sichteinlagen und 5 v. H. für Termin- einlagen einschließlich Spareinlagen hätten erhöht werden können; der Zentralbankrat hat sich jedoch in dieser Zeit nicht zu einer solchen Maß- nahme entschlossen.

Im IV. Vierteljahr stieg die Einwirkungsmöglichkeit der Zentralbank, da nunmehr die Geschäftsbanken genötigt waren, den Kredit der Zentral- bank in Anspruch zu nehmen. Die Geschäftsbanken setzten die Ausdeh- nung ihrer Kreditgewährung fort, wodurch die Geldmenge im ganzen ge- steigert wurde. In Zusammenhang damit wurde auch mehr Stückgeld be- nötigt, und die Bevölkerung gewöhnte sich nun auch wieder daran, größere Stückgeldbeträge mit sich zu tragen; zur Beschaffung dieser Stückgeld- beträge mußten die Geschäftsbanken auf die Notenbankguthaben zurück- greifen und sich solche zusätzlich beschaffen. Mit Wirkung vom 1. Dezem- ber 1948 wurden dann auch die Mindestreservesätze erhöht, nämlich die Mindestreservesätze für Sichteinlagen an Bankplätzen wurden von 10 auf 15 v. H. hinaufgesetzt, was immerhin einen Mehrbedarf an Notenbank- guthaben von 300 Millionen DM bedeutete. Zu einer Erhöhung des Dis- kontsatzes hat sich die Bank Deutscher Länder auch in diesen Monaten nicht entschlossen. Sie hat aber die Auswahl des anzukaufenden Wechsel- materials verschärft: der Rediskont von Bankakzepten wurde auf die- jenigen Fälle beschränkt, in denen das Bankakzept der Finanzierung des Außenhandels und behördlich angeordneter Einlagerungen gedient hatte. Ferner wurden die Banken aufgefordert, „ihr Kreditvolumen über den Stand vom 31. Oktober 1948 hinaus nur in volkswirtschaftlich dringenden Fällen und nach vorheriger Fühlungnahme mit den Landeszentralbanken zu erweitern." Man erkennt hier die Neigung, auch in der Diskontpolitik nicht das normale Mittel der Diskontsatz Veränderung, sondern gewisse exzeptionelle Mittel anzuwenden. Alles in allem stiegen die seitens der Geschäftsbanken beim Zentralbanksystem aufgenommenen Kredite im IV. Vierteljahr von 363 auf 1651 Millionen DM.

Man kann sich fragen, ob nicht, zumindest im IV. Vierteljahr, die Bank Deutscher Länder die Beschränkung der Kreditschöpfung hätte schärfer handhaben können und sollen. Das Können möchten wir bejahen. Die Frage nach dem Sollen möchten wir offen lassen. Zweifellos waren die sozialen Spannungen infolge der Preissteigerungen denkbar unerwünscht. Aber auf der anderen Seite steht der Tatbestand, daß die Zahl der Arbeits- losen von der Währungsreform bis Ende 1948 um einige hunderttausend zugenommen hat, was zwar nicht auf eine Minderung der Zahl der Beschäf-

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tigten zurückzuführen ist, sondern auf Zugänge zum Arbeitsmarkt. Und darüber hinaus war allgemein erwartet worden, daß nach der Währungs- reform eine große Arbeitslosigkeit im Bauwesen und den Produktions- mittelindustrien einsetzen würde; daß diese nicht zur Wirklichkeit wurde, dürfen wir darauf zurückführen, daß die Größe der Geldschöpfung in wesentlichen Teilen der Industrie und speziellen Zweigen der Landwirt- schaft Gewinne in großer Höhe ermöglicht hat, die dann zu Investitionen in Produktionsanlagen die finanzielle Möglichkeit boten. Die Bank Deut- scher Länder hat sich bei ihren Entschließungen auch von der Rücksicht leiten lassen, daß in Teilen des Wirtschaftslebens, insbesondere in den Grundstoffindustrien, die freie Preisbildung noch nicht wiederhergestellt war, daß deshalb diese Bereiche keine großen Möglichkeiten zur Selbst- finanzierung besaßen, daß ihre Produktion und die Ausdehnung derselben aber eine entscheidende Grundlage für die Ausdehnung der Produktion in der verarbeitenden Industrie bildete; auch dieser Grund sprach dafür, die Kreditgewährung der Banken nicht allzusehr zu drosseln.

