Geopolitik und Finanzkrise verändern die ... · PDF fileGeopolitik und Finanzkrise verändern die Entwicklungsarchitektur Einschätzung des Vierten Hochrangigen Forums über Wirksame

Embed Size (px)

Citation preview

  • Geopolitik und Finanzkrise verndern die Entwicklungsarchitektur

    Einschtzung des Vierten Hochrangigen Forums ber Wirksame Entwicklungszusam-

    menarbeit in Busan, Sd Korea (29.11. -1.12.2011) aus zivilgesellschaftlicher Perspektive

    Von Peter Lanzet (Evangelischer Entwicklungsdienst) Sprecher der VENRO AG Internationale Finanzarchitektur und Armutsbekmpfung Das Vierte Hochrangige Forum zur Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit in

    Busan (HLF4) war im Kern eine Veranstaltung ber die Umverteilung von Macht und

    Einfluss in der EZ. Die vereinbarte Busan Partnership for Effective Development Coo-

    peration markiert einen Paradigmenwechsel in der Entwicklungszusammenarbeit. Bu-

    san steht fr ein auf Eigenverantwortung von Entwicklungslndern basiertes Model der

    globalen Entwicklungskooperation, das die Beitrge so unterschiedlicher Akteure wie

    der Zivilgesellschaft und der chinesischen Sd-/Sdkooperation als Teil eines gemein-

    samen entwicklungspolitischen Prinzipien- und Zielrahmens anerkennt. Der Rahmen

    des Busan Outcome Document (BOD)1 wurde so weit gespannt, dass sich das negativ

    u.a. auf den Stellenwert der Menschenrechte, auf Selbstverpflichtungen der Geber oder

    die Festlegung konkreter Indikatoren im Dokument auswirkte. Die neuen Geber htten

    konkretere und verpflichtendere Formulierungen nicht mitgetragen. China und Indien

    setzten am Ende sogar eine Freiwilligkeitsklausel fr sich durch. Fr die Zivilgesell-

    schaft markiert Busan einen positiven Wendepunkt. Auch wenn Busan die Bedeutung

    des Welthandels herausstreicht und die Entwicklungshilfe auf den Finanzmrkten he-

    beln will, bleibt es der Entwicklungszusammenarbeit verhaftet.

    Paradigmenwechsel: Busan markiert das Ende des berwlbenden Ziels der Armutsbe-kmpfung, das bisher allen Anstzen zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele zugrunde gelegt wurde. Wer soziale Entwicklung, Armutsbekmpfung und die Millenniums-Entwicklungsziele im BOD sucht, findet sie vor allem in den Prinzipien der Prambel. Fi-nanzkrise und knapper werdende ffentliche Finanzen warfen ihre Schatten auf diese interna-tionale Konferenz der Entwicklungszusammenarbeit. Gebern und Entwicklungslndern er-scheit nun die bertragung von Entwicklungsaufgaben an den Privatsektor durch Absiche-rung seines Investitionsrisikos und Hebelung der ODA ber den Finanzmarkt als eine viel versprechende Erweiterung und positive Vernderung des bisherigen entwicklungspolitischen Instrumentenportfolios. Das BOD untersttzt diese Entwicklung ausdrcklich. Zu den Prinzipien des BOD gehren Menschenrechte, dauerhafte Wirkungen, Armutsbe-kmpfung und die Reduzierung von Ungleichheit. Es setzt Wirtschaftswachstum und Ent-wicklung gleich. Wachstum wird sowohl als Ziel an sich, als auch als Motor fr Jobs, soziale Inklusivitt und soziale Sicherung verstanden. Soziale Gerechtigkeit und verteilungspolitische Manahmen stellen sich nach diesem Modell von alleine ein, denn vom BOD geht keine Handlungsorientierung in dieser Richtung aus. Entwicklungspolitisch bedeutet Busan u.a. die Wiederkehr des Trickledown- Ansatzes mit asiatischem Antlitz. In Busan wurde das koreani-sche Entwicklungsmodel gefeiert, mit Schlsselbegriffen wie starke konomische Fhrung und Ownership des Staates, Privatisierung und Exportorientierung der Wirtschaft. Busan steht auch fr den wachsenden Druck auf Rechenschaftslegung und vor allem auf Resultate, etwa nach dem Value for Money Konzept, das den politischen Willen fr die Bereitstellung von Entwicklungshilfe an messbare Ergebnisse bindet. Die Weltbank warb in Busan fr ergebnis-abhngige Refinanzierungsmodelle von Projekten in Trgerschaft von Entwicklungslnderre-gierungen, bei gleichzeitig moderater Abfederung ihrer Risiken.

