66
LWL-Museum für Naturkunde Westfälisches Landesmuseum mit Planetarium Geologie und Paläontologie in Westfalen Heft 88 Die paläontologische Grabung in der Rhät-Lias-Tongrube der Fa. Lücking bei Warburg-Bonenburg (Kr. Höxter) im Frühjahr 2015 P. Martin Sander, Tanja Wintrich, Rene Kindlimann & Achim H. Schwermann Über den Nachweis von Lepagia gaumensis (Eucynodontia incertae sedis) aus dem Rhät (Trias) von Warburg-Bonenburg (Kr. Höxter) Achim H. Schwermann Ein neues Exemplar von Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895) aus dem Typusgebiet von Seppenrade, Münsterland Ulrich Kaplan LWL Für die Menschen. Für Westfalen-Lippe.

Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

LWL-Museum für Naturkunde Westfälisches Landesmuseum mit Planetarium

Geologie und Paläontologie in Westfalen

Heft 88

Die paläontologische Grabung in der Rhät-Lias-Tongrube der Fa. Lücking bei Warburg-Bonenburg (Kr. Höxter) im Frühjahr 2015

P. Martin Sander, Tanja Wintrich, Rene Kindlimann & Achim H. Schwermann

Über den Nachweis von Lepagia gaumensis (Eucynodontia incertae sedis) aus dem Rhät (Trias) von Warburg-Bonenburg (Kr. Höxter)

Achim H. Schwermann

Ein neues Exemplar von Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895) aus dem Typusgebiet von Seppenrade, Münsterland

Ulrich Kaplan

LWL Für die Menschen. Für Westfalen-Lippe.

Page 2: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus
Page 3: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

Hinweise für Autoren

In der Schriftenreihe Geologie und Paläontologie in Westfalen werden geowissenschaftliche Beiträge veröffentlicht, die den Raum Westfalen betreffen. Die Standardsprache ist Deutsch. Autoren, die englische Manuskripte einreichen wollen, sollten vor der Einreichung die Schriftleitung kontaktieren.

The journal Geologie und Paläontologie in Westfalen publishes contributions about geoscientific issues of Westfalia. The standard language is German. If authors propose to submit a manuscript in English, they should contact the editorship before submission.

Druckfertige Manuskripte sind an die Schriftleitung zu senden.

Aufbau des Manuskriptes1. Kurzer und prägnanter Titel.2. Zusammenfassung in Deutsch und Englisch am Anfang der Arbeit.3. Klare Gliederung (idR: Einleitung, Material und Methoden, Ergebnisse, Diskussion, Danksagung, Literaturverzeichnis, ggf. Anhang)

Äußere ManuskriptformErste Seite: Überschrift, vollständige Namen der Autoren, Anzahl der Abbildungen, Tabellen und Tafeln, Adressen der Auto-ren, eMail-Adresse des korrespondierenden Autors.

Der Manuskripttext wird als word-Datei (.doc oder .docx) eingereicht. Etwaige hyperlinks, wie automatische Verzeichnisse oder Zitate und Feldfunktionen, sind vor dem Einreichen zu entfernen, das Manuskript wird als einfacher Text eingereicht. Gattungs- und Artnamen werden kursiv geschrieben. Überschriften werden fett geschrieben, untergeordnete Überschriften unterstrichen, bzw. kursiv geschrieben. Es sollten nicht mehr als drei Überschriftenniveaus verwendet werden. Bild-, Tabellen- und Tafelunterschriften werden am Ende des Manuskripttextes eingefügt.

Literaturzitate im Text werden wie folgt ausgeführt: (Autor, Erscheinungsjahr) oder Autor (Erscheinungsjahr). Bei zwei Auto-ren gilt: Erstautor & Zweitautor; bei mehr als drei Autoren: Erstautor et al.

Alle angeführten Schriften werden am Schluss der Arbeit geschlossen als Literaturverzeichnis angegeben, alphabetisch nach den Autoren geordnet. Mündliche oder schriftliche, nicht publizierte Quellen, werden nur im Text genannt. Zeitschriftenna-men werden ausgeschrieben. Das Literaturverzeichnis ist nach folgendem Muster anzuordnen:

Zeitschriftenartikel:Siegfried, P. (1959): Das Mammut von Ahlen (Mammuthus primigenius BLUMENB.). - Paläontologische Zeitschrift 30(3): 172-184.

Bücher:Wegner, T. (1926): Geologie Westfalens und der angrenzenden Gebiete. 2. Aufl. - 500 S., Paderborn (Schöningh).

Buchkapitel:Gardner, A.L. (2005): Order Didelphimorpha. - in: Wilson, D. E. und D. M. Reeder (Ed.): Mammal Species of the World, Vol. 1, Baltimore (Johns Hopkins University Press): 3-20.

Onlinequellen:Lew, D., Pérez-Hernandez, R. und Ventura, J. (2011): Didelphis imperfecta. - IUCN Red List of Threatened Species, http://www.iucnredlist.org, 03. April 2013.

Autoren, die mit EndNote arbeiten, können den entsprechenden Ausgabestil der Geologie und Paläontologie in Westfalen finden unter: http://www.lwl.org/LWL/Kultur/lwl-naturkunde/naturkundemuseum/literatur/schriftenreihen/

Abbildungsvorgaben

Abbildungen werden als .tiff-Dateien mit einer Auflösung von mindestens 300, höchstens 600 dpi eingereicht. Die Bildgröße darf das Maß von 150x234 mm nicht überschreiten.

In den Text eingefügte Bilddarstellungen sind Abbildungen (z.B.: Abb. 2). Hinweise auf Tafeln werden mit Taf. abgekürzt. Nummerierungen von Abbildungsteilen werden mit Großbuchstaben angegeben (Segoe UI oder Arial, Schriftgröße 12, fett: z.B.: D oder E1). Weitere Beschriftungen sind ebenfalls in der Schrifttype Segoe UI oder Arial zu formatieren. Tabellen werden mit Tab. bezeichnet. Sie werden gesondert vom Manuskripttext als excel-Datei eingereicht (.xls oder .xlsx). Auf alle Abbildun-gen, Tafeln und Tabellen werden im Text entsprechende Hinweise gegeben.

Korrekturfahnen werden den Autoren einmalig zugestellt. Korrekturen gegen das Manuskript gehen auf Rechnung des Autors.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren allein verantwortlich.

Page 4: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

Geologie und Paläontologie in Westfalen

Geol. Paläont.Westf. 88 61 Seiten 31 Abb.

1 Tab.Münster

Dezember 2016

Heft 88Gewidmet Dr. Alfred Hendricks

Die paläontologische Grabung in der Rhät-Lias-Tongrube der Fa. Lücking bei Warburg-Bonenburg (Kr. Höxter) im Frühjahr 2015

P. Martin Sander, Tanja Wintrich, René Kindlimann & Achim H. Schwermann

Über den Nachweis von Lepagia gaumensis (Eucynodonta incertae sedis) aus dem Rhät (Trias)

von Warburg-Bonenburg (Kr. Höxter)Achim H. Schwermann

Ein neues Exemplar von Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895)

aus dem Typusgebiet von Seppenrade, MünsterlandUlrich Kaplan

Page 5: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

Impressum

Geologie und Paläontologie in WestfalenHerausgeber:Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)LWL-Museum für NaturkundeSentruper Str. 285, 48161 MünsterTel.: 0251/591-05, Telefax: 0251/591 6098www.lwl-naturkundemuseum-muenster.de

Druck: DruckVerlag Kettler GmbH, Bönen/Westf.

Schriftleitung: Dr. Achim H. SchwermannISSN 0176-148XISBN 978-3-940726-47-6

© 2016 Landschaftsverband Westfalen-Lippe

Alle Rechte vorbehalten. Kein Titel des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des LWL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Page 6: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

Grußwort

Im Jahre 1980 wurde in das Denkmalschutzgesetzt Nordrhein-Westfalens aufgenommen, dass auch „Zeugnisse tierischen und pflanzlichen Lebens aus erdgeschichtlicher Zeit“ wertvolle Bodendenkmäler darstellen können. Als eine gesetzliche Aufgabe sieht das Gesetz vor, Bodendenkmäler zu erforschen und der Öffentlichkeit im Rahmen des Zu-mutbaren zugänglich zu machen. Unter anderem zu diesem Zwecke wurde die Zeitschrift „Geologie und Paläontologie in Westfalen“ gegründet und zunächst vom damaligen Westfälischen Museum für Naturkunde und dem Westfälischen Museum für Archäologie als Amt für Bodendenkmalpflege gemeinsam herausgegeben. Im Jahre 1983 erschien das erste Heft. Erster Schriftleiter war damals Dr. Alfred Hendricks, der als wissenschaftlicher Referent im Naturkundemuseum tätig war. Als Dr. Hendricks dann 1984 Museumsdirektor wurde, übernahm Dr. Klaus-Peter Lanser die Schriftleitung und führte sie bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2015 aus.

Seit 1988 nimmt das LWL-Museum für Naturkunde die Belange der paläontologischen Bodendenkmalpflege für Westfalen-Lippe wahr und seit 1992 ist das heutige LWL-Museum für Naturkunde alleiniger Herausgeber der Zeitschrift. Bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2016 hat Dr. Hendricks die Paläontologie in Westfalen-Lippe entscheidend geprägt und die Bodendenkmalpflege in diesem Bereich verantwortet. In seine Zeit fallen bedeutende Grabungskampagnen wie die in Hagen-Vorhalle, der Lutternschen Egge, Balve, Uffeln und viele mehr. Die ältesten vollständigen Fluginsekten der Welt wurden gesichert, ebenso das besterhaltene Skelett von Protorosaurus, der Raubsaurier Wiehenvenator albati von Minden, kreidezeitliche Fische im Teutoburger Wald, die Südelefanten von Erwitte und jüngst der älteste Plesiosaurier der Welt im Kreis Höxter, um nur wenige Beispiele zu nennen.

Im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LWL-Museums für Naturkunde bedanken wir uns bei Dr. Hendricks für all seine Verdienste um die Paläontologische Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe der vergangenen 36 Jahre.

Dr. Jan Ole Kriegs

Museumsdirektor

Dr. Detlef Grzegorczyk

Oberkustos a.D.

Page 7: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

Kemperala hagensis, Karbon, Hagen-Vorhalle. Flügellänge 9 cm

Page 8: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

Protorosaurus speneri, Perm, Ibbenbüren. Länge der Platte ca. 90 cm

Page 9: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

Fossiler Meeresboden mit Ecrinus liliiformis, Trias, Bad Driburg. Breite des Ausschnitts 1,7 m

Page 10: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

Westphaliasaurus simonsensii, Jura, Höxter. Ursprüngliche Gesamtlänge ca. 4,5 m

Page 11: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

Wiehenvenator albati, Jura, Minden. Oberkieferlänge: 49,5 cm

Page 12: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

11

Geol. Paläont.Westf. 88 11-37 21 Abb.

1 Tab.Münster

Dezember 2016

Die paläontologische Grabung in der Rhät-Lias-Tongrube der Fa. Lücking bei Warburg-Bonenburg (Kr. Höxter) im Frühjahr 2015

P. Martin Sander1, Tanja Wintrich1, Achim H. Schwermann1 und René Kindlimann2

Kurzfassung

Dieser Bericht gilt einer von der Universität Bonn vom 22. bis 30. Mai 2015 durchgeführten wissen-schaftlichen paläontologischen Grabung in den Rhät-Bonebeds einer Tongrube in Ostwestfalen, der neuen Grube („Grube III“) der Fa. August Lücking GmbH & Co. KG in Bonenburg, Stadt Warburg, Kreis Höxter. Die Grabung wurde durch einen außerordentlich bedeutenden Plesiosaurierfund im Sommer 2013 angeregt, des einzigen Skelettes eines Plesiosauriers aus der Trias. Die neue Grube schließt ungewöhnlich mächtige Sedi-mente des Rhäts (oberer Keuper) auf, von dessen Basis bis an die Trias/Jura-Grenze. Der unter Teil des Rhäts (Contorta-Schichten) ist als ca. 11 m mächtige Abfolge grau-schwarzer Ton- und Siltsteine ausgebildet, ähnlich der englischen Westbury-Formation. In diesem Profilabschnitt finden sich drei Bonebeds in ähnlicher Ausbildung wie in Südwest-England, wobei das mittlere zwei fossilreiche Lagen umfasst (Bonebed 2a und 2b) und auch größere isolierte Knochen enthält. Bonebed 2 wurde auf einer Gesamtfläche von ca. 72 m2 ausgegraben, dabei wurden ca. 300 makroskopisch sichtbare Wirbeltierreste geborgen, sowie ca. 850 kg Bonebedmaterial durch Schlämmen aufbereitet. Die Aufbereitung des Bonebeds zum Schlämmen erfolgte im Gelände mit Wasserstoff-peroxid, zur vollständigen Entfernung von Tonpartikeln wurde das Konzentrat im Labor mit dem Tensid Rewo-quat nochmals aufbereitet. Die Fauna enthält Chondrichthyes, Osteichthyes und Tetrapoden. Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimus, Parascylloides turnerae, Pseudocetorhinus pickfordi, Rhomphaiodon minor und Synechodus rhaeticus, sowie durch drei Typen von Flossenstacheln vertreten (Nemacanthus monilifer und Hybodontiformes indet.). Osteichthyes sind als Makrofossilien durch ein Maxillare von Severnichthys acuminatus und mehrere Lungenfischzahnplatten (Ceratodus latissimus) vertreten, im Schlämmkonzentrat außerdem durch die Actinopterygier Sargodon tomicus und Birgeria/Saurichthys. Tetrapoden liefern ein erstaunlich disparates ökologisches Signal, von Resten Süß-wasser bewohnender Temnospondylen bis zu Wirbeln der pelagischen Ichthyosaurier-Gattung Shonisaurus. Ebenfalls marin waren die durch mindestens drei Taxa in Form von Wirbeln und Zähnen belegten Plesiosau-rier, sowie das hier häufigste Reptil, der vermutliche Choristodere Pachystropheus rhaeticus. Tetrapoden sind weiterhin durch einen Cynodontier-Zahn (Lepagia gaumensis) und das Kieferfragment eine Sphenodonten (cf. Diphyodontosaurus) aus dem Schlämmkonzentrat belegt. Die Bearbeitung der Funde steht erst am Anfang, aber der Fundreichtum und die wissenschaftliche Bedeutung des Materials legen eine jährliche Grabung in der neuen Grube Bonenburg nahe.

Anschriften der Verfasser: 1 Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie, Nußallee 8, 53115 Bonn, [email protected], [email protected], [email protected]

2 Zürichstraße 58, CH-8607 Aathal-Seegräben, Schweiz, [email protected]

Page 13: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

12

Abstract

Here we report on a paleontological excavation conducted by the University of Bonn from May 22 to May 30, 2015. The excavation took place in a Rhaetian bone bed exposed in the New Pit (“Pit III”), a clay pit operated by the August Lücking GmbH & Co. KG brick company in Bonenburg, City of Warburg, Kreis Höxter, North Rhine-Westphalia, Germany. The excavation was catalyzed by a particularly important find, that of the first Triassic plesiosaur skeleton, in the summer of 2013. The New Pit exposes an unusually thick and complete sequence of Rhaetian (Upper Keuper) sediments, from basis of the Rhaetian to the Triassic-Jurassic boundary. The lower part of the Rhaetian (Contorta Beds) is developed as a ca. 11 m-thick sequence of grey-black clay stone and silt stone, similar to the Westbury Formation in southwestern England. This sequence contains three superimposed bone beds similar to the classic bone beds of southwestern England. The middle bone bed actually consists of two closely spaced bone beds (Bone bed 2a und 2b) and contains isolated larger bones. We excavated a total area of 72 m2 of this bone bed and recovered about 300 macroscopic vertebrate remains. In addition, we screen-washed 850 kg of bone bed matrix in the field, using hydrogen peroxide. However, to completely remove clay particles, we further processed the field concentrate in the lab using the indust-rial surfactant Rewoquat. The fauna contains Chondrichthyes, Osteichthyes, and Tetrapods. Chondrichthyes are represented by the teeth of Grozonodon candaui, „Hybodus cloacinus“, Lissodus minimus, Parascylloides turnerae, Pseudocetorhinus pickfordi, Rhomphaiodon minor und Synechodus rhaeticus as well as by three types of fin spines (Nemacanthus monilifer and Hybodontiformes indet.). Osteichthyes are represented as macrofossils by a maxilla of Severnichthys acuminatus and several lungfish tooth plates assigned to Ceratodus latissimus. The screen washing concentrate also contained teeth of the actinopterygians Sargodon tomicus and Birgeria or Saurichthys. The tetrapods we recovered from the bone bed have a very divergent ecology, from the remains of temnospondyls inhabiting freshwater to vertebrae of the pelagic ichthyosaur genus Sho-nisaurus. Plesiosaurs are represented by vertebrae and teeth and pertain to at least three taxa, also documen-ting the marine habitat, as do the most frequent bones encountered, those of the presumable choristodere Pachystropheus rhaeticus. In the microfauna, tetrapods are represented by a cynodont tooth (Lepagia gau-mensis) and the jaw fragment of a sphenodont (cf. Diphyodontosaurus). The description of the material is at an early stage, but the many finds and the scientific importance of the material suggest annual excavation campaigns in the New Pit of Bonenburg.

1. Einleitung

Im Mai 2015 wurde unter Leitung der Verfasser im Rhät einer Tongrube bei Bonenburg, Stadt Warburg, Kreis Höxter (Abb. 1), eine paläontologische Grabung durchgeführt. Das Ziel war, die Fauna der von dort neuerdings unter Sammlern bekannt gewordenen Bonebeds zu untersuchen. Die Grabung wurde durch den weltweit ersten Fund eines triassischen Plesiosaurierskelettes katalysiert (Wintrich et al., 2015). Im Jahr 2007 war bereits ein kopfloses Skelett eines unterjurassischen Plesiosauriers in Ostwestfalen bei Höxter gefunden worden, das 2011 unter dem Namen Westphaliasaurus simonsensii als neue Spezies beschrieben wurde (Schwermann & Sander, 2011). Über Herrn Dr. Detlef Grzegorczyk vom LWL-Museum für Naturkunde in Münster bekam der Verfasser PMS im Frühjahr 2014, noch während seines Forschungssemesters in Los Angeles, Bilder des Ple-siosaurier-Neufundes (Abb. 2). Dieser Fund, der im Sommer 2013 von dem Privatsammler Michael Mertens

Abb. 1: Geographische Lage von Bonenburg, Stadt Warburg, Kreis Höxter, in Ostwestfalen, NRW, Deutschland.

Page 14: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

13

aus Altenbeken-Schwaney gemacht worden war, stammte allerdings angeblich aus dem Rhät und nicht dem Unterjura, im Gegensatz zu W. simonsensii. Außerdem ist der Fund von Herrn Mertens vollständiger als das Westphaliasaurus-Exemplar, da z.B. Reste des Schädels erhalten sind. Diese Ausgangslage ließ uns nicht lange zögern, die angetragene Bearbeitung des Fundes zu übernehmen. Der Fund besteht aus einem teilartikulierten Skelett, von dessen Anatomie nur Teile des Oberschädels und die distalen Extremitäten nicht repräsentiert sind (Wintrich et al., 2015). Außerdem war der posteriore Teil der Halswirbelsäule vor der Auffi ndung durch den Tonabbau zerstört worden (Wintrich et al., 2015). Da die Hangendseite des Skeletts präpariert wurde, während die Liegendseite noch in der Matrix eingebettet ist, sind nicht alle Teile der Anatomie sichtbar. Das Skelett ist in vielen Regionen durch Mikroverwerfungen gestört.

Neben der hohen Vollständigkeit war der Fund insbesondere durch sein rhätisches Alter von großer Bedeutung. Aus dem Rhät sind bisher nur isolierte und nicht diagnostische Wirbel von Plesiosauriern be-schrieben worden (Übersicht in Storrs, 1993). Trotz der anfänglichen Skepsis von PMS, ob sich das rhätische Alter bestätigen lassen würde, ergab eine Begehung der sogenannten “neuen Grube” der Firma Lücking bei Bonenburg am 19. Juni 2014 einen eindeutigen Befund. Nicht nur bestätigten Sammler aus der Region, nämlich die Herren Karl-Josef Ortmann (Bonenburg), Michael Kaiser (Bad Salzufl en) und Dr. Rainer Ebel (Bünde), die stratigraphische Einordnung, sondern der Finder, Herr Mertens, zeigte Wirbeltierfossilien aus einem Bonebed im Hangenden der Skelett-Fundstelle, die eindeutig triassisches Alter haben. Konkret handelte es sich um Reste großer temnospondyler Amphibien, vermutlich aus der Gruppe der Capitosaurier (Abb. 3), die nur aus der Trias bekannt sind. Damit hat das Bonenburger Plesiosaurier-Skelett eindeutig Rhät-Alter (vgl. auch Simonsen, 2015).

Die von Herrn Mertens gesammelten Fossilien stammten aus mehr als einem Bonebed im rhätischen Teil des Profi ls und erwiesen sich bei einer näheren Begutachtung durch die Verfasser PMS und TW als sehr bedeutsam. Begründet durch diese Funde wurde eine Pilotgrabung konzipiert, die auf eine Dauer von zehn Tagen angelegt und auf den 22. bis 30. Mai 2015, also auf die vorlesungsfreie Zeit nach Pfi ngsten, terminiert wurde. Das LWL-Museum für Naturkunde fi nanzierte diese Grabung aus Mitteln des Denkmalförderprogramm des Landes NRW großzügig. Ziele der Grabung waren folgende Aspekte:

• Erfassung des geologischen Rahmes des Plesiosaurierskeletts und der Bonebeds.

• Bergung von makroskopisch erkennbaren Vertebratenfossilien, vor allem marinen Reptilien, aus den Bonebeds.

• Entwicklung von Methoden zur Bergung der Fossilien.

• Gewinnung von Vertebraten-Mikrofossilien, vor allem Chondrichthyes-Reste und Zähne früher Säuger, aus den Bonebeds durch Schlämmprozeduren.

• Entwicklung von Methoden zur Aufbereitung und Stabilisierung der Funde.

• Bewertung der Fundstelle als Standort für zukünftige Lehrgrabungen der Universität Bonn.

• Bewertung der Fundstelle als Fokus für ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zu Rhät und Trias/Jura-Grenze.

Abb. 2: Der im Jahr 2013 von Herrn Michael Mertens in den dunklen Rhät-Tonen der neuen Grube Bonenburg gemachte Skelettfund eines Plesiosauriers (LWL MfN P64047). Foto Georg Oleschinski, Uni Bonn.