2. Das Jahr 1949 und das erste Halbjahr 1950

Wir möchten die nunmehr zu behandelnde zweite Epoche der west- deutschen Geldpolitik als eine Zeit relativer wirtschaftlicher Stabilität bezeichnen. Die Preise hörten auf zu steigen, und insbesondere bei indu- striellen Fertigwaren trat eine gewisse Rückbildung der Preise ein. Die Lohnbewegungen hielten sich in solchen Grenzen, daß sie durch die Stei- gerung der Produktivität im Rahmen der Industrie kompensiert und über- kompensiert werden konnten. Die Gewinne der industriellen Unterneh- mungen hielten sich dabei auf einer Höhe, daß in großem Stil weiterhin Selbstfinanzierung getrieben werden konnte und die Investitionen weiter- hin auf großer Höhe blieben. Die Verbesserung des industriellen Produk- tionsapparates, der zur Zeit der Währungsreform noch in recht schlechtem Zustand gewesen war, da die Kriegseinwirkungen nur zu kleinem Teil überwunden waren, ging stetig weiter. Die Hohe der Gewinne und der Investitionen verbietet es, in dieser Zeit von Wirtschaftskrise oder De- flation zu sprechen. Aber andererseits nahm die Arbeitslosigkeit erheblich zu; während sie im letzten Vierteljahr des Jahres 1948 rund 800 000 be- tragen hatte, betrug sie im Monatsdurchschnitt dés Jahres 1949 rund iy± Millionen, stieg im Februar 1950 bis an die 2 Millionen- Grenze heran und ging dann langsam bis zur Mitte des Jahres auf 1 % Millionen zurück ; die typische winterliche Steigerung der Arbeitslosigkeit ist mit diesem Rückgang nur knapp und relativ spät wieder zum Verschwinden gebracht. Allerdings ist die Zahl der „Unselbständig Beschäftigten" nicht in gleicher Weise zurückgegangen, wie die Arbeitslosigkeit gegenüber der voran- gegangenen Zeit zugenommen hat. Die Zahl der Beschäftigten von Ende 1948 wurde im Herbst 1949 und um die Mitte des Jahres 1950 erreicht und hat nur in den Zwischenzeiten um wenige hunderttausend niedriger gelegen. Angesichts der besonderen Lage Westdeutschlands, mit einer Arbeiterbevölkerung, die noch kaum Gelegenheit gehabt hatte, sich wirt-

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schaftliche Reserven zu bilden, mit Öffentlichen Haushalten, die schon ohne dies als überlastet anzusprechen waren, bildete diese Zunahme der Arbeitslosigkeit ein überaus ernstes Problem, dessen Lösung sich auch die Notenbankführung nicht entziehen konnte.

Die erste Frage, die wir stellen wollen, ist die, inwieweit die fest- zustellenden rückläufigen Tendenzen auf Maßnahmen der Geldpolitik zurückzuführen sind. Sicherlich haben die vorher behandelten Maß- nahmen der Notenbank mitgewirkt, aber wichtiger ist wohl, daß die obrig- keitliche Geldschöpfung gegen Ende des Jahres aufhörte, eine entschei- dende Rolle zu spielen; jedenfalls kamen durch Umstellung ehemaliger Reichsmarkguthaben nur noch beschränkte Geldbeträge in den Verkehr. Insoweit bisher der Mangel an wichtigen Rohstoffen, die nur vom Aus- land zu beziehen waren, die Ausdehnung der Produktion gehemmt hatte, kann man gegen Ende des Jahres 1948 allmählichen Fortfall dieser Hemm- nisse dank dem verstärkten Anlaufen des Marshallplanes feststellen, was auch auf die Preise der mit diesen Rohstoffen hergestellten Produkte wirken mußte. Es genügte tatsächlich eine beschränkte Zeit nicht mehr steigender Preise, um die Bevölkerung zu veranlassen, mit der Veraus- gabung von Geld sich mehr Zeit zu lassen und auch mehr zu sparen. Diese Reaktion der Bevölkerung auf das Aufhören der Preissteigerungen hat wohl das Ausmaß der Nachfrage am Markt am stärksten beeinflußt. Die Notenbank konnte mit Recht in ihren Berichten darauf hinweisen, daß die Kreditbanken weiterhin ihre Kredite ausdehnen; das genannte Ver- halten der Bevölkerung erwies sich demgegenüber als das stärkere Moment.

