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Perspektiven _Kunst 34 Deutsche Bank_results Georg Baselitz „Rückenwind. Strandbild 8, 1981“ zeigt einen archaisch wirkenden Akt über Kopf – so ungestüm wie ein Windstoß gemalt FOTO: MUSEUM FRIEDER BURDA, BADEN-BADEN © GEORG BASELITZ, 2009

Georg Baselitz - Deutsche Bank · gen – die wunderbare „Van Gogh“-Serie von 1977 zu sehen: „Van Gogh als Schneidermeister“, „Ober- ... Werbeprospekte, private Fotos –

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Georg Baselitz „Rückenwind. Strandbild 8, 1981“ zeigt einen archaisch wirkenden Akt über Kopf – so ungestüm wie ein Windstoß gemalt

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Herzklopfen auf PapierZum Jubiläum der Sammlung Frieder Burda zeigt die Deutsche Bank KunstHalle eine Auswahl der schönsten Papierarbeiten. Die Schau gibt Einblick in eine der aufregendsten Kunstsammlungen Deutschlands

des künstlerischen Impetus. In der Sammlung Frie-

der Burda nehmen Arbeiten auf Papier einen außer-

ordentlich hohen Stellenwert ein. „Gerade in der

Zeichnung zeigt sich die wahre Meisterschaft“,

betont der Sammler, dessen Interesse stets dem

emotionalen Ausdruck eines Bildes galt. Kühlen

Konstruktivismus und Konzeptkunst sucht man

vergebens in dieser Kollektion. Frieder Burda fas-

ziniert eine Kunst, die betroffen macht, aufwühlt,

Herzklopfen auslöst.

Es ist deshalb kein Zufall, dass ausgerechnet

diejenigen Künstler die Sammlung Burda in Berlin

repräsentieren, die sich mit expressivem Gestus

an existenziellen Themen wie dem Menschenbild

abarbeiten: Georg Baselitz, Willem de Kooning, Sig-

mar Polke, Gerhard Richter, Neo Rauch und nicht

zuletzt Arnulf Rainer, einer der einfl ussreichsten

Künstler Österreichs, der auch in Deutschland im-

mer mehr Aufmerksamkeit erfährt. Seine heftigen,

meist schwarzen Übermalungen von Fotos und

Reproduktionen quer durch die Kunstgeschichte

loteten schon in den fünfziger Jahren neue Berei-

che der Expressivität aus und wurden bald zum

Markenzeichen.

Im Haus unter den Linden ist nun – neben eini-

gen seiner fast vollständig schwarzen Übermalun-

gen – die wunderbare „Van Gogh“-Serie von 1977

zu sehen: „Van Gogh als Schneidermeister“, „Ober-

förster“ oder „schwarzer Irokese“ offenbaren den

subversiven Witz, mit dem Rainer hier den Über-

vater der Moderne von seinem Sockel holt.

Was ist besser: Kunst sammeln oder sau-

fen und huren?“, fragten die Künstler

Sigmar Polke und Gerhard Richter frech

im Jahr 1966 auf einer gemeinsamen Textcollage.

Von solchen Provokationen ließ sich Frieder Bur-

da schon damals nicht schrecken. Er sammelte –

vor allem Bilder dieser beiden Künstler, die seine

Freunde wurden. Heute zählen Polke- und Richter-

Werke zu den Säulen der großartigen, über 40 Jah-

re gewachsenen Kollektion, die mit dem Bau von

Richard Meier in Baden-Baden 2004 ein eigenes

Museum bekam. Im Sommer feierte das Frieder-

Burda-Museum das zehnjährige Bestehen sowie

40 Jahre Sammlung, mit einem Querschnitt durch

die vergangenen vier Dekaden.

Die Deutsche Bank KunstHalle präsentiert zum

Doppeljubiläum nun eine Auswahl aus der Kollek-

tion, die in dieser Konzentration und Fülle noch

nie zu sehen war: Rund 120 Arbeiten auf Papier

von sechs einfl ussreichen Künstlern schlagen hier

einen Bogen vom Abstrakten Expressionismus bis

in die Gegenwart. Dabei bietet die Schau sehr per-

sönliche Einblicke in das Wesen dieser Sammlung

und des Mannes, der sie zusammentrug.

Arbeiten auf Papier sind gemeinhin weniger

popu lär als Malerei, in Künstler- und Sammler-

kreisen jedoch genießen sie größte Wertschätzung.

Nicht ohne Grund hat die Deutsche Bank Arbeiten

auf Papier ins Zentrum ihrer hauseigenen Samm-

lungsaktivität gestellt: Zeichnungen sind mit ihrem

Abstraktionsvermögen ein unmittelbarer Ausdruck

Der Sammler Frieder BurdaGeboren 1936 im badischen Gengen-bach als zweiter Sohn des Verlegers Franz Burda, absolvierte Frieder Burda zunächst eine Drucker- und Verlagslehre. Er trat jedoch nach dem Tod des Vaters nicht in den Verlag ein, sondern widmete sich neben dem unternehmerischen Engagement für eine Reihe von Firmenbeteiligungen verstärkt seiner Kunstsammlung. Dabei faszinierte ihn der deutsche und der amerikanische Expressio-nismus, aber Burda begleitete immer auch die aktuelle Kunst. Die Werke des späten Pablo Picasso bilden einen weiteren Schwerpunkt der Sammlung.