Page 15: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

14

2. Abriss der Geologie der neuen Grube

Die neue Grube der Firma Lücking bei Bonenburg, auch als „Grube III“ in der Sammler-Literatur bezeich-net (Simonsen & Lücke, 2011), ist erst seit 2007 in Betrieb und schließt zwei grundsätzlich unterschiedliche Schichtglieder auf, die durch eine fast exakt NW-SO-streichende Verwerfung gegeneinander versetzt sind: das Rhät und das unterste Hettangium im Südwestteil und das mittlere Sinemurium im Nordostteil, (Abb. 4). Hier soll ein Abriss der Geologie der rhätischen Sedimente mit den Bonebeds und ihres geologischen Umfeldes gegeben werden, der vor allem auf Geländebegehungen der Verfasser in den Jahren 2014 und 2015 beruht und mit den Kollegen Prof. Dr. Paul E. Olsen (Columbia University, New York), PD Dr. M. Aberhan (Museum für Naturkunde, Berlin), Dr. Robert Bussert (TU Berlin) und Prof. Dr. J. Rust (Universität Bonn) vor Ort diskutiert wurde. Wenige Informationen konnten der Literatur entnommen werden (Simonsen, 2015). Ursprünglich war die neue Grube auf die Gewinnung der dunklen Sinemurium-Tonsteine angelegt, nachdem die entspre-chenden Sedimente in der nördlich gelegenen Grube II (Abb. 4) erschöpft waren. Äußerlich sind die dunklen Tonsteine des Rhäts denen des Sinemuriums zunächst erstaunlich ähnlich (Abb. 5). Sie unterscheiden sich jedoch deutlich durch ihren Fossilgehalt.

Die lokale Tektonik im Raum Bonenburg wird durch die Heraushebung des Eggegebirges und die Lage am Rand der hessischen Senke bestimmt. So fi nden sich wenige hundert Meter NW der neuen Grube Ab-lagerungen des Röts und des unteren Muschelkalks (Abb. 4A), die sehr gut in der Grube I der Fa. Lücking aufgeschlossen sind (Niermeyer, 1996). Die tektonische Situation konnte im Aufschluss nicht abschließend geklärt werden, es zeigte sich jedoch deutlich, dass zumindest der Trias-Teil der Grube durch zahlreiche klei-ne Verwerfungen beeinfl usst ist, welche Profi laufnahmen und die Grabungen erschweren (siehe unten). Die Schichten des Rhäts liegen in der Nähe der Hauptverwerfung nahezu horizontal, fallen aber bereits in einer Entfernung von wenigen Zehner Metern in westlicher Richtung konstant mit ca. 35° nach Westen ein (Abb. 5).

Abb. 3: Repräsentatives Material aus der Sammlung Michael Mertens aus dem Bonebed 2, das ein großes Spektrum von Lebensräumen repräsentiert. Einen kontinentalen Eintrag stellt das Angulare eines Temnospon-dylen (a) dar, ein Bewohner des Süßwassers. Die großen Ichthyosaurier der Gattung Shonisaurus, belegt durch Wirbel (b) und Paddelknochen (c), müssen dagegen Bewohner des offenen Meeres gewesen sein. Küstennah scheint Pachystropheus gelebt zu haben, hier repräsentiert durch Wirbel (d). Foto PMS.

Page 16: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

15

Abb. 4: A Satellitenbild des Dorfes Bonenburg und der Tongruben der Ziegelei August Lücking GmbH & Co. KG. Der weiße Kasten zeigt die Lage des Ausschnittes in B an. B Satellitenbild (Stand 2015) der neuen Grube („Grube III“) mit der Fundstelle des Plesiosaurierskelettes und der Lage der Verwerfung, die das Rhät im Südwesten gegen das Sinemurium im Nordosten versetzt hat. Satellitenbilder verändert nach Apple Maps v. 1.0.

Abb. 5: Aufschlussverhältnisse des Rhät-Profi ls in der neuen Grube Bonenburg („Grube III“) am 19.06.2014. Blickrichtung ist Süden. Die Schichten fallen mit ca. 35° nach Westen ein. Foto PMS.

Page 17: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

16

Das Trias/Jura-Profil in der neuen Grube (Abb. 6) beginnt mit einer graugrünen, homogenen Mergel-schicht, die dem Steinmergelkeuper (oberer Mittelkeuper) angehört. Die Mächtigkeit dieser Schicht beträgt mindestens 5 m, ist aber aufgrund der Beanspruchung durch die Verwerfung und den unvollständigen Aufschluss nicht sicher einzugrenzen. Das Rhät (Oberkeuper) setzt mit einem basalen Bonebed ein, das teils durch Pyrit verfestigt und lediglich fleckig ausgebildet ist. Dieses Bonebed, hier als Bonebed 1 bezeichnet, ist höchstens 1 cm mächtig und wird von einer ca. 5 cm mächtigen Schicht grauen feinkörnigen Sandsteins überdeckt. Darauf folgen ca. 11 m dunkelgraue bis schwarze, geschichtete, teils feingeschichtete, Ton- und Siltsteine, die Partien mit feiner Rippellamination in Feinsanden enthalten. Lithologisch ähnelt diese Einheit der gleich-alten südwestenglischen Westbury-Formation, ist aber wesentlich mächtiger. Die dunklen Tonsteine werden hier als Contorta-Schichten bezeichnet (Abb. 6). Die dunklen Tonsteine enthalten eine marine Fauna aus Invertebraten und Vertebraten. Unter den Invertebraten findet sich die für das Rhät leitende Rhaetavicula contorta, sowie weitere Bivalven. Außerdem kommen im unteren Drittel des Profils, in den dunklen Tonsteinen, gehäuft Schilllagen mit Lingula vor, wobei diese Brachiopoden teils eine sehr gut erhaltene Farbbänderung der Schale zeigen. Ebenfalls im unteren Drittel des Profils findet man eine besonders dichte und tonreiche Lage, die gehäuft artikulierte juvenile Ophiuroiden-Exemplare mit Durchmessern bis zu 15 mm enthält. 4,6 m über der Basis der dunklen Tonsteine liegt der Fundhorizont des 2013 von Herrn Mertens entdeckten Plesiosaurierskelettes (vgl. Wintrich et al., 2015). Wiederum etwa 3,5 m höher, also 8,1 m über der Basis, liegt ein Bonebed-Komplex, der sich in zwei gut entwickelte Bonebeds unterteilt, die durch eine etwa 8 cm mächtige Tonsteinschicht voneinander getrennt werden. Diese Bonebeds werden als Bonebed 2 oder Doppelbonebed bezeichnet, wobei das liegende Bonebed als 2a geführt wird und das hangende als 2b. Etwa 60 cm unter der Hangendgrenze der dunklen Tone liegt Bonebed 3. Dieses ähnelt Bonebed 2, wurde aber bislang noch wenig untersucht. Wenige Zentimeter über Bonebed 3 folgt eine unregelmäßige Feinsandschicht, auf deren Oberseite häufig sternförmige Ruhespuren von Echinodermen, vermutlich Ophiuroiden, erhalten sind.

Mit einem abruptem Farbwechsel von dunkelgrau nach dunkelrot folgt die nächste Schichteinheit (Abb. 5), die ebenfalls siltig-tonig ausgebildet und ca. 5 m mächtig ist. In einem mit dem Bagger freigelegten Profil-schnitt war zu erkennen, dass auch graue Lagen in dieser Einheit enthalten sind. Das frisch aufgeschlossene Gestein zeigt ein blockiges Brechen, ohne Anzeichen einer Schichtung. Offenbar wurden diese Sedimente durch Bodenbildung überprägt. Auf die dunkelrote Einheit folgt eine hellgraue, schlecht geschichtete, siltig-tonige Folge von ebenfalls ca. 5 m Mächtigkeit. Sie verwittert gelblich und ist deutlich geschichtet. Die letzte Einheit des Rhäts, die in Bonenburg ansteht, ist mit ca. 20 m recht mächtig und besteht aus gelben, teilweise auch rot gefärbten, feingeschichteten bis laminierten Siltsteinen. Gelegentlich sind Tepee-Strukturen anzutreffen, was auf ein Trockenfallen hinweist. Dieses Schichtglied dürfte ein hypersalines Watt repräsentieren, nicht unähnlich manchen randmarinen Fazies im unteren Muschelkalk (z.B. Vossenfeld-Formation, Winterswijk, Niederlande) und im mittleren Keuper (Gansinger Dolomit und obere bunte Mergel, Frick, Schweiz). Auch in den südwestenglischen Profilen (z.B. Manor Farm Quarry über Aust Cliff; Allard et al., 2015; siehe auch Korneisel et al., 2015) sind derartige Wattsedimente als jüngste Ablagerung der Trias aufgeschlossen.

Sämtliche über den dunklen Tonsteinen liegenden Rhätschichten werden als Triletes-Schichten zusammen-gefasst (Abb. 6). Sie haben bisher außer Pflanzenhäcksel und Palynomorphen (pers. Mitt. M. Aberhan) keine Fossilien geliefert. Die Fossilführung setzt erst wieder mit einer Pyrit-reichen, schokoladenbraun verwitternden Austernschillbank mit kalkiger Grundmasse und ca. 5 cm Mächtigkeit ein, die in der Grube gut zu verfolgen ist. Wir stellen diese Austernschillbank in den untersten Jura, da sie eindeutig die erste Transgression markiert. Um die genaue biostratigraphische Position zu bestimmen, wurden von RK aus dieser Bank Proben genommen, um Mikrovertebraten zu gewinnen. Chondrichthyes sind an der Trias/Jura-Grenze aussagekräftig und könnten in derartigen Schilllagen enthalten sein.

Die folgenden ca. 70 cm oberhalb der Grenzbank gelegenen Abschnitte des Profils bestehen aus gelb-braun verwitternden, geschichteten Siltsteinen, gefolgt von einer konkretionär ausgebildeten Karbonatbank, die flachgedrückte und schlecht erhaltene, aber sehr häufig auftretende Psiloceraten enthält und damit sicher dem Hettangium angehört (Abb. 6 & 7). Nach weiteren ca. 50 cm gelben Siltsteins folgt eine aushaltende reine Karbonatbank, die die ältesten gerippten Ammoniten in dreidimensionaler Erhaltung enthält. Diese Bank und die darin enthaltenen Leitformen für das Hettangium sind auch den regional tätigen Ammonitensammlern bekannt. Noch mindestens zwei weitere Karbonatbänke ließen sich in den obersten zwei Metern des Profils erkennen.

Die Profilaufnahme hat gezeigt, dass das Rhät in der neuen Grube außergewöhnlich gut und mächtig entwickelt ist und hier eines der umfangreichsten epikontinentalen Trias/Jura-Grenzprofile in Europa aufge-schlossen ist.

Page 18: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

17

Abb. 6: Das Rhät-Profil in der neuen Grube Bonenburg („Grube III“), aufgenommen an mehreren Terminen vom 27.05.2015 bis 19.05.2016 durch PD Dr. Martin Aberhan (Museum für Naturkunde Berlin) und Dr. Roland Bussert (Technische Universität Berlin). Die Signatur “Ophiuroids” bezieht sich auf die Körperfossilien von Ophiuroiden in den dunklen Tonsteinen im Bereich des Plesiosaurier-Skelettes und auf die Ruhespuren wenig oberhalb von Bonebed 3. Die Ammoniten-Signatur 1 zeigt das unterste Vorkommen von Psiloceraten an; die Ammoniten- Signatur 2 bezieht sich auf das unterste Vorkommen gerippter Ammoniten. Abkürzung: Bb = Bonebed.

Page 19: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

18

3. Grabungsvorbereitungen vom 30.04. bis 03.05.2015

Am 07.04.2015 erfolgte eine Geländebegehung mit dem Geschäftsführer der Fa. Lücking, Herrn Joachim Thater, und Herrn Dr. Grzegorczyk vom LWL-Museum für Naturkunde. Es wurden zwei Grabungsflächen im Süden der Grube auf der dritten Sohle abgesteckt, auf denen das Bonebed 2 unproblematisch freigelegt werden konnte und deren Ausgrabung im Einklang mit der Abbauplanung des Betreibers stand. Beide Gra-bungsflächen befinden sich auf dem Besitz des Landwirtes Moritz Wiemers, dessen Hof direkt östlich der Grube liegt. Diese zwei Grabungsflächen wurden ausgewählt, um die lateralen Variationen in Ausbildung und Fossilführung des Bonbeds zu erfassen.

Am Donnerstag, dem 30.04., wurden dann mit einem Radbagger der Fa. Pflasterbetrieb Müller1 von Herrn Markus Müller die Vorbereitungen für die Grabung und die geologische Profilaufnahme durch die Autoren PMS und TW, sowie Herrn Prof. Olsen vorgenommen. Mit großer Geschicklichkeit und einer am Bagger montierten breiten Schaufel ohne Zähne legte Herr Müller nicht nur ein Profil von den grünen Mergeln (Steinmergelkeuper) im Liegenden des Rhäts bis in die Schichten des Hettangiums am oberen (südwestlichen) Grubenrand frei (Abb. 8A), sondern bereitete auch eine der beiden Grabungsflächen vor (Abb. 8B). Diese lag ca. 70 m nördlich des damaligen südöstlichen und 50 m östlich des südwestlichen Grubenrandes und umfasste eine Fläche von ca. 4 m Ausdehnung im Schichtfallen und 12 m im Streichen. Die Strategie bei den Baggerarbeiten bestand darin, das Hangende bis auf 30 bis 60 cm oberhalb des Bonebed 2 maschinell zu entfernen, damit bei der Grabung der Rest bis auf das Bonebed von Hand abgegraben werden konnte. Außerdem wollten wir eine leichte Anwitterung der Schichten erreichen, sodass der Abbau von Hand einfacher sein würde. Dies erwies sich im Nachhinein allerdings als ungünstig, da die Schichten auch im bergfeuchten Zustand gut mit Pickel und Schaufel zu entfernen sind und das Bonebed gerade an seinem Ausbiss zu sehr austrocknete und damit unnötige Klüfte entwickelte.

Da die Rhät-Schichten an den geplanten Grabungsstellen mit ca. 30° nach Westen einfielen, das Gelände aber nach Westen ansteigt, fiel die freigelegte Fläche gegen den Hang ein und lag auch am Fuß der Wand zur nächsthöheren (vierten) Sohle. Diese Lage machte einen Entwässerungsgraben von einer Schaufelbreite am Südende der Grabungsfläche nötig. In diesem Entwässerungsgraben ließ sich nochmals der Fundhorizont des 2013 entdeckten Plesiosaurier-Skelettes mit dem Bonebed 2 korrelieren. Die Korrelierung basiert dabei auf deutlichen Schilllagen aus Lingula-Schalen, die direkt unterhalb des Skeletts auftreten und nur an dieser stratigraphischen Position im Profil vorkommen.

Im Bereich der zweiten Grabungsfläche wurden keine größeren Erdarbeiten vorgenommen, da hier das Bonebed weniger überdeckt war. Lediglich eine kleine Fläche am Südostrand der Grube wurde freigelegt, von der wir vermuteten, dass sich dort direkt unter dem Farbwechsel das Bonebed 3 befände. Allerdings ergaben die späteren Arbeiten auf der zweiten Grabungsfläche, dass es sich hier ebenfalls um das Bonebed 2 handelt, das durch eine Verwerfung nach Westen versetzt ist (siehe unten).

Für die Profilaufnahme wurde, ausgehend von dem Ausstreichen der graugrünen Mergel auf der zwei-ten Sohle entlang der Böschung der Rampe zur dritten Sohle, mit dem Bagger das anstehende Gestein freigelegt und mit gewissen lateralen Versätzen bis in die Juraschichten verfolgt. Am 02.05.2015 trafen sich dann TW und PMS mit Herrn Prof. Olsen zur Profilaufnahme und Besprechung des Profils (Abb. 9). Herr Prof. Olsen, der führende Experte für Trias/Jura-Grenzprofile und deren Stratigraphie, nahm das Profil am 02. und 03. Mai auf. Herr Olsen bestätigte die große Bedeutung des Aufschlusses in der neuen Grube Bonenburg als das beste derzeit in Europa verfügbare Profil in den Schichten des Rhäts. Ebenso wies er auch auf die Ähnlichkeit der dunklen Tone mit der Westbury-Formation hin, die im Bereich der klassischen Auf-schlüsse in Südwest-England, z.B. Aust Cliff, vorkommt, aber dort nur wenige Meter mächtig ist (Storrs, 1994; Nordén et al., 2015; auch eigene Beobachtungen PMS und TW).

4. Durchführung der Grabung vom 22. bis 30.05.2015

Während der Grabung wurden zwei unterschiedliche Methoden zur Gewinnung von Fossilien aus den Bonebeds 2a und 2b angewendet. Zum einen wurde das Bonebedmaterial abgebaut und makroskopisch nach Fossilien (etwa >5 mm) durchsucht. Zum anderen wurde das abgebaute Material geschlämmt, um Fossilien im Millimeter-Bereich zu gewinnen.

1 Fa. Johannes Müller Gartenbau und Pflasterbetriebe, Graf-Boyneburg-Strasse 22, 34414 Warburg-Bonenburg

Page 20: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

19

Abb. 7: A Die Trias/Jura-Grenze in der neuen Grube Bonenburg (vgl. Abb. 6) mit den Verfassern PMS (links), RK (rechts) und dem Privatsammler Michael Mertens (unten). Pfeile zeigen die Lage von B, C, D im Profi lbild A an. B Die unterste Bank mit gerippten Ammoniten des Hettangiums. C Die unterste Bank mit Psiloceraten. D Die Trias/Jura-Grenzbank, eine Austernschilllage. Foto A Carole Gee, Fotos B - D PMS.

Abb. 8: Vorbereitungen auf die Grabung durch einen Radbagger der Fa. Pfl asterbetrieb Müller am 30.04.2015. Der Bagger war mit einer breiten zahnlosen Schaufel ausgestattet, die sich für das Gestein als passend erwies und ein relativ vorsichtiges Arbeiten ermöglichte. A Freilegen des Profi ls für die spätere Aufnahme. Blickrichtung nach Ost-Südost. B Freilegen der Grabungsfl äche. Blick nach Süden. Die Schichten fallen mit ca. 35º nach W ein. Der Entwässerungsgraben ist noch nicht angelegt. Foto PMS.

Page 21: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

20

Abb. 9: A Prof. P. E. Olsen und Verfasserin TW begutachten den Ausbiss des Bonebeds 2 (Doppelbonebed) am Oberrand der Hauptgrabungsfläche am 03.05.2015. B Faziesstück des liegenden Bonebeds 2a mit 20-Cent-Münze als Maßstab. Foto PMS.

Die permanenten Teilnehmer dieser Grabung waren Olaf Dülfer (Präparator, Universität Bonn), Michael Mertens (Privatsammler, Schwaney-Altenbeken), Thorsten Plogschties (Doktorand, Universität Bonn), Prof. Dr. P. Martin Sander (Universität Bonn), Dr. Achim Schwermann (Universität Bonn), Klaus Schwermann (Geologe, Coesfeld) und Tanja Wintrich (Studentin, Universität Bonn). Zeitweise wurde die Grabung durch folgende Personen unterstützt: PD Dr. Martin Aberhan (Museum für Naturkunde, Berlin), Heinrich Becker (Museum Twentse Welle, Enschede, Niederlande), René Kindlimann (Privatsammler, Aathal bei Zürich, Schweiz), Prof. Dr. Jes Rust (Universität Bonn), Martin Profft (Student, Museum für Naturkunde, Berlin) und Herman Winkelhorst (Privatsammler, Aalten, Niederlande).

4.1. Abbau des Bonebeds

Beginnend am oberen Rand der Haupt-Grabungsfläche wurden die hangenden, etwa 30 cm mächtigen Ton-schichten über dem Bonebed mit der Spitzhacke gelockert und bis auf wenige Zentimeter über der oberen Bone-bed-Lage (Bonebed 2b) entfernt. Der Abraum wurde mit Eimern über den Sohlenrand entsorgt. Danach wurde die verbleibende Überdeckung wahlweise mit Hammer und flachem Meißel, spitzem Geologenhammer oder Ahle und Spatel von oben bis auf das Bonebed 2b freigelegt (Abb. 10). Dabei konnten bei der Entfernung des Hangenden und dem Abbau des Bonebeds bis zu sechs Personen gleichzeitig arbeiten, was einen schnellen Grabungsfortschritt garantierte. Die beiden Lagen des Doppelbonebeds ließen sich meist gut im Anschnitt erkennen (Abb. 11) und konnten so lateral verfolgt werden. Wie von Herrn Mertens angegeben, betrug der Abstand zwischen Bonebed 2a (Liegendes) und 2b (Hangendes) relativ konstant 8 bis 10 cm über die ergrabene Fläche, während die Mächtigkeit der beiden Bonebeds lokal zwischen ca. 1 cm und 3 cm variierte.

Wenn das obere Bonebed erreicht war, wurde es vorsichtig mit Spateln, Ahlen und teilweise Dentalwerkzeugen freigelegt und die Oberfläche nach Einzelknochen abgesucht, die sich deutlich von der Matrix aus Schuppen und Zähnen unterscheiden ließen (Abb. 10B, Abb. 12A). Bei dieser Tätigkeit kamen auch 5 cm breite Flachpinsel und Handbesen zur Säuberung der Oberflächen zum Einsatz (Abb. 10B). Frei liegende Knochen wurden mit dem Stabi-lisator Acryloid oder Cyanoacrylat-Klebstoff CA 103 der Fa. UHU gefestigt, wobei letzterer vor allem beim Fixieren loser Teile und ersterer bei der allgemeinen Stabilisierung zum Einsatz kam. Acryloid ist ein in Aceton gelöster Kunststoff, der sich vor Gebrauch leicht in der Konzentration durch unterschiedliche Aceton-Zugaben einstellen lässt.

Nach Aushärten der Klebstoffe konnten die Einzelknochen vorsichtig vom Bonebed abgehoben, verpackt und nummeriert werden. Die Verpackung erfolgte in mehreren Lagen Papierhandtüchern, die mit Maler-Kreppband gesichert und danach teilweise in Plastikbeuteln mit Ziploc verpackt wurden. Die Beschriftung wurde auf dem Kreppband und dem Plastikbeutel angebracht und bestand aus der laufenden Nummer des Fundes, dem Fund-horizont (also Bonebed 2a oder 2b und Modifikationen), einer Geländeansprache und dem Funddatum. Danach wurden die Funde in Stapelkisten verpackt. Die Verpackung in Plastikbeuteln erwies sich im Nachhinein als proble-matisch (siehe unten). An makroskopischen Fossilien wurden ca. 300 Stück geborgen, vor allem größere Fisch- und Tetrapodenknochen, aber auch besonders gut erhaltene Zähne von „Hybodus“ cloacinus und Flossenstacheln von Haien. Im Durchschnitt konnten wir pro Quadratmeter etwa einen größeren Knochen bergen, wobei die zahlreichen Funde von Pachystropheus-Kochen, insbesondere Wirbel und Rippen, nicht eingerechnet sind.

Page 22: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

21

Abb. 10: A Die Hauptgrabungsfl äche am 23.05.2015. Von vorne nach hinten sind Olaf Dülfer, Verfasserin TW, Michael Mertens und Thorsten Plogschties zu erkennen. Blickrichtung wie in Abb. 8B. Im Hintergrund ist das Südende der Grabungsfl äche an dem zur ersten Sohle angelegten Entwässerungsgraben sichtbar. B Freile-gung des Bonebeds durch Präparator Olaf Dülfer und Verfasserin TW, ebenfalls am 23.05.2015. Fotos PMS.

Abb. 11 : Ausbiss des Bonebeds 2(Doppelbonebed) mit dem liegenden Bonebed 2a und dem hangenden Bonebed 2b (Pfeile) am oberen Rand der Hauptgrabungsfl äche. Foto PMS.

