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103 BIOspektrum | 01.14 | 20. Jahrgang SABRINA HEDRICH, AXEL SCHIPPERS BUNDESANSTALT FÜR GEOWISSENSCHAFTEN UND ROHSTOFFE (BGR), HANNOVER Biomining is the extraction of metals from ores by microorganisms which to date is industrially applied to recover metals (i. e. Cu, Au, Co, Ni) from sulfide ores. Recent research & development has brought about a novel method for the dissolution of oxide ores and promises potential in bio- leaching of waste material (dump material, electronic waste, etc.). Similar microbial processes have been developed for the selective recovery of metals from acidic mine and process waters. DOI: 10.1007/s12268-014-0413-6 © Springer-Verlag 2014 Geobiotechnologie und Biomining ó Die Geobiotechnologie befasst sich mit bio- technischen Verfahren zur Rohstoffgewin- nung und im Umweltschutz. Die Gewinnung von z. B. Erdöl aus Lagerstätten kann durch mikrobielle Verfahren erheblich gesteigert werden. Mittels Mikroorganismen und Pflan- zen können Schadstoffe aus Böden und Gewässern entfernt werden. Beim Biomining werden Mikroorganismen eingesetzt, um aus Erzen Wertmetalle zu gewinnen [1]. Wichtige Laugungsbakterien sind aerobe, azidophile Fe(II)- und/oder Schwefelverbindungen oxi- dierende Arten, wie beispielsweise Acidithio- bacillus ferrooxidans (früher Thiobacillus fer- rooxidans), Acidithiobacillus caldus und Lep- tospirillum ferriphilum. Die Erzminerale der Metalle Kupfer, Nickel, Kobalt, Blei und Zink kommen in der Natur überwiegend als Metall- sulfide vor. Metallsulfide sind unter normalen Umweltbedingungen sowie bei der Verwen- dung von schwachen Säuren unlöslich. Bio- laugung ist die biologische Umwandlung einer unlöslichen Metallverbindung in eine was- serlösliche Form. Das Oxidationsmittel Fe(III) für die Metallsulfide stammt aus der mikro- biellen Eisen(II)-Oxidation. Bei der Metall- sulfid-Oxidation entstehen Schwefelverbin- dungen und elementarer Schwefel. Diese wer- den durch die mikrobielle Oxidation zu Schwefelsäure umgesetzt, wodurch das sau- re Milieu geschaffen wird. Heute ist die Gewinnung von Kupfer aus niedriggradigen Sulfiderzen die wichtigste industrielle Anwendung von Biomining, wobei ein bedeutender Teil der Weltkupfer- produktion bereits aus der Haufen- bzw. Hal- denbiolaugung stammt. Außerdem wird Bio- mining auch zur Gewinnung von Gold, Kobalt, Nickel, Zink und Uran eingesetzt. Bei der industriellen Biolaugung von sulfidischen Erzen werden drei Prozesse unterschieden: Haufen- oder Haldenlaugung (heap or dump bioleaching, Abb. 1) von meistens niedrig- gradigen Sulfiderzen, – Tanklaugung (stirred-tank bioleaching, Abb. 2) von z. B. Kupferkonzentraten, in situ- (oder in-place)-Biolaugung von z. B. Uran. Derzeitige Aktivitäten der Forschung und Ent- wicklung (F&E) befassen sich vor allem mit der Verbesserung der Biolaugung primärer Kupfersulfide wie Chalkopyrit (CuFeS 2 ) durch den Einsatz thermophiler Mikroorganismen und elektrochemischer Verfahren sowie mit der Biolaugung komplexer sulfidischer Erze zur Gewinnung wirtschaftsstrategischer Roh- stoffe [2–6]. Anaerobe, reduktive Biolaugung Bisher wird Biomining im industriellen Maß- stab ausschließlich für sulfidische Erze ein- gesetzt, wobei diese mittels Luftsauerstoff bei der aeroben Biolaugung oxidiert und dabei aufgelöst werden (Abb. 3). Eine Metallge- winnung aus silikatischen, carbonatischen und oxidischen Erzen mittels heterotropher Bakterien und Pilze konnte bislang lediglich im Labormaßstab gezeigt werden. Anwen- dungspotenziale liegen z. B. bei der Gewin- nung von Aluminium und Lithium aus Spo- dumen (LiAl[Si 2 O 6 ]), Kobalt und Nickel aus Lateriten oder Kobalt, Nickel, Kupfer und Mangan aus polymetallischen Tiefseeknollen (Manganknollen). Neue Perspektiven für eine geobiotechnische Aufbereitung bietet die an- aerobe Biolaugung, bei der die Minerale reduktiv aufgelöst werden können, was im Falle von Laterit unter Einsatz von Acidithio- bacillus ferrooxidans gezeigt werden konnte (Ferredox process, Abb. 3, [7, 8]). Hierbei redu- zieren die Bakterien Fe(III) zu Fe(II) unter Ausschluss von Luftsauerstoff und oxidieren gleichzeitig zugesetzten Elementarschwefel als Energiequelle zu Sulfat. Metallrecycling Durch gezielte Forschung und Weiterent- wicklung der Biolaugung könnten Wertstoffe Biomining und Recycling Geobiotechnische Metallgewinnung ˚ Abb. 1: Haldenbiolaugung zur Gewinnung von Kupfer im Norden von Chile. A, Installationen im Überblick. B, Kupferhaltige Laugenlösung (pregnant leach solution) im Haldenausfluss (Bilder: BGR). A B