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Juwel im ParkWeiß, luftig, lichtdurchfl utet. Der

Baden-Badener Museumsbau

des US-Architekten Richard Meier für

die rund 1000 Werke umfassende

Sammlung Frieder Burda zeichnet

sich durch Eleganz und Transpa-

renz aus. Licht sei sein wichtigstes

Baumaterial, sagte der vielfach

ausgezeichnete Amerikaner, dessen

2004 eröffneter Bau neben der

Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden

die historische Parkanlage der

Lichtentaler Allee wie ein funkelnder

Edelstein spiegelt. Kunst, Archi-

tektur und Natur fügen sich so wie

selbstverständlich ineinander.

Museum Frieder Burda

Baden-Baden, Lichtentaler Allee 8b

www.museum-frieder-burda.de

Zwischen Malerei und Zeichnung besteht fast

immer ein enger Dialog, und dieser Dialog interes-

sierte Frieder Burda außerordentlich. Die Ausstel-

lung macht das sehr schön sichtbar: Jedem Werk-

komplex ist hier ein charakteristisches Gemälde des

jeweiligen Künstlers vorangestellt.

Arnulf Rainers „Van Gogh“-Serie wird von einer

fast schwarzen Übermalung mit Öl auf Holz (1979)

fl ankiert. Bei Neo Rauch, dessen kaum bekannte

Mischtechnikzeichnungen Anfang der neunziger

Jahre aktuelle Tendenzen der Sammlung Burda vor-

stellen, ist es die fast informell wirkende „Flut II“

von 1992. Georg Baselitz’ Gemälde „Rückenwind“

(1981) zeigt eine archaisch wirkende, mit brachia-

lem Duktus auf die Leinwand gehauene Figur über

Kopf, rotorange auf grauweißem Grund. Drumher-

um gruppieren sich die „Straßenbilder“ (1980) des

Überkopf-Malers. Ihnen gegenüber wirken Willem

de Koonings nervöse, ungestüm mit Kohle und

Tusche aufs Papier gesetzten Striche und Flecken,

in denen man die Figur eher erahnt als erkennt,

schwereloser, geradezu tänzerisch.

Ein zerschnittenes Bild war der Anfang

Willem de Kooning gehört zu den frühesten Künst-

lern der Sammlung Frieder Burda. Der zweite Sohn

des Verlegerpaares Franz und Aenne Burda lernte

ihn bei seinem Aufenthalt in Amerika kennen, An-

fang der siebziger Jahre. Die Werke der Abstrakten

Expressionisten, allen voran Mark Rothko, Clyfford

Still, Jackson Pollock und eben auch de Kooning,

Vaterfi gur für viele junge Expressive, bilden heute

einen von mehreren Schwerpunkten in der rund

1000 Werke umfassenden Privatsammlung. Einen

weiteren nimmt Pablo Picassos Spätwerk ein, zu

dem Burda auch deshalb einen besonderen Bezug

hat, weil Mougins, der pittoreske Ort nördlich von

Cannes, in dem Picasso seine letzten zwölf Jahre

verbrachte, seine zweite Heimat wurde. Dort übri-

gens wollte Burda zuerst sein Museum errichten,

doch dann bot ihm die Landesregierung Baden-

Württemberg das Grundstück neben der Staatlichen

Kunsthalle in Baden-Baden an, im schönen Park der

Lichtentaler Allee.

Frieder Burda ist mit Kunst aufgewachsen. In

seinem Elternhaus hingen Gemälde von Max Beck-

mann, Ernst Ludwig Kirchner und August Macke,

führenden deutsche Expressionisten, die ihn als

Kind prägten und für ihn auch heute noch eine

herausragende Rolle spielen.

Das persönlich wohl wichtigste Werk, das aller-

erste, das er erwarb, nimmt jedoch auch stilistisch

eine Sonderstellung ein: Es ist Lucio Fontanas „Con-

cetto Spaziale, Attese“ (um 1967), eine knallrote,

von drei Schnitten durchzogene Leinwand, die die

Grenzen der Malerei sprengt.

Der junge Unternehmer entdeckte das zer-

schlitzte Bild 1968 auf der Documenta 4. Er wusste

damals nicht, wer Fontana war, doch dieses Bild,

so erzählte er launig bei der Einweihung des licht-

durchfl uteten Richard-Meier-Baus 2004, „wollte ich

besitzen, weil ich es aufregend fand“.

Sigmar Polke Punkt, Punkt, Komma, Strich – und fertig waren die beiden mächtigsten Männer der damaligen Welt: „Kartoffelköppe (Mao und LBJ)“ war 1965 Polkes ebenso lustiger wie respektloser Beitrag zum Ost-West-Konfl ikt

Polke und Richter bleibt Burda ein Leben lang treu

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1968 war die Zeit der Revolte, und Frieder Bur-

da revoltierte mit einem Bild gegen die tradierten

Werte seines Vaters: mit einem Bild, das kein Bild

mehr sein wollte. Das sich in den Raum öffnete und

der Fantasie des Betrachters jeden Freiraum ließ.