Abb. 12: A Oberfl äche des Bonebed 2b auf der Hauptgrabungsfl äche mit zwei größeren und zahlreichen kleineren Knochen. Der Knochen links oben lässt sich als Plesiosaurier-Wirbelzentrum identifi zieren, der längliche Knochen in der unteren Bildmitte stellte sich bei der Präparation als Maxillare von Severnichthys acuminatus (LWL MfN P64340) heraus (siehe auch Abb. 13 und 18A). B Wirbel eines marinen Reptils (LWL MfN P64366) direkt nach der Bergung (siehe auch Abb. 20D). Stift als Maßstab in der rechten oberen Ecke. Fotos Michael Mertens.

Page 23: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

22

Es wurden auch Faziesstücke und größere Knochen, die sich noch in der Matrix befanden, geborgen. Mit Ersteren wollten wir repräsentative Ausschnitte des Bonebeds mit seiner ungeheuren Konzentration von Schuppen und Zähnen und den gelegentlichen größeren Knochen erhalten, damit deren Fundsituation in der Sammlung belegt ist. Bei Letzterem ging es um dünne oder flache und längliche Knochen, die sich ohne die Gefahr des Zer-brechens nicht aus dem Bonebed lösen ließen. Zur Bergung dieser Faziesstücke und von Blöcken kam die klassische Gipsmethode zum Einsatz, bei der der zu bergende Block auf einem Sockel freigestellt, mit einer Trennschicht aus Aluminiumfolie oder Toilettenpapier versehen, und dann mit einer Kappe aus Gipsbandagen ummantelt wird (Abb. 13). Gegebenenfalls wurden Holzstücke (z.B. nicht mehr benötigte Flachpinsel) als Armierung in die Gipskappe eingearbeitet. Immer musste darauf geachtet werden, dass die Gipsbandagen tief an den Seiten des nach unten konisch zulaufenden Sockels heruntergezogen wurden. Nach Aushärten der Gipskappe wurde der Block dann vorsichtig vom unterlagernden Gestein gelöst und mit einer Gipskappe auf der Unterseite versehen, so dass das Fossil oder Faziesstück mit dem Trägergestein vollständig von Gipsbandagen und Armierung umman-telt war. Da die Größe der Blöcke sich bei dieser Grabung im Dezimeter-Bereich bewegte, konnten medizinische Gipsbandagen verwendet werden. Auf die beschriebene Art wurden ca. 15 Blöcke geborgen und in Plastikwannen für den Abtransport nach Bonn verpackt.

Zeitgleich mit dem Abbau an der Hauptgrabungsfläche wurde die weiter südlich gelegene zweite Abbaufläche von ein bis zwei Grabungsteilnehmern auf einer Fläche von etwa 3 x 8 m untersucht (Abb. 14). Obwohl das Bonebed hier vom Profilgraben angeschnitten war, erwiesen sich die Arbeiten als schwierig, weil es durch zahlreiche kleine Verwerfungen beeinflusst war. Diese grob west-östlich streichenden Verwerfungen waren teils als Auf-, teils als Abschiebungen ausgebildet und versetzten das Bonebed um Beträge von bis zu 30 cm. Auch schien das Bonebed auf dieser Fläche stärker verwittert zu sein, vermutlich bewirkt durch die Wasserführung entlang der Verwerfun-gen und durch die geringere Tiefe unter der Abbausohle. Ausbildung und Fossilführung waren aber identisch zur Hauptgrabungsstelle, und es konnten mehrere gut erhaltene Einzelknochen geborgen werden, sowie ein ca. 60 cm langes Stück inkohltes Holz. Letzteres wurde in einem Block geborgen, der teils durch Gips und teils durch Bauschaum aufgebaut wurde.

Die in der südlichen Ecke der Grube und direkt unter dem Farbwechsel von dunkelgrau nach dunkelrot gele-gene Bonebedfläche wurde ebenfalls auf ca. 5 m2 freigelegt. Sie erwies sich als Bonebed 2, was an der doppelten Bonebedlage zu erkennen war. Die Position direkt unter dem Farbwechsel kam durch eine fast schichtparallele Verwerfung zustande, die wir bei weiteren Baggerarbeiten kurzzeitig freilegen konnten und die zu einer starken scheinbaren Abnahme der Mächtigkeit des Profils führte. Es wurde deutlich, dass gegen Süden die Häufigkeit kleiner Verwerfungen zunimmt. Unsere Grabung auf den südlichen Flächen legt also nahe, dass zukünftige Gra-bungsflächen vor allem nach Kriterien der Zugänglichkeit und Ungestörtheit ausgewählt werden können, da die Fundhäufigkeit im Bonebed im Grubenbereich nicht merklich zu variieren scheint.

4.2. Schlämmarbeiten

Das zweite Ziel der Grabung bestand aus der Bergung von Mikroresten von Vertebraten, vor allem von Knorpel- und Knochenfischen, aus den Bonebeds 2 und 3. Da diese Bonebeds nur an wenigen Stellen eine Verfestigung durch Pyrit aufweisen, konnte eine erprobte Schlämmtechnik für Mikrovertebraten vor Ort und im Labor Anwendung finden. Diese Arbeiten wurden von einem der Verfasser (AHS) geleitet und mit einem Helfer durchgeführt. Eine Frage, die beantwortet werden sollte, war die nach der Reduzierungsrate durch die Aufbereitung im Gelände mit Wasser und Wasserstoffperoxid. Da das Trägergestein und die Matrix der Bone-beds weitgehend tonig-siltig sind und eine gute Zugänglichkeit zu Wasser gegeben war, erschien eine Aufbe-reitung im Gelände sinnvoll. Es wurden Methoden verwendet, die in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas Martin in Bonn seit Jahren angewendet und verfeinert werden (z.B. Martin et al., 2010; Averianov et al., 2014).

Auf der zweiten Sohle der Grube wurde unterhalb der Grabungsfläche ein Schlämmplatz eingerichtet (Abb. 15). Die erste Sohle war zur Zeit der Grabung teilweise geflutet; der so vorhandene Wasserkörper lieferte das Schlämmwasser, das durch eine Motorpumpe ca. 3 m hoch bis auf das Niveau des Schlämmplatzes gefördert wurde. Das Probenmaterial aus den Bonebeds wurde auf mehreren Bauplanen zum Trocknen ausgelegt, bis es mindestens oberflächlich trocken war. Längere Trockenzeiten haben sich generell als besser herausgestellt. Die Trocknung des Materials gewährleistet, dass die im Anschluss zugegebene Wasserstoffperoxidlösung (5%) tief in das Gestein eindringen kann und so ein intensives Aufweichen des Tones ermöglicht. Die getrockneten Proben wurden für mehrere Stunden in Mörtel-Wannen mit der Wasserstoffperoxidlösung eingeweicht (Abb. 15), bis die durch die chemische Reaktion verursachte Blasenbildung vollständig beendet war. Danach wurde der so entstan-dene Schlamm sukzessive durch Siebe der Maschenweiten 2 mm, 1 mm und 0,5 mm in wassergefüllten Wannen gewaschen und nach Fraktionen getrennt wiederum an der Luft getrocknet. Dieses Vorgehen funktionier-te recht gut, da nur während der zweiten Hälfte der Grabung häufiger Regenschauer auftraten. Auch die

Page 24: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

23

Abb. 13: Bergung von größeren Knochen und Faziesstücken durch Eingipsen. Die Bildfolge wurde am 27.05.2015 aufgenommen. A Das Faziesstück von Bonebed 2a mit einem größeren Knochen in der Mitte wurde oberfl ächlich mit Acryloid gehärtet und auf einem Sockel freigestellt. B Abdecken der Oberfl äche mit Aluminiumfolie als Trennschicht zwischen Fossil und Gipsmantel. C Eingipsen des Blocks mit medizinischen Gipsbandagen. D Nach dem Wenden wird der Block mit als Schienen fungierenden Pinseln verstärkt und ist nach Aushärtung bereit zum Abtransport ins Labor. Fotos PMS.

Abb. 14: Arbeiten auf der zweiten Grabungsfl äche am 27.05.2015. Blick nach Nordwesten. Die Haupt-grabungsfl äche liegt neben den beiden Personen im Mittelgrund. Das Rhät-Profi l mit den dunklen, fos-silführenden Tonsteinen gefolgt von roten und gelb verwitternden Tonsteinen ist gut zu erkennen. Foto PMS

Abb. 15: Schlämmeinrichtung mit dem Verfasser AHS am 23.05.2015. In der Bildmitte ist die gelbe Motorpum-pe zu erkennen, rechts davon die Mörtelwannen zur Aufbereitung des Gesteins mit Wasserstoffperoxid. Im Vordergrund rechts trocknet ausgesiebtes Konzentrat auf einer Plane, im Vordergrund links trocknen Brocken des Bonebeds vor der Aufbereitung. Im Hintergrund ist die gefl utete erste Sohle sichtbar, aus der das Wasser für Aufbereitung und Sieben gepumpt wurde. Foto Michael Mertens.

Page 25: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

24

Regenpausen konnten effektiv genutzt werden, um das Sediment im Wind zu trocknen. Pro Füllung der Mörtelwannen verbrauchten wir drei bis fünf Liter reines Wasserstoffperoxid (30%), was insgesamt einen Verbrauch dieser Chemikalie von ca. 300 l bedingte. Um den Effekt dieses Schlämmvorgangs auf die Qualität der Mikrovertebratenreste zu untersuchen, wurde ein Teil der Proben ein zweites Mal der Schlämmprozedur unterzogen. Das so gewonnene Konzentrat wurde dann im Quartier in Bonenburg unter dem Binokular ana-lysiert, und erste Fossilien konnten ausgelesen und in Probendöschen verpackt werden. Es zeigte sich, dass ein hoher Anteil an noch nicht aufgelösten tonigen Gesteinspartikeln im Konzentrat eine weitere Behandlung im Labor nötig machen würde (siehe 5.3). Insgesamt wurden bei der Grabung etwa 850 kg Bonebed-Material geschlämmt. Mit der Aufbereitung im Gelände konnte die Gesamtmasse ungefähr gedrittelt werden, so dass 275 kg Bonebed-Konzentrat nach Bonn gebracht wurden.

Die Voruntersuchung des Konzentrats im Quartier war wichtig, um den Grad der Abrollung der Mik-rofossilien zu bewerten und nur die Schicht mit der besten Erhaltung gezielt aufbereiten zu können. Ver-schiedene Teile der Bonebeds wurden zu Testzwecken abgebaut und als getrennte Chargen verarbeitet. Es zeigte sich, dass der Abrollungsgrad beim Bonebed 3 und beim Bonebed 2b deutlich höher war als beim Bonebed 2a. Letzteres wurde deshalb nach der Testphase ausschließlich aufbereitet. Schon während des Abbaus von Bonebed 2a zeigten sich in seinem Liegenden Schlieren aus Bonebed-Material, die sich als mit Bonebed verfüllte Grabgänge von marinen Invertebraten herausstellten, ähnlich wie sie auch kürzlich aus dem englischen Rhät beschrieben wurden (Korneisel et al., 2015). Die Erhaltung der Mikrofossilien scheint in diesen Füllungen noch besser zu sein als im darüber lagernden Bonebed 2a, weil das Material früh der Abrollung durch Wasserbewegung entzogen war. Eine ähnliche Beobachtung ließ sich an den Fossilien nahe der Basis der jeweiligen Bonebeds machen, wo die Erhaltung auch besser ist als mittig in oder auf der Fossillage. Ein Abbau der Partien mit weniger abgerollten Mikrofossilien für das Schlämmen ist allerdings problematisch, da der große Anteil anhaftenden Tonsteins die Aufbereitung erschwert. Eine gezielte Durchmusterung solcher Partien mit der Lupe beim Abbau könnte aber gute Funde liefern.

4.3. Beprobung des Profi ls auf Invertebraten

Aufgrund der guten Aufschlussverhältnisse im Allgemeinen und des frisch freigelegten Profi ls im Beson-deren luden wir zwei Kollegen zu einem Besuch der Grabung und Untersuchung des Profi ls ein. Herr Prof. Dr. Jes Rust kennt sich einerseits mit den Rhätprofi len im nordhessischen und südniedersächsischen Raum aus, andererseits ist er Experte für fossile Insekten. Dies ist relevant, da von Michael Mertens einige wenige Flügeldecken (Elythren) von Käfern im Bereich unterhalb des Bonebeds 2 gefunden wurden. Herr Prof. Rust untersuchte diesen Profi lbereich am 27.05. (Abb. 16A) und konnte weitere Käferelythren bergen. Seit dem Ende der Grabung hatte Herr Mertens verstärkt diese Schichten untersucht und zahlreiche weitere Elythren gefunden. Derartige Elythren sind zwar taxonomisch wenig aussagekräftig, lassen aber auf weitere Insektenreste hoffen.

Herr PD Dr. Martin Aberhan ist einer der führenden deutschen Experten für die Trias/Jura-Grenze und hatte schon vor Grabungsbeginn Interesse an einem Besuch und Beprobung des Profi ls auf Invertebraten-Fossilien bekundet. Zusammen mit seinem Studenten Martin Proffi t war er am 27. und 28.05. zu ersten Beprobungen in der Grube (Abb. 16B). Seine sorgfältige Untersuchung erbracht auch die ersten sicheren Exemplare der für das Rhät leitenden Bivalve Rhaetavicula contorta (Portlock, 1843) sowie glattschalige und radial gerippte Bivalven,die

Abb. 16: A Prof. Dr. Jes Rust (Universität Bonn) beprobt die dunklen Rhät-Tonsteine im Profi lschnitt auf fossile Insekten. B PD Dr. Martin Aberhan (Museum für Naturkunde, Berlin) und sein Student Martin Proffi t beproben die dunklen Rhät-Ton-steine im Profi lschnitt auf fossile Mollusken. Beide Fotos wurden vom Verfasser PMS am 27.05.2015 aufgenommen.

Page 26: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

25

wir schon vorher beobachtet hatten. Herr Aberhan nahm im Juli 2015 auch Proben für isotopengeochemi-sche Untersuchungen zum Nachweis der rhätischen negativen Delta 13-C-Anomalie, die etwa 100.000 Jahre vor dem Ende der Trias auftritt (Whiteside et al., 2010). Die Voruntersuchungen der Bivalvenfaunen wurden von Herrn Aberhan als sehr vielversprechend eingestuft und könnten wichtige Beiträge zum Verständnis der Aussterbeereignisse im Rhät liefern.

5. Ergebnisse der Grabung vom 22. bis 30.05.2015

An sieben Grabungstagen konnten in der neuen Grube Bonenburg auf Flächen von insgesamt ca. 72 m2 an zwei Grabungsstellen im Doppelbonebed (Bonebed 2a und 2b) etwas über 300 nummerierte Funde ge-borgen werden, von einzelnen Chondrichtyes-Zähnen bis zu großen Plesiosaurierwirbeln und Faziesstücken. Auf dem Schlämmplatz wurden ca. 850 kg Bonebed geschlämmt und zu etwa 275 kg Konzentrat in drei Korn-größen (0,5-1 mm, 1-2 mm, >2 mm) fraktioniert. Die Funde und das Konzentrat wurden zusammen mit der Grabungsausrüstung am 30.05. in einem VW-Bus der Universität Bonn zur weiteren Präparation und Analyse nach Bonn transportiert. Die Funde der Grabung von 2015 werden in die paläontologischen Sammlungen des LWL-Museum für Naturkunde in Münster (LWL MfN) aufgenommen. Die hier abgebildeten Stücke haben bereits eine entsprechende Inventarnummer bekommen.

5.1. Auswertung der Funde

Andere Geländeaktivitäten bedingten eine Lagerzeit der Funde bis zum November 2015. Dann wurden die Funde ausgepackt und mit der Präparation durch den Präparator Olaf Dülfer, studentische Hilfskräfte sowie einer Praktikantin begonnen. Nach dem Auspacken der Stücke und dem Auswerten der Fundlisten, sowie der Sichtung der Privatsammlung Mertens, kann eine erste Faunenliste des Doppelbonebeds gegeben werden (Tab. 1). Unsere Grabung hat weitgehend die von Herrn Mertens seit 2009 gemachten Funde reproduziert, wobei wir kein sicheres Temnospondylen-Material und auch keine der charakteristischen scheibenförmigen Shonisaurus-Wirbel bergen konnten, dafür aber mehrere Lungenfischzähne, Plesiosaurierwirbel und zahlrei-che Einzelknochen von Pachystropheus. Eine grobe Häufigkeit der verschiedenen Taxa lässt sich inzwischen abschätzen. Es besteht dabei eine gute Übereinstimmung des Materials in der Sammlung Mertens und unseren Funden.

5.2. Präparation und Stabilisierung der Makrofossilien im Labor

Die Haltbarkeit der Gesteinsmatrix des Bonebeds erwies sich nach der Bergung und Lagerung als gering. Insbesondere die Matrix der bergfeucht in Plastikbeutel eingepackten Proben zerfiel fast völlig in kleine Bruchstücke. Dies ist vermutlich auf Gipsbildung durch Pyritverwitterung zurückzuführen, da die Proben mit weißlichen Kristallen bedeckt waren. Die auf der Matrix liegenden Knochen erwiesen sich oft als haltbarer als die Matrix selbst und blieben daher erhalten. Die Knochen wurden unter dem Binokular mit der Nadel von anhaftender Matrix befreit und teilweise wieder aus Bruchstücken zusammengefügt. Sie scheinen ohne weitere Behandlung stabil zu sein. Die Funde werden etikettiert und in durchsichtigen Plastikdosen gelagert.

Die nur in Zeitungspapier eingepackten Funde waren teilweise völlig zerfallen, teilweise in einem besse-ren Zustand. Auch die Erfahrung mit den in Gipsblöcken geborgenen Proben ist unterschiedlich; von guter Erhaltung bis zum völligen Zerfall der Matrix, mit entsprechender Beanspruchung der Knochen. Als Erkenntnis für zukünftige Grabungen zeigt sich, dass die Einzelknochen aus dem Bonebed schon möglichst im Gelände weitgehend von Matrix befreit und mit Acryloid stabilisiert werden sollten, bevor sie für den Transport nach Bonn verpackt werden. Größere Knochen von Plesiosauriern etc. wurden im Labor nicht nur mit der Nadel vom anhaftenden Ton befreit, sondern erfolgreich mit dem Tensid Rewoquat gereinigt, um den Ton aus den Poren des Knochens zu entfernen. Seit dem Ende der Grabung konnten so wichtige und repräsentative Stücke für die wissenschaftliche Bearbeitung bereitgestellt werden (Abb. 17, Abb. 18).

Page 27: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

26

5.3. Aufbereitung der Schlämmproben im Labor und Auslesen der Schlämmkon-zentrate

Die Schlämmkonzentrate der Fraktion >2 mm wurden in Bonn im Labor trocken über ein 2 cm-Sieb frakti-oniert. Die grobe Fraktion enthält vor allem mehre Zentimeter große Tonsteinstücke und pyritisierte Portionen des ursprünglichen Bonebed-Materials. Letztere wurden mit dem bloßen Auge ausgelesen und dienen als Belegstücke für die Bonebedfazies. Sie stellen auch die Grundlage für die Untersuchung des destruktiven Effekts der Schlämmdurchgänge auf die Qualität der Mikrovertebratenreste dar. Es hat sich bereits gezeigt, dass gewisse Fossilien, vornehmlich längliche Zähne, beim Schlämmen zerbrechen. Sie können nur in-situ, also in den pyritisierten Belegstücken, gefunden werden. Der bislang einzige Beleg für Synechodus rhaeticus stammt aus diesen Proben (Abb. 17J).

Wie schon erwähnt, hinterließ die Aufbereitung im Gelände mit Wasserstoffperoxid einen hohen Anteil an Tonpartikeln im Konzentrat. Dies machte eine weitere Aufbereitung im Labor mit dem industriellen Tensid Rewoquat notwendig, mit dem der Verfasser AHS viel Erfahrung hat. Verwendet wird eine Mischung aus 50% Rewoquat, 30% Ethanol und 20% Wasser. Das Geländekonzentrat wird über Nacht in dem Rewoquat-Gemisch eingeweicht und dann mit warmem Wasser durch einen Satz von 2 mm-, 1 mm- und 0,5 mm-Sieben gespült. Um das Tensid wieder vollständig zu entfernen und um feinste Sedimentpartikel von den Fossilien zu lösen, wird ein weiterer Schlämmdurchgang mit einer schwachen Wasserstoffperoxidlösung durchgeführt. Das so gewonnene Konzentrat ist praktisch tonfrei und besteht nahezu nur aus Schuppen, Zähnen und Knochen-bruchstücken. So kann im Labor eine weitere Reduktion des Konzentrats um etwa 85% erreicht werden. Nach der Trocknung im Wärmeschrank bei 50° C ist das Konzentrat zum Auslesen unter dem Binokular bereit. Das Schlämmen und Auslesen wurde von studentischen Hilfskräften ausgeführt, die aus Mitteln des Denkmalför-derprogrammes finanziert wurden, ebenso wie die Beschaffung des benötigten Tensids. Bis heute wurden nahezu alle Schlämmkonzentrate des Jahres 2015 ausgelesen. Daraus entstand eine Sammlung von Mikro-fossilien, die mehrere Tausend Exemplare umfasst (siehe 5.5).

5.4. Durch Makrofossilien belegte Taxa und ihre Bewertung

Neben der reichhaltigen Literatur aus dem 19. Jh (vgl. Lydekker, 1889) steht die erste moderne Arbeit von Storrs (1994), der eine umfassende Faunenübersicht der englischen Rhätbonebeds gibt. Storrs & Large (1996) behandeln in einer weiteren Arbeit den häufigsten Tetrapoden dieser Bonebeds, den möglichen Choristoderen Pachystropheus rhaeticus von Huene, 1935. Die Arbeitsgruppe um Prof. Michael Benton (University of Bristol) hat im vorherigen und diesem Jahr einige Publikationen über verschiedene Rhätbonebeds in Südengland verfasst (vgl. Allard et al., 2015; Korneisel et al., 2015; Nordén et al., 2015; Lakin et al., 2016; Mears et al., 2016; Slater et al., 2016), die uns die Einordnung und Beschreibung des Materials aus Bonenburg erleichtern. Außerdem zeigen diese Publikationen bereits in diesem frühen Stadium unserer Untersuchung, dass der Fossilgehalt der englischen Fundstellen nicht so gut und weniger umfassend ist, als der der Fossillagerstätte bei Bonenburg. Auch über Tetrapodenfunde aus dem französischen Rhät gibt es eine aktuelle Arbeit (Fischer et al., 2014), die sich zwar vor allen den Ichthyosauriern widmet, aber bei der Bewertung der Bonenburger Funde insgesamt sehr hilfreich ist.

Die aktuellen englischen Publikationen (Allard et al., 2015; Korneisel et al., 2015; Nordén et al., 2015; Lakin et al., 2016; Mears et al, 2016; Slater et al., 2016) beschreiben vor allem Material, das durch Schlämmen ge-wonnen wurde und somit den Mikrofossilien zuzurechnen ist, die im nächsten Abschnitt besprochen werden. Manche der dort genannten Taxa konnten von uns jedoch auch direkt aus dem Bonebed geborgen werden. Diese Stücke sind normaler Weise weniger beschädigt als diejenigen, die durch Schlämmen gewonnen wurden. Wegen der großen Ähnlichkeit des englischen Materials mit dem von uns geborgenen werden im Folgenden direkte Vergleiche gezogen.