In dieser Lage mußte es Aufgabe der Notenbank sein, die rückläufigen Tendenzen aufzufangen und mitzuwirken, daß die Arbeitslosigkeit nicht in solchem Maß zunahm. Ende März wurde die Anweisung an die Kredit- institute, den Stand der Kredite nicht oder nur im Einvernehmen mit der zuständigen Landeszentralbank über den Stand von Ende Oktober 1948 hinaus zu erhöhen, aufgehoben. Ab Mai 1949 wurden bezüglich des Ankaufs von Bankakzepten Erleichterungen gewährt, die die Einschrän- kungen der Zeit gegen Ende 1948 im wesentlichen wieder aufhoben. Im Mai wurde der Diskontsatz, zu dem die Landeszentralbanken Wechsel hereinnehmen, von 5 auf 4%, Anfang Juli von 4% auf 4% gesenkt. Ab 1. Juni wurden die Mindestreserven für Sichteinlagen an Bankplätzen von 15 auf 12, für solche an Nichtbankplätzen von 10 auf 9% herabgesetzt; ab 1. Sept. 49 wurden die Mindestreserven weiterhin ermäßigt, und zwar für Sichteinlagen an Bankplätzen von 12 auf 10, für Sichteinlagen an Nichtbankplätzen von 9 auf 8, fur Termin- und Spareinlagen von 5 auf 4%. Gleichzeitig wurde der Satz für Mindestreserven, die die Landeszentral- banken bei der Bank Deutscher Länder zu unterhalten haben, von 20 auf 12% gesenkt. Danach wurden weder beim Diskontsatz, noch bei den Mindestreservesätzen bis zur Mitte des Jahres 1950 weitere Veränderungen vorgenommen. Wir können also konstatieren, daß auch die Mittel der Ver- änderung des Diskontsatzes und der Mindestreservesätze seitens der Notenbank zur Belebung des Wirtschaftslebens angewandt worden sind, wenn auch nicht in allzu kraftvollem Maß.

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Wie wir an den Zahlen über die Arbeitslosigkeit und Beschäftigung gesehen haben, erwiesen sich die angewandten Mittel der Notenbank nicht als ausreichend wirksam. Man hat deshalb, ζ. Τ. unter Mitwirkung der Bundesrepublik und der Länder, weitere Maßnahmen zur Belebung des Wirtschaftslebens ergriffen. Unter Einsatz von verfügbaren Fonds, insbesondere solchen der Länder, wurden in der zweiten Hälfte des Jahres 1949 der Wohnungsbau und sonstige Investitionen der öffentlichen Hand verstärkt. Ferner machte die Notenbank zur Förderung langfristiger Aus- leihungen durch die Kreditinstitute von dem Mittel Gebrauch, Ausgleichs- forderungen dieser Institute (siehe oben S. 4) anzukaufen; allerdings handelte es sich dabei keineswegs um eine endgültige Übernahme dieser Ausgleichsforderungen durch die Notenbank, sondern um eine zeitweilige ; die abgebenden Kreditinstitute wurden verpflichtet, beim Eingang ent- sprechender Mittel, z. B. beim Absatz von Pfandbriefen, die Ausgleichs- forderungen zurückzunehmen; es drehte sich also nur um eine Vorfinan- zierung zu erwartender Eingänge, um eine zeitliche Vorverlegung von Ausleihungen; die Wirkungen waren nicht allzu groß, zumal die von der Bank Deutscher Länder hierfür vorgesehenen Beträge relativ beschränkt waren. Im Jahre 1950 wurde sodann ein Arbeitsbeschaffungs- und Woh- nungsbauprogramm inszeniert, an dem sich auch die Notenbank mit Rediskontzusagen und Vorfinanzierungen beteiligte; diese Programme sind aber in der ersten Hälfte des Jahres 1950 noch wenig zur Auswirkung gekommen.