Fontana war für Frieder Burda ein Schlüsselerleb-

nis. Und er markierte einen Neuanfang: den Aufbau

eines Lebenswerks, in dem die programmatischen

Provokateure Sigmar Polke (1941–2010) und Ger-

hard Richter (geb. 1932) den zentralen Stellenwert

einnehmen sollten.

Diese beiden aus der DDR stammenden Künst-

ler schlugen Ende der Siebziger ein ganz neues

Sammlungskapitel auf: Nun ging es nicht mehr um

„die Faszination Farbe“. Nun ging es um Respekt-

losigkeit, Experimentierfreude und eine Ironie, die

Burda auf Anhieb in den Bann zog.

Polke und Richter wurden für ihn wichtige Künst-

ler, denen er über alle Brüche und Stilwechsel hinweg

treu blieb. Wie faszinierend, dass sich diese beiden

Ausnahmeerscheinungen in keine Schublade sper-

ren ließen, mühelos die damals noch starren Grenzen

zwischen Abstraktion und Figuration durchbrachen.

Realisten und junge Wilde

Zu Beginn ihrer Karriere, Anfang der sechziger Jahre,

als „der Ausstieg aus dem Bild“ stattfand, wie der

Kunsthistoriker Laszlo Glozer einmal formulierte,

belebten Polke und Richter die Malerei aufs Neue. In

ironischer Abgrenzung zur DDR-Staatskunst begrün-

deten sie mit Konrad Lueg und Manfred Kuttner den

„Kapitalistischen Realismus“ und malten drauflos,

was das Zeug hielt.

Polke brach mit seinen Rasterbildern den illu-

sio nistischen Charakter gegenständlicher Male-

rei, Richter mit sublim verwischter Fotomalerei,

die voller Gesellschaftskritik steckte. Inspiriert

von der amerikanischen Pop-Art, verarbeiteten sie

möglichst „unkünstlerische“ Vorlagen – Zeitungs-

ausschnitte, Werbeprospekte, private Fotos – und

zogen Warenwelt, Freizeitvergnügen und Klein-

bürgermief nach Kräften durch den Kakao. In den

achtziger Jahren, als die „Neuen Wilden“ die Bühne

betraten und mit ihnen eine starke neue Figürlich-

keit, konzentrierten sich die beiden Künstler ganz

gegen den Zeitgeist auf Oberfl ächen, Pulver und

Pigmente. Polke mutierte zum Alchimisten, schaff-

te chemisch behandelte „Schütt- und Lackbilder“,

die sich durch Lichteinwirkung und Temperatur

veränderten; Richter irritierte seine Fangemeinde

mit monochrom grauen Leinwänden und abstrak-

ten Farborgien.

In der Deutschen Bank KunstHalle stehen die mo-

nochrome Leinwand „Grau“ (1974) sowie eine Reihe

farbintensiver Aquarelle aus den späten achtziger

Jahren beispielhaft für die abstrakte Phase Richters.

Polke hingegen ist mit seinem fantastischen Früh-

werk aus den wilden Jahren 1963–67 präsent – rasch

hingeworfene Kritzeleien, banal, naiv, bar jeder

akademischen Ästhetik und Technik. Ob „Frischer

Kopfsalat“, „Seife“, „Schuhkrem“ oder „Rohrkolben“,

kein Sujet war diesem genialen Spötter zu trivial,

kein Ringbuchpapier zu billig. Polke veralberte alle

und alles und erhob ausgerechnet die keimende

Kartoffel, des Deutschen liebstes Nahrungsmittel,

zum Sinnbild immerwährender Kreativität.

Polkes berühmtes Gemälde „Kartoffelköppe

(Mao & LBJ)“ sucht in Berlin nun die Zwiesprache mit

mehr als 40 Arbeiten auf Papier. Sie bilden das größte

Konvolut dieser aufregenden Schau, gleichsam das

Herzstück – denn hier offenbart sich beispielhaft der

aufrührerische Geist, der Frieder Burdas exquisiter

Sammlung innewohnt.

ISABELLE HOFMANN

Neo Rauch In jungen Jahren

interessierte sich der Leipziger Künstler für

Raumstrukturen, in denen Figuren nur

schemenhaft auftra-ten. Hier ein Blatt

in Mischtechnik ohne Titel von 1994

Willem de Kooning Die Vaterfi gur der Abstrakten Expressionisten ist mit luftig leichten, fast schon tänzerisch anmutenden Zeichnungen wie dieser von 1974 vertreten

WEITERE INFORMATIONEN

„Höhere Wesen befehlen …“,

Arbeiten auf Papier aus der Sammlung

Frieder Burda; 5. Dezember 2014 bis 8. März 2015,

Berlin, Unter den Linden 13–15

www.deutsche-bank-kunsthalle.de

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