Zahlreiche Zähne von „Hybodus“ cloacinus (Abb. 17B), mit einer Breite von bis zu 3 cm, konnten direkt aus dem Bonebed 2 geborgen werden, ebenso wie die großen hybodontiformen Flossenstacheln (Abb. 17D), die vermutlich von dieser Art getragen wurden. Ein kleinerer und wesentlich häufigerer Flossenstacheltyp ist als Nemacanthus monilifer Agassiz, 1837 beschrieben worden (Abb. 17F). Er wurde in mehreren, sehr vollständigen Exemplaren geborgen. Dieser Typ Flossenstachel ist bislang noch nicht sicher mit einem Zahntaxon assoziiert. Nach den Befunden von Bonenburg ist zu vermuten, dass er zu einem der beiden häufigsten Zahntaxa zu stellen ist; zu Lissodus minimus oder zu Rhomphaiodon minor. Ein dritter Typ Flossenstachel entspricht in seiner Dimension ungefähr N. monilifer, zeigt aber eine deutlich andere Oberflächenstruktur (Abb. 17E).

Page 28: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

27

Tab. 1: Vorläufige Auflistung des Fauneninhalts des Rhät-Bonebeds 2 von Bonenburg (Stand 2015). 1Vor allem bzw. nur aus dem Schlämmkonzentrat bekannt. 2Nur in der Sammlung Mertens repräsentiert.

Page 29: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

28

Einer der Gipsblöcke, der im Frühjahr 2016 präpariert wurde, enthielt das Maxillare (Abb. 12A, 13 und 18) des großen, mit Birgeria verwandten Actinopterygiers Severnichthys acuminatus (Agassiz, 1835), der anhand ähnlicher Reste aus dem englischen Rhät beschrieben wurde (Storrs 1994). Durch das Plicidentin der Zahn-basis ähneln manche Severnichthys-Funde oberflächlich großen temnospondylen Amphibien (siehe unten), unterscheiden sich aber von diesen durch die feinere Skulptur der dermalen Knochenoberfläche, die auch bei dem von uns geborgenen Maxillare sichtbar ist.

Die Grabung erbrachte mehrere Zahnplatten des für die Trias charakteristischen Lungenfisches Ceratodus, die im Rhät traditionell C. latissimus Agassiz, 1838 zugeordnet werden (Abb. 18B). Diese Zahnplatten sind un-terschiedlich gut erhalten und zeigen verschiedene Abnutzungsstadien. Das gewonnene Material wird zukünftig eine verbesserte Kenntnis dieses Taxons und der Zahnplattenabnutzung erlauben (siehe auch Skrzycki, 2015).

Reste von Temnospondylen, inklusive eines Angulares (Abb. 3), eines Humerus und eines Bruchstückes einer Interclavicula, finden sich in der Sammlung Mertens. Unter den englischen Funden wurde derartiges Material von Storrs (1994) dem großen Osteichthier Severnichthys zugeordnet und postuliert, dass im engli-schen Rhät keine Temnospondylen vorkommen. Die erwähnten Funde aus Bonenburg lassen sich dagegen eindeutig Temnospondylen zuordnen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass zumindest ein Teil des englischen Materials doch von Temnospondylen stammt (contra Storrs, 1994). Das Vorkommen von Temnospondylen ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil diese laut Tanner et al. (2004), mit Ausnahme von Ostasien und Australien, bereits im Nor verschwunden waren. Dem steht auch nicht die Arbeit von Witzmann & Gassner (2008) entgegen, die Temnospondylen von der Trias/Jura-Grenze in Südportugal beschreibt, was aber von Brusatte et al. (2015) dahingehend korrigiert wurde, dass die relevanten Sedimente (auch aufgrund des Vor-kommens von Metoposaurus) nicht jünger als Nor sein können.

Ichthyosaurier sind, wie auch in den englischen und französischen Rhätfaunen (Storrs, 1994; Fischer et al., 2014), nicht selten und konnten von uns in Form der charakteristischen Wirbel (Abb. 12D und 20A) geborgen werden. Allerdings konnten wir auf unserer Grabung die in der Sammlung Mertens und aus England und Frankreich bekannten Shonisaurus-artigen Wirbel nicht beobachten. Plesiosaurier sind ebenfalls mit mehreren Wirbeln belegt, so durch einen auffällig großen (7 cm Zentrumsdurchmesser) und sehr vollständig erhaltenen hinteren Halswirbel (Abb. 19B) und einen kleineren Halswirbel (Abb. 19D), die unterschiedliche Taxa reprä-sentieren müssen. Bei einem abgeflachten Extremitätenknochen (Abb. 19C) handelt es sich vermutlich um ein Plesiosaurier-Carpale oder Tarsale. Die Plesiosaurierreste aus Bonenburg belegen schon jetzt eine hohe Diversität der Gruppe noch vor dem Ende der Trias, ebenso ein erstaunliches Größenspektrum mit Formen, die über 4 m lang gewesen sein müssen. Ein Schwerpunkt unserer zukünftigen Forschung wird die Erfassung dieser Diversität und ihrer Bedeutung für die frühe Evolution der Plesiosaurier und die spät- und end-trias-sischen Aussterbeereignisse sein.

Der, wie schon erwähnt, sehr häufige Pachystropheus rhaeticus ist in unseren Aufsammlungen durch zahl-reiche Wirbel aus verschiedenen Regionen der Wirbelsäule, Rippen und vermutliche Schädel- (Abb. 19E, F), Gürtel- (Abb. 19E) und Langknochen belegt, wobei dieses Material noch sehr unvollständig erfasst ist. Hier besteht die Hoffnung, dass die Erfassung zusammen mit zukünftigen Grabungen eine vollständige Repräsen-tation des Skelettes dieses vermutlich ältesten Choristoderen (Storrs & Large, 1996) erbringen werden. Laut Nordén et al. (2015) könnte es sich bei Pachystropheus jedoch auch um einen Thalattosaurier handeln, der dann der letzte Vertreter dieser Gruppe wäre. Eine bessere Kenntnis von Pachystropheus durch mehr Material ist nötig, um dessen systematische Stellung zu klären.

Neben den Körperfossilien wurden auch makroskopisch erkennbare Ichnofossilien von Vertebraten in Form von Koprolithen ausgegraben. Die zumeist länglichen Stücke erreichen Durchmesser von bis zu meh-reren Zentimetern. Koprolithen, vor allem Bruchstücke, wurden auch bei der Analyse der Mikrofauna gefun-den. Vollständige Exemplare belegen, dass ihr Längenspektrum bis in den Bereich von wenigen Millimetern reicht. Die Koprolithen zeichnen sich in Bonenburg durch eine sehr massige, pyrithaltige Erhaltung aus. In

Abb. 17: (gegenüberliegende Seite) Repräsentative Chondrichthyes-Funde der Grabung 2015. A Koprolith, mit deutlich erkennbaren Ganoidschuppen und Fischzähnen auf der Außenfläche (LWL MfN P64341). B „Hybodus“ cloacinus-Zahn (LWL MfN P64342) in labialer Ansicht, im Sediment liegend. C Grozonodon candaui (LWL MfN P64343) in lingualer (C1), apikaler (C2) und labialer Ansicht (C3). D Hybodontiformer Flossenstachel (LWL MfN P64344), vermutlich zu „Hybodus“ cloacinus gehörig, in links lateraler (D1), posteriorer (D2) und rechts lateraler Ansicht (D3). Maßstab unten rechts gilt für E - G. E Hybodontiformer Flossenstachel (LWL MfN P64345) in rechts lateraler Ansicht. F Flossenstachel Nemacanthus monilifer (LWL MfN P64346) in rechts lateraler Ansicht. G Lissodus minimus (LWL MfN P64347) in lingualer Ansicht. H Pseudocetorhinus pickfordi (LWL MfN P64348) in lingualer Ansicht. I Parascylloides turnerae (LWL MfN P64349) in lateraler (I1) und anteriorer Ansicht (I2). J Synechodus rhaeticus-Zahn (LWL MfN P64350) in anteriorer Ansicht, im Sediment liegend. K Rhomphaiodon minor in lingualer Ansicht (LWL MfN P64351). Fotos D bis F: Georg Oleschinski, Steinmann-Institut; andere: AHS.

Page 30: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

29

Page 31: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

30

der Regel, jedoch nicht ausschließlich, liegen sie in ihrer originären, dreidimensionalen Form vor oder sind nur leicht verdrückt. Die Anreicherung dieser Fossilien in einem Bonebed zeigt an, dass die Koprolithen früh mineralisiert wurden, was vermutlich auf eine Phosphoritisierung zurück zu führen ist. Besonders der Kot von Fleischfressern enthält viel Calciumphosphat, welches diese Art der Mineralisierung auslösen kann (Duffin, 1979). Diese Schlussfolgerung lässt sich für einige der Koprolithen direkt bestätigen, da Reste der Beutetiere an der Oberfläche erkennbar sind. Zumeist sind dies Ganoidschuppen, untergeordnet auch spitzkonische Zähne und Knochenbruchstücke (Abb. 17A). Allein aufgrund des Größenspektrums ist anzunehmen, dass die Koprolithen auf unterschiedliche Erzeuger zurückgehen. Eine Differenzierung nach Form und Beschaffenheit steht bislang noch aus.

5.5. Die Mikrofauna und ihre Bewertung

Aus den Schlämmkonzentraten haben die studentischen Hilfskräfte vor allem Chondrichthyes-Zähne ausgelesen. Diese sind im Wesentlichen diagnostischer als die noch zahlreicheren Schuppen und Zähne der Osteichthier. Bei den überlieferten Chondrichthyes handelt es sich um eine typisch rhätische Vergesellschaf-tung (vgl. beispielsweise Duffin, 1998).

Im Vergleich zu den kürzlich beschriebenen Faunen aus den britischen Rhät-Bonebeds fällt die Dominanz der beiden Hai-Arten Lissodus minimus (Agassiz, 1839) und Rhomphaiodon minor (Agassiz, 1837) im Mikro-fossilbericht des Bonenburger Bonebed 2 auf (vgl. hierzu Allard et al., 2015; Korneisel et al., 2015; Nordén et al., 2015; Mears et al., 2016; Slater et al., 2016). Aus den makroskopischen Aufsammlungen sind des Wei-teren relativ viele Zähne von „Hybodus“ cloacinus Quenstedt, 1858 belegt. Die Analyse der Schlämmproben erbrachte eine große Anzahl weiterer Zahnbruchstücke dieses Taxons. Aus den britischen Rhät-Bonebeds sind weitere Chondrichthyes-Taxa bekannt, die sich zum Teil auch in Bonenburg wiederfinden lassen. Dies sind Pseudocetorhinus pickfordi Duffin, 1998 und Synechodus rhaeticus (Duffin, 1982), die bislang durch zwei, bzw. einen Fund belegt sind. Darüber hinaus ist in Bonenburg auch Parascylloides turnerae Thies et al., 2014 und Grozonodon candaui Cuny et al. 1998 durch mehrere Dutzend Exemplare belegt. Ersteres Taxon ist aus dem Rhät von England und Süd-, sowie Norddeutschland bekannt (Thies et al., 2014). Grozonodon candaui, ursprünglich auf der Basis von fragmentarischen Zahnresten aus dem Nor und Rhät von Frankreich beschrie-ben, liegt aus Bonenburg erstmalig in mehreren kompletten Zähnen vor.

Im Vergleich mit anderen Chondrichthyier-Funden aus britischen Rhät-Fundstellen ist die Individuenzahl der beiden Zahntaxa Lissodus minimus und Rhomphaiodon minor aus Bonenburg bislang unerreicht. Dies macht eine hervorragende Erfassung ihrer Variabilität und die Rekonstruktion der Gebisse der zwei Arten möglich. Die Gebissrekonstruktion beruht auf der Beobachtung, dass Haizähne einen regelhaften morphologischen Wandel von mesial nach distal und häufig auch Unterschiede zwischen Ober- und Unterkiefer zeigen. Weiterhin wird sie dadurch ermöglicht, dass aus Fundstellen anderen Alters Taxa bekannt sind, die zum einen mit den rhätischen Formen verwandt sind und zum anderen vollständig erhaltene Gebisse aufweisen.

Die detaillierte systematische Untersuchung der Osteichthier-Zähnen aus dem Bonebed von Bonenburg muss noch erfolgen. Aus dieser Gruppe sind vor allem Zähne und Schuppen identifiziert worden. Wie auch in anderen rhätischen Bonebeds, sind die Osteichthyer-Zähne jedoch systematisch schwieriger zuzuordnen, da sie eine große intraspezifische Formenvielfalt haben und weniger Merkmale zeigen, als die Chondrichthyes-Zähne und -Stacheln. Vielfach vertreten ist die Spezies Sargodon tomicus Plieninger, 1847, sowohl durch die charak-teristischen Schneidezähne (Abb. 18D), als auch durch die Knackzähne mit punktierter Oberfläche, die einzeln oder in Zahnplatten gefunden wurden (Abb. 18C). Die punktierte Oberfläche ist dabei ein Effekt der Abnutzung, die vaskuläre Kanäle freilegt, die in dieser Art nur bei Sargodon bekannt sind (Ørvig, 1978; Andreev, 2010) und erlaubt die Unterscheidung von den ähnlichen Lepidotes sp.-Zähnen, die wir auch nachgewiesen haben. Des Weiteren fanden sich spitzkegelige Zähne mit einer abgesetzten Schmelzkappe, die dem Saurichthys- oder Birgeria-Typ entsprechen (Abb. 18B). Der von Storrs (1994) aufgestellte und bereits diskutierte Severnichthys acuminatus hat Zähne, die bereits von Agassiz (1835) als Saurichthys acuminatus beschrieben wurden und auch im Bonenburger Material zu finden sind. Des Weiteren ist die Spezies Gyrolepis albertii Agassiz, 1835 durch die charakteristischen Schuppen mit längs verlaufenden Schmelzstreifen und auch durch mögliche Einzelzähne belegt. Im Schlämmkonzentrat finden sich auch Bruchstücke von Schuppen, die den Dipnoi, wahrscheinlich den Ptychoceratodontidae, zuzuordnen sind. Sie zeigen eine Oberfläche, die mit kleinen Tuberkeln besetzt ist.

Ein Einzelfund aus dem Schlämmkonzentrat belegt den Eintrag von terrestrischen Reptilien in den rhätischen Ablagerungsraum von Bonenburg. Der Fund umfasst ein Kieferbruchstück mit zwei pleurodonten, im Querschnitt runden Zähnen. Diese sind apikal mit Schmelz bedeckt, der an der Basis feine Längsriefen zeigt. Die Schmelzkappen reichen nicht über das Niveau der Knochenpleure hinaus. Die Zahnspitzen sind leicht

Page 32: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

31

Abb. 18: Repräsentative Osteichthyes-Funde der Grabung 2015. A Severnichthys acuminatus, Kieferfrag-ment (Maxillare) mit Zähnen (LWL MfN P64366) in okklusaler (A1) und medialer Ansicht (A2). B Zahnplatte (LWL MfN P64352) des Lungenfisches Ceratodus latissimus in okklusaler Ansicht. C Sargodon tomicus: (C1) Zahnplatte mit kugeligen Knackzähnen (LWL MfN P64355), (C2) inzisiformer Frontzahn (LWL MfN P64354), (C3) einzelner Knackzahn (LWL MfN P64353). D Gyrolepis albertii, isolierte Schmelzschuppe mit typischen Schmelz-streifen (LWL MfN P64358). E Kugeliger Knackzahn aus dem Formenkreis von Lepidotes sp. (LWL MfN P64357). F Saurichthys/Birgeria-Zahn (LWL MfN P64358). G Schuppenbruchstück, das vermutlich einem Ptychocerato-dontidae zuzuordnen ist (LWL MfN P64359). Fotos A und B : Georg Oleschinski, Steinmann-Institut; andere: AHS.

Page 33: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

32

Abb. 19: Plesiosaurierfunde der Grabung 2015. A Halswirbelzentrum eines kleineren Plesiosauriers (LWL MfN P64360) in (A1) anteriorer oder posterior Ansicht und (A2) in ventraler Ansicht. Man beachte die großen und tief eingesenkten subzentralen Foramina. B Halswirbel eines sehr großen Plesiosauriers (LWL MfN P64361) in (B1) posterior Ansicht und (B2) in ventraler Ansicht. Man beachte auch hier die großen und tief eingesenkten subzentralen Foramina. C Carpale oder Tarsale eines Plesiosauriers (LWL MfN P64362). Fotos Georg Oleschinski.

Page 34: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

33

Abb. 20: Durch Makrofossilien der Grabung 2015 belegte Taxa von sonstigen Tetrapoden. A Atlas-Wirbel eines Ichthyosauriers in anteriorer Ansicht (LWL MfN P64363). B Schwanzwirbelzentrum von Pachystropheus rhaeticus (LWL MfN P64364) in lateraler (B1) und dorsaler Ansicht (B2). Man beachte den sehr tief eingesenkten Boden des Neuralkanals. C Humerus von Pachystropheus rhaeticus (LWL MfN P64365) in ?dorsaler Ansicht. D Wirbel eines noch unbestimmten marinen Reptils (LWL MfN P64366), vermutlich eines Plesiosauriers oder Ichthyosauriers, in anteriorer oder posteriorer Ansicht. E Interclavicula von Pachystropheus rhaeticus (LWL MfN P64367) in dorsaler (E1) und ventraler Ansicht (E2). F ?Scapula von P. rhaeticus (LWL MfN P64368) in ?medialer Ansicht. G Schädelknochen (LWL MfN P64369) eines größeren Reptils. Dieser charakteristische Knochen wurde von Storrs (1996, Abb. 4) als Ectopterygoid von P. rhaeticus identifiziert. Fotos Georg Oleschinski.

Page 35: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

34

nach lingual geneigt. Dieses Exemplar zeigt große Ähnlichkeiten mit dem Sphenodontier Diphyodontosaurus avonis Whiteside, 1986 aus dem Rhät von England (Foffa et al., 2014).

Da das süddeutsche und schweizerische Rhät in den Fundstellen Olgahain bei Tübingen und Hallau bei Schaffhausen frühe Säugetiere (Mammaliaformes) wie Tricuspes und Morganucodontiden geliefert hat (Peyer, 1956; Clemens, 1980; Kindlimann, 1984; Clemens & Martin, 2014), und derartige Funde auch aus rhätischen Fundstellen in Luxemburg, Frankreich und England bekannt sind (Sigogneau-Russell, 1983; Hahn et al., 1984; Hahn et al., 1987; Godefroit & Battail, 1997; Godefroit & Sigogneau-Russel, 1999; Kielan-Jaworowska et al., 2004; Debuysschere et al., 2014), war und ist ein wichtiges Ziel der Mikrofossilanalyse das Auffinden von Säugetier- oder anderen Synapsidenzähnen. Bisher konnte ein einziger Fund dieser Art im Schlämmkon-zentrat gemacht werden, der Einzelzahn des Cynodontiers Lepagia gaumensis Hahn et al. 1987 (siehe auch Schwermann, dieses Heft). Es besteht also die berechtigte Vermutung, dass mit weiteren Auslesearbeiten noch weitere Zähne selten vertretener, terrestrischer Tetrapoden gefunden werden.

6. Zusammenfassung und Perspektiven

Die hier vorgestellten ersten Ergebnisse der Pilot-Grabung vom Mai 2015 unterstreichen das herausra-gende Potential und den einzigartigen Fossilreichtum der neuen Grube bei Bonenburg und lassen weitere Grabungen als zwingend erscheinen. Basierend auf den Funden, die von Herrn Mertens seit 2009 und von uns während der Grabung gemacht wurden, lassen sich folgende, vorläufige Ergebnisse feststellen: (1) Es gibt mindestens drei Bonebeds in den dunklen Rhät-Tonsteinen, von denen das mittlere, doppelt ausgebildete, am interessantesten zu sein scheint. (2) Die Chondrichthyier-Fauna ist sehr reich und zeigt Überschneidungen mit den englischen, französischen und süd-, sowie norddeutschen Rhätvorkommen. (3) Es besteht Potential, durch Schlämmen Säugetier- und weitere Reptilienreste zu gewinnen. (4) Tetrapoden sind als Makrofossilien durch vier Taxa (Temnospondyli, Ichthyosauria, Plesiosauria, Pachystropheus) repräsentiert, die alle aus dem Rhät sehr schlecht bekannt sind, so dass die Materialbasis unbedingt erweitert werden sollte. (5) Das Potential, weitere Tetrapodentaxa, wie frühe Dinosaurier, zu finden, ist aufgrund der Ähnlichkeit des Vorkommens mit den englischen Rhät-Bonebeds (Storrs, 1994) als hoch einzustufen.

Aus der Sicht der universitären Lehre ist eine Weiterführung der Grabungen in Bonenburg als Lehrgrabung mit Bachelor- und Masterstudenten aus vier Gründen sehr attraktiv: (1) die hohe Funddichte, (2) die relativ einfache Erkenn- und Bestimmbarkeit vieler Fossilien bereits im Gelände, (3) das diverse Methodeninventar, inklusive Schlämmen, und (4) die hochinteressante Geologie der Grube.

Die Erfahrungen aus der Pilotgrabung von 2015 legen verschiedene methodische Verbesserungen nahe: (1) Das Bonebed sollte erst direkt vor der Grabung freigelegt werden, um eine Austrocknung zu verhindern. (2) Zukünftige Grabungsflächen sollten trotz der stärkeren Hangneigung eher im nördlichen Teil des Rhätauf-schlusses angelegt werden, da hier die Mikrotektonik geringer ausgeprägt ist. (3) Knochen im Größenbereich

Abb. 21: A Zahn des Cynodon-tiers Lepagia gaumensis aus dem Schlämmkonzentrat in labiolingu-aler Ansicht (siehe auch Schwer-mann, dieses Heft). Die Zahnkrone ist fünfspitzig und recht symmet-risch, wobei die äußeren, basalen Spitzen stärker abgesetzt sind als die mittleren. Die Wurzel scheint wenig von der Krone abgesetzt zu sein, was aber auch ein Effekt von Abrollung gewesen sein könnte. B Zahntragendes Kieferfragment des Sphenodontiers cf. Diphyo-dontosaurus (LWL MfN P643 72)in lingualer Ansicht. Fotos AHS.

Page 36: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

35

mehrerer Zentimeter sollten schon im Gelände weitgehend von der Matrix befreit werden, da diese schwierig zu konservieren ist und bei der Austrocknung das Fossil in Mitleidenschaft ziehen kann. Die bei der Grabung angewandte Schlämmtechnik hat sich als durchaus adäquat erwiesen.

Die positiven logistischen Rahmenbedingungen werden zukünftige Grabungen sehr erleichtern und zum Erfolg beitragen. Hier ist erstens der sehr kooperative Grubenbetreiber zu erwähnen, zweitens die ortsansässige Baggerfirma und drittens die Verfügbarkeit eines preisgünstigen Quartiers im Ort selbst. Dies alles wird es uns erlauben, die Grabung in den nächsten Jahren als attraktive Lehrgrabung für Bachelor- und Masterstudenten der Universität Bonn weiterzuführen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der neuen Grube Bonenburg für den Zeitraum, in dem hier die dunklen Tonsteine des Rhäts abgebaut werden, jährliche Grabungen im Bonebed 2 durchgeführt werden sollten. Das gesamte Rhät-Hettangium-Grenzprofil sollte dringend in einem interdisziplinären Projekt untersucht werden, da es wichtige Informationen zu den Ereignissen in der späten Trias und an der Trias/Jura-Grenze liefern kann. Ebenso werden die Plesiosaurier-Reste aus dem Bonebed zusammen mit dem Skelett einen grundlegenden Beitrag zur Erforschung des Ursprungs und der frühen Verbreitungsgeschichte dieser wichtigen Gruppe mariner Saurier leisten.