Die mangelnde Wirksamkeit der notenbankpolitischen Maßnahmen ist nun aber doch noch nicht genügend erklärt. Wir möchten eine große Bedeutung dem Tatbestand zumessen, daß in der zweiten Hälfte des Jahres 1949 auf den Außeühandelskonten eine Entwicklung vor sich ging, durch die die Geschäftsbanken massenhaft Notenbankguthaben ver- loren und in ein riesiges Wechselobligo gegenüber der Notenbank hinein- getrieben wurden. Um die Mitte des Jahres 1949 hatte der Bestand an rediskontierten Wechseln und Schecks nach dem zusammengefaßten Ausweis der Bank Deutscher Länder und der Landeszentralbanken rund 1 Milliarde betragen. Bis Ende Oktober stieg dieser Betrag auf 2,4, bis Ende des Jahres auf 3,2 Milliarden DM. Gleichzeitig verdoppelte sich der Bestand an Lombardforderungen. Wir sehen also, daß bei de# Geschäfts- banken ein riesiger Refinanzierungsbedarf aufgetreten war, der zu dieser Inanspruchnahme des Zentralbanksystems Anlaß gegeben hatte, und dieser Refinanzierungsbedarf ist eindeutig auf die Entwicklung der Außenhandels- konten zurückzuführen. Die Entwicklung der Außenhandelskonten ist ihrerseits zurückzuführen auf Hemmungen in der Freigabe von Counter- part-funds und in der Inanspruchnahme der zugeteilten Mittel ; und ferner auf die Passivierung des kommerziellen Außenhandels, d. h. darauf, daß die nicht aus Marshallplangeldern zu finanzierende Einfuhr über die Aus- fuhr hinauswuchs. Dieses Zurückbleiben der Ausfuhr gegenüber der kommerziellen Einfuhr war im wesentlichen Folge der schnell vollzogenen weitgehenden Liberalisierung der Einfuhr; man brauchte dessentwegen noch nicht die Geldschöpfung im Lande zu drosseln und die Bemühungen

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um Überwindung der Arbeitslosigkeit einzustellen, zumal die genannte Passivität des Außenhandels im allgemeinen keinen Verlust an Gold- und Dollarbeständen der Bank Deutscher Länder, sondern ein Auflaufen von Passivsalden auf Verrechnungskonten bedeutete. Aber ist damit zu rechnen, daß die Geschäftsbanken trotz des riesigen Anwachsens ihres Obligos gegenüber dem Zentralbanksystem willig ihre Kredite ausdehnen ? Unseres Erachtens muß die Notenbank in solchen Lagen von weiteren Mitteln Gebrauch machen, um die Veränderungen auf den Außenhandels- konten nicht zu entsprechenden Veränderungen in der Größe der Noten- bankguthaben bzw. der Verschuldung der Kreditbanken führen zu lassen. In dafür geeigneten Ländern könnte mit Hilfe der Offenmarktpolitik eine Kompensation der Wirkungen erfolgen. In Westdeutschland ist die Offenmarktpolitik, wie oben bemerkt, kaum anwendbar, zumal die Noten- bank wohl Wertpapiere am offenen Markt kaufen, sie aber kaum wieder absetzen könnte, ohne eine Déroute am Markt herbeizuführen. Immerhin steht der Bank Deutscher Länder auch das Mittel zu Gebote, Ausgleichs- forderungen der Geschäftsbanken von diesen zu kaufen, und zwar mit der Auflage, daß die Geschäftsbanken bei einer Veränderung der Lage diese Ausgleichsforderungen zurückzuerwerben haben. Eine Belastung mit die- ser Verpflichtung würde unseres Erachtens die Bereitschaft der Geschäfts- banken zur Ausdehnung ihrer Kredite weniger beeinträchtigt haben als das Wachsen des Wechselobligos gegenüber dem Zentralbanksystem.