    1 http://www.aideffectiveness.org/busanhlf4/images/stories/hlf4/OUTCOME_DOCUMENT_-_FINAL_EN.pdf

  • 2

    Partnerschaft mit verschiedenen Geschwindigkeiten: Das Machtgefge in der globalen Zusammenarbeit verndert sich, jetzt auch in der Entwicklungszusammenarbeit. Diesen Um-stnden hat das HLF4 im BOD Ausdruck verliehen. Das BOD ist quasi die Prambel der Sat-zung der vereinbarten Neuen Globalen Partnerschaft fr effektive Entwicklungskooperati-on, deren strukturellen Einzelheiten noch abgestimmt werden mssen. In dieser Partnerschaft mssen sich die traditionellen Geber, wie sie jetzt genannt werden und Entwicklungslnder-Regierungen an ihre bisherigen Zusagen und Verpflichtungen zur Beachtung der Regeln und Erreichung der Ziele der HLFs von Paris (2005) und Accra (2008) gebunden fhlen. Fr neue Geber, deren Zusammenarbeit im Rahmen der Sd- /Sdkooperation stattfindet, ist die Bin-dung an die Regeln der HLFs freiwillig. Brasilien, Sdafrika wollen sich dabei der Gruppe der OECD- Lnder und ihrer Partner sowie den Multilateralen Einrichtungen anschlieen. Es waren Indien und insbesondere China, die sich den Sonderstatus im neuen Entwicklungsclub vorbehalten haben, im Prinzip nach Gutdnken verfahren zu knnen. Sie werden weder an Verfahren noch an Indikatoren gebunden sein. Die im Entwicklungskomitee der OECD zu-sammengeschlossenen Geber betrachten es dennoch als groen Erfolg, China und Indien da-fr gewonnen zu haben, wenigstens die gemeinsame Prinzipien und Ziele des BOD mitzutra-gen. Im BOD beteuern die Partner, mit den neuen, in Busan vereinbarten Zielen, zugleich auch die alten von Paris und Accra erreichen zu wollen. Das BOD, fr dessen Erarbeitung und Ab-stimmung erheblicher internationaler Aufwand betrieben wurde, hat keinen operationalen oder rechtlichen Verbindlichkeitscharakter. We will hold ourselves accountable heit es dazu im Dokument. Subjekt des BOD ist das Wir aller Akteure, das zum Trger von com-mon priciples and shared goals wird und dem sich China und Indien on a voluntary basis anschlieen. Akteure der Neuen Globalen Partnerschaft

    Noch nie waren so viele Akteure der Entwicklung an den Verhandlungen beteiligt, wie in Busan. Unter Anerkennung ihrer jeweiligen Aufgaben und Pflichten sollen sie mglichst in-tensiv mit den anderen Partnern zusammenarbeiten, gerade auch auf der Lnderebene, um hchstmgliche Effektivitt zu erreichen. Dem Privatsektor widmet das BOD ganz besondere Aufmerksamkeit. Den Parlamentariern, der lokalen Selbstverwaltung oder den Akteuren der Zivilgesellschaft schreibt das BOD Rollen und Aufgaben zu, um die heftig gerungen wurde. Insgesamt bedeutet diese Partnerschaft einen erheblichen Fortschritt gegenber den bisherigen Foren in Paris (2005) und Accra (2008).