7. Danksagungen

Unser erster Dank gilt Herrn Michael Mertens (Altenbeken-Schwaney) für seine unermüdliche Sammler-tätigkeit im rhätischen Teil der neuen Grube, für seine Einführung ins Gelände und die Bergung der Funde aus dem Bonebed, für sein Engagement und Hilfe während der Grabung, sowie für diverse Fotos. Dr. Alfred Hendricks und Dr. Detlef Grzegorczyk (beide LWL-Museum für Naturkunde Münster) danken wir für die Einladung zur Erforschung der Fundstelle und die Erlaubnis, die Grabung durchzuführen und nicht zuletzt für die großzügige Finanzierung aus Mitteln des NRW-Denkmalförderungsprogrammes. Die Firma August Lücking GmbH & Co. KG mit ihrem Geschäftsführer Herrn Joachim Thater stand der Grabung sehr wohlwollend gegenüber und unterstützte uns durch Koordination der Abbauplanung. Die Fa. Johannes Müller Gartenbau und Pflasterbetriebe leistete hervorragende und prompte Arbeit bei der Freilegung des Profils und der Grabungsflächen. Unsere Kollegen Prof. Dr. Paul E. Olsen (Columbia University, New York, USA), PD Dr. Martin Aberhan (Museum für Naturkunde, Berlin), Dr. Robert Bussert (Technische Universität Berlin) und Prof. Dr. Jes Rust (Universität Bonn) unterstützten uns durch Profilaufnahmen, Bestimmung von Invertebratenfossilien und Diskussionen im Gelände. PD Dr. Aberhan und Dr. Bussert stellten die Vorlage für Abb. 6 zur Verfügung. Für die tatkräftige Unterstützung bei der Grabung danken wir Olaf Dülfer (Universität Bonn), Thorsten Plogsch-ties (Universität Bonn), Klaus Schwermann (Coesfeld) und Hermann Winkelhorst (Aalten, Niederlande). Die Sammler Dr. Rainer Ebel (Bünde), Michael Kaiser (Bad Salzufflen) und Karl-Josef Ortmann (Bonenburg) gaben uns Hintergrundinformation zur neuen Grube Bonenburg und den Invertebraten des Juras. Wir bedanken uns herzlich bei Georg Oleschinski (Universität Bonn), der viele der Fossil-Fotografien in bewährter höchster Qualität angefertigt hat und ebenso bei Mirjam Cahnbley, Jessica Landgraf, Moritz Malott und Samantha Moody (alle Universität Bonn) für das Schlämmen und Auslesen der Mikrovertebratenproben.

8. Literatur

Agassiz, J. L. R. (1833-1844): Recherches sur les Poissons Fossiles. Tome 3 Concernant l’Histoire de l’Ordre des Placoides. - 390 S., Paris (Imprimerie Petitpierre).

Allard, H., Carpenter, S. C., Duffin, C. J. & Benton, M. J. (2015): Microvertebrates from the classic Rhaetian bone beds of Manor Farm Quarry, near Aust (Bristol, UK). - Proceedings of the Geologists’ Association 126: 762-776.

Andreev, P. S. (2010): Convergence in dental histology between the Late Triassic semionotiform Sargodon tomicus (Neopterygii) and a Late Cretaceous (Turonian) pycnodontid (Neopterygii: Pycnodontiformes) species. - Microscopy Research and Technique 74: 464-479.

Averianov, A. O., Martin, T. & Lopatin, A. (2014): The oldest dryolestid mammal from the Middle Jurassic of Siberia. - Journal of Vertebrate Paleontology 34: 924-931.

Brusatte, S. L., Butler, R. J., Mateus, O. & Steyer, J. S. (2015): A new species of Metoposaurus from the Late Triassic of Portugal and comments on the systematics and biogeography of metoposaurid temnospondyls. - Journal of Vertebrate Paleontology 35(3): e912988.

Page 37: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

36

Clemens, W. A. (1980): Rhaeto-Liassic mammals from Switzerland and West Germany. - Zitteliana 5: 51-92.Clemens, W. A. & Martin, T. 2014. Review of the non-tritylodontid synapsids from bone beds in the Rhaetic

Sandstone, southern Germany. - Paläontologische Zeitschrift 88: 461-479.Debuysschere, M., Gheerbrant, E., & Allain, R. (2014): Earliest known European mammals: a review of the

Morganucodonta from Saint-Nicolas-de-Port (Upper Triassic, France). - Journal of Systematic Palaeontology 13: 1-31.

Duffin, C. J. (1979): Coprolites: a brief review with reference to specimens from the Rhatic bone-beds of England and South Wales. - Mercian Geologist 7: 191-204.

Duffin, C. J. (1982): Teeth of a new selachian from the Upper Triassic of England. - Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie Monatshefte 1982: 156-166.

Duffin, C. J. (1998): New shark remains form the British Rhaetian (latest Triassic) 2. Hybodonts and palaeospinacids. - Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie Monatshefte 1998: 240-256.

Fischer, V., Cappetta, H., Vincent, P., Garcia, G., Goolaerts, S., Martin, J. E., Roggero, D. & Valentin, X. (2014): Ichthyosaurs from the French Rhaetian indicate a severe turnover across the Triassic-Jurassic boundary. - Naturwissenschaften 101: 1027-40.

Foffa, D., Whiteside, D. I., Viegas, P. A. & Benton, M. J. (2014): Vertebrates from the Late Triassic Thecodonto-saurus-bearing rocks of Durdham Down, Clifton (Bristol, UK). - Proceedings of the Geologists’ Association 125: 317-328.

Godefroit, P. & Battail, B. (1997): Late Triassic cynodonts from Saint-Nicolas-de-Port (north-eastern France). - Geodiversitas 19: 567-631.

Godefroit, P. & Sigogneau-Russel, D. (1999): Kuehneotheriids from Saint-Nicolas-de-Port (Late Triassic of France). - Geologica Belgica 2: 181-196.

Hahn, G., Lepage, J. C. & Wouters, G. (1984): Cynodontier-Zähne aus der Ober-Trias von Medernach, Gross-herzogtum Luxemburg. - Bulletin de la Société belge de Géologie 93: 357-373.

Hahn, G., Wild, R. & Wouters, G. (1987): Cynodontier-Zähne aus der Ober-Trias von Gaume (S-Belgien). - Mémoires pour servir à l´Explication des Cartes Géologiques et Minières de la Belgique 24: 1-33.

Huene, E. v. (1935): Ein Rhynchocephale aus dem Rhät (Pachystropheus n.g.). - Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie 74: 441-447.

Kielan-Jaworowska, Z., Cifelli, R. L. & Luo, Z.-X. (2004): Mammals from the age of dinosaurs: origins, evolution, and structure. – 630 S., New York (Columbia University Press).

Kindlimann, R. (1984): Ein bisher unerkannt gebliebener Zahn eines synapsiden Reptils aus dem Rät von Hallau (Kanton Schaflhausen, Schweiz). - Mitteilungen der naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen 32: 3-11.

Korneisel, D., Gallois, R. W., Duffin, C. J. & Benton, M. J. (2015): Latest Triassic marine sharks and bony fish-es from a bone bed preserved in a burrow system, from Devon, UK. - Proceedings of the Geologists’ Association 126: 130-142.

Lakin, R. J., Duffin, C. J., Hildebrandt, C. & Benton, M. J. (2016): The Rhaetian vertebrates of Chipping Sodbury, South Gloucestershire, UK, a comparative study. - Proceedings of the Geologists’ Association 127: 40-52.

Lydekker, R. (1889): Catalogue of the Fossil Reptilia and Amphibia in the British Museum (Natural History). Part II. Containing the Order Ichthyosauria and Plesiosauria. - 307 S., London (Taylor and Francis).

Martin, T., Averianov, A. O. & Pfretzschner, H.-U. (2010): Mammals from the Late Jurassic Qigu Formation in the southern Junggar Basin, Xinjiang, Northwest China. - Palaeobiodiversity and Palaeoenvironments 90: 295-319.

Mears, E. M., Rossi, V., MacDonald, E., Coleman, G., Davies, T. G., Arias-Riesgo, C., Hildebrandt, C., Thiel, H., Duffin, C. J., Whiteside, D. I. & Benton, M. J. (2016): The Rhaetian (Late Triassic) vertebrates of Hampstead Farm Quarry, Gloucestershire, UK. - Proceedings of the Geologists’ Association 127: 478-505.

Niermeyer, B. (1996): Litho- und Biostratigraphie der Tongrube Bonenburg. - Geologie und Paläontologie in Westfalen 45: 5-27.

Nordén, K. K., Duffin, C. J. & Benton, M. J. (2015): A marine vertebrate fauna from the Late Triassic of Somerset, and a review of British placodonts. - Proceedings of the Geologists’ Association 126: 564-581.

Peyer, B. (1956): Über Zähne von Haramiyden, von Triconodonten und von wahrscheinlich synapsiden Reptilien aus dem Rhät von Hallau Kt. Schaffhausen, Schweiz. - Schweizerische Paläontologische Abhandlungen 72: 1-72.

Plieninger, T. H. (1847): Abbildungen von Zähnen aus der oberen Grenzbreccie des Keupers bei Degerloch und Steinenbronn. - Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 3: 164-167.

Ørvig, T. (1978): Microstructure and growth of the dermal skeleton of actinopterygian fishes: Nephrotus and Colobodus, with remarks on the dentition of other forms. - Zoologica Scripta 7: 297-326.

Portlock, J. E. (1843): Report on the geology of the County of Londonderry, and of parts of Tyrone and Fermanagh. – 784 S., Dublin (Andrew Milliken).

Quenstedt, F. A. (1858): Der Jura. - 842 S., Tübingen (Laupp).Schwermann, A. H. (dieses Heft): Über den Nachweis von Lepagia gaumensis (Eucynodonta incertae sedis) aus

dem Rhät (Trias) von Warburg-Bonenburg (Kr. Höxter). Geologie und Paläontologie in Westfalen 88: 35-44.

Page 38: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

37

Schwermann, L. & Sander, P. M. (2011): Osteologie und Phylogenie von Westphaliasaurus simonsensii: Ein neuer Plesiosauride (Sauropterygia) aus dem Unteren Jura (Pliensbachium) von Sommersell (Kreis Höxter), Nordrhein-Westfalen, Deutschland. - Geologie und Paläontologie in Westfalen 79: 1-56.

Sigogneau-Russell, D. (1983): A new therian mammal from the Rhaetic locality of Saint-Nicolas-de-Port (France). - Zoological Journal of the Linnean Society 78: 175-186.

Simonsen, S. (2015): Hobby-Paläontologe Michael Mertens entdeckt Plesiosaurier-Skelett bei Warburg. - Der Steinkern 21: 52-57.

Simonsen, S. & Lücke, M. (2011): Bonenburg-Teil 1: Kopffüßer aus dem Unteren Pliensbachium. - Der Steinkern 7: 10-26.

Skrzycki, P. (2015): New species of lungfish (Sarcopterygii, Dipnoi) from the Late Triassic Krasiejów site in Poland, with remarks on the ontogeny of Triassic dipnoan tooth plates. - Journal of Vertebrate Paleontology 35: e964357.

Slater, T. S., Duffin, C. J., Hildebrandt, C., Davies, T. G. & Benton, M. J. (2016): Microvertebrates from multiple bone beds in the Rhaetian of the M4–M5 motorway junction, South Gloucestershire, U.K. - Proceedings of the Geologists’ Association 127: 464-477.

Storrs, G. W. (1994): Fossil vertebrate faunas of the British Rhaetian (latest Triassic). - Zoological Journal of the Linnean Society 112: 217-259

Storrs, G. W. & Large, N. F. (1996): The diapsid reptile, Pachystropheus rhaeticus, a probable Choristodere from the Rhaetian of Europe. - Palaentology 39: 323-349.

Tanner, L. H., Lucas, S. G. & Chapman, M. G. (2004): Assessing the record and causes of Late Triassic extinctions. - Earth-Science Reviews 65: 103-139.

Thies, D., Vespermann, J. & Solcher, J. (2014): Two new neoselachian sharks (Elasmobranchii, Neoselachii, Synechodontiformes) from the Rhaetian (Late Triassic) of Europe. - Palaeontographica, Abt. A: Palaezoology – Stratigraphy 303(4-6): 137-167.

Whiteside, D. I. (1986): The head skeleton of the Rhaetian sphenodontid Diphydontosaurus avonis gen. et sp. nov. and the modernizing of a living fossil. - Philosophical Transactions of the Royal Society B 312: 379-430.

Whiteside, J. H., Olsen, P. E., Eglinton, T., Brookfield, M. E. & Sambrotto, R. N. (2010): Compound-specific carbon isotopes from Earth’s largest flood basalt eruptions directly linked to the end-Triassic mass extinction. - Proceedings of the National Academy of Science of the USA 107: 6721-5.

Wintrich, T. (2015): The first Triassic plesiosaur: A skeleton from the Rhaetian of Germany and its implications for the evolution of plesiosaur locomotion. - SVP 75th Annual Meeting Program & Abstracts: 239.

Witzmann, F. & Gassner, T. (2008): Metoposaurid and mastodonsaurid stereospondyls from the Triassic-Jurassic boundary of Portugal. - Alcheringa 32(1): 37–51.

Page 39: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

38

Page 40: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

39

Über den Nachweis von Lepagia gaumensis (Eucynodonta incertae sedis) aus dem Rhät (Trias)

von Warburg-Bonenburg (Kr. Höxter)

Achim H. Schwermann1

Kurzfassung

Der präsentierte Zahn wurde aus einem rhätischen Bonebed in der Nähe von Bonenburg/NRW geborgen. Er wird mit den bekannten Eucynodontia-Taxa der mitteleuropäischen Obertrias verglichen und der auf Ein-zelzähnen basierenden Lepagia gaumensis Hahn, Wild & Wouters, 1987 zugeordnet. Dieser Fund ist bislang der einzige Nachweis eines Cynodontia dieser Fundstelle. Es wird weiter die Unterscheidung von isolierten Pterosauria- und Cynodontia-Zähnen diskutiert.

Abstract

The here reported tooth was recovered from a Rhaetian bonebed near Bonenburg. A comparison to the published eucynodont taxa of the Upper Triassic of Central Europe is given and the tooth is assigned to Le-pagia gaumensis Hahn, Wild & Wouters, 1987, which is based only on isolated teeth. This finding is the first evidence to date of terrestrial input into this bonebed. Furthermore, the differentiation of isolated pterosaurian and cynodont teeth is discussed.

Einleitung

Im Jahr 2015 führte das Steinmann-Institut der Universität Bonn eine paläontologische Grabung in den Rhät-Bonebeds bei Bonenburg (Abb. 1) durch (Sander et al., in Präp.). Dabei wurde ein mehrspitziger Zahn geborgen, dessen systematische Zuweisung sich zunächst als problematisch erwiesen hat. Der schmale, hohe Zahn zeigt sowohl Affinitäten zu triassischen Pterosauria, als auch zu basalen Cynodontia dieser Zeit und offenbart damit die Schwierigkeit diese Gruppen anhand von Einzelzähnen zu differenzieren.

Aus der späten Trias Mitteleuropas sind bereits einige Fundstellen dokumentiert, die Zähne des Eudimor-phodon-ähnlichen Typs hervorgebracht haben (Peyer, 1956; Clemens, 1980; Hahn et al., 1984; Kindlimann, 1984; Hahn et al., 1987; Cuny, 2004; Dorka & Heinrich, 2006). Die Bezeichnung Eudimorphodon-ähnlich be-zieht sich dabei auf die obertriassische Pterosauria-Gattung Eudimorphodon Zambelli, 1973. Die Zähne dieses Typs zeigen einen mehrspitzigen Aufbau, der in gewisser Weise der triconodonten Zahnform der Säugetiere ähnelt. Es besteht dabei eindeutig ein Haupthöcker, der entlang der Längsachse von niedrigeren Nebenhö-ckern gesäumt wird. Dieser Zahntyp wird in der Literatur sowohl mit Diapsiden (v.a. Pterosauria), als auch mit

Anschrift des Verfassers: 1 Achim H. Schwermann, Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie, Nußallee 8, 53115 Bonn, [email protected]

Geol. Paläont.Westf. 88 39-48 2 Abb. Münster

Dezember 2016

Page 41: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

40

Synapsiden (insbesondere basale Cynodontia) in Verbindung gebracht (z.B. Clemens, 1980; Hahn et al., 1984; Sigogneau-Russel & Hahn, 1994).

Die obertriassischen Pterosauriaspezies Austriadactylus cristatus Dalla Vecchia et al., 2002, Peteinosaurus zambelli Wild, 1978 und Preondactylus buffarinii Wild, 1984, die durch mehrere Funde aus Mitteleuropa belegt sind, zeigen homodonte Gebisse mit spitzkonischen Zähnen, die durch einen einzigen Höcker gebildet werden. Serrationen sind teilweise ausgebildet, allerdings keine ausgeprägten Nebenhöcker. Daneben gibt es auch einige heterodonte Pterosauria-Spezies. Sie zeigen den Eudimorphodon-ähnlichen Zahntyp im distalen Gebiss. Dies sind die Pterosauria Carniadactylus rosenfeldi (Dalla Vecchia, 1995), Caviramus schesaplanensis Fröbisch & Fröbisch, 2006, C. filisurensis (Stecher, 2008)1 und Eudimorphodon ranzii Zambelli, 1973. In diesen Fällen ist eine sichere Zuordnung der Eudimorphodon-ähnlichen Zähne zu den entsprechenden Pterosauria-Gattungen gesichert, da Zahnreihen in Verbindung mit cranialem und postcranialem Material gefunden wurden.

Aus der Obertrias stammen auch einige Cynodontia-Gattungen, für die der Eudimorphodon-ähnliche Zahntyp sicher belegbar ist. Aus dem außereuropäischen Raum kennt man artikuliertes Zahn- und Knochen-material beispielsweise von Chiniquodon von Huene, 1936, Charruodon Abdala & Ribeiro, 2000, Dromatheri-um Emmons, 1857, Microconodon Osborn, 1886 und Therioherpeton Bonaparte & Barberena, 1975. Aus dem zentraleuropäischen Raum fehlen bislang Cynodontia-Funde, die systematisch verwertbares Knochenmaterial mit dem Eudimorphodon-ähnlichen Zahntyp zeigen. Dagegen gibt es eine Reihe von europäischen Cynodon-tia-Taxa der Obertrias, die allein auf Zahnfunden begründet sind: Gaumia? incisa Hahn et al., 1987, Gaumia longiradiacata Hahn et al., 1987, „Hahnia“2 oliqua Godefroit & Battail, 1997, Lepadia gaumensis Hahn et al., 1987, Meurthodon gallicus, Sigogneau-Russell & Hahn, 1994, Pseudotriconodon wildi Hahn & Lepage, 1984 und drei Arten der Gattung Tricuspis von Huene, 1933. Diese Zähne haben dabei teilweise eine erstaunliche Ähnlichkeit mit den Eudimorphodon-ähnlichen Zähnen der Pterosauria.

Material und Methoden

Im Mai 2015 wurden ungefähr 0,85 t Bonebed-Material aus der Tongrube der Firma Lücking bei Bonenburg, chemisch aufgeschlossen und geschlämmt. Das Bonebed-Material wurde zunächst an der Luft getrocknet bis äußerlich keine Feuchtigkeit mehr erkennbar war. Dann wurde es mit einer 5%igen Wasserstoffperoxidlösung (H2O2) versetzt. Nach dem Abklingen der chemischen Reaktion, wurde das Material per Hand über Siebe der Maschenweiten 2, 1 und 0,5 mm geschlämmt und das Schlämmextrakt wiederum getrocknet. Es entstand so eine Menge von 275 kg Schlämmkonzentrat, das zur weiteren Bearbeitung nach Bonn gebracht wurde.

Am Steinmann-Institut wurde ein Teil des Materials ein weiteres Mal geschlämmt. Der hier vorgestellte Zahn gehört zu einer Probe, die nur im Gelände geschlämmt wurde. In Bonenburg wurden insgesamt vier Bonebeds identifiziert (vgl. Sander et al., in Präp.). Der Zahn stammt aus der Fundschicht BB2a und trägt die Grabungsnummer BB 2015/1004 und die Inventarnummer LWL MfN P 64 198.

1 Nach den Arbeiten von Ősi (2011) und Dalla Vecchia (2009) ist die systematische Stellung von Raeticodactylus filisurensis fraglich. Sie sehen Raeticodactylus als Juniorsynoym von Caviramus an, während die Spezies weiter Bestand hat.

2 Der Gattungsname Hahnia ist bei der Beschreibung des Cynodontia-Taxons bereits durch Hahnia Koch, 1841 (Arachnida, Hahniidae) präokkupiert gewesen. Eine Korrektur dieses Homonyms steht bislang aus.

Abb. 1: Geographische Lage von Warburg-Bonenburg in NRW, Deutschland.

Page 42: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

41

Zur Untersuchung der inneren Struktur der Wurzel wurde eine Computertomographie durchgeführt. Dazu wurde das Gerät v׀tome׀x s (GE Sensing and Inspection Technologies Phoenix|x-ray) des Steinmann-Instituts verwendet (180 kV-Röhre, 80 kV, 80 mA, Belichtungszeit 400 ms, Voxelgröße 8,59 µm). Die Datennachbear-beitung erfolgte mit datos|x (ebenfalls Phoenix|x-ray) und VGStudio MAX 2.1 (Volume Graphics GmbH, Hei-delberg). Mit PolyworksTMIMEdit und PolyworksTMIMInspect (InnovMetric Software Inc., Quebec City, Kanada; Polyworks 12) wurde das Oberflächenmodell, welches mit VGStudioMax im stl-Format erzeugt worden ist, eingefärbt und vermessen.

Die Lage der Messstrecken folgt den Beschreibungen von Hahn et al. (1987). Die vermessenen Strecken sind in Abb. 2. A dargestellt. Die Messungen wurden jeweils fünf Mal durchgeführt und anschließend ein Mittelwert gebildet.

Die Abkürzung MZA steht für das Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen, IRSNB für das Institut royal des Sciences naturelles de Belgique in Brüssel und LWL MfN für das LWL Naturkundemuseum in Münster.

Systematische Stellung

Therapsida Broom, 1905

Cynodontia Owen, 1861

Eucynodontia Kemp, 1982

incertae sedis

Lepagia gaumensis Hahn, Wild & Wouters, 1987(Abb. 2)

Die systematische Stellung der Dromatheriidae Gill, 1872 wurde von Hahn et al. (1994) diskutiert. Sie sahen dieses Taxon zwischen den Cynodontia (gemeint sind offensichtlich die Nicht-Mammalia Cynodontia) und den Mammalia. Auch Godefroit & Battail (1997) und Datta et al. (2004) sahen die Dromatheriidae zugehörig zu den Cynodontia. Da die Spezies, die unter diesem Taxon zusammengefasst werden, größtenteils auf isolierten Zähnen beruhen, wurde von Sues (2001) und Clemens & Martin (2014) Abstand von der Formulierung der Familie der Dromatheriidae genommen. Stattdessen sahen sie die entsprechenden Spezies als fortschrittliche Cynodontia an und gruppierten sie daher unter dem Begriff der Eucynodontia incertae sedis.