Aus den Vorgängen in Zusammenhang mit den Außenhandelskonten können wir noch eine weitere Erfahrung ableiten. Man sollte annehmen, daß die um Milliardenbeträge gestiegene Weiterbegebung von Wechseln aus dem Portefeuille der Kreditbanken an das Zentralbanksystem den Bestand an Wechseln im Portefeuille der Kreditbanken vermindert hätte. Das ist aber tatsächlich nur vorübergehend und in relativ bescheidenem Maß der Fall gewesen. Das zeigt, daß ad hoc Wechsel in großem Ausmaß produziert worden sind, daß der Anfall von Wechseln bei den Kredit- banken sehr elastisch ist und von den Banken künstlich herbeigeführt werden kann.

3. Von der Koreakrise bis zur Gegenwart Die Koreakrise und die darauf folgenden Ereignisse haben das West-

deutsche Wirtschaftsleben stark berührt, im guten und im schlechten Sinne. Wiederum machten sich die außerordentlich starken Reaktionen der Bevölkerung auf wirtschaftliche Vorgänge bemerkbar. Und die da- durch gegebenen Preisauftriebstendenzen wurden durch starke, von den Gewerkschaften durchgesetzte Lohnbewegungen verstärkt, zumal es sich dabei um Lohnerhöhungen in Ausmaßen handelte, daß an einen Ausgleich durch gleichzeitige Erhöhung der Produktivität nicht mehr zu denken war.

Ein erfreuliches Ergebnis der Ereignisse war, daß die Arbeitslosen- zahl, die in der Mitte des Jahres 1950 noch auf 1% Millionen gestanden hatte, bis zum Spätherbst des Jahres auf 1% Millionen sank und daß die

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Industrieproduktion eine kräftige Erhöhung erfuhr. Ein unerfreuliches Ergebnis waren die Preissteigerungen und die Komplikationen, die sich im Zusammenhang damit ergaben.

Man mag sich fragen, wie es bei einer noch immer nennenswerten Arbeitslosigkeit zu solchen Preissteigerungen kommen konnte, zumal auch vorher keine „Verlustpreise" herrschten. Der Grund liegt darin, daß es sich nicht um eine typische „konjunkturelle" Arbeitslosigkeit handelte, daß von großen unausgenutzten Produktionsanlagen, mit denen die unaus- genutzten Arbeitskräfte hätten kombiniert werden können, nicht die Rede sein konnte, daß also die vorhandenen Betriebe bei einer Produk- tionsausdehnung sehr schnell an die Grenze ihrer Kapazität gelangten. Dazu haben sich bei der tatsächlich vollzogenen Ausdehnung der Produk- tion sehr schnell Engpässe gezeigt, die eine weitere Ausnutzung der vor- handenen Kapazität unmöglich machten. Die Engpässe lagen vornehmlich auf dem Gebiet der Versorgung mit Kohle und elektrischer Energie und Grundstoffen, aber infolge der Außenhandelsschwierigkeiten, von denen noch die Rede sein wird, zeigten sich solche Engpässe auch in der Versor- gung mit solchen Rohstoffen, die nur vom Ausland zu beziehen sind. Jedenfalls gibt es in Westdeutschland Grenzen für die Ausdehnung der Produktion, die in vielen anderen Ländern nicht eine solche Rolle spielen.

Die mengenmäßige Vermehrung des Absatzes bei gleichzeitigen Preis- steigerungen, die in den Monaten nach Ausbruch der Koreakrise fest- zustellen war, war zunächst nicht auf eine Ausweitung des Bankkredites zurückzuführen. Vielmehr ist der vergrößerte Zustrom von Geld zunächst auf andere Weise zustande gekommen. Die Bevölkerung reagierte mit Verringerung der Spartätigkeit und schnellerer Verfügung über eingehende Geldbeträge auf die außenpolitischen Vorgänge und die Nachrichten über Preissteigerungen an den Weltmärkten und über Verknappung bei wich- tigen Welthandelsgütern. Es besteht auch Anhalt dafür, daß Bargeldhorte, deren Bildung mit Steuerhinterziehung oder mit Gewohnheiten der länd- lichen Bevölkerung zusammengehangen hatte, angesichts der Erwartung von Preissteigerungen oder von Rationierungsmaßnahmen auf gelöst wur- den.