Geobiotechnische Metallgewinnung

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Page 1: Geobiotechnische Metallgewinnung

103

BIOspektrum | 01.14 | 20. Jahrgang

SABRINA HEDRICH, AXEL SCHIPPERS

BUNDESANSTALT FÜR GEOWISSENSCHAFTEN UND ROHSTOFFE (BGR), HANNOVER

Biomining is the extraction of metals from ores by microorganisms whichto date is industrially applied to recover metals (i. e. Cu, Au, Co, Ni) fromsulfide ores. Recent research & development has brought about a novelmethod for the dissolution of oxide ores and promises potential in bio -leaching of waste material (dump material, electronic waste, etc.). Similarmicrobial processes have been developed for the selective recovery ofmetals from acidic mine and process waters.

DOI: 10.1007/s12268-014-0413-6© Springer-Verlag 2014

Geobiotechnologie und Biominingó Die Geobiotechnologie befasst sich mit bio-technischen Verfahren zur Rohstoffgewin-nung und im Umweltschutz. Die Gewinnungvon z. B. Erdöl aus Lagerstätten kann durchmikrobielle Verfahren erheblich gesteigertwerden. Mittels Mikroorganismen und Pflan-zen können Schadstoffe aus Böden undGewässern entfernt werden. Beim Biominingwerden Mikroorganismen eingesetzt, um ausErzen Wertmetalle zu gewinnen [1]. WichtigeLaugungsbakterien sind aerobe, azidophileFe(II)- und/oder Schwefelverbindungen oxi-dierende Arten, wie beispielsweise Acidithio-bacillus ferrooxidans (früher Thiobacillus fer-rooxidans), Acidithiobacillus caldus und Lep-tospirillum ferriphilum. Die Erzminerale derMetalle Kupfer, Nickel, Kobalt, Blei und Zinkkommen in der Natur überwiegend als Metall-

sulfide vor. Metallsulfide sind unter normalenUmweltbedingungen sowie bei der Verwen-dung von schwachen Säuren unlöslich. Bio-laugung ist die biologische Umwandlung einerunlöslichen Metallverbindung in eine was-serlösliche Form. Das Oxidationsmittel Fe(III)für die Metallsulfide stammt aus der mikro-biellen Eisen(II)-Oxidation. Bei der Metall-sulfid-Oxidation entstehen Schwefelverbin-dungen und elementarer Schwefel. Diese wer-den durch die mikrobielle Oxidation zuSchwefelsäure umgesetzt, wodurch das sau-re Milieu geschaffen wird.

Heute ist die Gewinnung von Kupfer ausniedriggradigen Sulfiderzen die wichtigsteindustrielle Anwendung von Biomining,wobei ein bedeutender Teil der Weltkupfer-produktion bereits aus der Haufen- bzw. Hal-denbiolaugung stammt. Außerdem wird Bio-

mining auch zur Gewinnung von Gold, Kobalt,Nickel, Zink und Uran eingesetzt. Bei derindustriellen Biolaugung von sulfidischenErzen werden drei Prozesse unterschieden:– Haufen- oder Haldenlaugung (heap or dump

bioleaching, Abb. 1) von meistens niedrig-gradigen Sulfiderzen,

– Tanklaugung (stirred-tank bioleaching,Abb. 2) von z. B. Kupferkonzentraten,

– in situ- (oder in-place)-Biolaugung von z. B.Uran.

Derzeitige Aktivitäten der Forschung und Ent-wicklung (F&E) befassen sich vor allem mitder Verbesserung der Biolaugung primärerKupfersulfide wie Chalkopyrit (CuFeS2) durchden Einsatz thermophiler Mikroorganismenund elektrochemischer Verfahren sowie mitder Biolaugung komplexer sulfidischer Erzezur Gewinnung wirtschaftsstrategischer Roh-stoffe [2–6].