Holotypus: IRSNB R.M.28

Paratypen: IRSNB R.M.29, IRSNB R.M.30

Weiteres Materia l : IRSNB R167, IRSNB 28114/051, ?IRSNB 28114/104, MZA Hallau 66 (Peyer, 1956; Taf. 5, Fig. 66), MZA Hallau 68 (Peyer, 1956; Taf. 5, Fig. 68), MZA L 66/5; (Kindlimann, 1984; Abb. 4), LWL MfN P 64 198.

Diagnose: Siehe Hahn et al. (1987) und Godefroit & Battail (1997).

Beschreibung

(KL: 2,25 mm; WL: 1,91 mm; KH: 1,69 mm; KB: 0,89 mm)

Der Zahn zeigt in der Aufsicht auf die Schmalseiten (Abb. 2. C4 und C6) eine leichte Asymmetrie. Der Ter-minologie von Hahn et al. (1984) folgend, ergibt sich daraus eine labiale (Abb. 2. C3) und eine linguale Seite (Abb. 2. C5). Nach den Kriterien von Hahn et al. (1984) und Hahn et al. (1987) lässt sich die Mesial-, bzw. Dis-talrichtung nicht bestimmen. Als Kriterium für die Zuweisung zu Ober- oder Unterkiefer wird die Abnutzung des Zahns beurteilt (vgl. Godefroit et al., 1998).

Page 43: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

42

Die Aufsicht zeigt einen länglich ovalen Außenumriss der Krone (Abb. 2. C1). Unterhalb der Zahnkrone verjüngt sich der Zahn im Wurzelbereich (Abb. 2. C3 und C5).

Die Lingualseite der Zahnkrone ist leicht konkav geformt (Abb. 2. C4 und C6). Der Übergang in die Zahn-wurzel ist fließend. Die labiale Seite zeigt einen abrasiv überprägten Übergang von der Zahnkrone zur Wurzel. Im lingualen Bereich ist die Zahnkrone intakt, allerdings lässt sich keine Kronenbasis identifizieren. Entlang

Abb. 2: A Terminologie und Messstrecken in okklusaler (A1) und labialer (A2) Ansicht. B Lichtmikroskopische Aufnah-men des unteren Zahns von Lepagia gaumensis (LWL MfN P 64 198) in okklusaler (B1), labialer (B2) und lingualer (B3) Ansicht. C 3D-Oberlfächenmodell, basierend auf µCT-Daten in okklusaler (C1), cervikaler (C2), labialer (C3), mesialer/distaler (C4 und C6) und lingualer (C5) Ansicht. D Transparente Darstellung des 3D-Modells, mit Ansicht der Pulpahöhle. Die Lage der Querschnitte E1-3 sind markiert. E Digitale Querschnitte durch die Wurzel (E1 und E2), sowie die Zahnkrone. Mittig ist die Pulpahöhle zu erkennen (dunkelgrau), in der teilweise röntgendichte Mineralien (hellgrau; vermutlich Pyrit) ausgefällt sind.

Page 44: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

43

der Längsachse des Zahns finden sich auf der einen Seite des Haupthöckers zwei, auf der anderen Seite drei Nebenhöcker. Diese haben nur eine geringe Höhe, so dass die Zahnkrone in der Seitenansicht eine dreieckige Form zeigt (Abb. 2. B2, B3, C3 und C5). Zwischen den Höckern sind deutliche Grate ausgeprägt (Abb. 2. B1, C1, C4 und C6). Sie verlaufen von den Höckerspitzen bis in die Zwickel zwischen den Höckern.

Der dünne Zahnschmelz ist an mehreren Stellen durchbrochen (Abb. 2. C). Einerseits ist dies an den Hö-ckerspitzen der Fall. Hier ist der apikale Schmelz verschwunden und das darunter liegende Dentin ist freigelegt. Das Dentin zeigt dabei keine Anzeichen für eine Auskolkung, sondern ist an einigen Stellen sogar etwas über den verbliebenen Zahnschmelz erhaben. Die apikalen Dentinfelder der äußeren Nebenhöcker gehen fließend in ein Areal freigelegten Dentins auf der labialen Kronenflanke über. Dieses zweite Areal mit durchbroche-nem Zahnschmelz umfasst die ganze Breite der labialen Kronenbasis und leitet in die Zahnwurzel über. Die ursprüngliche Kronenbasis ist damit also abgetragen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass hier bedeutende Strukturen, wie beispielsweise ein Cingulum, verloren gegangen sind. Dies bestätigt auch die Form der Pul-pahöhle (Abb. 2. D). Die Abnutzung der Höckerspitzen (apical wear) geht auf eine biologische Ursache zurück, die nach Crompton & Hiiemäe (1970) in der Fixierung und Bearbeitung von Nahrung zu suchen ist. Da die Dentinfelder der Nebenhöcker fließend in den Bereich des labial abgetragenen Schmelzes übergehen, kann davon ausgegangen werden, dass es sich hier zumindest teilweise ebenfalls um solche Abnutzungserschei-nungen handelt. Da Usuren an unteren Zähnen an der Labial-, auf oberen an der Lingualflanke entstehen, liegt hier die Vermutung nahe, dass es sich um einen unteren Zahn handelt (vgl. Crompton, 1971; Crompton, 1972; Godefroit & Battail, 1997).

Der distale Teil der Wurzel ist abgebrochen. Querschnitte durch die Wurzel zeigen durchgehend ovale Umrisse der Pulpahöhle (Abb. 2. E). Anzeichen einer Wurzelbifurkation fehlen in dem erhaltenen Teil gänzlich.

Diskussion

Höhere systematische Zuordnung: Nach Hahn et al. (1984) gibt es vier obertriassiche Tetrapoden-taxa, die mehrspitzige Zähne entwickelt haben. Dies sind die Tanystropheidae, Pterosauria, Nicht-Mammalia Cynodontia und Mammalia. Sowohl die Gruppe der Prolacertilia als auch die der Mammalia können im Fall des Einzelzahns aus Bonenburg ausgeschlossen werden. Die mehrspitzigen Zähne der Tanystropheidae, wie sie bei Langobardisaurus Renesto, 1994, Macrocnemus Nopcsa, 1930 und Tanystropheus von Meyer, 1852 auftreten, sind stets tricuspid (Wild, 1974; Wild, 1980; Hahn et al., 1984; Renesto & Dalla Vecchia, 2000; Nosotti, 2007). Höhere Anzahlen von Höckern sind bislang nicht bekannt und unterscheiden damit die bekannten, mehr-höckerigen Tanystropheidae-Zähne von denen der anderen drei Gruppen. Die Zähne der basalen Mammalia lassen sich dadurch von denen der restlichen Cynodontia abgrenzen, dass sie an der Kronenbasis Cingula zeigen (Hahn et al., 1984; Kielan-Jaworowska et al., 2004).

Aufgrund der sehr ähnlichen Zahnformen multicuspider Pterosauria- und Cynodontia-Zähne ist deren Differenzierung problematisch, wenn es sich um Einzelzähne handelt. Hahn et al. (1984) haben sich mit dieser Problematik beschäftigt und neun Merkmale beschrieben, die in ihrer Summe eine Differenzierung von Eudimorphodon- und Pseudotriconodon-Zähnen zulassen. Diese Merkmale und ihre jeweiligen Zustände lauten wie folgt:

1. Die Zahnkronen von Eudimorphodon zeigen mehr oder weniger deutliche Rippenstrukturen, die bei Pseudotriconodon gänzlich fehlen. Zähne juveniler Eudimorphodon sind allerdings wenig bis gar nicht gerippt.

2. Der Kronenumriss der Eudimorphodon-Zähne ist elliptisch mit einer breiten Basis unterhalb des Haupthöckers. Die Zähne von Pseudotriconodon sind dagegen so schmal, dass die labiale und linguale Flanke nahezu parallel verlaufen. Auch hier gilt jedoch, dass der schmale Zustand auch bei juvenilen Eudimorphodon-Exemplaren auftritt.

3. Generell hat Eudimorphodon einen relativ kurzen und hohen Haupthöcker und deutlich tiefer ansitzende Nebenhöcker. Bei Pseudotriconodon sitzen die Nebenhöcker höher am relativ längeren Haupthöcker an. Überschneidungen der beiden Taxa in der Merkmalsausprägung sind gegeben.

4. Die Höcker von Pseudotriconodon sind mit scharfen Graten entlang der Längsachse besetzt. Bei Eudimorphodon sind diese höchstens angedeutet. Hier zeigen juvenile Eudimorphodon-Exemplare allerdings wiederum eine größere Ähnlichkeit mit Pseudotriconodon-Zähnen.

Page 45: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

44

5. Die Krone ist bei Eudimorphodon-Zähnen deutlich von der Wurzel abgesetzt, während bei Pseudot-riconodon ein fließender Übergang besteht.

6. Das Verhältnis von Wurzelhöhe zur Zahnlänge beträgt bei Pseudotriconodon etwa 1,25, bei Eudimor-phodon liegt es dagegen bei 0,94.

7. Einige Pseudotriconodon-Exemplare zeigen eine Zweiteilung der terminalen Wurzel. Für Eudimorpho-don wurde dies nie beobachtet.

8. Das Verhältnis von tricuspiden zu pentacuspiden Zähnen beträgt bei Eudimorphodon 1:1, bei Pseudotri-conodon 1:4. Auch tetracuspide Zähne treten bei Pseudotriconodon häufiger auf, als bei Eudimorphdon.

9. Die Zähne von Eudimorphodon sind mit durchschnittlich 2 mm (1 mm bei juvenilen Exemplaren) länger als die von Pseudotriconodon (1,0 bis 1,5 mm).

Diese Differenzierung von Cynodontia- und Pterosauria-Zähnen durch Hahn et al. (1984) basiert auf den Prämissen, dass es sich bei Pseudotriconodon tatsächlich um einen Vertreter der Cynodontia handelt und das Eudimorphodon repräsentativ für alle multicuspiden Pterosauria ist. Der erweiterte Fossilbericht macht es nötig, die neun Merkmale nach heutigem Stand zu bewerten. (zu 1.) Tatsächlich bestätigen neuere Funde, dass die mehrspitzigen Zähne juveniler Eudimorphodon glatte Schmelzoberflächen haben, ihnen also die Berippung fehlt (Wellnhofer, 2003). Die Holotypen der Pterosauria Caviramus schesaplanensis und C. filisurensis zeigen ebenfalls Zähne mit glatten Schmelzoberflächen (Fröbisch & Fröbisch, 2006; Stecher, schrift. Mitt., 2016) und widerlegen damit die Annahme von Hahn et al. (1984). Auch haben Hahn et al. (1987) Gaumia? incisa zu den Cynodontia gestellt, obwohl Schmelzrippen im apikalen Bereich vorhanden sind. (zu 2.) Eine Differenzierung anhand des Kronenumrisses ist zweifelhaft. Zwar haben weitere Funde Bestätigungen dieser Regel erbracht: Nach Hahn et al. (1987; Abb. 3-5) zeigen Zähne der Cynodontia-Taxa Lepagia gaumensis, Gaumia londiradicata und G.? incisa längliche Umrisslinien, wogegen die von G. longiradicata relativ bauchig ist. Eine weitere Bestä-tigung für die Cynondontier-Form findet sich für Meurthodon gallicus bei Sigogneau-Russel & Hahn (1994; Fig. 10.11). Darstellungen der Aufsicht auf obertriassische Pterosauria-Zähne sind in der Literatur kaum vertreten. Stecher (schriftl. Mitt., 2016) und Fröbisch & Fröbisch (2006) haben die Zähne von Caviramus schesaplanensis und C. filisurensis als eher bauchig im Querschnitt beschrieben, was also auch die Annahme von Hahn et al. (1984) zu diesem Merkmal stützt. Dem gegenüber stehen allerdings die Zähne von Microconodon tenuirost-ris, einem Cynodontia, die nach Sues (2001) elliptische Querschnitte haben (vgl. hierzu Sues et al., 1994; Fig. 8.4). Und auch der von Cuny (2004) dokumentierte Zahn eines Pseudotriconodon wildi zeigt einen wesentlich bauchigeren Querschnitt, als die abgebildeten Exemplare der gleichen Spezies bei Hahn et al. (1984) und Hahn et al. (1987). (zu 3.) Das Längen/Höhen-Verhältnis des Haupthöckers als Unterscheidungsmerkmal ist nicht ideal. Dass geht bereits aus der Beschreibung von Hahn et al. (1984) hervor, wonach es Überschneidungen zwischen den Zähnen von Eudimorphodon und Pseudotriconodon gibt. Und auch die Zähne von Gaumia? incisa zeigen relativ hohe Mittelhöcker. Die Differenzierung nach diesem Merkmal ist daher als stark subjektiv zu beurteilen und kaum auf andere Taxa übertragbar. (zu 4.) Scharfe Grate zwischen den Höckern sind nicht nur für Pseudotriconodon dokumentiert, sondern auf für Lepagia und auch Microconodon (Hahn et al., 1984; Hahn et al., 1987; Sues, 2001). Bei letzterem sind sie allerdings lediglich an dem Haupthöcker vorhanden, nicht an allen Höckern, wie es Hahn et al. (1984) beschrieben haben. Gerundete Grate, wie sie für Eudimorphodon typisch sind, sind auch bei beiden Caviramus-Spezies ausgeprägt (Fröbisch & Fröbisch, 2006; Stecker, schrift. Mitt., 2016). (zu 5.) Auch die deutliche Abgrenzung der Zahnkrone zur Wurzel hat sich für beide Arten der Gattung Caviramus bestätigt (Fröbisch & Fröbisch, 2006; Stecker, schrift. Mitt., 2016). Allerdings berichten Hahn et al. (1987) für Lepagia und Gaumia von einer Einschnürung unterhalb der Krone, die diese von der Wurzel trennt. Und auch die Krone von Meurothodon gallicus ist klar von der Wurzel abgesetzt (Godefroit & Battail, 1997). Pterosauria- und Cynodontia-Zähne können demnach nicht eindeutig anhand dieses Kriteriums getrennt werden. (zu 6.) Das Merkmal der Wurzelhöhe ist als Differenzierung ungeeignet. Dies zeigt allein der Fund von Caviramus filisurensis. Zwei isolierte Zähne haben Wurzelhöhen, die deutlich größer sind, als die jeweiligen Zahnkronenlängen (Stecher, 2008; Fig. 9). Außerdem liegt das Verhältnis von Wurzelhöhe zu –länge bei L. gaumensis ungefähr bei 1 (Hahn et al., 1987). (zu 7.) Die Teilung der Wurzel kann mit bloßem Auge nur beobachtet werden, wenn es sich um komplette Exemplare isolierter Zähne handelt. Hahn et al. (1984; Taf. 2, Abb. 6) dokumentieren Pseudotriconodon-Exemplare, die eine Teilung der Wurzel im terminalen Teil zeigen. Sie reicht dabei nicht tief in die Wurzel hinein. Geteilte Wurzeln sind auch für Microconodon dokumentiert (Sues, 2001). Die Teilung der Wurzel ist dabei kein zwingend vorhandenes Merkmal der Cynodontia-Zähne. So haben Hahn et al. (1987) sogar das Merkmal einer ungeteilten Wurzel in die Gattungsdiagnosen von Gaumia und Lepagia aufgenommen. Funde von Pterosauria, die dieses Merkmal widerlegen könnten, also ebenfalls Wurzelteilungen zeigen, sind bislang nicht bekannt. (zu 8.) Über die Verteilung von Zahntypen können nur Aussagen getroffen werden, wenn größere Stückzahlen vorliegen. (zu 9.) Die alleinige Größe der Zähne scheint ein wenig geeignetes Merkmal, da es zu Überschneidungen kommt. Die Arbeit von Hahn et al. (1987) zeigt zwar tatsächlich nur Cynodontia-Zähne, deren Länge nur knapp über oder unter 1,5 mm liegen. Godefroit

Page 46: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

45

& Battail (1997) dokumentierten jedoch P. wildi-Zähne, die deutlich länger als 2 mm sind. Ein weiterer Zahn dieser Spezies wurde von Cuny (2004) vorgestellt. Er hat eine Kronenlänge von 2 mm. Die Größenvariabilität der Zähne von P. wildi überschneidet sich also deutlich mit der von Eudimorphodon-Zähnen.

Es muss also festgestellt werden, dass die Merkmale 1, 2, 6 und 9 nach neuerer Literatur nicht haltbar sind. Merkmal 3, das die Höhe des Haupthöckers beschreibt, scheint zu subjektiv zu sein, um als Unterscheidungs-merkmal brauchbar zu sein. Das achte Merkmal, die relative Häufigkeit von tri- zu pentacuspiden Zähnen ist für Einzelfunde nicht von Nutzen. Als beständig, bzw. eingeschränkt aussagekräftig haben sich die Merkmale 4, 5 und 7 gezeigt. Die Präsenz von scharfen Graten zwischen den Höckern spricht für die Zuordnung zu den Cynodontia. Ebenso das Fehlen einer klaren Trennung von Krone und Wurzel. Das Vorhandensein von einer gespaltenen Wurzel zeigt ebenso die Zugehörigkeit zu den Cynodontia an. Allerdings schließt eine vorhan-dene Absetzung der Krone zur Wurzel oder auch das Fehlen einer gespaltenen Wurzel fragliche Zähne nicht automatisch aus der Gruppe der Cynodontia aus.

Stel lung innerhalb der Cynodontia : Aus der Obertrias Europas sind mehrere Cynodontia bekannt, die längliche, mehrhöckerige Zähne ausgebildet haben. Die Unterschiede des Zahns aus Bonenburg zu diesen Taxa sind wie folgt:

• Die Zähne von Gaumia longiradiacata zeigen stumpfe Grate zwischen den Höckern. Der Haupthöcker nimmt nahezu die gesamte Länge der Krone ein und ist nicht nach lingual gebogen. Seine mesiale und distale Kante sind leicht konkav geschwungen. Die Nebenhöcker sitzen sehr tief am Haupthö-cker an, sind relativ stumpf und kaum vom Haupthöcker differenziert (Hahn et al., 1987; Godefroit & Battail, 1997).

• Die als Gaumia? incisa klassifizierten Zähne zeigen mehrere Schmelzrippen auf der lingualen Flanke des Haupthöckers. Es gibt insgesamt drei sehr tief ansitzende Nebenhöcker (Hahn et al., 1987).

• „Hahnia“ obliqua ist durch mehrere Zähne bekannt, die alle tricuspid sind. Die beiden Nebenhöcker sind sehr stumpf und nur wenig vom Haupthöcker differenziert. Der Haupthöcker ist leicht nach distal gebogen (Godefroit & Battail, 1997).

• Die Zähne von Meurthodon gallicus zeigen mesiodistal sehr asymmetrische Kronen, wobei der Haupt-höcker deutlich in der mesialen Hälfte der Höckerreihe liegt. Die Krone ist klar von der Wurzel getrennt. Letztere ist zweigeteilt (Hahn et al., 1994; Sigogneau-Russel & Hahn, 1994; Godefroit & Battail, 1997).

• Die Zahnkrone von Pseudotriconodon wildi geht mesial und distal flach in den Wurzelbereich über, ohne dass die Nebenhöcker die Wurzel überragen. Die maximale Länge der Krone entspricht daher der maximalen Länge der Wurzel. Der Haupthöcker ist nicht nach lingual geneigt (Hahn et al., 1984; Godefroit & Battail, 1997; Cuny, 2004).

• Tricuspes ist bislang durch die Arten T. tuebingensis von Huene, 1933, T. sigogneauae Hahn, Hahn & Godefroit, 1994 und T. tapeinodon Godefroit & Battail, 1997 bekannt. Diese Zahnkronen zeigen in der Aufsicht, dass die Höcker nicht in einer Reihe stehen, sondern ein flachwinkeliges Dreieck bilden. Die Nebenhöcker sind deutlich vom Haupthöcker differenziert und haben eigene Basisansätze. Die Wurzel ist über die ganze Länge zweigeteilt (Hahn et al., 1994; Godefroit & Battail, 1997; Sues, 2001; Clemens & Martin, 2014).

Übereinstimmungen in sämtlichen Merkmalen (leicht asymmetrische Seitenansicht der Krone, glatte Schmelzoberfläche, mittige Position des Haupthöckers, leicht nach lingual gebogener Haupthöcker, hohe Anzahl von Nebenhöckern, scharfe Schmelzgrate zwischen den Höckern, bauchig ovaler Querschnitt der Krone, keine markante Trennlinie zwischen Krone und Wurzel, ungeteilte Wurzel) ergeben sich nur mit Lepagia gaumensis. Ein Unterschied zu den publizierten Exemplaren von Godefroit & Battail (1997), Hahn et al. (1987), Kindlimann (1984) und Peyer (1956) findet sich in der Anzahl der Nebenhöcker. Die bereits publizierten Stücke zeigen meist zwei mesiale und zwei distale Nebenhöcker. Abweichungen durch niedrigere Anzahlen sind vermutlich auf die Erhaltungsqualität zurückzuführen. An dem hier präsentierten Exemplar finden sich zwei Nebenhöcker auf der einen Seite des Haupthöckers und drei auf der anderen. Dieser dritte, äußerste Nebenhöcker ist sehr klein und wäre bei fortgeschrittener Abnutzung von dem nächsten Nebenhöcker kaum zu differenzieren. Das Auftreten dieses kleinen, zusätzlichen Nebenhöckers wird hier als innerartliche Variabilität angesehen, wie sie auch innerhalb der Zahnreihen eines Individuums zu vermuten ist.

Page 47: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

46

Schlussfolgerungen

Sigogneau-Russel & Hahn (1994) weisen darauf hin, dass die Zähne der Cynodontia nicht im gleichen Maße analysiert werden, wie die der Mammalia. Der Grund hierfür liegt darin, dass ihnen nur ein geringer systematischer Wert zugesprochen wird. Dies führt dazu, dass isoliert gefundene Zähne nicht mit absoluter Sicherheit der Großgruppe Cynodontia zugeordnet werden können. Besonders die Abgrenzung zu Diapsiden, insbesondere Pterosauria, ist schwierig und nicht eindeutig (Hahn et al., 1984). Diesbezüglich muss Abhilfe dadurch geschaffen werden, dass die Zähne umfangreicherer Funde von Cynodontia, bei denen Gebisse und Zähne zweifelsfrei über die Artikulation mit cranialem und postcranialem Material zugeordnet werden können, im Detail untersucht werden. Die Schließung dieser Lücke, die Untersuchung von Zahnkronenformen und -dimensionen, von Schmelz- und Wurzelstrukturen, wäre eine wertvolle Hilfe, um Klarheit über die Identität der mittlerweile mehrfach dokumentierten Funde von Einzelzähnen zu schaffen. Einen Ansatz hierzu haben Hahn et al. (1984) gemacht. Der erweiterte Fossilbericht macht eine Überarbeitung und Erweiterung dieser Arbeit unabdingbar. Röntgenaufnahmen und detaillierte Zahnbeschreibungen vollständigerer Pterosauri-er-Exemplare sind nötig, um die angenommenen Differenzierungsmerkmale zu verifizieren.