Unglücklicherweise kamen mit den durch Korea ausgelösten Auf- triebtendenzen andere zusammen, die auf Maßnahmen zurückgehen, die unter andern Umständen ergriffen worden waren. Wir haben bereits von den im ersten Halbjahr ergriffenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ge- sprochen, die zumeist jetzt erst zur Auswirkung kamen. Darüber hinaus war im Frühjahr eine Senkung der Einkommensteuer beschlossen worden, und zwar rückwirkend auf den 1. Januar 1950, die nun nicht nur größere Einkommensteile der Bevölkerung beließ, sondern auch zur Rückzahlung zuviel bezahlter Beträge in der hier in Frage stehenden Zeit Anlaß gab; die Länder, die die Erträge der Einkommensteuer beziehen, nahmen diese Verringerung ihrer Einnahmen nicht zum Anlaß zur Verringerung ihrer Ausgaben, sondern zur Verringerung ihrer Guthaben und zur Inanspruch- nahme von Krediten beim Banksystem.

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GeldpolitiK und Bankenliquidität in Westdeutschland seit der Währungsreform 211

Zu diesen Quellen zusätzlicher auf dem Markt wirksam werdender Geldbeträge kam dann im September und Oktober noch eine Ausdeh- nung der Bankkredite hinzu, die das in den vorangegangenen Monaten üblich gewesene Maß weit überschritt. Insgesamt rechnet die Bank Deutscher Länder für die zweite Hälfte des Jahres 1950 mit einer Kredit- schöpfung der Geschäftsbanken von rund 3% Milliarden DM. Die Nach- frage nach Kredit seitens der Geschäftswelt war geradezu grenzenlos ge- worden und mit Zinserhöhungen in dem gewohnten Ausmaß nicht einzu- dämmen, da jeder mit weiteren Preissteigerungen oder mit Lieferschwie- rigkeiten bei den gewünschten Waren rechnete.

Die Bank Deutscher Länder hatte mehrfachen Anlaß, dieser Ent- wicklung entgegenzutreten. Das Vertrauen der Sparer in die Stabilität der Kaufkraft des Geldes sollte wiederhergestellt Werden, zumal der Spar- tätigkeit der breiten Massen der Bevölkerung als Grundlage für den Wohnungsbau und zu anderen Zwecken eine besondere Bedeutung im heuti- gen Westdeutschland zukommt. Die mit den Preissteigerungen begründeten Lohnbewegungen der Gewerkschaften drohten, ein Kostenniveau herzu- stellen, das für die zukünftige Gestaltung des Außenhandels bedenklich erschien. Und schließlich war unter der Einwirkung der Koreakrise und der anschließenden Vorgänge die außenwirtschaftliche Lage Westdeutsch- lands schon in hohem Maß kritisch geworden.

Hatte man in der vorangegangenen Zeit noch Möglichkeiten gehabt, sich über die Passivierung der kommerziellen Außenhandelsbilanz hin- wegzusetzen und diese nicht zum Anlaß für Krediteinschränkungen zu nehmen, so bestanden nach der Einführung der Europäischen Zahlungs- union dazu Möglichkeiten nicht mehr. Denn das Statut der Europäischen Zahlungsunion hielt die Teilnehmerländer an, Einfuhrbeschränkungen aufzuheben und nicht neu einzuführen. Grundsätzlich kam es also nicht in Frage, durch Verschärfungen der Devisenzwangswirtschaft den Aus- gleich der Außenhandelsbilanz herbeizuführen, wie das Deutschland bei- spielsweise in den dreißiger Jahren getan hatte. Die bei der Europäischen Zahlungsunion auflaufenden Passivsalden mußten von einem gewissen Punkte ab mit Gold oder Dollar abgedeckt werden, was bei den geringen Beständen der Bank Deutscher Länder bald zu Schwierigkeiten führen mußte. So mußte die Notenbank also suchen, durch Krediteinschrän- kungen der Lage Herr zu werden. Daß darüber hinaus noch der Versuch gemacht wurde, mit Mitteln, die direkt auf die Einfuhr wirken (Bar- depotgestellung usw.), zu arbeiten, sei nur ergänzend vermerkt. Ebenso sei nur kurz erwähnt, daß schließlich doch zeitweilig mit ausgesprochen zwangswirtschaftlichen Mitteln gearbeitet werden mußte, um die vorge- sehene Abdeckung des Passivsaldos in der vorgeschriebenen Zeit zu er- reichen.