    Den Parlamentariern wird eine angemessene materielle Ausstattung versprochen, aber ihr Initiativrecht bei der Formulierung von Gesetzen bleibt unerwhnt.

    Der Lokalen Selbstverwaltung wird primr die Aufgabe der Verbindung lokaler par-tizipativer Prozesse mit der Regierungsebene zugesprochen, von ihrer gestalterischen Kraft ist nicht die Rede.

    Die vital role der Zivilgesellschaft in der Entwicklung wird anerkannt. Sie soll den Menschen helfen ihre Rechte einzufordern, menschenrechtsbasierte Entwicklungsan-stze frdern, Politiken und Partnerschaften der Entwicklung mitgestalten und ihre Durchfhrung beobachten und begleiten. Der Zivilgesellschaft vertreten durch das globale Netzwerk Better Aid2,3, wurde der Status eines Schlsselakteurs der neuen

    2 http://www.betteraid.org/ 3 http://www.betteraid.org/en/news/high-level-forum-on-aid-effectiveness-/524-civil-society-statement-to-the-fourth-high-level-forum-on-aid-effectiveness.html

  • 3

    Partnerschaft zuerkannt. Ihr wurde ein eigener Sherpa in den Verhandlungen ber das BOD zugeteilt. Better Aid verhandelte gleichauf mit den Sherpas der EU, der USA, den Mittel- und Niedrigeinkommenslnder, etc. Insgesamt fhrten neun Sherpas die Verhandlungen. Der Better Aid-Sherpa vertrat auch den Privatsektor, die Parlamenta-rier und die lokalen Selbstverwaltungen, was bei diesen keinen Jubel auslste. Trotz dieses Riesensprungs in der Anerkennung der Zivilgesellschaft seit dem HLF3 in Acc-ra, Ghana, kann man dem BOD nur bei gnstigster Interpretation entnehmen, dass Re-gierungen sie knftig in ihrem Handlungsspielraum nicht mehr einschrnken wollen.

    In den kommenden Jahren wird es eine der Aufgabe der Zivilgesellschaft sein, ihre globale politische Anerkennung im Rahmen der Neuen Globalen Partnerschaft wahr-zunehmen und zu verstetigen. Wichtiger noch wird es sein, gemeinsam mit dem zivil-gesellschaftlichen Netzwerk Open Forum on CSO Development Effectiveness, das sich die Kapazittsbildung von NRO zum Ziel gesetzt hat, die Mglichkeiten und Chancen des BOD auf der nationalen und lokalen Ebene bekannt zu machen und die Kapazitten zu ihrer Wahrnehmung zu strken. Die Chancen bestehen in dem Ver-stndnis des BOD, die Neue Globale Partnerschaft auch national durch eine offene und transparente Partnerschaft aller Akteure nach dem Prinzip der Democratic Ow-nership (s.u) und unter Leitung der Regierung abzubilden. Das beinhaltet eine gleich-berechtigte Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die nationale Planung, Umsetzung und Rechenschaftslegung. Das BOD zeigt damit, wie weit es von den existierenden Realitten entfernt ist. Doch schafft es immerhin einen Referenzrahmen, auf die natio-nale Akteure den Zivilgesellschaft sich knftig beziehen knnen.

    Der Privatsektor wurde in Busan umworben, damit er mehr Investitionen in Entwick-lungslnder lenkt und knftig eine grere Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit spielt. Das BOD verspricht dem Privatsektor, brokratische Hindernisse abzubauen und ihm seine Investitionsrisiken tragen zu helfen. Vertreten waren eher die Molkerei-en oder Landwirtschaftsbetriebe und weniger die Banken, Geld- und Warenhndler und Groinvestoren. Auf der Konferenz unterstrichen die anwesenden Vertreter des Privatsektors die Bedeutung seiner Koopera