Der Fossilbericht der rhätischen Bonebeds von Bonenburg zeigt hauptsächlich marine, daneben auch limnische Taxa (Sander et al., in Präp.). Die Zuordnung des vorliegenden Zahns aus Bonenburg zu den Cyn-odontia ist bislang der einzige Beleg dieser Art und einer der seltenen Nachweise für terrestrischen Eintrag in das Sedimentationsgebiet.

Danksagung

Herzlicher Dank geht an das LWL Naturkundemuseum Münster, insbesondere an die Herrn Dr. Alfred Hendricks und Dr. Detlef Grzegorczyk, für die Unterstützung der Grabung Bonenburg im April und Mai 2015. Der Firma Lücking sei für den freundlich erteilten Zugang zu der Tongrube gedankt. Weiterhin sei allen Gra-bungsteilnehmern gedankt. Dies sind, nach alphabetischer Reihenfolge, Olaf Dülfer, Dr. Carol Gee, Michael Mertens, Thorsten Plogschties, Prof. Dr. Martin Sander, Klaus Schwermann, Hermann Winkelhorst und Tanja Wintrich. Auch den studentischen Hilfskräften, die am Steinmann-Institut die Mikrofossilproben auslesen ist zu danken. Dies sind Mirjam Cahnbley, Jessica Landgraf, Moritz Mallott und Samantha Moody. Vieler Dank geht an Herrn Rico Stecher, für die wertvolle Diskussion, Herrn Georg Oleschinski für die lichtmikroskopi-schen Aufnahmen, René Kindlimann für die aufschlussreichen Gespräche, Torsten Scheyer für Abgüsse des Caviramus-Holotyps und Dr. Hans-Dieter Sues, sowie Dr. Leonie Schwermann für die kritische Durchsicht des Manuskripts.

Literaturverzeichnis

Abdala, F., & Giannini, N. P. (2000): Gomphodont cynodonts of the Chañares Formation: the analysis of an ontogenetic sequence. - Journal of Vertebrate Paleontology 20: 501-506.

Bonaparte, J. F., & Barberena, M. C. (1975): A possible mammalian ancestor from the Middle Triassic of Brazil (Therapsida-Cynodontia). - Journal of Paleontology 49: 931-936.

Broom, R. (1905): On the use of the term Anomodontia. - Records of the Albany Museum 1: 266-269.Clemens, W. A. (1980): Rhaeto-Liassic mammals from Switzerland and West Germany. - Zitteliana 5: 51-92.Clemens, W. A., & Martin, T. (2014): Review of the non-tritylodontid synapsids from bone beds in the Rhaetic

Sandstone, southern Germany. - Paläontologische Zeitschrift 88: 461-479.Crompton, A. W. (1971): The origin of the tribosphenic molar. - in: Kermack, D. M. & Kermack, K. A. (eds.):

Early mammals. 65-87, London (University Press).Crompton, A. W. (1972): Postcanine Occlusion in cynodonts and tritylodontids. - Bulletin of the British Museum

(Natural History) Geology 21: 29-71.Crompton, A. W., & Hiiemäe, K. (1970): Molar occlusion and mandibular movements during occlusion in the

American opossum, Didelphis marsupialis L. - Zoological Journal of the Linnean Society 49: 21-47.Cuny, G. (2004): A Late Triassic cynodont from Holwell Quarries (Somerset, England). - Oryctos 5: 69-73.Dalla Vecchia, F. M. (1994): A new pterosaur (Reptilia, Pterosauria) from the Norian (Late Triassic) of Friuli

(Northeastern Italy), preliminary note. - Gortania 16: 59-66.

Page 48: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

47

Dalla Vecchia, F. M., Wild, R., Hopf, H., & Reitner, J. (2002): A crested rhamphorhynchoid pterosaur from the Late Triassic of Austria. - Journal of Vertebrate Paleontology 22: 196-199.

Datta, P. M., Das, D. P., & Luo, Z. X. (2004): A Late Triassic dromatheriid (Synapsida: Cynodontia) from India. - Annals of Carnegie Museum 73: 72-84.

Dorka, M., & Heinrich, W. D. (2006): Tetrapod teeth from a Rhaetian (Upper Triassic) bonebed near Friedland (NW-Germany). - Palaeontographica A 278:1-13.

Emmons, E. (1857): American Geology. Part VI. Albany. - 152 S., New York (Sprague and Co).Fröbisch, N. B., & Fröbisch, J. (2006): A new basal pterosaur genus from the Upper Triassic of the Northern

Calcareous Alps of Switzerland. - Palaeontology 49: 1081-1090.Gill, T. (1872): Arrangement of the families of mammals and synoptical tables of characters of the subdivisions

of mammals. - Smithsonian Miscellaneous Collections 230: 1-98.Godefroit, P., & Battail, B. (1997): Late Triassic cynodonts from Saint-Nicolas-de-Port (north-eastern France).

- Geodiversitas 19: 567-631.Godefroit, P., Cuny, G., Delsate, D., & Roche, M. (1998): Late Triassic vertebrates from Syren (Luxembourg).

- Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie 210: 305-343.Hahn, G., Lepage, J. C., & Wouters, G. (1984): Cynodontier-Zähne aus der Ober-Trias von Medernach, Gross-

herzogtum Luxemburg. - Bulletin de la Société belge de Géologie 93: 357-373.Hahn, G., Wild, R., & Wouters, G. (1987): Cynodontier-Zähne aus der Ober-Trias von Gaume (S-Belgien).

- Mémoires pour servir à l´Explication des Cartes Géologiques et Minières de la Belgique 24: 1-33.Hahn, G., Hahn, R., & Godefroit, P. (1994): Zur Stellung der Dromatheriidae (Ober-Trias) zwischen den Cyno-

dontia und den Mammalia. - Geologica et Palaeontologica 28: 141-159.Huene, E. v. (1933): Zur Kenntnis des Württembergischen Rätbonebeds mit Zahnfunden neuer Säuger und säu-

gerähnlicher Reptilien. - Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 89: 65-128.Huene, F. v. (1936): Die Fossilen Reptilien des Südamerikanischen Gondwanalandes. Ergebnisse der Saurier-

grabungen in Südbrasilien 1928/29. - 332 S., München (C. H. Beck‘sche Verlagsbuchhandlung).Kemp, T. S. (1982): Mammal-Like Reptiles and the Origin of Mammals. - 362 S., New York (Academic Press).Kielan-Jaworowska, Z., Cifelli, R. L., & Luo, Z.-X. 2004. Mammals from the age of dinosaurs: origins, evolution,

and structure. - 630 S., New York (Columbia University Press). Kindlimann, R. (1984): Ein bisher unerkannt gebliebener Zahn eines synapsiden Reptils aus dem Rät von Hailau

(Kanton Schaflhausen, Schweiz). Mitteilungen der naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen 32: 3-11.Meyer, H. v. (1852): Die Fauna der Vorwelt, zweite Abteilung. Die Saurier des Muschelkalkes mit Rücksicht auf

die Saurier aus buntem Sandstein und Keuper. - Frankfurt a.M. (Heinrich Keller).Nopcsa, B. F. (1930): Notizen über Macrochemus bassanii nov. gen. et spec. - Centralblatt für Mineralogie,

Geologie und Paläontologie, Abteilung B: Geologie und Paläontologie 7: 252-255.Nosotti, S. (2007): Tanystropheus longobardicus (Reptilia, Protorosauria): re-interpretations of the anatomy

based on new specimens from the Middle Triassic of Besano (Lombardy, northern Italy). - Memorie della Società di Scienze Naturali e del Museo Civico di Storia Naturale di Milano 35: 1-88.

Osborn, H. F. (1886): Observations upon the Upper Triassic Mammals, Dromatherium and Microconodon. - Proceedings of the Academy of Natural Sciences of Philadelphia 38: 359-363.

Ősi, A. (2011): Feeding-related characters in basal pterosaurs: implications for jaw mechanism, dental function and diet. - Lethaia 44: 136-152.

Owen, R. (1861): Palaeontology or systematic summary of extinct animals and their geological relations. - 2. Edition. 463 S., Edinburgh (Adam and Charles Black).

Peyer, B. (1956): Über Zähne von Haramiyden, von Triconodonten und von wahrscheinlich synapsiden Reptilien aus dem Rhät von Hallau Kt. Schaffhausen, Schweiz. - Schweizerische Paläontologische Abhandlungen 72: 1-72.

Renesto, S. (1994): A new prolacertiform reptile from the Late Triassic of northern Italy. - Rivista Italiana di Paleontologia e Stratigrafia 100: 285-306.

Renesto, S., & Dalla Vecchia, F. M. (2000): The unusual dentition and feeding habits of the prolacertiform reptile Langobardisaurus (Late Triassic, northern Italy). - Journal of Vertebrate Paleontology 20: 622-627.

Sander, M., Wintrich, T., Schwermann, A. H. & Kindlimann, R. (2016): Die paläontologische Grabung in der Rhät-Lias-Tongrube der Fa. Lücking bei Warburg-Bonenburg (Kr. Höxter) im Frühjahr 2015. - Geologie und Paläontologie in Westfalen 88: 7-33.

Sigogneau-Russel, D., & Hahn, G. (1994): Late Triassic microvertebrates from central Europe - in: Fraser, N. C. & Sues, H. D. (eds.): In the shadow of the dinosaurs. 197-213, Cambridge (Cambridge University Press).

Stecher, R. (2008): A new Triassic pterosaur from Switzerland (Central Austroalpine, Grisons), Raeticodactylus filisurensis gen. et sp. nov. - Swiss Journal of Geosciences 101: 185-201.

Sues, H.-D. (2001): On Microconodon, a Late Triassic Cynodont from the Newark Supergroup of Eastern North America. - Bulletin of the Museum of Comparative Zoology 156: 37-48.

Sues, H.-D., Olsen, P., & Kroehler, P. (1994): Small tetrapods from the Upper Triassic of the Richmond basin (Newark Supergroup), Virginia - in: Fraser, N. C. & Sues, H. D. (eds.): In the Shadow of the Dinosaurs: Early Mesozoic Tetrapods. 161-170, Cambridge (Cambridge University Press).

Page 49: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

48

Wellnhofer, P. (2003): A Late Triassic pterosaur from the Nothern Calcareous Alps (Tyrol, Austria) - in: Buf-fetaut, E. & Mazin, J. M. (eds.): Evolution ans Palaeobiology of Pterosaurs. pp. 5-22, London (Geological Society London).

Wild, R. (1974): Tanystropheus longobardicus (Bassani)(Neue Ergebnisse). - Schweizerische Paläontologische Abhandlungen 95: 1-162.

Wild, R. (1978): Die Flugsaurier (Reptilia, Pterosauria) aus der Oberen Trias von Cene bei Bergamo, Italien. - Bollettino della Società Paleontologica Italiana 17: 176-256.

Wild, R. (1980): Neue Funde von Tanystropheus (Reptilia, Squamata). - Schweizerische Paläontologische Abhandlungen 102: 1-31.

Wild, R. (1984): A new pterosaur (Reptilia, Pterosauria) from the Upper Triassic (Norian) of Friuli, Italy. - Gortania 5: 45-62.

Zambelli, R. (1973): Eudimorphodon ranzii gen. nov, sp. nov., uno pterosauro triassico. - Rendiconti dell Instituto Lambardo de Scienze e Lettere (B) 107: 27-32.

Page 50: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

49

Geol. Paläont.Westf. 88 49-61 8 Abb. Münster

Dezember 2016

Ein neues Exemplar von Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895)

aus dem Typusgebiet von Seppenrade, Münsterland

Ulrich Kaplan1

Kurzfassung

Aus dem unteren Untercampanium von Seppenrade, Münsterland, NW-Deutschland, wird ein bislang unerkanntes Exemplar von Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895) beschrieben. Das Exem-plar steht seit mehr als 100 Jahren in Seppenrade auf dem Schrank im Schankraum des Restaurants „Mutter Siepe“. Es ist der erste nachgewiesene Microconch dieser Art. Gefunden wurde es in einer heute überbauten Steingrube am südlichen Ortsrand von Seppenrade. Die Fundorte des Lectotypus und Paralectotypus von P. (P.) seppenradensis nördlich von Seppenrade werden genauer lokalisiert als in Kaplan & Kennedy (1995).

Abstract

A so far unrecognized specimen of Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895) is described from the lower Lower Campanian of Seppenrade, Münsterland, NW-Germany. For more than 100 years the specimen was placed on a cupboard in the taproom of the restaurant “Mutter Siepe“. It is the first proven microconch of this species. It was found in a nowadays-overbuilt quarry at the southern margin of Seppen-rade. The sites of the lectotype and paralectotype of P. (P.) seppenradensis north of Seppenrade are localized more precisely than in Kaplan & Kennedy (1995).

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503. Fundort und Stratigraphie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564. Schriftenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Anschrift des Verfassers: 1 Ulrich Kaplan, Eichenallee 141, D 33332 Gütersloh, DeutschlandeMail: [email protected]

Page 51: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

50

1. Einleitung

Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis wurde bislang im Münsterland an fünf Lokalitäten nachgewiesen (Abb. 1). Seit den spektakulären Funden der beiden Riesenexemplare in den Jahren 1885 und 1895 blieben im Typusgebiet von Seppenrade weitere Stücke dieser Art aus. Es brauchte mehr als 120 Jahre, bis ein drittes, kleineres Exemplar in einer Seppenrader Gastwirtschaft entdeckt werden konnte. Seit seinem Fund steht es im Schankraum des Restaurants und historischen Hotels „Mutter Siepe“ auf einem Schrank, offensichtlich immer an der gleichen Stelle (Abb. 2). Zusammen mit einem weiteren campanen Ammoniten wurde es über all die Jahre nur als Dekorationsstück wahrgenommen. Köplitz (1920), der die Fauna der Dülmen-Formation im Rahmen einer Dissertation bearbeitete, wurde, ebenso wie Kennedy & Kaplan (1995), bei der Bearbeitung der Ammonitenfauna der Dülmen-Formation, nicht auf dieses Stück aufmerksam, wohl weil sie sich in Samm-lungen und im Gelände umtaten und nicht in Gaststätten. Es ist ein Glücksfall, dass das Traditionshaus „Mutter Siepe“ in der vierten und fünften Generation familiär geführt wird. Nur so konnte es gelingen, dass zusammen mit der althergebrachten Einrichtung auch das Ammoniten-Exemplar erhalten blieb. Durch den Hinweis von D. Böhle, Mitglied des Seppenrader Heimatvereins, bei einem gemeinsamen Kaffeetrinken mit dem Autor, geriet dann das Stück mehr als ein Jahrhundert nach seinem Fund endlich in den Fokus der Wissenschaft.

2. Systematik

Ordnung Ammonoidea Zittel, 1884

Unterordnung Ammonitina Hyatt, 1889

Superfamilie Desmocerataceae Zittel, 1895

Familie Desmoceratidae Zittel, 1895

Abb.1: Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis-Funde im Untercampanium des Münsterländer Kreide-beckens. Typusgebiet Seppenrade: 1 Steinbruch Kortmann; 2 Steinbruch an der Wolfsschlucht; 3 Dülmen, Baustelle Autobahnanschluss Dülmen-Nord; 4 Legden, Bauernschaft Haulingort; 5 Dorsten-Haardt, Ziegelei Ridderbusch & Einschnitt A 31; 6 Bottrop-Fuhlenbrock, Ziegelei Bremer.

Page 52: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

51

Abb. 2: Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis im Restaurant und historischen Hotel „Mutter Siepe“ in Lüdinghausen-Seppenrade. A , C Ammonit auf dem Schrank des Schankraums, B Negativ.

Page 53: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

52

Subfamilie Puzosiinae Spath, 1922(zur Synonymie dieser Subfamilie siehe Wright & Kennedy 1984,

S. 54 = Hauericeratinae Matsumoto, 1938)

Gattung und Untergattung Parapuzosia Nowak, 1913Typus - Ar t : Sonneratia daubreei de Grossouvre 1894, S. 154, Taf. 28

ursprünglich festgelegt durch Nowak (1913, S. 127).

Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895)Abb. 3; 4 A, B; 5 A

1887 Ammonites Coesfeldiensis [sic] Schlüter; Landois, S. 612-613.

1891 Ammonites coesfeldiensis Schlüter; Fraass; S. 441.

1895b Pachydiscus seppenradensis Landois, S. 1-10, Taf. I, II.

1896 A. (Pachydiscus) seppenradensis Landois; Westhoff, S. 32-39.

1899 Ammonites (Pachydiscus) dülmenensis Schlüter; Schlüter S. 414.

1913 ? Parapuzosia seppenradensis (Landois); Nowak, S. 365.

1920 Pachydiscus seppenradensis Landois; Köplitz, S. 70-72, Taf. 8, Fig. 20.

1921 (non Parapuzosia) seppenradensis (Landois); Spath, S. 226.

1922 ? Pachydiscus seppenradensis Landois; Spath, S. 120.

1925 Parapuzosia seppenradensis (Landois); Diener, S. 130.

1938 Pachydiscus seppenradensis Landois; Kukuk, S. 412, Abb. 413.

1954 ? Parapuzosia seppenradensis (Landois); Matsumoto, S. 80.

1963 Pachydiscus seppenradensis Landois; Wolansky, S. 23.

1976 Parapuzosia seppenradensis (H. Landois); Lehmann, S. 6, Abb. 4.

1979 ? Parapuzosia cf. seppenradensis (Landois); Summesberger, S. 126, Taf. 4, Fig. 24; Taf. 5, Fig. 25; Abb. 14, 15.

1979 ? Parapuzosia seppenradensis (Landois); Summesberger, S. 128, Taf. 6, Fig. 26; Abb. 16, 17.

1987 ? Parapuzosia et. seppenradensis (Landois 1895); Immel, S. 89.

1990 Parapuzosia seppenradensis (Landois, 1895); Lanser, S. 108.

1995 Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895); Kennedy & Kaplan S. 21, Taf. 35 - 41.

2005 Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895); Kaplan, Kennedy & Hiß; S. 54, Taf. 4.

2006 Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895); Kaplan, Kennedy & Scheer; S. 32, Taf. 3 - 6.

Typen: Lectotypus, nachträglich designiert durch Kennedy & Kaplan (1995, S. 21) ist das größere der beiden von Landois (1895b) abgebildeten Exemplare, LWL-Museum für Naturkunde, unregistriert, wieder abgebildet von Kennedy & Kaplan (1995, Taf. 35 - 37), hier Abb. 6. Paralectotypus ist das kleinere von Landois (1895) abgebildete Exemplar, LWL-Museum für Naturkunde, unregistriert, wieder abgebildet von Kennedy & Kaplan (1995, Taf. 38 - 39).

Page 54: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

53

Abb. 3: Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895)Exemplar der Familie Siepe im Restaurant und historischen Hotel „Mutter Siepe“ in Lüdinghausen-Seppenrade. Dülmen-Formation, unteres Untercampanium, Grenzbereich von lingua/quadrata- und pilula-Zone, P. bidor-satum-Zone, Seppenrade, Wolfsschlucht, aufgelassener und durch das Gelände des Altenzentrums Clara-Stift Seppenrade überbauter Steinbruch, roter Pfeil Beginn der Wohnkammer. Foto C. Steinweg, LWL-Museum für Naturkunde, Münster. Lateralansicht, Dorsal- und Ventralansicht Abb. 4. x 0,30.

Page 55: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

54

Materia l : Exemplar der Familie Siepe in Lüdinghausen-Seppenrade.

Maße [mm]:

Beschreibung: Das Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis-Exemplar der Familie Siepe ist ein Prä-gesteinkern mit einem größten erhaltenen Durchmesser von d = 800 mm. Erhalten ist nur die linke Seite des Gehäuses mit synsedimentären Beschädigungen (Abb. 3). Etwa 120° des letzten halben Umgangs des Phrag-mocons fehlen. Von der Wohnkammer blieb nur die Basis als kleines Dreieck zwischen Venter und Umbilical-kante erhalten. Ihre Umbilicalnaht lässt erkennen, dass sie sich etwa 130° weiter erstreckte. Von der rechten Seite sind nur wenige Zentimeter des adaperturalen Endes des Phragmocons erkennbar. Die Umbilicalkante ist nur auf den letzten 60° des Phragmocons und der beginnenden Wohnkammer erhalten und zeigt keine postmortale Deformation. Anlösungen der Gehäuseoberfläche zeigen sich auf dem Phragmocon bis auf dem Abschnitt vor der Wohnkammer. Das Gehäuse ist mäßig evolut gewunden, ca. die Hälfte der vorhergehenden Windung wird bedeckt. Die Umbilicalweite beträgt 27,5 % des Durchmessers. Insgesamt liegen, mit einer Lücke von 120°, eineinhalb Windungen offen. Der Windungsquerschnitt ist, soweit erkennbar, oval. Das Verhältnis von Windungsbreite zu Windungshöhe kann nicht bestimmt werden (Abb. 4 A, B). Die größte Windungs- breite liegt etwa in Höhe der Flankenmitte. Bis zu einem Durchmesser von etwa 87 mm ist der Umbilicus nicht erhalten. Nur der obere Abschnitt der Umbilicalkante lässt erkennen, dass der Umbilicus steil steht und die Umbilicalkante eng gerundet ist. Auf den ersten 90° der erhaltenen Windungen ist die Flanke noch flach. Da diese hier oberflächlich beschädigt ist, kann die Zahl der rudimentär erhaltenen Rippen nicht bestimmt werden. Sie setzen an der Umbilicalkante ein und verlaufen rectiradiat. Sie sind schmal und niedrig, ihr Querschnitt dreieckig, der Rippenfirst gerundet. Der nahezu flache Rippenzwischenraum ist deutlich breiter als die Rippen. Bei dem nächsten erhaltenen halben Umgang ist die Umbilicalkante nicht erhalten. Die Flanke ist gewölbt, die größte Höhe liegt im Bereich der Flankenmitte. Soweit erkennbar, verlaufen die Flanken im ventrolateralen Bereich konvergent. Der Venter ist gerundet. Insgesamt können 11 Einzelrippen auf der Windungshälfte gezählt werden. Sie setzen an der Umbilicalkante ein, verlaufen rectiradiat und setzen ventrolateral aus. Die Rippen sind niedrig und firstförmig, sie bleiben schmaler als der flach konkav gewölbte Rippenzwischenraum. Bei den wieder erhaltenen, letzten 90° des Phragmocons und dem erhaltenen Rest der Wohnkammer steht die gerade Umbilicalwand leicht nach außen geneigt und geht in eine gerundete Umbilicalkante über. Die Flanken sind, soweit sichtbar, leicht gewölbt mit einer größten Breite in Höhe der Flankenmitte. Ventrolateral konvergieren sie. Der Venter ist gerundet. Auf dem etwa 120° umfassenden letzten erhaltenen Windungsabschnitt sind sieben gerade, radial verlaufende Einzelrippen. Sie setzen an der Umbilicalkante ein. Im Querschnitt sind sie erst firstförmig mit gerundetem Top. Sie sind schmaler als ihr konkaver Zwischenraum. Auf der äußeren Flanke verstärken sie sich etwas, bevor sie mit dem Rippenzwischenraum in den unornamentierten ventro- lateralen und ventralen Bereich übergehen. Beim adaperturalen Ende des Phragmocons und der beginnenden Wohnkammer werden die Rippen breiter und gerundeter, die Rippenzwischenräume leicht konkav gewölbt. Auf dem Phragmocon sind flächenhaft Lobenlinien erhalten. Die Kammerscheidewände wurden, wie auch die Schale, postmortal weggelöst. Ihr Verlauf ist nur grob und unvollständig auf dem Steinkern erkennbar.