Anaerobe, reduktive BiolaugungBisher wird Biomining im industriellen Maß-stab ausschließlich für sulfidische Erze ein-gesetzt, wobei diese mittels Luftsauerstoff beider aeroben Biolaugung oxidiert und dabeiaufgelöst werden (Abb. 3). Eine Metallge-winnung aus silikatischen, carbonatischenund oxidischen Erzen mittels heterotropherBakterien und Pilze konnte bislang lediglichim Labormaßstab gezeigt werden. Anwen-dungspotenziale liegen z. B. bei der Gewin-nung von Aluminium und Lithium aus Spo-dumen (LiAl[Si2O6]), Kobalt und Nickel ausLateriten oder Kobalt, Nickel, Kupfer undMangan aus polymetallischen Tiefseeknollen(Manganknollen). Neue Perspektiven für einegeobiotechnische Aufbereitung bietet die an -aerobe Biolaugung, bei der die Mineralereduktiv aufgelöst werden können, was imFalle von Laterit unter Einsatz von Acidithio-bacillus ferrooxidans gezeigt werden konnte(Ferredox process, Abb. 3, [7, 8]). Hierbei redu-zieren die Bakterien Fe(III) zu Fe(II) unterAusschluss von Luftsauerstoff und oxidierengleichzeitig zugesetzten Elementarschwefelals Energiequelle zu Sulfat.

MetallrecyclingDurch gezielte Forschung und Weiterent-wicklung der Biolaugung könnten Wertstoffe

Biomining und Recycling

Geobiotechnische Metallgewinnung

˚ Abb. 1: Haldenbiolaugung zur Gewinnung von Kupfer im Norden von Chile. A, Installationenim Überblick. B, Kupferhaltige Laugenlösung (pregnant leach solution) im Haldenausfluss (Bilder: BGR).

A B

Page 2: Geobiotechnische Metallgewinnung

z. B. aus Bergbauhalden, Industrierückstän-den wie Aschen, Schlämmen, Schlacken undsogar Elektronikschrott effizient und umwelt-verträglich gewonnen werden. Hierzu exis-tieren bereits Verfahren im Labor- bzw. Pilot-maßstab. Klassisch werden überwiegend ent-weder autotrophe Bakterien (Acidithiobacil-lus spec.) oder heterotrophe Bakterien undPilze eingesetzt [9, 10]. Da industrielle Rest-stoffe überwiegend nicht sulfidischer Natursind, kommt der anaeroben, reduktiven Bio-laugung bei zukünftigen F&E-Aktivitäten einehohe Bedeutung zu. Auch die Extraktion vonMetallen aus Wässern des Bergbaus und derIndustrie mittels geobiotechnischer Verfah-ren hat ein hohes Innovationspotenzial undwird sogar bereits angewandt, wie im Fol-genden ausgeführt [11].

Geobiotechnische Extraktion vonMetallen aus Wässern des Bergbausund der IndustrieProzesswässer aus Bergbau und Industrie enthalten häufig hohe Konzentrationen anMetallen (z. B. Cu, Zn, Ni), Sulfat und toxi-schen Metalloiden (z. B. As), welche einer-seits eine Bedrohung für die Umwelt, ande-rerseits aber auch ein beträchtliches Poten-zial an Wertstoffen darstellen. Gegenüber her-kömmlichen Behandlungs- und Gewin-nungsmethoden erlauben aktive biologischeVerfahren eine höhere Effizienz und Selekti-vität bei der Rückgewinnung von Wertme -tallen und der Abtrennung von toxischen Substanzen [11].

Ein geobiotechnisches Verfahren zur selek-tiven Rückgewinnung von Eisen aus saurenWässern wurde im Pilotmaßstab von der Fir-ma G.E.O.S. (Freiberg, Sachsen) entwickelt.Bei diesem Prozess wird Eisen im saurenMilieu mithilfe neuartiger, azidophiler Eisen -oxidierer oxidiert und anschließend alsSchwertmannit (Fe16O16(OH)9(SO4)3,5) selektivgefällt (Abb. 3, [12]). Der gebildete Schwert-mannit ist ein potenzielles Wertprodukt undkann z. B. zur Herstellung von Pigmenten

oder als Adsorptionsmittel für die Entfernungvon Arsen aus Bergbauwässern eingesetztwerden.