Die Bank Deutscher Länder hat u. a. folgende Maßnahmen ergriffen: Mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 wurden die Mindestreservesätze we- sentlich erhöht, und zwar für Sichteinlagen an Bankplätzen von 10 auf 15%, für Sichteinlagen an Nichtbankplätzen von 8 auf 12%, für befristete Einlagen (mit Ausnahme der Spareinlagen) von 4 auf 8%. Am 26. Oktober

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212 Budolf. Stucken, Geldpolitik und Bankenliquidität in Westdeutschland

folgte eine Erhöhung des Diskontsatzes der Landeszentralbanken von 4 auf 6% und des Lombardsatzes von 5 auf 7%.

Die Bank Deutscher Länder hat die Auswirkung dieser Maßnahmen nicht abgewartet; es bestand auch kaum Aussicht dafür, daß angesichts der damaligen Haltung der Geschäftsleute die genannte Zinserhöhung durchschlagende Wirkung haben würde, trotzdem die Geschäftsbanken auch ihrerseits entsprechende Erhöhungen ihrer Zinssätze vorgenommen haben. Vielmehr ging sie wenige Tage später zur Kreditrestriktion über, indem sie die Landeszentralbanken aufforderte, bis zum 31. Januar ihre den Geschäftsbanken gewährten Wechseldiskont- und Wechsellombard- kredite um 10% abzubauen, um diese damit ebenfalls zu einer Verminde- rung ihrer Kredite zu veranlassen. Darüber hinaus hat der Zentralbank- rat Ende Januar 1951 an alle Geschäftsbanken die Aufforderung gerichtet, sich ab sofort einer Ausdehnung ihrer kurzfristigen Kredite zu enthalten, und einen Monat später die Forderung aufgestellt, die gewährten Kredite in wenigen Monaten um insgesamt 1 Milliarde DM zurückzuführen. Tat- sächlich gelang es mit diesen Mitteln, die Kreditausweitung zu stoppen und den Geldumlauf zurückzudämmen.

Darüber hinaus hat der Zentralbankrat Kreditrichtsätze für Ge- schäftsbanken aufgestellt, von deren Innehaltung künftig die Kefinan- zierungshilfe des Zentralbanksystems abhängig gemacht wird. Es sollen die kurzfristigen Kredite der Geschäftsbanken an Wirtschaftsunterneh- mungen und Private ein bestimmtes Vielfaches des haftenden Eigen- kapitals nicht überschreiten; die Summe der liquiden Mittel (Kasse, Landeszentralbankguthaben, Postscheckguthaben, Schecks und Wechsel) soll einen bestimmten Vomhundertsatz der fremden Mittel nicht unter- schreiten, und die Summe der Debitoren soll einen bestimmten Vomhundert- satz der haftenden Mittel und Einlagen nicht überschreiten.

Wir möchten abschließend sagen, daß in der Frage der Beherrschung der Kreditschöpfung der Geschäftsbanken und in der Frage der Herbei- führung eines volkswirtschaftlich erwünschten Geldumlaufes in West- deutschland noch Vieles im Flusse ist. Die regulären Mittel der Noten- bankpolitik haben sich mehrfach als wenig wirksam erwiesen, sie sind allerdings auch nicht mit starker Hand angewandt worden. Die Noten- bank neigte dazu, sich dadurch zu helfen, daß sie gewisses Wechsel- material vom Rediskont ausschloß, und schließlich ist die Kreditrestrik- tion als letztes Aushilfsmittel angewendet worden.

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