Zusammen mit diesem Ammoniten-Exemplar wird im Restaurant „Mutter Siepe“ auch das Negativ zu seiner erhaltenen Seite aufbewahrt. Es ist ein typischer, nach Jahrzehnten mit Patina überzogener, Kalksandstein der Dülmen-Formation, der perfekt mit dem Positiv zusammenpasst, aber keine zusätzlichen Details erkennen lässt.

Diskussion: Die beim Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis-Exemplar der Familie Siepe erhaltenen Umgänge entsprechen nach dem Größenvergleich mit dem Lectotypus dieser Spezies den inneren Umgängen drei und vier (Abb. 5; vgl. auch Kennedy & Kaplan 1995, Taf. 36). Beide Exemplare zeigen Übereinstimmung in folgenden Merkmalen: dem leicht evoluten Windungsverlauf, dem gewölbten Gehäusequerschnitt mit größter Breite in Höhe Flankenmitte, dem leicht konvergent verlaufenden ventrolateralen Bereich, dem ge-rundeten Venter, der bei gleicher Größe steil stehenden Umbilicalwand und eng gerundeten Umbilicalkante, der Rippenzahl von 20 – 22 pro Umgang und den rectiradiat verlaufenden, leicht fastigaten Rippen, wobei der Rippenzwischenraum breiter ist, als die Rippen. Das vorliegende Exemplar ist im Vergleich etwas involuter gewunden als der Lectotypus, hat die gleichen Proportionen wie der Paralectotypus und liegt im Varianzbe-reich der Art.

Page 56: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

55

Abb. 4: Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (Landois, 1895)Exemplar der Familie Siepe im Restaurant und historischen Hotel „Mutter Siepe“ in Lüdinghausen-Seppenrade. Dülmen-Formation, unteres Untercampanium, Grenzbereich von lingua/quadrata- und pilula-Zone, P. bidor-satum-Zone, Seppenrade, Wolfsschlucht, aufgelassener und durch das Gelände des Altenzentrums Clara-Stift Seppenrade überbauter Steinbruch. Foto C. Steinweg, LWL-Museum für Naturkunde, Münster. A Dorsalansicht, B Ventralansicht, synsedimentär beschädigt. Lateralansicht Abb. 3. x 0,30.

Page 57: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

56

Der markante Unterschied zu den drei von Kennedy & Kaplan (1995) aus der Dülmen-Formation be-schriebenen Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis-Exemplaren ist nicht die absolute Größe, sondern der Durchmesser des Beginns der Wohnkammer. Beim Exemplar der Familie Siepe beträgt er etwas mehr als 600 mm, beim Lectotypus 1686 mm, beim Paralectotypus 1300 mm, beim Dülmener Exemplar 1340 mm (Kennedy & Kaplan, 1995). Zur Deutung dieses Unterschieds bieten sich zwei Hypothesen an: 1. Das deutlich kleinere Exemplar der Familie Siepe stellt ein juveniles Stadium dar. 2. P. (P.) seppenradensis ist dimorph. Lectotypus, Para lectotypus und das Dülmener Exemplar sind ihrer Größe nach Macroconche. Wie für die Untergattung typisch, glättet sich bei diesen drei Exemplaren die Berippung auf der Wohnkammer (Wright, 1996). Im Vergleich mit den entsprechenden Windungen gleicher Größe des Lectotypus und Paralectotypus, ist beim Exemplar der Familie Siepe die Berippung beim adaperturalen Ende des Phragmocons und der beginnenden Wohnkammer etwas breiter und gerundeter ausgeprägt, auch sind die Rippenzwischenräume leicht konkav eingewölbt. Dies zeigen Merkmale Lectotypus und Paralectotypus im adulten Stadium. Damit liegt die Bestätigung der zweiten Hypothese nahe, wonach es sich bei diesem Exemplar um einen adulten Microconch handelt.

Die von Kaplan et al. (2006) aus dem Untercampanium der Bottroper Mulde beschriebenen Exemplare repräsentieren juvenile bis mittlere Wachstumsstadien, die nicht erkennen lassen, ob es sich um Micro- oder Macroconche handelt. Diese Beobachtung gilt auch für das von Kaplan et al. (2005) beschriebene Exemplar aus der untercampanen pilula/senonensis- oder senonensis-Zone der Legden-Subformation von Legden, nordwestliches Münsterland. Damit wäre das Exemplar der Familie Siepe der erste nachgewiesene Microconch der Spezies P. (P.) seppenradensis.

3. Fundort und Stratigraphie

Fundor t : Die Fundumstände des vorliegenden Exemplars der Familie Siepe wurden nicht schriftlich dokumentiert sondern mündlich überliefert. Arbeiter fanden das Exemplar um 1900 in einer Steinkuhle am Südrande von Seppenrade am nördlichen Einschnitt der Wolfsschlucht (TK 25 Blatt 4210 Lüdinghausen UTM 32 N 32389420 m : 5735660 m) (Abb. 6). Sie hauten dort Steine für den Chausseebau. Da der damalige Wirt Siepe dafür bekannt war, Altertümer zu sammeln, brachten sie ihm das Exemplar. Jeder erhielt dafür eine Flasche Schnaps. Das Exemplar steht seit mehr als 100 Jahre in Seppenrade auf dem Schrank im Schan-kraum des Restaurants „Mutter Siepe“ (Abb. 2 A, C), dessen Negativ derzeit im angrenzenden Speiseraum

Abb. 5: Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis. Dimorphismus, roter Pfeil Beginn der Wohnkammer: A Exemplar Familie Siepe, Microconch, zeichnerisch ergänzt, B Lectotypus, größtes bekanntes Exemplar, LWL- Museum für Naturkunde, Münster, Macroconch. Fotos A C. Steinweg, LWL-Museum für Naturkunde, Münster, B G. Thomas, LWL-Museum für Naturkunde, Münster.

Page 58: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

57

Abb. 6: Lage der Fundorte von Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis bei Seppenrade : 1 Lectotypus und Paralectotypus nordwestlich Seppenrade im Steinbruch Kortmann, bei den Höfen Niehues und Grube-Theißel-mann (Detailkarte siehe Abb 7.); 2 Exemplar Familie Siepe, Wolfsschlucht; A Topographische Karte, TIM-Online NRW, 2016, B Ausschnitt Köngl. Preuss. Landesaufnahme 1892, herausgegeben 1894, TK 25 Blatt 4210 (alte Nummer 2359) Lüdinghausen, Geobasisdaten der Kommunen und des Landes NRW © Geobasis NRW.

Page 59: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

58

(Abb. 2 B). Die Steingrube ist heute durch das Gelände des Altenzentrums Clara-Stift Seppenrade an der Mollstraße überbaut. Wahrscheinlich ist diese ehemalige Steingrube identisch mit dem „südlichen Bruch“ von Seppenrade, den Köplitz (1920) in der Fundpunkttabelle seiner Arbeit über die Fauna des oberen Untersenon im Seppenrader-Dülmener Höhenzug für Seppenrade auflistet. Doch wie für alle anderen seiner Fundorte nennt er keine genauen Geländedaten. In der von ihm genannten Fauna, hier nomenklatorisch emendiert, sind Scaphites (Scaphites) binodosus Römer, 1841 und Cataceramus balticus (Böhm, 1907) biostratigraphisch relevant, die für unteres aber nicht basales Untercampanium sprechen. Doch einen Fund von P. (P.) seppen-radensis erwähnt Köplitz nicht.

Bei der Recherche zum Fundort des Exemplars der Familie Siepe konnten auch die Fundorte des Lectoty-pus und des Paralectotypus anhand historischen Kartenmaterials genauer bestimmt werden. Landois (1895) schreibt zur Fundnachricht und zum Fundort von Lectotypus und Paralectotypus von P. (P.) seppenradensis: „Seppenrade. Zweiter Riesenammonit gefunden, Durchmesser 180 cm. Nopto. Weitere Nachrichten besa-gen, dass derselbe am 22. Februar 1895 in demselben Steinbruche, wo der erste Riesenammonit gelegen, also bei Seppenrade, ausgegraben sei, 100 Schritt weiter nach Westen, etwa 7 m tief. … Seppenrade liegt 4 km westlich von Lüdinghausen, der betreffende Steinbruch 1,50 km nordwestlich von Seppenrade, links von der Chaussee nach Dülmen; der Besitzer Kortmann hält ihn in Betrieb.“ Hermann Nopto war Kaufmann und Heimatforscher in Seppenrade. Der Steinbruch Kortmann kann in der 1892 aufgenommenen und 1894 herausgegebenen topographischen Karte 1:25000 Blatt 4210 Lüdinghausen identifiziert werden (Abb. 6). Er lag 1400 m nordwestlich vom Zentrum von Seppenrade bei den Höfen Niehaus und Grube-Theißelmann. Nach dem Kartenbild war er etwa 4400 m² groß und erstreckte sich in Nord-Süd-Richtung 120 m bei einer durchschnittlichen Breite von etwa 40 m (Abb. 7). Da die Karte in den Jahren bis 1892 aufgenommen wurde, ist hier der Fundort des Paratypus, das kleinere Exemplar der beiden Riesenammoniten, zu verorten (TK 25 Blatt 4210 Lüdinghausen, UTM 32. Zone 32388410 m : 5736825 m, zentraler Wert). Wenn nun das größere der beiden Exemplare, der Lectotypus, 100 Schritt westlich gefunden wurde, beträgt die Entfernung etwa 80 m. Der Fundort (TK 25 Blatt 4210 Lüdinghausen, UTM 32. Zone 32388330 m : 5736825 m) lag damit in einem Abgrabungsbereich, der bei der Kartenaufnahme noch Acker- und Weideland war. In der Ausgabe des Blattes von 1907 ist der Steinbruch nicht mehr verzeichnet. Offensichtlich war er bereits zu dieser Zeit wieder verfüllt.

Strat igraphie: Die Dülmen-Formation erreicht bei in der Bohrung Blick 1 von 1982, etwa 2,4 km süd-westlich vom ehemaligen Steinbruch Kortmann eine Mächtigkeit von etwa 39 m. Sie wird von den Bearbei-tern Frieg und Müller (in Pabsch-Rother 2006) folgend beschrieben: „Feinsandmergelstein, z.T. weniger fest, schluffig, mittelgrau, mit Kalksandstein-Bänken (besonders bei ca. 22 m), einzelne Muschelreste.“ Mit diesen Angaben ist es nicht möglich, die im Steinbruch Kortmann abgebaute Kalksandstein-Bank lithostratigraphisch zu korrelieren. Die Dülmen-Formation ist bei Seppenrade sattelartig aufgewölbt (Pabsch-Rother 2006). Damit liegt die Annahme nahe, dass dort nicht deren obersten Ablagerungen anstehen.

Kaplan et al. (2006) diskutieren die biostratigraphische Stellung der Dülmen-Formation. Nach ihnen nimmt die Dülmen-Formation in die lingua/quadrata- und pilula-Zone bzw. den unteren Abschnitt der Placenticeras bidorsatum-Ammonitenzone ein. Sie stufen die Seppenrader Vorkommen in den Grenzbereich von lingua/quadrata- und pilula-Zone bzw. die Pseudogavelinella clementiana-PRZ-Foraminiferen-Zone des unteren Untercampaniums ein. Diese Einstufung gilt auch für das vorliegende Exemplar.

In Abb. 1 wird die geographische Verbreitung der weiteren Vorkommen von P. (P.) seppenradensis im Münsterländer Kreidebecken dargestellt. Noch in der Dülmen-Formation aber biostratigraphisch nicht näher eingrenzbar als der weitere Grenzbereich von lingua/quadrata- und pilula-Zone wurde unmittelbar südlich der Autobahnauffahrt Dülmen an der A 43 / B 474 das von Kennedy & Kaplan (1995) beschriebene Exemplar gefunden. Ein weiteres Exemplar wurde nördlich als Lesestück in der Holtwick-Formation, Untercampanium, Legden-Subkommission, pilula/senonensis- oder senonensis-Zone 1974 bei Legden in Bauernschaft Haulingort beim Gasleitungsbau gesammelt (Kaplan et al. 2005). Die vorliegenden Exemplare aus der Bottrop-Formation stammen zum einen von Schermbeck-Galen, Ziegelei Ridderbusch und Einschnitt A 31, und zum anderen von Bottrop-Fuhlenbrock, Ziegelei Bremer. Die Vorkommen lassen sich zwei Fundhorizonten zuordnen (Kaplan et al. 2006). Der untere Fundhorizont liegt noch in einem Bereich, in dem kleine Toneisensteingerölle vorkommen. Mit diesem Horizont stimmt das Vorkommen des Exemplars von Dorsten-Hardt, Baustelle Au-tobahn A31 im Bereich der Überführung Lehmbergstraße überein. Dieser Fundhorizont gehört in die lingua/ quadrata-Zone bzw. in die basale P. bidorsatum-Zone. Die obere Lage liegt dicht unter den Glaukonitknau-erlagen in der pilula-Zone. In Abb. 8 wird die stratigraphische Verbreitung von P. (P.) seppenradensis im Münsterländer Kreidebecken zusammengefasst. Demnach tritt P. (P.) seppenradensis erstmals an der Basis der lingua/quadrata-Zone bei Dorsten-Haardt und Bottrop auf. Die Vorkommen in der Dülmen-Formation bei Seppenrade und Dülmen gehören in den Grenzbereich von lingua/quadrata- und pilula-Zone. Die Vorkommen in der pilula-Zone in der Ziegelei Bremer bei Bottrop bilden die obere von zwei Lagen mit P. (P.) seppenra-densis. Das Lesestück aus der Ledgen-Subformation ist in pilula/senonensis- bis senonensis-Zone zu datieren und stellt damit den jüngsten Nachweis dar.

Page 60: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

59

Abb. 7: Detailkarten der Fundorte des Lectotypus und Paralectotypus von Parapuzosia (Parapuzosia) seppen-radensis nordwestlich von Seppenrade im Steinbruch Kortmann bei den Höfen Niehues und Grube-Theißel-mann. 1 Paralectotypus, geborgen 1887, 2 Lectotypus, geborgen 1895, 100 m westlich von 1, im erweiterten Steinbruch. A TIM-Online NRW, B Ausschnitt Köngl. Preuss. Landesaufnahme 1892, Herausgegeben 1894, TK 25 Blatt 4210 (alte Nummer 2359) Lüdinghausen, Geobasisdaten der Kommunen und des Landes NRW © Geobasis NRW.

Page 61: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

60

Nach freundlicher pers. Mitt. von Christina Ilfrim, Institut für Geowissenschaften, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg kommt P. (P.) seppenradensis im unteren Untercampanium von Mexiko auch in Riesenformen nicht selten vor. Deren Bearbeitung ist geplant.

Danksagung

Familie Siepe, Inhaber des Restaurants und historischen Hotels „Mutter Siepe“ in Seppenrade, ermöglichte in großzügiger Weise die wissenschaftliche Bearbeitung des Ammoniten. Dr. D. Grzegorczyk und Dr. L. Schöllmann, LWL-Museum für Naturkunde, Münster, unterstützen mich vielfältig bei der Bearbeitung. C. Steinweg, aus dem gleichen Hause, fertigte die Fotographien in gewohnt hoher professionaler Weise an. D. Böhle, Heimatverein Seppenrade, gab mir den Hinweis auf das Exemplar und diskutierte mit mir die Fundorte der Seppenrader Exemplare. PD Dr. C. Ilfrim, Heidelberg, wies mich auf die mexikanischen Vorkommen von P. (P.) seppenraden-sis hin, diskutierte deren Dimorphismus und gab mir wertvolle Literaturhinweise. Dr. A. Schwermann, Bonn, unternahm eine kritische Durchsicht des Manuskriptes und gab wertvolle Hinweise. Ich danke allen Personen für ihre Hilfe und Unterstützung.

Abb. 8: Stratigraphisches Verbreitung von Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis im Münsterländer Kreidebecken.

Page 62: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

61

4. Schriftenverzeichnis

Diener, C. (1925): Ammonoidea neocretacea. Fossilium Catalogus (1: Animalia), 29: 1-244.Fraas, 0 . (1891 ): Riesenammoniten. - Jb. Ver. f. vaterl. Naturk. in Württembg, 47: 441-442.Grossouvre, A. de (1894): Recherches sur la craie supérieure, 2, Paléontologie. Les ammonites de la craie

supérieure. Mem. Serv. Carte geol. det. Fr.: 264 S. Paris (Imprimerie Nationale).Hyatt, A. (1889): Genesis of the Arietidae. - Smithson. Contrib. Knowl., 673: xi + 1-239.Immel, H. (1987): Die Ammoniten der nördlichen Kalkalpen. - Zitteliana, 15: 3-163.Kaplan, U., Kennedy, W.J. & Hiß, M. (2005): Stratigraphie und Ammonitenfaunen des Campan im nordwestli-

chen und zentralen Münsterland. - Geol. Paläont. Westf., 64: 1-171.Kaplan, U., Kennedy, W.J. & Scheer, U. (2006): Ammoniten der Bottrop-Formation, Campanium, westliches

Münsterland. - Geol. Paläont. Westf., 67: 1-71.Kennedy, W. J. & Kaplan, U. (1995): Parapuzosia (Parapuzosia) seppenradensis (LANDOIS) und die Ammoni-

tenfauna der Dülmener Schichten, unteres Unter-Campan, Westfalen. - Geol. Paläont. Westf., 33: 1-127.Köplitz, W. (1920): Über die Fauna des oberen Untersenon im Seppenrade - Dülmener Höhenzuge. - Westf.

Wilh.-Univ., Münster, 78 S., Münster (Dissertation).Kukuk, P. (1938): Geologie des niederrheinisch-westfälischen Steinkohlegebirges. XVI 1 + 706 S., Berlin (Springer).Landois, H. (1887): Ueber einen ungewöhnlich grossen Ammonites Coesfeldiensis SCHL. - Z. dt. geol. Gesell.

1887: 612-613.Landois, H. (1888): Ueber einen ungewöhnlich großen Ammonites von Seppenrade. - J.-ber. Westf. Prov.-Ver.

Wiss. u. Kunst, 16: 11-12.Landois, H. (1892): Ein Unicum der Welt aus Westfalen .- J.-ber. Westf. Provinz.-Ver. Wiss. u. Kunst, 20: 25-27.Landois, H. (1895a): Ein zweiter Riesen-Ammonit wurde in Seppenrade aufgefunden. - J.-ber. Westf. Pro-

vinz.-Ver. Wiss. u. Kunst, 23: S. 71.Landois, H. (1895b): Die Riesenammoniten von Seppenrade: Pachydiscus ZITTEL Seppenradensis H. LANDOIS.

- Westf. Provinz.-Ver. Wiss. u. Kunst, 23: 99-108.Lanser, P. (1990): Ein neuer Riesenammonit aus der westfälischen Kreide. - in: Archäologie in Nordrhein-West-

falen, Geschichte im Herzen Europas: 108-112, (Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln - Der Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen); Köln.

Lehmann, U. (1976): Ammoniten: Ihr Leben und ihre Umwelt. - I-IV +1-171, Stuttgart (Enke Verlag). Matsumoto, T. (1938): A biostratigraphic study on the Cretaceous deposits of the Naibuchi Valley, South

Karahuto. - Proc. lmper. Acad. Japan, 14: 190-194.Matsumoto, T. (1954): Family Puzosiidae from Hokkaido and Saghalien (Studies on Cretaceous Ammonoidea

from Hokkaido and Saghalien-V). - Mem. Fac. Sc. Kyushu Univ., Series D, Geol., 5(2): 69-118.Nowak, J. (1913): Untersuchungen über die Cephalopoden in der oberen Kreide in Polen. III. Teil. - Bull. int.

Acad. Sei. Lett. Cracovie, Cl. Sei. math. nat., B. für 1913: 335-415.Pabsch-Rother, U. (2006): Erläuterungen zu Blatt 4210 Lüdinghausen. - Geol. Kt. Nordrh. Westf. 1:25000, 4210:

162 S.; Krefeld. Schlüter, C. (1899): Podocrates im Senon von Braunschweig und Verbreitung und Benennung der Gattung. -

Z. dt. geol. Ges., 51: 409-430.Spath. L. F. (1921): On Cretaceous Cephalopoda from Zululand. - Ann. South Afr. Mus., 12(7): 217-321.Spath. L. F. (1922): On the Senonian ammonite fauna of Pondoland. - Trans. R. Soc. S. Afr., 10: 113-147.Summesberger, H. (1979): Eine obersantone Ammonitenfauna aus dem Becken von Gosau (Oberösterreich).

- Ann. Naturhist. Mus. Wien, 83: 275-283.Westhoff, F. (1896): Der Riesenammonit von Seppenrade in Westfalen. - Natur und Offenbarung, 42: 32-39.Wolansky, D. (1963): Pachydiscus seppenradensis LANDOIS, der Riesenammonit aus der westfälischen Ober-

kreide. - Paläont. Zeitschr., 37: 23.Wright, C.W. (1996): Treatise on Invertebrate Paleontology. Part L, Mollusca 4: Cretaceous Ammonoidea. xx +

362 S. (with contributions by J.H. Calloman (sic) and M.K. Howarth). - Geological Society of America and University of Kansas, Boulder, Colorado and Lawrence, Kansas.

Wright, C.J. & Kennedy, W.J. (1984-1996): The Ammonoidea of the Lower Chalk. - Monogr. Palaeontogr. Soc., 319, 94 pls (1-126, pls 1-40 (1984); 127-218, Taf. 41-55 (1987b); 219-294, pls 56-86 (1991); 295-319, pls 87-94 (1995); 320- 403, pls 95-124 (1996); London.

Zittel, K.A. von (1884): Handbuch der Palaeontologie. 1., Abt. 2; Lief. 3, Cephalopoda, S. 329-522; München & Leipzig (Oldenbourg).

Zittel, K.A. von (1895): Grundzüge der Palaeontologie (Palaeozoologie).- vii + 972 S., München & Leipzig (Oldenbourg).

Page 63: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

Ein Verzeichnis der lieferbaren Hefte erhalten Sie beim:

LWL-Museum für NaturkundeSentruper Str. 285, 48161 MünsterTel.: 0251/591 6097Fax: 0251/591 6098 eMail: [email protected]

http://www.lwl.org/LWL/Kultur/lwl-naturkunde/naturkundemuseum/literatur/schriftenreihen/

Preise zuzüglich Porto- und Verpackungskosten.

Page 64: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus
Page 65: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus
Page 66: Geologie und Paläontologie in Westfalen · Chondrichthyes sind durch die Zähne von Grozonodon candaui, „Hybodus“ cloacinus, Lissodus minimusParascylloides , turnerae, Pseudocetorhinus

ISSN 0176·148X ISBN 978-3-940726-47-6

. ~rnHm1