Die Abtrennung von Sulfat aus sauren Wäs-sern durch mikrobielle Sulfatreduktion undgleichzeitige Fällung von Metallsulfiden wirdbereits im Großmaßstab unter Einsatz neu-trophiler Sulfatreduzierer umgesetzt (Bio-Sulfide-Prozess, BioteQ, Kanada; ThioTeq-Pro-zess, Paques, Niederlande). Während diesjedoch in einem mehrstufigen Prozess abläuft,vereint eine neuartige Methode Sulfatreduk-tion unter sauren Bedingungen mit einergleichzeitigen selektiven Fällung von Metall-sulfiden aus komplexen Prozesswässern ineinem einzigen Reaktor (Abb. 3). Die azido-philen Sulfat-reduzierenden Bakterien in die-sem System nutzen Glycerol als kostengün-stiges Substrat [2, 11]. Die beschriebenen Ver-fahren zur Biolaugung und Metallrückge-winnung werden derzeit im Geomikrobiolo-gielabor der Bundesanstalt für Geowissen-schaften und Rohstoffe (BGR) zur geobio-technischen Aufbereitung verschiedener Rest-stoffe und Erze, wie z. B. Kupferschiefer, ein-gesetzt. ó

Literatur[1] Geobiotechnologie – Status und Perspektiven, EinStatuspapier des Temporären ArbeitskreisesGeobiotechnologie in der DECHEMA e. V. (2013) http://dechema.de/en/studien-path-123211.html[2] Schippers A, Hedrich S, Vasters J et al. (2014) Biomining:metal recovery from ores with microorganisms. In: SchippersA, Glombitza F, Sand W (Hrsg) Geobiotechnology.Adv Biochem Eng Biotechnol (im Druck)[3] Vera M, Schippers A, Sand W (2013) Progress in biolea-ching: fundamentals and mechanisms of bacterial metal sulfi-de oxidation – part A. Appl Microbiol Biotechnol 97:7529–7541[4] Brierley CL, Brierley JA (2013) Progress in bioleaching:part B: applications of microbial processes by the mineralsindustries. Appl Microbiol Biotechnol 97:7543–7552[5] Guiliani N, Demergasso C, Quatrini R et al. (Hrsg) (2013)Integration of Scientific and Industrial Knowledge onBiohydrometallurgy. Adv Mater Res 825

[6] Ahmadi A, Schaffie M, Petersen J et al. (2011)Conventional and electrochemical bioleaching of chalcopyriteconcentrates by moderately thermophilic bacteria at highpulp density. Hydrometallurgy 106:84–92[7] du Plessis CA, Slabbert W, Hallberg KB et al. (2011)Ferredox: a biohydrometallurgical processing concept forlimonitic nickel laterites. Hydrometallurgy 109:221–229[8] Johnson DB (2012) Reductive dissolution of minerals andselective recovery of metals using acidophilic iron- and sulfa-te-reducing acidophiles. Hydrometallurgy 127/128:172–177[9] Lee JC, Pandey BD (2012) Bio-processing of solid wastesand secondary resources for metal extraction – a review.Waste Manage 32:3–18[10] Glombitza F, Reichel S (2014) Metal-containing residuesfrom industry and in the environment – biotechnologicalurban mining. In: Schippers A, Glombitza F, Sand W (Hrsg)Geobiotechnology. Adv Biochem Eng Biotechnol (im Druck)[11] Nancucheo I, Hedrich S, Johnson DB (2012). New micro-biological strategies that enable the selective recovery andrecycling of metals from acid mine drainage and mine processwaters. Mineral Mag 76:2683–2692[12] Hedrich S, Johnson DB (2012) A modular continuousflow reactor system for the selective bio-oxidation of iron andprecipitation of schwertmannite from mine-impacted waters.Biores Technol 106:44–49

Sabrina Hedrich und Axel Schippers

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Axel SchippersBundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)Stilleweg 2D-30655 HannoverTel.: 0511-643-3103Fax: [email protected]

˚ Abb. 2: Tankbiolaugung zur Gewinnungvon Kobalt bei Kasese, Uganda (Bild:BRGM/Kasese Cobalt Company Ltd., [2]).

¯ Abb. 3: Prozess-schema für die mikro -bielle Laugung sulfidi-scher und oxidischerErze und Reststoffesowie anschließendeRückgewinnung derin Lösung gebrachtenMetalle über mikro-bielle Eisenoxidation(rot) und Sulfatreduk-tion (grün) unter sau-ren Bedingungen.Zusätzlich kann das inLösung gebrachteAluminium abiotischals Aluminiumhydro-xid ausgefällt werden,während Manganüber biologische Oxi-dation als MnO2 ent-fernt werden kann.

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